Kombinatorische Geometrie 4 4.1 SS 2000 Dr. Elsholtz Kombinatorische Geometrie, Endliche Punkt-Mengen Der Satz von Szemerédi-Trotter Wiederholung zur Graphentheorie. G(V, E) Graph mit m Kanten und n Ecken. Planare Graphen. Satz von Kuratowski. Satz von Euler: Planare Graphen haben höchstens m ≤ 3n − 6 Kanten. Diese Schranke ist scharf, d.h. sie kann im allgemeinen nicht verbessert werden. Definition 4.1. Die Überkreuzungszahl (crossing number) cr(G) eines Graphen ist die minimale Anzahl von Überkreuzungen unter allen Einbettungen von G in die Ebene. (Korrektes Zählen ist hier notwendig! Es gehen z.B. keine drei Kanten durch einen Punkt. Verschiebt man dies ein wenig, erhält man hieraus drei Überkreuzungen.) Wir suchen eine untere Schranke für cr(G) in Abhängigkeit von m und n. Aus der Eulerformel folgt leicht: cr(G) ≥ m − 3n + 6. Der Graph K6 zeigt, dass diese Schranke scharf ist. Wenn m nichtlinear mit n wächst (im allgemeinen ist ja m ≤ n2 ), dann gibt es bessere Schranken. Der folgende Satz wurde von Erdős und Guy vermutet. Bewiesen wurde er von Leighton und unabhängig davon von Ajtai, Chvátal, Newborn und Szemerédi. Satz 4.1. Sei G ein einfacher Graph mit m Kanten und n Ecken. Sei m ≥ 4n. Dann gilt: 1 m3 cr(G) ≥ . 64 n2 Der Beweis wird nach dem Buch von Aigner und Ziegler Proofs from THE BOOK“ ” geführt. Dort ist ein sehr schöner Beweis von Chazelle, Sharir und Welzl wiedergegeben, der ein probabilistisches Abzählargument verwendet. Sei der Graph G mit minimaler Zahl von Überkreuzungen in die Ebene eingebettet. Sei p eine Zahl (i.e. Wahrscheinlichkeit) zwischen 0 und 1, die wir nachher optimal wählen. Wir assozieren zu dem Graphen G eine zufällige Teilstruktur Gp , wobei jede Ecke mit Wahrscheinlichkeit p vorkommt. Gp ist der dadurch induzierte Graph. Jede Kante kommt genau dann vor, wenn beide benachbarten Ecken vorkommen, und jede Überkreuzung, wenn alle vier benachbarten Ecken vorkommen. Dabei ist die Anzahl der Ecken, Kanten und Überkreuzungen jeweils eine Zufallsvariable np , mp , Xp . Allgemein gilt für jeden Graph nach der Eulerformel cr(G) − m + 3n ≥ 0. Daher folgt für den Erwartungswert E(Xp − mp + 3np ) ≥ 0. 2 Es gilt aber auch E(Xp − mp + 3np ) = E(Xp ) − E(mp ) + 3E(np ). Daher berechnen wir den jeweiligen Erwartungswert: Es ist E(np ) = pn, E(mp ) = p2 m und E(Xp ) = p4 cr(G). Letzteres weil ja alle vier benachbarten Ecken eines Kreuzungspunktes in Gp vorhanden sein müssen, damit die Kreuzung in Gp geblieben ist. (Dass der Graph Gp im allgemeinen nicht mehr optimal in die Ebene eingebettet ist, macht nichts.) Es folgt also 0 ≤ E(Xp ) − E(mp ) + 3E(np ) = p4 cr(G) − p2 m + 3pn und daher cr(G) ≥ m 3n p2 m − 3pn = 2 − 3. 4 p p p Wir dürfen immer noch p frei wählen, und wir machen einen kleinen Optimierungsprozess und wählen dann p = 4n m . Nach Voraussetzung an n und m ist p ≤ 1. Es folgt m3 3m3 1 m3 cr(G) ≥ − = . 