Wohnen, Pflege und Betreuung im Alter bei LGBT

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Wohnen, Pflege und Betreuung
im Alter bei Homosexuellen
und Transgender
Dieser Bericht wurde erstellt für die:
Sozial Global GmbH
Autorinnen:
Mag. Christine Schuster
Mag.a Christa Edlmayr
a
Wien, im Juli 2014
INSTITUT FÜR EMPIRISCHE SOZIALFORSCHUNG GMBH
Teinfaltstraße 8 1010 Wien
Telefon: (01) 54 670-0 Fax: (01) 54 670-312
E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ifes.at
2
6464646464
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ............................................................................................................................. 2
1. Ergebnisse der Desk Research...................................................................................................... 4
1.1. Einleitung............................................................................................................................... 4
1.2. Glossar ................................................................................................................................... 7
1.3. Ergebnisse ausgewählter Studien.......................................................................................... 9
1.3.1. Studie: Unterm Regenbogen- Lesben und Schwule in München................................ 9
1.3.2. Literaturstudie: Differenzierte Lebenslagen im Alter. Der Einfluss sexueller
Orientierung am Beispiel homosexueller Männer .................................................... 12
1.3.3. Fallstudie: “We Have to Create Family”: Aging Support Issues and Needs Among
Older Lesbians ........................................................................................................... 14
1.3.4. Survey: `Lavender retirement’: A questionnaire survey of lesbian, gay and bisexual
people’s accommodation plans for old age .............................................................. 16
1.3.5. Literaturstudie: Unique Challenges of Transgender Aging: Implications From the
Literature ................................................................................................................... 18
1.4. Beispielprojekte................................................................................................................... 20
1.4.1. rosaAlternative – Alten WG für schwule Männer (München) .................................. 20
1.4.2. GLEH – Gay and Lesbian Elder Housing (California, USA).......................................... 20
1.4.3. Villa anders, schwul-lesbisches Wohnen (Köln) ........................................................ 21
1.4.4. Lebensort Vielfalt (Berlin).......................................................................................... 21
1.4.5. Frauenwohnprojekte [ro*sa] und Que[e]rbau (Wien) .............................................. 22
1.4.6. Gay nursing (Zürich)................................................................................................... 23
1.4.7. L.A. Ries-Huis – Seniorenwohn- und Pflegeprojekt für homosexuelle Männer und
Frauen (Amsterdam).................................................................................................. 23
1.4.8. SAGE Friendly Visitor Program (New York City) ........................................................ 24
1.4.9. Schlussbemerkung..................................................................................................... 24
1.5. Fazit ................................................................................................................................... 25
2. Ergebnisse der qualitativen Interviews ...................................................................................... 27
2.1. Einleitung............................................................................................................................. 27
2.2. Wohn- und Lebenssituation im Alter .................................................................................. 29
2.2.1. Vorstellungen der LGBT-Personen zur Wohn-/Lebenssituation im Alter ................. 29
2.2.2. Expert/innensicht zur Wohn- und Lebenssituation im Alter..................................... 30
3
2.3. Beurteilung verschiedener Angebote und Einschätzung der Nachfrage ............................ 35
2.3.1. Einschätzung der befragten LGBT-Personen ............................................................. 35
2.3.2. Einschätzung der Expert/innen ................................................................................. 37
2.4. Exkurs: Wohnprojekt „Lebensort Vielfalt“ .......................................................................... 40
2.5. Empfehlungen für Angebote im Bereich Wohnen, Pflege und Betreuung von
LGBT im Alter....................................................................................................................... 43
3. Ergebnisse der quantitativen Befragung.................................................................................... 46
3.1. Samplestruktur und Methodik ............................................................................................ 46
3.2. Lebens- und Wohnsituation ................................................................................................ 48
3.3. Lebenszufriedenheit und soziale Kontakte ......................................................................... 50
3.4. Wohn- und Lebenssituation im Alter .................................................................................. 52
3.5. Die Ergebnisse im Detail...................................................................................................... 57
3.6. Wichtigste Ergebnisse der quantitativen Befragung........................................................... 80
4. Gesamtfazit zur Studie Wohnen, Pflege und Betreuung im Alter bei LGBT .............................. 82
Literaturverzeichnis........................................................................................................................ 85
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Wohnen, Pflege und Betreuung im Alter bei LGBT
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1.
