Oberarmkopf-Fraktur Zusammenfassung - Ursachen - Symptome - Diagnose - Einteilung - Therapie - Risiken und Komplikationen - Prognose Zusammenfassung Knöcherne Verletzungen des schultergelenknahen Anteils des Oberarmknochens (Humerus) sind besonders im Alter häufig und werden meist durch einen Sturz verursacht. Knöcherne Verletzungen in diesem Bereich des Oberarms werden als proximale Humerus-Frakturen oder Humeruskopf-Frakturen bezeichnet. Die Therapie richtet sich nach der Verschiebung und Einstauchung der Bruchfragmente und kann meist konservativ (ca. 80% aller Frakturen) erfolgen. Erheblich verschobene und instabile Bruchfragmente erfordern jedoch eine operative Therapie. Die Prognose ist meist gut. Ursachen Der Bruch am Oberarmkopf ist häufig Folge eines Sturzes auf den ausgesteckten Arm oder direkt auf die Schulter. Begünstigend für das Entstehen eines Bruchs ist eine Vermindung der Knochenstabilität im höheren Lebensalter sowie bei krankhafter Veränderung der Knochenbinnenstruktur, wie z.B. bei einer Osteoporose. Sturzauslösend können gerade im höheren Lebensalter auch Herzrhythmusstörungen und Gehirndurchblutungsstörungen sein, die bei einem Verdacht als Ursache für einen Sturz und als zu behandelnde Erkrankungen aufgedeckt werden müssen. Symptome Schmerzen oder schmerzhafte Bewegungseinschränkungen im Schulterbereich sind die häufigsten Symptome. Weiterhin findet sich ein Druckschmerz über dem Oberarmkopf, eine Schwellung und eventuell auch ein Bluterguss (Hämatom), der nach einigen Tagen auch den Ellenbogen oder die Brustwand erreichen kann. Auffällig ist häufig eine Schonhaltung. Sichere Frakturzeichen sind eine deutliche Fehlstellung sowie ein nicht zu provozierendes fühlbares Knochenreiben, beim Versuch der Bewegung der gebrochenen Extremität. Diagnose Die Erhebung der Unfallgeschichte und die klinische Untersuchung sind Grundlage für weitere diagnostische und therapeutische Entscheidungen. Als Röntgenuntersuchung sind standardmäßig Aufnahmen in meist 2 Ebenen (z.B. von vorn und seitlich) durchzuführen. Die Röntgenaufnahmen führen zur Aufdeckung und Einteilung einer bestehenden Fraktur. Begleitend stehen die Sonografie zur Beurteilung von Weichteilverletzungen, z.B. der Rotatorenmanschette zur Verfügung, die jedoch nur einen geringen diagnostischen Wert in der Unfallbehandlung hat. Diese muskuläre Manschette stellt die muskuläre Verbindung zwischen dem Oberarm und dem Schultergürtel dar und ist für die Bewegung in alle Richtungen im kugelgelenkartigen Schultergelenk verantwortlich. Diese Verletzung ist im Vergleich zur Oberarmfraktur recht selten. Proximale Humerusfraktur Einteilung Eine für die Therapie notwendige Einteilung der proximalen Humerusfakturen erfolgt meist nach Neer, der vier Hauptfragmente (Kalotte, Tuberculum majus, Tuberculum minus und den Schaft) unterschied. Allgemein verschlechtert sich die Prognose mit der Zunahme der freien Bruchfragmente, sowie bei Trümmerfrakturen des gelenkbildenden Humeruskopfes, der sogenannten Kalotte. Eine weitere, hier nicht näher beschriebene Einteilungen der Oberarmfrakturen ist die sog. AO-Klassifikation, die eine einheitliche Frakturbeschreibung aller häufigen Knochenbrüche bereithält. Diese ist für eine Vereinfachung der Verständigung zwischen den behandelnden Ärzten recht sinnvoll. Therapie Konservative Therapie Nichtdislozierte, also unverschobenen Frakturen und sog. Einfragmentfrakturen können als stabil eingestuft werden und werden meist konservativ, also nicht operativ behandelt. Ebenso eingestauchte ineinander verkeilte (impaktierte) Oberarmbrüche profitieren von einer nichtoperativen Therapie und frühzeitiger Krankengymnastik. Bei der konservativen Therapie