Skript zum Thema Quanten - lehrer.uni

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Skript zum Thema
Quanten– und Atomphysik
J. Hirsch
Skript zum Thema
Quanten– und Atomphysik
im zweistündigen Physikkurs der Kursstufe
mit Schwerpunkt Astrophysik
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
1
Skript zum Thema
Quanten– und Atomphysik
J. Hirsch
Inhaltsverzeichnis
I
ATOMVORSTELLUNGEN
I.1
Antike
4
4
I.1.1
Leukipp (450-370 v. Chr.) und Demokrit (460-371 v. Chr.)
4
I.1.2
Plato (427-347 v. Chr.)
4
I.1.3
Aristoteles (384-322 v. Chr.)
5
I.2
18. und 19. Jahrhundert
I.2.1
I.3
Joseph L. Proust (1754-1826) John Dalton (1760-1844)
19. und 20. Jahrhundert
5
5
6
I.3.1
William Thomson (1824-1907) – Lord Kelvin
6
I.3.2
Joseph John Thomson (1856-1940)
6
I.3.3
Ernest Rutherford (1871-1937)
7
I.3.4
Niels Henrik David Bohr (1885-1962)
8
I.4
20. Jahrhundert
8
II
ELEMENTARTEILCHEN
10
III
LICHT ALS QUANT – DER FOTOEFFEKT
17
III.1
Belichtung von Fotopapier
17
III.2
Der Fotoeffekt
17
III.3
Absorption und Emission von Licht
20
III.4
Spektroskopie
21
III.4.1
Emissionslinienspektrum
21
III.4.2
Exkurs: Wasserstoff & Termschema
23
III.4.3
Absorptionslinienspektrum
24
IV
ATOMKERN
26
IV.1
Bausteine, Ordnungszahl und Massezahl
26
IV.2
Isotope
26
IV.3
Radioaktiver Zerfall
27
IV.3.1
IV.3.2
IV.3.3
IV.3.4
α –Zerfall
β − –Zerfall
β + –Zerfall
γ –Stahlung
27
28
28
29
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2
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J. Hirsch
IV.3.5
Nachweis
29
IV.3.5.1
Fotoplatte
29
IV.3.5.2
Ionisationskammer (Wilson'sche Nebelkammer)
30
IV.3.5.3
Geiger-Müller-Zählrohr
31
IV.3.5.4
Szintillationszähler
32
IV.3.6
Halbwertszeit
32
IV.3.7
Zerfallsreihen
33
V
KERNSPALTUNG
35
VI
KERNFUSION
37
VI.1
Kernfusion in Sternen - Das Wasserstoff-Brennen
38
VI.1.1
Startreaktionen:
38
VI.1.2
Hauptfolgereaktionen:
38
VI.2
Übersicht über die verschiedenen Kernfusionen in Sternen
40
VI.3
Abschätzung der Lebens– bzw. Brenndauer der Sonne
41
VII
QUELLEN UND WEITERFÜHRENDE LITERATUR
42
VII.1
Literatur:
42
VII.2
Internetquellen (Stand 29.10.2014):
42
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J. Hirsch
I Atomvorstellungen
In diesem Abschnitt werden einige wichtige historische Erkenntnisschritte in der
Vorstellung der Atome in Anlehnung an die im Unterricht vorgestellte Präsentation
stichpunktartig dargestellt.
I.1 Antike
I.1.1 Leukipp (450-370 v. Chr.) und Demokrit (460-371 v. Chr.)
•
griechische Philosophen
•
Materie ist aus unteilbaren Grundbausteinen (griechisch: atomos) aufgebaut.
•
Atome haben bereits die Eigenschaften der aus ihnen aufgebauten Materie.
•
Atome sind unveränderlich, unvergänglich und unterscheiden sich nur in Gestalt
und Größe: Sie haben Höcker, Haken, Ausbuchtungen und Verzahnungen, sind
rund oder eckig.
•
Demokrit: „Nur der Meinung nach gibt es süß, nur der Meinung nach bitter, warm,
kalt, nur der Meinung nach Farbe, in Wahrheit gibt es nur Atome und leeren
Raum (Vakuum).“
I.1.2 Plato (427-347 v. Chr.)
•
Vermeidet den Ausdruck „Atom“
•
„Ur-Elemente“ klein, nicht sichtbar
•
Mathematische
aufgebaut.
•
Identifiziert die „Ur-Elemente“ mit den fünf regelmäßigen (platonischen) Körpern.
Welt:
Alles
„Ur-Elemente“
aus
rechtwinklig-gleichschenkligen
Dreiecken
Tetraeder
Würfel
Oktaeder
Ikosaeder
Dodekaeder
Feuer
Erde
Luft
Wasser
kosm. Raum
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I.1.3 Aristoteles (384-322 v. Chr.)
•
Ablehnung der Ideenlehre Platons (Atomismus):
–
Im leeren Raum (Vakuum) ist keine Bewegung möglich.
–
Die vielfältigen Formen, Ausbuchtungen und Häkchen und Ösen der Atome,
mit denen diese zusammengehalten werden, sind absurd.
•
Der Raum ist kontinuierlich mit Materie erfüllt, die zunächst keine Form hat, aber
zur Formung dient („prima materia“).
•
Die Vielfalt der irdischen Stoffe erklärt sich durch verschiedene Mischungen der
vier Grundelemente Feuer, Wasser, Erde und Luft.
•
Himmelskörper bestehen aus einem fünften Element („quinta essentia“ oder
„Äther“).
I.2 18. und 19. Jahrhundert
I.2.1 Joseph L. Proust (1754-1826) John Dalton (1760-1844)
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:John_Dalton_by_Charles_Turner.jpg
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Joseph_Louis_Proust.jpeg
•
Erste experimentelle Hinweise darauf, dass Materie tatsächlich aus kleinen
Bausteinen aufgebaut ist.
•
Chemische Elemente verbinden sich
Verhältnissen miteinander zu Molekülen.
•
Dalton erklärte dieses Phänomen 1808 damit, dass die Elemente aus nicht mehr
teilbaren, kleinsten Einheiten bestehen und griff für diese Teile den alten
griechischen Begriff des Atoms wieder auf.
•
Alle Atome eines chemischen Elements sind untereinander gleich. Atome
unterscheiden sich nur in der Masse von Atomen anderer Elemente.
nur
in
bestimmten
ganzzahligen
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Quanten– und Atomphysik
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I.3 19. und 20. Jahrhundert
I.3.1 William Thomson (1824-1907) – Lord Kelvin
Atome sind kugelförmig anzunehmen.
•
Zwischen
Abstoßung.
•
Elektrisches
Fluidum
besteht
aus
Elektronen, die kleiner als Atome sind.
•
Atome
mit
unterschiedlich
vielen
Elektronen
haben
unterschiedliche
Eigenschaften.
•
Positive Ladung gleichmäßig über das
ganze Atom verteilt.
Atomen
besteht
eine
http://commons.wikimedia.org/wiki/
File:Lord_Kelvin_photograph.jpg
I.3.2 Joseph John Thomson (1856-1940)
Entdeckte durch Experimente mit einer
Glühkathode, dass sich aus Atomen kleinere,
elektrisch geladene Teilchen herausschlagen
lassen, die Elektronen (1897-1899).
•
Atome:
–
Keinesfalls unteilbar
–
Winzige, elastische Kügelchen, in
denen Masse und positive elektrische
Ladung gleichmäßig verteilt sind.
–
Fest eingebettet sind, wie Rosinen im
Kuchenteig,
die
punktförmigen,
elektrisch negativen Elektronen.
–
Später: Elektronen bewegen sich im
Atom umher (zur Erklärung der
Radioaktivität).
http://commons.wikimedia.org/
wiki/Joseph_John_Thomson
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6
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I.3.3 Ernest Rutherford (1871-1937)
Im Jahre 1909 kam Marsden in Rutherfords Institut
nach Manchester. Als kleine Übungsaufgabe sollte
er die Streuung von α-Teilchen an dünnen
Metallfolien (Pb, Au, Pt, Cu) untersuchen.
Das Ergebnis der Experimente von Marsden und
Geiger bezeichnete später Rutherford als das
unglaubwürdigste Ereignis seines Lebens:
„Geiger kam in großer Aufregung zu mir und sagte: Es ist uns
gelungen, nach rückwärts gehende α-Teilchen zu beobachten.
Das war wohl das Unglaublichste, was ich je erlebt hatte. Es
war fast so unglaublich, als wenn eine Kugel auf einen
zurückkäme, die man auf ein Stück Seidenpapier geschossen
hat. Einiges Nachdenken brachte mir die Einsicht, dass diese
Rückwärtsstreuung aber die Folge eines Zusammenstoßes
sein musste, und als ich Berechnungen machte, sah ich, dass
http://commons.wikimedia.org/wiki/
File:Ernest_Rutherford_%28Nobel%29.jpg
es unmöglich war, irgend etwas in dieser Größenordnung zu
bekommen, es sei denn, dass man ein System annahm, in dem der größte Teil der Masse des Atoms
in einem einzigen Kern konzentriert war. Damals hatte ich erstmals die Vorstellung von einem Atom
mit einem winzigen, massiven und geladenen Zentrum. Auf mathematischern Weg berechnete ich,
welchen Gesetzen solche Streuungen unterliegen müssten, und fand, dass die Anzahl der Teilchen,
die in einem gegebenen Winkel gestreut werden, proportional der Dicke der Streuschicht, dem
Quadrat der Kernladung, und umgekehrt der vierten Potenz der Geschwindigkeit sein müsste".
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Rutherford_Scattering.svg
Autor:
Sundance Raphael auf Wikimedia Commons
Legende:
1: Radioaktives Radium; 2: Bleimantel zur Abschirmung; 3: Alpha-Teilchenstrahl;
4: Leuchtschirm bzw. Fotografieschirm; 5: Goldfolie; 6: Punkt, an dem die Strahlen auf die
Folie treffen; 7: Teilchenstrahl trifft den Schirm, nur wenige Teilchen werden abgelenkt.