Ergebnisse der Desk Research
1.1. Einleitung
Der vorliegende Teil fasst die Ergebnisse zur Desk Research „Wohnen, Pflege und Betreuung im
Alter bei Homosexuellen und Transgender“ zusammen. In der Einleitung werden grundlegende
Überlegungen zum Thema umrissen. Ein kurzes Glossar gibt anschließend eine Orientierung zu
relevanten Begriffen im Bereich Homosexualität und Altenbetreuung bzw. -pflege. Den Kern bilden schließlich die Darstellung der Ergebnisse ausgewählter Studien zum Thema sowie eine Charakterisierung von beispielhaften Projekten aus der Praxis.
Mit dem demographischen Wandel nimmt der Anteil der SeniorInnen an der Bevölkerung zu. Lebenslagen und Lebensstile von Älteren und Hochbetagten differenzieren sich immer stärker aus.
Wie für die Bevölkerung im Allgemeinen, gilt dies auch für ältere schwule Männer, lesbische
Frauen und Transgender-Personen. Die Generation der älteren, offen schwul oder lesbisch lebenden Menschen ist im Wachsen begriffen. Historisch neu ist, dass diese Menschen ihre dritte
Lebensphase aktiv planen und Alternativen zu den traditionellen Lebensentwürfen suchen. Sie
fordern Gleichbehandlung und erwarten auch für die Lebensphase des Alters, dass ihre jeweiligen Bedürfnisse Berücksichtigung finden (vgl. Nachtwey 2004, S. 9).
Wissenschaftliche Studien gehen von einem Anteil homosexueller Personen zwischen 5 und 15
Prozent an der Bevölkerung aus, weshalb im Schnitt etwa 10 Prozent angenommen werden.
Demnach leben in Wien etwa 170.000 Lesben und Schwule. (vgl. Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und Transgender-Lebensweisen). Rechnet man den Anteil für die
Bevölkerung 60 plus hoch, ergibt sich eine Zahl von ca. 38.600 älteren Lesben und Schwulen in
Wien (vgl. Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 2012, S. 70). Bei weitem nicht Alle leben ihre
Homosexualität ihrem Umfeld gegenüber offen.
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich grundlegende gesellschaftliche Öffnungsprozesse in
Richtung Akzeptanz und Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebensweisen vollzogen.
Dennoch belegen Studien auf EU-Ebene, dass Homosexuelle und Transgender-Personen weiter-
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hin in unterschiedlichen Lebensbereichen Diskriminierung ausgesetzt sind. In Erwartung negativer Erfahrungen bleiben gleichgeschlechtliche Lebensweisen in bestimmten Kontexten verborgen (vlg. FRA 2009; 2012). Dies gilt etwa für den Bereich der Gesundheitsversorgung, wo die
betreffenden Personen im Extremfall den
Kontakt mit Ärzten und medizinischen Einrichtungen generell meiden. Transgender-Personen
werden in diesem Zusammenhang als besonders verwundbare Gruppe identifiziert. Sie sind von
stärkeren Ressentiments betroffen als Lesben und Schwule, da ihre Lebensweise in noch höherem Ausmaß tabuisiert ist. Allgemein sind ältere Lesben, Schwule und Transgender-Personen
durch die Faktoren Alter und schwul-lesbische Identität einer potentiellen Mehrfachdiskriminierung ausgesetzt.
Zur Situation dieser Gruppe im Alter ist nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung wenig bekannt, sie ist auch wissenschaftlich wenig beleuchtet (vgl. Persson 2009, Reimann 2006). In Bezug auf die Lage älterer schwuler Männer stellt Reimann (2006) fest, dass sich diesbezügliche
Studien eher auf die USA konzentrieren, oft nur kleine Stichproben beschreiben und teils nicht
spezifisch auf die Fragestellung nach dem Alter ausgerichtet sind.
Ein selbständiges, abgesichertes Altern in Würde für unterschiedliche Lebenslagen und Lebensstile benötigt differenzierte Konzepte des Angebots und der institutionellen Versorgung für diverse Zielgruppen. Für die Versorgung von älteren Schwulen und Lesben im Bereich Wohnen,
Betreuung und Pflege unterscheidet Nachtwey (2004, S. 9f) zwei Ansätze, aus denen er mögliche
Zukunftsentwicklungen ableitet. Diese sollen einleitend dargestellt werden, um eine Orientierung im Handlungsfeld der Alters- und Wohnversorgung von LGBT-Personen zu geben.
Einerseits besteht für die Zielgruppe eine Versorgung mit spezifischen Angeboten, die ihren Ursprung in der Community genommen haben und regional recht unterschiedlich ausgeprägt sind.
