Forensik © Schattauer 2012 Sexuelle Gewalt unter Jugendlichen Erscheinungsformen und Prävalenz M. Allroggen; T. Rau; N. Spröber; J. M. Fegert Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Ulm Schlüsselwörter Keywords Sexuelle Aggression, Jugendliche, Täter, Opfer Sexual aggression, adolescents, perpetrator, victim Zusammenfassung Summary Sexuelle Gewalt unter Gleichaltrigen ist im Alltag von Jugendlichen ein häufiges Phänomen, wurde jedoch lange Zeit in der Forschung wenig beachtet. In dieser Übersichtsarbeit werden Erscheinungsformen und Prävalenz sexueller Gewalt unter Jugendliche dargestellt. Dabei werden Risikogruppen wie Jugendliche in Einrichtungen der Jugendhilfe besonders berücksichtigt. Auf Grundlage der dargestellten Ergebnisse werden Empfehlungen für weitere Forschungsanliegen sowie für die Prävention sexuelle aggressiven Verhaltens entwickelt. Peer to peer sexual aggression is frequent in adolescents’ everyday life, but has long been neglected in research. In this article we provide an overview about types and prevalence of sexual violence among adolescents. High risk groups like youths in residential care will be considered in particular. Based on the presented data recommendations are discussed for future research and strategies for prevention of peer to peer sexual aggression. Korrespondenzadresse Dr. Marc Allroggen Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Ulm Steinhövelstr. 5, 89075 Ulm Tel. 0731/5006-1636, Fax -1683 [email protected] Peer to peer sexual aggression – types and prevalence Nervenheilkunde 2012; 31: 19–22 Eingegangen am: 15. August 2011; angenommen am: 26. September 2011 Adoleszenz geht mit einem erhöhten Risiko einher, Opfer oder Täter von sexueller Gewalt zu werden und insbesondere sexuelle Gewalt unter Jugendlichen ist ein häufiges Phänomen (25, 37). Der Aspekt der sexuellen Gewalt unter Jugendlichen ist jedoch lange Zeit vor allem im deutschsprachigen Raum in der Forschung vernachlässigt worden. In Studien, die die Prävalenz von sexuellen Missbrauchserfahrungen in der Kindheit oder Jugend erfassen, sind Übergriffe durch Gleichaltrige entweder explizit ausgenommen oder der Altersunterschied zwischen Opfern und Tätern wird nicht erfasst (5, 17, 35). Bei der Untersuchung von jugendlichen Sexualstraftätern wird hingegen anhand des Alters des Opfers regelmäßig zwischen „peer offenders“ (gleichalt- riges oder älteres Opfer) und „child offenders“ (deutlich jüngeres Opfer) unterschieden (6). Dabei zeigte sich, dass sich beide Tätergruppen wiederholt anhand familiärer und persönlicher Faktoren differenzieren lassen (18, 20). Allerdings lassen sich diese Ergebnisse aufgrund der hohen Selektivität der untersuchten Stichproben einerseits nicht generalisieren, andererseits geben sie keine Auskunft über die Häufigkeit und Erscheinungsformen von sexueller Gewalt im Alltag Jugendlicher. In dieser Übersichtsarbeit wird der internationale Forschungsstand dargestellt zum Thema Prävalenz und Erscheinungsformen sexueller Gewalt unter Jugendlichen auf der Grundlage einer selektiven Literaturrecherche in den Datenbanken „Pubmed“, „PSYNDEXplus“ und „PsychInfo“ unter den Schlagworten „children“, „adolescents“, und „sexual aggression“, „sexual harassment“, „sexual delinquency“, „peer offender“ und „date rape“. Ausgenommen wird das Thema sexuelle Gewalt in den neuen Medien (30). Definition sexueller Gewalt unter Gleichaltrigen Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema sexuelle Gewalt unter Jugendlichen ergeben sich Probleme der Definition und der Abgrenzung zu anderen Formen von aggressivem Verhalten, insbesondere in partnerschaftlichen