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
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Skript zum Thema
Quanten– und Atomphysik
J. Hirsch
•
Streuversuch von α-Teilchen an Goldfolie:
–
Das Thomsonsche Atommodell ist zur Erklärung der Großwinkelstreuung
nicht geeignet.
–
Nicht durch Vielfachstreuung sondern durch eine Einzelstreuung wird die
Ablenkung bewirkt.
–
Die α-Teilchen mussten offenbar an einer positiven Zentralladung, die fast die
gesamte Masse des Atoms enthält, gestreut werden.
•
Hülle des Atoms besteht aus einer homogen verteilten negativen Ladung.
•
Elektronen in statischer Anordnung um den Kern verteilt.
•
Erste Berechnungen der Dimension des Atomkerns: 3, 3 ⋅10 −14 m
I.3.4 Niels Henrik David Bohr (1885-1962)
„Planetenmodell“ (1913):
•
Das Atom besteht aus einem positiv geladenen
Kern und negativ geladenen Elektronen.
•
Die Elektronen umkreisen den Kern auf ganz
bestimmten konzentrischen Bahnen.
•
Jede Schale kann max. 2n 2 Elektronen haben
Erweiterung:
Bohr-Sommerfeldsches Atommodell (1916), in dem
für Elektronen auch bestimmte Ellipsenbahnen um
den Atomkern zugelassen sind
http://commons.wikimedia.org/
wiki/File:Niels_Bohr.jpg
Autor
The American Institute of Physics
I.4 20. Jahrhundert
Orbitalmodell (1928)
•
Erkenntnis aus Quantenmechanik:
Der genaue Aufenthaltsort der Elektronen kann nicht exakt ermittelt, sondern nur
ihre Verteilung stochastisch beschrieben werden.
•
Atom besteht aus einem Kern, der von Orbitalen umgeben ist.
•
Die Form der Orbitale ist durch die räumliche Aufenthaltswahrscheinlichkeit der
Elektronen gegeben (Orbital ist eine Lösung der Schrödingergleichung).
•
Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen sinkt mit dem Abstand vom
Atomkern und erstreckt sich bis ins Unendliche
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
8
Skript zum Thema
Quanten– und Atomphysik
J. Hirsch
•
Orbital = Aufenthaltsraum, in dem sich das betrachtete Elektron mit ca. 90 %
Wahrscheinlichkeit aufhält.
•
Abstände der größten Wahrscheinlichkeiten innerhalb der Orbitale, ein Elektron
anzutreffen, entsprechen den von Niels Bohr errechneten Bahnabständen.
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
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Skript zum Thema
Quanten– und Atomphysik
J. Hirsch
II Elementarteilchen
Anfang des 20. Jahrhunderts hatte man erkannt, dass die Materie aus den
elementaren Bausteinen Protonen (im Atomkern) und Elektronen (in der Atomhülle)
aufgebaut ist. Zudem wurde seit 1920 die Existenz eines weiteren Kernbausteins
(Nukleon) vorausgesagt, das Neutron, welches schließlich 1932 von James
Chadwick entdeckt wurde.
Einzig die Radioaktivität, insbesondere der Beta-Zerfall machte den Physiker zu
dieser Zeit noch Kopfschmerzen. Beim Beta-Zerfall wird ein Elektron aus dem Atom
regelrecht herausgeschossen. Die Energien der Elektronen sind allerdings so hoch,
dass es sich nicht um Hüllenelektronen handeln kann. [Heute weiß man, dass sich
beim Beta-Zerfall im Atomkern ein Neutron in ein Proton und ein Elektron umwandelt
und das Elektron aus dem Atom regelrecht herausgeschossen wird.]
Eigentlich müsste beim Zerfall einer bestimmten Sorte von Atomkernen immer exakt
dieselbe Energiemenge frei werden. Lise Meitner und Kollegen fanden jedoch
experimentell, dass die emittierten Elektronen beim Beta-Zerfall alle möglichen
Energien besaßen und dies schien dem Energieerhaltungssatz zu widersprechen, so
u.a. auch die Aussage von Niels Bohr.
In dieser Zeit beschäftigten sich viele heute bekannte Namen mit der Radioaktivität
und der Quantenphysik, die führenden Physiker trafen sich auf Einladung des
belgischen Chemikers und Industriellen Ernest Solvay bei den Solvay-Konferenzen.
Die Teilnehmer an der sechsten Solvay-Konferenz 1930 sind auf dem Bild zu sehen.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Solvay_conference_1930.jpg
Stehend von links: E. Herzen, E. Henriot, J. Verschaffelt, C. Manneback, A. Cotton, J. Errera, O. Stern, A. Piccard, W. Gerlach,
C. Darwin, P.A.M. Dirac, E. Bauer, P. Kapitsa, L. Brillouin, H. A. Kramers, P. Debye, W. Pauli, J. Dorfman, J. H. Van Vleck, E.
Fermi, W. Heisenberg
Sitzend von links: Th. De Donder, P. Zeeman, P. Weiss, A. Sommerfeld, M. Curie, P. Langevin, A. Einstein, O. Richardson,
B. Cabrera, N. Bohr, W. J. De Haas
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
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J. Hirsch
Wolfgang Pauli suchte nach einer Lösung, die den Beta-Zerfall und das Entstehen
eines Elektrons erklären konnte, ohne dabei den Energieerhaltungssatz zu verletzen.
Seine Lösung, die er als verzweifelten Ausweg bezeichnete, erläuterte er in einem
offenen Brief an die Gruppe der Radioaktiven bei der Gauvereins-Tagung in
Tübingen (Pauli wollte wohl aber vor allem Meitner und Geiger ansprechen):
Liebe Radioaktive Damen und Herren,
wie der Überbringer dieser Zeilen, den ich huldvollst anzuhören bitte, Ihnen
des näheren auseinandersetzen wird, bin ich angesichts der "falschen"
Statistik der N- und Li-6 Kerne, sowie des kontinuierlichen beta-Spektrums
auf einen verzweifelten Ausweg verfallen, um den "Wechselsatz" der Statistik
und den Energiesatz zu retten. Nämlich die Möglichkeit, es könnten elektrisch
neutrale Teilchen, die ich Neutronen nennen will, in den Kernen existieren,
welche den Spin 1/2 haben und das Ausschließungsprinzip befolgen und sich
von den Lichtquanten ausserdem noch dadurch unterscheiden, dass sie nicht
mit Lichtgeschwindigkeit laufen. Die Masse der Neutronen müsste von
derselben Grössenordnung wie die Elektronenmasse sein und jedenfalls nicht
grösser als 0,01 Protonenmasse. Das kontinuierliche beta-Spektrum wäre
dann verständlich unter der Annahme, dass beim beta-Zerfall mit dem
Elektron jeweils noch ein Neutron emittiert wird, derart, dass die Summe der
Energien von Neutron und Elektron konstant ist.
Nun handelt es sich weiter darum, welche Kräfte auf die Neutronen wirken.
Das wahrscheinlichste Modell für das Neutron scheint mir aus
wellenmechanischen Gründen (näheres weiss der Überbringer dieser Zeilen)
dieses zu sein, dass das ruhende Neutron ein magnetischer Dipol von einem
gewissen Moment µ ist. Die Experimente verlangen wohl, dass die
ionisierende Wirkung eines solchen Neutrons nicht grösser sein kann, als die
eines gamma-Strahl und darf dann µ wohl nicht grösser sein als e.10-13 cm.
Ich traue mich vorläufig aber nicht, etwas über diese Idee zu publizieren, und
wende mich erst vertrauensvoll an Euch, liebe Radioaktive, mit der Frage, wie
es um den experimentellen Nachweis eines solchen Neutrons stände, wenn
dieses ein ebensolches oder etwa 10mal größeres Durchdringungsvermögen
besitzen würde wie ein gamma-Strahl.
Ich gebe zu, dass mein Ausweg vielleicht von vornherein wenig
wahrscheinlich erscheinen wird, weil man die Neutronen, wenn sie existieren,
wohl schon längst gesehen hätte. Aber nur wer wagt, gewinnt und der Ernst
der Situation beim kontinuierlichen beta-Spektrum wird durch einen
Ausspruch meines verehrten Vorgängers im Amte, Herrn Debye, beleuchtet,
der mir kürzlich in Brüssel gesagt hat: "O, daran soll man am besten gar nicht
denken, sowie an die neuen Steuern." Darum soll man jeden Weg zur
Rettung ernstlich diskutieren. – Also, liebe Radioaktive, prüfet, und richtet. –
Leider kann ich nicht persönlich in Tübingen erscheinen, da ich infolge eines
in der Nacht vom 6. zum 7. Dez. in Zürich stattfindenden Balles hier
unabkömmlich bin. – Mit vielen Grüßen an Euch, sowie an Herrn Back, Euer
untertänigster Diener
gez. W. Pauli
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
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J. Hirsch
Originalbrief von W. Pauli: http://www.symmetrymagazine.org/pdfs/200703/logbook_letter.pdf
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
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Skript zum Thema
Quanten– und Atomphysik
J. Hirsch
Die von Pauli vorgeschlagenen und zunächst als Neutronen bezeichneten Teilchen,
kollidierten vom Namen her mit dem 2 Jahre später gefundenen Nukleon, dem
Neutron. Enrico Fermi bezeichnete 1934 dieses "Gespensterteilchen" von Pauli dann
als Neutrino, um die Verwirrung zu beenden.
Das Neutrino wurde erst 1956 in einer Anlage namens Poltergeist entdeckt. Diese
Anlage bestand aus einem mit Cadmiumchlorid gefülltem Tank und stand in der
Nähe eines Kernreaktors. Die Neutrinos konnten auch nicht direkt nachgewiesen
werden, sondern nur die Gammateilchen, welche durch Wechselwirkung der
Neutrinos mit einem Atom im Tank entstanden.
In den 1930er– bis 1950er–Jahren wurden durch bessere und empfindlichere
Apparaturen immer mehr Teilchen gefunden, die zum Teil auch schon vorhergesagt
wurden. Die subatomare Teilchenfamilie wuchs stetig an, auch aufgrund der
Tatsache, dass es zu jedem Teilchen auch ein Antiteilchen gibt. Zu dieser Zeit
sprach man scherzhaft von einem Teilchenzoo.