Von ihrem Wesen her sind diese Projekte „bottom up“ entstanden und meist allein auf Lesben
und Schwule ausgerichtet. Parallel dazu besteht ein fachlicher Diskurs im Pflege- und Betreuungsbereich darüber, Diversität im bestehenden Angebot besser zu berücksichtigen und die Altenarbeit stärker für Minoritäten zu öffnen. Idealtypisch kann man also zwischen dem aus-
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schließlich zielgruppenspezifischen Angebot der Community und der breiteren Berücksichtigung
von gleichgeschlechtlichen Lebensweisen innerhalb des „Mainstream“-Angebots unterscheiden.
Nachtwey spricht sich für eine Integration beider Ansätze als politisches Ziel aus. Die Konzentration auf eine „homosexuelle Angebotsstruktur“ birgt die Gefahr der „Ghettoisierung“, die einer
langfristigen Integration von lesbischen und schwulen Lebensweisen widerspricht: „Zwar werden
einzelne alte Lesben und Schwule mit den Angeboten im Ghetto zufrieden sein, weil es ihnen eine
gewisse Heimat verspricht, aber der Wunsch und die Sehnsucht nach Normalität und Integration
bleibt unerfüllt“ (ebd., S. 10). Wichtige aktuelle Handlungsfelder seien die Berücksichtigung der
gleichgeschlechtlichen Sexualität in Forschung, Politik und Verwaltung sowie bei den Trägern sozialer Dienstleistungen. Ebenso wichtig ist die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften in der Altenarbeit und –pflege im Bereich Sex, Gender und Diversität.
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1.2. Glossar
LGBT
Der Sammelbegriff LGBT steht als Abkürzung für „Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender“. Auch
der Begriff LGB, der Transgender nicht einschließt, ist in Gebrauch.
Transgender-Personen
Bezeichnet Personen, die ihr soziales Geschlecht (Gender) als nicht oder nur teilweise mit ihrem
biologischen Geschlecht übereinstimmend empfinden. Unter den Begriff fallen Transsexuelle
(die sich einer operativen Geschlechtsanpassung unterzogen haben, diese planen oder aber für
sich ausschließen) und Intersexuelle/Hermaphroditen, die keinem eindeutigen biologischen Geschlecht zuordenbar sind. Zunehmend gebräuchlich sind die Bezeichnungen „Transmann“ für
biologische Frauen, die sich als Mann identifizieren sowie „Transfrau“ für biologische Männer,
die sich als Frau fühlen. Die sexuelle Orientierung von Transgender-Personen hängt von der individueller Definition ab, etwa davon, ob als Ausgangspunkt das biologische oder selbstidentifizierte Geschlecht gewählt wird (vgl. Persson 2009, S. 634f).
Mobile (auch ambulante) Pflege- und Betreuungsleistungen
Die Betreuungs- oder Pflegefachkraft kommt ins Haus des Kunden/ der Kundin (vgl. Fonds Soziales Wien, 2013). Beispiele für mobile Pflegedienste sind mobile/medizinische Hauskrankenpflege, Heimhilfe sowie Begleit- und Besuchsdienste. Auch in kollektiven Wohnformen für Ältere
(betreutes Wohnen) können mobile Dienste zum Einsatz kommen.
Stationäre Pflege- und Betreuungsleistungen
Der/die KundIn lebt in einer Wohn- und Pflegeeinrichtung (vgl. Fonds Soziales Wien, 2013), wobei es sich um befristete oder unbefristete Aufenthalte handeln kann.
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Teilstationäre Pflege- und Betreuungsleistungen
Der/die KundIn von teilstationären Pflege- und Betreuungsleistungen lebt grundsätzlich zu Hause
und besucht eine Einrichtung (vgl. Fonds Soziales Wien, 2013). Unter teilstationäre Dienste fallen
Einrichtungen, die die Unterbringung und Betreuung betagter, pflegebedürftiger Menschen während eines Teiles des Tages gewährleisten (Betreuung, Förderung und Aktivierung dieser Menschen in Tagesstrukturen/ Tageszentren für SeniorInnen).
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1.3. Ergebnisse ausgewählter Studien
1.3.1. Studie: Unterm Regenbogen- Lesben und Schwule in München
Die Münchner Stadtverwaltung führte 2004 eine Befragung zur Lebenssituation, zu Wünschen,
Bedürfnissen und Problemen der lesbisch-schwulen Bevölkerung durch. Durchgeführt von der
Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen, wurden 40.000 Fragebögen distribuiert und im Rücklauf gut 2.500 RespondentInnen erreicht. Der Lebensabschnitt Alter fand ausführliche Berücksichtigung.