Beziehungen (15). Sowohl körperliche als auch verbale Gewalt sind in Beziehungen von Gleichaltrigen häufig und der Übergang von einvernehmlicher Sexualität zu sexuell aggressivem Verhalten ist oft fließend (9). Da eine Differenzierung schwierig ist, ob es sich um eine sexualisierte Form allgemeiner Gewalt handelt oder um eine primär sexuell motivierte Gewalt, gebrauchen wir den Begriff sexuell aggressives Verhalten bzw. sexuelle Gewalt rein deskriptiv als jede Form der unerwünschten sexuellen Aufmerksamkeit (3, 25). Eingeschlossen sind dementsprechend sowohl schwere körperliche Übergriffe (z. B. Vergewaltigung) als auch leichtere körperliche Übergriffe (z. B. ungewolltes Küssen, sexualisiertes Anfassen) und verbale direkte und indirekte Aggressionen (z. B. sexualisierte Beleidigungen, Verbreiten von Gerüchten). Eine weit gefasste Definition von sexuell aggressivem Verhalten ist vor allem vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass auch weniger schwerwiegendes sexuell übergriffiges Verhalten mit erheblichen Problemen verbunden ist. Die Folgen umfassen Leistungsabfall, Schulabsentismus und internalisierende und externalisierende Probleme (3, 15, 22). Gleichzeitig wird vermieden, übergriffiges Verhalten Nervenheilkunde 1–2/2012 Downloaded from www.nervenheilkunde-online.de on 2017-10-23 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 19 20 M. Allroggen et al.: Sexuelle Gewalt unter Jugendlichen unter Adoleszenten als vermeintlich jugendtypisch zu vernachlässigen oder zu bagatellisieren (11). Gemäß der Polizeistatistik des Bundes aus dem Jahr 2009 sind die Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu über 39,9% zwischen 14 und 21 Jahren alt und damit sowohl im Vergleich zu ihrem Anteil an der Allgemeinbevölkerung als auch im Vergleich zu anderen Straftaten wie Körperverletzung (26,1% der Opfer zwischen 14 und 21 Jahren) oder Raubdelikten (26,6% der Opfer zwischen 14 und 21 Jahren) deutlich überrepräsentiert (7). 17,3% aller Tatverdächtigen bei Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung waren bundesweit zwischen 14 und 21 Jahre alt. Dies bedeutet zwar einerseits eine Überrepräsentation von Jugendlichen und Heranwachsenden bezogen auf ihren Anteil an der Allgemeinbevölkerung, andererseits ist der Anteil tatverdächtiger Jugendlicher und Heranwachsender an Sexualdelikten geringer als bei allen erfassten Straftaten, bei denen 21,8% aller Tatverdächtigen zwischen 14 und 21 Jahren als sind (7). In den USA finden sich bezüglich dieser offiziellen Statistiken vergleichbare Häufigkeiten beim Anteil jugendlicher Sexualdelinquenten und beim Anteil Jugendlicher, die Opfer von Sexualdelinquenz werden (28, 37). Über die Häufigkeit und die Erscheinungsformen von sexueller Gewalt unter Jugendlichen geben Kriminalstatistiken jedoch nur bedingt Auskunft. So wird einerseits nicht regelhaft erfasst, ob es sich um Taten unter Gleichaltrigen oder zwischen Erwachsenen gegenüber Jugendlichen handelt, andererseits ist von einer hohen Dunkelziffer bei sexueller Gewalt unter Jugendlichen auszugehen, da von sexuellen Übergriffen, wenn überhaupt Freunden, selten jedoch Erwachsenen oder Behörden berichtet wird (10, 26, 32, 34). Hinzu kommt, dass Formen von verbaler direkter oder relationaler sexueller Gewalt kaum abgebildet werden. Jugendliche als Opfer Aus Deutschland liegen nur wenige Untersuchungen vor, die sich speziell mit der Häufigkeit sexueller Gewalterfahrungen Jugendlicher durch Gleichaltrige auseinan- dersetzen. In einer Untersuchung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (8), in der 14- bis 17-jährige Jugendliche befragt wurden, ob jemals ein Junge/Mann versucht habe, sie gegen ihren Willen zu Sex oder Zärtlichkeit zu zwingen, gaben 13% der Mädchen deutscher Staatsbürgerschaft und 19% der Mädchen nicht deutscher Staatsbürgerschaft an, dass dies bereits vorgekommen sei. Bei den Jungen lagen die entsprechenden Häufigkeiten bei 1 bzw. 3%. Aus Deutschland liegen Studien mit Heranwachsenden (Durchschnittsalter 18,1 bis 19,8 Jahren) vor (21). 