Geburtsinsel bricht weg - Schließung sorgt für Aufschrei

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Sa., 12.10.2013
Geburtshilfe-Abteilung am EVK Münster schließt
Geburtsinsel bricht weg - Schließung sorgt für
Aufschrei
Zum Jahresende schließt die Geburtshilfe-Abteilung des Evangelischen Krankenhauses Johannisstift im
Kreuzviertel. Bleibt abzuwarten, welche Alternativen den Hebammen geboten werden. Foto: Oliver Werner
Münster Hebammen sind in Sorge, Frauen, die ihr Kind im nächsten Jahr im Evangelischen
Krankenhaus Johannisstift zur Welt bringen wollten, müssen sich ein neues
Krankenhaus für die Entbindung suchen. Denn mit Ende des Jahres gehen in den
drei Kreißsälen an der Wichernstraße die Lichter aus. Dort, wo Frauen in den Wehen
eine 1:1-Betreuung erfahren haben.
Von Maria Meik
Sie fiel aus allen Wolken, als sie hörte, dass in den Kreißsälen im Evangelischen Krankenhaus
zum Jahresende die Lichter ausgehen. Und dabei wollte Sabrina Bierekoven doch so gerne im
März 2014 ihr erstes Kind im EVK an der Wichernstraße auf die Welt bringen – weil sie und ihr
Mann nur Gutes über die Entbindungen und die Hebammenarbeit im Kreuzviertel gehört
haben und weil die werdenden Eltern eine natürliche und individuelle Geburt schätzen.
„Hier wusste ich mich in guten Händen“
„Man gibt hier den Frauen ihre Zeit zum Gebären. Ich bedauere die Schließung sehr. Hier
wusste ich mich in guten Händen“, berichtet Sabrina Bierekoven. Sie hat sich die drei
Kreißsäle mit ihrem Mann angesehen und ging mit dem sicheren und freudigen Gefühl nach
Hause, hier ihr Kind auf die Welt bringen zu wollen. „Jetzt versuchen wir eine Hausgeburt.
Denn von den großen Krankenhäusern hört man immer wieder Geschichten, doch nur eine
Nummer von vielen zu sein“, sagt die werdende Mutter.
Hebammen fassungslos
Am Mittwochnachmittag ereilte die EVK-Mitarbeiter die Nachricht von der Schließung der
Geburtshilfe-Abteilung mit rund 500 Geburten im Jahr. Eine beliebte und geschätzte Abteilung
mit der Hebammenpraxis im Innenhof des Krankenhauses mit seinem unverwechselbarem
Charme. Die bittere Nachricht löste bei den Hebammen der Praxis Enttäuschung und
Fassungslosigkeit aus. Vier sind Beleg-Hebammen mit Betten für „ihre Frauen“ in der bald
schließenden Abteilung. Sie werden, was die Haftpflicht angeht, prozentual vom Krankenhaus
unterstützt. „Das EVK ist eine Geburtsinsel. Die Atmosphäre ist liebevoll, die Betreuung
individuell und die Gebärende selbstbestimmend“, beschreibt Karin Rettinger das
Gesamtpaket rund um neues Leben. „So wie wir geboren werden, so verläuft unser Leben. Je
friedvoller die Geburt, umso belastbarer und kreativer der Mensch“, verweist sie auf die
pränatale Psychologie.
Bei den Hebammen hängen Existenzen dran
Karin Rettinger ist freiberufliche Hebamme in der Praxis und berichtet von Tränen, die es
sowohl bei ihren Kolleginnen als auch bei etlichen Frauen gegeben habe, die im nächsten Jahr
im EVK Johannisstift entbinden wollten. Bei den Hebammen hängen Existenzen dran, das
Geburtsgeld fällt weg, das von den Kassen bei einer Eins-zu-eins-Betreuung im Krankenhaus
in Höhe von 280 Euro Brutto pro Geburt gezahlt wird, informiert Rettinger. Sie hofften nun
auf den Fortbestand der Praxis, in der viele Kurse zum Wohlbefinden von Mutter und Kind
stattfinden.