Knapp unter 30% der Befragten gaben in der Münchner Studie an, die eigene Homosexualität
völlig offen zu leben; weitere 60% wählten die Kategorie „weitgehend offen“ (eine Auswertung
nach Altersgruppen wird leider nicht geboten). Diese Einschränkung der „weitgehenden Offenheit“ betrifft v.a. Situationen am Arbeitsplatz, aber auch den Umgang mit Behörden. 40% geben
an, ihre gleichgeschlechtliche Lebensweise vor ihrem Arbeitgeber zu verbergen. Weiters vermuten über 40% der Schwulen und 54% der Lesben Nachteile bei Behörden bei Bekanntwerden ihrer Homosexualität. Konkrete Erfahrungen von Benachteiligung sind weit verbreitet: Ca. 60% der
RespondentInnen haben Beschimpfungen erlebt, knapp 20% wurden Opfer von Gewalthandlungen, knapp 40% geben an, psychischem Druck oder Bedrohungen ausgesetzt gewesen zu sein
(vgl. ebd. S. 4f).
Jugendlichkeit spielt in der LGBT-Szene eine wichtige Rolle. Unter Lesben und Schwulen besteht
tendenziell die Annahme über ein eigenes frühes soziales Altern- bei Männern stärker als bei
Frauen. Dies geht mit der Einschätzung einher, dass die Bedeutung der Szene und die Möglichkeit, dort neue soziale Kontakte zu knüpfen, im Alter deutlich abnimmt. Die Bedeutung des Themas Einsamkeit im Alter wird von den befragten homosexuellen Männern und Frauen als hoch
eingestuft, woraus die StudienautorInnen eine pessimistische Grundstimmung über das Altern
ableiten. 90% sind der Meinung, Einsamkeit ist für ältere Schwule und Lesben von großer oder
sehr großer Bedeutung (vgl. ebd. 25f).
Obgleich kein Vergleich zu einer heterosexuellen Vergleichsgruppe gezogen wird, konstatieren
die AutorInnen einen niedrigen Informationsstand der befragten Schwulen und Lesben zu Alten-
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pflege- und -betreuungseinrichtungen. Bei den über 55-Jährigen geben etwa nur zwischen einem
Viertel und einem Drittel der Befragten an, sich bereits darüber informiert zu haben.
In der Studie werden die Präferenzen für Arten der häuslich/ambulanten Betreuung und der stationären Altenpflege/-betreuung abgefragt. Sie sind in den nachstehenden Tabellen getrennt für
Männer und Frauen abgebildet.
Im Bereich der häuslichen Unterstützung werden die Hilfestellungen durch FreundInnen deutlich
bevorzugt (von den Frauen noch stärker als den Männern). Familiäre Unterstützung liegt deutlich darunter, was von den AutorInnen darauf zurückgeführt wird, dass Lesben und Schwule „im
Alter in der Regel kein (herkunfts-)familiäres Unterstützungssystem mehr zur Verfügung haben“
(ebd. S. 31). Bei den professionellen Hilfeleistern ergibt sich folgende Rangordnung: Die Nutzung
des Angebotes eines ambulanten Dienstes ist für Lesben/ Schwule grundsätzlich gut vorstellbar
(für je ca. 80%). Die meiste Befürwortung erhalten jene ambulanten Dienste, die ihr Angebot auf
Lesben und Schwule ausgerichtet haben. Dass ausschließlich Lesben/ Schwule für den Dienst arbeiten, wird von Frauen als wichtiger erachtet als von Männern.
Altersbedingte gesundheitliche Einschränkungen können dazu führen, dass man bei
der Haushaltsführung und/oder der Körperpflege auf fremde Hilfe angewiesen ist.
Wie wichtig wären Ihnen folgende Möglichkeiten der häuslichen Unterstützung/Versorgung?
In Zeilenprozent, nach Geschlecht
wichtig
Eher
wichtig
Eher
unwichtig/
unwichtig
M
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26
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F
29
27
44
M
34
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20
F
43
43
14
Unterstützung/Versorgung durch einen ambulanten Dienst
zur hauswirtschaftlichen und pflegerischen Versorgung
M
33
49
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F
37
43
20
Unterstützung/Versorgung durch einen ambulanten Dienst,
der sein Angebot auf Schwule/Lesben ausgerichtet hat
M
50
34
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F
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24
16
Unterstützung/Versorgung durch einen ambulanten Dienst,
von Schwulen für Schwule/von Lesben für Lesben
M
47
30
23
F
56
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21
Unterstützung/Versorgung durch Familienangehörige
Unterstützung/Versorgung durch FreundInnen
Quelle: Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen München 2004, S. 30
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Die Befragten wurden um ihre Einschätzung zu bestehenden stationären Einrichtungen der Altenhilfe gebeten, mit dem deutlichen Ergebnis, dass sie dort zu 90% einen nicht-kompetenten
Umgang mit LGBT-Personen erwarten und zu über 70% Diskriminierung vermuten.