34,6 bzw. 28,9% der Frauen berichteten, schon einmal Opfer von mittelschwerer (vollzogene unfreiwillige Kontakte durch verbalen Druck bzw. versuchte sexuelle Kontakte durch Ausnutzen der Widerstandsunfähigkeit oder Androhung/Einsatz von Gewalt) bzw. schwerer (vollzogene unfreiwillige Kontakte durch Ausnutzen der Widerstandsunfähigkeit oder Androhung/Einsatz von Gewalt) sexueller Aggression durch Männer geworden zu sein. 16,0 bzw. 18,0% der Männer gaben an, schon einmal Opfer von mittelschwerer bzw. schwerer sexueller Aggression durch Frauen geworden zu sein. In einer aktuellen Befragung, die das Deutsche Jugendinstitut im Auftrag der unabhängigen Beauftragten zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauch (16) durchgeführt hat, berichteten 16% der Schulleiter und 17,4% der Vertrauenslehrer von mindestens einem bekannten Verdachtsfall von sexuellen Übergriffen unter Kindern und Jugendlichen in den vergangenen drei Jahren. Die verdächtigten Schüler waren dabei in 35% (Angaben Schulleitung) bzw. 50,6% (Angaben Lehrer) älter als 14 Jahre, während die Opfer in 82% (Angaben Schulleiter) bzw. 61,3% (Angaben Lehrer) unter 14 Jahre alt waren. Bei den meisten Vorkommnissen handelte es sich um Berührungen am Körper oder an den Geschlechtsteilen, nur selten um schwere sexuelle Übergriffe. Aus den USA liegen mehre Studien zu sexuellen Gewalterfahrungen von Schülern durch Gleichaltrige vor, in denen 50 bis 83% der Mädchen und 25 bis 79% der Jungen davon berichteten, Opfer von sexuell belästigendem Verhalten geworden zu sein (3, 22, 34, 37). Meist handelte es sich dabei um leichtere Formen von sexuell übergriffigem Verhalten wie sexualisierte Bemerkungen, Opfer exhibitionistischer Handlungen zu werden oder angefasst zu werden. In einer Studie aus den Niederlanden fand sich hingegen eine deutlich niedrigere Häufigkeit von 18% von erlebten sexuellen Übergriffen durch Gleichaltrige (31). Bezüglich schwerer sexueller Übergriffe finden sich auch in den amerikanischen Untersuchungen deutlich niedrigere Prävalenzzahlen. Young et al. (37) berichteten davon, dass schwere sexuelle Übergriffe wie (versuchte) Vergewaltigung durch Gleichaltrige 25% der Mädchen, aber nur 2% der Jungen erlebten. Noch niedrigere Prävalenzzahlen finden sich, wenn explizit nach sexuellen Gewalterfahrungen in Beziehungen gefragt wird. 3,5% der 13- bis 18-jährigen Mädchen berichteten davon, ihren ersten Geschlechtsverkehr unter Androhung oder Einsatz von Gewalt erlebt zu haben (23). Jugendliche der 9. bis 12. Klasse berichteten in 4,4% (Mädchen) bzw. 3,4% (Jungen) der Fälle davon, schon einmal Opfer eines sexuellen Übergriffs durch einen Partner geworden zu sein (1). Obwohl Jungen überwiegend Mädchen und Mädchen überwiegend Jungen als Opfer sexueller Gewalt wählen (3, 37), scheint sexuelle Gewalt in Beziehungen gegenüber sexueller Gewalt an Schulen durch Gleichaltrige eine eher untergeordnete Rolle zu spielen. Im Gegensatz zu früheren Studien nahm der Anteil der Partner als Täter ab. So erfolgten Übergriffe in einer aktuellen Studie nur zu 15% durch Partner (37), während frühere Studien noch Anteile von 62 (2) bzw. 31% (29) fanden. Insgesamt ist sexuell übergriffiges Verhalten eine der häufigsten Form aggressiven