Als in den 1960er–Jahren noch die Quarks entdeckt wurden, aus denen sich u.a.
Protonen und Neutronen zusammensetzen, war es an der Zeit, Ordnung in diesen
Zoo zu bringen.
Das Ergebnis bezeichnet man heute als Standardmodell der Elementarteilchen und
Fundamentalkräfte:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Standard_Model_of_Elementary_Particles-de.svg
Autor
Polluks / MissMJ auf Wikimedia Commons
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
13
Skript zum Thema
Quanten– und Atomphysik
J. Hirsch
Erläuterungen zum Standardmodell:
Die stoffliche Welt ist aus Fermionen aufgebaut. Zu ihnen gehören die sechs
verschiedenen Quarks sowie die sechs Leptonen. Alle Fermionen besitzen einen
halbzahligen Spin (quantenmechanischer Eigendrehimpuls, 1/2, 3/2).
Die Mitglieder dieser beiden Familien unterscheiden sich in jeder Zeile jeweils in ihrer
Masse und wurden deshalb verschiedenen Generationen zugeteilt. Teilchen der
Generation III sind schwerer als Teilchen der Generation II und diese wiederum
schwerer als Teilchen der Generation I.
Die Quarks der ersten Zeile unterscheiden sich von den Quarks der zweiten Zeile
zudem noch bzgl. ihrer Ladung. Das u–, c– und t–Quark haben die Ladung 2 , die
3
1
übrigen drei Quarks (d, s, b) haben die Ladung −
.
3
Aus Quarks setzen sich verschiedene Teilchen zusammen, die Hadronen. Alle Teilchen, die aus drei Quarks bestehen, nennt man Baryonen (griech.: die Schweren)
und haben nur ganzzahlige Vielfache von e als Ladung ( q = −2e, − e, 0, + e, + 2e ).
Dazu gehören u.a. das Proton und das Neutron (s. Abbildung).
Neutron (udd)
Proton (uud)
Insgesamt gibt es etwa 120 Baryonen, von denen die meisten allerdings eine
Halbwertszeit von Bruchteilen einer Sekunde haben. Das Delta-Teilchen ∆ + hat z.B.
dieselben Quarks wie das Proton (uud), allerdings eine etwas höhere Energie und
damit höhere Masse und zerfällt mit einer Halbwertszeit (Lebensdauer) von ≈ 10 −23 s .
Baryon
Quarks
Ladung q
E (GeV)
Lebensdauer (s)
p
uud
+e
0,9383
∞
n
udd
0
0,9396
886
∆ ++
uuu
+2e
1, 232
5,58 ⋅10 −24
∆+
uud
+e
1, 232
5,58 ⋅10 −24
∆−
ddd
−e
1, 232
5,58 ⋅10 −24
Σ+
uus
+e
1,383
3, 9 ⋅10−23
Sechs Beispiele für Baryonen
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
14
Skript zum Thema
Quanten– und Atomphysik
J. Hirsch
Aus Quarks lassen sich auch noch die Mesonen (griech.: die Mittleren) bilden. Die
Mesonen bestehen allerdings nur aus zwei Quarks: einem Quark und einem
Antiquark. Insgesamt sind etwas mehr als 100 Mesonen bekannt.
Meson
Symbol
Quarks
Ladung q
E (MeV)
Lebensdauer (s)
Pion
π+
ud
+e
139, 6
2, 6 ⋅10 −8
Pion
π−
ud
−e
139, 6
2, 6 ⋅10 −8
Pion
π0
uu − d d
0
135, 0
8, 4 ⋅10−17
Kaon
K+
us
+e
493, 7
1, 2 ⋅10−8
Kaon
K−
su
−e
493, 7
1, 2 ⋅10−8
Fünf Beispiele für Mesonen
Da sich die u– und d–Quarks nicht sehr in ihrer Masse unterscheiden und die Masse
des s–Quarks ebenfalls in der Nähe liegt, gibt es sogenannte
Überlagerungszustände mehrere Quark–Antiquark–Paare wie z.B. bei π 0 –Meson
(Mischung aus zwei Zuständen).
Der bekannteste Vertreter der Leptonen ist das Elektron. Auch bei den Leptonen
gibt es drei Generationen mit steigender Masse: Elektronen, Myonen und Tauonen.
Alle Leptonen haben die Ladung −e . Zu jedem Lepton gehört ein ungeladenes
Neutrino, das Elektron–Neutrino, das Myon–Neutrino und das Tau–Neutrino. Die
Neutrinos zeigen fast keine Wechselwirkung mit Materie, so dass sie z.B.
ungehindert durch die Erde hindurchgehen. Pro Sekunde und pro cm2 werden wir
übrigens von Milliarden von Neutrinos aus der Sonne "durchbohrt".
Kommen wir zur rechten Spalte im Bild des Standardmodells, den Bosonen. Zu
ihnen gehören die Mesonen (Quark & Antiquark, s.o.) sowie die sogenannten
Eichbosonen. Alle Bosonen haben einen ganzzahligen Spin.
Die Eichbosonen sind in der Quantenfeldtheorie die Vermittlerteilchen der vier
Grundkräfte: der elektromagnetischen Wechselwirkung (WW), der schwachen WW,
der starken WW und der Gravitation. Nach der Quantenfeldtheorie kommt jede Kraft
zwischen zwei Teilchen nur zustande, weil diese Teilchen Bosonen austauschen:
•
Die elektromagnetische Wechselwirkung hat als Vermittlerteilchen das Photon.
•
Bei der schwachen Wechselwirkung werden W– und Z–Bosonen ausgetauscht.
•
Für die starke Wechselwirkung sind Gluonen verantwortlich.
•
Für die Gravitation sagt die Quantenelektrodynamik (QED) das Graviton als
Vermittlerteilchen voraus.
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
15
Skript zum Thema
Quanten– und Atomphysik
J. Hirsch
Das Graviton wird von der QED zwar postuliert, ist aber bisher noch nicht
nachgewiesen worden. Zum einen müsste es masselos sein, da die Gravitationskraft
unendlich weit reicht, und sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Zum anderen
müsste es theoretisch den Spin 2 besitzen, da Bosonen mit geradzahligem Spin bei
gleicher Ladung anziehend und Bosonen ungeradzahligem Spin bei gleicher Ladung
abstoßend wirken.
Bleibt die Frage, wie ein Teilchen überhaupt zu seiner Masse kommt bzw. wer die
Masse eines Teilchens bestimmt. Als theoretische Lösung wartet die QED mit dem
Higgs-Teilchen auf. Dieses wurde 1964 von Peter Higgs vorgeschlagen und hätte die
Ladung q = 0 sowie den Spin 0. Es wäre also ein Boson (Higgs-Boson). Der Theorie
nach interagiert das Higgs-Boson zwischen einem Teilchen und dem theoretischen
Higgs-Feld und verleiht so einem bestimmten Teilchen eine bestimmte Masse. Die
Masse ist demnach keine grundlegende Eigenschaft eines Elementarteilchens.
Gegenwärtig wird am LHC (Large Hadron Collider) in Genf nach eben diesem HiggsTeilchen gesucht...
Abschließend noch die Bemerkung, dass man die Elementarteilchen des
Teilchenzoos auch nach der Tatsache ordnen kann, ob sie von der starken WW
beeinflusst sind oder nicht. Dies ergibt noch einen anderen Blickwinkel auf die
Familien der Elementarteilchen:
Teilchenzoo
starke WW: JA
starke WW: NEIN
Hadronen
sonstige
Baryonen
Mesonen
Leptonen
Bosonen
Proton
Pionen
Elektron
Photon
Neutron
Kaonen
Myon
W–Boson
Tauon
Z–Boson
Neutrinos
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
16
Skript zum Thema
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J. Hirsch
III Licht als Quant – Der Fotoeffekt
Betrachtet man die Phänomene der Lichtausbreitung (z.B. Beugung, Interferenz,
Polarisation), so kann man diese mit Hilfe des Wellenmodells erklären: Licht ist eine
elektromagnetische Transversalwelle.
Betrachtet man die Wechselwirkung von Licht mit Materie, so erkennt man, dass
dieses Wellenmodell gänzlich ungeeignet ist, um die Phänomene zu beschreiben.
Geeignet ist in diesem Fall die Auffassung von Licht als Lichtteilchen (Photonen), die
eine bestimmte Energieportion mitführen. Man spricht auch von sog. Lichtquanten.
Die Erkenntnis, dass Licht aus Lichtteilchen bzw. Quanten besteht, resultierte aus
verschiedenen Versuchen und Phänomenen, von denen im Folgenden einige
dargestellt werden.
III.1 Belichtung von Fotopapier
Trifft Licht auf ein Schwarz-Weiß-Fotopapier, so wird dieses im Normalfall an den
Stellen geschwärzt, an denen das Licht auf das Papier getroffen ist. Aber warum
ändert sich die Schwärzung nicht nachträglich noch, wenn das Fotopapier im Labor
unter Rotlicht entwickelt wird?
Zur Schwärzung des Fotopapiers ist eine bestimmte Energie nötig. Da im
Wellenmodell die Amplitude der elektrischen Feldstärke E ein Maß für die
transportierte Energie ist und sich die Intensität des Lichts mit steigender Amplitude
erhöht, müsste das Fotopapier auch unter Rotlicht geschwärzt werden, wenn dessen
Intensität genügend groß ist. Dies ist jedoch nicht der Fall. Es zeigt sich allerdings,
dass blaues Licht das Fotopapier schwärzet, selbst mit kleiner Intensität. Somit hängt
die Schwärzung nur von der Wellenlänge bzw. Frequenz des Lichts ab und nicht von
dessen Amplitude.
Das bedeutet im Teilchenmodell wiederum, dass zum einen die Photonen des
blauen Lichts energiereicher sein müssen als die Photonen des roten Lichts und zum
anderen, dass die Steigerung der Intensität – entgegen der Theorie der klassischen
Physik – nur die Menge der pro Zeiteinheit auftreffenden Photonen anwachsen lässt.