16n2 64n2 64 n2 Übung 4.1. Überlegen Sie sich im Detail, wie man p gewählt hat. Definition 4.2. Unter einer Inzidenz verstehen wir ein Paar bestehend aus einem Punkt P und einer Geraden g mit P ∈ g. (Wenn wir die Inzidenzen von Punkten und Geraden zählen, zählen wir also einfach wieviele Punkte auf wievielen Geraden liegen.) Satz 4.2 (Szemerédi-Trotter). Gegeben seien n Punkte und l Geraden in der euklidischen Ebene. Die Anzahl der Inzidenzen zwischen diesen Geraden und Punkten ist höchstens c (nl)2/3 + n + l mit einer festen positiven Konstanten c, z.B. c = 4. Beweis. O.B.d.A. inzidiert jede Gerade mit mindestens einem Punkt, sonst kann man die Gerade ja weglassen. Wir definieren einen Graphen G wie folgt. Wir übernehmen die n Punkte und eine Kante legen wir genau dann, wenn die zwei Punkte benachbart auf einer Geraden liegen. Liegen auf einer Geraden also r Punkte, so ergibt dies r − 1 Kanten. Summieren wir dies über alle Geraden, so erählt man die Anzahl der Inzidenzen als die Anzahl der Kanten plus 1 mal die Anzahl der Geraden. X #i = #(Punkte auf g) = m + l. g 3 Fall 1: Ist nun m < 4n, so folgt: #i ≤ m + l ≤ 4n + l woraus die Behauptung des Satzes mit c = 4 folgt. Fall 2: Ist aber m ≥ 4n, so benutzen wir Satz 4.1 als Zwischenschritt. Offensichtlich können sich l Geraden höchstens l2 mal schneiden: l2 ≥ cr(G) ≥ m3 (#i − l)3 = . 64n2 64n2 Also #i ≤ 4l2/3 n2/3 + l, woraus wieder der Satz mit c = 4 folgt. Übung 4.2. Überlegen Sie sich, für welche Größenbereiche welcher der Terme dominiert. √ Satz 4.3 (Szemerédi-Trotter). Sei 2 ≤ k ≤ n. Gegeben seien n Punkte in der euklidischen Ebene. Sei lk die Anzahl der Geraden auf denen mindestens k der n Punkte liegen, dann gilt mit einer festen positiven Konstante c n2 . k3 Beweis. Wir bilden wie vorher den Graphen G, wobei wir aber nur Geraden mit mindestens k Punkten berücksichtigen. Dann hat G mindestens m ≥ lk (k − 1) viele Kanten. Mit Satz 4.1 folgt: Fall 1: m < 4n, also lk (k − 1) ≤ m ≤ 4n 4n lk ≤ mit k 2 ≤ n folgt k−1 8n2 4n2 ≤ ≤ . (k − 1)k 2 k3 Fall 2: m ≥ 4n, also m3 (lk (k − 1))3 lk2 ≥ cr(G) ≥ ≥ 64n2 64n2 lk n2 ≥ (k − 1)3 64 2 lk 8n ≥ 3 k 64 2 512n lk ≤ . k3 2 1 Die Konstante kann für k 6= 2 verbessert werden, da man dann ≤ duch eine k−1 k bessere Abschätzung ersetzen kann. In der Literatur findet sich c = 3 als zulässiger Wert. lk ≤ c 4 Übung 4.3. Zeigen Sie, dass man den Satz auch mit der oberen Schranke n2 n + ) k3 k √ formulieren kann, ohne die Einschränkung k ≤ n zu benötigen. Übung 4.4. Überlegen Sie sich am Quadratgitter, dass diese Abschätzung bis auf die Konstante scharf ist. Analog für das Dreiecksgitter. Hinweis: Diese Abschätzung ist in sogenannten endlichen projektiven Ebenen völlig falsch. Für projektive Ebenen gilt: lk ≤ c( 1. Durch je zwei (verschiedene) Punkte geht genau eine Gerade. 2. Zwei verschiedene Geraden schneiden sich in genau einem Punkt. 3. Es gibt mindestens vier Punkte, von denen keine drei kollinear sind. Für endliche projektive Ebenen der Ordnung r gilt: 4. Es gibt r2 + r + 1 viele Punkte. 5. Es gibt r2 + r + 1 viele Geraden. 6. Auf jeder Geraden liegen r + 1 viele Punkte. 7. Jeder Punkt liegt auf r + 1 vielen Geraden. Man kann also k = r + 1 wählen. Die Abschätzung lk = r 2 + r + 1 ≤ c (r2 + r + 1)2 ≈ cr (r + 1)3 ist natürlich völlig falsch. Der Satz ermöglicht uns eine rein kombinatorische Unterscheidung zwischen projektiven und euklidischen Ebenen. Das ist bei den vielen gemeinsamen Eigenschaften von Interesse. Übung 4.5. Informieren Sie sich über (endliche!) projektive Ebenen, z.B. in Ihringer, Th.: Diskrete Mathematik, Cameron, P.J.: Combinatorics. Finden Sie dabei heraus, welche der obigen Eigenschafte die Axiome der projektiven Ebene sind, und welche der obigen Eigenschaften dann aus den Axiomen geschlossen werden können. 