LIE-GRUPPEN VORLESUNG IM WINTERSEMESTER 1997/1998 an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen Richard Bödi Inhalt 1. Bezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Die Exponentialfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 3. Lokale Gruppen und Lie-Algebren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 4. Das Differential der Exponentialabbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 5. Lokale Gruppen und die Campbell-Hausdorff-Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 6. Lineare Lie-Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 7. Lie-Gruppen und Überlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 8. Korrespondenz zwischen Lie-Gruppen und Lie-Algebren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 9. Die adjungierte Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 10. Unterstrukturen von Lie-Gruppen und Lie-Algebren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 11. Normalisatoren, Zentralisatoren und Kommutatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 12. Auflösbare Lie-Algebren und -Gruppen, das Radikal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 13. Halbeinfache und einfache Lie-Algebren und -Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Ich bedanke mich ganz herzlich bei Herrn Prof. K.-H. Hofmann für die freundliche Bereitstellung von Kapitel 5 des in Bälde erscheinenden Buches über kompakte Gruppen (K.-H. Hofmann, S. Morris). Große Teile dieses Manuskriptes basieren auf genau dieser Grundlage. Kapitel 1: Bezeichnungen 1 KAPITEL 1 Bezeichnungen (1.1) Definition. Ein vollständiger, normierter linearer Raum E = (E, ||.||) über K = R oder K = C heißt Banach-Raum. (1.2) Beispiele von Banach-Räumen. Pn (a) Kn mit der gewöhnlichen Norm ||(x1 , . . . , xn || = i=1 xi xi . (b) End (Kn ) mit der (Spalten- oder Zeilen-) Supremumsnorm. (c) `p = ({(an )n∈N | an ∈ K, ||(an )n∈N ||p < ∞} , ||.||p ) mit 1 ≤ p ≤ ∞, wobei ||(an )n∈N ||p = P∞ 1/p ( i=1 |ai |p ) für p 6= ∞ und ||(an )n∈N ||∞ = supi∈N |ai |. (d) c = ({(an )n∈N | an ∈ K, limn→∞ an ∈ K} , ||.||∞ ). (e) c0 = ({(an )n∈N | an ∈ K, limn→∞ an = 0} , ||.||∞ ). R 1/p b p (f) Lp ([a, b]) = ({f : [a, b] → K | ||f ||p < ∞} , ||.||p ) mit ||f ||p = f (x) dx , wobei a 1 ≤ p < ∞. (g) Die Menge C([a, b]) ist bezüglich ||.||∞ vollständig. (1.3) Definition. Eine assoziative und distributive Algebra A = (A, +, ·, 1) mit EinsElement 1l über K auf einem Banach-Raum (A, ||.||) über K heißt Banach-Algebra über K, falls gilt (BA1) ||a · b|| ≤ ||a|| ||b|| für alle a, b ∈ A, (BA2) ||1|| = 1. Die Menge aller invertierbaren Elemente von A wird mit A−1 bezeichnet. Die Elemente aus A−1 werden auch Einheiten genannt. (1.4) Beispiele von Banach-Algebren. (a) End (Kn ) oder allgemeiner BL(E, E) (der Banach-Raum aller beschränkten linearen Operatoren des Banach-Raumes E in sich) mit der Komposition als Multiplikation. (b) Der Raum c mit der punktweisen Multiplikation. (c) Die Räume `p und c0 besitzen bezüglich der punktweisen Multiplikation kein EinsElement. (1.5) Definition. Eine Familie {aj }j∈J von Elementen aus A heißt absolut summierbar, wenn es für jedes ε > 0 eine endliche Teilmenge F ⊆ J gibt, so daß für jede zu F disjunkte 2 Kapitel 1: Bezeichnungen P endliche Teilmenge G ⊆ J stets j∈G ||aj || < ε gilt. Ein Element a ∈ A heißt Summe obiger Familie, falls es für jedes ε > 0 eine endliche Teilmenge F ⊆ J gibt, so daß für P jede endliche Teilmenge G ⊆ J mit F ⊆ G stets ||a − j∈G aj || < ε gilt. Man schreibt in P diesem Fall a = j∈J aj . Bemerkungen. (i) Jede absolut summierbare Familie {aj }j∈J besitzt eine eindeutige Summe und die Menge {j ∈ J | aj 6= 0} ist abzählbar: besitzt {aj }j∈J zwei Summen a1 und a2 , so gibt es zu vorgegebenem ε > 0 endliche Mengen F1 , F2 ⊆ J, so daß für alle endlichen G1 , G2 ⊆ J mit Fi ⊆ Gi gilt ||ai − X j∈Gi aj || < ε . 2 Damit ist für alle endlichen Teilmengen G ⊆ J mit F1 ∪ F2 ⊆ G ||a1 − a2 || = ||a1 − X j∈G aj − a2 + X aj || ≤ ||a1 − j∈G X aj || + ||a2 − j∈G X aj || < ε. j∈G Dies zeigt a1 = a2 . Ist die Menge {j ∈ J | aj 6= 0} überabzählbar, so gibt es mindestens 1 eines der (abzählbar vielen) Intervalle [ n+1 , n1 ] mit n ∈ N, welches die Normen von unendlich (sogar überabzählbar ) vielen Elementen ak für k ∈ K ⊆ J enthält. Die Summe dieser Elemente kann aber nicht konvergieren, da man G für jede Wahl von F beliebig groß in K wählen kann. Die Existenz einer Summe folgt nun wie bei normalen Folgen und Reihen. p (ii) Sei (αn )n∈N eine Folge in K. Für ρ := 1/ lim supn∈N n |αn | ∈ [0, ∞] konvergiert P n ρ absolut. n∈N αn x für ||x|| <P (iii) Die Potenzreihe n∈N xn konvergiert absolut für ||x|| < 1 und ihre Summe ist das Inverse von 1 − x in A. Insbesondere ist B1 (1) := {a ∈ A | ||a − 1|| < 1} ⊂ A−1 . P∞ 1 n (iv) Die Potenzreihe n=0 n! x konvergiert absolut für alle x ∈ A. P∞ (−1)n n (v) Die Potenzreihe n=1 n x konvergiert absolut für ||x|| < 1. (1.6) Definition. Seien U und V offene Teilmengen der Banach-Räume E und F . Eine Abbildung f : U → V heißt analytisch, falls es zu jedem u ∈ U eine positive reelle Zahl r, sowie eine Folge nicht negativer reeller Zahlen {αn }n∈N∪{0} gibt, so daß gilt: P n (AL1) n∈N αn r konvergiert, (AL2) Br (u) := {a ∈ E | ||a − u|| < r} ⊆ U , (AL3) es gibt eine Folge {An }n∈N stetiger multilinearer Abbildungen An : E n → F und ein A0 ∈ F mit ||A0 || ≤ α0 und sup ||h1 ||,...,||hn ||=1 ||An (h1 , . . . , hn )|| ≤ αn Kapitel 1: Bezeichnungen 3 für alle n ≥ 1, (AL4) für alle x ∈ Br (u) ist f (x) = ∞ X An (x − u)n , n=0 wobei An (x − u)n := An (x − u, . . . , x − u) ist. Die Darstellung (AL4) von f wird eine Potenzreihenentwicklung von f um u genannt. P∞ Bemerkung. (i) Konvergiert n=0 βn xn in einer Banach-Algebra A absolut auf Br (a), P∞ so ist die Abbildung f : Br (a) → A : x 7→ n=0 βn xn analytisch. (ii) Die Komposition analytischer Abbildungen ist analytisch. (iii) Sind f, g : U → V analytisch, so ist die Menge der Punkte u ∈ U , in denen die Potenzreihen-Entwicklung von f und g um u übereinstimmen sowohl offen als auch abgeschlossen in U . Ist insbesondere U zusammenhängend, und stimmen f und g auf einer nichtleeren offenen Teilmenge von U überein, so ist f = g. 4 Kapitel 2: Die Exponentialfunktion KAPITEL 2 Die Exponentialfunktion Sei A stets eine Banach-Algebra über K. Nach §1 ist die Summe konvergent auf A. (2.1) Definition. Die Abbildung exp : A → A : x 7→ dung von A. P∞ 1 n n=0 n! x 1 n n∈N n! x P absolut heißt Exponentialabbil- Bemerkung. Für x, y ∈ A mit xy = yx gilt P 1 (i) n! (x + y)n = i+j=n i!1 j!1 xi y j (Binomische Formel) (ii) exp(x + y) = exp x exp y (Funktionalgleichung der Exponentialfunktion) (iii) Nach (ii) ist exp x stets invertierbar, d.h. es ist exp : A → A−1 . (2.2) Definition. Die Abbildung log : B1 (1) → A : 1 + x 7→ − Logarithmus von A. P∞ n=1 (−1)n n n x heißt Bemerkung. Nach der letzten Bemerkung von §1 sind die Exponentialabbildung und der Logarithmus analytische Abbildungen. (2.3) Lemma. Sei N0 die Zusammenhangskomponente von 0 im Urbild exp−1 (B1 (1)) und setze D := {(x, y) ∈ A × A | exp x exp y ∈ B1 (1)}. Dann ist Blog 2 (0) ⊆ N0 und {(x, y) ∈ A × A | ||x|| + ||y|| < log 2} ⊆ D. Beweis. Es genügt, die zweite Inklusion zu beweisen, da die erste Inklusion ein Spezialfall (y = 0) der zweiten ist. Seien also x, y ∈ A mit ||x|| + ||y|| < log 2. Da in jeder BanachAlgebra die Relation ||xn || ≤ ||x||n für alle n ∈ N gilt, folgt aus der Stetigkeit der Norm und der Dreiecks-Ungleichung || exp x exp y − 1|| = || X 1 1 i j x y || ≤ ||x||i ||y||j i!j! i!j! i+j>0 i+j>0 X = e||x|| e||y|| − 1 = e||x||+||y|| − 1 < elog 2 − 1 = 1. Kapitel 2: Die Exponentialfunktion 5 (2.4) Proposition. Es gelten folgende Aussagen: (i) log(exp x) = x für alle x ∈ N0 . (ii) exp(log x) = x für alle x ∈ B1 (1). (iii) exp : N0 → B1 (1) ist ein analytischer Homöomorphismus mit analytischer N0 Umkehrabbildung log : B1 (1) → N0 . Beweis. (i) Betrachte die analytische Abbildung Ψ : N0 → A : x 7→ log(exp x) mit der P∞ Potenzreihenentwicklung Ψ(x) = n=0 ψn xn um 0. Für z ∈ K mit |z| < log 2 setze ψ : K → C : z 7→ ∞ X ψn z n . n=0 Dann ist ψ(z) = log(ez ) = z, woraus ψ0 = 0 und ψn = 0 für n > 1 folgt. Damit stimmen aber auch Ψ und die Identität in einer 0-Umgebung überein und es folgt Ψ = idN0 nach dem Identitätssatz für Potenzreihen (siehe letzte Bemerkung von §1). (ii) Wird analog zu (i) bewiesen. (iii) Nach der Definition von N0 ist exp(N0 ) ⊆ exp(exp−1 B1 (1)) ⊆ B1 (1). Aufgrund von (ii) ist log B1 (1) ⊆ exp−1 B1 (1). Da B1 (1) und damit auch log B1 (1) zusammenhängend sind, folgt log B1 (1) ⊆ N0 (denn N0 ist ja die Zusammenhangs-Komponente von 0 in exp−1 B1 (1)). Zusammen mit (i) und (ii) beweist dies (iii). (2.5) Definition. Die durch (x, y) 7→ x ∗ y := log(exp x exp y) : D → N0 definierte Multiplikation wird Campbell-Hausdorff-Multiplikation, kurz CH-Multiplikation, genannt. Dabei ist D wie in Lemma (2.3) definiert. Bemerkung. Die CH-Multiplikation ist eine analytische Abbildung, die mindestens auf der Menge B log 2 (0) × B log 2 (0) definiert ist. 2 2 (2.6) Proposition. Für x, y ∈ A mit ||x|| + ||y|| < log 2 läßt sich das Produkt x ∗ y durch eine absolut summierbare Familie wie folgt darstellen: x∗y = ∞ X Hn (x, y), n=1 wobei Hn (x, y) ein homogenes Polynom vom Grad n in den (i.a. nicht kommutierenden) Variablen x und y ist. Dabei gilt H1 (x, y) = x + y und 2H2 (x, y) = [x, y] = xy − yx. Außerdem ist ||x ∗ y|| ≤ − log(2 − e||x||+||y|| ). 6 Kapitel 2: Die Exponentialfunktion Beweis. Seien x, y ∈ A mit ||x|| + ||y|| < log 2. Dann ist exp x exp y ∈ B1 (1) nach (2.3) und es folgt χ(x, y) := exp x exp y − 1 ∈ B1 (0) sowie χ(x, y)n ∈ B1 (0) für alle n ∈ N. Überdies ist χ(x, y)n für n ≥ 1 die Summe der folgenden, absolut summierbaren Familie 1 p1 q1 pn qn Fn := Qn x y · . . . · x y p1 + q 1 , . . . , p n + q n > 0 . k=1 pk !qk ! Dann ist auch F := −(−1)n αn n ∈ N, αn ∈ Fn n eine absolut summierbaren Familie, deren Summe gerade ∞ ∞ X X −(−1)n −(−1)n χ(x, y)n = (exp x exp y − 1)n = log(exp x exp y) = x ∗ y n n n=1 n=1 ist. Sind r, s ∈ R mit r + s < log 2, ||x|| ≤ r und ||y|| ≤ s, so ist Pn Pn 1 pk qk Qn r k=1 s k=1 n ∈ N, p1 + q1 , . . . , pn + qn > 0 n k=1 pk !qk ! eine F majorisierende Familie, die ∞ ∞ X X 1 r s 1 r+s n (e e − 1) = (e − 1)n = − log(1 − (er+s − 1)) = − log(2 − er+s ) n n n=1 n=1 als Summe besitzt. Beachte dabei, daß 0 < 2 − er+s < 1 aus 0 ≤ r + s < log 2 folgt. Setze für d ∈ N ( ) n X Jd := ((p1 , q1 ), . . . , (pn , qn )) p1 + q1 , . . . , pn + qn > 0, (pk + qk ) = d , k=1 für x, y ∈ A Hd (x, y) := X ((p1 ,q1 ),...,(pn ,qn ))∈Jd −(−1)n Qn xp1 y q1 · . . . · xpn y qn , n k=1 pk !qk ! und für r, s ∈ R hd (r, s) := 1 X ((p1 ,q1 ),...,(pn ,qn ))∈Jd n Qn k=1 pk !qk ! r Pn k=1 pk Pn s k=1 qk . Dann sind Hd und hd homogene Polynome vom Grad d und es gilt H1 (x, y) = x + y und H2 (x, y) = 12 (xy − yx). Kapitel 2: Die Exponentialfunktion 7 (2.7) Korollar. Es gelten die folgenden Aussagen: (i) exp(x ∗ y) = exp x exp y für alle (x, y) ∈ D. (ii) Ist U eine Umgebung von 0, so daß die Produkte U ∗U , U ∗(U ∗U ) und (U ∗U )∗U definiert sind, so gilt x ∗ (y ∗ z) = (x ∗ y) ∗ z für alle x, y, z ∈ U . (iii) Für (x, y) ∈ D mit [x, y] := xy − yx = 0 und x + y ∈ N0 ist x ∗ y = x + y. (iv) Ist (x, −x) ∈ D, so ist x ∗ (−x) = (−x) ∗ x = 0. Beweis. (i) Für (x, y) ∈ D ist || exp x exp y − 1|| < 1. Damit können wir (2.4)(ii) anwenden und erhalten exp(x ∗ y) = exp(log(1 + (exp x exp y − 1))) = exp x exp y. (ii) Da die Multiplikation in A assoziativ ist, folgt aus (i) exp(x ∗ (y ∗ z)) = exp((x ∗ y) ∗ z) für alle x, y, z ∈ U . Wählen wir U so, daß U ∗ (U ∗ U ) ⊆ N0 ist, so gilt nach (2.4)(i) log(1 + (exp x exp(y ∗ z) − 1)) = log(exp(x ∗ (y ∗ z)) = x ∗ (y ∗ z) und log(1 + (exp(x ∗ y) exp z − 1)) = log(exp((x ∗ y) ∗ z) = (x ∗ y) ∗ z. (iii) Nach der ersten Bemerkung dieses Kapitels ist exp(x + y) = exp x exp y, falls x und y kommutieren. Ist zusätzlich (x, y) ∈ D, so folgt x ∗ y = log(exp x exp y) = log exp(x + y) = x + y. (iv) Folgt sofort aus (iii) und der Tatsache, daß x und −x kommutieren. Bemerkung. Das obige Korollar besagt, daß (U, ∗) eine lokale Gruppe mit Neutralelement 0 ist und die Exponentialfunktion exp : U → exp U ⊆ A−1 ein lokaler Isomorphismus U von (U, ∗) in die multiplikative Gruppe A−1 von A ist. Da die Multiplikation ∗ durch eine Potenzreihe gegeben ist, ist diese analytisch, Um die Operation ∗ zu definieren, haben wir von der gegebenen Banach-Algebra A die Skalarmultiplikation, die Addition und die Multiplikation verwendet. Im nächsten Kapitel wollen wir der Frage nachgehen, ob sich umgekehrt aus der Verknüpfung ∗ die drei Verknüpfungen von A zurückgewinnen lassen. 8 Kapitel 3: Lokale Gruppen und Lie-Algebren KAPITEL 3 Lokale Gruppen und Lie-Algebren Wir beginnen mit der Rekonstruktion der Skalarmultiplikation von A, da dies das einfachste Problem ist. Nach Korollar (2.7)(iii) ist für jedes x ∈ A die Abbildung t 7→ t · x : (−ε, ε) → A stetig und für s, t, s + t ∈ (−ε, ε) ist (s · x) ∗ (t · x) = (s + t) · x. Nach der einführenden Bemerkung zu Kapitel 2 ist t 7→ exp(t · x) : R → A−1 ein Homomorphismus zwischen topologischen Gruppen. Dies motiviert die folgenden beiden Definitionen. (3.1) Definition. Eine topologische Gruppe G = (G, ·, 1, τ ) ist sowohl eine Gruppe (G, ·, 1) als auch ein topologischer Raum (G, τ ), so daß die Abbildung G × G → G : (x, y) 7→ x · y −1 stetig ist. Dabei ist G × G mit der Produkttopologie versehen. Bemerkung. Jede Untergruppe H einer topologischen Gruppe G, die eine offene Menge S U enthält, ist offen, denn wir können H schreiben als H = x∈H xU . Die Mengen xU sind offen, da die Translationen λx : z 7→ xz Homöomorphismen sind. Jede offene Untergruppe einer zusammenhängenden Gruppe G ist gleich der Gruppe G. Eine topologische Gruppe G ist genau dann diskret, wenn {1} offen ist. (3.2) Definition. Eine Einparameter-Gruppe einer topologischen Gruppe G ist ein stetiger Gruppen-Homomorphismus P : R → G. Sei Hom(R, G) die Menge aller EinparameterGruppen, ausgestattet mit der kompakt-offenen Topologie τco . Eine Subbasis von τco ist gegeben durch Mengen der Form (C, O) := {ϕ : R → G | ϕ(C) ⊆ O}, wobei C ⊆ R kompakt und O ⊆ G offen ist. Diesen topologischen Raum bezeichnen wir mit L(G). Eine lokale Einparameter-Gruppe von G ist eine stetige Abbildung ρ : I → G, wobei I ⊆ R ein offenes Intervall mit 0 ∈ I ist, für die ρ(s + t) = ρ(s)ρ(t) gilt, falls s, t, s + t ∈ I ist. Bemerkung. Ist G eine topologische Gruppe, deren Topologie von einer Norm induziert wird, so ist τco gerade die Topologie der gleichmäßigen Konvergenz auf kompakten Mengen von R. Da in diesem Fall R eine abzählbare Basis kompakter Mengen und G abzählbare Umgebungsbasen besitzt, besitzt τco ebenfalls abzählbare Umgebungsbasen, d.h. die Konvergenz in L(G) läßt sich mit Hilfe von Folgen beschreiben. Kapitel 3: Lokale Gruppen und Lie-Algebren 9 Ein wichtiges Ergebnis ist, daß sich lokale Einparameter-Gruppen stets eindeutig zu (globalen) Einparameter-Gruppen fortsetzen lassen. (3.3) Lemma. Jede lokale Einparameter-Gruppe ρ : I → G einer topologischen Gruppe G besitzt eine eindeutige Fortsetzung zu einer Einparameter-Gruppe P : R → G. Beweis. Sei r ∈ R. Dann gibt es eine natürliche Zahl n, so daß nr ∈ I ist (I ist ja r eine offene Umgebung von 0). Seien m, n ∈ N mit nr , m ∈ I. Da I ein Intervall ist, gilt kr mn ∈ I für alle k ∈ {0, 1, . . . , max {m, n}}. Da ρ ein lokaler Homomorphismus ist, haben r k+1 kr r wir ρ mn = ρ mn ρ mn für alle k ∈ {0, 1, . . . , max {m, n} − 1}. Damit ist ρ r mn r m n mr n r n = ρ = ρ = ρ . mn mn mn n Vertauschen wir die Rollen von m und n, so erhalten wir ebenso r mn r m = ρ . ρ mn m Somit können wir widerspruchsfrei für jedes n ∈ N mit P(r) := ρ r n ∈I r n n definieren. Die Abbildung P ist ein Homomorphismus: Seien dazu r, s ∈ R und wähle n ∈ N so, daß nr , ns und r+s n in I liegen. Dann ist r s s r r+s s+r ρ =ρ =ρ =ρ ρ ρ n n n n n n und damit folgt P(r + s) = ρ r+s n n r s n r n s n =ρ ρ = P(r)P(s). = ρ ρ n n n n Es ist P = ρ, da wir für r ∈ I in der Definition von P n = 1 setzen können. Da P damit I ein Gruppenhomomorphismus ist, der an der Stelle 0 stetig ist, ist P überhaupt stetig. Sind schließlich P und P0 zwei Fortsetzungen von ρ, so ist E := {r ∈ R | P(r) = P0 (r)} eine abgeschlossene Untergruppe von R, die das Intervall I enthält. Also ist E auch offen. Da R zusammenhängend ist, folgt somit E = R und P = P0 . (3.4) Proposition (Rekonstruktion der Skalarmultiplikation). Es sei A eine BanachAlgebra. Die Abbildung α : A → L(A−1 ) : x 7→ (t 7→ exp(t · x) : R → A−1 ) ist ein Homöomorphismus. Für x ∈ A und t ∈ R gibt es also genau eine Einparametergruppe 10 Kapitel 3: Lokale Gruppen und Lie-Algebren e x : R → (A, +) mit P e x (1) = x, und es ist t · x = P e x (t), d.h. die Skalarmultiplikation von P A läßt sich aus der lokalen Verknüpfung ∗ zurückgewinnen. Beweis. (i) α is injektiv: Sei exp(t · x) = exp(t · y) für alle t ∈ R. Wähle r > 0 so klein, daß aus |t| < r stets t · x, t · y ∈ N0 folgt. Dann gilt für alle solchen t t · x = log exp(t · x) = log exp(t · y) = t · y, woraus x = y folgt. (ii) α ist surjektiv: Sei P : R → A−1 eine Einparameter-Gruppe. Wähle r > 0 so klein, so daß ||P(t) − 1|| < 1 für alle t mit |t| < r gilt. Setze I := (−r, r). Dann ist die Abbildung ρ : I → A : t 7→ log P(t) stetig und für s, t, s + t ∈ I ist ρ(s + t) = log(P(s)P(t)) = (log P(s)) ∗ (log P(t)) = ρ(s) ∗ ρ(t). Sei AP die von P(R) erzeugte, abgeschlossene Unteralgebra von A. Mit P(R) ist auch AP kommutativ. Nach der Definition des Logarithmus durch eine Potenzreihe ist ρ(t) ∈ AP für alle t ∈ I. Nach Korollar (2.7)(iii) ist x ∗ y = x + y für alle (x, y) ∈ A2P ∩ D mit x + y ∈ N0 . Insbesondere ist also ρ(s) ∗ ρ(t) = ρ(s) + ρ(t) und ρ : I → (A, +) ist eine lokale Einparametergruppe von (A, +). Nach Lemma (3.3) besitzt ρ eine eindeutige Fortsetzung e : R → (A, +). Dann ist n · P(1) e e zu einer Einparametergruppe P = P(n) für alle n ∈ Z. Für e e e e e e m ∈ N ist m · P(n/m) = P(m(n/m)) = P(n) = n · P(1), woraus P(n/m) = (n/m) · P(1) e e e stetig ist und Q dicht in R liegt, gilt folgt. Also gilt P(t) = t · P(1) für alle t ∈ Q. Da P e diese Gleichung auch für alle reellen t. Setze x := P(1). Dann ist e α(x) : R → A−1 : t 7→ exp(t · x) = exp P(t) eine Einparametergruppe, für die α(x)(t) = exp ρ(t) = exp log P(t) = P(t) gilt, falls |t| < r ist. Aufgrund der Eindeutigkeit der Fortsetzung folgt nun P = α(x), was die Surjektivität von α zeigt. (iii) α ist stetig: Sei dazu (xn )n eine Folge in A mit limn→∞ xn = x ∈ A. Für jede kompakte Menge K ⊆ R konvergiert (t · xn )n gleichmäßig auf K gegen t · x. Insbesondere gibt es eine abgeschlossene Kugel B um 0 in A, die die Mengen K · xn (n ∈ N) und K · x enthält. Da exp : A → A−1 gleichmäßig stetig auf der beschränkten Menge B ist (dies folgt wie im Falle der Exponentialfunktion auf C), konvergiert exp t · xn = α(xn )(t) gleichmäßig auf K gegen exp t · x = α(x)(t). (iv) α−1 ist stetig: Sei dazu limn→∞ Pn = P in L(A−1 ). Sei r > 0 so klein gewählt, daß P(r) und Pn (r) für alle n ∈ N in B1 (1) liegen. Dann ist r · α−1 (P) = log P(r) = limn→∞ log Pn (r) = limn→∞ r · α−1 (Pn ). Wegen r 6= 0 folgt hieraus α−1 (P) = lim α−1 (Pn ). n→∞ Kapitel 3: Lokale Gruppen und Lie-Algebren 11 Es folgt die Rekonstruktion der Addition von A. (3.5) Proposition (Rekonstruktion der Addition). Sei A eine Banach-Algebra. Dann ist für alle x, y ∈ A 1 1 ·x ∗ ·y . x + y = lim n n→∞ n n Insbesondere ist exp(x + y) = lim exp n→∞ n 1 1 · x exp ·y . n n Beweis. Seien x, y ∈ A und wähle p ∈ N so, daß ||x||, ||y|| < ∞ X p · Hk k=1 1 1 · x, · y p p =p· p 2 log 2 ist. Dann ist 1 1 ·x ∗ ·y p p absolut summierbar und besitzt ∞ X k=1 1 pk−1 hk (||x||, ||y||) P∞ 1 hk (||x||, ||y||) < 12 ε. ist. Wähle als Majorante. Sei ε > 0. Sei q ∈ N so, daß k=q+1 pk−1 N ∈ N mit N > p, so daß für alle n > N q q X 1 1X 1 1 Hk (x, y) ≤ hk (||x||, ||y||) < ε k−1 k−2 n n n 2 k=2 k=2 gilt. Für n > N gilt daher ∞ X 1 1 1 1 n · · x ∗ · y − (x + y) = n · Hk · x, · y n n n n k=2 q ∞ X 1 X 1 1 ≤ Hk (x, y) + n · Hk · x, · y k−1 n n n k=2 ≤ ≤ ≤ 1 ε+ 2 1 ε+ 2 k=q+1 ∞ X k=q+1 ∞ X k=q+1 1 nk−1 1 pk−1 1 1 ε + ε = ε, 2 2 hk (||x||, ||y||) hk (||x||, ||y||) 12 Kapitel 3: Lokale Gruppen und Lie-Algebren was die erste Gleichung beweist. Die zweite Gleichung folgt aus der ersten mit Hilfe von Korollar (2.7)(i). Um die Multiplikation von A zu rekonstruieren, könnte man versuchen, analog wie in der vorherigen Proposition vorzugehen: für a, b ∈ B1 (1) setze a · b = exp((log a) ∗ (log b)). Es zeigt sich aber, daß sich diese Formel nicht für Elemente außerhalb von B1 (1) fortsetzen läßt. Stattdessen rekonstruiert man die Klammer-Operation [x, y] = xy − yx. Für x, y in einer hinreichend kleinen Umgebung der 0 und n ∈ N gilt 1 1 −1 −1 x∗ y ∗ x∗ y n n n n 1 1 1 1 1 1 = (x + y) + 2 [x, y] + 3 (. . .) ∗ (−x − y) + 2 [x, y] + 3 (. . .) n 2n n n 2n n 1 1 = 2 [x, y] + 3 (. . .). n n Beachte dabei, daß [ n1 (x + y), n1 (−x − y)] = folgt wie in der Proposition zuvor: 1 n2 [x + y, −(x + y)] = 0 ist. Aus dieser Formel (3.6) Proposition (Rekonstruktion der Klammer). Sei A eine Banach-Algebra. Dann ist für alle x, y ∈ A 1 1 −1 −1 2 x∗ y∗ x∗ y . [x, y] = lim n n→∞ n n n n Insbesondere ist 1 1 exp[x, y] = lim comm exp x, exp y n→∞ n n wobei comm(a, b) := aba−1 b−1 ist. n 2 , (3.7) Definition. Sei K ein beliebiger Körper. Ein Vektorraum L über K mit einer bilinearen Multiplikation L × L → L : (x, y) 7→ [x, y], genannt die Lie-Klammer, heißt eine Lie-Algebra über K, falls gilt (LA1) ∀ x ∈ L : [x, x] = 0 (LA2) (Jacobi-Identität) ∀ x, y, z ∈ L : [x, [y, z]] + [y, [z, x]] + [z, [x, y]] = 0 Eine lineare Abbildung f : L → M zwischen zwei Lie-Algebren heißt Lie-AlgebrenHomomorphismus, falls f ([x, y]) = [f (x), f (y)] für alle x, y ∈ L gilt. Bemerkung. Nach (LA1) ist 0 = [x+y, x+y] = [x, x]+[x, y]+[y, x]+[y, y] = [x, y]+[y, x], also folgt Kapitel 3: Lokale Gruppen und Lie-Algebren 13 (LA1’) ∀ x, y ∈ L : [x, y] = −[y, x]. Ist die Charakteristik von K nicht 2, so folgt umgekehrt aus (LA1’) die Eigenschaft (LA1). (3.8) Beispiele. (1) Ist A eine assoziative Algebra über einem Körper K, so wird A durch [x, y] := xy − yx zu einer Lie-Algebra (A, [., .]) über K. Jeder Untervektorraum U von A mit [U, U ] ⊆ U wird zu einer Lie-Unteralgebra (U, [., .]). (2) Ist E ein K-Vektorraum, so ist A = Hom(E, E) bezüglich der in (1) definierten LieKlammer eine Lie-Algebra über K. Wir schreiben gl(E) = (A, [., .]). Ist E = Kn , so schreiben wir gl(n, K) für diese Lie-Algebra; sie läßt sich als die Lie-Algebra aller n × nMatrizen über K beschreiben. Der Untervektorraum sl(n, K) aller n × n-Matrizen über K mit Spur 0 ist abgeschlossen unter der Lie-Klammer und ist daher eine Lie-Unteralgebra von gl(n, K). (3) Sei E ein K-Vektorraum mit einer bilinearen Multiplikation (x, y) 7→ xy. Ein Vektorraum-Endomorphismus D : E → E, für den D(xy) = (Dx)y + x(Dy) für alle x, y ∈ E gilt, heißt eine Derivation von E. Die Menge Der(E) aller Derivationen von E ist eine LieUnteralgebra von (Hom(E, E), [., .]); die Rechnung [Der(E), Der(E)] ⊆ Der(E) ist leicht zu verifizieren. (3.9) Definition. Sei L eine Lie-Algebra und sei x ∈ L. Die Abbildung ad (x) : L → L : y 7→ ad (x)(y) := [x, y] ist aufgrund der Jacobi-Identität eine Derivation von L, die eine innere Derivation von L genannt wird. Für den Rest dieses Kapitels sei A stets eine Banach-Algebra. Wir bezeichnen mit A den Vektorraum aller stetigen linearen Endomorphismen des Vektorraumes A. Bezüglich der Komposition als Multiplikation und der Operatornorm wird A selbst wieder zu einer Banach-Algebra. Insbesondere ist A−1 eine topologische Gruppe und wir haben wie in Kapitel 2 eine Exponentialfunktion expA : A → A−1 . Anstatt expA (T ) werden wir auch häufig eT schreiben. Die Gruppe Aut(A) aller Automorphismen der Banach-Algebra A ist eine abgeschlossene Untergruppe von A−1 und damit insbesondere eine topologische Gruppe (in der Spurtopologie). (3.10) Definition. (i) Für x ∈ A sei L(x) : A → A : y 7→ xy und R(x) : A → A : y 7→ yx. Diese Abbildungen sind linear. (ii) Für g ∈ A−1 setze Ad (g) : A → A : x 7→ gxg −1 . Diese Abbildung ist ein Automorphismus von A, genannt ein innerer Automorphismus von A. (iii) Eine Derivation der Banach-Algebra A ist eine stetige Derivation des Vektorraumes A. Die Lie-Algebra Der(A) aller Derivationen von A ist eine Lie-Unteralgebra von (A, [., .]). Für jedes a ∈ A ist die innere Derivation ad (a) : A → A : x 7→ [a, x] eine stetige Derivation von A. 14 Kapitel 3: Lokale Gruppen und Lie-Algebren (3.11) Lemma. Sei x, y ∈ A und g ∈ A−1 . Dann gilt: (i) L(x), R(x) ∈ A und es gilt [L(x), R(y)] = 0. (ii) L : A → A ist ein kontraktiver Morphismus zwischen Banach-Algebren. (iii) R : A → Aop ist ein kontraktiver Morphismus zwischen Banach-Algebren, wobei Aop = (A, ◦) mit S ◦ T = T S die zu A entgegengesetzte Banach-Algebra ist. (iv) Die Abbildungen L : A−1 → A−1 und g 7→ R(g)−1 : A−1 → A−1 sind Morphismen zwischen topologischen Gruppen. (v) Ad (g) = L(g)R(g)−1 = R(g)−1 L(g) : A → A und Ad : A−1 → Aut(A) sind Morphismen zwischen topologischen Gruppen. Die Abbildung Ad heißt adjungierte Darstellung von A−1 . (vi) ad (x) = L(x) − R(x) : A → A und ad : (A, [., .]) → Der(A) ist ein Morphismus zwischen Lie-Algebren. Die Abbildung ad heißt adjungierte Darstellung von (A, [., .]). Beweis. (i) Da die Multiplikation in A stetig ist, sind die Abbildungen L(x) und R(x) stetig. Die Linearität dieser Abbildungen entspricht den beiden Distributivgesetzen und den Axiomen für die Skalarmultplikation. Für z ∈ A ist [L(x), R(y)](z) = L(x)R(y)(z) − R(y)L(x)(z) = x(zy) − (xz)y = 0. (ii), (iii) Aus den beiden Distributivgesetzen folgt auch L(x + y) = L(x) + L(y) und R(x + y) = R(x) + R(y). Die Relationen L(xy) = L(x)L(y) und R(xy) = R(y)R(x) sind äquivalent zum Assoziativgesetz der Multiplikation. Die Ungleichung ||xy|| ≤ ||x|| ||y|| übersetzt sich in ||L(x)|| ≤ ||x|| und ||R(y)|| ≤ ||y||. Also sind L und R kontraktive Morphismen zwischen Banach-Algebren. (iv) Die Enschränkungen der Abbildungen L und R auf A−1 sind Homomorphismen. Da diese kontraktiv sind, sind sie insbesondere stetig. (v) Für z ∈ A ist Ad (g)(z) = gzg −1 = L(g)R(g −1 )(z), also gilt Ad (g) = L(g)R(g −1 ) = L(g)R(g)−1 . Da Multiplikation und Inversion stetig sind, ist Ad ∈ Aut(A). Da L und R kommutierende Morphismen zwischen A−1 und A−1 sind, ist auch Ad : A−1 → Aut(A) ein Morphismus zwischen topologischen Gruppen. (vi) Es ist ad (x)(y) = xy − yx = L(x)(y) − R(x)(y), also ad (x) = L(x) − R(x). Mit L und R ist auch ad linear und stetig. Schließlich ist die Jacobi-Identität äquivalent zu ad [x, y] = [ad (x), ad (y)]. P∞ (3.12) Lemma. Sei n=0 an xn eine konvergente Potenzreihe in A. Dann gilt: P∞ P∞ (i) Es ist α( n=0 an xn ) = n=0 an α(x)n für jeden stetigen Algebren-Morphismus α : A → A. P∞ P∞ P∞ P∞ (ii) L( n=0 an xn ) = n=0 an L(x)n und R( n=0 an xn ) = n=0 an R(x)n . (iii) α(exp x) = exp α(x), L(exp x) = eL(x) und R(exp x) = eR(x) . Kapitel 3: Lokale Gruppen und Lie-Algebren 15 (3.13) Proposition. Seien x, y ∈ A und g ∈ A−1 . Dann gilt: (i) g(exp x)g −1 = exp((Ad g)(x)). (ii) Ad ◦ expA = expA ◦ ad , d.h. das folgende Diagramm ist kommutativ: A expA adDer(A) expA ? −1 A ? Ad - Aut(A) (iii) exp x exp y exp −x = exp(ead (x) y). (iv) x ∗ y ∗ −x = ead (x) y = y + [x, y] + 21 [x, [x, y]] + . . . für alle x, y in einer hinreichend kleinen Umgebung der 0. Beweis. (i) folgt aus Lemma (3.12)(iii) mit α = Ad (g). (ii) Nach Lemma (3.11)(vi) ist ead (x) = eL(x)−R(x) = eL(x) e−R(x) . Lemma (3.12)(iii) sagt eL(x) e−R(x) = L(exp x)R(exp x)−1 und nach Lemma (3.11)(v) ist L(exp x)R(exp x)−1 = Ad (exp x). (iii) Folgt aus (i) und (ii) mit g = exp x. (iv) Wähle eine Null-Umgebung U so klein, so daß ead (x) y ∈ N0 und x ∗ y, x ∗ y ∗ −x ∈ N0 für alle x, y ∈ U gilt. Dann ist exp(x ∗ y ∗ −x) ∈ B1 (1) und es ist x ∗ y ∗ −x = log exp(x ∗ y ∗ −x) = log(exp x exp y exp −x) nach Korollar (2.7)(i). Nun zeigt (iii), daß exp(x ∗ y ∗ −x) = exp(ead (x) y) gilt, und die Behauptung folgt durch Anwenden des Logarithmus. Bemerkung. Die Abbildung (x, y) 7→ ead (x) y : A × A → A ist auf ganz A × A definiert, dort analytisch und linear in y. In einer Umgebung von (0, 0) (und damit auf jeder Umgebung von (0, 0), auf der x∗y∗−x definiert ist) stimmt diese Abbildung mit (x, y) 7→ x∗y∗−x überein. (3.14) Korollar. Sei x ∈ A und sei V ein abgeschlossener Untervektorraum von A. Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent: (i) [x, V ] ⊆ V . (ii) et·ad x V = V für alle t ∈ R. (iii) Ad (exp t · x)V = (exp t · x)V (exp −t · x) = V für alle t ∈ R. log 2 2 ad x Für ||x|| < (iv) e sind (i), (ii), (iii) äquivalent zu V =V. 16 Kapitel 3: Lokale Gruppen und Lie-Algebren Beweis. (i) =⇒ (ii): Nach (i) ist der Unterraum V invariant unter ad x. Aus der Potenzreihendarstellung von e−t·ad x ist damit et·ad x V ⊆ V für alle t ∈ R. Hierbei geht die Abgeschlossenheit von V ein! Insbesondere ist auch e−(t·ad x) V = e−t·ad x V ⊆ V für alle t ∈ R, was V ⊆ et·ad x V zur Folge hat. (ii) ⇐⇒ (iii): Folgt sofort aus Proposition (3.13)(ii) und der Linearität von ad x. (ii) =⇒ (iv): trivial. (ii) =⇒ (i): Für v ∈ V ist t·ad x e ∞ X 1 (t · ad x)n v v= n! n=0 ∞ X 1 (t · ad x)n v = v + t[x, v] + n! n=2 = v + t[x, v] + t also [x, v] + t · 2 ∞ X tn (ad x)n+2 v, (n + 2)! n=0 ∞ X tn 1 (ad x)n+2 v = (et·ad x v) − v . (n + 2)! t n=0 Nach (ii) ist die rechte Seite der letzten Gleichung in V . Da V abgeschlossen ist, haben wir 1 [x, v] = lim (et·ad x v) − v ∈ V. 06=t→0 t (iv) =⇒ (i): Sei x ∈ A mit ||x|| < log 2 2 . Dann ist ||ad (x)(y)|| = ||[x, y]|| = ||xy − yx|| ≤ 2||x|| ||y|| < (log 2)||y||, woraus ||ad x|| < log 2 in A folgt. Nach Lemma (2.3) ist damit ||ead x − idA || < 1. Also können wir ad x = log ead x = log(idA + (ead x − idA )) schreiben. Der Unterraum V ist invariant unter ead x und damit auch unter T = ead x − idA . Damit ist V auch invariant unter 1 1 T − T 2 + T 3 ∓ . . . = log(idA + T ) = ad x. 2 3 was zu beweisen war. (3.15) Korollar. Sei x ∈ A mit ||x|| < log2 2 . Dann gilt: n P∞ ad x (i) ad x = − n=1 (−1) − idA )n . n (e (ii) es ist [x, y] = 0 genau dann, wenn ead x y = y gilt. Kapitel 3: Lokale Gruppen und Lie-Algebren 17 Beweis. (i) wurde schon in Korollar (3.14) bewiesen. Aus ad x e y=y+ ∞ X 1 (ad x)n [x, y] (n + 1)! n=0 sieht man, daß aus [x, y] = 0 stets ead x y = y folgt. Ist ||x|| < log2 2 , so läßt sich ad x n P∞ ad x nach (i) schreiben als ad x = − n=1 (−1) − idA )n . Also folgt aus ead x y = y die n (e Beziehung ad (x)(y) = [x, y] = 0. 18 Kapitel 4: Das Differential der Exponentialabbildung KAPITEL 4 Das Differential der Exponentialabbildung Betrachte die Abbildung ∞ X 1−e−z (−1)n n z = f :C→C:z→ 7 z (n + 1)! 1 n=0 für z 6= 0 für z = 0 Wegen f −1 (0) = 2πiZ \ {0} bekommen wir eine analytische Abbildung g : C \ f −1 (0) → C : z 7→ 1 1 = 1 + z + .... f (z) 2 P∞ (−1)n n Wir werden im folgenden die komplexen Abbildungen f : z 7→ n=0 (n+1)! z und g = auch als analytische Abbildungen auf den Banach-Algebren A und A auffassen. 1 f (4.1) Lemma. Seien x, y ∈ A mit [x, y] = 0. Dann ist (exp x)f (x − y) = ∞ X X 1 xp y q . n! p+q=n−1 n=1 Beweis. Wir argumentieren im Körper K((x, y)) der formalen Laurentreihen in den kommutierenden Unbestimmten x und y. Die Gleichung ist klar für x = y. Seien also x und y verschieden mit [x, y] = 0. Dann ist für alle n ∈ N n−1 X X xn − y n = xn−p−1 y p = xp y q . x−y p=0 p+q=n−1 Dies ergibt nach der Produktregel für konvergente Reihen (exp x)f (x − y) = (exp x) woraus die Behauptung folgt. exp x − exp y 1 − exp(y − x) = , x−y x−y Kapitel 4: Das Differential der Exponentialabbildung 19 (4.2) Lemma. Für x, y ∈ A mit ||y|| ≤ 1 ist exp(x + y) − exp x = (exp x)f (ad x)y + ρ(x, y) mit ||ρ(x, y)|| ≤ ||y||2 e1+||x|| . Beweis. Wir benötigen als erstes die Binomial-Formeln für zwei nichtkommutierende Elemente x und y. Sei dazu n ∈ N und setze N := {1, . . . , n}. Für J ⊆ N definiere u(J) = u1 (J) · . . . · un (J) mit uk (J) = y falls k ∈ J x falls k ∈ N \ J Insbesondere ist dann u(∅) = xn und u({k}) = xk−1 yxn−k = (L(x)k−1 R(x)n−k )(y). Dies ergibt X X u(J) = (L(x)p R((x)q )(y). p+q=n−1 J⊆N,|J|=1 Nun ist (x + y)n = X J⊆N mit ρn (x, y) = P J⊆N,|J|≥2 ||ρn (x, y)|| ≤ X u(J) = xn + u(J) + ρn (x, y) J⊆N,|J|=1 u(J). Für ||y|| ≤ 1 ist X n−|J| ||x|| |J| ||y|| J⊆N,|J|≥2 n X n = ||x||n−m ||y||m m m=2 n X n ≤ ||y|| ||x||n−m ≤ ||y||2 (1 + ||x||)n , m m=0 2 woraus || (1 + ||x||)n 1 ρn (x, y)|| ≤ ||y||2 n! n! folgt. Dies ergibt ∞ X 1 exp(x + y) = exp x + n! n=1 mit ! X L(x)p R(x)q p+q=n−1 ∞ X 1 ρ(x, y) = ρn (x, y) n! n=1 und ||ρ(x, y)|| ≤ ||y||2 e1+||x|| (y) + ρ(x, y) 20 Kapitel 4: Das Differential der Exponentialabbildung für ||y|| ≤ 1. Die linearen Operatoren L(x) und R(x) kommutieren und es ist L(x)−R(x) = ad x. Damit gilt nach Lemma (4.1) L(x) e ∞ X X 1 f (ad x) = L(x)p R(x)q n! p+q=n−1 n=1 für alle x ∈ A. Also gilt für alle x, y ∈ A mit ||y|| ≤ 1 exp(x + y) = exp x + eL(x) f (ad x)y + ρ(x, y) = exp x + L(exp x)f (ad x)y + ρ(x, y) = exp x + (exp x)f (ad x)y + ρ(x, y). (4.3) Definition. Seien E und F Banach-Räume und sei f : U → F eine Abbildung von der offenen Teilmenge U von E in F . Die Ableitung von f in u ∈ U ist ein linearer Operator 1 r(u, h) = 0 ist. f 0 (u) : E → F mit f (u + h) − f (u) = f 0 (u)h + r(u, h), wobei lim06=h→0 ||h|| Aus der obigen Definition folgt mit Hilfe von Lemma (4.2) sofort die Ableitung der Exponentialfunktion. (4.4) Korollar. Die Ableitung von exp in a ∈ A ist gegeben durch exp0 (a)h = (exp a)f (ad a)h = (exp a) idA − e−ad a h ad a bzw. durch L−1 (exp a) exp0 a = L(exp −a) exp0 a = f (ad a). (4.5) Definition. Eine offene ε-Kugel B um 0 mit ε ≤ 1 heißt normal, wenn gilt: (a) B ∗ (B ∗ B) und (B ∗ B) ∗ B ist definiert, (b) für alle x, y, z ∈ B ist x ∗ (y ∗ z) = (x ∗ y) ∗ z, (c) für alle x, y ∈ B und alle t ∈ [0, 1] ist ||x ∗ t · y|| < π. Bemerkung. Aufgrund der Stetigkeit der Operation ∗ und der Skalarmultiplikation gibt es stets eine normale Umgebung. (4.6) Theorem. Sei B eine normale Umgebung. Dann gelten die folgenden Aussagen: Kapitel 4: Das Differential der Exponentialabbildung 21 (i) Zu jedem x ∈ B gibt es eine Umgebung V von 0 und C1 , C2 ∈ R, so daß für alle y∈V (−x) ∗ (x + y) = f (ad x)(y) + o1 (x, y), ||o1 (x, y)|| ≤ ||y||2 C1 (1) x ∗ y = x + g(ad x)(y) + o2 (x, y), ||o2 (x, y)|| ≤ ||y||2 C2 (2) gilt. (ii) Seien x, y ∈ B und sei g die kleinste abgeschlossene Lie-Unteralgebra von (A, [., .]), die x und y enthält. Dann ist x ∗ y − (x + y) ∈ [g, g] und x ∗ y ∈ g. Beweis. (i) Für x ∈ B setze F (y) := (−x) ∗ (x + y) und G(y) := (−x) + (x ∗ y). Diese Abbildungen sind auf geeigneten Null-Umgebungen definiert und dort nach Korollar (2.7) invers zueinander: F (G(y)) = (−x) ∗ (x + (−x) + (x ∗ y)) = (−x) ∗ (x ∗ y) = ((−x) ∗ x) ∗ y = 0 ∗ y = 0 + y = y und G(F (y)) = (−x)+(x∗((−x)∗(x+y))) = (−x)+((x∗(−x))∗(x+y)) = (−x)+(0+(x+y)) = y. Damit gilt für die Ableitungen G0 (0) = F 0 (0)−1 . Da beide Abbildungen analytisch sind, beweist dies die Äquivalenz der beiden Gleichungen in (i). Wir werden im folgenden die erste Gleichung beweisen. Seien dazu −x, x + y ∈ B und ||y|| < 1. Nach Lemma (4.2) ist exp(x + y) = exp x · (1 + f (ad x)y + σ(x, y)) mit σ(x, y) := e−x ρ(x, y). Also ist ||σ(x, y)|| ≤ ||y||2 e1+2||x|| . Korollar (2.7) ergibt aus der obigen Gleichung exp((−x) ∗ (x + y)) = exp(−x) exp(x + y) = 1 + f (ad x)y + σ(x, y). Für hinreichend kleine y können wir auf beiden Seiten logarithmieren und erhalten so (−x) ∗ (x + y) = log(1 + f (ad x)y + σ(x, y)) = f (ad x)y + τ (x, y) mit ||τ (x, y)|| ≤ ||y||2 r(||x||, ||y||), wobei r eine analytische Funktion auf einer offenen Umgebung von (0, 0) in R2 ist. (ii) Seien x, y ∈ B. Nach Definition (4.5)(a) ist ϕ : t 7→ x ∗ t · y : [0, 1] → A definiert und nach (b) ist ||ϕ(t)|| < π, woraus ||ad ϕ(t)|| < 2π folgt. Teil (i), Definition (4.5)(a) und Lemma (4.2) besagen nun ϕ(t + h) = x ∗ (t + h) · y = x ∗ (t · y + h · y) = x ∗ (t · y ∗ h · y) = (x ∗ t · y) ∗ h · y = ϕ(t) ∗ h · y = ϕ(t) + h · g(ad ϕ(t))(y) + o2 (x, h · y). 22 Kapitel 4: Das Differential der Exponentialabbildung Dies zeigt ϕ0 (t) = g(ad ϕ(t))(y). Sei U eine offene Nullumgebung so, daß ||u + x + t · y|| < π für alle u ∈ U und alle t ∈ [0, 1] gilt. Eine solche Umgebung U existiert, da der Radius von B höchstens 1 ist und deshalb ||x + y|| ≤ 2 < π gilt. Setze v := [g, g] ⊆ g. Die Abbildung Λt : U → A : u 7→ g(ad (u + x + t · y))(y) − y ist ein von t abhängiges Vektorfeld auf U mit Λt (u) ∈ v für alle u ∈ U ∩ g. Verwende dazu die Reihenentwicklung 1 + z2 + . . . von g. Betrachte die Kurve β : [0, 1] → A : t 7→ x ∗ t · y − (x + t · y). Es ist β 0 (t) = ϕ0 (t) − y = g(ad ϕ(t))(y) − y = Λt (β(t)). Das Anfangswertproblem ω 0 (t) = Λt (ω(t)), ω(0) = 0 im Banach-Raum v hat in v eine eindeutige lokale Lösung ω : [0, ε) → U ∩g. Betrachtet man das obige Anfangswertproblem in A, so besitzt dieses dort eine eindeutige lokale Lösung Ω, die aufgrund der Eindeutigkeit mit ω auf [0, ε) übereinstimmt. In A kennen wir aber eine Lösung, nämlich β. Also ist ω = β . Die analytische Kurve t 7→ β(t)+v : [0, 1] → A v [0, ε) in den Quotientenraum A v ist Null auf dem Intervall [0, ε) und ist daher aufgrund der Analytizität konstant Null auf [0, 1]. Also ist insbesondere x ∗ y − (x + y) = β(1) ∈ v und es folgt x ∗ y ∈ x + y + v ⊆ g. (4.7) Theorem. Seien A und A0 Banach-Algebren und sei B eine normale Umgebung in A. Sei g eine abgeschlossene Lie Unteralgebra von (A, [., .]). Ist T : g → A0 eine stetige lineare Abbildung mit T [x, y] = [T x, T y], so ist T (x ∗ y) = (T x) ∗ (T y) für alle x, y ∈ B ∩ g. Beweis. Wie im letzten Beweis setze ϕ : t 7→ x ∗ t · y : [0, 1] → A. Da g abgeschlossen ist, ist [g, g] ⊆ g Nach Theorem (4.6)(ii) folgt daher ϕ(t) = x ∗ t · y ∈ g für alle x, y ∈ B ∩ g und alle t ∈ [0, 1]. Dann ist aber auch y + 21 [ϕ(t), y] + . . . = g(ad ϕ(t))(y) = ϕ0 (t) ∈ g. Da T mit der Lie-Klammer vertauscht, folgt T (g(ad ϕ(t))(y)) = g(ad T ϕ(t))(T y). Also ist ψ := T ϕ : [0, 1] → A0 die eindeutige Lösung des Anfangswertproblems ψ 0 (t) = g(ad ψ(t))(T y), ψ(0) = T x. Da auch χ(t) = T x∗t·T y eine Lösung des obigen Anfangswertproblems ist, folgt χ(t) = ψ(t) für alle t ∈ [0, 1]. Damit ist T (x ∗ y) = T ϕ(1) = ψ(1) = χ(1) = (T x) ∗ (T y). (4.8) Theorem. Sei B0 eine zusammenhängende offene Menge mit 0 ∈ B0 , so daß (x, y) 7→ x ∗ y : B0 × B0 → A definiert und analytisch ist. Sei g0 eine abgeschlossene LieUnteralgebra von (A, [., .]). Ist g0 ∩ B0 zusammenhängend, so ist (g0 ∩ B0 ) ∗ (g0 ∩ B0 ) ⊆ g0 . Ist insbesondere B0 eine ε-Kugel von 0, so ist g0 ∩ B0 stets zusammenhängend. Kapitel 4: Das Differential der Exponentialabbildung 23 Beweis. Sei B eine normale Umgebung in A. Nach Theorem (4.6)(ii) ist (g0 ∩B)∗(g0 ∩B) ⊆ g0 . Die analytische Abbildung β : (g0 ∩ B0 ) × (g0 ∩ B0 ) → A g0 : (x, y) 7→ x ∗ y + g0 verschwindet auf der offenen Teilmenge (B ∩B0 ∩g0 )×(B ∩B0 ∩g0 ) von (g0 ∩B0 )×(g0 ∩B0 ) und ist deshalb identisch Null auf der letzteren Menge. Dies ist aber gerade die Aussage des Theorems. Als nächstes wollen wir untersuchen, in welchen Punkten a ∈ A die Exponentialfunktion exp regulär ist, d.h. in welchen Punkten das Differential von exp invertierbar ist. Dazu benötigen wir den Begriff des Spektrums Spec a eines Elementes a in einer komplexen Banach-Algebra A. Es ist Spec a := λ ∈ C a − λ · 1 6∈ A−1 . Ist A eine reelle Banach-Algebra, so wird für a ∈ A das Spektrum von a definiert durch Spec 1 ⊗ a, wobei 1 ⊗ a ein Element der Komplexifizierung C ⊗ A von A ist. Da die Algebra aller stetigen Operatoren eines Banach-Raumes selbst ein Banach-Raum ist bezüglich der Operator-Norm, läßt sich das Spektrum eines Operators analog definieren. Wir beweisen zunächst das folgende Lemma. (4.9) Lemma. Sei A eine Banach-Algebra und sei a ∈ A. Dann sind für die Abbildung f vom Anfang dieses Kapitels folgende Aussagen äquivalent: (i) f (a) 6∈ A−1 (ii) 0 ∈ Spec f (a) (iii) Spec a ∩ (2πiZ \ {0}) 6= ∅ Beweis. Die Äquivalenz von (i) und (ii) ist trivial. Die Äquivalenz von (ii) und (iii) folgt aus dem spektraler Abbildungssatz (etwa Bourbaki, Prop. 7, p. 47 oder Reed, Simon, Functional Analysis I, Theorem VII.1(e), p. 222). Dieser besagt f (Spec a) = Spec f (a). Damit ist 0 ∈ Spec f (a) = f (Spec a) genau dann, wenn Spec a ∩ f −1 (0) 6= ∅ ist. Wegen f −1 (0) = 2πiZ \ {0} beweist dies die zweite Äquivalenz. (4.10) Korollar. Sei g eine abgeschlossene Lie Unteralgebra von (A, [., .]). Der lineare Operator L−1 (exp x) exp0 (x) = f (ad g x) : g → g, g wobei (ad g x)(y) = [x, y] für x, y ∈ g ist, ist genau dann invertierbar, wenn Spec (ad g x) ∩ (2πiZ \ {0}) = ∅ ist. 24 Kapitel 5: Lokale Gruppen KAPITEL 5 Lokale Gruppen In diesem Kapitel sei A stets eine Banach-Algebra und B = Br (0) eine normale Umgebung. Dann sind die Produkte B ∗ B, B ∗ (B ∗ B) und (B ∗ B) ∗ B definiert. (5.1) Definition. Eine nichtleere Teilmenge Γ ⊆ B heißt lokale Gruppe in B, falls die Relationen (Γ ∗ Γ) ∩ B ⊆ Γ und −Γ = Γ gelten. Ist die Menge Γ in B abgeschlossen, so nennen wir die lokale Gruppe Γ abgeschlossen. Bemerkung. (i) Eine lokale Gruppe Γ enthält stets das Neutralelement 0, denn für a ∈ Γ ist auch −a ∈ Γ und es folgt 0 = −a ∗ a ∈ (Γ ∗ Γ) ∩ B ⊆ Γ. (ii) Nach Theorem (4.6) ist für jede normale Umgebung B und jede abgeschlossene Lie Unteralgebra g von (A, [., .]) die Menge Γ := g ∩ B eine lokale Gruppe in B. (5.2) Definition. Für Γ ⊆ A setze n o T(Γ) := x ∈ A ∃ (xn ) ∈ ΓN : lim xn = 0 ∃ (mn ) ∈ NN : x = lim mn xn . n→∞ n→∞ Die Elemente von T(Γ) heißen Subtangentialvektoren von Γ in 0. Sind sowohl x als auch −x Subtangentialvektoren, so heißt x ein Tangentialvektor. (5.3) Lemma. Sei Γ ⊆ B und sei U eine offene Umgebung von 0. Dann gilt: (i) T(Γ) = T(Γ), (ii) T(Γ ∩ U ) = T(Γ). Beweis. (i) Sei y ∈ T(Γ). Dann ist y = limn→∞ mn yn für yn ∈ Γ. Wähle eine Folge (xn ) in Γ mit ||xn −yn || < m1n n . Dann ist limn→∞ mn (xn −yn ) = 0 und y = limn→∞ mn xn ∈ T(Γ). Also ist y ∈ T(Γ). Die andere Inklusion ist trivial. (ii) Sei y ∈ T(Γ). Dann ist y = limn→∞ mn yn für yn ∈ Γ mit limn→∞ yn = 0. Damit können wir annehmen, daß alle Folgenglieder yn in U liegen. d.h. es ist y ∈ T(Γ ∩ U ). Die andere Inklusion ist wieder trivial. Bemerkung. Ist Γ eine lokale Gruppe in B, so ist auch Γ ∩ B eine lokale Gruppe in B. Kapitel 5: Lokale Gruppen 25 (5.4) Lemma. Sei Γ ⊆ B eine abgeschlossene lokale Gruppe in B und sei x ∈ B. Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent: (i) x ∈ T(Γ), (ii) R · x ∩ B ⊆ Γ. Insbesondere ist B ∩ T(Γ) = Γ ∩ T(Γ), (♥) Beweis. (ii) =⇒ (i): Setze xn := 1 n · x. Dann ist limn→∞ xn = 0 und limn→∞ nxn = x. (i) =⇒ (ii): Sei x = limn→∞ tn xn für eine Nullfolge (xn ) aus Γ und tn ∈ N. Sei r ∈ R mit r · x ∈ B. Es ist zu zeigen, daß r · x ∈ Γ gilt. Setze rn := r · tn . Dann ist r · x = limn→∞ rn xn . Für s ∈ R setze [s] := maxz∈Z {z ≤ s} und d(s) := s − [s] < 1. Dann ist 0 ≤ ||d(rn ) · xn || = d(rn )||xn || ≤ ||xn ||, woraus limn→∞ d(rn ) · xn = 0 folgt. Damit ist r·x = limn→∞ rn ·xn = limn→∞ [rn ]·xn . Ist r·x ∈ Γ, so auch (−r)·x ∈ Γ. Somit können wir o.E. annehmen, daß rn ≥ 0 für alle n ∈ N ist. Für hinreichend großes n ∈ N ist [rn ]·xn ∈ B. Wir zeigen via Induktion, daß k · xn ∈ Γ ist für alle k ∈ {1, . . . , [rn ]}. Dies gilt nach (i) für k = 1. Sei also k · xn ∈ Γ für ein k < [rn ]. Dann ist (k + 1) · xn = (k · xn ) ∗ xn ∈ Γ ∗ Γ nach Proposition (2.7)(iii). Aufgrund der Konvexität von B ist (k + 1) · xn = k+1 [rn ] ([rn ] · xn ) ∈ B, also folgt (k + 1) · xn ∈ Γ. Nach Induktion ist damit auch [rn ] · xn ∈ Γ. Da Γ in B abgeschlossen ist, folgt r · x = limn→∞ [rn ] · xn ∈ Γ. Ist schließlich x ∈ B ∩ T(Γ), so ist x ∈ R · x ∩ B ⊆ B ∩ Γ, also x ∈ Γ ∩ T(Γ). Die umgekehrte Inklusion ist trivial. (5.5) Theorem. Sei Γ ⊆ B eine abgeschlossene lokale Gruppe in B. Dann ist T(Γ) eine abgeschlossene Lie-Unteralgebra von (A, [., .]). Ist zudem Γ lokalkompakt, so gibt es eine offene Kugel B 0 um 0 in B mit B 0 ∩ Γ = B 0 ∩ T(Γ) (♦) und dim T(Γ) ist endlich. Beweis. (i) T(Γ) ist abgeschlossen: Sei x ∈ T(Γ). Dann gibt es eine Folge (xn ) in T(Γ) mit limn→∞ xn = x. Sei r ∈ R mit r · x ∈ B. Dann ist r · xn ∈ B für fast alle n ∈ N. Nach Lemma (5.4) (i) =⇒ (ii) ist deshalb r · xn ∈ Γ für fast alle n ∈ N. Da Γ in B abgeschlossen ist, ist auch r · x ∈ Γ. Dies bedeutet x ∈ T(Γ) nach Lemma (5.4) (ii) =⇒ (i). (ii) T(Γ) ist eine Lie-Unteralgebra von (A, [., .]): Nach Lemma (5.4) ist T(Γ) abgeschlossen unter der Skalarmultiplikation. Die Menge T(Γ) ist auch abgeschlossen unter der Addition: Seien dazu x, y ∈ T(Γ). Dann liegen n1 · x und n1 · y für hinreichend große n in Γ (Lemma (5.4)). Nach Definition einer lokalen Gruppe ist auch n1 · x ∗ n1 · y ∈ Γ für hinreichend große n ∈ N. Nach Proposition (3.5) ist dann x+y = limn→∞ n( n1 ·x∗ n1 ·y) ∈ T(Γ). Analog zeigt 26 Kapitel 5: Lokale Gruppen man [x, y] ∈ T(Γ) mit Hilfe von Proposition (3.6). Damit ist T(Γ) eine Lie-Unteralgebra von (A; [., .]). (iii) Sei nun Γ lokalkompakt. Nach Lemma (5.4) ist Γ ∩ T(Γ) = B ∩ T(Γ), und diese Menge ist eine lokalkompakte Nullumgebung in T(Γ). Insbesondere ist also T(Γ) lokalkompakt und damit endlich-dimensional (Satz von Riesz, siehe Diedonné, [1], 5.9.4). Jeder endlichdimensionale Untervektorraum eines Banach-Raumes besitzt ein Vektorraum-Komplement E, also ist A = T(Γ) ⊕ E algebraisch und topologisch (siehe Diedonné, [1], 5.9.3). Das Differential µ0 (0) der Abbildung 1 µ : (B ∩ T(Γ)) ⊕ (B ∩ E) → A : x + y 7→ x ∗ y = x + y + [x, y] + H3 (x, y) + . . . 2 an der Stelle 0 ist die Identität idA : A = T(Γ) ⊕ E → A. Nach dem Satz über die lokale Inverse (siehe Reed-Simon, [7], Corollary 1 zu Theorem S.11, p. 367) ist somit µ ein lokaler Diffeomorphismus. Es gibt also offene Kugeln B1 ⊆ T(Γ) und B2 ⊆ E um 0 mit B1 ∗ B2 ⊆ B, so daß x + y 7→ x ∗ y : B1 ⊕ B2 → B1 ∗ B2 ein Diffeomorphismus ist. Dabei sind B1 ⊕ B2 und B1 ∗ B2 offene Umgebungen von 0. (iv) Es ist B 0 ∩ T(Γ) ⊆ B 0 ∩ Γ für alle offenen Kugeln B 0 ⊆ B um 0, denn für x ∈ B 0 ∩ T(Γ) ist nach Lemma (5.4) R · x ∩ B 0 ⊆ Γ. Wegen x ∈ B 0 ist damit x ∈ Γ ∩ B 0 . (v) Angenommen, es gibt keine offene Kugel B 0 um 0 mit B 0 ∩ Γ = B 0 ∩ T(Γ). Dann gibt es nach (iv) eine Nullfolge (zn ) in Γ \ T(Γ). Wir können dabei o.E. annehmen, daß alle zn in der Nullumgebung B1 ∗ B2 liegen. Wir schreiben zn = xn ∗ yn mit xn ∈ B1 ⊆ T(Γ) und yn ∈ B2 ⊆ E. Wegen zn 6∈ T(Γ) und xn ∈ T(Γ) ist yn 6= 0 für alle n ∈ N. Nach (5.4)(♥) ist B ∩ T(Γ) ⊆ Γ, also ist xn ∈ Γ. Für hinreichend große n ist nach Definition 00 einer lokalen Gruppe yn = (−xn ) ∗ (xn ∗ yn ) ∈ Γ ∗ Γ ∩ B ⊆ Γ. Sei h B eine Kugel um i offene 0 mit Radius s, so daß Γ ∩ B 00 kompakt ist. Wegen limn→∞ 2||ysn || · yn = 2s können i h s 0 wir annehmen, daß die Folge yn := 2||yn || · yn in der kompakten Menge Γ ∩ B 00 liegt. Dort besitzt diese Folge einen Häufungspunkt y 0 und wir finden eine Teilfolge, die gegen diesen Häufungspunkt konvergiert. Wir können o.E. annehmen, daß die Folge (yn0 ) gegen y 0 konvergiert. Nach Definition von T(Γ) ist y 0 ∈ T(Γ). Wegen ||y 0 || = 2s > 0 ist y 0 6= 0. Andererseits ist y 0 ∈ E, da mit (yn ) auch (yn0 ) in E liegt. Also ist y 0 ∈ T(Γ) ∩ E = {0}, ein Widerspruch. (5.6) Theorem. Sei Γ ⊆ B eine lokalkompakte lokale Gruppe in B. Dann ist T(Γ) ∩ B offen, abgeschlossen und zusammenhängend in Γ. Ist zudem Γ zusammenhängend, so ist Γ = T(Γ) ∩ B. Beweis. (i) Γ ist abgeschlossen in B: Sei dazu (xn ) eine Folge in Γ mit limn→∞ xn = x ∈ B. Da Γ lokalkompakt ist, gibt es eine abgeschlossene Kugel C um 0 so, daß C ∩ Γ kompakt Kapitel 5: Lokale Gruppen 27 ist. Dabei können wir C so klein wählen, daß x ∗ C definiert ist und in B liegt; dies folgt aus der Tatsache, daß die Operation ∗ stetig ist. Es gibt ein N ∈ N mit −xm ∗ xn ∈ C ⊆ B für alle m, n ≥ N . Da C ∩ Γ kompakt ist, folgt aus −xN ∗ xm ∈ C ∩ Γ stets −xN ∗ x = limn→∞ −xN ∗ xn ∈ Γ. Also haben wir x = xN ∗ (−xN ∗ x) ∈ (Γ ∗ Γ) ∩ B ⊆ Γ, d.h. Γ ist abgeschlossen. (ii) T(Γ) ∩ B ist abgeschlossen in Γ: Nach Lemma (5.4)(♥) ist T(Γ) ∩ B in Γ enthalten. Sei (xn ) eine Folge in T(Γ) ∩ B mit limn→∞ xn = x ∈ Γ. Dann ist x ∈ T(Γ) nach Theorem (5.5). Wegen Γ ⊆ B folgt damit x ∈ T(Γ) ∩ B. (iii) T(Γ) ∩ B ist offen in Γ: Sei x ∈ T(Γ) ∩ B. Da Γ abgeschlossen ist, gibt es nach Theorem (5.5) eine offene Kugel B 0 ⊆ B um 0 mit B 0 ∩ Γ ⊆ T(Γ). Wähle eine offene Kugel B 00 ⊆ B 0 um 0 so, daß x ∗ B 00 ⊆ B 0 ist. Dann ist x ∗ B 00 eine offene Umgebung von x in B (verwende dabei, daß x 7→ x ∗ a : Γ → Γ ein lokaler Homöomorphismus ist) und (x ∗ B 00 ) ∩ Γ ist eine offene Umgebung von x in Γ. Wir müssen also noch zeigen, daß (x ∗ B 00 ) ∩ Γ in T(Γ) liegt. Sei dazu y ∈ (x ∗ B 00 ) ∩ Γ. Dann ist −x ∗ y ∈ (−x ∗ (x ∗ B 00 )) ∩ (−T(Γ) ∩ B) ∗ Γ ⊆ B 0 ∩ (Γ ∗ Γ) ⊆ B 0 ∩ Γ ⊆ T(Γ) ∩ B. Nach Theorem (5.5) ist T(Γ) eine abgeschlossene Lie-Unteralgebra von (A, [., .]) und nach der Bemerkung nach Definition (5.1) ist T(Γ) ∩ B eine lokale Gruppe in B. Damit ist y = x ∗ (−x ∗ y) ∈ ((T(Γ) ∩ B) ∗ (T(Γ) ∩ B)) ∩ B ⊆ T(Γ), also (x ∗ B 00 ) ∩ Γ ⊆ T(Γ), was zu zeigen war. Die letzte Behauptung des Theorems folgt sofort aus der Definition von zusammenhängend. 28 Kapitel 6: Lineare Lie-Gruppen KAPITEL 6 Lineare Lie-Gruppen Sei stets A eine Banach-Algebra mit A−1 als Gruppe der invertierbaren Elemente von A. Es sei G eine Untergruppe von A−1 . Sei B = Br (0) eine normale Umgebung. Dann ist exp B ⊆ B1 (1). (6.1) Lemma. Es ist ΓG := B ∩ log(B1 (1) ∩ G) eine lokale Gruppe in B. Beweis. Wegen −B = B und exp B ⊆ B1 (1) ist exp B = exp −B = (exp B)−1 ⊆ B1 (1)−1 . Mit G = G−1 folgt damit exp −ΓG ⊆ (exp −B) ∩ B1 (1)−1 ∩ G−1 = (exp −B) ∩ G−1 = (exp B)∩G = (exp B)∩G∩B1 (1), also ist −ΓG ⊆ ΓG . Es folgt weiter ΓG = −(−ΓG ) ⊆ −ΓG , also −ΓG = ΓG . Seien x, y ∈ ΓG mit x ∗ y ∈ B. Dann ist exp x, exp y ∈ B1 (1) ∩ G und exp(x ∗ y) = exp x exp y ∈ G. Wegen exp(x ∗ y) ∈ exp B ⊆ B1 (1) folgt x ∗ y = log(exp(x ∗ y)) ∈ B ∩ log(B1 (1) ∩ G) = ΓG , d.h. ΓG ist eine lokale Gruppe. Wir setzen g := T(ΓG ). Nach Lemma (5.3) ist g = T(ΓG ∩ U ) für jede offene Nullumgebung U in B. Also ist ΓG ∩ U eine abgeschlossene lokale Gruppe in U ⊆ B und es ist T(log(B1 (1) ∩ G)) = T(B ∩ log(B1 (1) ∩ G)) = T(B ∩ log(B1 (1) ∩ G)) = g. Nach Theorem (5.5) ist somit g eine abgeschlossene Lie-Unteralgebra von (A, [., .]). (6.2) Definition. Die durch G definierte Lie-Algebra g heißt die Lie-Algebra von G in A. (6.3) Fundamentalsatz. Ist G lokalkompakt, so ist die Lie-Algebra g von G eine abgeschlossene, endlich-dimensionale Lie-Unteralgebra von (A, [., .]) und es gilt (i) die Abbildung exp : B ∩ g → V = exp(B ∩ g) ist ein lokaler DiffeomorphisB∩g mus zwischen einer Nullumgebung von g und einer 1-Umgebung von G, (ii) es gibt eine offene Kugel K um 0 in B mit K ∩ exp−1 G = K ∩ g. Beweis. Nach Theorem (5.5) ist g eine abgeschlossene, endlich-dimensionale Lie-Unteralgebra von (A, [., .]). Nach Theorem (5.6) ist g ∩ B offen und abgeschlossen in ΓG . Die Kapitel 6: Lineare Lie-Gruppen 29 Abbildung exp : B → exp B ist ein analytischer Diffeomorphismus nach Proposition B (2.4). Also gilt dies auch für die Einschränkung exp . Dies zeigt (i). Nach Theorem B∩g (5.5) gibt es eine offene Kugel K ⊆ B um 0 mit K ∩ ΓG = K ∩ g. Also ist exp(K ∩ g) ⊆ G und K ∩ g ⊆ K ∩ exp−1 G. Ist umgekehrt x ∈ K ∩ exp−1 G, so ist exp x = B1 (1) ∩ G, also x = log exp x ∈ K ∩ ΓG = K ∩ g. (6.4) Definition. Eine topologische Gruppe G heißt lineare Lie-Gruppe, wenn es eine Banach-Algebra A mit Eins und einen Isomorphismus ϕ : G → GA ≤ A−1 zwischen den topologischen Gruppen G und GA gibt, so daß es eine abgeschlossene Lie-Unteralgebra g von (A, [., .]) gibt derart, daß die Exponentialabbildung eine geeignete Nullumgebung von g homöomorph auf eine Einsumgebung von GA abbildet. Die Gruppe GA wird eine Lie-Untergruppe von A−1 genannt. Sind G und H lineare Lie-Gruppen mit G ⊆ H, so heißt auch G eine Lie-Untergruppe von H. Bemerkung. Es ist A−1 stets eine lineare Lie-Gruppe mit Lie-Algebra A, da B1 (1) stets in A−1 enthalten ist. (6.5) Theorem. Es gelten die folgenden Aussagen: (i) Jede Lie-Untergruppe G von A−1 ist abgeschlossen in A−1 . (ii) Ist G ≤ A−1 lokalkompakt, so ist G eine lineare Lie-Gruppe mit Lie-Algebra g = T(ΓG ). (iii) Jede lokalkompakte Untergruppe H einer linearen Lie-Gruppe G ist eine LieUntergruppe von G. Die Gruppe G enthält eine Teilmenge C, die homöomorph zu einer abgeschlossenen, konvexen, symmetrischen Umgebung von 1 im Banach Raum g h ist, so daß die Abbildung χ : H × C → HC : (h, c) 7→ hc ein Homöomorphismus auf eine Umgebung der Identität von G ist. (iv) Jede abgeschlossene Untergruppe H einer endlich-dimensionalen linearen LieGruppe G (d.h. g ist ein endlich-dimensionaler reeller Vektorraum) ist eine LieUntergruppe von G. : B → U := Beweis. (i) Nach Definition gibt es eine offene Kugel B um 0, so daß exp B exp(B) und exp : B ∩ g → V := exp(B ∩ g) Homöomorphismen sind. Da g nach B∩g Definition abgeschlossen ist, ist B ∩ g abgeschlossen in B. Also ist auch V abgeschlossen in U . Dies zeigt, daß G lokal abgeschlossen ist in A−1 . Daraus folgt, daß G in A−1 abgeschlossen ist: Für z ∈ G und eine symmetrische Umgebung W ⊆ U von 1 in A−1 gibt es y ∈ W z ∩G, also z ∈ W y. Da W ∩G in W abgeschlossen ist, ist auch W y ∩Gy = W y ∩G abgeschlossen in W y ∩ A−1 y = W y ∩ A−1 . Wegen z ∈ W y ∩ G folgt daraus z ∈ G. (ii) Nach Definition ist g = T(ΓG ) eine Lie-Algebra von G. Damit folgt die Behauptung aus dem Fundamentalsatz (6.3). 30 Kapitel 6: Lineare Lie-Gruppen (iii) Die erste Aussage folgt aus (ii). Indem wir G mit GA ≤ A−1 identifizieren, können wir nach (i) annehmen, daß G eine abgeschlossene Untergruppe von A−1 ist, und daß exp : A → A−1 die abgeschlossene Lie-Algebra g in G abbildet und ein lokaler Homöomorphismus von B ∩g auf eine 1-Umgebung von G ist. Nach dem Fundamentalsatz (6.3) ist die Lie-Algebra h von H endlich-dimensional und somit ein direkter Summand von g. Sei also g = h ⊕ v mit einem Untervektorraum v von g. Seien U und V symmetrische offene Umgebungen um 0 in h und v mit U, V ⊆ B, so daß folgende Aussagen gelten: (a) U ∗ V ⊆ B (b) Nach dem Satz über die lokale Umkehrabbildung (siehe Reed-Simon, [7], Corollary 1 zu Theorem S.11, p. 367) ist χ0 : U ⊕ V → U ∗ V : u ⊕ v 7→ u ∗ v ein Diffeomorphismus auf die Nullumgebung U ∗ V in g (Die Abbildung χ0 besitzt aufgrund der Zerlegung g = h ⊕ v im Punkt 0 die Ableitung idg .) (c) exp : U ∗ V → exp (U ∗ V ) ⊆ G ist ein Homöomorphismus. g g (d) (U ∗ V ) ∩ exp−1 (H) = (U ∗ V ) ∩ h (siehe Fundamentalsatz (6.3)). Für X ∈ U und Y ∈ V mit X ∗ Y ∈ h ist Y = (−X) ∗ (X ∗ Y ) ∈ V ∩ ((h ∩ B) ∗ (h ∩ B)) ⊆ V ∩ h = {0} . Somit folgt aus (d) (U ∗ V ) ∩ exp−1 (H) = U. Sei nun V1 ⊆ V eine abgeschlossene Kugel um 0 in v mit V1 ∗ V1 ⊆ U ∗ V und setze C := exp V1 . Die Abbildung χ ist stetig und surjektiv. Diese Abbildung ist auch injektiv: Sei dazu c1 , c2 ∈ C und h1 , h2 ∈ H mit χ(h1 , c1 ) = χ(h2 , c2 ), und seien X1 , X2 ∈ V1 mit −1 ci = exp Xi . Dann ist exp(X2 ∗ (−X1 )) = c2 c−1 1 = h2 h1 ∈ H, woraus mit Hilfe der beiden zentrierten Gleichungen folgt −Y := X2 ∗ (−X1 ) ∈ (V1 ∗ −V1 ) ∩ exp−1 (H) ⊆ (U ∗ V ) ∩ exp−1 (H) = U. Dies zeigt 0 ∗ −X2 = −X2 = (−X1 ) ∗ Y bzw. Y ∗ X2 = X1 . Nach (b) ist damit Y ⊕ X2 = 0 ⊕ X1 , also Y = 0 und X1 = X2 . Damit haben wir c1 = c2 und weiter h1 = h2 . Also ist χ bijektiv. Nach (b) und (c) und wegen V1 ⊆ V ist somit die Einschränkung χ 0 U ×C für U 0 = exp U ein Homöomorphismus von der offenen Umgebung U 0 × C von (1, 1) in H × C auf die offene 1-Umgebung U 0 C in HC. Insbesondere ist HC eine Umgebung von S 1. Die Gruppe H operiert auf H × C = h∈H h(U 0 × C) durch Links-Multiplikation auf S dem ersten Faktor und auf HC = h∈H h(U 0 C) durch einfache Links-Multiplikation. Da diese Operation mit der Abbildung χ vertauscht, ist χ somit ein Homöomorphismus. (iv) Ist G endlich-dimensional, so ist dim g = n < ∞, also g ≈ Rn . Da G und g via der Exponentialabbildung lokal homöomorph sind, ist G daher lokalkompakt. Somit folgt (iv) aus (ii). Kapitel 6: Lineare Lie-Gruppen 31 (6.6) Beispiele. Sei K ∈ {R, C} und sei A = Hom(Kn , Kn ) = gln K. (a) Dann ist A−1 = GLn K eine lineare Lie-Gruppe mit Lie-Algebra A = gln K. Es ist dimK A = n2 . (b) SLn K ist eine abgeschlossene Untergruppe von GLn K und ist deshalb eine lineare LieGruppe nach Theorem (6.5)(i) und (iii) mit Lie-Algebra sln K. Es ist sln K = {X ∈ gln K | spur X = 0}, denn es ist det(exp X) = 1 genau dann, wenn spur X = 0 gilt: Für K = C läßt sich X ∈ gln K stets als obere Dreiecksmatrix schreiben und es ist exp X = diag(exp λ1 , . . . , exp λn ) · exp N , wobei exp N eine obere Dreicksmatrix mit Diagonalelementen gleich 1 ist. Wegen Y (exp X)Y −1 = exp(Y XY −1 ) ist damit die Behauptung für K = C bewiesen. Für K = R geht man den Umweg über C und benutzt, daß Spur und Determinante invariant gegenüber Basis-Transformationen sind. Es ist dimK sln K = n2 − 1. (c) On K = X ∈ GLn K X −1 = X t ist eine abgeschlossene Untergruppe von GLn K und ist somit eine lineare Lie-Gruppe mit Lie-Algebra on K = {X ∈ gln K | − X = X t }, denn es ist 1 = exp(X − X) = exp X exp(−X), also exp(−X) = (exp X)−1 , und exp(X t ) = (exp X)t . Es ist dimK on K = n2 (n − 1). o n t (d) Un C = X ∈ GLn C X −1 = X ist eine abgeschlossene Untergruppe von GLn C und o n t ist somit eine lineare Lie-Gruppe mit Lie-Algebra un C = X ∈ gln C − X = X . Es ist dimR un C = n2 . Als nächstes werden wir eine interne Beschreibung der Exponentialabbildung und der Lie-Algebra einer linearen Lie-Gruppe geben. (6.7) Definition. (a) Ein topologischer Körper (K, +, ·, τ ) ist ein Körper (K, +, ·) auf einem topologischen Raum (K, τ ), so daß (K, +, τ ) und (K \ {0} , ·, τ0 ), wobei τ0 die Spurtopologie von τ bzgl. K \ {0} ist, topologische Gruppen sind. (b) Ein topologischer Vektorraum (V, +, σ) über einem topologischen Körper (K, +, ·, τ ) ist ein K-Vektorraum (V, +) auf einem topologischen Raum (V, σ), so daß (V, +, σ) eine topologische Gruppe ist, und die Skalarmultiplikation K × V → V : (λ, v) 7→ λv stetig ist. Dabei wird K × V mit der Produkttopologie τ × σ versehen. (c) Ein topologischer Vektorraum (V, +, σ) heißt vollständig normierbar, wenn es auf V eine Norm gibt, die zur Topologie σ kompatibel ist (d.h. die von der Norm induzierte Topologie stimmt mit σ überein), und die (V, +, σ) zu einem Banach-Raum macht. (d) Eine topologische Lie-Algebra ist eine Lie-Algebra (g, [., .]), die ein topologischer Vektorraum ist, so daß die Abbildung g × g → g : (x, y) 7→ [x, y] stetig ist. Die topologische Lie-Algebra g heißt vollständig normierbar, falls g als topologischer Vektorraum vollständig normierbar ist. 32 Kapitel 6: Lineare Lie-Gruppen (6.8) Definition. Für eine topologische Gruppe G nennen wir die Abbildung expG : L(G) → G : X 7→ X(1) die Exponentialabbildung von G. Sei nun G stets eine lineare Lie-Gruppe wobei wir immer G ≤ A−1 annehmen, d.h. G ist eine Lie-Untergruppe von A−1 . Sei g = T(log(B1 (1) ∩ G)) die Lie-Algebra von G in A. Wir wissen bereits, daß log : B1 (1) → N0 ein Homöomorphismus ist. Wir setzen M1 := {g ∈ B1 (1) | exp([0, 1] · (log g)) ⊆ B1 (1) ∩ G} und N1 := log M1 = {X ∈ N0 | [0, 1] · X ⊆ log(B1 (1) ∩ G)} . Nach Proposition (3.4) ist die Abbildung α : A → L(A−1 ) : X 7→ α(X) = (t 7→ exp(t · X)) ein Homöomorphismus. (6.9) Proposition. Es gelten die folgenden Aussagen: (i) exp X = α(X)(1) = expG (α(X)) für alle X ∈ g. (ii) Die Einschränkung αG = α : g → L(G) ist ein Homöomorphismus. g (iii) Die Einschränkung exp : N1 → M1 ist ein analytischer Homöomorphismus N1 mit Umkehrung log : M1 → N1 , wobei N1 eine offene Nullumgebung in g und M1 eine offene Einsumgebung in G ist. (iv) Ist G lokalkompakt, so ist g ∩ exp−1 G eine Nullumgebung von exp−1 G. (v) Für X, Y ∈ N1 mit X ∗ Y ∈ N1 gibt es Umgebungen U und V von 0 in N1 mit (X ∗ U ) ∪ (V ∗ Y ) ⊆ N1 , und die Menge {(X, Y ) ∈ N1 × N1 | X ∗ Y ∈ N1 } ist eine Umgebung von (0, 0) in N1 × N1 . Beweis. (i) folgt sofort aus der Definition von α und von expG . (ii) Da α ein Homöomorphismus ist, gilt dies auch für die Einschränkung αG . Das Bild αG (g) ist nach Definition enthalten in L(G) (beachte, daß G abgeschlossen und exp stetig ist). Zu zeigen bleibt, daß αG (g) = L(G) ist. Sei dazu (X : R → G) ∈ L(G). Da α bijektiv ist, gibt es ein x ∈ A mit X = α(x), also X(t) = exp(t · x) für alle t ∈ R. Sei ε > 0 so klein gewählt, daß X(t) ∈ exp(B∩g) für alle t ∈ (−ε, ε) gilt. Dann ist t·x = log X(t) ∈ B∩g ⊆ g, also x ∈ g. Somit ist αG surjektiv. (iii) Da die Menge [0, 1] die additive Gruppe R (algebraisch) erzeugt, folgt aus der Relation exp([0, 1] · x) ⊆ G stets exp(R · x) ⊆ G. Nach (ii) ist also x ∈ g. Dies zeigt N1 ⊆ g und {X ∈ A | exp([0, 1] · X) ⊆ B1 (1) ∩ G} = {X ∈ g | exp([0, 1] · X) ⊆ B1 (1) ∩ G} . Kapitel 6: Lineare Lie-Gruppen 33 Aus X ∈ A mit [0, 1] · X ⊆ log(B1 (1) ∩ G) ⊆ log(B1 (1)) folgt X ∈ N0 , da [0, 1] · X zusammenhängend ist. Also ist N1 = {X ∈ N0 | [0, 1] · X ⊆ log(B1 (1) ∩ G)} = {X ∈ g | [0, 1] · X ⊆ log(B1 (1) ∩ G)} = {X ∈ A | [0, 1] · X ⊆ log(B1 (1) ∩ G)} . : N1 → M1 und log : M1 → N1 nach Proposition N1 (2.4) Homöomorphismen, die zueiander invers sind. Wir müssen noch nachweisen, daß N1 offen in g ist. Betrachte die offene Nullumgebung N0 = log(B1 (1)). Ist N1 nicht offen in g, so gibt es X ∈ N1 und eine Folge Xn ∈ (N0 ∩ g) \ N1 mit limn→∞ Xn = X. Dann gibt es auch eine Folge (tn ) ∈ [0, 1]N mit tn · Xn 6∈ log(B1 (1) ∩ G). Nach (i) ist exp(g) ⊆ G. Wegen exp N0 = B1 (1) ist damit exp(N0 ∩ g) ⊆ B1 (1) ∩ G, also N0 ∩ g ⊆ log(B1 (1) ∩ G). Insbesondere ist tn · Xn 6∈ N0 ∩ g für alle n ∈ N. Da [0, 1] kompakt ist, können wir durch Übergang