III.2 Der Fotoeffekt
Der fotoelektrische Effekt wurde 1886 von Heinrich Hertz entdeckt und zunächst von
dessen Assistent Wilhelm Hallwachs etwas näher untersucht. Er hat dabei eine
negativ geladene Zinkplatte mit einem Elektroskop verbunden, so dass dieses
ausschlug, und anschließend dem Licht einer UV-Lampe ausgesetzt. Resultat war
eine langsame Entladung der Zinkplatte. Das Phänomen ist allerdings nicht zu
erreichen, wenn zur Bestrahlung sichtbares Licht benutzt wird, auch wenn die
Lichtquelle der Zinkplatte angenähert wird. Somit ist wie bei der Fotoplatte nicht die
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17
Skript zum Thema
Quanten– und Atomphysik
J. Hirsch
Intensität ausschlaggebend, sondern
die Frequenz bzw. Wellenlänge des
Lichts.
Philipp Lenard führte im Jahr 1900
eine systematische Untersuchung
dieses Effekts durch und konnte
nachweisen, dass die abgelösten
Ladungsträger Elektronen sind.
Der Versuchsaufbau von Lenard
bestand
aus
einer
luftleeren
Photozelle, in welcher ein Ring und
eine Cäsiummetallschicht angebracht http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fotoelektrischer_Effekt.svg
Autor
Afrank99 auf Wikimedia Commons
waren. Fällt blaues Licht auf das
Cäsiummetall, so entsteht zwischen dem Cäsiummetall und dem Ring eine
Spannung, die ihren Maximalwert bei ca. U max = 0,8V hat.
Erklärung:
Die aus dem Cäsium gelösten Elektronen
wandern auf den Ring, so dass zwischen
dem Ring und dem Cäsium eine Spannung
entsteht. Irgendwann reicht dann ihre
kinetische Energie nicht mehr aus, um vom
Cäsium gegen das entstehende elektrische
Feld anzulaufen, so dass sich die
Spannung nicht weiter erhöht. Die
Photoelektronen haben also maximal die
Energie Emax = e ⋅ U max .
Verkleinert man die Blende, so wird das
Lampenbild auf der Cäsiumschicht dunkler.
Damit wird die Maximalspannung zwar langsamer erreicht, bleibt jedoch beim selben
Sättigungswert U max = 0,8V . Das bedeutet wiederum, dass die Lichtintensität nicht die
Energie der ausgelösten Elektronen beeinflusst, sondern nur die Menge der pro Zeit
ausgelösten Elektronen, was einen Widerspruch zur klassischen Physik darstellt.
Erhöht man jedoch die Frequenz des benutzten Lichts, so steigt
Maximalspannung und auch die Maximalenergie der ausgelösten Elektronen.
die
Trägt man für verschiedenen Metalle die Maximalenergie Emax über der Frequenz f
des Lichts auf, erhält man folgendes Ergebnis:
•
Die Maximalenergie Emax der ausgelösten Elektronen steigt proportional mit
der Frequenz f des benutzten Lichts. Zudem muss das Licht eine bestimmte
Mindest– bzw. Grenzfrequenz f G besitzen, damit Elektronen aus dem Metall
gelöst werden.
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
18
Skript zum Thema
Quanten– und Atomphysik
J. Hirsch
•
Die Geraden sind parallel zueinander und haben damit unabhängig vom
Metall dieselbe Steigung. Für die Steigung wurde die Konstante h eingeführt.
Sie heißt auch Planck-Konstante oder Plancksches Wirkungsquantum uns ist
eine Naturkonstante.
•
Die negativen Achsenabschnitte hängen nicht vom benutzten Licht ab,
sondern ausschließlich vom Metall. Sie geben die Ablöseenergie E A an, die
benötigt wird, um das Elektron aus dem Metallgitter zu "befreien".
In der Gleichung der Geraden
Emax = h ⋅ f − E A = EPhoton − E A
steht der Term h ⋅ f für die vom Photon auf das Elektron übertragene Energie E ,
d.h. also auch für die Energie, die ein Photon der Frequenz f besitzt.
Die Grenzfrequenz, ab der Elektronen aus dem Metall gelöst werden beträgt
fG =
EA
.
h
Die Plancksche Konstante hat den Wert h = 6, 626 ⋅10−34 J ⋅ s .
Zusammenfassung:
•
Die Energie von EM-Strahlung ist quantisiert.
•
Die Energiequanten (Photonen) haben die Energie E = h ⋅ f .
•
Die Lichtintensität bestimmt nicht die Energie der Photonen, sondern nur die
Anzahl der Photonen.
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19
Skript zum Thema
Quanten– und Atomphysik
J. Hirsch
III.3 Absorption und Emission von Licht
Nach dem Bohr'schen Atommodell befinden sich um den Atomkern herum die
Elektronen in diskreten Schalen bzw. auf bestimmten Bahnen. In der Abbildung ist
ein neutrales Aluminiumatom im Grundzustand dargestellt, welches im Kern 13
Protonen und 14 Neutronen sowie 13 Elektronen in
der Hülle besitzt. Dabei sind die Elektronen von
"innen heraus" auf die Schalen verteilt, wobei auf die
n–te Schale 2 ⋅ n 2 Elektronen passen bis sie voll ist.
Jede Schale steht für ein bestimmtes Energieniveau,
d.h. ein Elektron auf der 3. Schale hat eine höhere
Energie als ein Elektron auf der 2. Schale und dieses
wiederum eine höhere Energie als ein Elektron auf
der ersten Schale.
Aber ein Elektron kann von einer Schale des
Energieniveaus E1 auf eine höhere Schale mit
Energieniveau E2 wechseln, wenn ihm genau die Energie E = E2 − E1 zugeführt wird.
Trifft ein Photon auf eines der Elektronen, so
wechselwirken diese miteinander und das
Photon gibt seine ganze Energie E = h ⋅ f dem
Elektron, wenn die Energie des Photons genau
einer Energiedifferenz zu einer höheren Schale
entspricht.
Damit kann das Elektron durch die Absorption
eines Photons mit passendem Energiebetrag auf
die entsprechende höhere Bahn gehoben
werden. Man sagt, das Atom befindet sich jetzt
in einem angeregten Zustand.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Eccitazione
_atomica_per_assorbimento_di_un_fotone.svg
Autor
ARTE auf Wikimedia Commons
In den Naturwissenschaften ist ein System in einem angeregten Zustand, wenn die
Energie im System größer ist als die Energie
des Grundzustands (Zustands möglichst
niedriger Energie).
Kein Atom (oder auch Molekül) bleibt
normalerweise lange in einem angeregten
Zustand, sondern fällt innerhalb kürzester Zeit in
den energetisch tieferen Grundzustand zurück.
Dabei wird Energie frei, die als Photon mit
genau diesem Energiebetrag abgegeben wird.
Man spricht von der Emission eines Photons.
http://commons.wikimedia.org/wiki/
File:Bohr_model_Balmer_32.png
Autor
WillowW auf Wikimedia Commons
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20
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In jedem Atom oder Molekül sind die Energiedifferenzen zweier entsprechender
Bahnen unterschiedlich groß, d.h. fällt ein Elektron bei zwei verschiedenen Atomen
von der 4. Schale wieder in auf die erste Schale, so werden jeweils Photonen
unterschiedlicher Energie und somit Licht unterschiedlicher Frequenz bzw. Farbe
emittiert.
III.4 Spektroskopie
Fällt weißes Licht auf ein Prisma, so lässt sich auf einem Schirm das gesamte
sichtbare Spektrum darstellen. Dies liegt daran, dass der Brechungsindex eines
transparenten Materials von der Wellenlänge des Lichts abhängt und somit Licht
unterschiedlicher Wellenlänge bzw. Frequenz an den beiden Übergängen zwei mal
unterschiedlich stark gebrochen wird.
Allgemein ist der Brechungsindex für kleine Wellenlängen (blaues Licht) größer als
für große Wellenlängen (rotes Licht). Mit der Beziehung
sin α c1 λ 1 n2
= =
= ,
sin β c2 λ 2 n1
wobei n1 , n2 die sogenannten Brechzahlen der beiden Medien sind, folgt, dass blaues
Licht stärker gebrochen wird als rotes Licht. Man nennt diesen Effekt auch
chromatische Dispersion.
Trifft also weißes Licht, welches
von blau bis rot alle Farben enthält,
auf ein Prisma, wird das blaue
Anteil des Lichts stärker aus seiner
ursprünglichen Richtung abgelenkt
als der gelbe Anteil und dieser
wiederum stärker als der rote
Anteil. So ergibt sich die Aufspaltung in das sichtbare Spektrum.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Dispersion_prism.jpg
Autor
Florenco auf Wikimedia Commons
III.4.1 Emissionslinienspektrum
Ein (heißes) Gas von geringer Dichte (z.B. Quecksilber, Neon) sendet nur Licht
bestimmter Wellenlängen aus, da bei diesem nur Übergänge ganz bestimmter
Energiezustände möglich sind. Fällt dieses Licht durch ein Prisma, so ergeben sich
nur ganz bestimmte Farblinien, die sogenannten Emissionslinien. Diese sind wie ein
Fingerabdruck des entsprechenden Gases.
So emittiert z.B. eine Natriumdampflampe – eine Gasentladungslampe von
Natriumdampf – praktisch monochromatischem Licht, da die Natriumatome beim
Übergang in den Grundzustand im Prinzip nur Licht der Wellenlängen 588,995 nm
und 589,5924 nm abgibt (Natrium-D-Linien, Natrium-Doppellinie).