4.2 Anwendungen auf endliche Punktmengen: Erdős hat in einem Aufsatz bereits 1946 eine Reihe von Fragen aufgeworfen, die bis heute von großem Interesse sind. In den vergangenen Jahren gab es hierzu eine Reihe neuer Ergebnisse. Einerseits wurden die ersten Abschätzungen von Erdős teilweise verbessert, andererseits gelang es Székely, für diese Verbesserungen sehr elegante Beweise anzugeben. Er wendet den Satz 4.1 über die Überkreuzungszahlen geschickt an. 5 4.2.1 Gleiche Abstände Satz 4.4 (Erdős, 1946). Sei g(n) die maximale Anzahl der Einheitsdistanz unter n Punkten in der Ebene. Dann gibt es eine Konstante c > 0, so dass n1+c/ log log n g(n) n3/2 gilt. (Hierbei bedeutet h(n) g(n), dass es eine Konstante c > 0 gibt mit f (n) ≤ c h(n). Diese auf Vinogradov zurückgehende Notation ist also ähnlich zur Landauschen OSchreibweise, aber flexibler, da man ja z.B. auch zur Verfügung hat.) Im folgenden Satz beweisen wir sogar eine bessere obere Schranke. Die untere Schranke ist bis heute nicht verbessert worden. Sie folgt mit etwas zahlentheoretischem Wissen aus einem quadratischen oder auch dreieckigen Gitter. Dies wirft die Frage auf, ob derart regelmäßige Gitter die extremale Struktur darstellen. Beweis. Wir beweisen die untere Schranke und machen einen kleinen Exkurs in die Zahlentheorie. Wenn man im Quadratgitter Abständ zählen will, muss man sich mit Summen von zwei Quadraten auskennen. Wir erinnern daran, dass man eine natürliche Zahl n genau dann als Summe von zwei Quadraten schreiben kann, wenn die Primfaktorzerlegung von n die folgende Form hat: n = 2α pβ1 1 · · · pβr r q12γ1 · · · qs2γs , wobei die pi Primfaktoren der Form pi ≡ 1 mod 4 sind und die qi Primfaktoren mit qi ≡ 3 mod 4 sind und die α, βi , γi aus N0 sind. Eine Primzahl pi kann (bis auf die Reihenfolge) eindeutig als Summe von zwei Quadraten geschrieben werden, aber für eine Zahl, die aus mehreren solcher Primfaktoren besteht, wächst die Anzahl der Darstellungen an. Bsp.: 65 = 5 · 13 = 12 + 82 = 42 + 72 . Dies versteht man am besten im Ring der Gaußschen Zahlen Z[i] = {a + bi, a, b ∈ Z}. 65 = 5 · 13 = (2 + i)(2 − i)(3 + 2i)(3 − 2i) = (2 + i)(3 + 2i) (2 − i)(3 − 2i) = (4 + 7i)(4 − 7i) = 42 + 72 = (2 + i)(3 − 2i) (2 − i)(3 + 2i) = (8 − i)(8 + i) = 82 + 12 . Berücksichtigt man auch die verschiedenen Reihenfolgen, so hat man 4 verschiedene Darstellungen. Allgemeiner folgt daraus. Lemma 4.1. Sei r(n) die Anzahl der verschiedenen Darstellungen von n = x2 + y 2 , so gibt es eine Konstante c0 > 0, so dass für unendlich viele Zahlen n gilt: 0 r(n) ≥ nc / log log n . 