Verhaltens, dem Schüler ausgesetzt sind (15). Dabei sind Mädchen regelmäßig häufiger Opfer von sexueller Gewalt als Jungen, erleben häufiger schwere sexuelle Übergriffe (3, 15, 37) und fühlen sich stärker belastet durch das sexuell übergriffige Verhalten (3, 34, 37). Jugendliche als Täter So wie bei den Opfern von sexueller Gewalt unter Jugendlichen Mädchen häufiger betroffen sind, zeigen Jungen dementspre- Nervenheilkunde 1–2/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.nervenheilkunde-online.de on 2017-10-23 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. M. Allroggen et al.: Sexuelle Gewalt unter Jugendlichen chend häufiger sexuell aggressives Verhalten, auch wenn der Anteil sexuell übergriffiger Mädchen nicht zu unterschätzen ist. Gemäß der Untersuchung von Krahé (21) berichteten 34% der Männer und 6,9% der Frauen schon einmal mittelschwere sexuelle Aggression eingesetzt zu haben sowie 12,4% der Männer und 3,6% der Frauen schon einmal schwere sexuelle Aggression in Beziehungen eingesetzt zu haben. Bezüglich der Häufigkeit bei Jugendlichen liegen Untersuchungen aus den USA vor. 7,9% der Schüler und 4,4% der Schülerinnen der 7. bis 12. Klasse gaben an, bereits sexuell aggressives Verhalten gezeigt zu haben (38). In einer früheren Untersuchung mit Schülern der 9. und 12. Jahrgangsstufe gaben 4,8% der Jungen und 1,3% der Mädchen an, sexuell aggressives Verhalten gezeigt zu haben (33). White und Smith (36) berichteten aus zwei Studien, dass 24,1 bis 34,5% der männlichen Collegestudenten schwere sexuelle Übergriffe wie (versuchte) Vergewaltigung oder erzwungene sexuelle Kontakte begangen haben. Sehr hohe Prävalenzzahlen für sexuell aggressives Verhalten finden sich, wenn explizit nach leichteren Formen gefragt wird. 50% der weiblichen und 57% der männlichen Untersuchten an amerikanischen High Schools gaben an, sexuell belästigendes Verhalten gezeigt zu haben. Insbesondere auf Seiten der Schülerinnen ist dies eine sehr hohe Prävalenz, auch wenn natürlich deutlich mildere Übergriffe erfasst wurden als in den zuvor genannten Untersuchungen. Interessant an dieser Untersuchung ist, dass auch nach Motiven für das sexuell übergriffige Verhalten gefragt wurde. Es zeigte sich, dass sexuell belästigendes Verhalten von einem Großteil der Mädchen und Jungen als etwas Alltägliches angesehen wird und vor allem Motive eine Rolle spielen, die mit Beziehungswünschen, weniger mit Macht über die Person zu tun haben (3). Kinder in Einrichtungen der Jugendhilfe Eine besondere Bedeutung hat das Thema sexuelle Gewalt unter Jugendlichen in Einrichtungen der Jugendhilfe. So zeigen Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien und Einrichtungen der Jugendhilfe nicht nur Fazit Sexuelle Gewalt unter Jugendlichen kann in sehr unterschiedlichen Formen auftreten und umfasst sowohl relativ leichte, häufig zu beobachtende Übergriffe wie Anfassen oder sexualisierte Bemerkungen, aber auch schwere körperliche Übergriffe (3, 37). Da die Untersuchungsdaten aus den USA aufgrund einer unterschiedlichen Schul- und Verabredungskultur nicht ohne weiteres auf deutsche Verhältnisse übertragen werden können, sind dringend eigene Studien notwendig, um sowohl die Prävalenz als auch die Erscheinungsformen erfassen zu können. Erste Untersuchungen (16) zeigen, dass diese Problematik auch an deutschen Schulen und Institutionen präsent ist. Bei zukünftigen Untersuchungen sollten insbesondere Risikopopulationen wie Kinder und Jugendliche in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe eingeschlossen werden. Zudem ist es erforderlich, dass gut differenziert wird zwischen sexuell aggressivem Verhalten