zu einer Teilfolge von (tn ) annehmen, daß (tn ) gegen ein t ∈ [0, 1] konvergiert. Da N0 ∩ g offen in g ist, folgt limn→∞ tn · Xn = t · X 6∈ N0 ∩ g. Wegen X ∈ N1 ist aber [0, 1] · X ⊆ N0 , ein Widerspruch. Analog zeigt man die Offenheit von M1 . (iv) Folgt sofort aus dem Fundamentalsatz (ii). (v) Nach (iii) ist N1 offen. Damit folgt Aussage (v) aus der Stetigkeit der Abbildung (X, Y ) 7→ X ∗ Y : N1 × N1 → A. Somit sind die Abbildungen exp Bemerkung. Jedes Element g ∈ M1 wird durch den Weg ρg : [0, 1] → M1 : t 7→ exp(t · log g) mit 1 verbunden. Die Abbildung ρg ist eine lokale Einparameter-Halbgruppe. (6.10) Satz (Die Exponentialabbildung einer linearen Lie-Gruppe). Für eine lineare Lie-Gruppe G gelten die folgenden Aussagen: (i) Der Raum L(G) ist eine vollständig normierbare topologische reelle Lie-Algebra bzgl. der folgenden Operationen: Skalarmultiplikation: (r · X)(t) = X(tr) für X ∈ L(G) und r, t ∈ R, Addition: (X + Y )(t) = limn→∞ (X( nt )Y ( nt ))n für X, Y ∈ L(G) und t ∈ R, 2 Lie-Klammer: [X, Y ](t) = limn→∞ comm (X( nt )Y ( nt ))n für X, Y ∈ L(G), t ∈ R. (ii) Die Exponentialabbildung expG : L(G) → G ist ein lokaler Homöomorphismus. (iii) Die Einschränkung expG : N1 → M1 ist ein analytischer Homöomorphismus N1 mit Umkehrung logG : M1 → N1 . (iv) Das Bild expG (L(G)) erzeugt algebraisch die Zusammenhangskomponente G1 von 1 in G, und G1 ist offen in G. 34 Kapitel 6: Lineare Lie-Gruppen (v) G ist genau dann diskret, wenn L(G) = {0} ist. (vi) Sei X ∈ L(G) mit Spec (ad X) ∩ (2πiZ \ {0}) = ∅. Dann gibt es eine offene Umgebung U von X in g, so daß expG : U → expG (U ) ein Homöomorphismus U auf eine offene Umgebung von expG X in G und die Abbildung Φ : Y 7→ logG ((expG X)−1 expG Y ) : U → U 0 ⊆ g ein analytischer Homöomorphismus auf eine offene Nullumgebung U 0 in g ist, die eine analytische Umkehrabbildung besitzt. Insbesondere ist expG g eine Umgebung für jedes g ∈ G, so daß exp−1 G (g) ein Element X besitzt, für das Spec (ad X) kein nichtverschwindendes Vielfaches von 2πi enthält. (vii) Ist H eine lokalkompakte Untergruppe von G, so ist L(H) ∩ exp−1 G G eine Null−1 umgebung von expG H in L(G). Beweis. Da G eine lineare Lie-Gruppe ist, können wir o.E. annehmen, daß G ≤ A−1 für eine Banach-Algebra A ist, und daß expG = exp ist. Damit können wir über die bijektive g Abbildung α : g → L(G) eine Lie-Algebra-Struktur sowie eine Norm auf L(G) definieren, g die L(G) zu einer vollständig normierbare topologische Lie-Algebra macht. (i) Folgt nun aus den Propositionen (3.4), (3.5) und (3.6) und der Tatsache, daß g in A abgeschlossen ist, und damit g eine vollständig normierbaren topologischen Lie-Algebra ist. Nach Proposition (6.9)(ii) induziert die so definierte Norm auf L(G) die kompakt-offene Topologie auf L(G). (ii) und (iii) folgen aus Proposition (6.9)(i) und (iii). (iv) Nach (6.9)(iii) ist M1 = expG N1 eine 1-Umgebung in G. Eine zusammenhängende topologische Gruppe H wird von jeder symmetrischen 1-Umgebung U algebraisch erzeugt: S Die Untergruppe hU i = n≥1 U n ist offen und damit auch abgeschlossen in H, also ist hU i = G1 . Dies zeigt die Offenheit der Zusammenhangskomponente G1 . (v) Jede diskrete Gruppe G ist eine lineare Lie-Gruppe: Für A := `1 (G) := {(xg )g∈G | xg ∈ C, (|xg |)g∈G ist summierbar in R} mit ||(xg )g∈G || := X |xg | g∈G und (xg )g∈G ∗ (yh )h∈G := ( X gh=k xg yh )k∈G Kapitel 6: Lineare Lie-Gruppen 35 wird (A, ||.||, ∗) zu einer Banach-Algebra mit 1 = (eg )g∈G als Einselement, wobei e1 = 1 und eg = 0 für g 6= 1 ist. Durch g ∗ := (δgh )h∈G wird ein injektiver GruppenHomomorphismus g 7→ g ∗ : G → A−1 definiert. Für g, h ∈ G mit g 6= h ist ||g ∗ − h∗ || = 2. Somit ist {g ∗ | g ∈ G} eine diskrete (und damit abgeschlossene) Untergruppe von A−1 . Natürlich ist für eine solche Gruppe G die Lie-Algebra L(G) einpunktig. Umgekehrt folgt nach (iv) aus L(G) = {0} stets G1 = hexpG {0}i = {1}, d.h. {1} ist offen in G. Dies zeigt, daß G diskret ist. (vi) Betrachte die analytische Abbildung ϕ : A → A : Y 7→ exp(−X) exp(Y ) = L−1 exp X (exp(Y )). Nach der Kettenregel ist 0 0 ϕ0 (X) = (L−1 exp X ) (exp X) exp X. Da Lexp X linear ist, folgt 0 ϕ0 (X) = L−1 exp X (exp X) exp (X). Aus Korollar (4.4) folgt ϕ0 (0) = f (ad X). Wegen Spec (ad X) ∩ (2πiZ \ {0}) = ∅ ist ϕ0 (0) also invertierbar auf A, siehe Lemma (4.9). Aus log0 (X) = exp0 (0)−1 = idA folgt (log ◦ϕ)0 (X) = log0 (ϕ(X))ϕ0 (X) = ϕ0 (X), d.h. auch Φ0 (X) ist invertierbar. Damit folgt (vi) aus dem Satz über die lokale Umkehrfunktion. (vii) Nach Proposition (6.5)(i) ist H eine Lie-Untergruppe von G und L(H) wird mit einer endlich-dimensionalen Unteralgebra h von g identifiziert. Nach dem Fundamentalsatz (6.3) gibt es eine offene Kugel C ⊆ A um 0 mit C ∩ exp−1 G (H) = C ∩ h und die Behauptung folgt aus Proposition (6.9)(iv). Bemerkung. Nach dem letzten Satz ist die Lie-Algebra L(G) einer linearen Lie-Gruppe vollständig normierbar und L(G) wird auf kanonische Weise durch G bestimmt. 36 Kapitel 7: Lie-Gruppen und Überlagerungen KAPITEL 7 Lie-Gruppen und Überlagerungen Definition einer Liegruppe (7.1) Theorem. Sei G eine Lie-Untergruppe der multiplikativen Gruppe einer BanachAlgebra. Sei B eine normale Umgebung. Sei V = exp(B ∩ g). Dann ist U = {gV | g ∈ G} eine offene Überdeckung von G und für jedes g ∈ G ist die Abbildung ϕg : gV → B ∩ g : x 7→ log(g −1 x) ein analytischer Diffeomorphismus. Für ∅ 6= U = gV ∩ hV , Ug = ϕg (U ) und Uh = ϕh (U ) ist der Kartenwechsel ϕh ◦ (ϕg )−1 : Ug → Uh ein Diffeomorphismus. U Beweis. Da V eine offene Einsumgebung von G ist, ist U eine Überdeckung von G. Für −1 x ∈ Ug ist ϕ−1 g (x) = g exp x. Damit haben wir f (x) := ϕh (ϕg (x)) = ϕh (g exp x) = log(h−1 g exp x). Also ist exp f (x) = h−1 g exp x, folglich h−1 g = exp f (x) exp(−x) = exp(f (x) ∗ (−x)) ∈ exp(B ∗ B) ⊆ B1 (1). Setzen wir u = log(h−1 g), so ist u = f (x) ∗ (−x) bzw. f (x) = u ∗ x, d.h. f : Ug → Uh ist ein analytischer Diffeomorphismus. (7.2) Definition. Sei M ein Hausdorff-Raum zusammen mit einer offenen Überdeckung U = {Uj | j ∈ J}. so daß es eine Famiie von Homöomorphismen ϕj : Uj → Bj auf offene )−1 Mengen Bj eines Banach-Raumes E gibt, für die die Kartenwechsel ϕk ◦ (ϕj Uj ∩ Uk analytische Abbildungen sind. Sei V = {(ϕj , Uj ) | j ∈ J}. Das Paar (M, V) heißt analytische Mannigfaltigkeit modelliert auf E. Die Abbildungen ϕj heißen Karten von M , die Familie V wird analytischer Atlas von M genannt. Für E = Rn wird (M, V) eine n-dimensionale analytische Mannigfaltigkeit genannt. Mit der obigen Definition läßt sich Satz (7.1) wie folgt formulieren: Kapitel 7: Lie-Gruppen und Überlagerungen 37 (7.3) Korollar. Jede Lie-Untergruppe G der multiplikativen Gruppe einer BanachAlgebra ist eine analytische Mannigfaltigkeit modelliert auf g. Ist G lokalkompakt, so ist G eine Mannigfaltigkeit der Dimension dim g. (7.4) Definition. Eine Abbildung f : (M, U) → (N, V) zwischen zwei analytischen Mannigfaltigkeiten heißt analytisch, wenn es zu jedem m ∈ M , jeder Karte ϕj : Uj → Bj mit m ∈ Uj und jeder Karte ψk : Vk → Ck mit f (m) ∈ Vk die Komposition x 7→ ψk ◦ f ◦ ϕ−1 j (x) im Punkt ϕj (m) analytisch ist. (7.5) Theorem. Sei G eine Lie-Untergruppe der multiplikativen Gruppe A−1 einer Banach-Algebra A und sei U der analytische Atlas aus Satz (7.1). Stattet man G × G mit dem Produktatlas aus, so sind die Abbildungen (x, y) 7→ xy : G × G → G und x 7→ x−1 : G → G analytische Abbildungen. (7.6) Definition. Eine topologische Gruppe G, die einen analytischen Atlas U besitzt, so daß die Abbildungen aus Satz (7.5) analytische Abbildungen bzgl. U werden, heißt Lie-Gruppe. Bemerkung. Die zur Lie-Gruppe gehörige Lie-Algebra g ist definiert auf dem Tangentialraum T1lG des Neutralelementes. Dieser besteht nach Definition aus Derivationen X1l : Cω (1l) → Cω (1l), wobei X1l die Auswertung eines linksinvarianten Derivation X : Cω (G) → Cω (G) ist, d.h. es ist X(f ◦ λg ) = Xf ◦ λg für alle λg : G → G : x 7→ gx ist. Die Lie-Klammer auf Der(G) ist gegeben durch [X, Y ] := X ◦ Y − Y ◦ X und induziert eine Lie-Klammer auf T1lG durch Auswertung am Neutralelement. Aus der Differentialgeometrie weiß man, daß g = (T1lG, [., .]) zu einer Lie-Algebra wird. Diese ist die zu G gehörige Lie-Algebra. Die Exponentialabbildung wird ebenfalls wie in der Differentialgeometrie definiert: exp : g → G : X 7→ γX (1), wobei γX eine Integralkurve des Vektorfeldes (=Derivation von C∞ (G)) ist. Die Integralkurven γX sind dabei Einparametergruppen von G. (7.7) Korollar. Jede lineare Lie-Gruppe ist eine Lie-Gruppe. Jede lokalkompakte lineare Lie-Gruppe ist eine endlich-dimensionale Lie-Gruppe. Überlagerungstheorie (7.8) Definition. Seien f, g : M → N zwei stetige Abbildungen zwischen topologischen Räumen. Die Abbildungen f und g heißen homotop, wenn es eine stetige Abbildung H : M × [0, 1] → N mit f (x) = H(x, 0) und g(x) = H(x, 1) mit. Die Abbildung H wird eine Homotopie zwischen f und g genannt. 38 Kapitel 7: Lie-Gruppen und Überlagerungen (7.9) Definition. Sei N ein topologischer Raum und sei x0 ∈ N . Eine stetige Abbildung γ : [0, 1] → N mit γ(0) = γ(1) = x0 heißt ein geschlossener Weg oder Schleife in N durch x0 . Zwei Schleifen γ1 , γ2 heißen homotop, wenn es eine Homotopie H zwischen γ1 und γ2 gibt mit H(0, t) = x0 = H(1, t) für alle t ∈ [0, 1]. (7.10) Definition. Ein wegzusammenhängender topologischer Raum N heißt einfach zusammenhängend, wenn jede Schleife durch einen Punkt x0 ∈ N zur trivialen Schleife t 7→ x0 : [0, 1] → N homotop ist. (7.11) Definition. Eine stetige Abbildung p : M → N zwischen zwei topologischen Hausdorff-Räumen heißt Überlagerung, wenn es zu jedem Punkt y ∈ N eine Umgebung U um y gibt, so daß das Urbild p−1 (U ) disjunkte Vereinigung von offenen Mengen Ui : Ui → U Homöomorphismen sind. Ist M einfach ist, für die die Einschränkungen p Ui zusammenhängend, so nennt man p (und M ) eine universelle Überlagerung. Bemerkung. (1) Die Kardinalität der Urbilder p−1 (y) ist lokal konstant. Ist N wegzusammenhängend, so ist daher |p−1 (y)| unabhängig vom Punkt y ∈ N . Diese Zahl wird die Anzahl der Blätter von p genannt. (2) Ist U zusammenhängend, so sind die Mengen Ui gerade die Zusammenhangskomponenten von p−1 (U ). (7.12) Beispiele. (i) Die Abbildung p : R → T := {z ∈ C | |z| = 1} : t 7→ eit ist eine Überlagerung, und der Raum R ist einfach zusammenhängend. Also ist R eine universelle Überlagerung vom Torus T. Die Abbildung p hat abzählbar unendlich viele Blätter. (ii) Die Abbildung pn : T → T : z 7→ z n ist eine n-blättrige Überlagerung von T. (iii) Sei S2 := x ∈ R3 ||x|| = 1 die Einheitssphäre in R3 und sei P2 R die Menge aller eindimensionalen Untervektorräume von R3 (= reelle projektive Ebene). Dann ist die Abbildung q : S2 → P2 R : x 7→ hxiR eine universelle Überlagerung, wenn man P2 R mit der Quotienten-Topologie bzgl. q ausstattet. Die Überlagerung q ist zwei-blättrig. (7.13) Homotopie-Lifting-Lemma. Sei p : M → N eine Überlagerung mit p(x0 ) = y0 , wobei N lokal zusammenhängend ist. Sei h : [0, 1] × [0, 1] → N eine Homotopie. Dann gibt es eine eindeutig bestimmte Homotopie H : [0, 1] × [0, 1] → M mit H(0, t) = H(1, t) = x0 für alle t ∈ [0, 1], die p ◦ H = h erfüllt. Sind insbesondere γ1 , γ2 zwei Wege in M mit γ1 (0) = γ1 (1) = γ2 (0) = x0 , und sind p ◦ γ1 und p ◦ γ2 homotop via der Homotopie h : [0, 1]×[0, 1] → N , so sind auch γ1 und γ2 homotop via der Homotopie H : [0, 1]×[0, 1] → M , und es ist γ2 (1) = x0 . Kapitel 7: Lie-Gruppen und Überlagerungen 39 Beweis. Da h stetig und [0, 1]2 kompakt ist, gibt es Partitionen 0 = x0 < x1 < . . . < xr = 1 und 0 = t0 < t1 < . . . < ts = 1 von [0, 1], so daß h([xj , xj+1 ] × [tk , tk+1 ]) in einer offenen Menge Ujk ⊆ N liegt, wobei p : p−1 (Ujk ) → Ujk ein Homöomorphismus auf jeder Zusammenhangskomponente von ∗ p−1 (Ujk ) ist. Setze Ijk := [xj , xj+1 ] × [tk , tk+1 ]. Sei U00 die Zusammenhangskomponente −1 −1 ∗ von p (U00 ), die x0 enthält und sei q00 := p : U00 → U00 0. Setze auf I00 H := q00 ◦ h I00 . ∗ Sei nun U01 diejenige Zusammenhangskomponente von p−1 (U01 ), die H(I00 ∩ I01 ) = ∗ H([0, x1 ] × {t1 }) enthält. Sei wieder q01 = p−1 : U01 → U01 0 und setze auf I01 H := q01 ◦ h I01 . Wegen q00 ◦ h I00 ∩ I01 = q01 ◦ h I00 ∩ I01 ist die Abbildung H : I00 ∪I01 → M wohldefiniert und stetig. Induktiv fortfahrend erhalten wir eine stetige Abbildung H : I00 ∪ . . . ∪ I0(s−1) → M . Sei nun U1(s−1) die Zusammenhangskomponente von p−1 (U1(s−1) ), die H(I0(s−1) ∩ I1(s−1) ) = H({x1 } × [ts−1 , 1]) enthält. ∗ Sei wieder q1(s−1) := p−1 : U1(s−1) → U1(s−1) und H : q1(s−1) ◦ h I1(s−1) auf I1(s−1) . Dieses Verfahren wird nun rückwärts fortgesetzt, bis H auf I00 ∪ . . . ∪ I0(s−1) ∪ I1(s−1) ∪ . . . ∪ I10 definiert ist. Schließlich läßt sich H auf dieselbe Art und Weise auf ganz [0, 1]2 stetig fortsetzen und es gilt nach Konstruktion p ◦ H = h und H(0, t) = H(1, t) = x0 für alle t ∈ [0, 1]. Die Homotopie ist eindeutig bestimmt, denn sind H1 und H2 zwei Homotopien mit p◦H1 = p ◦ H2 , so folgt aus der Tatsache, daß p ein lokaler Homöomorphismus um jeden Punkt ist, daß H1 = H2 auf einer offenen Teilmenge U von [0, 1]2 gilt. Andererseits folgt aus obiger Gleichung und der Stetigkeit aller beteiligten Abbildungen, daß U auch abgeschlossen ist. Da [0, 1]2 zusammenhängend ist, folgt U = [0, 1]2 , also H1 = H2 . Es bleibt zu zeigen, daß H eine Homotopie zwischen γ1 und γ2 ist. Wegen p ◦ H = h und h(x, 0) = p(γ1 (x)) ist die Menge {x ∈ [0, 1] | H(x, 0) = γ1 (x)} = 6 ∅ 40 Kapitel 7: Lie-Gruppen und Überlagerungen nach Konstruktion offen in [0, 1]. Da H und γ1 stetig sind, ist diese Menge auch abgeschlossen. Also folgt aus dem Zusammenhang des Einheitsintervalles, daß obige Menge gleich [0, 1] ist. Dies zeigt H(x, 0) = γ1 (x) für alle x ∈ [0, 1]. Analog beweist man die Gleichungen H(x, 1) = γ2 (x) und H(0, t) = H(1, t) = x0 . (7.14) Wege-Lifting-Lemma. Sei p : M → N eine Überlagerung, N lokal zusammenhängend, und sei γ ein Weg in N . Dann gibt es zu jedem x0 ∈ p−1 (γ(0)) einen eindeutig bestimmten Weg γ ∗ : [0, 1] → M mit γ ∗ (0) = x0 und p ◦ γ ∗ = γ. Beweis. Sei h : [0, 1] × [0, 1] → N : (x, t) 7→ γ(x). Dann ist h eine Homotopie von γ nach γ. Nach dem Homotopie-Lifting-Lemma (7.13) gibt es eine eindeutige Fortsetzung H : [0, 1] × [0, 1] → M von h mit H(0, 0) = x0 . Dann ist γ ∗ : [0, 1] → M : X 7→ H(x, 0) der gesuchte Weg. (7.15) Theorem. Sei N ein wegzusammenhängender und lokal wegzusammenhängender topologischer Raum, der um jeden Punkt p ∈ N eine einfach zusammenhängende offene Umgebung besitzt. Dann gibt es einen einfach zusammenhängenden topologischen Raum M und eine Überlagerung p : M → N . Beweis. (1) Sei y0 ∈ N und sei Ω(y0 ) die Menge aller Wege γ in N mit γ(0) = y0 . Wir definieren auf Ω(y0 ) wie folgt eine Äquivalenzrelation. Für γ, δ ∈ Ω(y0 ) sei γ ∼ δ, wenn es eine Homotopie h zwischen γ und δ mit h(0, t) = y0 und h(1, t) = γ(1) für alle t ∈ [0, 1] gibt. Wir werden zeigen, daß M = Ω(y0 ) ∼ = {[γ] | γ ∈ Ω(y0 )} und p : M → N : [γ] 7→ γ(1) die gesuchte Überlagerung ist. Dazu muß allerdings M noch eine geeignete Topologie bekommen. Dies wird im Beweisteil (3) geschehen. Sei U eine einfach zusammenhängende Umgebung in N . Wir definieren auf dem Urbild p−1 (U ) eine weitere Äquivalenzrelation ∼U . Für [γ], [δ] ∈ p−1 (U ) sei [γ] ∼U [δ], wenn es einen Weg β in U mit β(0) = γ(1), β(1) = δ(1) und [β#γ] = [δ] gibt. Dabei ist γ(2t) für t ∈ [0, 21 ] β#γ : [0, 1] → N : t 7→ β(2t − 1) für t ∈ [ 12 , 1] ein (stetiger) wohldefinierter Weg in N . (2) Für [ω]U := [γ] ∈ p−1 (U ) [γ] ∼U [ω] mit ω ∈ p−1 (U ) ist die Einschränkung p∗ = p : [ω]U → U eine Bijektion. Die Abbildung ist surjektiv: Sei y ∈ U . Wähle ein [ω]U [γ] ∈ [ω]U . Dann ist γ(1) ∈ U und es existiert ein Weg δ in U von γ(1) nach y. Dann ist p([δ#γ]) = δ#γ(1) = δ(1) = y und [δ#γ] ∼U [γ] nach Konstruktion. Also ist auch [δ#γ] in [ω]U und p∗ ist surjektiv. Seien [γ1 ], [γ2 ] ∈ [ω]U mit γ1 (1) = γ2 (1). Dann gibt Kapitel 7: Lie-Gruppen und Überlagerungen 41 es eine Schleife δ in U mit δ(0) = γ1 (1) und [δ#γ1 ] = [γ2 ] ∈ Ω(y0 ). Da U einfach zusammenhängend ist, ist δ homotop zum konstanten Weg t 7→ γ1 (1). Also ist γ1 homotop zu γ2 , was die Injektivität von p∗ zeigt. (3) Wir definieren eine Topologie τ auf M folgendermaßen: Es sei W ∈ τ genau dann, wenn für alle offenen, einfach zusammenhängenden Mengen U ⊆ N und für alle Äquivalenzklassen [ω]U von p−1 (U ) die Menge p(W ∩ [ω]U ) offen in N ist. Die Familie ist eine Topologie auf M : Die leere Menge ist in τ . Da p([ω]U ) = U offen ist, ist auch M offen. Sind W1 , W2 ∈ τ , so ist nach (2) p(W1 ∩ W2 ∩ [ω]U ) = p(W1 ∩ [ω]U ) ∩ p(W2 ∩ [ω]U ). Also ist auch W1 ∩ W2 ∈ τ . Genauso zeigt man, daß die Vereinigung beliebiger Mengen aus τ wieder in τ liegt. : [ω]U → U ist ein Homöomorphismus: Sei W ⊆ [ω]U [ω]U und sei p(W) offen in U . Wir zeigen, daß W offen ist in M . Sei dazu V ⊆ N offen und einfach zusammenhängend und wähle eine Äquivalenzklasse [ζ]V . Wir müssen nachweisen, daß p(W ∩ [ζ]V ) offen in N ist. Für [γ] ∈ W ∩ [ζ]V ist p([γ]) = γ(1) ∈ p(W ∩ [ζ]V ). Sei W ⊆ p(W) ∩ V eine wegzusammenhängende Umgebung von γ(1) und sei w ∈ W . Wähle einen Weg δ in W von γ(1) nach w. Dann ist [δ#γ] ∈ [ω]U ∩ [ζ]V . Wegen (4) Es ist [ω]U ∈ τ und p w = p([δ#γ]) ∈ W ⊆ p(W) folgt [δ#γ] ∈ W aus (2). Also ist w ∈ p(W ∩ [ζ]V ), und wir haben gezeigt, daß W ⊆ p(W ∩ [ζ]V ) gilt. Dies bedeutet aber, daß p(W ∩ [ζ]V ) offen in N ist. Insbesondere haben wir gezeigt, stetig ist. Ist W ⊆ [ω]U offen, so ist p(W) = p(W ∩ [ω]U ) nach daß [ω]U ∈ τ und p [ω]U Definition offen, d.h. die Abbildung p ist auch offen und damit ein Homöomorphismus. [ω]U (5) Der topologische Raum (M, τ ) ist ein Hausdorff-Raum: Seien dazu [γ1 ], [γ2 ] ∈ M verschieden. Ist γ1 (1) 6= γ2 (1), so gibt es in N zwei disjunkte offene Umgebungen Ui um γi (1), die in offenen, einfach zusammenhängenden Mengen enthalten sind. Dann liefern die Urbilder p−1 (U1 ) und p−1 (U2 ) nach (4) disjunkte offene Umgebungen von [γ1 ] und [γ2 ]. Ist hingegen γ1 (1) = γ2 (1), so gibt es eine offene, einfach zusammenhängende Umgebung U von γ1 (1). Nach (2) gehören [γ1 ] und [γ2 ] zu verschiedenen U -Komponenten von p−1 (U ). Damit folgt die Behauptung wieder aus (4), denn die Urbilder dieser verschiedenen Komponenten liefern die gesuchten disjunkten Umgebungen. (6) Die Abbildung p : M → N ist eine Überlagerung: Nach Voraussetzung wird N von offen, einfach zusammenhängenden Mengen überdeckt. Aus (4) folgt die Stetigkeit von p, sowie die lokale Homöomorphie. Also ist p eine Überlagerung. 