6 Beweis (des Lemmas). Sei n = p1 p2 · · · pk . Hierbei sei pj die j-te Primzahl, die modulo 4 den Rest 1 hat. Es ist pj = (aj + bj i)(aj − bj i). Analog zum obigen Beispiel können wir genau 2k verschiedene Zerlegungen von n erhalten. Es ist k k k Y Y Y n= pj = (aj + bj i) (aj − bj i). j=1 Für jede der 2k j=1 j=1 Teilmengen von J ⊆ {1, 2, · · · , k} definieren wir Y Y AJ + BJ i = (aj + bj i) (aj − bj i). j6∈J j∈J AJ − BJ i = Y (aj − bj i) j∈J Y (aj + bj i). j6∈J Es gilt also A2J + BJ2 = (AJ + BJ i)(AJ − BJ i) = n. Man beachte, dass die 2k Ausdrücke (AJ + BJ i) alle verschieden sind. Dies folgt aus der eindeutigen Primfaktorzerlegung in den Gaußschen Zahlen und daraus, dass die a + bi alle prime Elemente sind, da die pj Primzahlen sind. Daher gilt für diese Zahlen n: r(n) = 2k . 1 x Aus dem Dirichletschen Primzahlsatz, insbesondere aus π(x; 4, 1) ∼ folgt, 2 log x dass es positive Konstanten gibt mit c1 k log k < pk < c2 k log k. Daher gilt: n= k Y pj ≤ pkk < c2 (k log k)k . j=1 Daraus folgt: k log n . log log n (Dies ist in der Zahlentheorie (oder Mathematik allgemein!) eine Standardtechnik. Wenn man eine Zahl mit vielen Primteilern benötigt, dann nimmt man die ersten Primteiler, die in Frage kommen, (Greedyalgorithmus). Da für die Anzahl log n der verschiedenen Primteiler von n allgemein ω(n) = O( ) gilt, kann die log log n log n Abschätzung k (von Konstanten abgesehen) nicht verbessert werden.) log log n 7 Daraus konstruieren wir jetzt eine Punktmenge mit vielen Einheitsabständen. Sei N √ 0 eine Zahl der obigen Art mit r(N ) ≥ N c / log log N . Setze n = (2d N e)2 . Sei √ i j P = {( √ , √ ) | 1 ≤ i, j ≤ 2d N e} N N j1 i2 j2 i1 ein Quadratgitter. Der Abstand zweier Punkte ( √ , √ ) und ( √ , √ ) ∈ P N N N N ist genau dann 1, wenn (i1 − i2 )2 + (j1 − j2 )2 = N gilt. Daher hat jeder Punkt des Gitters von wenigstens r(N ) vielen anderen Punkten aus P den Abstand 1. Es folgt nr(N ) 00 g(n) ≥ ≥ n1+c / log log n . 2 Die obere Schranke ist über mehrere Zwischenschritte zu folgendem Resultat verbessert worden: Satz 4.5 (Spencer, Szemerédi und Trotter). g(n) n4/3 . Wir beweisen diesen Satz nach Székely. Beweis. Die Idee besteht darin, die zu zählenden Einheits-Abstände zu Kanten eines Graphen zu machen, denn diese können wir ja zählen. Der Graph G wird wie folgt konstruiert: Die Eckenmenge seien die n Punkte. Um jeden Punkt zeichnen wir einen Einheitskreis. Benachbarte Punkte auf einem Kreis sind also durch einen Kreisbogen verbunden, den wir vorläufig als Kante interpretieren. Es kann aber vorkommen, dass zwei Punkte mehrfach verbunden sind (Multigraph). Wir wählen dann nur eine dieser Kanten aus. Außerdem lassen wir die Kreise weg, auf denen höchstens zwei Punkte liegen. Dies ergibt unseren Graphen G. Die Anzahl der Kanten ist eng mit der Anzahl der Einheitsabstände verknüpft. Die Anzahl der Kanten ist höchstens um O(n) kleiner als die Anzahl der Einheitsabstände. Die Anzahl der Überkreuzungen erfüllt cr(G) ≤ 2n2 . Hierbei wird die Eigenschaft ausgenützt, dass sich zwei Kreise höchstens zweimal schneiden. Wenden wir den Überkreuzungssatz 4.1 an: Wenn die Anzahl der Kanten m ≤ 4n ist, sind wir fertig. Andernfalls gilt: m3 ≤ cr(G) ≤ 2n2 . 64n2 Also m3 ≤ 128n4 . Also g(n) ≤ cn4/3 + O(n). Es ist bekannt, dass man bei einer Verbesserung des Ergebnisses neue Information in das Problem hineinstecken muss, da es ähnliche Situationen mit Kurven, die sich höchstens zweimal schneiden, gibt, wo die obere Schranke n4/3 zugleich die richtige Größenordnung darstellt, (vgl. den Artikel von Braß). Vermutung 4.1 (Erdős, $ 500). Für alle ε > 0 gilt g(n) ε n1+ε . 