Das EVK ist den acht Hebammen der Praxis verbunden. Die Geschäftsführung hat betont,
dass keine Entlassungen geplant seien. „Die Gespräche mit den Hebammen, die eine
anständige und vernünftige Behandlung verdient haben, stehen noch aus, die Möglichkeiten
bleiben abzuwarten. Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich noch nichts Konkretes sagen“, so EVKSprecherin Susanne Grobosch.
Sächsische Zeitung- Freitag, 13.09.2013
Ärger um die Geburtsklinik
Die Führung der Elblandkliniken will eine Abteilung im
Radebeuler Krankenhaus schließen. Dagegen wehren sich
Stadträte – bis auf einen.
Von Peter Redlich
Bald keine Geburten mehr in
Radebeul? Das neue Konzept der Elblandkliniken sieht dies als Teil eines großen Sparplanes
vor.
©dpa
Es kommt so mal nebenbei an die Öffentlichkeit. Im Radebeuler Krankenhaus soll die
Geburtsklinik geschlossen werden. Diese geplante Schließung ist Teil eines Konzepts,
welches die neue Führung der Elblandkliniken mit Geschäftsführer Frank Ohi gemeinsam mit
den Ärzten und dem Aufsichtsrat aufgesetzt hat, sagt Thomas Gey. Der SPD-Kreisrat und
Fraktionschef der SPD im Radebeuler Stadtrat ist Mitglied im Aufsichtsrat der
Elblandkliniken. Auf die Nachfrage, ob Gey denn für das Konzept gestimmt habe, sagt er,
dass das geheim sei. Er habe das Konzept aber nicht als Katastrophe empfunden.
Als ziemlich daneben bezeichnet der Sozialdemokrat allerdings, dass OB Bert Wendsche
(parteilos) gemeinsam mit allen anderen Fraktionschefs im Ältestenrat eine Resolution gegen
die Schließung der Geburtsklinik verabschiedet und an Landrat Arndt Steinbach (CDU) und
den Klinikenchef geschickt hat. „Da hätte man doch reden können“, sagt Gey empört.
Viel Zeit ist allerdings nicht mehr. In der nächsten Kreisratssitzung Ende September soll das
Konzept den Räten vorgestellt werden. Anschließend, so bestätigt Thomas Gey, soll das
Ganze im Aufsichtsrat beschlossen werden.
Was steckt hinter diesem Gerangel um die Geburtsklinik und dem Konzept der
Elblandkliniken? In der Radebeuler Resolution heißt es, dass „millionenschwere Verluste aus
strukturellen und personellen Fehlentwicklungen im Gesamtverbund der Elblandkliniken in
den letzten Jahren zu konstatieren sind, die Geschäftsführung daraufhin zwar ausgetauscht
wird, jedoch jene in Klinikleitung und Aufsichtsrat, die diesen verhängnisvollen Weg
mitgetragen haben, bisher kein öffentliches Wort zu ihrer Mitverantwortung gefunden“ haben.
Jetzt muss also Geld gespart werden. Und da solle jedem Krankenhaus etwas genommen und
auch etwas gegeben werden, sagt Thomas Gey. In Riesa beispielsweise müsse am meisten
abgespeckt werden. Der geplante Krankenhausneubau dort soll weniger als die bisher
veranschlagten 75 Millionen Euro kosten, sagt Gey. Auch, indem dort statt 350 nur 270
Betten eingerichtet würden.
In Radebeul soll die Geburtsklinik dran glauben. Wie viel damit zu sparen ist, wisse der
Aufsichtsrat nicht, so Gey. Dies sei vorerst ein Konzept, das aus Sicht der Mediziner
zusammengestellt ist, noch keines der Geschäftsleute. Gey: „Ich weiß aber, dass hier in
Radebeul nicht mehr als ein Kind pro Tag im Jahresschnitt zur Welt kommt.“ Ein weiteres
Argument sei das Fehlen von Experten für Risikogeburten, für die ohnehin die betreffenden
Mütter an andere Kliniken verwiesen werden müssen. Ist an 18 von 35 anderen sächsischen
Kliniken mit Geburtsstationen aber genauso, entgegnen die Gegner der Schließungsabsicht.