42 Kapitel 7: Lie-Gruppen und Überlagerungen (7) Der Raum M ist wegzusammenhängend: Sei δ : [0, 1] → N : t 7→ y0 der konstante Weg und sei [γ] ∈ M beliebig. Wir müssen einen Weg von [δ] nach [γ] finden. Betrachte für s ∈ [0, 1] die Wege γs : [0, 1] → N : t 7→ γ(st) und Γ : [0, 1] → M : s 7→ [γs ]. Dann ist [γ0 ] = [δ] und [γ1 ] = [γ]. Also müssen wir nur noch die Stetigkeit von Γ nachweisen. Da γ([0, 1]) kompakt ist, finden wir endlich viele offene, einfach zusammenhängende Mengen U1 , . . . , Uk , die γ([0, 1]) überdecken. Dann gibt es zu jedem s ∈ [0, 1] ein offenes Intervall Js ⊆ [0, 1] um s mit γ(Js ) ⊆ Ujs . Somit gibt es eine endliche Familie Sr J1 , . . . , Jl mit γ(Jr ) ⊆ Ujr , i=1 Ji = [0, 1] und [γs ] ∼Ujr [γs0 ] für alle s, s0 ∈ Jr . Sei [ωr ]Ujr diejenige Komponente von p−1 (Ujr ), die [γs ] für alle s ∈ Jr enthält. Für W ⊆ M offen ist dann auch l [ Γ−1 (W) = Γ−1 (W ∩ [ωr ]Ujr ) r=1 offen, da Γ−1 (W ∩ [ωr ]Ujr ) = s ∈ [0, 1] γ(s) ∈ p(W ∩ [ωr ]Ujr ) = γ −1 (p(W ∩ [ωr ]Ujr )) offen ist. Dies zeigt die Stetigkeit von Γ und den Wegzusammenhang von M . (8) Der Raum M ist einfach zusammenhängend: Mit den Bezeichnungen aus (7) sei γ ∗ eine Schleife in M durch den konstanten Weg [δ]. Sei γ = p ◦ γ ∗ . Dann ist der Weg Γ : [0, 1] → M aus (7) ein Weg von [δ] nach [γ], für den p ◦ Γ(s) = γs (1) = γ(s) gilt. Nach der Eindeutigkeit des Wege-Liftens folgt damit Γ = γ ∗ und [δ] = γ ∗ (1) = Γ(1) = [γ1 ] = [γ]. Also ist γ zum konstanten Weg δ homotop, Nach dem Homotopie-Lifting-Lemma ist dann auch γ ∗ zum konstanten Weg (in M ) homotop, d.h. M ist einfach zusammenhängend. Das nächste Theorem zeigt, weshalb die universellen Überlagerungen ihren Namen hat. (7.16) Satz. Sei p : M → N eine Überlagerung, wobei M lokal wegzusammenhängend und N einfach zusammenhängend ist. Dann existiert ein diskreter Raum F und ein Homöomorphismus f : M → N × F mit pr1 ◦ f = p, wobei pr1 : N × F → N die Projektion auf die erste Komponente ist. Ist M wegzusammenhängend, so ist p ein Homöomorphismus. Insbesondere gibt es bis auf Homöomorphie nur eine universelle Überlagerung eines topologischen Raumes. Beweis. Sei F die Menge der Wegzusammenhangskomponenten von M , versehen mit der diskreten Topologie. Setze f : M → N × F : m 7→ (p(m), Wm ), wobei Wm die Wegzusammenhangskomponente von M ist, die m enthält. Die Abbildung f is offen, da p als Überlagerung offen ist, und sie ist stetig, da M lokal wegzusammenhängend ist. Kapitel 7: Lie-Gruppen und Überlagerungen 43 Nach Konstruktion ist f surjektiv. Ist f (m1 ) = f (m2 ), so ist Wm1 = Wm2 . Wir müssen also zeigen, daß m1 = m2 ist. Da m1 und m2 in der selben Kompomente liegen, gibt es einen Weg γ in M von m1 nach m2 . Dann ist p ◦ γ ein Weg in N durch p(m1 ). Da N einfach zusammenhängend ist, ist p ◦ γ homotop zum konstanten Weg durch p(m1 ). Ist γm1 der konstante Weg durch m1 in M , so folgt nach dem Wege-Lifting-Lemma (7.14) m2 = γ(1) = γm1 (1) = m1 . Dies beweist das Lemma. Überlagerungsgruppen Als nächstes wollen wir topologische Gruppen überlagern und zeigen, wie man auf einer Überlagerung wieder eine topologische Gruppe definieren kann. Dabei wird sich herausstellen, daß die Überlagerungsabbildung ein Gruppen-Epimorphismus mit diskretem Kern wird. (7.17) Proposition. Sei G eine wegzusammenhängende und lokal wegzusammenhängene eine universelle Überlagerung von G mit Überlagerungsde topologische Gruppe, und sei G e eine Gruppenstruktur, bezüglich der die Abbildung p ein abbildung p. Dann besitzt G e zu einer topologischen Gruppe macht. Die Gruppe Gruppen-Epimorphismus ist, und die G e wird als einfach zusammenhängende Überlagerungsgruppe von G bezeichnet. G Beweis. Wir verwenden wieder die Notation aus dem letzten Lemma, Beweisteil (7). Dann ist o.E. (da je zwei universelle Überlagerungennach (7.16) homöomorph sind, siehe auch Spanier, Chapt.2, Sec.1, Corollary 13) e = M = {[γ] | γ : [0, 1] → G, γ(0) = 1} . G Durch [γ][δ] := [t 7→ γ(t)δ(t) : [0, 1] → G] e eine Gruppen-Verknüpfung mit dem konstanten Weg ω ≡ 1 als Neutralelewird auf G ment definiert. Diese Definition ist wohldefiniert, da das punktweise Produkt äquivalenter Wege durch das punktweise Produkt der Homotopien wieder äquivalent ist. Ebenso e und es ist klar, daß vererben sich die Gruppen-Eigenschaften von G punktweise auf G die Äquivalenzklasse [ω] des konstanten Weges das neutrale Element ist. Schließlich zeigt p([α][β]) = p([αβ]) = α(1)β(1) = p([α])p([β]), daß p ein Homomorphismus ist. Nach Definition ist p surjektiv. Da p außerdem ein lokaler Homöomorphismus ist, folgt aus der Stetigkeit der Multiplikation von G im Punkt (1, 1) 44 Kapitel 7: Lie-Gruppen und Überlagerungen e in ([ω], [ω]) und der Inversion von G in Punkt 1, daß die entsprechenden Operationen in G e eine topologische Gruppe ist. bzw. in [ω] stetig sind. Dies zeigt, daß G Nun wollen wir die zuletzt bewiesene Proposition für Lie-Gruppen formulieren. (7.18) Theorem. Sei G eine wegzusammenhängende Lie-Gruppe und G0 eine topologische Gruppe. Gibt es einen Homomorphismus p : G0 → G, der eine Überlagerung ist, so gibt es auf G0 einen analytischen Atlas, bzgl. dessen G0 eine Lie-Gruppe wird und p analytisch ist. Überdies ist p ein lokaler analytischer Diffeomorphismus. Beweis. Über die lokalen Homöomorphismen erhält man auf G0 einen analytischen Atlas, bezüglich dessen die Abbildung p sowohl analytisch als auch ein lokaler analytischer Diffeomorphismus ist. Es bleibt nachzuweisen, daß die Gruppenoperationen in G0 analytisch sind. Seien dazu g 0 , h0 ∈ G0 und sei g = p(g 0 ), h = p(h0 ). Dann gibt es wegzusammenhängende Umgebungen U, V, W von g, h, gh−1 in G mit U V −1 ⊆ W, und es gibt Umgebungen U 0 , V 0 von g 0 , h0 , so daß die Einschränkungen p U0 : U0 → U und p V0 :V0 →V Homöomorphismen sind. Außerdem soll p p−1 (W ) : p−1 (W ) → W auf den Zusammenhangskomponenten von p−1 (W ) Homöomorphismen liefern. Sei W 0 diejenige Zusammenhangskomponente von p−1 (W ), die den Quotienten g 0 h0−1 enthält und sei q die zugehörige Umkehrabbildung von p auf dieser Komponente. Die Analytizität der Abbildung (x0 , y 0 ) 7→ x0 y 0−1 : G0 × G0 → G0 folgt aus der Relation x0 y 0−1 = q(p(x0 )p(y 0−1 )) für alle x0 ∈ U 0 und alle y 0 ∈ V 0 . Um diese Beziehung zu verifizieren, genügt es zu zeigen, daß x0 y 0−1 in W 0 liegt, da p ein Homomorphismus und ein Homöomorphismus auf W ist. Dazu wählen wir einen Weg γ in U von g nach p(x0 ) und einen Weg δ in V von h nach p(y 0 ). Dann liegt der Weg ω : [0, 1] → G : t 7→ γ(t)δ(t)−1 nach Wahl von U, V, W in W . Somit ist q(γ(t)δ(t)−1 ) definiert und für den Weg ω 0 : [0, 1] → G0 : t 7→ q(γ(t)δ(t)−1 ) ist p ◦ ω 0 = ω. Andererseits läßt sich der Weg ω eindeutig zu einem Weg ω 00 von g 0 h0−1 nach x0 y 0−1 liften, also ist auch p ◦ ω 00 = ω. Aus der Eindeutigkeit des gelifteten Weges folgt ω 0 = ω 00 . Damit ist aber q(p(x0 )p(y 0 )) = q(γ(1)δ(1)−1 ) = ω 0 (1) = ω 00 (1) = x0 y 0−1 , was zu zeigen war. Kapitel 7: Lie-Gruppen und Überlagerungen 45 (7.19) Korollar. Sei G eine wegzusammenhängende Lie-Gruppe. Dann gibt es einen e der diese Gruppe zu einer analytischen Atlas auf der universellen Überlagerungsgruppe G, Lie-Gruppe macht, und die Überlagerungsabbildung ist analytisch. (7.20) Theorem. Sei G eine wegzusammenhängende lineare Lie-Gruppe und p : G0 → G ein Überlagerungshomomorphismus. Trägt G0 die durch p bestimmte Lie-Gruppen-Struktur, so gibt es eine eindeutig bestimmte analytische Abbildung expG0 : L(G) → G0 mit p ◦ expG0 = expG und expG0 (0) = 1l. Die Einparametergruppen von G0 sind genau die Abbildungen t 7→ expG0 tX für X ∈ L(G). Beweis. Nach dem Wege-Lifting-Lemma (7.14) gibt es zu dem Weg t 7→ expG tX genau 0 einen Weg γX in G0 mit 0 p ◦ γX (t) = expG tX 0 und γX (0) = 1l. 0 Setzen wir nun expG0 X = γX (1), so gilt p ◦ expG0 = expG und expG0 (0) = 1l. Da p nach Satz (7.18) ein lokaler analytischer Diffeomorphismus ist, folgt aus obiger Beziehung, daß expG0 analytisch ist. Ist f : L(G) → G0 eine weitere solche Abbildung, so ist die Menge {X ∈ L(G) | f (X) = expG0 (X)} nichtleer, offen und abgeschlossen. Da L(G) zusammenhängend ist, ist diese Menge mit L(G) identisch, also ist f = expG0 . Betrachte für festes t0 die Wege t 7→ expG0 ((t + t0 )X) und t 7→ expG0 (tX) expG0 (t0 X). Da beide Wege durch p auf expG ((t + t0 )X) abgebildet werden und in 0 übereinstimmen, folgt aus dem Wege-Lifting-Lemma, daß diese beiden Wege global übereinstimmen. Ist umgekehrt γ : R → G0 eine Einparametergruppe, so ist p ◦ γ eine Einparametergruppe in G. Diese sind von der Form t 7→ expG tX für ein X ∈ L(G). Schließlich zeigt das Wege-Lifting-Lemma, daß γ(t) = expG0 (tX) ist. (7.21) Korollar. Zu jeder Lie-Algebra g, für die eine Liegruppe G mit L(G) = g existiert, e mit L(G) e = g. gibt es eine eindeutig bestimmte, einfach zusammenhängende Liegruppe G e ist die universelle Überlagerung von G. Die Gruppe G Beweis. Es ist nurmehr zu zeigen, daß zwei universelle Überlagerungsgruppen von G als Gruppen isomorph sind. Dies ist aber klar, da jede Überlagerungsgruppe von G lokal isomorph zu G ist und jede zusammenhängende topologische Gruppe von jeder 1l-Umgebung algebraisch erzeugt wird. Durch die Campbell-Hausdorff-Formel folgt mit Hilfe der Exponentialabbildung das folgende Ergebnis. 46 Kapitel 7: Lie-Gruppen und Überlagerungen (7.22) Korollar. Je zwei Liegruppen mit isomorphen Lie-Algebren sind lokal isomorph. Mit Hilfe des Satzes von Ado (jede endlich-dimensionale Lie-Algebra g besitzt eine treue lineare Darstellung ρ : g → gln K für ein geeignetes n ∈ N) läßt sich zeigen: (7.23) Korollar. Zu jeder endlich-dimensionalen Lie-Algebra g gibt es eine lineare LieGruppe G mit L(G) = g. Insbesondere ist jede lokalkompakte Liegruppe lokal isomorph zu einer linearen Lie-Gruppe. Man sagt, jede lokalkompakte Liegruppe ist lokal linear. Kapitel 8: Korrespondenz zwischen Lie-Gruppen und Lie-Algebren 47 KAPITEL 8 Korrespondenz zwischen Lie-Gruppen und Lie-Algebren (8.1) Theorem. Seien G und H lineare Lie-Gruppen und sei f : G → H ein Morphismus zwischen topologischen Gruppen. Dann wird durch L(f ) : L(G) → L(H) : X 7→ f ◦ X ein Morphismus zwischen topologischen reellen Lie-Algebren definiert, so daß das Diagramm L(G) L(f) L(H) expG ? G expH f ? - H kommutiert, d.h. es ist expH ◦ L(f ) = f ◦ expG . Der Morphismus L(f ) wird durch diese Eigenschaft eindeutig bestimmt. Sind f1 , f2 : G → H zwei Morphismen im obigen Sinne mit L(f1 ) = L(f2 ), so stimmen f1 und f2 auf der Zusammenhangskomponente G1 von G überein. Beweis. Es ist expH (L(f )(X)) = expH (f ◦ X) = (f ◦ X)(1) = f (X(1)) = f (expG X) und nach Theorem (6.10)(i) ist für alle r, t ∈ R L(f )(r · X)(t) = (f ◦ r · X)(t) = f (r · X(t)) = f (X(rt)) = (f ◦ X)(rt) = r · (f ◦ X)(t) = r · L(f )(X)(t). 48 Kapitel 8: Korrespondenz zwischen Lie-Gruppen und Lie-Algebren Dabei gilt das vorletzte Gleichheitszeichen nach Theorem (6.10)(i), da f ◦ X eine Einparametergruppe in H ist. Aus dem gleichen Theorem folgt ebenso L(f )(X + Y )(t) = f (X + Y )(t) n = f lim (X(t/n)Y (t/n)) n→∞ n = lim (f (X(t/n))f (Y (t/n))) n→∞ = ((f ◦ X) + (f ◦ Y ))(t) = (L(f )(X) + L(f )(Y ))(t) und L(f )[X, Y ] = [L(f )(X), L(f )(Y )]. Um die Stetigkeit von L(f ) zu zeigen, genügt es, diese an der Stelle 0 nachzuweisen, da wir schon wissen, daß L(f ) additiv ist. Sei also B ⊂ L(H) eine offene Kugel um 0, die durch expH homöomorph auf eine offene Umgebung von 1 in H abgebildet wird. Dann ist U = (f ◦ expG )−1 (expH (B)) eine offene Nullumgebung in L(G) und es ist L(f )(U ) ⊆ B, was die Stetigkeit von L(f ) in 0 zeigt. Damit haben wir verifiziert, daß L(f ) ein Morphismus zwischen topologischen reellen Lie-Algebren ist. Dieser ist eindeutig bestimmt, denn für einen weiteren solchen Morphismus F : L(G) → L(H) mit expH ◦F = f ◦ expG ist F (X)(1) = f (X(1)). Da F die Skalarmultiplikation invariant läßt, folgt F (X)(t) = (t · F (X))(1) = F (t · X)(1) = f (t · X(1)) = f (X(t)) = L(f )(X)(t) für alle t ∈ R, also ist F = L(f ). Sei schließlich L(f1 ) = L(f2 ). Sei B eine offene Kugel in L(G) um 0, die von expG auf eine offene Umgebung U von 1 in G abgebildet wird. Dann ist für g ∈ U f1 (g) = expH ◦ L(f1 ) ◦ (expG B )−1 (g) = expH ◦ L(f2 ) ◦ (expG B )−1 (g) = f2 (g). Also ist die Menge E := {g ∈ G | f1 (g) = f2 (g)} eine abgeschlossene Untergruppe von G, die U enthält. Also ist E auch offen und enthält damit die Zusammenhangskomponente G1 von 1. Dies beweist alle Teile des Theorems. (8.2) Theorem. Seien G und H lineare Lie-Gruppen und seien U und V Umgebungen von 1 in G und H. Sei f : U → V ein stetiger lokaler Gruppen-Homomorphismus, d.h. es ist f (xy) = f (x)f (y) für alle x, y ∈ U mit xy ∈ U . Dann gibt es einen stetigen Morphismus L(f ) : g → h zwischen reellen Lie-Algebren, so daß für hinreichend kleine Nullumgebungen Kapitel 8: Korrespondenz zwischen Lie-Gruppen und Lie-Algebren 49 B und C in g und h das Diagramm B expG L(f ) B - C expH B ? U f C ? - V kommutiert. Beweis. Nach Satz (6.10) können wir g und h mit L(G) und L(H) identifizieren. Sei also X ∈ L(G). Dann gibt es ein ε > 0 mit X((−ε, ε)) ⊆ U . Nach Lemma (3.3) läßt sich die lokale Einparametergruppe t 7→ f (X(t)) : (−ε, ε) → H zu einer globalen Einparametergruppe L(f )X : R → H fortsetzen. Auf diese Weise erhalten wir eine Abbildung L(f ) : L(G) → L(H), so daß expH ◦ L(f ) = f ◦ expG auf einer kleinen Nullumgebung B in L(G) gilt. Aufgrund der Gleichung r · (L(f )X)(t) = L(f )X(rt) = L(f )(r · X)(t) erhält L(f ) die Skalarmultiplikation. Wie im vorigen Beweis zeigt man, daß L(f ) auch die Addition und die Lie-Klammer erhält. Also ist L(f ) ein Morphismus zwischen reellen topologischen Lie-Algebren. (8.3) Fundamentalsatz von Lie. Seien G und H lineare Lie-Gruppen und sei T : g → h ein Morphismus zwischen vollständig normierbaren Lie-Algebren. Dann gibt es Umgebungen U und V von 1 in G und H, und es gibt einen stetigen lokalen Gruppenhomomorphismus f : U → V , so daß für hinreichend kleine Nullumgebungen B und C von g und h, das Diagramm T B expG B - C expH B ? U f C ? - V kommutiert. Beweis. Da G und H lineare Lie-Gruppen sind, können wir annehmen, daß G ⊆ A−1 1 , −1 g ⊆ A1 und H ⊆ A2 , h ⊆ A2 für zwei geeignete Banach-Algebren A1 und A2 ist. Wähle normale Umgebungen (siehe (4.5)) Bi um 0 in Ai , so daß expG (B1 ∩ g) : B1 ∩ g → U und expH (B2 ∩ h) : B2 ∩ h → V 50 Kapitel 8: Korrespondenz zwischen Lie-Gruppen und Lie-Algebren Homöomorphismen auf offene Umgebungen U und V von 1 in G und H. Überdies können wir B1 so wählen, daß T (B1 ∩ g) ⊆ B2 ist. Dann ist T (X ∗ Y ) = T (X) ∗ T (Y ) für alle X, Y ∈ B1 ∩ g nach Theorem (4.7). Wir setzen nun f : U → V : g 7→ expH (T (expG )−1 (g)). B1 ∩ g Dann erfüllt f die Bedingungen des Theorems, denn wegen T (X ∗ Y ) = T (X) ∗ T (Y ) ist f ein lokaler Homomorphismus und nach Konstruktion von f kommutiert das im Theorem angegebene Diagramm. Für das folgenden Theorem benötigen wir noch ein Lemma. Ein Beweis findet man etwa in Hilgert-Neeb, Satz I.9.10. (8.4) Lemma. Sei G eine einfach zusammenhängende topologische Gruppe, sei H eine beliebige Gruppe und sei U eine offene zusammenhängende Umgebung von 1l in G. Gibt es eine Abbildung f : U → H mit f (uv) = f (u)f (v) für alle u, v ∈ U mit uv ∈ U , so gibt es genau einen Gruppen-Homomorphismus F : G → H, der f forsetzt. (8.5) Theorem. Seien G und H lineare Lie-Gruppen. Dann sind folgende Aussagen äquivalent: (i) Es gibt Umgebungen U und V von 1 in G und H, und es gibt einen in beiden Richtungen stetigen bijektiven lokalen Gruppenhomomorphismus f : U → V . f1 und H f1 sind isomorph. (ii) Die universellen Überlagerungsgruppen G (iii) Die Lie-Algebren g und h sind isomorph. Beweis. Die Äquivalenz von (i) und (iii) wurde in den letzten beiden Theoremen bewiesen. Nach Korollar (7.19) besitzt jede wegzusammenhängende Lie-Gruppe eine unif1 und H f1 isomorph via g, und sind verselle Überlagerungsgruppe. Sind die Gruppen G f1 → G1 und q : H f1 → H1 Überlagerungabbildungen, so gibt es Umgebungen U e und p:G e → U und f1 und H f1 , so daß g(U e ) ⊆ Ve ist und die Einschränkungen p : U Ve um 1 in G e U q e : Ve → V umkehrbar sind. Dann ist f := q ◦ g ◦ p−1 : U → V der gesuchte injektive V lokale Homomorphismus. Gilt umgekehrt (i), so gibt es nach Theorem (8.4) genau einen f1 → H f1 , der die Abbildung f fortsetzt. Da f bijektiv Gruppen-Homomorphismus F : G f1 . Da letztere Gruppe ist, ist das Bild von F offen und damit auch abgeschlossen in H f1 . Also ist F surjektiv. Da f bijektiv ist, ist zusammenhängend ist, ist somit im F = H f1 operiert auf ker F via Konder Kern von F diskret. Die zusammenhängende Gruppe G −1 f jugation. Da ker F diskret istnund die Abbildung o G1 × ker F → ker F : (g, x) 7→ g xg f1 zusammenhängend, also einpunktig sein, stetig ist, müssen die Bahnen g −1 xg g ∈ G f1 und alle x ∈ ker F . Also liegt ker F im Zentrum von d.h. es ist g −1 xg = x für alle g ∈ G f1 . Da Z := ker F diskret ist, gibt es außerdem eine zusammenhängende, symmetrische G Kapitel 8: Korrespondenz zwischen Lie-Gruppen und Lie-Algebren 51 Umgebung W von 1 mit Z ∩W 2 = {1}. Mit W 0 := F (W ) ist F −1 (W 0 ) = ZW . Die Zusammenhangskomponenten von ZW sind die Mengen zW mit z ∈ Z und F : zW → W 0 ist f1 eine universelle ein Homöomorphismus. Also ist F eine Überlagerung. Insbesondere ist G f1 ∼ f f Überlagerung von E := G ker F = H1 . Die Gruppen H1 und E sind als topologische Gruppen isomorph. Da die erste der beiden Gruppe aber selbst einfach zusammenhängend f1 ∼ f1 aus Satz (7.16). ist, folgt G =H (8.6) Korollar. Seien G und H lineare Lie-Gruppen und sei f : G → H ein stetiger Homomorphismus. Dann ist f eine analytische Abbildung bzgl. der kanonischen analytischen Strukturen von G und H. Beweis. Folgt sofort aus Theorem (8.2) und der Tatsache, daß die Exponentialfunktion und jede stetige lineare Abbildung analytisch ist. (8.7) Korollar. Sei G eine lineare Lie-Gruppe. Dann gibt es auf G bis auf analytische Diffeomorphie genau einen analytischen Atlas auf G, der G zu einer Lie-Gruppe macht. Beweis. Die Identität id : G → G ist ein stetiger Isomorphismus. Seien A und B zwei analytische Atlanten, bzgl. deren G zu einer Lie-Gruppe wird. Nach dem vorherigen Korollar ist die Identität id : (G, A) → (G, B) analytisch und deren Umkehrung aus dem gleichen Grund ebenso. Also ist die Identität ein analytischer Diffeomorphismus. 52 Kapitel 9: Die adjungierte Darstellung KAPITEL 9 Die adjungierte Darstellung In diesem Kapitel sei E stets ein Banach-Raum und A die Banach-Algebra aller beschränkten linearen Operatoren auf E. Der Banach-Raum E sei mit einer stetigen bilinearen Multiplikation (x, y) 7→ xy ausgestattet. Diese muß nicht assoziativ sein. Die Gruppe Aut (E) aller Automorphismen von E ist definiert durch Aut (E) := α ∈ A−1 α(xy) = α(x)α(y) für alle x, y ∈ E . Die Gruppe Aut (E) ist bezüglich der punktweisen Konvergenz abgeschlossen in A−1 , da die Multiplikation in E stetig ist. Da die Topologie, die von der Operator-Norm induziert wird, feiner ist als die Topologie der punktweisen Konvergenz, ist Aut (E) auch bezüglich der Operator-Norm-Topologie abgeschlossen. Der Vektorraum Der(E) aller stetigen Derivationen D ∈ A (siehe (3.8)(3)) ist eine abgeschlossene Lie-Unteralgebra der Lie-Algebra (A, [., .]), siehe auch Definition (3.10). (9.1) Lemma. Sei E := Hom(E, Hom(E, E)) der Banach-Raum aller beschränkten linearen Operatoren von E nach Hom(E, E) bezüglich der Operatornorm. Wir fassen im folgenden E als Raum aller bilinearen stetigen Abbildungen von E × E nach E auf. Seien χl : Hom(E, E) → Hom(E, E) : T 7→ Tl = (ϕ 7→ ((x, y) 7→ ϕ(T x)y)) χr : Hom(E, E) → Hom(E, E) : T 7→ Tr = (ϕ 7→ ((x, y) 7→ ϕ(x)(T y))) χa : Hom(E, E) → Hom(E, E) : T 7→ Ta = (ϕ 7→ ((x, y) 7→ T (ϕ(x)y))) für ϕ ∈ E und x, y ∈ E. Setze m(x, y) := xy für x, y ∈ E. Es gelten die folgenden Aussagen: (i) Die Abbildungen χl , χr und χa sind kontrahierende Banach-Raum-Operatoren. Die ersten beiden Operatoren vertauschen Produkte, während χa Produkte erhält. Insbesondere ist (χ∗ T )n = χ∗ (T n ), wobei ∗ l, r oder a bedeutet. (ii) Für alle R, S, T ∈ Hom(E, E) kommutieren die Operatoren χl R, χr S und χa T paarweise. (iii) Ein Element D ∈ Hom(E, E) ist genau dann eine Derivation von E, wenn die Relation (χl D + χr D)(m) = χa D(m) gilt. Kapitel 9: Die adjungierte Darstellung 53 (iv) Ein Element T ∈ Hom(E, E) ist genau dann ein Endomorphismus von E (d.h. T erhält die Multiplikation m), wenn (χl T χr T )(m) = (χa T )(m) gilt. Beweis. (i) Für ϕ ∈ E und x, y ∈ E mit ||ϕ|| = ||x|| = ||y|| = 1 ist ||((χl T )(ϕ))(x, y)|| = ||ϕ(T x)(y)|| ≤ ||ϕ(T x)|| ≤ ||ϕ|| ||T x|| = ||T x|| und wir erhalten ||χl T || = sup {||(χl T )(ϕ)|| | ϕ ∈ E, ||ϕ|| = 1} = sup {||((χl T )(ϕ))(x, y)|| | ϕ ∈ E, ||ϕ|| = 1, x, y ∈ E, ||x|| = ||y|| = 1} ≤ sup {||T x|| | x ∈ E, ||x|| = 1} = ||T || für alle T ∈ Hom(E, E). Also ist der Operator χl kontrahierend. Analog zeigt man dies für die beiden anderen Operatoren. Für S, T ∈ Hom(E, E) und x, y ∈ E ist außerdem χl (ST )(ϕ)(x)(y) = ϕ((ST )x)(y) = ϕ(S(T x))(y) = (χl S)(ϕ)(T x)(y) = (χl (T )(χl (S)(ϕ)))(x)(y) = (χl (T )(χl (S))(ϕ)(x)(y), woraus χl (ST ) = χl (T )χl (S) folgt. Genauso zeigt man χr (ST ) = χr (T )χr (S) und χa (ST ) = χa (S)χa (T ). Die letzte Aussage von (i) folgt unmittelbar aus den gerade bewiesenen Eigenschaften. (ii) Wir zeigen nur die Relation (χr R)(χa T ) = (χa T )(χr R). Für R, T ∈ Hom(E, E) und x, y ∈ E ist ((χr R) (χa T )) (ϕ)(x)(y) = T (ϕ(x)(Ry)) = T (χr R(ϕ)(x)(y)) = ((χa T ) (χr R)) (ϕ)(x)(y), woraus die Behauptung folgt. (iii) Für D ∈ Hom(E, E) und x, y ∈ E ist (χl D + χr D) (m)(x)(y) = m(Dx)(y) + m(x)(Dy) = (Dx)y + x(Dy) und (χa D)(m)(x)(y) = D(m(x)(y)) = D(xy). Damit folgt die Behauptung. (iv) Für T ∈ Hom(E, E) und x, y ∈ E ist (χl T ) (χr T ) (m)(x)(y) = m(T x)(T y) 54 Kapitel 9: Die adjungierte Darstellung und (χa T ) (m)(x)(y) = T (m(x)(y)) , also gilt die in (iv) angegebene Äquivalenz. (9.2) Theorem. Sei exp : A → A−1 : T 7→ eT die Exponentialabbildung der BanachAlgebra A. Sei B1 (1) die offene Einheitskugel in A um die Identität. Sei log : B1 (1) → A die Logarithmusabbildung. Dann gelten die folgenden Aussagen: (i) exp(Der(E)) ⊆ Aut(E), (ii) Ist ||m|| ≤ 1 (dies ist zum Beispiel der Fall, wenn m die Multiplikation einer Banach-Algebra ist!), so ist log(B1 (1) ∩ Aut(E)) ⊆ Der(E), (iii) Ist ||m|| ≤ 1, so ist Aut(E) eine Lie-Untergruppe von A−1 mit Lie-Algebra aut(E) = Der(E). Beweis. (i) Sei D ∈ Der(E). Dann ist (χl D + χr D)(m) = χa D(m) nach Lemma (9.1)(iii). Nach (ii) des selben Lemmas