erfolgt eine kurzfristige Ruhigstellung des Oberarmes für ca. 5-7 Tage im Gilchrist- oder Desault-Verband. Für eine relativ schmerzfreie Übungsbehandlung ist die Gabe von Schmerzmedikamenten (Tabletten) meist hilfreich. Die Übungsbehandlung beginnt mit frühzeitigen Pendelbewegungen mit späterem Übergang auf eine aktive Schulterbewegung bis die volle Schulterfunktion nach ca. 3-6 Wochen erreicht ist. Bei Kindern findet man bei Verletzungen im Humeruskopfbereich zumeist eine Epiphysenlösung. Hierbei löst sich, vereinfacht gesagt, der Humeruskopf entlang der Wachstumsspalte ab. Dies kann mit oder ohne Ausbruch eines Knochenkeils geschehen und wird entsprechend klassifiziert (Salter-Harris [S-H]- bzw Aitken-Klassifikation). In den meisten Fällen (S-H I und II) genügt bei intakter Wachstumsfuge eine konservative Therapie mit Einrichtung des Bruches und Ruhigstellung im Gipsverband. Bei starker Fehlstellung und Verletzungen unter Einbeziehung der Wachstumsfuge (S-H III und IV) muss die Fehlstellung zumeist operativ behoben und mit Draht fixiert werden. Bei Wachstumsstörungen (z.B. vorzeitige Verknöcherung der Wachstumsfuge) werden evtl. spätere Korrektureingriffe nötig (z.B. Eingriff zur Knochenverlängerung). Operative Therapie Die Notwendigkeit für eine Operation besteht in der Regel bei: • • • • Dislokation (Verschiebung) des distalen (unteren) Fragmentes von mehr als 1 cm und/oder bei Abkippung des Kopfes von mehr als 45° sowie bei nicht durch Reposition zu behebender Fehlstellung Abrissfrakturen des Tuberculum majus Mehrfragmentfrakturen Operationsmethoden Vorrang haben Operationsmethoden mit dem geringsten Ausmaß einer Schädigung der Weichteile und dem Vorteil einer frühstmöglichen Bewegungstherapie zur Vermeidung von chronischen Schultergelenksbeschwerden. • • • • • Die sog. intramedulläre (im Knochenmark eingebrachte) Bündelnagelung gehört zu den schonendsten Verfahren. Dabei werden über einen relativ kleinen Hautschnitt, knapp oberhalb des Ellenbogens, nach Eröffnung der Knochenmarkshöhle 3-6 Stahldrähte (sog. Kirschner-Drähte) zur Schienung über die Frakturstelle in den Gelenkkopf eingebracht. Dadurch kommt es zu einer Fixierung des der Armbewegung meist schlecht folgenden Kopffragments. Die Wirksamkeit der Schienung sowie die Kontrolle auf erneute Verschiebung der Bruchfragmente muss nach ersten Pendelübungen (Krankengymnastik) mittels Röntgenaufnahme kontrolliert werden. Eine erneute Dislokation erfordert nicht selten eine weitere Operation mit einer aufwendigeren Fragmentversorgung. Auch kindliche Frakturen können so versorgt werden. Weit verbreitet ist derzeit die Verplattung (Plattenosteosynthese) der Fraktur über einen Schnitt über dem Schultergelenk. Die Stabilisierung der Fraktur mittels einer sogenannter T-Platte ist aufgrund des erforderlichen Operationszuganges über die Schultermuskulatur mit einer erheblichen Weichteilfreilegung meist nur bei komplizierten Frakturen indiziert. Bei fehlender knöcherner Verankerung der über die Platten eingebrachten Schrauben, kann die Unterfütterung mit Spongiosa (Knochenmark) erforderlich sein. Diese kann entweder lokal oder über einen kleinen Schnitt aus dem Beckenkamm entnommen werden. Die Bedeutung dieser KompressionsplattenOsteosynthesen wird wahrscheinlich durch die modernen winkelstabilen Plattensysteme (siehe nächsten Punkt) zunehmend abnehmen. Eine vorteilhafte Verbindung von geringer Invasivität, also Vermeidung ausgedehnter Weichteildurchtrennungen und rascher Stabilität sind die zunehmend häufiger implantierten sog. winkelstabilen Platten aus Titan. Diese winkelstabilen Platten besitzen ein Gewinde im Plattenloch und können daher auch ohne direkten Knochenkontakt (keine