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http://commons.wikimedia.org/wiki/File:LPS_Lamp_35W_running.jpg
Autor
Proton02 auf Wikimedia Commons
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Na-D-sodium_D-lines-589nm.jpg
Autor
Tfaub auf Wikimedia Commons
Für jedes Element gibt es ein charakteristisches Emissionslinienspektrum, so dass
sich die Elemente anhand dieses Spektrums identifizieren lassen. Im Folgenden sind
exemplarische die Emissionslinienspektren von H, He und Fe dargestellt.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Emission_spectrum-H.png
Autor
Mericanto auf Wikimedia Commons
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Visible_spectrum_of_helium.jpg
Autor
Jan Homann auf Wikimedia Commons
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Emission_spectrum-Fe.svg
Autor
User:nilda auf Wikimedia Commons
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III.4.2 Exkurs: Wasserstoff & Termschema
Die zeichnerische Darstellung aller möglichen Energieniveaus (Terme) eines Atoms,
Ions oder Moleküls nennt man Termschema bzw. Energieniveauschema.
In der folgenden Abbildung ist das Termschema von Wasserstoff dargestellt. Man
erkennt, dass alle Übergänge von einem höheren Zustand n auf einen bestimmten
niedrigeren Zustand m zu einer Serie zusammengefasst sind, die nach ihren
jeweiligen Entdeckern benannt wurden. Zudem sind an der rechten Achse die
Energieniveaus der einzelnen Schalen angegeben.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wasserstoff-Termschema.svg
Autor
w:de:user:Kiko2000 auf Wikimedia Commons
Geht zum Beispiel ein Elektron von der dritten Schale (n = 3) auf die zweite Schale
(m = 2) über, so wird ein Photon mit folgender Energie emittiert:
E = h ⋅ f = 12, 09eV − 10, 20eV = 1,89eV
Dies entspricht einer Wellenlänge von
λ=
c
c
h⋅c
=
=
=
f 1,89eV 1,89eV
h
6, 626 ⋅10 −34 J ⋅ s ⋅ 299792458
1,89 ⋅1, 602 ⋅10 −19 J
m
s = 656nm .
Betrachtet man die Wellenlängen der emittierten Photonen bei den einzelnen Serien,
so sieht man, dass nur die Balmer-Serie im sichtbaren Bereich des
elektromagnetischen Spektrums liegt.
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http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hydrogen_transitions.svg
Autor
OrangeDog auf Wikimedia Commons
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hydrogen_spectrum.svg
Autor
OrangeDog auf Wikimedia Commons
III.4.3 Absorptionslinienspektrum
Von der Sonne kommt kontinuierliches weißes Licht zu uns, welches alle
Spektralfarben enthält. Betrachtet man das Spektrum der Sonne jedoch genauer, so
entdeckt man an vielen Stellen des Spektrums schwarze Linien.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fraunhofer_lines_DE.svg
Autor
Cepheiden auf Wikimedia Commons
"Dehnt" man das Spektrum, so werden aus manchen (breiten) schwarzen
Einzellinien nunmehr (dünnere) Doppel– oder Mehrfachlinien.
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
24
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J. Hirsch
High resolution solar spectrum.
N.A.Sharp, NOAO/NSO/Kitt Peak FTS/AURA/NSF. Copyright WIYN Consortium, Inc., all rights reserved.
Diese schwarzen Linien im Sonnenspektrum wurden eigentlich zuerst von William
Wollaston 1802 entdeckt (7 Linien). Da etwa zur gleichen Zeit Joseph Fraunhofer
über 560 Linien im Sonnenspektrum gefunden hat, wurden diese Linien nach ihm
benannt und heißen fraunhofersche Linien.
Das kontinuierliche Spektrum der Sonne stammt nur aus einer relativ dünnen Schicht
der Sonne, der Photosphäre. Da die Photonen auf dem Weg zu uns noch durch
(Gas–)Bereiche mit verschiedenen Elementen (häufigstes Element ist Wasserstoff)
gehen, kommt es häufig zu Wechselwirkungen mit den vorhandenen Atomen. So
absorbieren diese Wasserstoffatome Photonen in scharf eingegrenzten Energiebereichen, die im obigen Termschema zu finden sind.
Vom Atom wird beim Übergang in den Grundzustand zwar wieder ein Photon
derselben Energie und damit derselben Frequenz abgegeben, da dies aber meist
nicht in derselben Richtung erfolgt, fehlen diese Photonen aus unserer Sicht im
Sonnenspektrum und es ergeben sich schwarze Linien. Diese fraunhofersche Linien
liegen an denselben Stellen, an denen das Emissionsspektrum farbige Linien hat.
Im Labor kann man die Lage der Emissionslinien verschiedener chemischer
Elemente und verschiedener Moleküle erforschen und dann mit bekannter Lage die
Fraunhoferlinien im Sonnenspektrum chemischen Elementen oder Molekülen
zuordnen. So erforscht man mithilfe der Spektroskopie die Zusammensetzung (der
Photosphäre) der Sonne bzw. eines Stern im Allgemeinen.
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IV Atomkern
Jeder Stoff besteht aus Atomen. Wie sich die Vorstellung der Atome im Lauf der Zeit
verändert und verbessert hat, ist in Kapitel I dargestellt.
Atome bestehen nach heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis aus einem Kern aus
Protonen und Neutronen sowie einer Hülle, in welcher sich die Elektronen aufhalten.
Für chemische Reaktionen und Verbindungen von Atomen ist die Atomhülle und
deren Eigenschaften von Bedeutung, für die in diesem Kapitel dargestellten Themen
und Phänomene spielt der Aufbau des Atomkerns allerdings die entscheidende
Rolle.
IV.1 Bausteine, Ordnungszahl und Massezahl
Ein Atomkern besteht aus Z positiv geladenen Protonen der
Ladung q = +e und N neutralen Neutronen, die in etwa die
gleiche Masse besitzen. Diese Teilchen nennt man
Nukleonen (lat. nucleus = Kern) und sind jeweils ca. 1836
mal schwerer sind als Elektronen.
mProton = 1, 6726 ⋅10-27 kg
mNeutron = 1, 6749 ⋅10-27 kg
mElektron = 9,1094 ⋅10-31 kg
Die Protonenzahl Z heißt Kernladungszahl oder Ordnungszahl, nach welcher die
Elemente im Periodensystem geordnet sind. Sie bestimmt die Art des Elements.
Die Massezahl A gibt die Anzahl der Nukleonen an und ist die Summe aus
Ordnungszahl Z und Neutronenzahl N:
A=Z +N
Beispiele:
23
11
Na →
209
84
Po →
Z = 11, A = 23
→
11 Protonen, 12 Neutronen
Z = 84, A = 209
→
84 Protonen, 125 Neutronen
IV.2 Isotope
Von einem Element gibt es meistens mehrere Isotope (auch Nuklide genannt). Alle
Isotope eines Elements haben dieselbe Anzahl von Protonen im Kern, aber
verschieden viele Neutronen. Die Isotope eines Elements haben somit unterschiedliche Massezahlen, stehen aber eigentlich an derselben Stelle im Periodensystem der Elemente (PSE). Die Massezahl eines Elements im PSE ist immer der
Durchschnitt aller vorkommenden Isotope und ist deshalb keine ganze Zahl.
Fast jedes natürlich vorkommende Element besitzt ein paar wenige stabile Isotope,
die meisten Isotope sind allerdings instabil (radioaktiv) und zerfallen nach einer
bestimmten Zeit.
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26
Skript zum Thema
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IV.3 Radioaktiver Zerfall
Radioaktive Stoffe sind dadurch charakterisiert, dass sie Strahlung aussenden, die
aus dem Atomkern stammt. Diese energiereiche Strahlung hat u.a. die Eigenschaft,
Moleküle oder Atome zu ionisieren, welche beim Nachweis der Radioaktivität eine
große Rolle spielt. Man unterscheidet zwischen α − , β − und γ − Strahlung.
Bei jedem radioaktiven Zerfall verändert sich der Atomkern und es entsteht ein neues
radioaktives Isotop oder ein stabiles Element. Es gibt drei Zerfallsarten, welche
dieser drei bei einem radioaktiven Isotop auftritt, kann man aus einer Nuklidkarte
ablesen.
Die drei Zerfallsarten sind im Folgenden stichpunktartig dargestellt.
α –Zerfall
IV.3.1
α –Teilchen sind positiv geladen
• α –Teilchen stammen aus einem Atomkern
• Begründung: Das Aussenden von α -Strahlung lässt sich nicht durch chemische
•
Reaktionen beeinflussen. Da chemische Reaktionen nur die Atomhülle betreffen,
können α -Teilchen nur aus dem Kern stammen.
α –Teilchen sind „nackte“ Heliumkerne
• Begründung: In der Umgebung von α –Strahlern lässt sich nach einiger Zeit
Heliumgas nachweisen. Ein α –Teilchen fängt sich demnach zwei Elektronen
•
aus der Umgebung und bildet ein Heliumatom.
•
Da ein α –Teilchen zwei Protonen „mitnimmt“, wird das Restatom erst dann
neutral, wenn es zwei Elektronen abgegeben hat.
•
α –Teilchen gleicher Energie ionisieren auf gleicher Wegstrecke im selben
Medium gleich viele Moleküle. Je größer die Energie eines α –Teilchens ist,
desto länger ist seine Reichweite.
•
Ein α –Teilchen ionisiert auf seinem bis zu 7 cm langen weg durch Luft
Hunderttausende von Molekülen. Dazu wird mehr Energie benötigt, als in der
Elektronenhülle zur Verfügung steht. Dies ist also ein weiteres Indiz dafür, dass
α –Teilchen aus dem Kern stammen.
•
α –Teilchen lassen sich durch Papier abschirmen.
•
Zerfallsgleichung:
226
88
Ra

→
222
86
Rn + 24 He + Energie
226
88
Ra
α

→
222
86
Rn
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Skript zum Thema
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β − –Zerfall
IV.3.2
•
β –Teilchen sind negativ geladen
•
β –Teilchen sind schnell fliegende Elektronen
•
β –Teilchen stammen wie α–Teilchen aus dem Atomkern, obwohl dort keine
Elektronen vorkommen.
Begründung:
β –Teilchen können eine vergleichbare Energie besitzen wie α –Teilchen. Diese
kann nicht aus der Elektronenhülle stammen.