8 Man kann ähnliche Fragen in mehreren Dimensionen, oder auf der Kugeloberfläche o.a. stellen. Für gd im d-dimensionalen Raum gilt: Satz 4.6 (Erdős). n4/3 g3 (n) n5/3 . Dies wurde verbessert zu Satz 4.7 (Beck, Chung, Clarkson et. al.). n4/3 log log n g3 (n) n3/2 β(n). (Hierbei ist β(n) eine Funktion, die extrem langsam wächst; sie hängt mit dem Inversen der Ackermannfunktion zusammen.) Für allgemeine Dimension d ≥ 4 kennt man ein genaueres Ergebnis: Satz 4.8 (Erdős). n2 gd (n) = 2 1 1− + o(1) . bd/2c Wir skizzieren einen Beweis des Ergebnisses von Erdős für g3 (n). Sei P eine Menge mit höchstens n Punkten, in Form eines bn1/3 c × bn1/3 c × bn1/3 c Gitters. Für jedes Punktepaar p1 = (i1 , j1 , k1 ), p2 = (i2 , j2 , k2 ) ∈ P ist |p1 − p2 |2 = (i1 − i2 )2 + (j1 − j2 )2 + (k1 − k2 )2 eine ganze Zahl ≤ 3n2/3 . Die Anzahl der verschiedenen Abstände von Punkten aus P ist also höchstens 3n2/3 . Daher muss es einen Abstand geben, der mindestens |P | 2 n4/3 mal vorkommt. 3n2/3 Die obere Schranke für g3 (n) erhält man leicht aus einem allgemeinen Satz über Graphen: Sei Kr,s ein (r,s)-bipartiter Graph, d.h. es sei der Graph, der aus zwei Eckenmengen mit r bzw. s Elementen besteht, wobei alle Ecken der einen Menge mit allen Ecken der anderen Menge verbunden seien. Sei r ≤ s. g3 (n) ≥ Satz 4.9 (Siehe Pach, Agarwal, Korollar 9.7). Ein Graph G mit n Ecken, der keinen Graphen Kr,s als Unterstruktur enthält, kann höchstens cs n2−1/r viele Kanten haben. Hierbei ist cs eine positive Konstante. Zurück zur oberen Schranke von g3 (n). Wir konstruieren zu der Punktmenge P einen Graphen, in dem zwei Punkte genau dann durch eine Kante verbunden sind, wenn sie den Abstand 1 haben. Man überlegt sich jetzt leicht (im Raum), dass dieser Graph keinen K3,3 enthalten kann. Denn zu drei Punkten im Raum gibt es höchstens zwei 9 andere Punkte, die von den ersten drei Punkten gleichen Abstand haben. Dies liefert die obere Schranke. g3 (n) n5/3 . Analog kann man übrigens in der Ebene zeigen, dass der Einheitsabstands-Graph keinen K2,3 enthalten kann, was sofort g2 (n) n3/2 liefert. Wir gehen hier nicht auf die Details ein. Dennoch wollten wir die Methode der verbotenen Unterstrukturen erwähnen. Hier kann sicher noch viel erforscht werden. 4.2.2 Verschiedene Abstände Eine andere Problemstellung ist die Anzahl der verschiedenen Abstände unter n Punkten. Sei f (n) die minimale Anzahl. Übung 4.6. Zeigen Sie, dass f (n) ≤ n2 und f (3) = 1, f (4) = f (5) = 2, f (6) = f (7) = 3 gilt. Satz 4.10 (Erdős). n1/2 f (n) n . (log n)1/2 Beweis. Der Beweis der oberen Schranke folgt wieder aus einer zahlentheoretischen Anwendung auf das Quadratgitter. Die Anzahl der Zahlen n ≤ x, die sich als Summe von zwei Quadraten schreiben lassen ist asymptotisch R0 (x) := X n≤x n=a2 +b2 1 1∼ √ 2 Q p≡3 mod 4 1 (1 − 1 1/2 ) p2 x . (log x)1/2 Quellen: Landau, Handbuch der Lehre der Verteilung der Primzahlen, oder Brüdern, Einführung in die analytische Zahlentheorie. Die untere Schranke folgt aus folgender Überlegung: Wir zeigen, dass es einen Punkt √ 2 1/2 gibt, mit mindestens cn vielen Abständen, wobei c = 2 − ε sei. Man