unter gleichaltrigen Jugendlichen, gleichaltrigen Kindern und sexuell aggressivem Verhalten von Jugendlichen gegenüber Kindern, da möglicherweise unterschiedliche Entstehungsbedingungen und aufrechterhaltende Faktoren eine Rolle spielen (25). vermehrt sexuell auffälliges Verhalten (4, 27), sondern stellen aufgrund ihrer häufigen frühen traumatischen Erlebnisse eine Risikogruppe für eine erneute körperliche Misshandlung oder einen sexuellen Missbrauch dar (13). Das Risiko für ein Kind in einer Pflegefamilie war dabei gemäß einer Untersuchung in Nord-England sieben- bis achtmal größer, erneut misshandelt oder missbraucht zu werden als für ein Kind, das nicht fremduntergebracht war, und sechsmal größer für ein Kind, das in einer Einrichtung der Jugendhilfe lebte. Mädchen waren häufiger von sexuellem Missbrauch betroffen, Jungen häufiger von körperlicher Misshandlung. Neben den Pflegeeltern (41% der Übergriffe) und den leiblichen Eltern (23% der Übergriffe) waren in 20% der Fälle Kinder und Jugendliche für die Übergriffe verantwortlich (19). Auch eine Untersuchung aus Irland zeigte, dass Mitbewohner nach Fachkräften die zweitgrößte Gruppe der Täter in Bezug auf sexuellen Missbrauch darstellen (12). Dass die- Aufgrund des aktuellen Forschungsstandes kann davon ausgegangen werden, dass sexuelle Gewalt unter Jugendlichen primär im öffentlichen Raum stattfindet und vermeintlich harmloses übergriffiges Verhalten zu einer erheblichen Beeinträchtigung insbesondere der betroffenen Mädchen führen kann (14, 24). Gleichzeitig wird sexuell belästigendes Verhalten von Schülern als Teil einer normalen Alltags- bzw. Schulkultur angesehen, um die kein großes Aufheben gemacht werden muss (3, 24). Programme, die auf die Prävention sexuell aggressiven Verhaltens abzielen, sollten diese Punkte insofern berücksichtigen, dass es sinnvoll ist, Präventionsprogramme dort zu verankern, wo sexuell übergriffiges Verhalten auftritt, nämlich in Schulen und Einrichtungen der institutionellen Erziehung. Gleichzeitig sollten Präventionsprogramme auch relativ milde Übergriffe berücksichtigen, da diese zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Opfer führen können. Nur wenn die Erscheinungsformen und Entstehungsbedingungen hinreichend bekannt sind, wird es möglich sein, entsprechende Präventionsprogramme und Handlungsanleitungen für den Umgang mit sexuell übergriffigen Jugendlichen zu entwickeln. se Problematik in Deutschland besteht ergibt sich aus der Befragung des Deutschen Jugendinstitutes im Auftrag der unabhängigen Beauftragten. Hier berichteten 27,8% der Internate und 38,9% der befragten Heime von Verdachtsfällen betreffend sexuelle Übergriffe unter Kindern und Jugendlichen. Am häufigsten kam es zu Berührungen am Körper und an den Geschlechtsteilen (16). Danksagung Dieses Projekt wurde innerhalb der Expertise „Sexuelle Gewalt unter Kindern und Jugendlichen – Ursachen und Folgen“ für das Bayrisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen in Kooperation mit dem Zentrum Bayern Familie und Soziales Bayrisches Landesjugendamt gefördert. © Schattauer 2012 Nervenheilkunde 1–2/2012 Downloaded from www.nervenheilkunde-online.de on 2017-10-23 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 21 22 M. Allroggen et al.: Sexuelle Gewalt unter Jugendlichen Literatur 1. Ackard D, Neumark-Sztainer D. Date violence and date rape among adolescents: associations with disordered eating behaviors and psychological health. Child Abuse Negl 2002; 26: 455–473. 2. Ageton S. Sexual assault among adolescents. Lexington, MA: Health and Company 1983. 3. 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