Hebammen-Mangel und Überfüllung auf deutschen Geburtsstationen

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Newsletter der Katholischen
Frauengemeinschaft Deutschlands
Sehr geehrte Damen und Herren,
Entbindung auf dem Klinikflur: Hebammen-Mangel und Überfüllung
auf deutschen Geburtsstationen
In Deutschland werden dreimal so viele Gebärende von einer Hebamme betreut wie in
anderen europäischen Ländern
Mindestens einmal im Leben benötigt sie jeder. Sie ist oft der erste Mensch, der uns in Empfang
nimmt, wenn wir das Licht der Welt erblicken. Wir erinnern uns aber nicht an sie, und wenn wir der
Statistik glauben, gerät der Berufsstand auch so in Vergessenheit: Hebammen.
In vielen Kliniken fehlen sie. Fast die Hälfte der Hebammen in Krankenhäusern kümmere sich "um
drei Frauen gleichzeitig während der Geburt", heißt es in einem Gutachten des Wissenschaftlichen
Dienstes (WD) des Bundestages. Dabei zeigten Untersuchungen, dass die Eins-zu-eins-Betreuung
während der Geburt positive Auswirkungen habe.
Die Gesundheitsexpertin der Linken, Birgit Wöllert, betonte, dass weniger Komplikationen "auch
ganz gewiss den gebärenden Frauen gut" täten. "Es kann einfach nicht sein, dass eine Hebamme
nicht nur zwei, sondern bei zirka der Hälfte aller Geburten sogar drei Geburten gleichzeitig betreut.
Hier sind sofortige Schritte zur Verbesserung nötig."
Chronische Unterfinanzierung der Geburtshilfe
Der Deutsche Hebammenverband (DHV) schlägt Alarm. "Der ökonomische Druck auf Kliniken in
Deutschland hat dazu geführt, dass die Versorgung von Frauen in der Geburtshilfe schlecht ist",
sagte DHV-Präsidentin Martina Klenk.
Die wirtschaftliche Lage im Bereich der Geburtshilfe ist laut Deutscher Krankenhausgesellschaft
(DKG) besonders schwierig, da rund 60 Prozent der Abteilungen nicht kostendeckend arbeiteten.
Jahrzehntelang ist laut DHV am Personal gespart worden, um Geld zu verdienen. Die Geburtshilfe
sei chronisch unterfinanziert, und Hebammen hätten dies bisher kompensiert.
Fast jedes zweite Krankenhaus hat nach der WD-Anaylse Schwierigkeiten, offene Stellen zu
besetzen. Schuld daran sind dem DHV zufolge die Arbeitsbedingungen. "Darunter leiden letztlich
dann Schwangere und Gebärende", so Klenk.
Hohe Betreuungsquote und Warteschlangen vor den Kreißsälen
In Deutschland müssen dreimal so viele Gebärende wie in anderen europäischen Ländern von einer
Hebamme betreut werden, so der WD-Bericht. Auch wenn die absolute Zahl der Hebammen in den
Kliniken von 6.620 (1991) auf 9.081 im Jahr 2015 gestiegen sei, relativiere eine Verdreifachung der
Teilzeitquote den Zuwachs.
Der Hebammenverband hat berechnet, dass in Deutschland auf jede Vollzeitstelle fast 100
Geburten pro Jahr kämen. In Großbritannien müssten Hebammen nur 27 bis 32 Geburten im Jahr
betreuen, in Norwegen seien es 33 Geburten.
Nicht nur die Betreuungsquote, sondern auch Warteschlangen vor den Kreißsälen bereiten den
Geburtshelferinnen Sorgen. "Wir erleben, dass Frauen auf dem Flur ihr Kind bekommen, weil alle
Räume bereits mit Entbindungen belegt sind", berichtete eine Bonner Hebamme. Dabei gehöre die
Geburt für eine Frau zu einem der wichtigsten und intimsten Momente.
Weniger Geburtsstationen
Die Anzahl der Geburtsstationen ist laut Statistischem Bundesamt zwischen 1991 und 2015 um
rund 40 Prozent auf 709 zurückgegangen. Kaum mache eine weitere Geburtsabteilung im Umland
dicht, sei die Auswirkung deutlich spürbar, erklärte die Hebamme. Die Angst einer werdenden
Mutter, von dem vorgesehenen Geburtskrankenhaus wegen "Überfüllung" abgewiesen zu werden,
sei nicht unbegründet. Auch Risikoschwangere seien aus Kapazitätsgründen schon weggeschickt
worden.
Politikerin Wöllert forderte "im Interesse der Frauen und Säuglinge, aber auch der Hebammen mit
ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit" zur Umsetzung der Eins-zu-eins-Betreuung auf. Der
Hebammenverband kritisierte die derzeitige Personalbemessung und wies darauf hin, dass viele
Länder die Hebammenhilfe als medizinische Grundversorgung der Bevölkerung anerkannten.
Doch in Deutschland hat es der Berufszweig schwer. Denn nur der geringere Anteil der rund 23.000
Hebammen ist in Kliniken angestellt. Die meisten arbeiten freiberuflich und müssen eine
Berufshaftpflichtversicherung abschließen, die in den vergangenen Jahren auf über 6.500 Euro im
Jahr anstieg. Vielen Beleghebammen, die Frauen zu Geburten in die Klinik begleiten, ist die Prämie
zu hoch - sie geben ihren Job auf.
Ähnlich geht es Hebammen, die Hausgeburten anbieten. Die wenigen, die diese Eins-zu-einsBetreuung anbieten, werden von Schwangeren überrannt.
Autor: Rainer Nolte (KNA)
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