kommutieren die Operatoren χl D + χr D und χa D. Damit ist (χl D + χr D)k (m) = χa Dk (m) für alle k ∈ N. Ist p(ξ) eine Potenzreihe, die in den Operatoren χl D +χr D und χa D konvergiert, so ist damit p(χl D +χr D)(m) = p(χa D)(m). Insbesondere ist exp(χa D)(m) = exp(χl D + χr D)(m). Da χl D und χr D kommutieren, gilt exp(χl D + χr D) = exp(χl D) exp(χr D) in Hom(E, E) (siehe (2.1)(ii)). Nach Lemma (9.1)(i) ist exp(χ∗ D) = χ∗ (exp D), wobei ∗ eines der Symbole r, l, oder a bedeute. Also ist χa (exp D)(m) = exp(χa D)(m) = (χl (exp D)χr (exp D)) (m), und folglich ist exp D ein Automorphismus nach Lemma (9.1)(iv). (ii) Sei T ∈ B1 (1). Dann ist ||T − 1|| < 1 und aus Lemma (9.1)(i) folgt ||χ∗ T − 1|| < 1. Ist T zusätzlich in Aut(E), so ist χl T (χr T (m)) = χa T (m) nach Lemma (9.1)(iv). Also ist insbesondere ||(χl T χr T − 1)(m)|| = ||(χa T − 1)(m)|| < 1. Damit sind log((χl T )(m)), log((χr T )(m)) und log((χl T χr T )(m)) definiert und es gilt log((χl T χr T )(m)) = log((χl T )(m)) + log((χr T )(m)). Mit Lemma (9.1)(i) zeigt man wie in Teil (i) die Beziehungen log(χ∗ T ) = χ∗ (log T ). Also ist (χl (log T ) + χr (log T )) (m) = log((χl T χr T )(m)) = log((χa T )(m)) = (χa (log T ))(m). Nach Lemma (9.1)(iii) ist damit log T eine Derivation, was zu zeigen war. (iii) Sei N0 die Zusammenhangskomponente von 0 in exp−1 B1 (1). Dann sind die Abbildungen exp : N0 → B1 (1) und log : B1 (1) → N0 analytische Inverse zueinander N0 Kapitel 9: Die adjungierte Darstellung 55 (Proposition (2.4)). Nach (i) und (ii) sind die Einschränkungen exp log N0 ∩ Der(E) B1 (1) ∩ Aut(E) : N0 ∩ Der(E) → B1 (1) ∩ Aut(E) : B1 (1) ∩ Aut(E) → N0 ∩ Der(E) invers zueinander. Nach Definition (6.4) ist also Aut(E) eine Lie-Untergruppe von A−1 mit Lie-Algebra Der(E). (9.3) Fundamentalsatz über die adjungierte Darstellung. Sei G eine lineare LieGruppe mit Lie-Algebra g = L(G). Dann gelten die folgenden Aussagen: (i) Es gibt genau einen Gruppen-Homomorphismus Ad : G → Aut(g), genannt die adjungierte Darstellung von G, der folgendes Diagramm kommutativ ergänzt: g expG ? G adDer(g) D 7→ eD ? - Aut(g) Ad (ii) g(exp X)g −1 = exp(Ad (g)(X)) für alle g ∈ G und X ∈ g, (iii) exp X exp Y exp −X = exp(ead X Y ) für alle X, Y ∈ g, (iv) Der Kern der adjungierten Darstellung Ad ist der Zentralisator CG G1 der Zusammenhangskomponente G1 der Identität in G. Beweis. (i) Wir können annehmen, daß G ≤ A−1 für eine geeignete Banach-Algebra A ist. Dann läßt sich die Lie-Unteralgebra, wie sie in Definition (6.2) angegeben wurde, mit der Lie-Algebra g von G identifizieren, so daß expG : g → G durch expG = expA = (x 7→ ex ) g gegeben ist, siehe Proposition (6.9). Sei g ∈ G. Dann bildet der innere Automorphismus Ad A (g) : A → A : a 7→ gag −1 (siehe Definition (3.10)) g in sich ab, denn für y ∈ g ist exp(R · y) ⊆ G (nach Proposition (3.4) ist exp(R · y) eine Einparametergruppe in G) und es folgt g(exp(t · y))g −1 = exp(t · gyg −1 ) nach Proposition (3.13). Also ist auch t 7→ exp(t · gyg −1 ) eine Einparametergruppe in G. Damit ist gyg −1 ∈ g, siehe Proposition (6.9)(ii). Also ist Ad A (g) : g → g ein Automorphismus von g. Dann ist Ad : G → Aut(g) ein Homomorphismus zwischen topologischen Gruppen nach Lemma (3.11)(v). Nach Theorem (9.2)(iii) ist Aut(g) eine lineare Lie-Gruppe mit zugehöriger Lie-Algebra aut(g) = Der(g) und Exponentialabbildung D 7→ eD . Die adjungierte Darstellung ad A : A → Der(A) : y 7→ (x 7→ [y, x]) bildet g in Der(g) ab und ergibt somit via Einschränkung die adjungierte Darstellung ad : g → Der(g) der Lie-Algebra g. Die Kommutativität des Diagrams folgt nun via Restriktion aus dem kommutativen Diagramm von 56 Kapitel 9: Die adjungierte Darstellung Proposition (3.13). Die Eindeutigkeit von Ad folgt nun aus der Tatsache, daß expG ein lokaler Homöomorphismus ist. (ii) und (iii) folgen nun ebenfalls aus Proposition (3.13), (i) und (iii). (iv) Nach (ii) gilt Ad (g) = idg genau dann, wenn g(exp X)g −1 = exp X für alle X ∈ g ist, d.h. wenn g im Zentralisator von exp g liegt. Als 1-Umgebung der Zusammenhangskomponente G1 von G erzeugt exp g die Gruppe G1 . Damit folgt die Behauptung. Kapitel 10: Unterstrukturen von Lie-Gruppen und Lie-Algebren 57 KAPITEL 10 Unterstrukturen von Lie-Gruppen und Lie-Algebren (10.1) Definition. Ein Untervektorraum i einer Lie-Algebra g heißt Ideal von g, wenn [g, i] ⊆ i ist. (10.2) Definition. Eine Untergruppe H einer linearen Lie-Gruppe G mit Lie-Algebra g heißt Lie-Untergruppe von G, wenn es eine (abgeschlossene) Lie-Unteralgebra h von g sowie eine offene Kugel B um 0 in g gibt, so daß expG die Menge B ∩ h homöomorph auf eine offene Umgebung der Identität von H abbildet. Bemerkung. (i) Nach Satz (6.3) und Proposition (6.5) ist jede lokalkompakte Untergruppe einer linearen Lie-Gruppe eine Lie-Untergruppe. Insbesondere ist jede abgeschlossene Untergruppe einer endlich-dimensionalen linearen Lie-Gruppe eine Lie-Untergruppe. (ii) Jede Lie-Untergruppe einer linearen Gruppe erfüllt alle Bedingungen von Definition (6.4), ist also selbst wieder eine lineare Lie-Gruppe mit Lie-Algebra h und der Einschränkung von expG auf h als Exponentialabbildung. (10.3) Proposition. Sei G ≤ A−1 eine lineare Lie-Gruppe mit Lie-Algebra g in einer Banach-Algebra A. Sei H ≤ G und h := {X ∈ g | exp(R · X) ⊆ H}. Es gelten die folgenden Aussagen (i) h ist abgeschlossen in g, (ii) es gibt eine Umgebung V ⊆ B1 (1) ∩ G um 1 in G mit log(V ∩ H) ⊆ h. Dann ist H eine abgeschlossene lineare Lie-Untergruppe von G mit Lie-Algebra h. Beweis. Nach Proposition (6.9) ist exp : N1 → M1 ein Homöomorphismus. Wir wählen eine beliebige Umgebung V ⊆ M1 von 1 in G mit log(V ∩ H) ⊆ h. Dann ist U := log V definiert, und es ist U ∩ exp−1 (H) = log(V ∩ H). Dabei bildet exp die Menge log(V ∩ H) homöomorph auf die 1-Umgebung V ∩ H in H ab. Wegen exp h ⊆ H ist U ∩ h ⊆ U ∩ exp−1 H = log(V ∩ H) ⊆ h. Wegen log V = U und log(V ∩ H) ⊆ h folgt ebenso log(V ∩ H) ⊆ U ∩ h und damit log(V ∩ H) = U ∩ h. Somit bildet expG = exp die Umgebung U ∩ h homöomorph auf g 58 Kapitel 10: Unterstrukturen von Lie-Gruppen und Lie-Algebren die Umgebung V ∩ H ab. Wir müssen noch nachweisen, daß h eine abgeschlossene LieUnteralgebra von g ist. Abgeschlossen ist h in g nach Voraussetzung. Außerdem ist H abgeschlossen in G, denn die Menge U ∩h ist abgeschlossen in U , und da expG : U → V ein Homöomorphismus ist, ist auch V ∩ H abgeschlossen in V . Also ist H lokal abgeschlossen und damit abgeschlossen (siehe Beweis zu Proposition (6.5)). Nach Definition ist h unter der Skalarmultiplikation abgeschlossen. Für X, Y ∈ h ist also nt · X, nt · Y ∈ h für alle t ∈ R und alle n ∈ N. Nach Proposition (3.5) ist t · (X + Y ) = limn→∞ n nt · X ∗ nt · Y . Wegen expG nt · X expG nt · Y ∈ HH = H für alle t ∈ R folgt expG (t · (X + Y )) = lim n→∞ t expG · X n n t expG · Y ∈ H = H. n Nach Definition von h ist somit X + Y ∈ h. Analog zeigt man [X, Y ] ∈ h mit Hilfe von Proposition (3.6). Also ist h eine Lie-Unteralgebra von g. Die folgende Proposition zeigt, wie sich gruppentheoretische Fragenstellungen in Probleme auf dem Lie-Algebren-Niveau übersetzen lassen und umgekehrt. (10.4) Proposition. Sei H eine zusammenhängende Lie-Untergruppe einer zusammenhängenden linearen Lie-Gruppe G mit Lie-Algebra h = L(H). Dann sind folgende Aussagen äquivalent: (i) H ist ein Normalteiler von G. (ii) h ist ein Ad (G)-invarianter Unterraum von g. (iii) ead X h ⊆ h für alle X ∈ g. (iv) h ist ein Ideal von g. Beweis. Als zusammenhängende Gruppe wird H von jeder Menge mit nichtleerem Inneren algebraisch erzeugt, insbesondere also von exp h. Damit ist H genau dann ein Normalteiler von G, wenn g(exp X)g −1 ∈ H für alle g ∈ G und alle X ∈ h gilt. (i) ⇐⇒ (ii): Ein Element X ∈ g liegt genau dann in h, wenn exp t · X ∈ H für alle t ∈ R ist. Nach Satz (9.3)(ii) ist g(exp t·X)g −1 = exp(t·Ad (g)(X)). Also gilt g(exp t·X)g −1 ∈ H genau dann für alle t ∈ R, wenn Ad (g)(X) ∈ h ist. (ii) =⇒ (iii): Für X ∈ g und g := exp X gilt Ad (g) = ead X nach Satz (9.3)(i). (iii) =⇒ (iv): Sei X ∈ g und Y ∈ h. Dann ist nach Voraussetzung ead X (Y ) ∈ h. Es ist et·ad X Y = Y + t · [X, Y ] + r(t) mit lim06=t→0 r(t) t = 0. Damit ist r(t) 1 t·ad X (e (Y ) − Y ) = [X, Y ] + ∈h t t für alle t 6= 0. Da h abgeschlossen ist, folgt nach Übergang zum Limes t → 0 die Behauptung [X, Y ] ∈ h. Kapitel 10: Unterstrukturen von Lie-Gruppen und Lie-Algebren 59 (iv) =⇒ (i): Ist h ein Ideal von g, so sind alle Summanden von 1 ead X Y = Y + [X, Y ] + [X, [X, Y ]] + . . . 2 für X ∈ g und Y ∈ h in h enthalten. Da h abgeschlossen ist, folgt ead X Y ∈ h. Nach Satz (9.3)(iii) haben wir dann exp X(exp Y ) exp −X = exp(ead X Y ) ∈ exp h ⊆ H. Da H zusammenhängend ist, wird H von exp h algebraisch erzeugt. Also ist H invariant unter allen inneren Automorphismen h 7→ (exp X)h(exp −X) mit X ∈ g. Da G ebenfalls zusammenhängend ist, wird auch G von exp g algebraisch erzeugt. Somit ist H invariant unter allen inneren Autmorphismen von G, d.h. H ist ein Normalteiler von G. (10.5) Proposition. Seien G, H lineare Lie-Gruppen und sei f : G → H ein Homomorphismus zwischen topologischen Gruppen. Dann gelten die folgenden Aussagen: (i) der Kern ker f ist eine normale Lie-Untergruppe von G mit zugehöriger LieAlgebra ker L(f ) (siehe Theorem (8.1)). (ii) Es ist ker L(f ) = L(ker f ). (iii) Das Diagramm ker L(f ) ⊆- expker f ? ker f L(G) expG ⊆ - ? G kommutiert. Beweis. (ii) Nach Definition (6.8) ist L(ker f ) = Hom(R, ker f ). Die folgenden Aussagen sind äquivalent: (a) X ∈ L(ker f ) (b) L(f )(X)(t) = (f ◦ X)(t) = 1 für alle t ∈ R (c) L(f )(X) = 0 (d) X ∈ ker L(f ). Dies beweist (ii). (i) Für jeden stetigen Homomorphismus zwischen topologischen Gruppen ist ker f ein abgeschlossener Normalteiler. Wir müssen also noch zeigen, daß ker f eine Lie-Untergruppe von G ist. Sei A eine Banach-Algebra mit G ⊆ A−1 und expG = expA g (Proposition (6.9)). Wir wollen Proposition (10.3) anwenden. Da der Kern ker L(f ) 60 Kapitel 10: Unterstrukturen von Lie-Gruppen und Lie-Algebren stets abgeschlossen ist (L(f ) ist ja stetig nach Theorem (8.1)), ist nach (ii) die LieAlgebra L(ker f ) abgeschlossen in g. Damit ist (i) von Proposition (10.3) erfüllt. Nach Proposition (6.9) und Theorem (8.1) gibt es eine offene Kugel B ⊆ N1 um 0 in g, so daß L(f )(B) in einer Nullumgebung in h liegt, auf der expH injektiv ist. Sei V := expG B und K := exp−1 G N (V ∩ ker f ). Nach Proposition (6.9) und Theorem (8.1) ist 1 K = {X ∈ B | expH (L(f )X)) = f (expG X) = 1}. Da expH auf L(f )(B) injektiv ist, folgt K = {X ∈ B | L(f )X = 0} ⊆ ker L(f ). Dies zeigt (ii) von Proposition (10.3). Also ist ker f eine Lie-Untergruppe von G. (iii) Nach Proposition (6.9) ist expker L(f ) die Einschränkung von expG auf ker L(f ). Daher kommutiert das angegebene Diagramm. (10.6) Proposition. Sei {Gj }j∈J eine Familie linearer Lie-Gruppen. (i) Sind alle Gj Lie-Untergruppen einer linearen Lie-Gruppe G, so ist L(H) = h, T T wobei H := j∈J Gj und h := j∈J L(Gj ) ist. Ist J endlich, so ist H ebenfalls eine lineare Lie-Gruppe. Q Q (ii) Ist H := j∈J Gj und h := j∈J L(Gj ), so ist L(H) ∼ = h. Ist J endlich, so ist H eine lineare Lie-Gruppe. Beweis. (i) Das Bild einer Einparametergruppe X : R → G liegt in H, wenn X(t) ∈ Gj für alle t ∈ R und alle j ∈ J ist, d.h. es ist X ∈ L(G) genau dann, wenn X ∈ L(Gj ) T für alle j ∈ J. Dies zeigt L(H) = j∈J L(Gj ) = h. Sei nun J endlich und sei B eine offene Kugel um 0 in g, so daß B durch expG homöomorph auf eine 1-Umgebung V von G abgebildet wird. Da alle Gj Lie-Untergruppen sind, gibt es zu jedem j ∈ J eine offene ein Homöomorphismus auf expG (Bj )∩Gj Kugel Bj ⊆ B um 0 in g, so daß expG T Bj ∩ L(Gj ) T ist. Setze Vj := expG Bj , BH := j∈J Bj und VH := j∈J Vj . Da J endlich ist, sind BH und VH offene Umgebungen und expG : B → VH ist ein Homöomorphismus, der BHT H T BH ∩ h = j∈J (Bj ∩ L(Gj )) auf VH ∩ H = j∈J (Vj ∩ Gj ) abbildet. Nach Definition einer Lie-Untergruppe ist damit H eine Lie-Untergruppe von G mit Lie-Algebra h. (ii) Die Isomorphie L(H) ∼ = h ist trivial. Sei nun J endlich. Für alle j ∈ J seien Gj ⊆ Q −1 Aj für geeignete Banach-Algebren Aj . Dann ist A := j∈J Aj bezüglich der Norm ||(aj )j∈J || := maxj∈J ||aj || und der Produkt-Operationen wieder eine Banach-Algebra. Nun wird die Argumentation ähnlich wie im Teil (i) beendet. Wir haben in Proposition (6.5) gesehen, daß jede abgeschlossene Untergruppe H einer lokalkompakten linearen Lie-Gruppe G eindeutig eine Lie-Unteralgebra h von g bestimmt, so daß H eine lineare Lie-Gruppe mit L(H) = h und H1 = hexpG hi ist. Die Umkehrung dieses Satzes ist sogar für kompakte Lie-Gruppen falsch, wie das folgende Beispiel zeigt. Kapitel 10: Unterstrukturen von Lie-Gruppen und Lie-Algebren 61 (10.7) Beispiel. Betrachte die kompake Lie-Untergruppe cos 2πr − sin 2πr T = 0 0 sin 2πr cos 2πr 0 0 0 0 0 0 r, s ∈ R ⊂ GL(4, R). cos 2πs sin 2πs − sin 2πs cos 2πs Die zu T gehörige Lie-Algebra t in gl(4, R) ist gegeben durch 0 −r t= 0 0 Für a ∈ R sei r 0 0 0 0 0 r, s ∈ R ⊂ gl(4, R). 0 0 s 0 −s 0 0 −r h := 0 0 r 0 0 0 0 0 0 −ar 0 0 r ∈ R . ar 0 Man verifiziert leicht, daß h eine Lie-Unteralgebra von t ist. Es gibt genau dann eine zusammenhängende lineare Lie-Untergruppe H von T mit Lie-Algebra h, wenn a rational ist. Das letzte Teil dieses Kapitels zeigt eine Art von Umkehrung, wie sich aus einer vorgegebenen Lie-Unteralgebra h von g eine Untergruppe H von G definieren läßt. Allerdings muß H in der Spurtopologie von G keine lineare Lie-Gruppe sein. Dazu muß die Spurtopologie verfeinert werden. (Man nimmt dazu die Wegzusammenhangskomponenten in der Spurtopologie als Subbasis der neuen Topologie). (10.8) Theorem. Sei G eine lineare Lie-Gruppe, und sei h eine abgeschlossene LieUnteralgebra von g = L(G). Sei H = hexp hi und sei S die Menge aller Wegzusammenhangskomponenten von offenen Mengen bzgl. der Spurtopologie von H in G. Sei τ die von S erzeugte Topologie auf H. Dann ist (H, τ ) eine topologische Gruppe. Die Topologie τ heißt die Lie-Gruppen-Topologie auf H. Ist h separabel (dies ist immer richtig, wenn h endlichdimensional ist), so ist (H, τ ) eine separable Untergruppe von G und es ist L(H) = h. Ist h lokalkompakt, so ist (H, τ ) eine Lie-Gruppe mit Lie-Algebra h. Beachte, daß H in der Spurtopologie i.a. keine Lie-Gruppe ist. Beweis. Sei A eine Banach-Algebra mit G ≤ A−1 und sei B eine normale Umgebung. (a) (H, τ ) ist eine topologische Hausdorff-Gruppe: Sei dazu U ∈ S und h ∈ H. Da h wegzusammenhängend und lokal wegzusammenhängend ist, gibt es eine Umgebung V ⊆ B von 0 in h mit exp V ⊆ U . Sei V 0 eine offene 0-Umgebung in A mit V = V 0 ∩ h. Da 62 Kapitel 10: Unterstrukturen von Lie-Gruppen und Lie-Algebren die Campbell-Hausdorff-Multiplikation stetig ist, gibt es eine 0-Umgebung W 0 in A mit W 0 ∗ W 0 ⊆ V 0 . Setze W := W 0 ∩ h. Da h abgeschlossen in A ist, ist W ∗ W ⊆ V 0 ∩ h = V . Nach Korollar (2.7) ist daher log(exp W exp W ) ⊆ V und exp W exp W ⊆ exp V ⊆ U. Sei U 0 die Wegzusammenhangskomponente von exp W . Dann ist U 0 ∈ S, da exp ein lokaler Homöomorphismus ist und wir haben U 0 U 0 ⊆ U . Dies zeigt die Stetigkeit der Multiplikation in (H, τ ) im Punkt (1, 1). Da die Translationen x 7→ ax und x 7→ xa für a ∈ H bzgl. der Spurtopologie von H in G Homöomorphismen sind und H invariant lassen, permutieren diese Abbildungen die Wegzusammenhangskomponenten von H. Insbesondere sind diese Abbildungen auch bzgl. der Topologie τ Homöomorphismen. Hieraus folgt die Stetigkeit der Multiplikation auf ganz G × G. Die Stetigkeit der Inversion wird analog bewiesen. Da die Topologie τ feiner als die Spurtopologie auf H ist, ist (H, τ ) ein Hausdorff-Raum. : h → (H, τ ) ist stetig, denn wählt man in Teil (a) h die Umgebung W wegzusammenhängend, so ist auch W und damit exp W wegzusammenhängend und offen (in H). Da man zu jedem U ∈ S mit 1 ∈ U die Umgebung W so klein machen kann, daß exp W ⊆ U gilt, folgt, daß expG im Punkt 0 stetig ist. Da diese h Abbildung ein lokaler Homomorphismus zwischen den topologischen Gruppen (h, ∗) und H ist, folgt die Stetigkeit in allen Punkten. Ist h lokalkompakt, so lassen sich die Umgebungen W und U kompakt wählen und expG wird zu einem lokalen Homöomorphismus. h (c) Da h separabel ist, ist expG h als stetiges Bild in (H, τ ) ebenfalls separabel. Da H durch die Menge exp h algebraisch erzeugt wird, ist auch (H, τ ) separabel. Nach Definition von H ist h ⊆ {X ∈ g | exp(R · X) ⊆ H} = L(H). Sei B eine normale Umgebung in g und setze B0 := B ∩ h. Wir nehmen an, daß h echt in L(H) enthalten ist. Dann gibt es X ∈ B \ h mit [0, 1] · X ⊆ exp−1 H. Für 0 ≤ r ≤ s ≤ 1 sei (b) Die Exponentialabbildung expG 0 ((r · X) ∗ B0 ) ∩ ((s · X) ∗ B0 ) 6= ∅. Dann gibt es U, V ∈ B0 mit (r ·X)∗U = (s·X)∗V . Also ist (s−r)·X = (−r ·X)∗(s·X) = U ∗ (−V ) ∈ B0 ∗ B0 ⊆ h nach Theorem (4.8). Wegen X 6∈ h impliziert dies s − r = 0. Also bilden die Mengen (r · X) ∗ B0 für r ∈ [0, 1] eine überabzählbare Familie paarweise disjunkter Teilmengen von N1 ∩ exp−1 H. Da exp B0 offen und die Abbildung exp bijektiv auf N1 ist, gilt dies auch für die Mengen exp(r · X) exp B0 mit r ∈ [0, 1] aus H. Dann ist H aber nicht separabel, ein Widerspruch. Also ist doch h = L(H). Kapitel 11: Normalisatoren, Zentralisatoren und Kommutatoren 63 KAPITEL 11 Normalisatoren, Zentralisatoren und Kommutatoren (11.1) Definition. Für eine beliebige Gruppe G setzen wir ι : G → G : g 7→ g −1 und κh : G → G : g 7→ ghg −1 für alle h ∈ G. (11.2) Lemma. Sei G eine Gruppe und sei H eine Teilmenge von G. Dann sind folgende beiden Aussagen gleichwertig: (i) gHg −1 = H. T −1 (ii) g ∈ h∈H κ−1 h (H) ∩ ι(κh (H)) . Beweis. Es ist −1 κ−1 ∈H , h (H) = {g ∈ G | κh (g) ∈ H} = g ∈ G ghg also \ −1 κ−1 ∈ H = g ∈ G gHg −1 ⊆ H . h (H) = g ∈ G ∀ h ∈ H : ghg h∈H Ebenso folgt aus −1 ι(κ−1 ∈ G ghg −1 ∈ H = g ∈ G h ∈ gHg −1 h (H)) = g die Beziehung \ H ⊆ gHg −1 . ι(κ−1 (H)) = g ∈ G h h∈H Dies liefert die Behauptung des Lemmas. (11.3) Definition. (i) Für eine Untergruppe H einer Gruppe G heißt die Menge \ −1 NG H := g ∈ G gHg −1 = H = κ−1 h (H) ∩ ι(κh (H)) h∈H der Normalisator von H in G. 64 Kapitel 11: Normalisatoren, Zentralisatoren und Kommutatoren (ii) Für eine Teilmenge M einer Gruppe G heißt die Menge \ CG M := g ∈ G ∀ m ∈ M : gmg −1 = m = g ∈ G gmg −1 = m m∈M der Zentralisator von M in G. (iii) Der Zentralisator Z(G) := CG G wird das Zentrum von G genannt. Bemerkung. (i) Der Normalisator NG H ist eine Untergruppe von G; sie ist die größte Untergruppe von G, in der H ein Normalteiler ist. Ist G eine topologische Gruppe, so folgt aus der zweiten Darstellung des Normalisators, daß NG H abgeschlossen ist, falls H abgeschlossen ist in G. (ii) Der Zentralisator CG H ist eine Untergruppe von G. Im Falle einer topologischen Gruppe G folgt aus der zweiten Darstellung des Zentralisators, daß CG M immer abgeschlossen ist. Aufgrund der Beziehungen zwischen den Abbildungen ad und Ad (siehe Kapitel 3) definieren wir die Begriffe Normalisator, Zentralisator und Zentrum wie folgt für Liegruppen: (11.4) Definition. Sei g eine Lie-Algebra, h sei eine Lie-Unteralgebra und m eine Teilmenge von g. (i) Die Menge ng h := {X ∈ g | [X, h] ⊆ h} heißt Normalisator von h in g. (ii) Die Menge zg m := {X ∈ g | ∀ Y ∈ m : [X, Y ] = 0} heißt Zentralisator von m in g. (iii) Der Zentralisator z(g) := zg g wird das Zentrum von g genannt. Die Lie-Algebra g heißt abelsch oder kommutativ, wenn z(g) = g (oder äquivalent dazu [g, g] = 0) gilt. Bemerkung. Der Normalisator ng h ist die größte Lie-Unteralgebra von g, in der h ein Ideal ist. Ist g eine topologische Lie-Algebra und ist h abgeschlossen in g, so ist ng h abgeschlossen. Der Zentralisator ist eine Lie-Unter-Algebra von g, die im topologischen Falle immer abgeschlossen ist. (11.5) Proposition. Sei G eine lineare Lie-Gruppe und sei h eine abgeschlossene, separable Lie-Unteralgebra von g = L(G). Sei H = hexp hi. Dann ist der Normalisator NG H Kapitel 11: Normalisatoren, Zentralisatoren und Kommutatoren 65 eine Lie-Untergruppe von G mit L(NG H) = ng h und (NG H)1 = hexp ng hi. Insbesondere ist NG H abgeschlossen in G. Beweis. Ist g ∈ G mit gHg −1 = H, so permutiert der innere Automorphismus x 7→ gxg −1 die Einparametergruppen von H, d.h. es ist Ad (g)L(H) = L(H). Nach Theorem (10.8) ist h = L(H), also Ad (g)h = h. Ist umgekehrt Ad (g)h = h, so ist nach dem Fundamentalsatz (9.3) gHg −1 = g hexp hi g −1 = g(exp h)g −1 = hexp(Ad (g)h)i = hexp hi = H. Damit haben wir gezeigt, daß NG H = {g ∈ G | Ad (g)h = h} gilt. Sei B ⊆ B log 2 eine normale Umgebung