Besonders wichtige Faktoren in der stationären Altenpflege/-betreuung sind für Lesben und
Schwule die Schulung der MitarbeiterInnen in Bezug auf Homosexualität sowie eine gemeinsame
Nutzung des Angebots mit anderen Lesben und Schwulen. Frauen betonen die Bedeutung der
gemeinsamen Nutzung extra stark. Ein Anteil von schwul-lesbischen Betreuungspersonen/PflegerInnen wird befürwortet; diese müssen aber nicht ausschließlich selbst schwullesbisch sein.
In Summe besteht in der Zielgruppe der Bedarf nach Diensten und Einrichtungen, die Schwulen
und Lesben gegenüber sensibilisiert und offen sind. Diese müssen erst entwickelt werden, da das
aktuelle Angebot dahingehend sehr mangelhaft eingeschätzt wird.
Wenn Sie das Angebot einer Einrichtung der Altenhilfe wahrnehmen würden: Wie wichtig wäre Ihnen
dabei, dass ...?
In Zeilenprozent, nach Geschlecht
wichtig
Eher wichtig
Eher
unwichtig/
unwichtig
M
77
17
6
F
88
8
4
die MitarbeiterInnen in Bezug auf Homosexualität geschult
sind
M
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13
F
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13
die Einrichtung ihr Angebot auf Schwule/Lesben ausrichtet
und entsprechend bewirbt
M
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F
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auch andere Schwule/Lesben mit Ihnen gemeinsam das Angebot nutzen
M
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Sie dort offen schwul/lesbisch leben könnten
nur Schwule/Lesben dieses Angebot nutzen
auch homosexuelle MitarbeiterInnen dort beschäftigt sind
Nur homosexuelle MitarbeiterInnen dort beschäftigt sind
Quelle: Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen München 2004, S. 32
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1.3.2. Literaturstudie: Differenzierte Lebenslagen im Alter. Der Einfluss sexueller Orientierung am Beispiel homosexueller Männer
Reimann/ Lasch (2006) stellen für Deutschland fest, dass das Thema alternde Homosexuelle in
der schwul-lesbischen Szene und auch in der öffentlichen politischen Debatte angekommen ist.
Als ein Indiz dafür nennen sie, dass der Berliner Senat im Juni 2005 bundesweit erstmals die Interessen homosexueller Frauen und Männer in seine Leitlinien für die SeniorInnen-Politik integriert
hat. Sie sprechen die Problematik fehlender Daten für das Thema Homosexualität und Alter an:
Wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich ist rar; basiert auf kleinen Stichproben oder Fallstudien und ist kaum repräsentativ. Pauschale Annahmen über „die homosexuelle Szene/Kultur“
sind jedenfalls zu vermeiden, da Schwule und Lesben in allen Teilen der Mehrheitsgesellschaft
anzutreffen sind.
Stereotype Altersbilder von schwulen Männern sind eine Vermengung herrschender Altersbilder
und gesellschaftlicher Homophobie; sie unterstellen „Einsamkeit und Depression, Isoliertheit von
der schwulen Subkultur, keine verfügbare Unterstützung von Familie oder Freunden und ein
großes unerfülltes Bedürfnis nach Sexualität“ (ebd. S. 15).
Ein in der Literatur bekannter Generationsunterschied homosexueller Männer ist die Unterteilung in eine „pre-liberation“ und eine „post-liberation“ Generation. Sie unterscheidet nach den
im Laufe des Lebens erlebten gesellschaftlichen Bedingungen und Stigmatisierungen (NaziVerfolgung, Verbot von Homosexualität per Gesetz etc.). Für jene, die ihr Schwulsein im Laufe
ihres Lebens geheim gehalten haben, z.B. aus Angst vor Repression, ist die Wahrscheinlichkeit,
sich im Alter Fremden gegenüber zu „outen“, nach wie vor geringer. Als weitere Generation wird
die „Stonewall-Generation“ identifiziert, die Generation der KämpferInnen der Homosexuellenbewegung. Personen, die sich offen zu ihrer Homosexualität bekennen (und auch Befreiungskämpfe geführt haben), können sich überwiegend nicht vorstellen, in den bestehenden Altenhilfestrukturen zu leben, da sie dort erneute Stigmatisierung fürchten.