greift unter den Punkten P1 , · · · , Pn einen heraus, o.B.d.A. P1 . Zu jeder vorkommenden Distanz |P1 Pj | zeichnet man einen Kreis um P1 . Alle n−1 Punkte liegen √ auf Kreisen um P1 . Wenn es mindestens c n Kreise gibt, gibt es entsprechend viele √ verschiedene Abstände, und man ist fertig. Gibt es aber weniger als c n Kreise, n−1 dann gibt es nach dem Schubfachprinzip einen Kreis, auf dem mindestens √ c n n−1 viele Punkte liegen. Davon liegen mindestens √ in einer Kreishälfte. Von einem 2c n Randpunkt der Kreishälfte zu den anderen Punkten der Kreishälfte ist aber der n−1 Abstand jeweils verschieden. Daher gibt es einen Punkt, mit mindestens √ − 1 2c n vielen Abständen. Dies beweist sogar eine stärkere Aussage, nämlich dass es EINEN Punkt gibt, von dem cn1/2 viele Abstände ausgehen. (Nennen wir dies fP (n)). 10 Übung 4.7. Geben Sie die Details der oberen Schranke an. Verwenden Sie hierfür aus der Zahlentheorie über die Anzahl der Primzahlen in den Restklassen modulo 4: x π(x; 4, 1) ∼ π(x; 4, 3) ∼ . 2 log x Eine einfache Verbesserung ergibt sich, wenn man beachtet, dass n f (n)g(n) ≥ 2 gilt. Die Schranke g(n) n4/3 liefert sofort f (n) n2/3 . Das beste bekannte Ergebnis ist Satz 4.11 (Székely). n4/5 f (n). Und die gleiche Schranke für fP (n). Übung 4.8. Arbeiten Sie den Artikel von Székely durch! Vermutung 4.2 (Erdős, $ 250, bzw. $ 500 für die Asymptotik). Für alle ε > 0 gilt f (n) ε n1−ε . Vielleicht gilt sogar eine asymptotische Formel mit einer geeigneten positiven Konstante: x . f (n) = (c + o(1)) (log x)1/2 Dies wirft wieder die Frage auf, ob Punktmengen mit Gitterstrukturen extremal sind. Weitere Ergebnisse sind: n1/2 f3 (n). β(n) In d Dimensionen gilt hier: n3/(3d−2) fd (n) n2/d . 4.3 Anwendungen auf Summen und Produkte von Mengen ganzer ” Zahlen“ Ein berühmte Arbeit von Erdős und Szemerédi untersucht folgende Frage. Gegeben sei eine endliche Menge A ganzer Zahlen. (Diese stellt man sich oft als Anfangswerte einer unendlichen Folge vor.) Man betrachtet die Summenmenge und Produktmenge: A + A = {a1 + a2 : a1 , a2 ∈ A} A · A = {a1 a2 : a1 , a2 ∈ A} Falls A eine arithmetische Progression ist, dann ist die Anzahl der Elemente in A+A klein, |A + A| = 2|A| − 1. Dann aber sind die Produkte fast alle verschieden: |A · A| |A|2 . 11 Übung 4.9. |A| 2|A| − 1 ≤ |A + A| ≤ . 2 |A| 2|A| − 1 ≤ |A · A| ≤ . 2 Übung 4.10. Zeigen Sie: 2|A| − 1 = |A + A| gilt genau dann, wenn A eine arithmetische Progression ist. 2|A| − 1 = |A · A| gilt genau dann, wenn A eine geometrische Progression ist. Ist nun aber A weder eine arithmetische Progression noch eine geometrische Progression, so ist die Situation komplizierter. Dennoch vermutet man, dass nicht |A + A| und |A · A| gleichzeitig deutlich kleiner2 als |A| 2 sein können. Die Heuristik hierbei: Für fast alle Mengen gilt |A + A| |A| bzw. |A · A| |A|2 Wenn dies nicht so ist, liegt eine Struktur vor, die dafür sorgt, dass dann die andere Menge erst recht groß ist. Vermutung 4.3 (Erdős und Szemerédi). Für alle ε > 0 gilt: max(|A + A|, |A · A|) ε |A|2−ε . Die Vermutung wurde nur bewiesen, wenn |A + A| ≥ 3|A| − 4, also sehr klein ist. Allgemeiner, für Summen und Produkte der Länge k vermuten Erdős und