in g und X ∈ B. Nach Korollar (3.14)(iv) 2 und Proposition (10.4) ist X ∈ ng h genau dann, wenn [X, h] ⊆ h bzw. wenn ead X h = h ist. Wegen Ad (exp X) = ead X ist ead X h = h äquivalent zu Ad (exp X)h = h, was nach der oben bewiesenen Darstellung von NG H gerade exp X ∈ NG H bedeutet. Somit ist X ∈ B ∩ ng h genau dann, wenn exp X ∈ exp(B) ∩ NG H gilt. Nach Definition einer LieUntergruppe ist daher NG H eine Lie-Untergruppe von G mit Lie-Algebra ng h. Nach Satz (6.10)(iv) folgt dann (NG H)1 = hexp ng hi. Nach Proposition (10.3) ist NG H abgeschlossen. (11.6) Proposition. Sei G eine lineare Lie-Gruppe und sei M ⊆ G. Dann gelten die folgenden Aussagen: (i) Der Zentralisator CG M ist eine Lie-Untergruppe von G mit L(CG M ) = {X ∈ g | ∀ m ∈ M : Ad (m)(X) = X} . (ii) Ist h eine abgeschlossene, separable Lie-Unteralgebra von g = L(G) und ist H = hexp hi, so gilt L(CG H) = zg h und (CG H)1 = hexp zg hi . (iii) Das Zentrum Z von G ist eine Lie-Untergruppe von G und seine Lie-Algebra z ist genau das Zentrum von g. Beweis. (i) Eine Einparametergruppe X ∈ L(G) ist genau dann in L(CG M ), wenn exp(t · X) = m exp(t · X)m−1 = exp(t · Ad (m)(X)) 66 Kapitel 11: Normalisatoren, Zentralisatoren und Kommutatoren für alle m ∈ M und alle t ∈ R gilt. Dies ist genau dann der Fall, wenn Ad (m)(X) = X für alle m ∈ M ist. Bezeichnen wir mit Fix(Ad (m)) die Menge der Fixpunkte von Ad (m) in g, so haben wir L(CG M ) = {X ∈ g | ∀ m ∈ M : Ad (m)X = X} = \ Fix (Ad (m)). m∈M Da die Fixpunktmenge eines stetigen Lie-Algebren-Endomorphismus von g eine abgeschlossene Lie-Unteralgebra von g ist, ist auch L(CG M ) eine abgeschlossene Lie-Unteralgebra von g. Sei A eine Banach-Algebra mit G ≤ A−1 . Dann können wir g ⊆ (A, [., .]) annehmen. Die Abbildung Ad (m) : G → G läßt sich via Ad A (m) : A → A : a 7→ mam−1 fortsetzen. Jede solche Abbildung Ad A (m) ist ein Automorphismus der Banach-Algebra A und somit auch der Lie-Algebra (A, [., .]). Nach Lemma (3.12)(iii) läßt exp die Menge T F := m∈M Fix(Ad A (m)) invariant und log bildet B1 (1) ∩ F nach F ab. Wegen F ∩ g = L(CG M ) und F ∩ G = CG M folgt nun wie im vorherigen Beweis, daß CG M eine LieUntergruppe von G mit Lie-Algebra L(CG M ) ist. (ii) Für X ∈ g sind die Aussagen X ∈ L(CG H), Ad (h)X = X für alle h ∈ H und ead Y X = Ad (exp Y )(X) = X für alle Y ∈ h gleichwertig. Nach Korollar (3.15) folgt hieraus [h, t · X] = {0} für 0 6= t ∈ R hinreichend klein. Aufgrund der Bilinearität der Lie-Klammer ist also auch [h, X] = {0}. Da CG H eine lineare Lie-Gruppe ist, folgt der Rest der Behauptung aus Satz (6.10)(iv). (iii) folgt aus (i) und (ii) mit M = H = G. (11.7) Korollar. Eine zusammenhängende lineare Lie-Gruppe G ist genau dann abelsch, wenn ihre Lie-Algebra g abelsch ist. Bemerkung. Ist G abelsch, so ist g abelsch, auch wenn G nicht zusammenhängend ist. (11.8) Theorem. Sei G eine abelsche lokalkompakte lineare Lie-Gruppe. Dann ist G isomorph zu einer Gruppe der Form Rn × Tm × D, wobei D eine diskrete Gruppe ist. Umgekehrt ist jede solche eine abelsche lineare Lie-Gruppe. Beweis. Nach dem letzten Korollar ist die zu G gehörige Lie-Algebra g abelsch. Da g lokalkompakt ist, ist g endlich-dimensional, d.h. es ist g ∼ = Rp für ein p ∈ N. Nach Satz (6.10)(iii) und (vi) ist exp : Rp → G ein stetiger und offener Homomorphismus mit diskretem Kern und Bild G1 . Also ist G1 ein Quotient von Rp modulo einer diskreten Untergruppe. Aus der Klassifikation solcher Gruppen (siehe etwa Hewitt-Ross, Abstarct Harmonic Analysis I, (9.11)) folgt G1 = Rn × Tm mit n + m = p. Dies zeigt, daß G1 offen in G ist. Dann gibt es eine Untergruppe D von G mit G = G1 ⊕ D, da die Gruppe G1 eine teilbare Gruppe ist (siehe Fuchs, Abelian Groups I, Theorem 21.2). Da G1 offen in G Kapitel 11: Normalisatoren, Zentralisatoren und Kommutatoren 67 ist, ist D diskret. Somit ist G als topologische Gruppe isomorph zu G1 ⊕ D. Umgekehrt ist jede diskrete Gruppe eine lineare Lie-Gruppe. Das gleiche gilt für die Gruppen Rn und Tm . Nach Proposition (10.6) ist auch deren Produkt eine abelsche lineare Lie-Gruppe. (11.9) Definition. (i) Sei g eine (abstrakte) Lie-Algebra und a, b ⊆ g Teilmengen. Sei [a, b] der lineare Aufspann der Menge {[a, b] | a ∈ a, b ∈ b}. Die Menge g0 := [g, g] ist ein Ideal und wird die Kommutator-Algebra von g genannt. (ii) Sei G eine (abstrakte) Gruppe und A, B ⊆ G Teilmengen. Die von der Menge comm (a, b) := aba−1 b−1 a ∈ A, b ∈ B erzeugte Untergruppe von G bezeichnen wir mit comm (A, B). Die Gruppe G0 := comm (G, G) ist ein Normalteiler von G und wird Kommutator-Gruppe von G genannt. Bemerkung. Im Falle einer topologischen Gruppe wird G0 die algebraische KommutatorGruppe genannt. Im allgemeinen ist G0 jedoch nicht abgeschlossen in G. Deren Abschluß G0 heißt abgeschlossene Kommutator-Gruppe von G. (11.10) Lemma. Sei A eine Banach-Algebra mit 1 und sei g eine abgeschlossene LieUnteralgebra von (A, [., .]). Sei B eine normale Umgebung in A, so daß comm ∗ (x, y) := x ∗ y ∗ (−x) ∗ (−y) für alle x, y ∈ B definiert und ead x y ∈ N0 für alle x, y ∈ B ist. Dann ist comm ∗ (x, y) ∈ [g, g] für alle x, y ∈ g ∩ B. Beweis. Nach Proposition (3.13)(iv) ist x ∗ y ∗ (−x) ∗ (−y) = ead x y ∗ (−y) und aus Theorem (4.6)(ii) haben wir ead x y ∗ (−y) − (ead x y − y) ∈ [g, g]. Nun ist 1 ead x y − y = [x, y] + [x, [x, y]] + . . . ∈ [g, g], 2 woraus ead x y ∗ (−y) ∈ [g, g] folgt. Dies beweist das Lemma. (11.11) Theorem. Sei A eine Banach-Algebra mit 1 und sei g eine abgeschlossene LieUnteralgebra von (A, [., .]). Sei B eine normale Umgebung in A wie in Lemma (11.10), so daß B ∗ B ∗ B ∗ B definiert ist. Sei Γ die kleinste abgeschlossene lokale Gruppe in B, die die Menge {comm ∗ (x, y) | x, y ∈ B ∩ g} ∩ B enthält (existiert nach der Bemerkung nach (5.3)). Dann ist T(Γ) = [g, g] und Γ = B ∩ [g, g]. Beweis. Sind x, y ∈ g, so ist [x, y] = lim n n→∞ 2 1 1 −1 −1 ·x∗ ·y∗ ·x∗ ·y n n n n ∈ T(Γ) nach Proposition (3.6) und Definition von T(Γ). Nach Theorem (5.5) und Lemma (5.4) folgt daher B ∩ [g, g] ⊆ T(Γ) und B ∩ [g, g] ⊆ B ∩ T(Γ) ⊆ B ∩ Γ = Γ. 68 Kapitel 11: Normalisatoren, Zentralisatoren und Kommutatoren Lemma (11.10) zeigt comm ∗ (x, y) ∈ [g, g] für alle x, y ∈ g ∩ B mit comm ∗ (x, y) ∈ B. Also ist umgekehrt Γ ⊆ [g, g] nach der zweiten Bemerkung von Kapitel 5. Nach Lemma (5.4) folgt aus Γ = B ∩ [g, g] schließlich T(Γ) = [g, g]. (11.12) Theorem. Ist unter den Voraussetzungen von Theorem (11.11) die Dimension n von g0 endlich, so gibt es Xj , Yj ∈ g, j = 1, . . . , n, so daß für jedes n-Tupel (r1 , . . . , rn ) mit 0 < |rj | ≤ 1 ein ε > 0 existiert derart, daß die Abbildung ϕ : (−ε, ε)n → Γ : (s1 , . . . , sn ) 7→ comm ∗ (r1 · X1 , s1 · Y1 ) ∗ . . . ∗ comm ∗ (rn · Xn , sn · Yn ) ein Homöomorphismus auf eine 0-Umgebung in g0 ist. Beweis. Wähle X10 , . . . , Xn0 , Y1 , . . . , Yn ∈ g ∩ B, so daß [Xj0 , Yj ] j = 1, . . . , n eine Basis von g0 ist. Dann bildet auch für jedes n-Tupel (r1 , . . . , rn ) nicht-verschwindender reeller Zahlen die Menge [rj · Xj0 , Yj ] j = 1, . . . , n eine Basis von g0 . Also gibt es ein δ ∈ (0, 1), so daß für alle t ∈ (0, δ) die Elemente 1 t·ad rj ·Xj0 e Yj − Yj = [rj · Xj0 , Yj ] + oj (t) t linear unabhängig sind (verwende dazu Proposition (3.13)(iv)). Sei also t ∈ (0, δ). Nach Proposition (3.13)(iii) und Theorem (11.11) gibt es ε0 > 0 so, daß für alle rj , sj , j = 1, . . . , n mit |sj | < ε0 und |rj | ≤ 1 die Abbildung ϕ(s1 . . . , sn ) = comm ∗ (t · r1 · X10 , s1 · Y1 ) ∗ . . . ∗ comm ∗ (t · rn · Xn0 , sn · Yn ) 0 0 = (s1 · ead r1 ·(t·X1 ) Y1 ∗ −s1 · Y1 ) ∗ . . . ∗ (sn · ead rn ·(t·Xn ) Yn ∗ −sn · Yn ) in Γ = B ∩ g0 liegt, welches offen in g0 = g0 ist. Setze Xj := t · Xj0 für j = 1, . . . , n. Dann ist also ead rj ·Xj Yj − Yj j = 1, . . . , n eine Basis von g0 . Als nächstes wollen wir den Satz über die lokale Umkehrfunktion auf ϕ anwenden. Dazu müssen wir das Differential von ϕ in 0 berechnen. Betrachte dazu die Kurven ρj : (−ε0 , ε0 ) → g0 : s 7→ s · ead rj ·Xj Yj ∗ (−s · Yj ) = s · (ead rj ·Xj Yj − Yj ) + uj (s). Dabei ist lims→0 1s uj (s) = 0 nach Theorem (4.6)(i). Deshalb ist die Ableitung von ρj im Punkt 0 gerade ead rj ·Xj Yj − Yj . Für eine hinreichend kleine Nullumgebung U von g0 besitzt die Abbildung (Z1 , . . . , Zn ) 7→ Z1 ∗ . . . ∗ Zn die Ableitung (Z1 , . . . , Zn ) 7→ Z1 + . . . + Zn : (g0 )n → g0 im Punkt (0, . . . , 0). Nach der Kettenregel ist somit 0 ϕ (0, . . . , 0) = ((h1 , . . . , hn ) 7→ n X j=1 hj · (ead rj ·Xj Yj − Yj ) : Rn → g0 ). Kapitel 11: Normalisatoren, Zentralisatoren und Kommutatoren 69 Nach dem zuvor Bewiesenen ist ϕ0 (0, . . . , 0) regulär und der Satz über die lokale Umkehrfunktion beweist nun das Theorem. (11.13) Theorem. Unter den Voraussetzungen von Theorem (11.12) gibt es eine Nullumgebung U in g0 , so daß sich jedes Element von U als Produkt von höchstens n ∗-Kommutatoren schreiben läßt. (11.14) Fundamentalsatz über die Kommutatorgruppe. Sei G eine zusammenhängende lineare Lie-Gruppe, so daß g0 endlich-dimensional ist. Dann ist G0 = hexp g0 i und L(G0 ) = g0 . Beweis. Aus G0 = hexp g0 i folgt die zweite Gleichung L(G0 ) = g0 nach Theorem (10.8). Wir zeigen zunächst, daß G0 ⊆ hexp g0 i gilt. Sei G ⊆ A−1 für eine Banach-Algebra A und sei B eine normale Umgebung in A wie in Theorem (11.11). Wegen dim g0 < ∞ ist g0 abgeschlossen in g und nach Lemma (11.10) ist comm (exp X, exp Y ) = exp comm ∗ (X, Y ) ∈ exp g0 = exp g0 . Also ist ghg −1 h−1 g, h ∈ exp(B ∩ g) ⊆ hexp g0 i. Für g ∈ G und X, Y ∈ g ist Ad (g)comm (X, Y ) = g comm (X, Y )g −1 = g(XY − Y X)g −1 = gXg −1 gY g −1 − gY g −1 gXg −1 = comm (gXg −1 , gY g −1 ) ∈ g0 . Damit ist g(exp g0 )g −1 = exp Ad (g)g0 ⊆ exp g0 und hexp g0 i ist somit ein Normalteiler von G. Die Menge U := exp(B ∩ g) ist eine offene symmetrische 1-Umgebung in G. Da G S zusammenhängend ist, ist G = n∈N U n . Wir haben schon gezeigt, daß comm (U, U ) ⊆ hexp g0 i gilt. Wegen comm (xy, z) = xyzy −1 x−1 z −1 = xyzy −1 z −1 zx−1 z −1 xx−1 = x comm (y, z)comm (z, x−1 )x−1 ∈ x hexp g0 i x−1 = hexp g0 i für alle x, y, z ∈ U ist comm (U 2 , U ) ⊆ hexp g0 i. Analog zeigt man comm (U, U 2 ) ⊆ hexp g0 i. Ebenso ist comm (xy, uv) = x comm (y, uv)comm (uv, x−1 )x−1 ∈ hexp g0 i, was comm (U 2 , U 2 ) ⊆ hexp g0 i beweist. Via Induktion folgt comm (U m , U n ) ⊆ hexp g0 i für alle m, n ∈ N, woraus G0 ⊆ hexp g0 i folgt. Um die umgekehrte Inklusion zu zeigen, wählen wir eine offene Kugel B 0 ⊆ B um 0 in g, so daß B 0 ∩g0 die lokale Gruppe in B 0 ist, die von allen Elementen der Form comm ∗ (X, Y ) ∈ B 0 mit x, y ∈ B 0 erzeugt wird. Eine solche Umgebung B 0 existiert nach Theorem (11.12). Wegen comm (exp X, exp Y ) = exp comm ∗ (X, Y ) ist B 0 ∩exp−1 G0 eine lokale Untergruppe in B 0 , die alle Kommutatoren comm ∗ (X, Y ) ∈ B 0 70 Kapitel 11: Normalisatoren, Zentralisatoren und Kommutatoren für X, Y ∈ B 0 enthält. Also ist B 0 ∩ g0 ⊆ B 0 ∩ exp−1 G0 und exp(B 0 ∩ g0 ) ⊆ G0 . Dies liefert hexp g0 i = hexp(B 0 ∩ g0 )i ⊆ G0 . (11.15) Beispiel. Die lineare Lie-Gruppe 1 x z 0 1 y G= 0 0 1 0 0 0 0 0 u, x, y, z ∈ R 0 u e besitzt als Kommutator-Gruppe die Gruppe 1 0 G0 = 0 0 0 z 1 0 0 1 0 0 0 0 z ∈ R . 0 1 Das Zentrum von G ist gegeben durch das direkte Produkt 1 0 Z(G) = G0 × 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 u ∈ R . 1 0 0 eu (11.16) Lemma. Sei G eine kompakte topologische Gruppe und sei U eine 1-Umgebung. Sei n ∈ N. Dann gibt es eine 1-Umgebung V in G, so daß für alle x1 , . . . , xn ∈ V und alle g ∈ G die Relation comm (x1 , g) · . . . · comm (xn , g) ∈ U gilt. Beweis. Sei W eine 1-Umgebung mit W n ⊆ U . Für jedes Element g ∈ G gibt es eine Umgebung Ug von g und eine 1-Umgebung Vg mit comm (Vg , Ug ) ⊆ W . Da G kompakt ist, gibt es endlich viele Elemente g1 , . . . , gN ∈ G mit G = Ug1 ∪ . . . ∪ UgN . Setze V := Vg1 ∩ . . . ∩ VgN . Dann ist comm (x, g) ∈ W für alle x ∈ V und alle g ∈ G. Damit erfüllt V die Bedingungen des Lemmas. (11.17) Theorem (Van der Waerden). Sei G eine lokalkompakte lineare Lie-Gruppe, und sei H eine kompakte topologische Gruppe. Sei f : G → H ein (abstrakter) GruppenHomomorphismus. Ist L(G)0 = L(G), so ist f stetig. Ist H zusätzlich eine lineare LieGruppe, so ist f analytisch. Beweis. Sei dim g = n. Sei V eine Einsumgebung in H. Wir müssen zeigen, daß das Urbild f −1 (V ) eine Einsumgebung in G ist. Nach Lemma (11.16) gibt es eine Einsumgebung W in H mit comm ({h1 } × H) · . . . · comm ({hn } × H) ⊆ V Kapitel 11: Normalisatoren, Zentralisatoren und Kommutatoren 71 für alle h1 , . . . , hn ∈ W . Also genügt es nachzuweisen, daß [ {comm ({g1 } × G) · . . . · comm ({gn } × G) | f (g1 ), . . . , f (gn ) ∈ W } eine Einsumgebung in G ist. Nach Theorem (11.12) gibt es Xj ∈ g, j = 1, . . . , n, so daß für alle n-Tupel (r1 , . . . , rn ) ∈ [−1, 1]n mit ri 6= 0 die Menge comm ({exp(r1 · X1 )} × G) · . . . · comm ({exp(rn · Xn )} × G) eine Einsumgebung in G ist. Also müssen wir für jedes j = 1, . . . , n eine reelle Zahl rj mit 0 < |rj | ≤ 1 finden, für die f (exp(rj · Xj )) ∈ W ist. Setze Aj := f (exp(R · Xj )). Ist Aj = {1}, so setze rj = 12 . Ist Aj 6= {1}, so ist Aj ein nichttriviales homomorphes Bild der teilbaren Gruppe R, also selbst eine teilbare Gruppe (siehe Fuchs, Abelian Groups I, §20). Damit kann Aj nicht endlich sein (siehe Fuchs, Abelian Groups I, §23) und der Abschluß Aj ist eine unendliche kompakte Gruppe. Insbesondere ist Aj und damit auch Aj nicht diskret. Also enthält Aj ∩ V ein Element f (exp(rj · Xj )) 6= 1 für ein hinreichend kleines rj 6= 0. Dies beweist den ersten Teil des Theorems. Die letzte Aussage des Theorems folgt aus Korollar (8.6). (11.18) Korollar. Sei G eine kompakte zusammenhängende lineare Lie-Gruppe mit G0 = G. Dann ist die kompakte Gruppentopologie von G eindeutig bestimmt. Beweis. Nach dem Fundamentalsatz (11.14) ist g0 = g. Ist O eine beliebige kompakte Gruppentopologie auf G, so ist idG : G → (G, O) stetig nach dem letzten Theorem. Da G kompakt ist, ist die Identität ein Homöomorphismus. Bemerkung. Der n-dimensionale Torus Tn hat unstetige Automorphismen und damit auch verschiedene kompakte Gruppentopologien. Je zwei solche Topologien ergeben jedoch homöomorphe Räume. 72 Kapitel 12: Auflösbare Lie-Algebren und Lie-Gruppen, das Radikal KAPITEL 12 Auflösbare Lie-Algebren und Lie-Gruppen, das Radikal (12.1) Definition. Für eine Lie-Algebra g setze rekursiv g0 := g(1) := [g, g] und g(n) := [g(n−1) , g(n−1) ]. Die Unter-Algebra g(n) ist ein Ideal von g und wird die n-te KommutatorAlgebra von g genannt. Die Lie-Algebra g heißt auflösbar, falls g(n) = {0} für ein n ≥ 1 gilt. (12.2) Lemma. Sei g eine Lie-Algebra und seien a und b Ideale von g. (i) Sei g auflösbar. Dann ist jede Unteralgebra h von g und jeder Quotient g a auflösbar. (ii) Sind a und g a auflösbar, so ist auch g auflösbar. (iii) Sind a und b auflösbar, so ist auch a + b auflösbar. Beweis. (i) Sei g auflösbar. Dann ist g(n) = {0} für ein n ∈ N. Wegen h ≤ g ist h(n) ⊆ g(n) = {0}, d.h. h ist auflösbar. Sei π : g → g a der kanonische Epimorphismus. Wegen π([g, g]) = [π(g), π(g)] folgt via Induktion π(g(k) ) = (π(g))(k) für alle k ∈ N. Damit ist (g a)(n) = (π(g))(n) = π(g(n) ) = π({0}) = {0}. (ii) Sei a(m) = {0} und (g a)(n) = {0}. Also ist g(n) ⊆ a und damit folgt g(m+n) = (g(n) )(m) ⊆ a(m) = {0}. (iii) Es ist a + b auflösbar, denn da (a + b) a isomorph zu b (a ∩ b) ist, ist (a + b) a nach Teil (i) auflösbar und es folgt mit (ii), daß auch a + b auflösbar ist. (12.3) Die Lie-Algebren der Dimension 1 und 2. Sei g eine Lie-Algebra über einem beliebigen Körper K mit dim g ≤ 2. Um g festzulegen, muß nur die Lie-Klammer auf einer K-Basis von g bestimmt werden (die Lie-Klammer ist ja nach Definition bilinear). (i) dim g = 1. Dann ist g = K · e für jeden Vektor e 6= 0. Wegen [e, e] = 0 ist g also kommutativ. (ii) dim g = 2. (a) Ist g0 = {0}, so ist die Lie-Klammer wieder identisch Null und g ist kommutativ. (b) Sei g0 6= {0}. Sei {e, f } eine K-Basis von g. Dann ist nur g := [e, f ] zu bestimmen. Nach Voraussetzung ist [e, f ] 6= 0 und g0 = hgi. O.E. seien g und f linear unabhängig. Dann ist 0 6= [g, f ] ∈ g0 , also [g, f ] = λg für ein λ ∈ K \ {0}. Bezüglich der Basis Kapitel 12: Auflösbare Lie-Algebren und Lie-Gruppen, das Radikal 73 e1 = g, e2 = λ−1 f ist also [e1 , e2 ] = e1 . Diese Lie-Algebra wird mit `2 bezeichnet. Sie ist die zwei-dimensionale nicht-kommutative Lie-Algebra. Die Unteralgebra a := he1 i ist ein Ideal von `2 . Nach (a) ist `2 also auflösbar. (12.4) Definition. Besitzt eine Lie-Algebra g ein kleinstes Ideal s, welches alle auflösbaren Ideale von g enthält, so heißt s das Radikal von g, geschrieben rad g. Die Lie-Algebra g heißt halbeinfach, wenn rad g = {0} ist. (12.5) Lemma. Jede Lie-Algebra g besitzt ein Radikal s. Ist dim g < ∞, so ist s auflösbar. Beweis. Die Vereinigung s aller auflösbaren Ideale ist selbst ein Ideal von g, siehe Lemma (12.2)(iii). Im Falle dim g < ∞ ist s ebenfalls auflösbar, siehe Lemma (12.2)(ii). Natürlich enthält s alle auflösbaren Ideale. (12.6) Lemma. Seien g, h Lie-Algebren und sei π : g → h ein Lie-Algebren-Homomorphismus. Dann gilt: (i) Sei π surjektiv. Für alle (auflösbaren) Ideale a in g ist π(a) ein (auflösbares) Ideal in h. (ii) Für alle Ideale b in h ist π −1 (b) ein Ideal in g. Für dim g < ∞ gilt zudem: (iii) Der Quotient g rad g ist eine halbeinfache Lie-Algebra. (iv) Das Radikal rad g ist das kleinste Ideal b in g, so daß g b halbeinfach ist. (v) Für π surjektiv ist π(rad g) = rad (h). Beweis. (i) Sei a ein Ideal in g. Dann ist [π(a), h] = [π(a), π(g)] = π([a, g]) ⊆ π(a), d.h. π(a) ist ein Ideal in h. Wegen π(g(n) ) = (π(g))(n) für alle n ∈ N gilt auch die Aussage mit den Klammern. (ii) Sei b ein Ideal in h. Dann ist [π −1 (b), g] = [π −1 (b), π −1 (h)] = π −1 ([b, h]) ⊆ π −1 (b), d.h. π −1 (b) ist ein Ideal in g. (iii) Sei π : g → g rad g : X 7→ X + rad g der kanonische Epimorphismus. Sei a ein auflösbares Ideal von g rad g. Dann ist nach (ii) und Lemma (12.2)(ii) auch das Urbild π −1 (a) ein auflösbares Ideal (in g). Wegen rad g ⊆ π −1 (a) folgt aus der Definition des Radikals rad g = π −1 (a), also a = {0}. Damit ist der Quotient g rad g halbeinfach. (iv) Sei b ein Ideal von g, so daß g b halbeinfach ist. Sei π : g → g b der kanonische Epimorphismus und sei a ein auflösbares Ideal in g. Da π(a) nach (i) ein auflösbares Ideal in g b ist, folgt π(a) ⊆ b. Da dies für alle auflösbaren Ideale a gilt, folgt auch π(rad g) ⊆ b. (v) Sei a ein auflösbares Ideal in g. Dann ist π(a) ein auflösbares Ideal in h, also π(a) ⊆ rad (h). Da rad g das kleinste Ideal ist, das alle auflösbaren Ideale enthält, folgt π(rad g) ⊆ rad (h). Die Abbildung π induziert eine Abbildung π 0 : g rad g → h π(rad g). Dann ist 74 Kapitel 12: Auflösbare Lie-Algebren und Lie-Gruppen, das Radikal j := h π(rad g) halbeinfach, denn wäre c ein nichttriviales auflösbares Ideal in j, so ist nach (ii) und Lemma (12.2)(ii) π 0−1 (c) ein nichttriviales auflösbares Ideal in g rad g, was (iii) widerspricht. Damit folgt aber nach (iv) rad (h) ⊆ π(rad g). (12.7) Proposition. Seien g1 , . . . , gn endlich-dimensionale Lie-Algebren und sei g = Ln Ln i=1 gi . Dann ist rad g = i=1 rad gi . Ln Beweis. Nach Lemma (12.2) ist s := i=1 rad gi auflösbar, also ist s ⊆ rad g. Ist πi : g → gi die kanonische i-te Projektion, so ist πi (rad g) ein auflösbares Ideal in gi , also ist πi (rad g) ⊆ rad gi . Damit folgt rad g ⊆ s. Dies beweist die Proposition. (12.8) Semidirekte Produkte von Lie-Algebren. Seien m und n zwei Lie-Algebren über dem Körper K ∈ {R, C}. Sei σ : m → Der n ⊆ gl(n) ein Lie-Algebren-Homomorphismus. Wir wollen auf dem direkten Produkt h := m × n der Vektorräume m und n eine bilineare Multiplikation [., .] so einführen, daß h eine Lie-Algebra ist. Dazu setzen wir [(X, Y ), (X 0 , Y 0 )] := ([X, X 0 ], [Y, Y 0 ] + X σ Y 0 − X 0σ Y ). Natürlich ist die so definierte Klammer bilinear. Es ist [(X, Y ), (X, Y )] := ([X, X], [Y, Y ] + X σ Y − X σ Y ) = (0, 0) und die Jacobi-Identität folgt aus der Tatsache, daß X σ und X 0σ Derivationen sind. Also ist (h, [., .]) eine Lie-Algebra über K, die das semidirekte Produkt von m und n genannt wird. Man schreibt h = m nσ n. Für σ ≡ 0 ist h gerade das direkte Produkt von m und n, geschrieben als h := m × n. Setzen wir m∗ := m × {0} und n∗ := {0} × n, so folgt unmitelbar aus der Definition der Klammer auf h, daß m∗ eine Lie-Unteralgebra und n∗ ein Ideal von h ist. Dabei ist m∗ ∩ n∗ = {(0, 0)} und also m∗ ⊕ n∗ = m nσ n. Sei umgekehrt h eine beliebige Lie-Algebra über K mit einer Lie-Unteralgebra m und einem Ideal n, so daß h = m + n und m ∩ n = {0} gilt. Setzt man σ : m → Der n : X 7→ (Y 7→ [X, Y ]), so ist ϕ : m nσ n → m + n : (X, Y ) 7→ X + Y ein Isomorphismus zwischen Lie-Algebren mit ϕ(m × {0}) = m und ϕ({0} × n) = n. Bis zum Ende dieses Kapitels sei g eine endlich-dimensionale Lie-Algebra über K ∈ R, C. (12.9) Definition. Sei g eine Lie-Algebra. Die symmetrische Bilinearform κ : g × g → K : (X, Y ) 7→ spur(ad (X)ad (Y )) auf g heißt die Killing-Form von g. Kapitel 12: Auflösbare Lie-Algebren und Lie-Gruppen, das Radikal 75 (12.10) Beispiele. (i) Die Lie-Algebra sl2 K aus (3.8) besitzt 0 1 0 0 1 0 X= ,Y = ,Z = 0 0 1 0 0 −1 als Basis. Dann ist [X, Y ] = Z, [Z, X] = 2X, [Z, Y ] = −2Y und 0 ad X = 0 0 0 −2 0 0 , 1 0 0 ad Y = 0 −1 0 0 0 2, 0 0 2 0 ad Z = 0 −2 0 0 0 0. 