Die dominierenden Dimensionen im Leben homo- wie auch heterosexueller Menschen im Alter
sind die materielle Lage, der Gesundheitszustand sowie die sozialen Netzwerke. Sie beeinflussen
weitere Subdimensionen wie Wohnen, gesellschaftliche Partizipation und Wohlbefinden. Um
Aussagen über ältere homosexuelle Männer machen zu können, ist es notwendig, unterschiedli-
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che Gruppen nach kulturellen, sozialen, ökonomischen und gesundheitlichen Lebenslagen zu differenzieren.
Zu den materiellen Ressourcen älterer homosexueller Männer existieren wenig Daten. Die Autorinnen weisen darauf hin, dass nebst der Vorstellung von wohlhabenden „DINKs“ bzw. „SINKs“
(doppeltes bzw. einfaches Einkommen, keine Kinder) auch einkommensschwache und von Altersarmut betroffene Schwule (z.B. Migranten) zu berücksichtigen sind.
Ein „erfolgreiches“, zufriedenes Altern ist von den psychosozialen Ressourcen des Individuums
abhängig. Dazu zählen ein positives Selbstkonzept, die Entwicklung von Kompetenzen im Umgang mit Homophobie und Stigmatisierungen und die Integration in soziale Netzwerke und
Freundschaften. Freundschaftsnetzwerke ersetzen oft die Familienanbindung. Sie gestalten sich
vorwiegend altershomogen, was eine gegenseitige Unterstützung im (hohen) Alter nicht garantiert. Insbesondere für schwule Ältere ohne heterosexueller Familiengeschichte oder für jene,
die kaum Kontakte zu ihren Kindern und Enkelkindern haben, haben existiert kein Automatismus
der (Mit-)Versorgung durch Kinder. Der Aufbau unterstützender Netzwerke durch die Öffentlichkeit wird aus diesem Grund empfohlen.
Die mangelnde rechtliche Gleichstellung von „Wahlfamilien“ unter Freunden und von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften wird als Problemfeld identifiziert. Sie kommt in Deutschland zum
Tragen beim Recht auf medizinische Informationen im Fall von Bewusstlosigkeit des Patienten,
bei Entscheidungsbefugnissen in Bezug auf medizinische Behandlung und Pflegeorganisation sowie im Erbschaftsrecht, sofern nicht im Vorfeld als Alternative Vollmachten, Patienten- oder
Betreuungsverfügungen oder Testamente verfasst wurden.
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1.3.3. Fallstudie: “We Have to Create Family”: Aging Support Issues and Needs Among Older Lesbians
Marcena Gabrielson (2011) publiziert im „Journal of Gay and Lesbian Social Services“ eine Fallstudie über 4 lesbische Frauen ab 59 Jahren, basierend auf qualitativen Interviews. Als analytischen Rahmen zitiert sie Literatur zum Stand der Forschung.
Ältere Lesben und Schwule bilden eine Risikogruppe, insofern sie im Alter häufiger alleinstehend
und ohne familiärer Unterstützung sind: „LGBT seniors are twice as likely to age single, more
than twice as likely to live alone, and more than four times as likely to have no children to call
upon in times of need as compared to heterosexual elders“ (S. 323). Das Geschlecht Frau, die
gleichgeschlechtliche Lebensweise und der Faktor Alter setzen ältere Lesben einer besonderen
Verwundbarkeit und möglichen Mehrfachdiskriminierung aus.
Als Grundbedingungen für die Lebenszufriedenheit und Gesundheit von Lesben im Alter zitiert
Gabrielson die Akzeptanz der (sexuellen) Identität durch die soziale Umgebung („Identity support“) sowie ein sinnerfülltes Selbstempfinden („eudaimonic well-being“, definiert als „having a
sense of purpose and meaning in Life as well as accepting, expressing and actualizing oneself“, S.
323). Beide Dimensionen sind für LGBT-Personen von besonders zentraler Bedeutung. Sie durchlaufen im Laufe des Lebens intensive Prozesse der Identitätsfindung, in denen es darum geht, ihr
Selbst zu definieren und anzunehmen. Diskriminierungerfahrungen stellen einen Angriff auf das
Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit dar. Funktionierende soziale Beziehungen beeinflussen die psychische und physische Gesundheit positiv und gewinnen bei Lesben im Alter noch
mehr an Bedeutung.