Szemerédi analog: Vermutung 4.4. Für alle k ≥ 2, ε > 0 gilt: max(|A + · · · + A|, |A · A · · · A|) k,ε |A|k−ε . Erdős und Szemerédi lieferten auch das erste Teilergebnis hierzu. Satz 4.12 (Erdős und Szemerédi, 1983). Es gibt positive Konstanten c1 und c2 , so dass n2 n1+c1 max(|A + A|, |A · A|) . exp(c2 log n/ log log n) Die Konstante c1 war in den letzten Jahren im Blickpunkt des Interesses. Die Konstante c1 wurde wie folgt verbessert: 1983 Erdős und Szemered́i c1 > 0 1 1997 Nathanson c1 > 31 1 1997 Elekes c1 > 4 1 1998 Ford c1 > 15 1 1999 Chen c1 > 5 . 12 Teilweise kann dies damit erklärt werden, dass die Autoren unabhängig arbeiteten, die Arbeiten aber verschieden lange auf den Druck warten mussten. Andererseits scheint aber auch Chen die Arbeit von Elekes übersehen zu haben. Die Arbeit von Elekes zeigt eindrucksvoll die Stärke der Methode aus der kombinatorischen Geometrie für dieses zahlentheoretische Problem. Auch für die Anwendung mit mehr als zwei Summanden sieht man dies erneut. Mit Elekes Arbeit erhält man 3 1 h−1 bei h Summanden den Exponent − h , bei Ford dagegen nur 1 + . Zum 2 7h − 1 2 einen ist bei Ford also der Exponent schwächer, zum anderen aber auch die Geschwindigkeit (in h) langsamer, mit der man sich der Grenze der Methode (3/2 bzw. 8/7) nähert. Nach der langen Vorrede folgt der Abschluß jetzt ganz schnell und kurz. Satz 4.13. Es gibt eine absolute positive Konstante c, so dass gilt: max(|A + A|, |A · A|) ≥ c|A|5/4 . Beweis. Sei A = {a1 , · · · , an }. Definiere die n2 (verschiedenen!) Geraden: fj,k (x) = aj (x − ak ), für 1 ≤ j, k ≤ n. Die Funktion fj,k bildet mindestens n Elemente von A+A auf Elemente von A·A ab, denn das Element ak + ai wird auf aj ai abgebildet, für alle n verschiedenen ai ∈ A. Die Gerade fj,k enthält also mindestens n Punkte der Punktmenge des P = (A + A) × (A · A) ⊆ R2 . Wir wenden den Satz von Szemerédi-Trotter an, (wobei wir etwas aufpassen, da die Buchstaben jetzt andere Bedeutung haben!). Wir haben |P | = |A + A| · |A · A| vielep Punkte. Auf jeder Geraden liegen mindestens k = n viele Punkte. Es gilt also k ≤ |P |. Die Anzahl der Geraden ist n2 . Daher gilt n2 ≤ c |P |2 . n3 Daraus folgt |A + A| · |A · A| n5/2 und daraus der Satz. Übung 4.11. Machen Sie sich an dem Beweis alle Details klar. Warum sind die Punkte, Geraden etc. alle verschieden? Warum darf man den Satz von Szemerédi-Trotter anwenden? Kann man dies auch direkt aus dem Überkreuzungssatz 4.1 erhalten? Übung 4.12. Versuchen Sie dies auf A + A + A und A · A · A anzupassen. Und ganz zum Schluß empfehle ich noch einen anderen Aufsatz von Elekes, wo er mit einer noch einfacheren Idee ein neues Ergebnis auf einer halben Seite beweist. 13 Übung 4.13. Man gehe in die Bibliothek und lese: Elekes, G.: n points in the plane can determine n3/2 unit circles. Combinatorica 4 (1984), Seite 131. Wenn Sie dabei auf Schwierigkeiten stoßen, kommen Sie bei mir vorbei... Literaturhinweise: Zu Abschnitt 4.1 Aigner, M., Ziegler, G.M.: Proofs from THE BOOK, Springer, Berlin, 1998. Zu Abschnitt 4.2 Braß, P.: Häufige Abstände in endlichen Punktmengen. Überblicke Mathematik 1998, 66–75, Vieweg, Braunschweig, 1997. Croft, H.T., Falconer