•
β –Teilchen und α–Teilchen gleicher Energie kommen in Luft unterschiedlich
weit, da β –Teilchen pro Wegstrecke weniger Moleküle ionisieren als α –
Teilchen.
(Reichweite von
β –Teilchen z. B 11 m, α –Teilchen gleicher Energie 2 cm)
•
β –Teilchen können Aluminium von 4–5 mm Dicke nicht durchdringen
•
Kernumwandlung/
β –Zerfall:
Im Atomkern wandelt sich ein Neutron in ein Proton und ein Elektron um. Dabei
wird Energie frei und das Elektron verlässt schnell den Kern und das Atom. Nach
dem β –Zerfall besitzt der Atomkern ein Neutron weniger und ein Proton mehr,
d. h. die Nukleonenzahl bleibt gleich, die Kernladungszahl erhöht sich um 1.
1
0
•
n
1
1
p + −10 e + Energie
Zerfallsgleichung:
90
38
Sr

→
90
38
Sr
β

→ 90
39Y
Y + −10 e + Energie
90
39
−
β + –Zerfall
IV.3.3
•

→
β + –Teilchen haben dieselben Eigenschaften wie Elektronen, sind aber positiv
geladen, und heißen Positronen (Antiteilchen zum Elektron).
•
β + –Teilchen stammen aus dem Atomkern.
•
Kernumwandlung/
β + –Zerfall:
Im Atomkern wandelt sich ein Proton in ein Neutron und ein Positron um. Dabei
wird Energie frei und das Positron verlässt schnell den Kern und das Atom. Nach
dem β + –Zerfall besitzt der Atomkern ein Proton weniger und ein Neutron mehr,
d. h. die Nukleonenzahl bleibt gleich, die Kernladungszahl verringert sich um 1.
1
1
p

→
1
0
n + +10 e + Energie
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Skript zum Thema
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J. Hirsch
•
•
Zerfallsgleichung:
22
11
Na

→
22
11
Na
β

→
+
22
10
Ne + +10 e + Energie
22
20
Ne
Alle Positronenstrahler (Isotope mit
β + –Zerfall) existieren in der Natur nicht, sie
sind alle künstlich hergestellt.
•
Trifft das Positron auf sein Antiteilchen, das Elektron, so vernichten sie sich in
Form von zwei Gammaquanten (Anihilationsstrahlung). Bei diesem Vorgang wird
die Masse der beiden Teilchen in zwei Gamma–Quanten mit einer Energie von je
0,511MeV umgewandelt.
IV.3.4
γ –Stahlung
•
γ –Teilchen sind nicht geladen.
•
γ –Strahlung besteht aus Lichtquanten, die eine im Vergleich zum sichtbaren
Licht deutlich höhere Energie transportieren.
•
γ –Strahlung stammt ebenfalls aus dem Atomkern.
•
γ –Strahlung kann Moleküle und Atome ionisieren, allerdings weit weniger als α
– oder β –Strahlung.
•
Den besten Schutz vor
γ –Strahlung bieten dicke Bleiplatten. γ –Strahlung kann
nie ganz abgeschirmt werden. (Nach einer Wegstrecke von 50 m in Luft erfolgt
eine Abnahme von weniger als 1 % der ursprünglich vorhandenen γ –Teilchen.)
IV.3.5
Nachweis
Lebewesen haben kein Sinnesorgan zur Wahrnehmung von radioaktiver Strahlung.
Der Umgang mit der "unsichtbaren" Radioaktivität ist für uns Menschen deshalb auch
so unangenehm. Der Nachweis radioaktiver Strahlung gelingt nur mit Hilfsmitteln
bzw. Geräten, welche die ionisierende Eigenschaft der Strahlung ausnutzen.
IV.3.5.1
Fotoplatte
Antoine Henri Becquerel gilt als einer der
Entdecker der Radioaktivität. 1896 steckte er bei
Experimenten mit Uransalzen einige dieser
Brocken
auf
einer
Fotoplatte
in
eine
abgeschlossene,
dunkle
Schachtel
zur
Aufbewahrung. Einige Zeit später zeigte die Platte
jedoch Schwärzungen (Abb. rechts), die nicht vom
sichtbaren Licht stammen konnten und nur mit
einer neuen Art Strahlung zu erklären waren.
Becquerel nannte diese Strahlen "Uranstrahlen".
http://commons.wikimedia.org/
wiki/File:Becquerel_plate.jpg
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
29
Skript zum Thema
Quanten– und Atomphysik
J. Hirsch
IV.3.5.2
Ionisationskammer (Wilson'sche Nebelkammer)
Eine Nebelkammer nutzt das Phänomen, dass geladene Teilchen oder radioaktive
Strahlung auf ihrem Weg durch ein übersättigtes Luft-Alkohol-Gemisch Kondensstreifen erzeugen.
Fliegt ein geladenes Teilchen oder
radioaktive Strahlung durch dieses
übersättigte
Gasgemisch,
werden
einzelne Atome dieses Gasgemischs
ionisiert. Diese Ionen sind sogenannte
Kondensationskerne, an denen sich nun
Wassermoleküle
anlagern
können.
Dadurch bilden sich entlang der Bahn
des geladenen Teilchens Kondensstreifen (s. Abb. rechts).
Die Übersättigung des Luft-AlkoholGemischs kann auf verschiedene Arten
erzeugt werden. Die Nebelkammer von http://commons.wikimedia.org/wiki/File:DESYNebelkammer.jpg
Autor
Sploing auf Wikimedia Commons
Wilson erreicht dies durch eine schnelle
Expansion des Gases. Wird das Volumen des Gemischs abrupt vergrößert, so
sinken Druck und Temperatur, wodurch eine Übersättigung entsteht. Der Nachteil der
Wilsonschen Nebelkammer ist die kurze "Experimentierdauer", denn dieser Zustand
der Übersättigung hält nur ein bis zwei Sekunden an; dann ist das Luft-AlkoholGemisch wieder im "Normalzustand".
Legt man ein äußeres Magnetfeld an der Nebelkammer an, so dass die
Magnetfeldlinien senkrecht zur Bahn der geladenen Teilchen ausgerichtet sind,
werden die geladenen radioaktiven Teilchen abgelenkt und bewegen sich aufgrund
der Lorentzkraft auf einer Kreisbahn. Anhand des Radius dieser Bahn können
Rückschlüsse auf Ladung und Masse des geladenen Teilchens gezogen werden.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Deflection_of_nuclear_radiation_in_a_magnetic_field_de.png
Autor
Qniemiec auf Wikimedia Commons
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30
Skript zum Thema
Quanten– und Atomphysik
J. Hirsch
http://cdsweb.cern.ch/record/1379853/files/Higgs.jpg
Copyright 2011 CERN, for the benefit of the CMS Collaboration
IV.3.5.3
Geiger-Müller-Zählrohr
Das Geiger-Müller-Zählrohr besteht wie fast alle Zählrohre aus einem abgedichteten
Hohlzylinder aus Metall, der mit einem Edelgas (z.B. Argon oder Krypton) gefüllt ist,
so dass keine negativen Ionen gebildet werden.
Damit Alpha- und Betastrahlung nachgewiesen werden können, muss das Zählrohr
an einem Ende mit einem Fenster aus Glimmer oder einer PET-Folie versehen
werden. Hätte das Fenster eine zu große Masse oder wäre es zu dick, so würden
Alpha- und Betastrahlung nicht ins Innere gelangen.
Tritt ionisierende Strahlung durch das Fenster ins Innere ein, so ionisiert sie das
Edelgas, indem ein Hüllenelektron "herausgeschlagen" wird. Da zwischen Kathode
und Anode eine Spannung von ca. 500 V liegt, wandert das Elektron zur Anode und
das positiv geladene Ion zur Kathode (Metallzylinder). Das Elektron wird auf seinem
Weg zur Anode stark beschleunigt und löst beim Zusammenstoß mit weiteren
Edelgasatomen weitere Elektronen aus, die ebenfalls zur Anode beschleunigt
werden. Dieser Lawineneffekt schließt kurzzeitig den Stromkreis und der Stromfluss
wird durch einen Verstärker an einem Widerstand akustisch oder optisch erfasst
(Knacken oder LED leuchtet).
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Geiger.png
Autor
Theresa knott auf Wikimedia Commons
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
31
Skript zum Thema
Quanten– und Atomphysik
J. Hirsch
IV.3.5.4
Szintillationszähler
Ein Szintillationszähler setzt sich aus einem Szintillator (lat. scintillare: „flackern“) und
einem angeschlossenen Photomultiplier zusammen. Der Szintillator besteht oftmals
aus einem Natriumiodid-Kristall, welcher beim Auftreffen eines energiereichen
Photons oder ionisierender Strahlung angeregt wird und die Anregungsenergie in
Form schwacher Lichtblitze – meist im sichtbaren Bereich – wieder abgibt.
In der Photokathode des Photomultipliers werden durch diese schwachen Lichtblitze
aufgrund des Fotoeffekts Elektronen ausgelöst. Diese Elektronen wiederum werden
mehrmals von Dynode zu Dynode beschleunigt und lösen dort lawinenartig immer
mehr Elektronen aus. Der letztlich hohe Elektronenstrom kann mithilfe eines
Verstärkers gemessen und sichtbar gemacht werden.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Szintillationsz%C3%A4hler.png
Autor
Jkrieger auf Wikimedia Commons
IV.3.6
Halbwertszeit
Senden Atomkerne radioaktive Strahlung aus, so verändern sie sich, d.h. es entsteht
ein neues (radioaktives oder stabiles) Isotop. Eine gewisse Anzahl an Atomkernen
desselben radioaktiven Isotops wäre dann nach einer bestimmten Zeit komplett in ein
anderes Isotop übergegangen.
Dieser Zerfall erfolgt zufällig, d.h. man kann nie vorhersagen, welches Atom als
nächsten bzw. welches Atom zu welcher Zeit zerfällt. Da die Anzahl der noch
vorhandenen Atomkerne exponentiell abnimmt, kann einzig die Zeit vorhergesagt
werden, nach der z.B. die Hälfte der vorhandenen Kerne bzw. eine ganz bestimmte
Anzahl Kerne zerfallen sind.