Die in der Fallstudie befragten Frauen um die 60 verfügen über ein Unterstützungsnetzwerk von
lesbischen FreundInnen und Bekannten, die sie als ihre Wahlfamilie bezeichnen („family of choice“, „Created family“). Sie setzen sich mit ihrer Situation im Alter auseinander und möchten diese bewusst gestalten. Bedenken und Sorgen bestehen, ob/wie lang das Netzwerk der gegenseitigen Unterstützung mit zunehmendem Alter und physischer Gebrechlichkeit aufrecht erhalten
werden kann. Rechtliche Fragen zu Fürsorge und Besuchsrecht, zum Verlust der eigenen Entscheidungsgewalt und zum Erbrecht werden thematisiert.
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Aufgrund von frühen Diskriminerungserfahrungen durch Familie und Institutionen (z.B. Ausschluss der eigenen Person und/oder von PartnerInnen) besteht bei bestimmten Frauen eine generelle Angst vor schlechter Behandlung und mangelnder Unterstützung im Alter. Eine Befragte
drückt ihr Bedürfnis nach einer Umgebung im Alter aus, die eine emotionale Heimat bietet: „I
am tired of watching what I say in a group of straight people. I am very comfortable in a group of
gay people. I don´t have to prove myself. I don´t have to explain myself. The whole idea of emotional comfort is there. If you want to hold hands, you hold hands. Nobody looks cross-eyed“ (S.
329).
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1.3.4. Survey: `Lavender retirement’: A questionnaire survey of lesbian, gay and bisexual
people’s accommodation plans for old age
Unter dem Titel „Lavender Island: Portrait of the whole family“ wurde in Neuseeland eine landesweite, medial breit beworbene Studie unter LGB-Personen durchgeführt. Mit einem quantitativen Querschnitts-Survey-Design wurden ca. 2.270 TeilnehmerInnen erreicht. Wohnvorstellungen im Alter stellten einen der thematischen Schwerpunkt dar. Zum Zeitpunkt der Studie 2010
gab es in Neuseeland keine Wohn-, Betreuungs- oder Pflegeeinrichtung speziell für die Zielgruppe LGBT. Die Studienautoren Neville/ Henrickson verweisen auf Australien und die USA als fortschrittliche Länder in Bezug auf solche Angebote.
Die RespondentInnen wurden speziell für den Fall gefragt, dass im Alter Pflegebedürftigkeit eintritt. Die Mehrheit beider Geschlechter wünscht sich im Pflegefall eine LGB-freundliche Einrichtung. Allgemeine bestehende Pflegeeinrichtungen werden am wenigsten favorisiert.
Bevorzugte Wohnform im Fall von Pflegebedürftigkeit
in %
Frauen
(n=1.007)
Männer
(n=1.218)
LGB-freundliche Alten-/ Pflegeeinrichtung
59
52
Mobile Pflege im eigenen Heim
20
26
Allgemeine Alten-/ Pflegeeinrichtung
12
15
Andere Form
9
8
Quelle: vgl. Neville/ Henrickson 2010, S. 589
Signifikante Unterschiede zeigen sich nach Bildung und Einkommen. Frauen und Männer mit höherer Bildung bevorzugen signifikant häufiger spezifische Einrichtungen. Auch mit der Höhe des
Einkommens steigt die Präferenz für ein zielgruppengerechtes Pflegeheim.
Allgemein unterstreicht die Studie, dass Lesben und Schwule viel soziale Unterstützung aus der
Community beziehen, wobei die Untersuchung zeigt, dass Frauen diese im Alter noch verstärkt
suchen und finden.
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Neville/ Henrickson sprechen Empfehlungen für die Entwicklung von Angeboten aus: Pflege- und
Betreuungsangebote der Zukunft orientieren sich verstärkt an den individuellen, persönlichen
Bedürfnissen von KonsumentInnen. LGB-spezifische Angebote sollen deshalb unter Beratung von
Fachleuten und Vertretungen der Community entwickelt werden. Im Altenfachbereich beschäftigte Personen bedürfen einer Sensibilisierung für die Themen Sexualität, Gender und Diskriminierung, die die Ausbildung leisten muss. Sie benötigen ein Bewusstsein für die multiplen Lebenslagen und Beziehungsformen von LGB-Personen, unter denen sich Singles, Paare, Verheiratete, Eltern befinden. Im Assessment-Prozess von KlientInnen bei der Aufnahme in eine Einrichtung können Fragen zur sexuellen Identität auf sensible Weise integriert werden. Pflegekräfte
sollen geschult werden auf (Rechts-)Themen, die LGB-Personen in den letzten Lebensjahren und
am Lebensende betreffen.