Thomas Gey: „Es ist die Absicht, aus allen drei Krankenhäusern in Radebeul, Meißen und
Riesa letztlich ein großes Krankenhaus zu machen. Mit Möglichkeiten, sich gegenseitig
auszutauschen.“ In Riesa und Meißen seien beispielsweise die Fachleute für Risikogeburten
da.
Klinikenchef Frank Ohi sagte gestern zu einer Anfrage der SZ, dass er sich derzeit zu den
Problemen und der Resolution nicht äußern werde, erst wieder nach der nächsten
Kreistagssitzung und der Vorstellung des Konzepts.
Von Dieter Hanisch, Westerland
28.11.2013
Inland
Vom Verschwinden der echten Sylter
Jährlich kamen bisher auf der Nordseeinsel einhundert
Kinder zur Welt - doch damit wird es wohl vorbei sein
Nur noch auf zwei deutschen Nordseeinseln können Kinder in einer Klinik entbunden
werden: auf Sylt und auf Föhr. Doch zum Jahresende soll nun auch die Sylter Geburtshilfe
schließen.
Schlechte Aussichten auf Sylt: Die Geburtshilfe der Nordseeklinik wird wahrscheinlich bald
schließen.
Foto: imago/blickwinkel
Auf der Nordseeinsel Sylt (Schleswig-Holstein) treibt die Bewohner seit Wochen eine
sorgenvolle Frage um: Gibt es ab 2014 nur noch Geburten auf dem Festland? Es ist wieder
einmal das leidige Thema der Berufshaftpflichtversicherung, bei dem die werdenden Mütter
die schlechtesten Karten zu haben scheinen. Zwölf von ihnen reagierten jetzt mit einem
Brandbrief an die Bundes- und Landespolitik.
Bisher kann noch in der zum Asklepios-Verbund gehörenden Nordseeklinik entbunden
werden. Jährlich kamen zuletzt etwa einhundert Kinder auf der Insel zur Welt. Sind die
massiv gestiegenen Versicherungsprämien für Hebammen zu einem bundesweiten Problem
geworden, das auch bei den Berliner Koalitionsverhandlungen Thema war, geht es im
konkreten Sylter Fall darum, dass dort künftig wohl auch ein als Belegarzt tätiger Gynäkologe
die von ihm geforderte Versicherungssumme allein zahlen muss. Bisher hatte die
Nordseeklinik die Kosten in Höhe von rund 40 000 Euro übernommen. Nun weigert sie sich,
diese Praxis fortzusetzen und verweist in ihrer Begründung auf einen angeblichen Verstoß
gegen das Antikorruptionsgesetz. Einem Gutachten zufolge stellt eine Kostenerstattung durch
die Klinik für den Arzt eine wirtschaftliche Vorteilnahme dar. Im
Bundesgesundheitsministerium in Berlin wird diese Rechtsposition nun gerade geprüft.
Das SPD-geführte Gesundheitsministerium in Kiel fordert dennoch im Rahmen der
gesundheitlichen Vollversorgung ein Konzept von Asklepios. Das Ministerium will den
Klinikbetreiber nicht aus seiner vertraglichen Verantwortung entlassen, zumal dieser
Fördergelder vom Land bezieht. Auch die von Klinikseite aufgeworfene Idee, dass
Hebammen sich künftig von eigens geschulten Chirurgen bei Kaiserschnitten unterstützen
lassen, gibt die Gesetzeslage nicht her.
Auf der Insel selbst wird Asklepios fraktionsübergreifend scharf kritisiert. Der stellvertretende
Sylter Bürgermeister Carsten Kerkamm (CDU) nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Er
findet es nicht richtig, »dass wir eine auf Gewinnmaximierung ausgerichtete
Kapitalgesellschaft unterstützen sollen«. Asklepios jedoch ist offenbar gar nicht mehr an einer
Alternativlösung mit seiner Beteiligung interessiert: Auf einer Mitarbeiterversammlung hat
der Betreiber bereits das Ende der Geburtshilfe zum Jahresende verkündet. In der kommenden
Woche wird sich der Sozialausschuss im Landtag sich mit der Problematik beschäftigen.