0 Damit wird die Killing-Form κ durch die Matrix 0 4 0 4 0 0 0 0 8 dargestellt. Da diese Matrix regulär ist, ist die Killing-Form von sl2 K nicht-ausgeartet. (ii) Die Lie-Algebra `2 = he1 , e2 i ist durch [e1 , e2 ] = e1 gegeben. Dies ergibt 0 1 −1 0 ad e1 = , ad e2 = 0 0 0 0 und die Killing-Form von `2 wird beschrieben durch 0 0 0 . Damit ist die Killing-Form 1 von `2 ausgeartet. (12.11) Lemma. Sei a ein Ideal von g. Sei κ die Killing-Form auf g und sei κ0 die Killing-Form auf der Lie-Algebra a. Dann ist κ0 = κ . a Beweis. Sei f ein linearer Endomorphismus von g, der a invariant läßt. Seien f1 und f2 die von f auf a bzw. auf q = g a induzierte lineare Endomorphismen. Dann ist spur(f ) = spur(f1 ) + spur(f2 ). Seien X, Y ∈ a. Setze f = (ad g X)(ad g Y ). Dann ist f1 = (ad a X)(ad a Y ). Wegen X, Y ∈ a ist f2 = (ad q X)(ad q Y ) = 0 und die Behauptung folgt. (12.12) Definition. Eine symmetrische Bilinearform f auf einer Lie-Algebra g heißt total invariant, wenn f (DX, Y ) + f (X, DY ) = 0 für alle X, Y ∈ g und alle D ∈ Der(g) gilt. (12.13) Lemma. Die Killing-Form κ einer Lie-Algebra g ist total invariant. 76 Kapitel 12: Auflösbare Lie-Algebren und Lie-Gruppen, das Radikal Beweis. Sei D ∈ Der(g). Betrachte den Körper K als kommutative ein-dimensionale Lie-Algebra über K. Die Abbildung σ : K → Der(g) : λ 7→ λD ist ein Lie-AlgebrenHomomorphismus. Im semi-direkten Produkt h := K nσ g ist g ∼ = {0} × g ein Ideal, und 0 es ist dim h g = 1 und DX = [(1, 0), X] für alle X ∈ g. Sei κ die Killing-Form von h. Es ist ad : g → Der(g) ein Lie-Algebren-Homomorphismus. Deshalb ist für alle X, Y ∈ g und X0 := (1, 0) κ0 ([X, X0 ], Y ) = spur((ad [X, X0 ])(ad Y )) = spur((ad X)(ad X0 )(ad Y )) − spur((ad X0 )(ad X)(ad Y )) = spur((ad X)(ad X0 )(ad Y )) − spur((ad X)(ad Y )(ad X0 )) = spur((ad X)(ad [X0 , Y ])) = κ0 (X, [X0 , Y ]), woraus κ0 (DX, Y ) + κ0 (X, DY ) = 0 folgt. Nach Lemma (12.11) ist κ0 g = κ, woraus die Behauptung folgt. (12.14) Proposition. Sei g eine Lie-Algebra. Dann ist rad g = g0⊥ := {X ∈ g | ∀ Y ∈ g0 : κ(X, Y ) = 0} und die folgenden Aussagen sind äquivalent: (i) g ist auflösbar. (ii) κ(g, g0 ) = 0. Beweis. Für die erste Ausage siehe etwa Bourbaki, Lie Groups and Lie Algebras, Theorem 2 und Proposition 5, p. 48. Die Äquivalenz folgt sofort aus der ersten Aussage. (12.15) Korollar. Die Kommutator-Algebra g0 und das Radikal einer Lie-Algebra g sind charakteristische Ideale in g, d.h. sie sind invariant unter allen Derivationen von g. Beweis. Es ist g0 ein charakteristisches Ideal von g, denn für D ∈ Der(g) und X, Y ∈ g ist D[X, Y ] = [DX, Y ] + [X, DY ] ∈ g0 , also Dg0 ⊆ g0 . Nach Lemma (12.13) ist die KillingForm von g total invariant. Damit ist g0⊥ ein charakteristisches Ideal, denn für X ∈ g0⊥ und Y ∈ g0 ist κ(DX, Y ) = −κ(X, DY ) = 0 (es ist ja DY ∈ g0 ), also DX ∈ g0⊥ . Damit folgt die Behauptung aus der vorigen Proposition. (12.16) Korollar. Die Lie-Algebra g ist genau dann halbeinfach, wenn die Killing-Form κ von g nicht ausgeartet ist. Beweis. Ist g halbeinfach, so ist rad g = {0}. Nach Proposition (12.14) ist rad g = {X ∈ g | ∀ Y ∈ g0 : κ(X, Y ) = 0} , Kapitel 12: Auflösbare Lie-Algebren und Lie-Gruppen, das Radikal 77 d.h. es folgt aus κ(X, Y ) = 0 für alle Y ∈ g0 schon X = 0. Also ist κ nicht ausgeartet. Ist g nicht halbeinfach, so gibt es ein nichttriviales auflösbares Ideal a in g. Nach (12.14) ist κ(a, a0 ) = 0. Ist a0 6= {0}, so ist κ ausgeartet: Sei Y ∈ a und Z ∈ a0 mit [Y, Z] 6= 0 (die Existenz von solchen Y, Z folgt aus a0 6= {0}). Dann ist κ(X, [Y, Z]) = κ([X, Y ], Z) = 0 für alle X ∈ g, also ist κ ausgeartet. Andernfalls (a0 = {0}) ist a kommutativ, also [X, Y ] = 0 = 0. für alle X, Y ∈ a. Damit ist ad X = ad Y = 0 und es folgt mit Lemma (12.11) κ a×a Also folgt wie im ersten Fall, daß die Killing-Form ausgeartet ist. (12.17) Definition. Für eine Lie-Gruppe G definiere rekursiv G0 := G(1) := comm (G, G) = ghg −1 h−1 g, h ∈ G und G(n) := comm (G(n−1) , G(n−1) ). Die Untergruppe G(n) ist ein Normalteiler von G und wird die n-te Kommutator-Gruppe von G genannt. Die Lie-Gruppe G heißt auflösbar, falls G(n) = {0} für ein n ≥ 1 gilt. (12.18) Theorem. Sei G eine endlich-dimensionale Lie-Gruppe mit Lie-Algebra g. Die Lie-Algebra g ist genau dann auflösbar, wenn die Zusammenhangskomponente G1 von 1 in G auflösbar ist. (n) Beweis. Sei G1 auflösbar, also G1 = 1 für ein n ∈ N. Dann ist nach dem Fundamentalsatz über die Kommutatorgruppe (11.14) die Lie-Algebra g auflösbar (verwende Induktion über n und beachte, daß mit G auch G0 zusammenhängend ist.) Die Umkehrung folgt nach dem gleichen Schema. (12.19) Proposition. Sei G eine endlich-dimensionale Lie-Gruppe mit Lie-Algebra g. Dann ist R := hexp rad gi eine Lie-Untergruppe von G, die invariant unter jedem stetigen Automorphismus von G ist. Jeder zusammenhängende auflösbare Normalteiler von G ist in R enthalten. Beweis. Nach Theorem (12.18) ist R auflösbar. Sei H ein zusammenhängender auflösbarer Normalteiler von G. Dann ist auch H zusammenhängend und eine Lie-Untergruppe von G nach Theorem (6.5). Für Teilmengen A, B ⊆ G ist (A, B) = (A, B), denn die Abbildung f : G × G → G : (x, y) 7→ xyx−1 y −1 ist stetig, also f (A × B) = f (A × B) ⊆ f (A × B) ⊆ (A, B), woraus (A, B) ⊆ (A, B) und damit (A, B) ⊆ (A, B) folgt. Die umgekehrte Inklusion ist trivial. Daher ist auch H auflösbar. Nach Theorem (12.18) ist L(H) ein auflösbares Ideal von g, woraus L(H) ⊆ rad g folgt. Damit ist H = exp L(H) ⊆ hexp rad gi = R. 78 Kapitel 12: Auflösbare Lie-Algebren und Lie-Gruppen, das Radikal Insbesondere ist R ⊆ R, d.h. R ist abgeschlossen und somit eine Lie-Untergruppe von G. Außerdem haben wir gezeigt, daß R der größte zusammenhängende auflösbare Normalteiler in G ist. Deshalb ist R unter allen stetigen Automorphismen von G invariant. (12.20) Definition. Der Normalteiler R von G aus Proposition (12.19) wird das Radikal von G genannt. Bemerkung. Auch wenn G zusammenhängend ist, kann G auflösbare Untergruppen von G besitzen, die nicht im Radikal von G enthalten sind. (12.21) Proposition. Seien G1 und G2 endlich-dimensionale Lie-Gruppen mit Radikalen R1 und R2 . Ist f : G1 → G2 ein stetiger Gruppen-Epimorphismus, so ist f (R1 ) = R2 . Beweis. Betrachte das Diagramm in Theorem (8.1). Da g1 := L(G1 ) und g2 := L(G2 ) endlich-dimensional sind und die Exponentialabbildung ein lokaler Homöomorphismus ist, folgt mit Hilfe des besagten Diagramms, daß L(f ) surjektiv ist (L(f ) ist ja linear). Nach Proposition (12.19) ist rad gi die Lie-Algebra von Ri . Damit folgt die Aussage aus Lemma (12.6). (12.22) Korollar. Seien G1 , . . . , Gn endlich-dimensionale Lie-Gruppen mir Radikalen Qn R1 , . . . , Rn . Dann ist das Radikal von i=1 Gi das Produkt aller Radikale Ri . Beweis. Folgt aus Proposition (12.7) und der vorigen Proposition. Kapitel 13: Halbeinfache und einfache Lie-Gruppen und -Algebren 79 KAPITEL 13 Halbeinfache und einfache Lie-Gruppen und -Algebren In diesem Kapitel sei G stets eine endlich-dimensionale Lie-Gruppe mit Lie-Algebra g. Im letzten Kapitel haben wir das folgende Theorem bewiesen. (13.1) Theorem. Die folgenden Aussagen sind äquivalent: (i) g ist halbeinfach. (ii) Jedes kommutative Ideal a von g ist trivial. (iii) Die Killing-Form κ von g ist nicht ausgeartet. Außerdem ist g0 = g für jede halbeinfache Lie-Algebra g. Beweis. (i) → (ii): Folgt sofort aus der Definition des Radikals. (ii) → (iii): Folgt aus Proposition (12.14). (iii) → (i): Korollar (12.16). Die letzte Aussage folgt aus Proposition (12.14): Ist g halbeinfach, so ist {0} = rad g = g0⊥ . Wäre g0 6= g, so ist k := dim g0 < n := dim g. Sei {e1 , . . . , ek } eine Vektorraumbasis Tk von g0 . Es ist g0⊥ = i=1 ker κ(., ei ) aufgrund der Bilimearität von κ. Damit folgt mit der Dimensionformel für lineare Unterräume dim g0⊥ ≥ n − k > 0, also g0⊥ 6= {0}, ein Widerspruch. Somit ist doch g0 = g. (13.2) Korollar. Sei g eine halbeinfache Lie-Algebra über K und sei f : g → gl(V ) ein Lie-Algebren-Homomorphismus, wobei V ein endlich-dimensionaler K- Vektorraum ist. Dann ist f (g) ⊆ sl(V ). Beweis. Wir betrachten sl(V ) als Teilraum von gl(V ). Die Linearform λ : g → K : X → 7 0 spur f (X) ist 0 auf Elementen der Form [X, Y ], also auf g = g. Also ist f (g) ⊆ sl(V ). (13.3) Lemma. Sei g eine Lie-Algebra mit einer halbeinfachen Lie-Unteralgebra a. Dann gilt (i) g = a ⊕ a⊥ als Vektorräume, (ii) [a, a⊥ ] ⊆ a⊥ , (iii) Ist a ein Ideal von g, so ist auch a⊥ ein Ideal von g und es ist a⊥ = cg a. 80 Kapitel 13: Halbeinfache und einfache Lie-Gruppen und -Algebren Beweis. Eine Bilinearform f : V × V → K eines endlich-dimensionalen K-Vektorraums V ist genau dann nicht ausgeartet, wenn die lineare Abbildung f ∗ : V → V ∗ in den Dualraum V ∗ von V ein Isomorphismus ist. (i) Die Einschränkung κa der Killing-Form von g auf a ist nach Lemma (12.11) die KillingForm auf a. Da a halbeinfach ist, ist κa nicht ausgeartet nach Korollar (12.16). Sei X ∈ g und betrachte die Linearform λ = κ(., X), eingeschränkt auf a. Dies ist also eine Linearform auf a. Da κa nicht ausgeartet ist, ist κ∗a : a → a∗ ein Isomorphismus. Insbesondere gibt es ein Y ∈ W mit κ∗a (Y ) = λ. Damit gilt für alle Z ∈ a κ(Z, X) = λ(Z) = κ∗a (Y )(Z) = κa (Z, Y ) = κ(Z, Y ). Also ist κ(Z, X −Y ) = κ(Z, X)−κ(Z, Y ) = 0 für alle Z ∈ a, und es folgt X = Y +(X −Y ) ∈ a + a⊥ . Also ist g = a + a⊥ . Ist Z ∈ a ∩ a⊥ , so ist κa (Z, X) = κ(Z, X) = 0 für alle X ∈ a. Da κa nicht ausgeartet ist, folgt hieraus Z = 0. Dies zeigt g = a ⊕ a⊥ . (ii) Für X, Y ∈ a und Z ∈ a⊥ ist κ(X, [Y, Z]) = κ([X, Y ], Z) = 0 nach der Gleichung im Beweis von Lemma (12.13)(beachte, daß [X, Y ] ∈ a ist). Also ist [Y, Z] ∈ a⊥ , was [a, a⊥ ] ⊆ a⊥ beweist. (iii) Für X ∈ a, Y ∈ g und Z ∈ a⊥ ist κ([X, Y ], Z) = κ(X, [Y, Z]) = 0, da [Y, Z] ∈ a ist. Also ist [a⊥ , g] ⊆ a⊥ . Also ist g als Lie-Algebra isomorph zum direkten Produkt a × a⊥ . Wegen za = {0} folgt daraus a⊥ = cg a. (13.4) Korollar. Sei g eine halbeinfache Lie-Algebra. Dann ist jede Derivation von g eine innere Derivation. Beweis. Nach Satz (9.3) ist ad : g → Der(g) ein Lie-Algebren-Homomorphismus mit ker ad = zg = {0}, da g halbeinfach ist. Also ist ad g ∼ = g ebenfalls halbeinfach. Zudem ist ad g ein Ideal von Der(g), denn für D ∈ Der(g) und X, Y ∈ g ist [D, ad X](Y ) = D([X, Y ]) − [X, DY ] = [DX, Y ] = (ad DX)(Y ). Für D ∈ zDer(g) ad g und X, Y ∈ g ist (ad DX)(Y ) = [DX, Y ] = D[X, Y ] − [X, DY ] = D(ad X(Y )) − ad X(DY ) = [D, ad X](Y ), woraus DX = 0 und weiter D = 0 folgt. Also ist zDer(g) ad g = {0} und es folgt nach Lemma (13.3)(i) und (iii) g⊥ = {0} und Der(g) = g. (13.5) Proposition. Sei g eine halbeinfache Lie-Algebra. Dann ist jedes Ideal und jeder Quotient von g auch halbeinfach. Kapitel 13: Halbeinfache und einfache Lie-Gruppen und -Algebren 81 Beweis. Sei a ein Ideal in g. (i) Wir zeigen, daß die Killing-Form κ auf a nicht ausgeartet ist. Angenommen, es gäbe 0 6= X ∈ a mit κ(X, Y ) = 0 für alle Y ∈ a. Dann ist κ([X, Y ], Z) = κ(X, [Y, Z]) = 0 für alle Y ∈ a und alle Z ∈ g nach Lemma (12.13)(Beweis). Da g halbeinfach ist, ist κ auf g nicht ausgeartet. Also folgt [X, Y ] = 0 für alle Y ∈ a. Dies zeigt X ∈ za. Wegen 0 = κ(X, [Y, Z]) = −κ(X, [Z, Y ]) = −κ([X, Z], Y ) für alle Y ∈ a ist nach dem selben Argument auch [[X, Z], Y ] = 0 für alle Y ∈ a. Dies zeigt, daß za ein Ideal in g ist. Dies widerspricht aber Theorem (13.1). Also ist a doch halbeinfach. (ii) Es ist a⊥ ein Ideal von g, denn für X ∈ a⊥ , Y ∈ a und Z ∈ g ist κ([X, Z], Y ] = κ(X, [Z, Y ]) = 0, d.h. es ist [X, Z] ∈ a⊥ . Nach (i) ist a⊥ halbeinfach. Der Durchschnitt b := a∩a⊥ ist ebenfalls ein Ideal in g. Dieses ist kommutativ, denn für X, Y ∈ b und Z ∈ g ist κ([X, Y ], Z) = κ(X, [Y, Z]) = 0, woraus wie in (i) [X, Y ] = 0 folgt. Da g halbeinfach ist, ist b = {0}. Damit haben wir g = a ⊕ a⊥ als Lie-Algebra und es folgt, daß der Quotient g a∼ = a⊥ halbeinfach ist. (13.6) Definition. Eine Lie-Algebra g heißt einfach, wenn g nicht kommutativ ist und keine nicht-trivialen Ideale besitzt. (13.7) Proposition. Sei g eine halbeinfache Lie-Algebra. Dann ist g eine endliche Summe einfacher Lie-Algebren. Umgekehrt ist jede endliche Summe einfacher Lie-Algebren halbeinfach. Beweis. Jede einfache Lie-Algebra ist nach Definition halbeinfach. Jede endliche Summe halbeinfacher Lie-Algebren ist halbeinfach, da die Bilder eines kommutativen Ideals a unter den Projektionen auf die einzelnen Faktoren trivial sind, also a = {0} ist. Sei umgekehrt g halbeinfach. Sei a1 ein minimales Ideal in g. Ein solches existiert aufgrund der endlichen Dimension von g. Dann ist nach dem Beweis von (13.5) g = a1 ⊕ a⊥ 1 und a1 ist halbeinfach, ⊥ also auch nicht kommutativ. Das Ideal a1 ist ebenfalls halbeinfach und wir können a⊥ 1 ⊥ ⊥ wieder zerlegen in a1 = a2 ⊕ a2 , wonei a2 ein minimales Ideal in a1 ist. So fortfahrend erhalten wir g = a1 ⊕ . . . ⊕ an mit minimalen, nicht kommutativen Idealen ai (hier geht wieder dim g < ∞ ein). Da die Ideale ai minimal sind, enthalten diese keine nicht-trivialen Ideale, sind also einfach. (13.8) Theorem. Sei G eine endlich-dimensionale, zusammenhängende Lie-Gruppe. Die folgenden Aussagen sind äquivalent: (i) L(G) ist halbeinfach. (ii) Das Radikal R von G ist {1}. (iii) Jede normale kommutative Untergruppe H = hexp hi für eine abgeschlossene Lie-Unteralgebra h von L(G) ist trivial. 82 Kapitel 13: Halbeinfache und einfache Lie-Gruppen und -Algebren Beweis. Die Äquivalenz von (i) und (ii) folgt aus der Definition von R. Die Äquivalenz von (ii) und (iii) folgt aus Theorem (10.8) und Theorem (13.1). (13.9) Definition. Eine zusammenhängende Lie-Gruppe G heißt halbeinfach, wenn G endlich-dimensional ist und eine der Bedingungen aus Theorem (13.8) erfüllt. (13.10) Korollar. Sei G eine endlich-dimensionale, zusammenhängende Lie-Gruppe. Die folgenden Aussagen sind äquivalent: (i) L(G) ist einfach. (ii) G ist nicht kommutativ und die einzigen normalen Untergruppen der Form H = hexp hi für eine abgeschlossene Lie-Unteralgebra h von L(G) sind G und {1}. Beweis. Folgt sofort aus Theorem (10.8). (13.11) Definition. Eine zusammenhängende Lie-Gruppe G heißt fast-einfach, wenn G endlich-dimensional ist und eine der Bedingungen aus Theorem (13.10) erfüllt. (13.12) Korollar. Sei G eine einfach zusammenhängende Lie-Gruppe. Die folgenden Aussagen sind äquivalent: (i) G ist halbeinfach. (ii) G ist isomorph zu einem endlichen Produkt fast-einfacher Gruppen. Beweis. Ist G ein Produkt fast-einafcher Lie-Gruppen, so ist nach (13.10) L(G) eine Summe einfacher Lie-Algebren. Also ist L(G) halbeinfach nach Proposition (13.7). Aus Theorem (13.8) folgt nun, daß G halbeinfach ist. Sei umgekehrt G halbeinfach. Dann ist L(G) halbeinfach und damit isomorph zu einer direkten Summe einfacher Lie-Algebren g1 , . . . , gn . Sei Gi die einfach zusammenhängende Lie-Gruppe zur Lie-Algebra gi (siehe Kapitel 7). Dann ist Gi fast-einfach nach Definition. Die Lie-Algebren von G und dem direkten Produkt G1 × . . . × Gn sind nach Voraussetzung isomorph. Da beide Gruppen G und G1 × . . . × Gn einfach zusammenhängend sind, folgt G ∼ = G1 × . . . × Gn nach Korollar (7.21) und Korollar (7.23). Bemerkung. Eine (nicht notwendig einfach zusammenhängende) halbeinfache Lie-Gruppe G ist isomorph zu einem Quotienten eines endlichen Produktes fast-einfacher LieGruppen modulo einer diskreten Untergruppe, d.h. G wird von einem endlichen Produkt fast-einfacher Gruppen überlagert. Dies folgt aus den nächsten Resultaten. (13.13) Lemma. Sei G ein zusammenhängende topologische Gruppe mit Zentrum Z und sei Z 0 eine diskrete Untergruppe von Z. Dann ist Z Z 0 das Zentrum von G Z 0 . Beweis. Sei g ∈ G mit gZ 0 ∈ Z(G Z 0 ). Betrachte die Abbildung f : G → G : h 7→ ghg −1 h−1 . Da f stetig und G zusammenhängend ist, ist f (G) zusammenhängend und Kapitel 13: Halbeinfache und einfache Lie-Gruppen und -Algebren 83 in Z 0 enthalten. Da Z 0 diskret ist, folgt f (G) = {1}. Also ist g ∈ Z und wir haben Z(G Z 0 ) ⊆ Z Z 0 gezeigt. Die umgekehrte Inklusion ist trivial. (13.14) trum Z. (i) (ii) (iii) Proposition. Sei G eine halbeinfache, zusammenhängende Lie-Gruppe mit ZenDie gelten die folgenden Aussagen. G = G0 Das Zentrum Z ist diskret. Das Zentrum von G Z ist {1}. Beweis. (i) folgt aus Theorem (13.1) und dem Fundamentalsatz (11.14). (ii) Es ist z := z(L(G)) = {0}. Nach Proposition (11.6)(iii) hat Z die Lie-Algebra z und Z ist eine Lie-Untergruppe von G. Nach Satz (6.10) ist daher Z diskret. (iii) folgt sofort aus (ii) und Lemma (13.13). (13.15) Proposition. Ist g eine halbeinfache Lie-Algebra, so besteht die Zusammenhangskomponente von id in Aut (G) aus inneren Derivationen. Ist G eine zusammenhängende halbeinfache Lie-Gruppe, so ist die Zusammenhangskomponente von id in Aut(L(G)) gerade Ad (G). Beweis. Nach Korollar (13.4) ist jede Derivation von g eine innere Derivation, d.h. es ist L(Inn g = L(Aut (g)). Aus (Aut (G))1 = L(Aut (g)) folgt nun die erste Behauptung. Die zweite Aussage folgt aus der ersten mit Hilfe von Theorem (10.8). 84 Kapitel 14: Die Levi-Zerlegung KAPITEL 14 Die Levi-Zerlegung Ziel dieses Kapitels ist der Beweis der sogenannten Levi-Zerlegung von G bzw. von g in einen auflösbaren und einen halbeinfachen Anteil. (14.1) Definition. Eine Lie-Unteralgebra l von g heißt Levi-Unteralgebra von g, wenn g = l + rad g und l ∩ rad g = {0} ist. Die angegebene Zerlegung von g heißt eine LeviZerlegung von g. Bemerkung. (i) Jede Levi-Unteralgebra s einer Lie-Algebra g ist halbeinfach, denn es ist s kanonisch isomorph zur halbeinfachen Lie-Algebra g rad g. (ii) Während das Radikal einer Lie-Algebra eindeutig bestimmt ist, kann es viele verschiedende Levi-Unteralgebren geben: (???Beispiel) (14.2) Theorem von Levi-Malcev. Sei g eine endlich-dimensionale Lie-Algebra. Dann besitzt g eine Levi-Unteralgebra l. Diese ist auch eine Levi-Unteralgebra von g0 und es ist g0 = [rad g, g] + l eine Levi-Zerlegung von g0 . Beweis. Sei q := rad g. Der Beweis wird via Induktion über n = dim q geführt. Für n = 0 ist g halbeinfach und die Aussage des Satzes ist trivial. Es gelte die Aussage des Satzes für alle Lie-Algebren h mit dim rad h < n. Sei dim q = n. 1. Fall: g0 6= {0}. Es ist q0 ein Ideal in g, da q0 unter allen Derivationen von q invariant ist. Setze h := g q0 und sei π : g → h der kanonische Epimorphismus. (14.3) Theorem. Je zwei Levi-Unteralgebren einer endlich-dimensionalen Lie-Algebra g sind konjugiert zueinander. Beweis. (14.4) Theorem. Sei G eine endlich-dimensionale Lie-Gruppe mit Radikal R. Dann gibt es eine halbeinfache Untergruppe H von G, genannt eine Levi-Untergruppe von G, d.h. es ist R ∩ H diskret und G = R · H. Kapitel 14: Die Levi-Zerlegung Beweis. 85 Bemerkung. Eine Levi-Untergruppe muß keine Lie-Untergruppe sein. Ist H einfach zusammenhängend, so ist G das semi-direkte Produkt von R und H, also R ∩ H = {1}. 86 Literatur Literatur [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] Diedonné, J., Foundations of Modern Analysis, New York – London: Academic Press 1969 Hilgert, J., Neeb, K.-H., Lie-Gruppen und Lie-Algebren, Braunschweig: Vieweg 1991 Hochschild, G., The structure of Lie groups, Holdan-Day 1965 Knapp, A.W., Lie groups beyond: An introduction, Basel: Birkhäuser 1996 Onishchik, A.L., Vinberg, E.B., Lie groups and algebraic groups, New York – Heidelberg – Berlin: Springer 1990 Onishchik, A.L. (Ed.), Lie groups and Lie algebras, Enc. of Math. Sci. Vol. 20, Springer 1993 Reed, M., Simon, B., Functional Analysis I, New York – London: Academic Press 1980 Tits, J., Liesche Gruppen und Algebren, New York – Heidelberg – Berlin: Springer 1972 Warner, F.W., Foundations of differentiable manifolds and Lie groups, New York – Heidelberg – Berlin: Springer 1971