Die Anzahl der noch nicht zerfallenen Atomkerne N (t ) ergibt sich aus
t
 1  T1 2
N (t ) = N 0 ⋅   ,
2
wobei T1 2 die Halbwertszeit des Isotops angibt, d.h. die Zeit, nach welcher die Hälfte
der ursprünglich vorhandenen Atomkerne zerfallen ist.
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
32
Skript zum Thema
Quanten– und Atomphysik
J. Hirsch
1
ln  
1
− ln 2
Mit ein wenig Mathematik = e  2  = e ( ) ergibt sich
2
N (t ) = N 0 ⋅ e
−
ln ( 2 )
T1/2
N (t ) = N 0 ⋅ e − λ ·t
IV.3.7
·t
bzw.
mit
λ=
ln ( 2 )
T1/2
( λ heißt Zerfallskonstante).
Zerfallsreihen
Oftmals zerfällt ein radioaktives Isotop nicht direkt in ein stabiles Isotop oder
Element, sondern durchläuft auf seinem Weg bis zum stabilen Endprodukt eine
ganze Reihe an instabilen Isotopen (Zerfallsreihe). Um die Zerfallsreihe eines
instabilen Isotops verfolgen zu können benötigt man die Information, welche Art
radioaktiver Strahlung es aussendet. Diese Information findet man in einer
sogenannten Nuklidkarte (Abbildung zeigt einen kleinen Ausschnitt).
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:NuclideMap_stitched.png
Autor
The viewer / Neokortex auf Wikimedia Commons
In einer Nuklidkarte gelten normalerweise folgende Kennzeichnungen:
→
stabiles Isotop
→
α − Zerfall
→
β + − Zerfall
→
β − − Zerfall
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
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Skript zum Thema
Quanten– und Atomphysik
J. Hirsch
Beim α − Zerfall wird ein Teilchen aus 2p und 2n abgegeben, d.h. die Ordnungszahl
sinkt um 2 und die Massezahl sinkt um 4. Das neu entstandene Isotop befindet sich
in der Nuklidkarte zwei Kästchen links und zwei Kästchen unterhalb des
ursprünglichen Isotops (siehe Abbildung unten). In dieser Abbildung sind auch die
übrigen Zerfallsarten und Wege aufgezeigt.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Radioaktive_Zerfallsarten_in_der_Nuklidkarte.svg
Autor
Cepheiden auf Wikimedia Commons
Als Beispiel folgt die Zerfallsreihe von
Beim Isotop
212
83
Th :
232
90
Bi teilt sich die Zerfallsreihe, da dieses Isotop sowohl α − Zerfall als
auch β − Zerfall aufweist, allerdings mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten.
−
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Skript zum Thema
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V Kernspaltung
Otto Hahn und Fritz Strassmann fanden 1938 zufällig heraus, dass sich schwere
Atomkerne durch Beschuss mit langsamen Neutronen spalten lassen. Als Isotop
benutzten sie natürlich vorkommendes Uran, welches zu 99,27% aus U-238 (stabil)
und 0,72% aus U-235 (instabil) besteht. Alle weiteren Uran-Isotope sind
verschwindend gering.
Trifft ein langsames Neutron auf einen
U-235-Kern,
so
wird
dieses
eingefangen (in den Kern "eingebaut")
und der angeregte Kern beginnt zu
schwingen. Durch die Schwingungen
ändert sich auch permanent die Form
des Kerns. Hat der Kern eine
hantelförmige Gestalt, so reichen die
Kernkräfte nicht mehr aus, um die
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kernspaltung.svg
beiden Hälften zusammen zu halten,
Autor
Stefan-Xp auf Wikimedia Commons
und es entstehen zwei Spaltprodukte.
Die elektrostatische Abstoßung der Protonen gibt dabei den beiden Spaltprodukten
eine große Energie mit. Die Spaltprodukte sind übrigens instabil, d.h. radioaktiv, da
sie einen großen Neutronenüberschuss besitzen. Sie zerfallen über mehrere
Stationen (Zerfallsreihe) in stabile Isotope.
Bei einer Kernspaltung von U-235
entstehen allerdings nicht immer
dieselben beiden Spaltprodukte. Zwei
der möglichen Kombinationen sind in
der obigen Abbildung dargestellt. Die
Auftrittswahrscheinlichkeiten einzelner
Spaltprodukte sind im Diagramm
rechts aufgetragen. Bei der Interpretation ist die logarithmische Skala
der
Wahrscheinlichkeitswerte
zu
beachten.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fission_product-en.svg
Autor
User:Mubs auf Wikimedia Commons
Bei jeder Kernspaltung entstehen auch zwei bis drei neue Neutronen, die allerdings
sehr schnell sind. Treffen diese nach einer gewissen Abbremsung auf weiteres
spaltbares Material, so werden weitere Atomkerne gespalten und es entstehen
wiederum jeweils zwei bis drei neue Neutronen. Die Anzahl der gespaltenen Kernen
und die dabei freigesetzte Energie steigt im Falle einer solchen unkontrollierten
Kettenreaktion exponentiell an, was bei Atombomben ausgenutzt wird. Will man die
freiwerdende Energie friedlich nutzen, so muss die unkontrollierbare Kettenreaktion
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
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Skript zum Thema
Quanten– und Atomphysik
J. Hirsch
unterbunden werden. In Reaktoren befindet sich deshalb zwischen den mit U-235
angereicherten Brennstäben Wasser, welches die Neutronen abbremst. Zudem
können Regelstäbe zwischen die Brennelemente geschoben werden, um die
freiwerdenden Neutronen aufzufangen und die Kettenreaktion herunterzufahren.
Die beiden folgenden Abbildungen zeigen den schematisch Aufbau der am weitesten
verbreiteten Reaktorarten, den Siedewasserreaktor und den Druckwasserreaktor.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Schema_Siedewasserreaktor.svg
Autor
Marlus Gancher, Antonsusi auf Wikimedia Commons
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Schema_Druckwasserreaktor.png
Autor
Marlus Gancher, Antonsusi auf Wikimedia Commons
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Skript zum Thema
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VI Kernfusion
Betrachtet man die mittleren Bindungsenergien der einzelnen Atomkerne, so sieht
man, dass Eisen die höchste Bindungsenergie aufweist. Deshalb ist beim Kernzerfall
bzw. bei der Kernspaltung auch bei Eisen Schluss, d.h. bei jeder weiteren Spaltung
würde keine Energie mehr frei werden, sondern man müsste Energie hineinstecken.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Auftragung_Bindungsenergie_gegen_Massenzahl.svg
Autor
Napy1kenobi auf Wikimedia Commons
Umgekehrt wird beim Verschmelzen zweier Kerne, die leichter als Eisen sind,
Energie frei. Diesen Prozess nennt man Kernfusion. Aber auch bei der Kernfusion
wird durch die Verschmelzung ab dem Element Eisen keine Energie mehr
freigesetzt, sondern Energie benötigt.
Die Kernfusion ist ein sehr energiegewinnender Prozess. Allerdings ist die
Technologie noch nicht so weit fortgeschritten, dass die Kernfusion von uns
Menschen genutzt werden kann. Dies liegt vor allem an folgenden Fakten:
•
Man benötigt als Fusionsgrundlage ein ionisiertes Plasma. Dies ist ein Gas, in
welchem die Atome fast vollständig in Ionen und Elektronen getrennt sind.
•
Damit z.B. zwei Wasserstoffkerne (positiv geladene Protonen) die gegenseitige
elektrostatische Abstoßung überwinden und verschmelzen können, sind sehr
hohe Temperaturen und damit sehr hohe kinetische Energien der Teilchen
notwendig.
•
Dieses sehr heiße ionisierte Plasma darf in Fusionsreaktoren nicht mit dem es
einschließenden Material in Kontakt kommen, da noch kein resistentes Material
gefunden wurde. Momentan versucht man dies zu erreichen, indem das Plasma
durch in einer bestimmten Form gewundene äußere Magnetfeldröhren unter
Kontrolle zu halten.
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
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Skript zum Thema
Quanten– und Atomphysik
J. Hirsch
VI.1 Kernfusion in Sternen - Das Wasserstoff-Brennen
Sterne beziehen ihre abgestrahlte Energie aus der Kernfusion. In ihrem Kern
herrschen hohen Temperaturen (viele Millionen Kelvin) und der Druck sowie die
Dichte sind enorm groß. Zu Beginn ihres Lebens finden in allen Sternen dieselben
Fusionsprozesse statt, das Wasserstoff-Brennen. Dieser sogenannte Proton-ProtonZyklus (p-p-Zyklus), bei welchem Helium-Isotop 4He erzeugt wird, ist im Folgenden
dargestellt (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Proton-Proton-Reaktion).
VI.1.1
Startreaktionen:
Zwei Wasserstoffkerne 1H+ (Protonen) fusionieren zu einem
Deuteriumkern 2H+. Dabei entstehen bei der Umwandlung eines
Protons in ein Neutron ein Positron e+ und ein Elektronneutrino νe.
1 H + + 1H + → 2 H + + e+ + ν
e
+ 0, 42 MeV
Wenn das Positron e+ auf ein Elektron e- trifft, annihilieren sie sich und werden
vollständig in Energie umgewandelt. Dabei entstehen auch zwei Gammaquanten γ.
e+ + e− → 2γ + 1,022 MeV
Das Deuterium fusioniert nach kurzer Zeit (~1,4 s) mit einem
weiteren Proton und es entsteht das leichte Helium-Isotop 3He2+:
2 H + + 1H + → 3He2 + + γ + 5, 49 MeV
VI.1.2
Hauptfolgereaktionen:
Es gibt drei verschiedene Hauptfolgereaktionen, die alle das Helium-Isotop 4He als
Endprodukt haben. Da diese Reaktionsketten unterschiedlichen Temperaturen
voraussetzen, sind sie z.B. in der Sonne unterschiedlich häufig:
Proton-Proton-Reaktion I (91 %; 10–14 Mio. Kelvin):
Zwei 3He2+ fusionieren zu 4He2+, wobei wieder zwei Protonen
freiwerden. In der Sonne dauert dieser Prozess etwa 106 Jahre!