Was die Nordseeinseln betrifft, können derzeit - neben Sylt - nur noch auf der Insel Föhr
Kinder in einer Klinik entbunden werden. Aus finanziellen Gründen wurden in SchleswigHolstein in den vergangenen Jahren bereits sechs Geburtshilfestationen geschlossen. In
entlegenen Landstrichen des Nordens kann der Weg ins nächste Krankenhaus mit
Gynäkologieabteilung schon mal 50 Kilometer betragen.
Laut dem Deutschen Hebammenverband bieten in Deutschland nur noch 3000 von 20 000
Hebammen eine Geburtshilfe an. Allein seit 2010 haben sich wegen der explodierten
Versicherungsprämien rund 20 Prozent der Hebammen aus der Geburtshilfe zurückgezogen.
Für Juli kommenden Jahres steht die nächste Erhöhung der Versicherungsgebühren ins Haus.
Sankt-Franziskus-Krankenhaus Eitorf
Hebammen kämpfen um Station
Erstellt 01.12.2013
Der Kreißsaal in Eitorf wurde 2008 aufwändig umgebaut und unter anderem mit einer
Gebärwanne ausgestattet. Foto: Bilder: Ebert, privat
Zum Ende des Jahres will das Sankt-Franziskus-Krankenhaus in Eitorf seine Gynäkologie und
Geburtshilfe schließen. Die Belegärztin und ihr Team sind geschockt und wollen die
Schließung nicht kampflos hinnehmen. Von Sandra Ebert
Drucken per Mail
Eitorf.
Die Nachricht aus der Klinikverwaltung war ein Schock für Patientinnen und Angestellte
gleichermaßen: Zum Ende des Jahres schließt das Sankt-Franziskus-Krankenhaus seine
Gynäkologie und Geburtshilfe.
Knapp 30 Schwangere, deren Geburtstermin für Ende Dezember und Anfang Januar
ausgerechnet ist, müssen sich jetzt eine neue Klinik und eine neue Hebamme für die
Entbindung suchen.
Geburtenrate kontinuierlich gestiegen
Belegärztin Claudia Olmos wurde das Kündigungsschreiben am Donnerstag in ihrer Praxis
durch eine Verwaltungsangestellte übergeben. Ihren Konsiliarvertrag hatte das Krankenhaus
schon eine Woche zuvor fristlos gekündigt. Maria Kremer, einer der drei Beleg-Hebammen,
wurde Ende vergangener Woche mündlich mitgeteilt, dass die Station an Silvester dicht
mache.
„Dabei hatte ich am Montag noch ein Gespräch mit der Verwaltung über die Zukunft unserer
Abteilung, und da war keine Rede von der Schließung“, sagt sie. Eine schriftliche Kündigung
haben die Hebammen noch nicht erhalten. Gründe für die Schließung wurden auch Ärztin
Claudia Olmos nicht genannt.
„Wir haben einen Versorgungsauftrag“
Die Ärztin und die Hebammen Ulrike Becker, Maria Kremer und Dagmar Lingnau-Schäfer
wollen nun für ihre Station kämpfen, die sie in den vergangenen fünf Jahren aufgebaut haben.
„Wir haben doch einen Versorgungsauftrag“, sagen sie. „Eitorf ist das einzige Krankenhaus
hier im ländlichen Raum mit einer Geburtsstation!“ Jetzt steht den Schwangeren bis zum
nächsten infrage kommenden Krankenhaus eine zum Teil 30 Kilometer lange Autofahrt
bevor.
Olmos, bis 2007 leitende Ärztin für Geburtshilfe in Bensberg, war von der damaligen Eitorfer
Klinikleitung abgeworben worden, um die vor sich hin dümpelnde Gynäkologie auf
Vordermann zu bringen. „Ich habe die Belegabteilung 2007 übernommen, in dem Jahr gab es
48 Geburten und vereinzelte gynäkologische Operationen.“
Die Hebammen Dagmar Lingnau-Schäfer, Ulrike Becker, Maria Kremer und Gynäkologin
Claudia Olmos wollen ihre Abteilung erhalten.