K.J., Guy, R.K.: Unsolved problems in geometry, Springer, Berlin, 1991. Erdős, P.: On sets of distances of n points. American Mathematical Monthly, 1946, vol. 53, 248-250. Székely, L.: Crossing numbers and hard Erdős problems in discrete geometry. Combinatorics, Probability and Computing 11 (1993), 1-10. Pach, J., Agarwal, P.K.: Combinatorial geometry, Wiley, New York, 1995. Zu Abschnitt 4.3 Erdős, P., Szemerédi, E.: On sums and products of integers. Studies in pure mathematics, 213–218, Birkhäuser, Basel-Boston, Mass., 1983. Nathanson, M. B.: On sums and products of integers. Proc. Amer. Math. Soc. 125 (1997), 9–16. Elekes, G.: On the number of sums and products. Acta Arith. 81 (1997), 365–367. Ford, K.: Sums and products from a finite set of real numbers. Paul Erdős (1913– 1996). Ramanujan J. 2 (1998), 59–66. Chen, Yong-Gao: On sums and products of integers. Proc. Amer. Math. Soc. 127 (1999), 1927–1933. Nathanson, M. B., Tenenbaum, G.: Inverse theorems and the number of sums and products. Structure theory of set addition. Astérisque No. 258, (1999), xiii, 195–204. Elekes, G.: n points in the plane can determine n3/2 unit circles. Combinatorica 4 (1984), Seite 131. 14 Epilog Am Ende der Vorlesung hoffe ich, dass allen die Vorlesung beim Zuhören genauso viel Spaß gemacht hat, wie mir beim Vorbereiten und Vortragen. Verbesserungsvorschläge sind gerne willkommen. Wir haben einen weiten Bogen gemacht, von Plato und Euklid, über Gauß und Minkowski bis hin zu Erdős und seinen Nachfolgern. Gerade das Thema des letzten Kapitels hat erst in den vergangenen Jahren einen neuen Aufschwung erlebt. Ich hoffe, dass genügend Anregungen dabei waren, sich auch außerhalb der Vorlesung selbständig mit den Themen zu befassen. Bei Bedarf kann ich natürlich gerne weitere Literaturhinweise geben. Ich hoffe, dass keiner mehr vor Originarbeiten“ Angst hat. Wir haben ja einige ” gesehen, und die waren doch lesbar, oder? Wer ein Paar der nichtmathematischen Übungen gemacht hat, hat vielleicht ein paar Tipps zur Recherche im Internet erhalten. Besonders die Datenbank MathScinet lege ich jedem ans Herz, der jemals Diplomarbeit machen möchte. Außerdem hoffe ich, dass vor allem durch das letzte Kapitel deutlich wurde, dass moderne Mathematik nicht automatisch kompliziert sein muss, sondern dass man hier durch einige neue (zum Teil sehr einfache!) Ideen auch neue Ergebnisse erzielen kann. Alleine die Tatsache, dass es Teilgebiete der Mathematik gibt, wo man Ergebnisse verbessern kann, ist schon interessant genug. In anderen Teilgebieten wirkt ja alles so perfekt ausgereift, dass man gar nicht sieht, welche Fragen noch ungelöst sind. Und schließlich ist sicher auch die Kombination der verschiedenen Methoden aus Geometrie, Kombinatorik, Graphentheorie, Zahlentheorie, Algebra und Wahrscheinlichkeitstheorie interessant. (Habe ich da jetzt etwas vergessen?) Auf diese Weise können sich die Themen, die anscheinend mit verschiedenen Objekten arbeiten, gegenseitig befruchten. Ein Tipp zum Schluss: Man gehe in die Bibliothek, und suche nach dem, was man in Vorlesungen nicht gesagt bekommt. (Die Anzahl der Vorlesungen ist ja endlich...). Oder, man verbringe ein Jahr im Ausland...