3 He2 + +3 He2 + → 4He2 + + 1H + + 1H + + 12,86 MeV
Energiebilanz:
Die vollständige Reaktionskette bis zum 4He2+-Teilchen liefert insgesamt folgenden
Energiebetrag:
2 × ( 0, 42 MeV + 1,022 MeV + 5, 49 MeV − 0, 26 MeV ) + 12,86 MeV = 26, 204MeV
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Quanten– und Atomphysik
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Proton-Proton-Reaktion II (9 %; 14–23 Mio. Kelvin):
Die Proton-Proton-Reaktion II nutzt für die "Herstellung" von
schon erzeugtes 4He2+-Teilchen als Katalysator:
3
He 2 + + 4 He 2 + → 7 Be 4+ + γ + 1,59 MeV
7
Be 4+ + e − → 7 Li 3+ + ν e
7
Li3+ + 1H + → 4 He2 + + 4 He2 + + 17,35 MeV
4
He2+-Teilchen ein
Proton-Proton-Reaktion III (1 %; > 23 Mio. Kelvin):
Die Proton-Proton-Reaktion III nutzt für die "Herstellung" von 4He2+-Teilchen
ebenfalls ein schon erzeugtes 4He2+-Teilchen als Katalysator, geht allerdings eine
etwas andere Fusionskette:
3
He 2 + + 4 He 2 + → 7 Be 4+ + γ + 1,59 MeV
7
Be 4+ + 1H + → 8 B5+ + γ + 0,14 MeV
8
B5+ → 8 Be4 + + e+ + ν e
8
Be4 + ↔ 4 He2 + + 4 He 2 +
Gesamte Proton-Proton-Reaktion I als Übersicht
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:FusionintheSun.svg
Autor
Borb auf Wikimedia Commons
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Quanten– und Atomphysik
J. Hirsch
VI.2 Übersicht über die verschiedenen Kernfusionen in Sternen
In Sternen laufen je nach Temperatur, Dichte und chemischer Zusammensetzung
unterschiedliche Nuklearreaktionen ab.
Temperaturbereich Dominierender Energieerzeugungsprozess
bis 5 Mio. K
5 –15 Mio. K
Wärme, Rotation, Gravitation
pp-Reaktion: 26.2 MeV / Reaktion
H1 + H1
→ D 2 + e+ +ν
(1.44 Μ eV , 1, 4 ⋅1010 a )
→ He3 + γ
D2 + H 1
He + He
3
→ He + 2 H
3
4
(5.49 Μ eV , 6 s )
1
CNO-Zyklus: 25 MeV / Reaktion
C 12 + H 1 → N 13 + γ
→ C13 + e+ + ν
N 13
15 –50 Mio. K
C + H
13
1
→N
14
+ γ
8
→ N 15 + e + + ν
( 2.71 MeV , 82s )
( 4.96 MeV , 111000a )
3α–Prozess (He-Brennen): 7.3 MeV / Prozess
He 4 + He 4 → Be8
(−0.1 Μ eV, endotherm )
( 7.4 MeV )
γ ( 7.4 MeV )
Be8 + He4 → C12 + γ
C12 + He 4 → O16 +
C-Brennen
C 12 + He 4
→ O16 + γ
O16 + He 4 → Ne20 + γ
500 –1000 Mio. K
(2.22 Μ eV , 7 m)
( 7.35 MeV , 3, 2 ⋅10 a )
N 15 + H 1 → C12 + He 4
100 –200 Mio. K
(1.95 Μ eV , 1, 3 ⋅107 a )
(7, 54Μ eV , 2, 7 ⋅106 a )
N 14 + H 1 → O15 + γ
O15
(12.85 MeV , 1 ⋅106 a )
C 12 + C 12
( 7.4 MeV )
( 4.75 MeV )
→ Mg 24 + γ
→ Mg 23 + n
→ Na 23 + p
→ Ne20 + α (α = He4 )
O-Brennen
O16 + O16
→ Si 32 + γ
→ Si 31 + n
um 1.5 Mrd. K
→ P 31 + p
→ Si 28 + α
über 1.5 Mrd. K
Si-Brennen
Si 28 + Si 28 → Fe56 + γ
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
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Quanten– und Atomphysik
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VI.3 Abschätzung der Lebens– bzw. Brenndauer der Sonne
Die Masse eines Protons beträgt 1, 67 ⋅10−27 kg . Beim Proton-Proton-Zyklus werden
vier Protonen als Ausgangsmaterial gebraucht. Dabei entstehen ein Heliumkern und
zwei Positronen (Die Neutrinos, die ebenfalls beim Proton-Proton-Zyklus entstehen,
haben wahrscheinlich keine Masse).
Ein Heliumkern hat eine Masse von 6, 6326 ⋅10−27 kg und jedes der zwei Positronen
hat eine Masse von 9,1139 ⋅10−31 kg . Somit haben die Endprodukte dieser Reaktion
eine Masse von "nur" 6, 6344 ⋅10 −27 kg .
→ Es fehlt eine Masse von 4, 7227 ⋅10 −29 kg .
Wie viel Energie liefern 4, 7227 ⋅10 −29 kg ? Die berühmteste Gleichung ( E = m ⋅ c 2 ) der
Welt gibt uns die Antwort!
2
E = mc = 4, 7227 ⋅10
2
−29
m

kg ⋅  3 ⋅108  ≈ 4,3 ⋅10−12 J
s

Wir können den Energieausstoß (d.h. die Leuchtkraft) der Sonne messen. Er beträgt
J
L = 3, 9 ⋅10 26 . Wenn jede Reaktion im Proton-Proton-Zyklus 4,3 ⋅10 −12 J liefert, wie
s
viel Reaktionen müssen dann pro Sekunde stattfinden, um die Leuchtkraft der Sonne
zu erklären?
Anzahl der Reaktionen =
3,9 ⋅1026 J
4,3 ⋅10
−12
s = 9 ⋅1037 1
J
s
Man braucht vier Protonen in jeder Reaktion. Daher werden pro Sekunde 3, 6 ⋅1038
Protonen gebraucht! Wie viele Protonen gibt es in der Sonne? Wir können das ganz
einfach abschätzen, indem wir annehmen, dass Protonen und Neutronen in der
Sonne in gleicher Zahl vorkommen und die Elektronen mit ihrer kleinen Masse
keinen nennenswerten Ausschlag geben:
1
Masse der Sonne
Anzahl Protonen in der Sonne = 2
Masse eines Protons
1
⋅ 2, 0 ⋅1030 kg
= 2
1, 67 ⋅10−27 kg
= 6 ⋅1056
Wenn pro Sekunde 1038 Protonen „verbraucht“ werden, so reicht der Protonenvorrat
für 1018 Sekunden - das sind mehr als 100 000 000 000 Jahre!
Da die Sonne aber während ihrer Lebenszeit nur 10% ihres Wasserstoff– bzw.
Protonenvorrats verbraucht, wird sie nur ca. 10 Milliarden Jahre alt.
Skript QUANTEN– UND ATOMPHYSIK, zum internen Gebrauch am St. Paulusheim im zweistündigen Kurs mit Schwerpunkt Astrophysik
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Skript zum Thema
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J. Hirsch
VII
Quellen und weiterführende Literatur
VII.1 Literatur:
-
-
-
-
Bader, Franz & Dorn, Friedrich (2010). Physik 11/12 Gymnasium (G8).
Braunschweig: Schroedel.
Diehl, Bardo; Erb, Roger; Heise, Harri; Kotthaus, Udo & Lindner, Klaus (2010).
Physik Oberstufe. Berlin: Cornelsen Verlag.
Feynman, Richard P. (1988). QED. Die seltsame Theorie des Lichts und der
Materie. München: Piper Verlag GmbH. Sonderausgabe 2006.
Haken, Hermann & Wolf, Hans Christoph (1996). Atom- und Quantenphysik.
Einführung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen. Berlin;
Heidelberg: Springer.
Halliday, D., Resnick, R. & Walker, J. (2003). Physik. Autorisierte Übersetzung
der englischsprachigen Ausgabe ‚Fundamentals of Physics‘. Weinheim: WILEYVCH GmbH & Co. KGaA.
Lesch, Harald & Müller, Jörn (2011). Sterne. Wie das Licht in die Welt kommt.
München: Wilhelm Goldmann Verlag.
Lesch, Harald (2011). Die Elemente, Naturphilosophie, Relativitätstheorie &
Quantenmechanik. München/Grünwald: Verlag KOMPLETT-MEDIA GmbH.
Lesch, Harald (2013). Die Entdeckung des Higgs-Teilchens. Oder wie das
Universum seine Masse bekam. München: C. Bertelsmann Verlag.
Resag, Jörg (2010). Die Entdeckung des Unteilbaren. Quanten, Quarks und der
LHC. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
Sterne und Weltraum Special Heft 1/2007. Unsere Sonne. Spektrum der
Wissenschaft.
Sterne und Weltraum. Spektrum der Wissenschaft.
Tipler, Paul A. (1998). Physik. Übersetzung der englischsprachigen Ausgabe
‚Physics for Scientists and Engineers‘. Heidelberg; Berlin; Oxford: Spektrum
Akademischer Verlag.
Weigert, A., Wendker, H. J. & Wisotzki L. (2006). Astronomie und Astrophysik.
Ein Grundkurs. Weinheim: WILEY-VCH Verlag.
Weiss, Achim (2008). Sterne . Was ihr Licht über die Materie im Kosmos verrät.
Astrophysik aktuell. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
Volkmer, Martin (2013). Kernenergie Basiswissen. Herausgeber: DAtF
(Deutsches Atomforum e.V.), Berlin.
VII.2 Internetquellen (Stand 29.10.2014):
-
http://www.suw-online.de
(Sterne und Weltraum)
http://www.wissenschaft-schulen.de/
(Wissenschaft in die Schulen!)
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