Olmos drängte auf einen neuen, modernen Kreißsaal, der 2008 mit Landesmitteln und
Spenden Eitorfer Bürger eingerichtet wurde. „Er ist in Deutschland einzigartig“, so die Ärztin.
Mit dem Künstler Herbert Antweiler wurde ein Raum geschaffen, der nichts Klinisches hat:
„Die Farben, die Beleuchtung, die abgerundeten Raumecken sollen den gebärenden Frauen
Schutz geben“, erklärt sie. Ein rundes Kreißbett und eine Gebärwanne stehen zur Verfügung.
Besonderen Wert legte das Team auch auf die Betreuung der Schwangeren. „Von der achten
Woche an, sofern gewünscht, bis zur Nachsorge“, sagt Ulrike Becker. „Wir sind bei der
Geburt dabei, auch wenn diese länger dauert. Das zu wissen, ist für die Wöchnerinnen
beruhigend.“
Das Konzept ging auf, die Geburtenrate stieg kontinuierlich. 2012 kamen 174 Kinder in Eitorf
zur Welt, in diesem Jahr waren es 156, knapp 30 stehen noch aus. „Bis Juni kommenden
Jahres haben wir schon viele Anmeldungen“, berichtet Ulrike Becker. Auch die Zahl der
Operationen sei leicht gestiegen, auch wenn Kaiserschnitte in Eitorf eher selten der Fall sind:
„Wir haben etwa 21 im Jahr, bundesweit sind es im Durchschnitt 37“, schildert Olmos.
„Abteilung wird hervorragend angenommen“
Von rückläufigen Patientenzahlen, die Geschäftsführerin Marlies Gabriel in einer
Donnerstagnachmittag veröffentlichten Pressemitteilung anführte, könne nicht die Rede
sein. Und so erfolglos wie dargestellt sei auch die Suche nach weiteren dringend benötigten
Belegärzten nicht.
Noch in diesem Monat hätte ein ehemaliger Oberarzt aus Waldbröl, der bereits als
Honorararzt in Eitorf arbeitet, mit einer Sonderbedarfszulassung für Gynäkologie und
Geburtshilfe ins Team wechseln sollen. Gynäkologische Operationen zum Beispiel bei
Inkontinenz wollte dieser Arzt zusätzlich durchführen.
Mehr dazu
Sankt-Franziskus-Krankenhaus
Klinik in Eitorf schließt Gynäkologie
Dass nun das Aus für die Geburtsstation in der sich zunehmend auf Gefäßchirurgie, Knie- und
Hüftoperationen spezialisierenden Klinik kommen soll, können die Frauen nicht
nachvollziehen.
„Unsere Abteilung wird hervorragend angenommen und schreibt schwarze Zahlen!“
Geburtshaus ohne Geburten - Hebammen scheitern
am Kostendruck
Fotos: Geburtshaus und Familienzentrum Fulda
22.11.13 - FULDA - „Entweder wir bleiben unserem Konzept treu oder wir arbeiten
wirtschaftlich", fasst Ellen Bittdorf die Situation des Fuldaer Geburtshauses am
Heinrich-von-Bibra-Platz zusammen. Die fünf freiberuflichen Hebammen werden ab
April 2014 weiterhin im Familienzentrum alles anbieten, was vor oder nach der Geburt
Thema sein kann. Beratung, Wochenbettbetreuung, Rückbildungsgymnastik oder
Krabbelgruppen – das Familienzentrum will weiterhin seinem Konzept treu bleiben.
Nur die Geburtsbetreuung zu Hause oder bei Belegbetten im Krankenhaus wird es nicht
mehr geben, weil die Kosten für die freiberuflichen Hebammen so explodiert seien.
