1. Nachfrage Georg Nöldeke WWZ, Universität Basel Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 1 / 146 1. Einleitung 1.1. Worum geht es? In mikroökonomischen Modellen werden Entscheidungen als Konsequenz von Möglichkeiten und Zielen interpretiert. In dieser Interpretation lautet die Antwort auf die Frage “Warum beobachten wir eine bestimmte Entscheidung?” wie folgt: Es wurde die beste Alternative aus den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgewählt! Inhalt gewinnt diese Interpretation (erst) dadurch, dass Annahmen an die Ziele formuliert werden: Annahmen an die Ziele bestimmen, welche Entscheidungen bei gegebenen Möglichkeiten als “beste” in Frage kommen. Annahmen an die Ziele bestimmen, wie sich Entscheidungen ändern, wenn sich die Möglichkeiten ändern (komparative Statik). In diesem Abschnitt werden wir diese Grundgedanken im Kontext eines (wichtigen) Beispieles illustrieren. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 2 / 146 1. Einleitung 1.2. Das Konsumentenproblem Wir betrachten das sogenannte Konsumentenproblem, welches die Grundlage für die Herleitung von Nachfragefunktionen liefert. Hier werden die Möglichkeiten durch die sogenannte Budgetbeschränkung beschrieben, die angibt, welche Güterbündel ein Konsument sich leisten kann. In anderen Kontexten - aber auch in der Entscheidungssituation, die durch das Konsumentenproblem beschrieben werden soll - sind (auch) andere Beschränkungen relevant (Zeitbeschränkungen, technologische Möglichkeiten, . . . ). Die Ziele des Entscheiders werden durch eine sogenannte Präferenzrelation beschrieben, die angibt, wie der Entscheider die verschiedenen Alternativen ordnet. Präferenzrelationen werden ganz allgemein zur Beschreibung der Ziele verwendet. Speziell an dem Beispiel ist nur, dass der Kontext spezielle Annahmen an die Präferenzrelationen motiviert. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 3 / 146 1. Einleitung 1.2 Das Konsumentenproblem Im Rahmen der Konsumentenproblems lautet unsere Verhaltenshypothese also: Ein Konsument wählt das beste Güterbündel, welches er sich leisten kann. Um diese Aussage mit Inhalt zu füllen, muss beschrieben werden: Was ist überhaupt ein “Güterbündel”? Was heisst “sich leisten kann”? Was heisst “das beste”? Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 4 / 146 2. Die Budgetbeschränkung 2.1 Definitionen Wir betrachten durchweg eine Situation, in der es nur zwei Güter gibt, die im allgemeinen mit 1 und 2 bezeichnet werden. Ein Güterbündel x ist durch die Angabe von Mengen der beiden Güter beschrieben: x = (x1 , x2 ) mit x1 ≥ 0 und x2 ≥ 0. Der Konsument verfügt über ein Budget in Höhe von m > 0 Geldeinheiten, welches ihm zum Kauf der beiden Güter zur Verfügung steht. Die Preise der beiden Güter sind durch p = (p1 , p2 ) mit p1 > 0 und p2 > 0 gegeben. Das Budget m und die Preise p1 , p2 werden als vorgegeben betrachtet: m und p sind exogen. Die Entscheidung des Konsumenten besteht in der Auswahl eines Güterbündels: x ist endogen. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 5 / 146 2. Die Budgetbeschränkung 2.1 Definitionen Preise und Budget bestimmen die Möglichkeiten des Konsumenten: Er kann sich diejenigen Güterbündel leisten, die in der Budgetmenge B(p, m) = {(x = (x1 , x2 ) | p1 x1 + p2 x2 ≤ m} liegen. Man nennt diese Güterbündel auch erschwinglich. Die Ungleichung p1 x1 + p2 x2 ≤ m besagt, dass die Ausgaben für ein Güterbündel x bei Güterpreisen p das Budget m nicht übersteigen. Sie wird als Budgetbeschränkung bezeichnet. Die Budgetgerade beschreibt diejenigen Güterbündel, die gerade erschwinglich sind p1 x1 + p2 x2 = m, d.h. die Ausgaben entsprechen dem Budget. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 6 / 146 2. Die Budgetbeschränkung 2.2 Anmerkungen Statt zwei Gütern kann man das Modell entsprechend auch mit vielen Gütern formulieren. Ausser der Notation ändert sich dabei in der Modellbeschreibung wenig. Viele (aber keineswegs alle) der im folgenden erzielten Schlussfolgerungen gelten auch im Fall, in dem mehr als zwei Güter betrachtet werden. Zur Interpretation des Modells mit nur zwei Gütern geht man oftmals davon aus, dass es sich bei dem zweiten Gut um die Ausgaben für einen Warenkorb handelt, der alle Güter bis auf Gut 1 enthält. In diesem Fall setzt man den Preis des zweiten Gutes auf p2 = 1 fest. Mengen, Preise und Budget sind durchweg als reele Zahlen aufzufassen. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 7 / 146 2. Die Budgetbeschränkung 2.3 Die Budgetgerade Die Budgetgerade m p1 − x1 p1 x1 + p2 x2 = m ⇔ x2 = p2 p2 beschreibt tatsächlich eine Gerade mit Steigung: −p1 /p2 < 0. Horizontaler Achsenabschnitt: m/p1 > 0. Vertikaler Achsenabschnit: m/p2 > 0. Beachte: Der Konsument kann sich alle Güterbündel leisten, die “links unterhalb” der Budgetgeraden liegen. Die Budgetgerade ist durch die Angabe von zwei auf ihr liegenden Punkten oder aber die Angabe eines auf ihr liegenden Punktes und ihre Steigung bestimmt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 8 / 146 2. Die Budgetbeschränkung 2.3 Die Budgetgerade Ökonomische Interpretation der Steigung der Budgetgerade: Die Steigung −p1 /p2 ist negativ, da der Konsument bei einer Bewegung entlang der Budgetgeraden etwas von Gut 2 aufgeben muss, um zusätzliche Einheiten von Gut 1 zu erlangen. Der Absolutwert der Steigung, p1 /p2 gibt an, wieviele Einheiten von Gut 2 der Konsument aufgeben muss, um eine zusätzliche Einheit von Gut 1 zu erhalten. Dieser sogenannte relative Preis stellt also die Opportunitätskosten einer zusätzlichen Einheit von Gut 1 dar. Ökonomische Interpretation der Achsenabschnitte der Budgetgerade: Die Achsenabschnitte geben an, wieviele Einheiten des jeweiligen Gutes sich der Konsument maximal leisten kann, wenn er auf den Konsum des anderen Gutes verzichtet. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 9 / 146 2. Die Budgetbeschränkung 2.4 Komparative Statik der Budgetgeraden Eine Veränderung des Budgets führt zu einer Parallelverschiebung der Budgetgeraden. Beispiel: Budget steigt ⇒ beide Achsenabschnitt steigen um den Prozentsatz der Budgeterhöhung an. Eine Veränderung eines Preises führt zu einer Drehung der Budgetgeraden um den Achsenabschnitt des Gutes, dessen Preis unverändert bleibt. Beispiel: Preis von Gut 1 steigt ⇒ horizontaler Achsenabschnitt wird kleiner; vertikaler Achsenabschnitt bleibt unverändert. Eine Veränderung aller Preise und des Budgets um den gleichen Prozentsatz lässt die Budgetgerade und damit die Budgetmenge unverändert. Beispiel: Werden alle Preise und das Budget in Rappen statt in Franken gemessen, so ändert sich nichts an den Güterbündeln, die der Konsument sich leisten kann. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 10 / 146 2. Die Budgetbeschränkung 2.5 Numeraire-Gut Anstatt Budget und Preise in einer fixen Geldeinheit zu messen, kann man auch den Preis von Gut 2 als Recheneinheit für die Geldgrössen wählen. Tut man dieses, so bezeichnet man Gut 2 als Numeraire und setzt p2 = 1. Das Budget m gibt dann an, wieviele Einheiten des Numeraire sich der Konsument maximal leisten kann. Der Preis p1 von Gut 1 gibt dann den relativen Preis von Gut 1 an; er entspricht der Anzahl der Einheiten des Numeraires, auf welche der Konsument für eine zusätzliche Einheit von Gut 1 verzichten muss. Beachte: Die Budgetgerade bleibt unverändert, wenn man statt (p1 , p2 , m) die Werte (p1 /p2 , 1, m/p2 ) einsetzt. Es ist also stets möglich, Gut 2 als Numeraire zu wählen, ohne etwas daran zu ändern, welche Güterbündel erschwinglich sind. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 11 / 146 3. Präferenzen 3.1 Präferenzrelationen Ausgangspunkt der folgenden Modellierung ist die Vorstellung, dass wir für einen Konsumenten, die zwischen zwei Güterbündeln x und y auszuwählen hat, beobachten können, ob er 1 2 3 das Güterbündel x als besser erachtet. das Güterbündel y als besser erachtet. die beiden Güterbündel für gleich gut erachtet. Wir schreiben in den jeweiligen Fällen: 1 2 3 x y (“x wird y streng vorgezogen.”) y x (“y wird x streng vorgezogen.”) x ∼ y (“x und y sind indifferent”) und nehmen an, dass für gegebene Güterbündel x und y höchstens eine dieser Aussagen zutreffend ist. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 12 / 146 3. Präferenzen 3.1 Präferenzrelationen Man definiert x y ⇔ x y oder x ∼ y, und liest die Beziehung als “x wird y vorgezogen.” Eine Präferenzrelation, die ebenfalls mit bezeichnet wird, ist dadurch beschrieben, dass sie für jedes Paar von Güterbündeln x und y angibt, ob die Beziehung x y gilt oder nicht. Beachte: Aus Kenntnis der Präferenzrelation kann man die Indifferenzrelation ∼ und die strenge Präferenzrelation rekonstruieren. Gilt z.B. x y während die Beziehung y x nicht gilt, so folgt x y. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 13 / 146 3. Präferenzen 3.2 Rationale Präferenzrelationen und rationales Verhalten Definition (Vollständigkeit) Eine Präferenzrelation heisst vollständig, wenn für alle Güterbündel x und y gilt: x y oder y x (oder beides). Definition (Transitivität) Eine Präferenzrelation heisst transitiv, wenn für alle Alternativen x, y und z gilt: x y und y z ⇒ x z. Definition (Rationalität) Eine Präferenzrelation heisst rational, wenn sie vollständig und transitiv ist. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 14 / 146 3. Präferenzen 3.2 Rationale Präferenzrelationen und rationales Verhalten Eine rationale Präferenzrelation kann als die Beschreibung der Ziele eines Konsumentens interpretiert werden. Gegeben eine solche Beschreibung der Ziele, kann man definieren, was mit einem “besten” Güterbündel gemeint ist: Definition (Optimales Güterbündel) Sei eine rationale Präferenzrelation. Ein Güterbündel x∗ ∈ B(p, m) ist optimal in der Budgetmenge B(p, m), wenn es allen anderen Güterbündeln in der Budgetmenge vorgezogen wird: x ∈ B(p, m) ⇒ x ∗ x. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 15 / 146 3. Präferenzen 3.2 Rationale Präferenzrelationen und rationales Verhalten Rationales Verhalten Bei allen Preisen p1 , p2 und Budgets m wählt ein Konsument mit rationaler Präferenzrelation ein Güterbündel x ∗ , welches optimal in der Budgetmenge B(p, m) ist. Fragen: Wie bestimmt man das zu einer gegebenen rationalen Präferenzrelation dazugehörige rationale Verhalten? Kann man auch ohne (genaue) Kenntnis der Präferenzrelation aus der Annahme, dass das Verhalten rational ist, Verhaltensimplikationen ableiten? Kann man aus der Beobachtung von Verhalten die zu Grunde liegenden Ziele identifizieren? Um diesen Fragen nachzugehen, benötigen wir weitere Instrumente. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 16 / 146 3. Präferenzen 3.3 Indifferenzkurven und Bessermengen Gegeben eine rationale Präferenzrelation und ein Güterbündel x = (x1 , x2 ) definiert man: Die Indifferenzkurve zu x als die Menge aller Güterbündel, die indifferent zu x sind: I(x) = {y = (y1 , y2 ) | y ∼ x} Indifferenzmenge wäre ein besserer Name . . . Die Bessermenge zu x als die Menge aller Güterbündel, die x vorgezogen werden: P(x) = {y = (y1 , y2 ) | y x} Eine rationale Präferenzrelation ist durch Angabe ihrer Indifferenzkurven und Bessermengen vollständig beschrieben. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 17 / 146 3. Präferenzen 3.3 Indifferenzkurven und Bessermengen Mit der Annahme der Rationalität sind nahezu beliebige Indifferenzkurven vereinbar. Siehe die Beispiele zu “schlechten Gütern”, “neutralen Gütern” und “gesättigten Präferenzen” in Abschnitt 3.4 des Lehrbuches. Möglich ist aber z.B. auch, dass jede Indifferenzkurve aus verschiedenen, nicht zusammenhängenden Stücken oder gar aus nur einem Punkt besteht. Für die Indifferenzkurven muss lediglich gelten, dass jedes Güterbündel auf seiner “eigenen” Indifferenzkurve liegt, x ∈ I(x), ∀x und dass Indifferenzkurven von Güterbündeln, die nicht indifferent sind, sich nicht schneiden: x 6∼ y ⇒ I(x) ∩ I(y) = 0. / Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 18 / 146 3. Präferenzen 3.3 Indifferenzkurven und Bessermengen Beachte: In einer Grafik lassen sich immer nur einige Indifferenzkurven und Bessermengen einer Präferenzrelation darstellen. Eine grafische Darstellung kann also nur dazu dienen, gewisse Eigenschaften einer Präferenzrelation zu illustrieren, . . . und genau zu diesem Zweck werden wir die grafische Darstellung im folgenden verwenden. Wir werden daher im folgenden weitere Annahmen an und Beispiele für rationale Präferenzrelationen auch mathematisch formulieren. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 19 / 146 3. Präferenzen 3.4 Artige Präferenzrelationen Um die Analyse zu vereinfachen, wird im Regelfalle unterstellt, dass Präferenzrelationen nicht nur rational sind, sondern weitere Eigenschaften aufweisen. Wir werden solche Präferenzrelationen als artig bezeichnen. In Bezug auf die Indifferenzkurven besagt Artigkeit im wesentlichen, dass sich Indifferenzkurven als differenzierbare, streng fallend und streng konvex verlaufende Funktionen von x1 darstellen lassen. Hinzu kommt noch, dass die Bessermengen “rechts oberhalb” der jeweiligen Indifferenzkurve liegen. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 20 / 146 3. Präferenzen 3.4 Artige Präferenzrelationen Abbildung: Eine Indifferenzkurve einer artigen Präferenzrelation. Strenge Konvexität der Indifferenzkurve bedeutet, dass die Verbindungslinie zwischen zwei beliebigen Güterbündeln auf der Indifferenzkurve, hier y und z, streng oberhalb der Indifferenzkurve liegt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 21 / 146 3. Präferenzen 3.4 Artige Präferenzrelationen Hinter einem solchen Verlauf der Indifferenzkurven stecken drei verschiedene Annahmen an die Präferenzrelation: 1 2 3 Stetigkeit und Differenzierbarkeit der Präferenzrelation: Dieses ist eine “technische” Annahme ohne inhaltliche Interpretation. Strenge Monotonie der Präferenzrelation: Mehr ist besser. Strenge Konvexität der Präferenzrelation: Mischungen sind besser als Extreme. Definition (Artigkeit) Eine Präferenzrelation heisst artig, wenn sie stetig, differenzierbar, streng monoton und streng konvex ist. Was heisst das genau? Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 22 / 146 3. Präferenzen 3.4 Artige Präferenzrelationen Die Formalisierung der Stetigkeits- und Differenzierbarkeitsannahme ist aufwändig und vermittelt keine grosse Einsicht. In Verbindung mit den anderen Annahmen gilt: Stetigkeit bedeutet, dass Indifferenzkurve keine “Sprünge” aufweisen. Differenzierbarkeit bedeutet, dass Indifferenzkurven keine “Knicke” aufweisen. Beachte: Alle Präferenzrelationen, die wir im folgenden betrachten sind stetig – und wir werden diese Annahme zumeist nicht mehr gesondert erwähnen. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 23 / 146 3. Präferenzen 3.4 Artige Präferenzrelationen Zur Vereinfachung verwenden wir die folgende Notation und Terminologie: x ≥ y bedeutet, dass x1 ≥ y1 und x2 ≥ y2 gilt: x ist grösser als y. x > y bedeutet, dass x1 > y1 und x2 > y2 gilt: x ist streng grösser als y . Ein Güterbündel mit x > 0 bezeichnen wir als inneres Güterbündel. Definition (Monotonie und strenge Monotonie) Sei x 6= y . Eine rationale Präferenzrelation heisst monoton, wenn aus x ≥ y folgt, dass x y gilt. Folgt für innere Güterbündel zudem x y, so heisst die Präferenzrelation streng monoton. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 24 / 146 3. Präferenzen 3.4 Artige Präferenzrelationen Abbildung: Ist eine Präferenzrelation streng monoton, so verlaufen ihre Indifferenzkurven durch Güterbündel x > 0 streng fallend. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 25 / 146 3. Präferenzen 3.4 Artige Präferenzrelationen Die Güterbündel z, die auf der Verbindungslinie zwischen zwei Güterbündeln x und y liegen, lassen sich mathematisch als sogenannte konvexe Kombinationen von x und y beschreiben. Für alle Güterbündel x, y und reele Zahlen 0 ≤ α ≤ 1 definiert man αx + (1 − α)y = (αx1 + (1 − α)y1 , αx2 + (1 − α)y2 ). Gilt z = αx + (1 − α)y für 0 < α < 1, so bezeichnet man z als eine konvexe Kombination von x und y. Definition (Konvexität und strenge Konvexität) Eine Präferenzrelation heisst konvex, wenn für alle Güterbündel x 6= y und konvexen Kombinationen z dieser beiden Güterbündel aus x y folgt, dass auch z y gilt. Gilt für innere Güterbündel zudem z y, so heisst die Präferenzrelation streng konvex. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 26 / 146 3. Präferenzen 3.4 Artige Präferenzrelationen Beachte: Ist die Präferenzrelation (streng) konvex, so gilt auch x ∼ y ⇒ z = αx + (1 − α)y x. bzw. x ∼ y ⇒ z = αx + (1 − α)y x. In Abschnitt 3.5 des Lehrbuches werden diese Implikation als Definition verwendet. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 27 / 146 3. Präferenzen 3.4 Artige Präferenzrelationen Abbildung: Eine Indifferenzkurve einer streng konvexen Präferenzrelation. Alle Güterbündel auf der Verbindungslinie zwischen den indifferenten Güerbündeln x und y werden diesen Güterbündeln streng vorgezogen. Hier für das Güterbündel z = 0.5x + 0.5y dargestellt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 28 / 146 3. Präferenzen 3.4 Artige Präferenzrelationen Abbildung: Indifferenzkurve einer nicht-konvexe, aber streng monotonen Präferenzrelation. Das Güterbündel z liegt auf der Verbindungslinie zwischen x und y , so dass bei Konvexität z y gelten müsste. Es gilt aber y z. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 29 / 146 3. Präferenzen 3.5 Zwei unartige Beispiele Zwei Güter sind perfekte Komplemente, wenn der Konsument sie in einem fixen Verhältnis konsumieren will. Perfekte Komplemente werden durch eine monotone Präferenzrelation beschrieben, für die es eine Konstante a > 0 gibt, so dass x und y genau dann indifferent sind, wenn die folgende Bedingung gilt: min{ax1 , x2 } = min{ay1 , y2 }. Merke: a gibt an, wieviele Einheiten von Gut 2 der Konsument pro Einheit von Gut 1 konsumieren will. Die Indifferenzkurven im Fall perfekter Komplemente sind “L-förmig,” wobei die Knickpunkte der Indifferenzkurve auf der Geraden x2 = ax1 liegen. Im Lehrbuch wird der Fall a = 1 diskutiert und dargestellt. Eine solche Präferenzrelation ist stetig, monoton und konvex, aber nicht differenzierbar, nicht streng monoton und nicht streng konvex. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 30 / 146 3. Präferenzen 3.5 Zwei unartige Beispiele Zwei Güter sind perfekte Substitute, wenn der Konsument bereit ist, sie in einem fixen Verhältnis gegeneinander auszutauschen. Perfekte Substitute werden durch eine monotone Präferenzrelation beschrieben, für die es eine Konstante a > 0 gibt, so dass x und y genau dann indifferent sind, wenn die folgende Bedingung gilt ax1 + x2 = ay1 + y2 . Merke: a gibt an, auf wieviele Einheiten von Gut 2 der Konsument pro Einheit von Gut 2 verzichten mag. Die Indifferenzkurven im Fall perfekter Substitute sind parallele Geraden mit Steigung −a. Im Lehrbuch wird der Fall a = 1 diskutiert und dargestellt. Eine solche Präferenzrelatinon ist stetig, differenzierbar, streng monoton und konvex, aber nicht streng konvex. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 31 / 146 3. Präferenzen 3.6 Grenzrate der Substitution und marginale Zahlungsbereitschaft Definition (Grenzrate der Substitution) Die Steigung der Indifferenzkurve I(x) an der Stelle x heisst die Grenzrate der Substitution an der Stelle x. Sie wird mit GRS(x) bezeichnet. Die Grenzrate der Substitution misst (im Sinne eines Grenzwertes) das Verhältnis, ∆x2 /∆x1 , in dem die Mengen der beiden Güter gegeneinander ausgetauscht werden können, so dass der Konsument indifferent bleibt. Am einfachsten ist das zu merken, wenn man sich vorstellt, dass man die Indifferenzkurve durch x durch eine Gerade mit Steigung GRS(x) ersetzt. Wie im Fall perfekter Substitute ist −GRS(x) dann die Anzahl von Einheiten von Gut 2, auf die der Konsument pro Einheit von Gut 1 verzichten mag. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 32 / 146 3. Präferenzen 3.6 Grenzrate der Substitution und marginale Zahlungsbereitschaft Satz Für eine artige Präferenzrelation ist die Grenzrate der Substitution für alle x > 0 streng negativ: GRS(x) < 0. streng steigend entlang einer Indifferenzkurve: x ∼ y und x1 > y1 impliziert GRS(x) > GRS(y). Differenzierbarkeit sichert, dass die Grenzrate der Substitution für alle x > 0 definiert ist. Strenge Monotonie sichert, dass die Grenzrate der Substitut streng negativ ist. Strenge Konvexität sichert, dass sie entlang einer Indifferenzkurve steigt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 33 / 146 3. Präferenzen 3.6 Grenzrate der Substitution und marginale Zahlungsbereitschaft Abbildung: Indifferenzkurve einer artigen Präferenzrelation. Die Indifferenzkurve verläuft streng fallend, so dass GRS(x) < 0 gilt. Strenge Konvexität der Indifferenzkurve bedeutet, dass die Indifferenzkurve um so flacher wird, je grösser x1 ist – die Grenzrate der Substitution also steigt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 34 / 146 3. Präferenzen 3.6 Grenzrate der Substitution und marginale Zahlungsbereitschaft Abbildung: Indifferenzkurve einer nicht-konvexen Präferenzrelation. Die Grenzrate der Substitution ist entlang der Indifferenzkurve nicht steigend. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 35 / 146 3. Präferenzen 3.6 Grenzrate der Substitution und marginale Zahlungsbereitschaft Definition (Marginale Zahlungsbereitschaft) Der Absolutwert der Grenzrate der Substitution heisst marginale Zahlungsbereitschaft. Für artige Präferenzrelationen ist die marginale Zahlungsbereitschaft streng positiv und bei einer Bewegung entlang einer Indifferenzkurve streng fallend. Verwendet man Gut 2 als Numeraire, so kann die marginale Zahlungsbereitschaft als Geldbetrag interpretiert werden: Die marginale Zahlungsbereitschaft entspricht dann in erster Nährung dem Geldbetrag, welche der Konsument maximal aufgaben würde, um eine zusätzliche Einheit von Gut 1 zu erlangen. Beachte: Die marginale Zahlungsbereitschaft hängt im allgemeinen nicht nur von x1 , sondern auch von x2 ab. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 36 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.1 Einleitung Rationale Präferenzrelationen lassen sich durch eine sogenannte Nutzenfunktion darstellen. Die Verwendung von Nutzenfunktionen erleichtert es, Beispiele für Präferenzrelationen zu konstruieren, deren Eigenschaften exakt zu beschreiben und das resultierende Verhalten zu bestimmen. Insbesondere kann das Problem der Bestimmung optimaler Güterbündel als Lösung eines Maximierungsproblems unter Nebenbedingungen dargestellt werden, welches die Anwendung der hierfür entwickelten mathematischen Methoden und Ergebnisse erlaubt. Hinweis: Nutzenfunktion werden nicht nur im Kontext des Konsumentenproblems sondern in fast allen ökonomischer Problemen zur Beschreibung von Präferenzrelationen verwendet. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 37 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.2 Nutzenfunktionen Definition (Nutzenfunktion) Eine Nutzenfunktion u ordnet jedem Güterbündel x eine reele Zahl u(x), die sogenannte Nutzenbewertung des Güterbündels x zu. Definition (Nutzendarstellung) Eine Nutzenfunktion u : X → R stellt eine Präferenzrelation dar, falls für alle Güterbündel x und y gilt: x y ⇔ u(x) ≥ u(y) Die Nutzendarstellung einer Präferenzrelation erfolgt also dadurch, dass besseren Alternativen ein höherer Wert der Nutzenfunktion zugeordnet wird. Insbesondere gilt (als Implikation der Definition) x ∼ y ⇔ u(x) = u(y ) und Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 38 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.2 Nutzenfunktionen Bei der Nutzendarstellung kommt er nur darauf an, dass die Nutzenfunktion die Güterbündel genauso ordnet, wie die Präferenzrelation. Insbesondere gilt: Satz (Ordinalität der Nutzendarstellung) Wenn u eine Nutzendarstellung der Präferenzrelation ist, dann stellt auch jede streng monotone Transformation v von u die Präferenzrelation dar. Definition (Streng monotone Transformation) Eine Nutzenfunktion v heisst eine streng monotone Transformation einer Nutzenfunktion u, wenn es eine streng steigende Funktion f : R → R gibt, so dass für alle Güterbündel x v (x) = f (u(x)) gilt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 39 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.2 Nutzenfunktionen Beachte: Die Ordinalität der Nutzendarstellung bedeutet, dass es keinen Sinn macht, Eigenschaften der Nutzenfunktion, die durch eine streng monotone Transformation verändert werden, mit Blick auf die Ziele eines Entscheiders zu interpretieren. Z.B. bedeutet u(y ) = 5u(x) > 0 nicht, dass y “5-mal so gut” wie x ist - sondern lediglich, dass das Güterbündel y dem Güterbündel x vorgezogen wird. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 40 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.3 Nutzenfunktion und Indifferenzkurven Aus der Angabe einer Nutzenfunktion u lassen sich die Indifferenzkurven und Bessermengen der dargestellten Präferenzrelation bestimmen. Die Indifferenzkurve zu x ist: I(x) = {y = (y1 , y2 ) | u(y ) = u(x)} Die Bessermenge zu x ist: P(x) = {y = (y1 , y2 ) | u(y) ≥ u(x)} Insbesondere entsprechen die Indifferenzkurven von den Niveaulinien von u. Eine beliebige Indifferenzkurve ist durch die Gleichung u(x) = k bestimmt. Unterschiedliche Indifferenzkurven korrespondieren zu unterschiedlichen Werten der Konstanten k. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 41 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.4 Beispiele für Nutzenfunktionen Perfekte Substitute: Die Nutzenfunktion u(x1 , x2 ) = a · x1 + x2 mit a > 0 stellt perfekte Substitute dar. Begründung: Die Gleichung für eine Niveaulinie dieser Nutzenfunktion ist a · x1 + x2 = k ⇒ x2 = k −ax1 . Also sind alle Indifferenzkurven der durch u dargestellten Präferenzrelation parallele Geraden mit Steigung −a. Zudem gilt u(x) ≥ u(y) für x ≥ y , so dass die durch u dargestellte Präferenzrelation monoton ist. Beachte: Die Nutzenfunktion u(x1 , x2 ) = x1 + x2 /a stellt ebenfalls perfekte Substitute mit Parameter a dar. Die Niveaulinien der Nutzenfunktion u(x1 , x2 ) = −ax1 − x2 sind ebenfalls parallele Geraden mit Steigung −a, aber dennoch wird eine andere Präferenzrelation dargestellt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 42 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.4 Beispiele für Nutzenfunktionen Perfekte Substitute: Die Niveaulinien der Nutzenfunktion u(x1 , x2 ) = x1 + x2 ensprechen den Indifferenzkurven von perfekten Substituten mit a = 1. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 43 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.4 Beispiele für Nutzenfunktionen Perfekte Komplemente: Die Nutzenfunktion u(x1 , x2 ) = min{ax1 , x2 }, mit a > 0 stellt perfekte Komplemente mit dem Parameter a dar. Begründung: x und y liegen genau dann auf einer Niveaulinie der Nutzenfunktion, wenn min{ax1 , x2 } = min{ay1 , y2 } gilt – was gerade der Indifferenzbedingung im Fall perfekter Komplemente entspricht. Zudem gilt u(x) ≥ u(y) für x ≥ y , so dass die durch u dargestellte Präferenzrelation monoton ist. Andere Nutzendarstellungen derselben Präferenzrelation: u(x1 , x2 ) = min{x1 , x2 /a}. u(x1 , x2 ) = min{(ax1 )2 , x22 }. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 44 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.4 Beispiele für Nutzenfunktionen Perfekte Komplemente: Die Niveaulinien der Nutzenfunktion u(x1 , x2 ) = min{x1 , x2 } entsprechen den Indifferenzkurven von perfekten Komplementen mit a = 1. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 45 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.4 Beispiele für Nutzenfunktionen Definition (Quasilineare Präferenzen) Eine Präferenzrelation heisst quasilinear (im zweiten Gut), wenn sie durch eine sogenannte quasilineare Nutzenfunktion der Form u(x1 , x2 ) = v (x1 ) + x2 dargestellt werden kann. Die Niveaulinien einer quasilinearen Nutzenfunktion sind durch v (x1 ) + x2 = k ⇔ x2 = k − v (x1 ) gegeben. Dies bedeutet, dass sich die verschiedenen Indifferenzkurven der dargestellten Präferenzrelation nur durch die Höhe des vertikalen Achsenabschnitts k − v (0) voneinander unterscheiden. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 46 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.4 Beispiele für Nutzenfunktionen Quasilineare Präferenzrelation: Die Indifferenzkurven ergeben sich aus der vertikalen Verschiebung einer einzigen Indifferenzkurve. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 47 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.4 Beispiele für Nutzenfunktionen Um eine quasilineare Präferenzrelation zu beschreiben, genügt es, die Funktion v anzugeben, welche jeder Menge von Gut 1 eine reele Zahl zuordnet. Gilt v (0) = 0, so hat diese Funktion hat eine einfache Interpretation: v (x1 ) ist die Zahlungsbereitschaft des Konsumenten dafür, die Menge x1 anstatt die Menge 0 von Gut 1 zu erhalten. Diese Zahlungsbereitschaft wird in Einheiten von Gut 2 gemessen. Gilt p2 = 1, so entspricht dieses einem Geldbetrag. Beachte: Die Zahlungsbereitschaft ist unabhängig davon, wieviele Einheiten x2 in einem Güterbündel enthalten sind. Die Annahme v (0) = 0 lässt sich durch eine streng monotone Transformation sichern und wird im Regelfalle für quasilineare Nutzenfunktionen unterstellt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 48 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.4 Beispiele für Nutzenfunktionen Definition (Cobb-Douglas-Präferenzrelation) Eine Präferenzrelation heisst Cobb-Douglas, wenn sie durch eine sogenannte Cobb-Douglas-Nutzenfunktion der Form u(x1 , x2 ) = x1c · x2d mitc > 0 und d > 0 dargestellt werden kann. Die Bedeutung von Cobb-Douglas-Präferenzen liegt darin, dass Cobb-Douglas-Nutzenfunktionen recht leicht zu handhaben sind und daher zur Illustration vieler der folgenden Überlegungen und Definitionen verwendet werden können. Das einfachste Beispiel für eine Cobb-Douglas-Nutzenfunktion ist u(x1 , x2 ) = x1 · x2 . Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 49 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.4 Beispiele für Nutzenfunktionen Cobb-Douglas-Präferenzen: Niveaulinien u(x1 , x2 ) = k der Nutzenfunktion u(x1 , x2 ) = x1 x2 . Beachte: Für alle k > 0 verlaufen die Indifferenzkurven streng fallend und streng konvex. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 50 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.4 Beispiele für Nutzenfunktionen Eine Cobb-Douglas-Präferenzrelation mit der Nutzendarstellung u(x1 , x2 ) = x1c · x2d mitc > 0 und d > 0 wird ebenfalls durch die folgenden Nutzenfunktionen dargestellt: u(x1 , x2 ) = x1a x21−a (1) u(x1 , x2 ) = a ln(x1 ) + (1 − a) ln(x2 ), (2) wobei c . a= c +d Wir wir noch sehen werden, besitzt der Parameter a in diesen Darstellungen eine unmittelbare ökonomische Interpretation. Streng genommen, ist die zweite Darstellung, die für Berechnungen nützlich ist, nur für Güterbündel mit x > 0 korrekt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 51 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.5 Nutzendarstellung artiger Präferenzrelationen Definition (Strenge Quasikonkavität) Eine Nutzenfunktion heisst quasikonkav, wenn für alle Güterbündel x 6= y und konvexe Kombinationen z dieser beiden Güterbündel aus u(x) ≥ u(y ), dass auch u(z) ≥ u(y) gilt. Gilt für innere Güterbündel zudem u(z) > u(y ), so heisst die Nutzenfunktion streng quasikonkav. Diese Definition sagt nichts anderes, als dass dir Präferenzrelation, die durch u dargestellt wird, konvex, bzw. streng konvex ist. Eine hinreichende Bedingung für die (strenge) Quasikonkavität einer Funktion ist ihre (strenge) Konkavität. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 52 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.5 Nutzendarstellung artiger Präferenzrelationen Definition (Artige Nutzenfunktion) Eine differenzierbare Nutzenfunktion u heisst artig, wenn sie streng quasikonkav ist und ihre partiellen Ableitungen ∂ u(x) , i = 1, 2 ∂ xi für alle x > 0 streng positiv sind. Satz (Nutzendarstellung artiger Präferenzrelationen) Jede artige Nutzenfunktion stellt eine artige Präferenzrelationen dar. Jede artige Präfrenzrelation kann durch eine artige Nutzenfunktion dargestellt werden. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 53 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.5 Nutzendarstellung artiger Präferenzrelationen Cobb-Douglas Präferenzrelationen sind artig. Begründung: Die Cobb-Douglas Nutzenfunktion ist stetig und differenzierbar. Für x > 0 sind die partiellen Ableitungen der Nutzendarstellung u(x1 , x2 ) = a ln(x1 ) + (1 − a) ln(x2 ) sind ∂ u(x) a ∂ u(x) 1 − a = > 0, = > 0. ∂ x1 x1 ∂ x2 x2 Die Nutzendarstellung u(x1 , x2 ) = a ln(x1 ) + (1 − a) ln(x2 ) ist streng konkav und somit streng quasikonkav. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 54 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.5 Nutzendarstellung artiger Präferenzrelationen Quasilineare Nutzenfunktionen u(x1 , x2 ) = v (x1 ) + x2 sind artig, wenn v stetig und für x1 > 0 differenzierbar mit streng positiver erster Ableitung v 0 (x1 ) und streng negativer zweiter Ableitung v 00 (x1 ) ist. Begründung: Wenn v stetig und differenzierbar ist, so ist es auch u. Die partiellen Ableitungen der quasilinearen Nutzenfunktion sind: ∂ u(x) ∂ u(x) 0 = v (x1 ) > 0, = 1 > 0. ∂ x1 ∂ x2 Gilt v 00 (x1 ) < 0, so ist die quasilineare Nutzenfunktion streng konkav und somit streng quasikonkav. Unter den genannten Voraussetzungen an v sind entsprechend auch die dargestellten quasilinearen Präferenzrelationen artig. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 55 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.6 Grenznutzen und Grenzrate der Substitution Definition (Grenznutzen) Die partielle Ableitung ∂ ∂u(x) xi einer differenzierbaren Nutzenfunktion bezeichnet man als den Grenznutzen des i-ten Gutes (an der Stelle x). Beachte: Der Grenznutzen ist kein ordinales Konzept, d.h. unterschiedliche Nutzendarstellungen der gleichen Präferenzrelation führen zu unterschiedlichen Grenznutzen. Dennoch ist der Grenznutzen ein hilfreiches Konzept, da er zur Bestimmung der Grenzrate der Substitution der durch u dargestellten Präferenzordnung verwendet werden kann. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 56 / 146 4. Nutzendarstellung von Präferenzrelationen 4.6 Grenznutzen und Grenzrate der Substitution Satz Sei u eine differenzierbare Nutzenfunktion mit streng positiven Grenznutzen ∂ u(x)/∂ xi > 0. Dann gilt für die Grenzrate der Substitution der durch u dargestellten Präferenzrelation : ∂ u(x)/∂ x1 . GRS(x) = − ∂ u(x)/∂ x2 Die marginale Zahlungsbereitschaft ist also gleich dem Verhältnis der Grenznutzen der beiden Güter. Anmerkung: Um dieses Ergebnis zu beweisen, bestimmt man die Steigung der, durch die Gleichung u(x) = k beschriebenen Indifferenzkurve durch den Satz über implizite Funktionen. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 57 / 146 5. Optimale Güterbündel und Nutzenmaximierung 5.1 Einleitung Zur Erinnerung: Wir gehen davon aus, dass der Konsument bei gegebenen Preisen p = (p1 , p2 ) > 0 und gegebenem Budget m > 0 ein Güterbündel wählt, welches optimal im Sinne der folgenden Definition ist. Definition (Optimales Güterbündel) Sei eine rationale Präferenzrelation. Ein Güterbündel x∗ ∈ B(p, m) ist optimal in der Budgetmenge B(p, m), wenn es allen anderen Güterbündeln in der Budgetmenge vorgezogen wird: x ∈ B(p, m) ⇒ x ∗ x. Ein solches Güterbündel bezeichnet man auch als Lösung des Konsumentenproblems (bei Preisen p und Budget m). Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 58 / 146 5. Optimale Güterbündel und Nutzenmaximierung 5.1 Einleitung Woher wissen wir eigentlich, dass es optimale Güterbündel gibt? Gibt es sie nicht, so macht das ganze Modell keinen Sinn . . . Können wir davon ausgehen, dass es nur ein optimales Güterbündel in einer gegebenen Budgetmenge gibt? . . . so dass es tatsächlich Sinn macht, davon zu sprechen, dass ein Konsument das beste Güterbündel wählt, welches er sich leisten kann. Welche Eigenschaften charakterisieren ein optimales Güterbündel? Wie kann man optimale Güterbündel bestimmen? Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 59 / 146 5. Optimale Güterbündel und Nutzenmaximierung 5.2 Existenz, Eindeutigkeit und Ausschöpfung des Budgets Satz Ist eine Präferenzrelation artig, so gibt es in jeder Budgetmente B(p, m) mit p > 0 und m > 0 genau ein optimales Güterbündel. Dieses liegt auf der Budgetgeraden, d.h. es gilt p1 x1∗ + p2 x2∗ = m. Die Existenz eines optimalen Güterbündels wird durch die Annahme der Stetigkeit der Präferenzrelation gesichert. Eindeutigkeit folgt aus der Annahme der strengen Konvexität der Präferenzrelation. Die Annahme der strengen Monotonie sichert, dass das optimale Güterbündel auf der Budgetgeraden liegen muss. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 60 / 146 5. Optimale Güterbündel und Nutzenmaximierung 5.2 Existenz, Eindeutigkeit und Ausschöpfung des Budgets Abbildung: Die Lösung eines Konsumentenproblems bei einer artigen Präferenzrelation. In der dargestellten Budgetmenge ist x ∗ das einzige optimale Güterbündel. Es wird allen anderen Güterbündeln in der Budgetmenge, wie z.B. dem mit x markierten Güterbündel, streng vorgezogen. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 61 / 146 5. Optimale Güterbündel und Nutzenmaximierung 5.2 Existenz, Eindeutigkeit und Ausschöpfung des Budgets Abbildung: Ein Beispiel mit zwei optimalen Güterbündeln. Beachten Sie, dass die Präferenzrelation nicht konvex ist, da ansonsten das als “nicht optimal” markierte Güterbündel vorgezogen sein müsste. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 62 / 146 5. Optimale Güterbündel und Nutzenmaximierung 5.3 Grenzrate der Substitution und Preisverhältnis Satz Ist eine Präferenzrelation artig, so ist ein Güterbündel x ∗ > 0, welches auf der Budgetgeraden liegt, genau dann optimal, wenn die Grenzrate der Substitution bei diesem Güterbündel mit der Steigung der Budgetgeraden übereinstimmt: p1 GRS(x ) = − p2 ∗ Ökonomischer formuliert, besagt die Optimalitätsbedingung aus diesem Satz, dass die marginale Zahlungsbereitschaft für Gut 1 mit dem relativen Preis von Gut 1 übereinstimmt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 63 / 146 5. Optimale Güterbündel und Nutzenmaximierung 5.3 Grenzrate der Substitution und Preisverhältnis Die Notwendigkeit der Optimalitätsbedingung p1 GRS(x ) = − p2 ∗ wird durch die folgende Abbildung veranschaulicht. Die vorhergehende Abbildung zeigt, dass die Optimalitätsbedingung ohne die Annahme der strengen Konvexität nicht hinreichend ist. Beachte die Annahme x ∗ > 0 in der Formulierung des Satzes – es handelt sich um eine Charakterisierung sogenannter innerer Lösungen des Konsumentenproblems. Gibt es kein Güterbündel, welches die Optimalitätsbedingung erfüllt, so muss es sich bei der Lösung des Konsumentenproblems um eine sogenannte Randlösung handeln: entweder x ∗ = (m/p1 , 0) oder x ∗ = (0, m/p2 ) ist optimal. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 64 / 146 5. Optimale Güterbündel und Nutzenmaximierung 5.3 Grenzrate der Substitution und Preisverhältnis Abbildung: Das innere Güterbündel x liegt auf der Budgetgeraden. Es ist nicht optimal, da die Indifferenzkurve durch x die Budgetgeraden schneidet und es somit Güterbündel in der Budgetmenge gibt, die x streng vorgezogen werden. Hier liegen diese Güterbündel in dem grün markierten Bereich. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 65 / 146 5. Optimale Güterbündel und Nutzenmaximierung 5.4 Das Nutzenmaximierungsproblem Satz (Nutzenmaximierung) Sei u eine Nutzendarstellung der Präferenzrelation . Dann ist x ∗ genau dann ein optimales Güterbündel in der Budgetmenge B(p, m), wenn es das folgende Nutzenmaximierungsproblems löst: max u(x) unter der Nebenbedingung p1 x1 + p2 x2 ≤ m. x≥0 Für eine gegebene Nutzenfunktion u kann man optimale Güterbündel also explizit durch Lösung des Nutzenmaximierungsproblems bestimmen. Wir befassen uns daher im folgenden mit der Frage, wie man ein Nutzenmaximierungsproblem löst. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 66 / 146 5. Optimale Güterbündel und Nutzenmaximierung 5.4 Das Nutzenmaximierungsproblem Satz Ist u eine artige Nutzenfunktion. Erfüllt das Güterbündel x ∗ die Bedingungen p1 x1 + p2 x2 = m und ∂ u(x1∗ , x2∗ )/∂ x1 p1 = , ∗ ∗ ∂ u(x1 , x2 )/∂ x2 p2 (3) (4) so ist es die einzige Lösung des Nutzenmaximierungsproblems. Formal folgt dieses Ergebnis aus der Anwendung des Lagrangeansatzes auf das Nutzenmaximierungsproblem. Da das Verhältnis der Grenznutzen der marginalen Zahlungsbereitschaft entspricht, liefert dieses Ergebnis auch die formale Rechtfertigung für unsere vorhergehende Charakterisierung optimaler Güterbündel. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 67 / 146 5. Optimale Güterbündel und Nutzenmaximierung 5.4 Das Nutzenmaximierungsproblem Für artige Nutzenfunktionen kann man zur Lösung des Nutzenmaximierungsproblems also wie folgt verfahren: 1 2 Suche ein Güterbündel, welches Gleichungen (3) und (4) erfüllt. Ist die Suche erfolgreich, so ist die Lösung des Nutzenmaximierungsproblems bestimmt. Gibt es kein solches Güterbündel, so muss eine Randlösung vorliegen. Vergleiche u(m/p1 , 0) und u(0, m/p2 ), um zu bestimmen, welches dieser beiden Güterbündel den grösseren Nutzen liefert – dieses ist die Lösung des Nutzenmaximierungsproblems. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 68 / 146 5. Optimale Güterbündel und Nutzenmaximierung 5.5 Zwei artige Beispiele Cobb-Douglas-Nutzenfunktion: u(x1 , x2 ) = x1a x21−a mit 0 < a < 1 Die Gleichungen p1 x1∗ + p2 x2∗ = m und GRS(x1∗ , x2∗ ) p1 ax2 =− =− (1 − a)x1 p2 besitzen die eindeutige Lösung x1∗ = am/p1 > 0, x2∗ = (1 − a)m/p2 > 0. Dieses Güterbündel ist also die eindeutige Lösung des Nugtzenmaximierungsproblems. Beachte: Der Parameter a stellt den Anteil des Budgets dar, den der Konsument füt Gut 1 ausgibt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 69 / 146 5. Optimale Güterbündel und Nutzenmaximierung 5.5 Zwei artige Beispiele Quasilineare Nutzenfunktion u(x1 , x2 ) = v (x1 ) + x2 mit v 0 (x1 ) > 0 und v 00 (x1 ) < 0. Gibt es ein Güterbündel x ∗ ≥ 0, welches die Bedingungen v 0 (x1∗ ) = p1 /p2 und p1 x1∗ + p2 x2∗ = m (5) erfüllt, so ist dieses die einzige Lösung des Nutzenmaximierungsproblems. Die genannten Bedingungen sind äquivalent zu v 0 (x1∗ ) = p1 /p2 , x2∗ = (m − p1 x1∗ )/p2 Besitzt (5) keine positive Lösung, so tritt eine (ebenfalls eindeutige) Randlösung auf: 1 2 Gilt v 0 (0) ≤ p1 /p2 , so ist (x1∗ , x2∗ ) = (0, m/p2 ) die einzige Lösung des Nutzenmaximierungsproblems. Gilt v 0 (m/p1 ) ≥ p1 /p2 , so ist (x1∗ , x2∗ ) = (m/p1 , 0) die einzige Lösung des Nutzenmaximierungsproblems. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 70 / 146 5. Optimale Güterbündel und Nutzenmaximierung 5.5 Zwei artige Beispiele Abbildung: Optimale Güterbündel für eine artige, quasilineare Präferenzrelation: Für die rote Budgetgerade ist das innere Güterbündel x 0 optimal. Hier gilt v 0 (x10 ) = p1 /p2 . Für die schwarze und die grüne Budgetgerade resultiert die Randlösung x ∗ = (0, m/p2 ). Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 71 / 146 5. Optimale Güterbündel und Nutzenmaximierung 5.5 Zwei artige Beispiele Nutzenmaximierungsprobleme mit quasilinearen Nutzenfunktionen löst man einfacher mit der Reduktionsmethode als mit dem Lagrangeverfahren: Löse die Nebenbedingung p1 x1 + p2 x2 = m nach x2 auf: m p1 x2 = − x1 p2 p2 und setze für x2 in die Zielfunktion ein. Löse das resultierende Problem p1 m max v (x1 ) − x1 + p2 p2 0≤x1 ≤m/p1 (6) Setze das Ergebnis x1∗ wieder in die Formel für x2 ein, um x2∗ zu erhalten. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 72 / 146 5. Optimale Güterbündel und Nutzenmaximierung 5.6 Zwei unartige Beispiele Perfekte Substitute: u(x1 , x2 ) = ax1 + x2 Ist a = p1 /p2 , so ist jedes Güterbündel auf der Budgetgeraden optimal In diesem Fall haben die Indifferenzkurven die gleiche Steigung wie die Budgetgerade. Der Konsument ist also zwischen alle Güterbündeln auf der Budgetgerade indifferent: Das Verhältnis, in dem er die Güter austauschen kann, entspricht gerade dem Verhältnis, in dem er bereit ist, die Güter auszutauschen. Ist a > p1 /p2 , so ist einzig das Güterbündel (m/p1 , 0) optimal. Die Indifferenzkurven verlaufen steiler als die Budgetgerade. Die marginale Zahlungsbereitschaft des Konsumenten für Gut 1 ist a, die Opportunitätskosten betragen aber nur p1 /p2 < a, so dass der Konsument so viel wie möglich von Gut 1 konsumieren möchte. Ist a < p1 /p2 , so ist einzig das Güterbündel (0, m/p2 ) optimal. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 73 / 146 5. Optimale Güterbündel und Nutzenmaximierung 5.6 Zwei unartige Beispiele Perfekte Substitute mit a < p1 /p2 : Das optimale Güterbündel ist die Randlösung m/p2 , da die Indifferenzkurven flacher als die Budgetgerade verlaufen. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 74 / 146 5. Optimale Güterbündel und Nutzenmaximierung 5.6 Zwei unartige Beispiele Perfekte Komplemente: u(x1 , x2 ) = min{ax1 , x2 } sind unartig, aber dennoch besitzt das Nutzenmaximierungsproblem eine eindeutige Lösung auf der Budgetgeraden. Die Nutzenfunktion ist monoton ⇒ Optimale Güterbündel liegen auf der Budgetgeraden. Es kann keine Randlösung geben. Wieso? Es kann keine Lösung geben, in der die Bedingung erster Ordnung gilt. Wieso? Also liegt das optimale Güterbündel x ∗ im Schnittpunkt der Budgetgeraden mit der Verbindungslinie der “Knickpunkte” der Indifferenzkurven: p1 x1∗ + p2 x2∗ = m, x2∗ = ax1∗ . Löst man diese Gleichungen, erhält man: m am ∗ ∗ x1 = , x2 = . p1 + ap2 p1 + ap2 Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 75 / 146 5. Optimale Güterbündel und Nutzenmaximierung 5.6 Zwei unartige Beispiele Perfekte Komplemente: Das optimale Güterbündel liegt im Schnittpunkt der Budgetgeraden mit der Geraden x2 = ax1 , welche die Knickpunkte der Indifferenzkurven miteinander verbindet. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 76 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.1. Einleitung Die Nachfragefunktion eines Konsumentens beschreibt, welches Güterbündel x der Konsument in Abhängigkeit von den Güterpreisen p > 0 und seinem Budget m > 0 wählt. Formal ist die Nachfragefunktion eines Konsumenten also eine Abbildung f , die jedem (p, m) > 0 das nachgefragte Güterbündel x = f (p, m) zuordnet. Wir schreiben x1 = f1 (p1 , p2 , m), x2 = f2 (p1 , p2 , m) für die nachgefragte Menge des ersten, bzw. des zweiten Gutes und bezeichnen die entsprechend definierte Funktion als die Nachfragefunktion von Gut i. Beachte: Im Lehrbuch wird die Nachfragefunktion ebenso wie das nachgefragte Güterbündel mit x ∗ bezeichnet. Das macht es schwierig zwischen diesen beiden Konzepten sauber zu unterscheiden, so dass wir die obige Notation verwenden werden. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 77 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.1. Einleitung Die Nachfragefunktion eines Konsumenten liefert eine Beschreibung des Konsumentenverhaltens. Das zuvor betrachtete Modell des Konsumentenverhaltens liefert eine mögliche Erklärung für die Nachfragefunktion, deren Konsequenzen wir nun untersuchen wollen. Dabei unterstellen wir – ausser in Beispielen – dass die betrachteten Präferenzrelationen artig sind. Definition (Artige Nachfragefunktion) Eine Nachfragefunktion f heisst artig, wenn für alle p > 0 und m > 0 das Güterbündel f (p, m) das eindeutige optimale Güterbündel in der Budgetmenge B(p, m) eines Konsumentens mit artiger Präferenzrelation (bzw. Nutzenfunktion) ist. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 78 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.1. Einleitung Beispiele für Nachfragefunktionen Die Nachfragefunktion eines Konsumenten mit Nutzenfunktion u(x1 , x2 ) = min{x1 , x2 } ist: m m und f2 (p1 , p2 , m) = . f1 (p1 , p2 , m) = p1 + p2 p1 + p2 Die Nachfragefunktion eines Konsumenten mit Nutzenfunktion (1−a) u(x1 , x2 ) = x1a x2 gilt: m m f1 (p1 , p2 , m) = a und f2 (p1 , p2 , m) = (1 − a) . p1 p2 Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 79 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.2 Eigenschaften artiger Nachfragefunktionen Satz (Stetigkeit und Differenzierbarkeit der Nachfragefunktion) Eine artige Nachfragefunktion ist stetig und für alle (p, m), so dass f (p, m) > 0 gilt, differenzierbar. Im folgenden werden wir stets unterstellen, dass die betrachteten Nachfragefunktionen stetig und differenzierbar sind. Die partiellen Ableitungen der Nachfragefunktion bezeichnen wir mit ∂ fi (p,m) ∂ pj : Änderung der nachgefragten Menge von Gut i bei Erhöhung des Preises von Gut j für i = 1, 2 und j = 1, 2. ∂ fi (p,m) ∂ m : Änderung der nachgefragten Menge von Gut i bei Erhöhung des Budgets für i = 1, 2. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 80 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.2 Eigenschaften artiger Nachfragefunktionen Satz (Homogenität vom Grad Null) Eine artige Nachfragefunktion ist homogen vom Grad Null in Preisen und Budget. Dies bedeutet: f (tp, tm) = f (p, m) für alle (p, m) > 0 und t > 0. Dieser Satz gilt, da die Budgetmenge - und somit auch die Lösung des Konsumentenproblems - unverändert bleibt, wenn alle Preise und das Budget mit dem Faktor t multipliziert werden. Bemerke: Dieser Satz nutzt die Annahme der Eindeutigkeit der optimalen Güterbündel. Ohne diese Annahme könnte der Konsument seine Auswahl zwischen mehreren optimalen Güterbündeln von der Preisnormierung abhängig machen. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 81 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.2 Eigenschaften artiger Nachfragefunktionen Satz (Budgetidentität) Eine artige Nachfragefunktion erfüllt die Budgetidentität. Dies bedeutet: p1 f1 (p, m) + p2 f2 (p, m) = m gilt für alle (p, m). Dieses folgt unmittelbar aus der Tatsache, dass das optimale Güterbündel bei einer monotoner Präferenzrelation stets auf der Budgetgeraden liegt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 82 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.2 Eigenschaften artiger Nachfragefunktionen Satz (Schwaches Axiom der offenbarten Präferenzen) Eine artige Nachfragefunktion erfüllt das schwache Axiom der offenbarten Präferenzen. Dies bedeutet: Für alle (p, m) und (p0 , m0 ) mit f (p, m) 6= f (p0 , m0 ) gilt: p10 f1 (p, m) + p20 f2 (p, m) ≤ m0 impliziert p1 f1 (p0 , m0 ) + p2 f2 (p0 , m0 ) > m. Was soll das bedeuten? Und warum stimmt es? Wenn bei Preisen p0 und Budget m0 das Güterbündel x := f (p, m) erschwinglich ist, aber stattdessen ein anderen Güterbündel, nämlich y := f (p0 , m0 ), gewählt wird, . . . dann muss y x gelten. Wenn y x gilt, aber bei Preisen p und Budget m das Güterbündel x gewählt wird, . . . dann kann y bei Preisen p und Budget m nicht erschwinglich sein. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 83 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.2 Eigenschaften artiger Nachfragefunktionen Das schwache Axioms ist verletzt: Das Güterbündel x = f (p, m) ist erschwinglich, wenn y = f (p0 , m0 ) nachgefragt wird. Zugleich ist y erschwinglich, wenn x nachgefragt wird. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 84 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.2 Eigenschaften artiger Nachfragefunktionen Keine Verletzung des schwachen Axioms: Das Güterbündel x = f (p, m) ist erschwinglich, wenn y = f (p0 , m0 ) nachgefragt wird. Das Güterbündel y ist nicht erschwinglich, wenn x nachgefragt wird. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 85 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.2 Eigenschaften artiger Nachfragefunktionen Implikationen des schwachen Axioms und der Bugetidentität für das Nachfrageverhalten: Wenn x = f (p, m) gilt, dann muss y = f (p0 , m0 ) auf dem fett markierten Abschnitt der Budgetgeraden zu Preisen p0 und Budget m0 liegen. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 86 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.2 Eigenschaften artiger Nachfragefunktionen Das schwache Axiom der offenbarten Präferenzen liefert einen einfachen Test für die Rationalität des Nachfrageverhaltens. Man kann fragen, ob die bisher benannten Eigenschaften artige Nachfragefunktionen charakterisieren. Die Antwort ist, dass dieses der Fall ist, wenn man die Transitivität einer rationalen Präferenzrelation ausnutzt, um eine Verallgemeinerung des schwachen Axioms der offenbarten Präferenzen, das sogenannte starke Axiom der offenbarten Präferenzen zu definieren. Satz (Charakterisierung artiger Nachfragefunktionen) Eine stetige und differenzierbare Nachfragefunktion, die homogen vom Grad Null ist, sowie die Budgetidentität und das starke Axiom der offenbarten Präferenzen erfüllt, ist artig. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 87 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.3. Die Auswirkung von Einkommensänderungen Definition (Normale und inferiore Güter) Ein Gut i heisst normal, wenn die nachgefragte Menge des Gutes mit steigendem Einkommen zunimmt. Ein Gut i heisst inferior, wenn die nachgefragte Menge des Gutes mit steigendem Einkommen abnimmt: Ob ein Gut normal oder inferior ist, hängt im allgemeinen von der betrachteten Ausgangssituation (Budget und Preise) und auch der Grösse der betrachteten Preisänderung ab. Für hinreichend kleine Änderungen gilt: ∂ fi (p,m) ∂m ∂ fi (p,m) ∂m > 0: Gut i ist normal. < 0: Gut i ist inferior. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 88 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.3. Die Auswirkung von Einkommensänderungen Für artige Nachfragefunktionen gilt, dass für jede Einkommensänderung mindestens ein Gut normal sein muss. kein Gut bei gegebenen Preisen für alle Einkommensänderungen inferior sein kann. Fraglich ist, welche Eigenschaft einer zu Grunde liegenden artigen Präferenzrelation bestimmen, ob ein Gut normal oder inferior ist. Wir fokussieren auf Gut 1 und betrachten kleine Einkommensänderungen ausgehend von einer Situation mit f (p, m) > 0. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 89 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.3. Die Auswirkung von Einkommensänderungen Satz Gilt f (p, m) > 0, so ist für eine artige quasilineare Präferenzrelation Gut 1 einkommensunabhängig, d.h. ∂ f1 (p, m) = 0. ∂m Wird ein zusätzliches Einkommen vollständig für Gut 2 ausgegeben, so gilt für das resultierende Güterbündel: Es liegt auf der Budgetgeraden nach der Einkommenserhöhung. Es erfüllt die Bedingung erster Ordnung für ein optimales Güterbündel, da die marginale Zahlungsbereitschaft für eine quasilineare Präferenzrelation nicht von x2 abhängt. Dieses zeigt, dass ein optimales Güterbündel resultiert, wenn das zusätzliches Einkommen vollständig für Gut 2 ausgegeben wird. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 90 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.3. Die Auswirkung von Einkommensänderungen Quasilineare Präferenzrelation: Die nachgefragte Menge von Gut 1 bleibt bei einer Einkommenserhöhung unverändert, da die Steigung der Indifferenzkurve unabhängig von x2 ist. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 91 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.3. Die Auswirkung von Einkommensänderungen Ist - im Unterschied zum Fall der quasilinearen Präferenzrelation die marginale Zahlungsbereitschaft streng steigend in x2 , so ist es nicht optimal das zusätzliches Einkommen vollständig für eine grössere Menge von Gut 2 auszugeben, da in dem resultierenden Güterbündel die marginale Zahlungsbereitschaft streng grösser als der relative Preis p1 /p2 ist. Für artige Präfenzrelationen bedeutet dies, dass es optimal ist, bei einem Einkommensanstieg die Ausgaben für Gut 1 zu erhöhen. Satz Für eine artige Präferenzrelation gilt: Ist f (p, m) > 0 und gilt ∂ GRS(f (p, m)) < 0, ∂ x2 so ist Gut 1 normal. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 92 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.3. Die Auswirkung von Einkommensänderungen Gut 1 ist normal: Bei einem Anstieg von x2 steigt die marginale Zahlungsbereitschaft. Dies führt dazu, dass die nachgefrage Menge von Gut 1 mit steigendem Einkommen zunimmt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 93 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.3. Die Auswirkung von Einkommensänderungen Ist die marginale Zahlungsbereitschaft streng fallend in x2 , ist es nicht optimal lediglich das zusätzliche Einkommen für Gut 2 auszugeben, da in dem resultierenden Güterbündel die marginale Zahlungsbereitschaft streng kleiner als der relative Preis p1 /p2 wäre. Für artige Präferenzrelationen bedeutet dies, dass es optimal ist, bei einem Einkommensanstieg die Ausgaben für Gut 1 zu reduzieren. Satz Für eine artige Präferenzrelation gilt: Ist f (p, m) > 0 und gilt ∂ GRS(f (p, m)) > 0, ∂ x2 so ist Gut 1 inferior. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 94 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.3. Die Auswirkung von Einkommensänderungen Gut 1 ist inferior: Bei einem Anstieg von x2 fällt die marginale Zahlungsbereitschaft. Dieses führt dazu, dass die nachgefragte Menge von Gut 1 mit steigendem Einkommen fällt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 95 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.3. Die Auswirkung von Einkommensänderungen Abbildung: Ernst Engel (1821-1896):“... je ärmer eine Familie ist, einen desto grösseren Antheil von der Gesamtausgabe muss sie zur Beschaffung der Nahrung aufwenden ...” Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 96 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.3. Die Auswirkung von Einkommensänderungen Die Engelkurve eines Gutes stellt die nachgefragte Menge eines Gutes in Abhängigkeit von dem Einkommen für gegebene Güterpreise dar. Eigentlich gibt es also viele Engelkurven eines Gutes, die sich dadurch unterscheiden, welche Güterpreise als gegeben betrachtet werden. Achtung: Bei der grafischen Darstellung von Engelkurven ist es üblich, das Einkommen auf der vertikalen Achse und die nachgefragte Menge auf der horizontalen Achse darzustellen. Die Einkommens-Konsumkurve stellt die zu unterschiedlichen Einkommen nachgefragten Güterbündel für gegebene Güterpreise im Güterraum dar. Im Lehrbuch wird die Einkommens-Konsumkurve als “income offer curve” bezeichnet. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 97 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.3. Die Auswirkung von Einkommensänderungen Einkommens-Konsumkurve und Engelkurve von Gut 1: Für gegebene Güterpreise p können die Güterbündel x 0 = f (p, m0 ), x 00 = f (p, m00 ) und x 000 = f (p, m000 ) als Punkte auf der Einkommens-Konsumkurve identifiziert werden. Die Engelkurve von Gut 1 identifiziert die entsprechenden nachgefragten Menge von Gut 1 in Abhängigkeit von m. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 98 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.3. Die Auswirkung von Einkommensänderungen Beispiele: Perfekte Komplemente: Beide Güter sind normal. Die Engelkurven und Einkommens-Konsum-Kurven verlaufen linear. Cobb-Douglas-Präferenzrelation: Beide Güter sind normal. Die Engelkurven und Einkommens-Konsum-Kurven verlaufen linear. Beachte: Die Eigenschaft, dass die Engelkurven der Güter linear sind, ist weder sonderlich plausibel noch empirisch haltbar . . . . . . spielt in vielen ökonomischen Analysen aber dennoch eine zentrale Rolle. Frage: Welche Eigenschaft der perfekten Komplemente und Cobb-Douglas-Präferenzrelation ist dafür verantwortlich, dass die Einkommens-Konsum-Kurven und Engelkurven linear verlaufen? Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 99 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.3. Die Auswirkung von Einkommensänderungen Definition (Homothetische Präferenzrelationen) Eine Präferenzrelation heisst homothetisch, wenn für alle Güterbündel x, y ∈ X und t > 0 gilt: x y ⇒ tx ty Perfekte Komplemente und Cobb-Douglas-Präferenzrelationen sind Beispiele für homothetische Präferenzrelationen. Deswegen verlaufen die Einkommens-Konsumkurven und Engelkurven ihrer Nachfragefunktionen linear: Satz Ist f die Nachfragefunktion eines rationalen Konsumenten mit einer artigen, homothetischen Präferenzrelation, so verlaufen alle Einkommens-Konsumkurven und Engelkurven linear. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 100 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.4 Die Auswirkung von Preisänderungen Definition (Gewöhnliche Güter und Giffen-Güter) Ein Gut i heisst gewöhnlich, wenn die nachgefragte Menge des Gutes mit steigendem Preis des betrachteten Gutes abnimmt. Ein Gut i heisst Giffen, wenn die nachgefragte Menge des Gutes mit steigendem Preis des betrachteten Gutes zunimmt. Für kleine Änderungen gilt: ∂ fi (p,m) ∂ pi ∂ fi (p,m) ∂ pi < 0: Gut i ist gewöhnlich. > 0: Gut i ist Giffen. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 101 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.4 Die Auswirkung von Preisänderungen Gut 1 ist gewöhnlich: Fällt der Preis von Gut 1, so dreht sich die Budgetgerade gegen den Uhrzeigersinn (blauer Pfeil). Die nachgefragte Menge von Gut 1 nimmt zu (roter Pfeil). Steigt der Preis von Gut 1, so würde entsprechend gelten, dass die nachgefragte Menge abnimmt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 102 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.4 Die Auswirkung von Preisänderungen Gut 1 ist Giffen: Fällt der Preis von Gut 1, so dreht sich die Budgetgerade gegen den Uhrzeigersinn (blauer Pfeil). Die nachgefragte Menge von Gut 1 nimmt ab (roter Pfeil). Steigt der Preis von Gut 1, so würde entsprechend gelten, dass die nachgefragte Menge zunimmt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 103 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.4 Die Auswirkung von Preisänderungen Definition (Substitute und Komplemente) Ein Gut i heisst ein Substitut für Gut j, wenn die nachgefragte Menge von Gut i bei einem Anstieg des Preises von Gut j zunimmt. Ein Gut i heisst ein Komplement für Gut j, wenn die nachgefragte Menge von Gut i bei einem Anstieg des Preises von Gut j abnimmt. Für kleine Änderungen gilt: ∂ fi (p,m) ∂ pj ∂ fi (p,m) ∂ pj > 0: Gut i ist Substitut für Gut j. < 0: Gut i ist Komplement für Gut j. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 104 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.4 Die Auswirkung von Preisänderungen Eine Nachfragekurve eines Gutes stellt die nachgefragte Menge des Gutes in Abhängigkeit von dem eigenen Preis des Gutes bei gegebenem Preis des anderen Gutes und gegebenes Einkommen dar. Es gibt also viele Nachfragekurven eines Gutes Sie kennen das aus der VWL I: Bewegung auf einer Nachfragekurve vs.Verschiebung der Nachfragekurve. Nachfragekurven werden auch als partielle Nachfragefunktion bezeichnet. In der grafischen Darstellung von Nachfragekurven ist es üblich, die Menge des Gutes auf der horizontalen Achse abzutragen. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 105 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.4 Die Auswirkung von Preisänderungen Eine Preis-Konsumkurve stellt die zu unterschiedlichen Preisen eines Gutes nachgefragten Güterbündel bei gegebenem Preis des anderen Güter und gegebenes Einkommen im Güterraum dar. Im Lehrbuch wird die Preis-Konsumkurve als “price offer curve” bezeichnet. Ob ein Gut ein Komplement oder Substitut für ein anderes Gut ist, kann grafisch an dem Verlauf der Preis-Konsumkurve abgelesen werden. Da z.B. eine Preis-Konsumkurve bei Änderung des Preis von Gut 1 darstellt, wie sich die nachgefragte Menge von Gut 2 bei Veränderung des Preises von Gut 1 verhält. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 106 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.4 Die Auswirkung von Preisänderungen Preis-Konsumkurve und Nachfragekurve von Gut 1: Für gegebenes p2 und m können die Güterbündel x ∗ (p10 ) = f (p10 , p2 , m), x ∗ (p100 ) = f (p100 , p2 , m) und x ∗ (p1000 ) = f (p1000 , p2 , m) als Punkte auf der Preis-Konsumkurve identifiziert werden. Die Nachfragekurve stellt die entsprechenden nachgefragten Mengen von Gut 1 in Abhängigkeit von p1 dar. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 107 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.4 Die Auswirkung von Preisänderungen Beispiele: Perfekte Komplemente: Beide Güter sind gewöhnlich und Komplemente für einander. Cobb-Douglas-Präferenzrelation: Beide Güter sind gewöhnlich. Die Güter sind weder Komplemente noch Substitute für einander, da die nachgefragte Menge von Gut i nicht von dem Preis von Gut j abhängt: ∂ fi (p, m) = 0. ∂ pj Artige quasilineare Präferenzrelation: In einer inneren Lösung sind beide Güter gewöhnlich und Gut 1 ist Substitut für Gut 2 . . . . . . aber Gut 2 ist nicht unbedingt auch ein Substitut für Gut 1. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 108 / 146 6. Die Nachfragefunktion eines Konsumentens 6.4 Die Auswirkung von Preisänderungen Im Gegensatz zu der Diskussion normaler und inferiorer Güter lässt sich nicht ohne weiteres angeben, welche Eigenschaften einer Präferenzrelation dafür sorgen, dass ein Gut gewöhnlich oder Giffen, bzw. ein Komplement oder ein Substitut für ein anderes Gut ist. Auch passen Intuition und formale Analyse nicht richtig zusammen: Die Möglichkeit von Giffen-Gütern erscheint wenig plausibel. Für artige Nachfragefunktionen kann es geschehen, dass Gut i ein Substitut für Gut j ist, während Gut j ein Komplement für Gut i ist. Ursache für diese Schwierigkeiten ist, dass bei einer Preisänderung zwei Effekte auftreten: Substitutionseffekt und Einkommenseffekt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 109 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.1 Einleitung Ausgangspunkt unserer Analyse ist die Beobachtung, dass sich zwei verschiedene Auswirkungen einer Preisänderung auf die Budgetgerade unterscheiden lassen: Die Verhältnisse, in denen man ein Gut gegen ein anderes austauschen kann, die relativen Preise, ändert sich. Die Kaufkraft des Einkommens ändert sich. Entsprechend lassen sich auch zwei Auswirkungen einer Preisänderung auf die Nachfrage unterscheiden Der Substitutionseffekt: Auswirkung auf die Nachfrage auf Grund der Änderung der relativen Preise bei unveränderter Kaufkraft. Der Einkommenseffekt: Auswirkung auf die Nachfrage auf Grund der Änderung der Kaufkraft des Einkommens. Diese beiden Effekte auf die Nachfrage werden durch die sogenannte Slutsky-Zerlegung beschrieben, die Grundlage der weiteren Analyse ist. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 110 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.1 Einleitung Eugen Slutsky (1880-1948) Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 111 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.1 Einleitung Die gesamte folgende Analyse bezieht sich auf eine artige Nachfragefunktion f . Wir betrachten die Auswirkung einer Preisänderung von p1 auf p1 bei gegebenem Einkommen m auf das nachgefragte Güterbündel. Wir bezeichnen (p, m) als die Ausgangssituation und das in der Ausgangssituation nachgefragte Güterbündel mit x = f (p, m) und unterstellen x > 0. Wir bezeichnen (p0 , m) als die neue Situation und das in dieser Situation nachgefragte Güterbündel mit x 0 = f (p0 , m). Die Preisänderung bezeichnen wir mit ∆p = p0 − p und die Nachfrageänderung mit ∆x = x 0 − x. Ändert sich – wie im Lehrbuch unterstellt – nur der Preis von Gut 1, so gilt p20 = p2 , also ∆p2 = 0. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 112 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.2 Die Slutsky-Zerlegung Definiere m0 := p10 x1 + p20 x2 = p10 f1 (p, m) + p20 f2 (p, m) und ∆m := m0 − m. Das Einkommen m0 ist so definiert, dass bei den Preisen p0 das Güterbündel x = f (p, m) gerade erschwinglich ist. Da die Nachfragefunktion per Annahme die Budgetidentität erfüllt, ist ∆m die Einkommensänderung, die erforderlich ist, damit x in der neuen Situation gerade erschwinglich bleibt. In diesem Sinne sorgt die Einkommenänderung ∆m dafür, dass die Kaufkraft unverändert bleibt. Die Einkommensänderung ∆m nennt man die Einkommenskompensation der Preisänderung ∆p. Das Güterbündel x S := f (p0 , m0 ) wird als die kompensierte Nachfrage bezeichnet. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 113 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.2 Die Slutsky-Zerlegung Definition (Substitutionseffekt) Der Substitutionseffekt ∆x S ist die Nachfrageänderung, die sich bei einer einkommenskompensierten Preisänderung ergibt: ∆x S := x S − x = f (p0 , m0 ) − f (p, m) Definition (Einkommenseffekt) Der Einkommenseffekt ∆x I ist die Nachfrageänderung, die sich ergibt, da tatsächlich keine Einkommenskompensation der Preisänderung vorgenommen wird: ∆x I := x 0 − x S = f (p0 , m) − f (p0 , m0 ) Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 114 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.2 Die Slutsky-Zerlegung Da der Einkommenseffekt ∆x I als die Differenz zwischen der Nachfrageänderung ∆x und dem Substitutionseffekt ∆x S definiert ist, gilt: ∆x = ∆x S + ∆x I . Diese Gleichung ist die Slutsky-Identität, welche die Zerlegung der Auswirkung einer Preisänderung in den Substitutionseffekt und den Einkommenseffekt darstellt. Der Witz an der Slutsky-Identität ist nicht, dass sie gilt . . . das ist per Definition so . . . sondern, der Gedanke, die Auswirkung einer Preisänderung in die beiden hier erfassten Effekte zu zerlegen. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 115 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.2 Die Slutsky-Zerlegung Ausgangssituation: Bei Preisen (p1 , p2 ) und Einkommen m wird das Güterbündel x = f (p, m) nachgefragt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 116 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.2 Die Slutsky-Zerlegung Preisänderung: Der Preis von Gut 1 fällt auf p10 während der Preis von Gut 2 unverändert bleibt. Die Bugetgerade dreht sich um den vertikalen Achsenabschnitt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 117 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.2 Die Slutsky-Zerlegung Einkommenskompensation: Da in der neuen Situation der Preis von Gut 1 auf p10 gefallen ist, wird nur noch ein Einkommen von m0 < m benötigt, damit x gerade erschwinglich ist. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 118 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.2 Die Slutsky-Zerlegung Neue Situation: Bei den Preisen (p10 , p2 ) und Einkommen m wird das Güterbündel x 0 = f (p0 , m) nachgefragt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 119 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.2 Die Slutsky-Zerlegung Kompensierte Nachfrage: Bei den Preisen (p10 , p2 ) und dem Einkommen m0 wird das Güterbündel x S = f (p0 , m0 ) nachgefragt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 120 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.2 Die Slutsky-Zerlegung Nachfrageänderung: Die Nachfrageänderung ∆x = x 0 − x entspricht der Bewegung von x nach x 0 . Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 121 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.2 Die Slutsky-Zerlegung Substitutionseffekt: Der Substitutionseffekt ∆x S = x S − x entspricht der Bewegung von x nach x S . Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 122 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.2 Die Slutsky-Zerlegung Einkommenseffekt: Der Einkommenseffekt ∆x I = x 0 − x S entspricht der Bewegung von x S nach x 0 . Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 123 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.2 Die Slutsky-Zerlegung Slutsky-Zerlegung: Die Nachfrageänderung ∆x ist gleich der Summe aus Substitutionseffekt ∆x S und Einkommenseffekt ∆x I . Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 124 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.3 Der Substitutionseffekt Satz (Das Vorzeichen des Substitutionseffekts) Das Vorzeichen des Substitutionseffekt ist durch die Veränderung des relativen Preises bestimmt: Aus p10 /p20 > p1 /p2 folgt ∆x1S < 0 und ∆x2S > 0. Aus p10 /p20 < p1 /p2 folgt ∆x1S > 0 und ∆x2S < 0. Aus p10 /p20 = p1 /p2 folgt ∆x1S = 0 und ∆x2S = 0. Dieses Ergebnis folgt aus dem schwachen Axiom der offenbarten Präferenzen. Beachte: Erhöht sich nur der Preis von Gut 1, so besagt das Ergebnis insbesondere, dass der Substitutionseffekt auf Gut 1 negativ ist. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 125 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.3 Der Substitutionseffekt Substitutionseffekt, wenn nur der Preis von Gut 1 steigt: In der Ausgangssituation wird x nachgefragt. Steigt der Preis von Gut 1, so muss x1S ≤ x1 gelten: Ansonsten würde x S in dem fett markierten Bereich der einkommenskompensierten Budgetgeraden liegen und das schwache Axiom wäre verletzt. Also gilt hier: ∆p1 > 0 ⇒ ∆x1S ≤ 0. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 126 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.3 Der Substitutionseffekt Substitutionseffekt, wenn nur der Preis von Gut 1 fällt: In der Ausgangssituation wird x nachgefragt. Fällt der Preis von Gut 1, so muss x1S ≥ x1 gelten: Ansonsten würde x S in dem fett markierten Bereich der einkommenskompensierten Budgetgeraden liegen und das schwache Axiom wäre verletzt. Also gilt hier: ∆p1 < 0 ⇒ ∆x1S ≥ 0 Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 127 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.3 Der Substitutionseffekt Beachte: Ignoriert man den Einkommenseffekt, so sind beide Güter gewöhnlich: Bei einem Anstieg des Preises von Gut i fällt die einkommenskompensierte Nachfrage von Gut i Also muss es an dem Einkommenseffekt liegen, dass die Möglichkeit von Giffen-Gütern nicht ausgeschlossen werden kann. Ignoriert man den Einkommenseffekt, so sind beide Güter Substitute für einander: Bei einem Anstieg des Preises von Gut j steigt die einkommenskompensierte Nachfrage von Gut i Also muss es an dem Einkommenseffekt liegen, dass die Möglichkeit von Komplementen nicht ausgeschlossen werden kann. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 128 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.4 Der Einkommenseffekt Das Vorzeichen des Einkommenseffekt ∆xiI = xi0 − xiS = fi (p0 , m) − fi (p0 , m0 ) wird durch zwei Faktoren bestimmt: 1 2 Das Vorzeichen der Einkommenskompensation ∆m = m0 − m Die Reaktion der nachgefragten Menge von Gut i auf eine Einkommensänderung. Beachte: ∆m > 0 gilt, wenn das in der Ausgangssituation nachgefragte Güterbündel nach der Preisänderung nicht mehr erschwinglich ist, also z.B. wenn nur der Preis von Gut 1 um ∆p1 > 0 ansteigt und x1 > 0 gilt. Hier ist ∆m = ∆pi · xi > 0. Gilt ∆m > 0, dann fällt durch die Preisänderung die Kaufkraft des Konsumenten; der Einkommenseffekt stellt die Auswirkung einer Absenkung des Einkommens von m0 = m + ∆m auf m dar: xiI = fi (p0 , m) − fi (p0 , m + ∆m) Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 129 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.4 Der Einkommenseffekt Satz (Vorzeichen des Einkommenseffekts) Sei ∆m 6= 0. Dann gilt Ist Gut i für die betrachtete Einkommensänderung normal, so gilt ∆m · ∆xiI < 0. Ist Gut i für die betrachtete Einkommensänderung inferior, so gilt ∆m · ∆xiI > 0. Ist Gut i für die betrachte Einkommensänderung einkommensunabhängig, so gilt ∆xiI = 0. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 130 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.4 Der Einkommenseffekt Beachte: Im Unterschied zum Substitutionseffekt ist das Vorzeichen des Einkommenseffekt auch in dem einfachen Fall, dass nur der Preis von Gut i erhöht wird, nicht eindeutig festgelegt: Ist Gut i normal, so ist bei einer Preiserhöhung von Gut i der Einkommenseffekt ∆xiI streng negativ. Ist Gut i inferior, so ist bei einer Preiserhöhung von Gut i der Einkommenseffekt ∆xiI streng positiv. Ist Gut i einkommensunabhängig, so ist bei einer Preiserhöhung von Gut i der Einkommenseffekt ∆xiI gleich Null. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 131 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.5 Das Zusammenspiel der Effekte Einkommens- und Substitutionseffekt: Der Preis von Gut 1 fällt: ∆p1 < 0 und ∆p2 = 0 . . . Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 132 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.5 Das Zusammenspiel der Effekte Einkommens- und Substitutionseffekt: . . . die Einkommenskompensation ist streng negativ: ∆m < 0 . . . Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 133 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.5 Das Zusammenspiel der Effekte Einkommens- und Substitutionseffekt: . . . Da ∆p1 < 0 ist, ist der Substitutionseffekt auf die nachgefragte Menge von Gut 1 positiv: ∆x1S > 0. Für Gut 2 gilt ∆x2S < 0. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 134 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.5 Das Zusammenspiel der Effekte Einkommens- und Substitutionseffekt: Im hier dargestellten Fall sind beide Güter normal. Da ∆m < 0 gilt, ist der Einkommenseffekt für beide Güter daher streng positiv. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 135 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.5 Das Zusammenspiel der Effekte In dem soeben betrachteten Beispiel gilt in Bezug auf die betrachtete Preisänderung von Gut 1: Gut 1 ist gewöhnlich: der Preis von Gut 1 fällt, die Nachfrage von Gut 1 steigt. Gut 2 ist ein Substitut für Gut 1: Der Preis von Gut 1 fällt, die Nachfrage von Gut 2 fällt. Die Slutsky-Zerlegung erlaubt es, diese Eigenschaften der Güter als Ergebnis der Kombination von Substitutions- und Einkommenseffekt zu interpretieren: Die Nachfrage von Gut 1 steigt, da sowohl Substitutions- als auch Einkommenseffekt für dieses Gut positiv sind. Die Nachfrage von Gut 2 fällt, da der positive Einkommenseffekt geringer als der negative Substitutionseffekt ist. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 136 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.5 Das Zusammenspiel der Effekte Die Bedeutung des Einkommenseffekts: Ausgangssituation, Preisänderung und Substitutionseffekt sind identisch zu der vorhergehenden Abbildung. Hier ist aber nun Gut 1 inferior, so dass der Einkommenseffekt auf dieses Gut das Vorzeichen wechselt. Zugleich ist der Einkommenseffekt auf Gut 2 hinreichend gross, dass dieses Gut nun Komplement für Gut 1 ist. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 137 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.5 Das Zusammenspiel der Effekte Satz (Implikationen der Slutsky-Zerlegung I) Sei f (p, m) > 0 und f artig. Dann gilt: Jedes normale Gut ist gewöhnlich. Jedes Giffen-Gut ist inferior. Wieso? Steigt der Preis von Gut i, so ist der Substitutionseffekt für Gut i negativ. Ist Gut i normal, so ist der Einkommenseffekt für Gut i streng negativ. Also ist die Summe der beiden Effekte - und damit die Nachfrageänderung für Gut i - streng negativ. Steigt der Preis von Gut 1, so ist der Substitutionseffekt für Gut i negativ. Ist Gut 1 Giffen, so muss der Einkommenseffekt für Gut i streng positiv sein. Also muss Gut i inferior sein. Beachte: Die Umkehrung dieser Aussagen gilt nicht, da ein inferiores Gut sehr wohl gewöhnlich sein kann. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 138 / 146 7. Einkommens- und Substitutionseffekt 7.5 Das Zusammenspiel der Effekte Satz (Implikationen der Slutsky-Zerlegung II) Sei f (p, m) > 0 und f artig. Dann gilt für i 6= j: Ist Gut i inferior, so ist Gut i ein Substitut für Gut j. Ist Gut i ein Komplement für Gut j, so ist Gut i normal. Beachte: Die Umkehrung der Aussagen gilt nicht. Aus der Slutsky-Zerlegung ergeben sich weitere Implikationen für die Struktur der Nachfragefunktion eines rationalen Konsumenten. So kann die Frage, ob eine gegebene Nachfrage artig ist, durch die Betrachtung der Einkommens- und Substitutionseffekte eindeutig geklärt werden. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 139 / 146 8. Marktnachfrage 8.1 Einleitung Bislang haben wir uns nur mit der Nachfrage eines einzelnen Konsumenten beschäftigt, einer individuellen Nachfragefunktion. Nun betrachten wir die aggregierte Nachfrage- oder Marktnachfragefunktion einer Gruppe von Konsumenten a = 1, . . . , A mit individuellen Nachfragefunktionen f a (p1 , p2 , ma ), wobei ma das Einkommen von Konsument a bezeichnet. Beachten Sie die folgenden Notationsunterschiede zu Kapitel 15 des Lehrbuchs: Wir verwenden hier den Index a für den Namen eines Konsumenten, da wir den Index i schon für die Namen der Güter “verbraucht” haben. Wie zuvor bezeichnen tiefgestellte Indizes die unterschiedlichen Güter. Hochgestelle Indizes bezeichnen die Konsumenten. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 140 / 146 8. Marktnachfrage 8.1 Einleitung Definition (Marktnachfragefunktion) Die Marktnachfragefunktion (für eine Gruppe von Konsumenten) ist F (p1 , p2 , m1 , . . . , mA ) = A ∑ f a (p1 , p2 , ma ). a=1 Die Marktnachfragefunktion von Gut i ist Fi (p1 , p2 , m1 , . . . , mA ) = A ∑ fia (p1 , p2 , ma ) a=1 Eine partielle Marktnachfragefunktion (oder Marktnachfragekurve) von Gut i ist die Marktnachfragefunktion von Gut i in Abhängigkeit von pi bei gegebenem Preis des anderen Gutes und gegebenen individuellen Einkommen. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 141 / 146 8. Marktnachfrage 8.1 Einleitung Beachte: Die Marktnachfragefunktion ergibt sich aus Addition der individuell nachgefragten Mengen. Die Marktnachfragefunktion eines Gutes hängt im allgemeinen von den Preisen aller Güter und von den individuellen Einkommen der Konsumenten ab. Für die folgenden Überlegungen unterstellen wir, dass alle individuellen Nachfragefunktionen artig sind. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 142 / 146 8. Marktnachfrage 8.2 Eigenschaften der Marktnachfragefunktion Satz (Homogenität der Marktnachfragefunktion) Die Marktnachfragefunktion ist homogen vom Grad Null in den Preisen p und den individuellen Einkommen ma : F (tp1 , tp2 , tm1 , . . . , tmA ) = F (p1 , p2 , m1 , . . . , mA ) für allet > 0. Satz (Budgetidentität der Marktnachfragefunktion) Die aggregierten Ausgaben stimmen mit dem aggregierten Einkommen überein: p1 F1 (p1 , p2 , m1 , . . . , mA ) + p2 F2 (p1 , p2 , m1 , . . . , mA ) = A ∑ ma a=1 Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 143 / 146 8. Marktnachfrage 8.3 Der repräsentative Konsument . . . it is sometimes convenient to think of the aggregate demand as the demand of some “representative consumer” who has an income that is just the sum of all individual incomes. The conditions under which this can be done are rather restrictive . . . (Varian, S. 267) Frage: Worin liegen die Probleme, die Marktnachfragefunktion als die Nachfragefunktion eines rationalen repräsentativen Konsumenten aufzufassen, der über das aggregierte Einkommen M = ∑Aa=1 ma verfügt? Die Antwort auf diese Frage zu verstehen ist wichtig, da viele öknomische Analysen (oftmals stillschweigend) unterstellen, dass es einen solchen repräsentativen Konsumenten gibt. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 144 / 146 8. Marktnachfrage 8.3 Der repräsentative Konsument Problem (I) Die Marktnachfrage hängt im allgemeinen nicht nur von dem aggregierten Einkommen der Konsumenten sondern auch von der Verteilung des aggregierten Einkommens auf die Konsumenten ab: a a 1 A 1 A m = m̃ ⇒ 6 F (p , p , m , . . . , m ) = F (p , p , m̃ , · · · , m̃ ) 1 2 1 2 ∑ ∑ a a Problem (II) Geht man davon aus, dass die Veteilung eines aggregierten Einkommens M auf die einzelnen Konsumenten gegeben ist, lässt sich die Marktnachfragefunktion als Funktion der Güterpreise und des Einkommens auffassen. Diesee Funktion erfüllt im allgemeinen jedoch das schwache Axiom der offenbarten Präferenzen nicht und kann daher auch nicht als die Nachfragefunktion eines repräsentativen Konsumenten aufgefasst werden. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 145 / 146 8. Marktnachfrage 8.3 Der repräsentative Konsument Kein Problem gibt es in zwei Spezialfällen. Nur in diesen beiden Fällen lässt sich die Marktnachfragefunktion als Nachfragefunktion eines repräsentativen Konsumenten mit artiger Präferenzrelation deuten: Alle Konsumenten besitzen quasilineare Präferenzrelationen und es werden nur solche Preise und Einkommen betrachtet, bei denen alle Konsumentenprobleme innere Lösungen haben. Alle Konsumenten besitzen identische und homothetische Präferenzrelationen. Mikroökonomie (FS 09) Nachfrage 146 / 146