Kompression auf der Knochenoberfläche nötig) die erforderliche Stabilität gewährleisten. Die Implantation kann deshalb auch über einen relativ kleinen Hautschnitt erfolgen, denn die notwendig einzubringenden Schrauben werden mit Hilfe eines Zielinstrumentariums über kleine Hautstichinzisionen im Knochen und der Platte verankert. Diese Technik ist am ehesten mit einem sog. internen Fixateur zu vergleichen, der die Bruchfragmente sozusagen unter der Haut miteinander fixiert. ein weiteres Verfahren ist die perkutane, also durch die Haut eingebrachte, Kirschnerdrahtstiftung, die wegen der erhöhten Infektionsgefahr und der möglichen ungewollten und nicht komplikationslosen Drahtwanderung nur noch in geringem Maße eine Anwendung findet. Ein zertrümmerter Oberarmkopf muss bei älteren Patienten wegen der zu erwartenden späteren Kopfnekrose, also der Zerstörung des Knochens aufgrund von schweren Durchblutungsstörungen durch eine Endoprothese ersetzt werden. Diese Prothesenimplantation ist häufig der letzte Ausweg einer die Beweglichkeit des Armes erhaltenden Therapie. Dennoch ist bei diesen Patienten der Einbau einer Prothese als Ersteingriff noch umstritten und erfolgt häufig erst nach anderen operativen Therapiemaßnahmen. Die nur für die Frakturheilung erforderlichen implantierten Materialien aus Stahl oder Titan machen in der Regel nach der Frakturheilung ihre Entfernung erforderlich Diese operative Materialentfernung der Platten nach ca. 6-12 Monaten sowie der intramedullären Drähte nach ca. 4-8 Wochen nach dem Ersteingriff erfolgt wiederum über einen Hautschnitt über dem Einbringungsort. Neuere Materialen, wie Titanplatten werden zur Vermeidung einer erneuten Operation bei Beschwerdefreiheit nicht mehr grundsätzlich entfernt. Risiken und Komplikationen Die Komplikationen der Fraktur und der operativen Behandlung sind vor allem abhängig von der Frakturfehlstellung und sind • • • • • • • • Redislokation, einer erneuten Frakturfehlstellung Ausbildung eines "falschen Gelenks", sogenannten Pseudarthrose Nekrosen des Oberarmkopfes Rotatorenmanschettenschrumpfung Verletzungen der langen Bizepssehne (Sehne des Muskels für die Unterarmbeugung) fortbestehende Achsenfehlstellung Infektionen posttraumatische Schultersteife. Die allgemeinen Gefahren ärztlicher Eingriffe, wie der Bildung von Blutgerinnseln (Thrombosen), Embolien, also Schlagaderverschlüssen durch verschleppte Gerinnsel, sowie Verletzungen von Nerven und Gefäßen sind sehr selten. Prognose Die Prognose ist in erster Linie alters- und frakturabhängig, dass heißt, mit zunehmenden Alter und mit zunehmender Fragmentanzahl verschlechtert sich die Chance einer vollständigen Wiederherstellung der Funktion des Arms. Bei älteren Menschen beeinflussen Osteoporose, Arthrose, eine Degeneration der Rotatorenmanschette sowie weitere Alterserkrankungen entscheidend den Behandlungserfolg. Untersuchungen von Operationsergebnissen konnten zeigen, dass ein früher Zeitpunkt einer notwendigen Operation den wichtigsten Parameter für eine komplikationslose Heilung darstellt. Bei fachgerechter Therapie und einer intensiven physiotherapeutischen Nachbehandlung ist, in Abhängigkeit von der Schwere der Verletzung und bei Fehlen begeleitender Risiken, mit einer vollständigen Wiederherstellung der Schultergelenksfunktion des Oberarmes zu rechnen. Greifen und einfache Tätigkeiten sind meist nach 4-6 Wochen, in Abhängigkeit von der gewählten Therapie, wieder möglich. Übermäßige Beanspruchungen durch schockartige, ungedämpfte Belastungen sollten vermieden werden. Jede Erkrankung hat ihren eigenen, persönlichen Verlauf. Darum sollte das gesamte Vorgehen stets intensiv mit dem jeweils behandelnden Arzt besprochen werden.