Nicht nur die laufenden Unterhaltungskosten, sondern besonders die steigenden
Versicherungsprämien seien mit dem Konzept nicht länger vereinbar. Derzeit würden 35
außerklinische Geburten gerade die Kosten der Haftpflichtversicherung decken. Bei etwa 65
Geburten im Jahr, die von den Hebammen des Geburtshauses betreut werden, ist das für den
Verein ein Zuschussgeschäft. Die persönliche Betreuung durch eine Hebamme und eine
besondere Atmosphäre bei der Geburt sei von vielen Frauen gern in Anspruch genommen
worden, so Bittdorf weiter. „An der Nachfrage liegt es auf keinen Fall." Die intensive und
personengebundene Betreuung durch die Hebammen lasse nicht zu, etwa durch
Mehrbelegung die Kosten zu verringern.
Ein weiterer Faktor sei die schwierige Personallage. Die freien Hebammen suchen dringend
Kolleginnen, allerdings seien wenige Hebammen bereit, den Schritt in die Selbstständigkeit
zu wagen. Die Entscheidung sei nicht leicht gefallen, besonders weil das Geburtshaus das
einzige in der Region ist. Für die fünf passionierten Hebammen ist es noch gar nicht richtig
vorstellbar, dass bald die Geburtsbegleitung wegfällt. Bittdorf will sich aber noch nicht
geschlagen geben: „Das Thema ist aber noch nicht vom Tisch – wenn sich eine Möglichkeit
bietet, das Konzept der ganzheitlichen Geburtshilfe weiterzuführen, werden wir jeden
Strohhalm ergreifen".
20. Dezember 2013 08:18
Ende für Geburtenstation Zwiesler sterben aus
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Neugeborene auf einer Säuglingsstation.
(Foto: DPA)
In Zwiesel werden zu wenige Kinder geboren, nun muss die letzte Geburtenstation im
Landkreis Regen schließen. Auch in anderen Regionen Bayerns wird für Schwangere der
Weg zum Kreißsaal immer weiter. Von Wolfgang Wittl
Als Sylvia Stöckl vor sieben Jahren am Krankenhaus Zwiesel zu arbeiten begann, ging für sie
ein Traum in Erfüllung. Hebamme, noch dazu in ihrer Heimat - das wollte sie schon immer
werden. Stöckl hat daher lange mit sich gerungen, als sie am vergangenen Wochenende mit
ihren Kolleginnen an die Öffentlichkeit ging. Mit einer halbseitigen Anzeige in der
Lokalzeitung informierten die Hebammen die Bevölkerung, dass sie zum 1. Januar ihren
Dienst in Zwiesel aufgeben werden. Der Landkreis Regen wird damit seine letzte
Geburtenstation verlieren.
Regen ist nicht der erste Landkreis mit diesem Problem - und doch vermutlich Vorreiter einer
bedenklichen Entwicklung. Laut Gesundheitsministerium kommen zwar bereits neun der 71
bayerischen Kreise ohne Geburtshilfe aus. Die meisten aber grenzen unmittelbar an kreisfreie
Städte mit deren großen Kliniken an. In ländlichen Gebieten mit weiten Wegen zählen
Geburtenstationen zur zentralen Daseinsvorsorge, Schließungen wie in Regen gehörten zur
absoluten Ausnahme. Doch das wird sich ändern, befürchtet Cornelia Köstler. Sie sagt: "Die
kleinen Kliniken werden ihre Geburtenabteilungen in den kommenden Jahren alle schließen."
Köstler hat diesen Schritt bereits hinter sich. Sie ist Geschäftsleiterin im Krankenhaus
Karlstadt, Kreis Main-Spessart, dessen letzte Geburtenstation zum Jahresbeginn 2012 aufgab.
Der Widerstand in der Bevölkerung war groß, doch an der Entscheidung sei nicht zu rütteln
gewesen, sagt Köstler. Es fehlte schlicht an Geburten: zum einen wegen der allgemeinen
demografischen Entwicklung, zum anderen weil immer mehr werdende Mütter ein Klinikum
mit maximaler Versorgung vorziehen. Heute fahren daher fast alle Schwangeren aus MainSpessart nach Aschaffenburg oder Würzburg. Weitere Auswirkungen? "Es wird halt kein
Kind mehr zur Welt kommen, das von sich sagen kann, es wäre in diesem Landkreis
geboren worden."
Die psychologische Komponente ist das eine, die infrastrukturelle Grundsicherung für einen
Landkreis wie Regen das andere, sagt Christian Schmitz. Er kann Köstlers Beobachtung nur
bestätigen: "Im Gesundheitssystem geht alles in Richtung Zentralisierung, alles ist auf größere
Häuser ausgerichtet." Schmitz ist seit ein paar Wochen neuer Vorstand der Regener
Kreiskliniken, die Schließung der Geburtenstation ist seine erste Bewährungsprobe. Allein
durch die Grundversorgung, sagt Schmitz, könne ein Krankenhaus kein Geld mehr verdienen.
Spezialisierte Abteilungen jedoch sind hauptsächlich in großen Häusern angesiedelt. Für
Kliniken wie Zwiesel eine unaufhaltsame Spirale nach unten.
Der Mangel betrifft ganz Deutschland
Gleichwohl ist man im Kreis Regen bereit, für seine Geburtshilfe viel Geld in die Hand zu
nehmen: zusätzlich 100.000 Euro, trotz eines jährlichen Klinikdefizits von einer Million Euro.
Man werde alles versuchen, die Station zu erhalten, sagt Landrat Michael Adam. Doch die
Möglichkeiten sind begrenzt. "Uns fehlt die Perspektive", klagt Sylvia Stöckl, die Hebamme.
Es mangele an allem: an Geburten, an Geld, am Rückhalt der Ärzte und der Bevölkerung, vor
allem an Kolleginnen. Fünf Hebammen arbeiten in Zwiesel, jedoch nur noch drei in der
Rufbereitschaft - zu wenig, um einen Schichtbetrieb aufrecht zu erhalten. "Wir kämpfen seit
Jahren gegen Windmühlen, wir können nicht mehr", sagt Stöckl.
Das Dilemma begann 2009, als die Belegärzte ihren Vertrag mit der Klinik kündigten. Einige
Gynäkologen verweisen ihre Patientinnen seitdem an andere Häuser, zum Unmut der
Hebammen. 281 Entbindungen gab es vergangenes Jahr in Zwiesel, knapp 400 wären aus
Sicht der Hebammen für einen wirtschaftlichen Betrieb nötig. Die Stadt Zwiesel bot diese
Woche zwar 10.000 Euro Soforthilfe an, "sehr löblich", wie Stöckl findet, "aber dadurch wird
das Problem auch nicht gelöst." Von einem Krisengespräch am Donnerstag erwartete sie sich
nichts. Aufgeben will die Klinikleitung nicht. "Wir brauchen einen sinnvollen Neustart mit
allen Beteiligten", sagt Vorstand Schmitz. Vielleicht schon zum 1. April.
Sylvia Stöckl ist skeptisch, ob sich die Geburtenstation wiederbeleben lässt. Seit dem
Wochenende habe sie Angebote von Kliniken aus ganz Bayern erhalten, die sie gerne als
Hebamme einstellen wollten. "Der Mangel betrifft ganz Deutschland", sagt sie, "doch das hat
die Politik nicht kapiert." Lokalpolitiker wünschen sich bereits strukturpolitische Änderungen:
Kassen sollten für eine Geburt im Bayerischen Wald mehr zahlen als etwa in München.
Wie schwer es ist, eine Hebamme nach Zwiesel zu lotsen, weiß die Klinikleitung nur zu gut.
Auf eine Anzeige in einer Fachzeitschrift hin kam keine einzige Rückmeldung. Wer dem
Krankenhaus eine Hebamme vermitteln kann, bekommt 3000 Euro Provision. Doch nicht mal
ein monatlicher Zuschuss von 2500 Euro pro Hebamme vermochte Stöckl zu halten. Mit ihr
kündigten zwei weitere Kolleginnen. Eine andere ist schwanger, die einzig verbliebene
arbeitet nicht im Schichtbetrieb. Sollte die Gesamtkonstellation stimmen - sie wäre die Erste,
die freudig nach Zwiesel zurückkehrte, sagt Stöckl. Zunächst aber wird sie am 1. Januar in
Freyung ihre neue Stelle antreten.
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