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1.3.5. Literaturstudie: Unique Challenges of Transgender Aging: Implications From the Literature
Die Datenlage zu älteren Transgender-Personen ist besonders dünn. Persson (2009) beschreibt
die Gruppe als „underserved and understudied“ und stellt fest, dass sie im Altersdiskurs und im
Rechtsdiskurs mangelnde Berücksichtigung findet.
Personen, die Geschlechterrollen überschreiten, sind in von einer besonderen sozialen Verwundbarkeit betroffen. Vielfach gehen sie einen schwierigen Lebensweg und erfahren familiäre
Zurückweisung (in der Herkunftsfamilie oder durch eigene erwachsene Kinder) und Transfeindlichkeit im sozialen Umfeld und in Institutionen (am Arbeitsplatz; durch allgemeine Belästigung
und Gewaltübergriffe). Von Seiten der Lesben- und Schwulenszene kann es zu Abgrenzungen gegenüber Transmännern und –frauen kommen, die weitere Ausschlusserfahrungen bedeuten und
Transgender-Personen das Angebot der Community verschließen. Die Integration der betreffenden Personen in Transgender-Netzwerke ist eine wichtige Form der sozialen Unterstützung. Das
Internet nimmt dabei einen wichtigen Stellenwert ein.
Personen mit Trans-Identität sind in unterschiedlichen Lebensbereichen von komplexen Rechtsfragen betroffen (z.B. Ehe, Scheidung, Obsorgerecht), die eine zusätzliche Belastung in schwierigen Lebenslagen bedeuten können.
Transgender-Personen sind im Alter einem erhöhten Risiko von Einsamkeit und Isolation, Altersarmut ausgesetzt. Bekannte Problemlagen sind weiters erhöhte Gesundheitsrisiken von Transmännern und –frauen im Alter, die mit den operativen Eingriffen einer Geschlechtsumwandlung
und Hormontherapie einhergehen. Die gesundheitlichen Folgewirkungen sind nicht langfristig
erforscht, anzunehmen ist aber eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für bestimmte Erkrankungen
(z.B. Krebs, Herz- und Lebererkrankungen, psychische Krankheiten, Diabetes).
Für Transgender-Personen können Arztbesuche eine Schwelle darstellen, da ihr TransgenderWesen von den Behandelnden mitunter als pathologisch eingestuft wird. Eine Strategie ist das
Schweigen über die eigene Identität, wodurch es oft erst im (schwereren) Krankheitsfall zum
„Outing“ kommt oder die Transidentität unerkannt bleibt.
Im Gesundheits- und Pflegebereich Tätigen fehlt oft das Wissen und Bewusstsein dafür, dass die
Geschlechtsmerkmale einer Person dem widersprechen können, wie sich diese Person fühlt. Be-
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schäftigte im Altenfach bedürfen eines besonderen Training für Sex und Gender-Themen; ebenso müssen zielgruppenspezifische, transgendersensible Pflege- und Betreuungsangebote geschaffen und kommuniziert werden. Die Autorin verweist auf den US-amerikanischen Verband
„FORGE“ für Transgender-Anliegen und -Rechte, der Unterlagen zur Sensibilisierung u.a. auch im
Bereich Alter anbietet (http://forge-forward.org/).
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1.4. Beispielprojekte
Die Recherche ergab Einblick in Projekte unterschiedlicher Art: Neben Wohnprojekten wurden
auch mobile sowie psychosoziale Angebote vorgefunden. Eine Auswahl wird im folgenden Abschnitt präsentiert.
1.4.1. rosaAlternative – Alten WG für schwule Männer (München)
•
Projekttyp: Barrierefreie Wohnung für sieben Mieter (ältere Schwule). Jeder Mieter schließt
einen Mietvertrag mit der Münchner Aids-Hilfe Betriebs- und VerwaltungGmbH ab, der nicht
an Betreuungsleistungen gekoppelt ist. Die Wahl der Hilfsanbieter kann individuell erfolgen.
Ihren Ursprung nahm die Alten WG über die Beratungs- und Vernetzungsstelle rosaAlter der
Münchner AIDS Hilfe, einer Anlaufstelle für ältere Lesben, Schwule und Transgender (50+).
Die Ausrichtung auf schwule Männer argumentiert die AIDS Hilfe mit der Erfahrung, dass
lesbische Frauen sich stärker selbst organisieren und keine Hilfe durch Institutionen brauchen (vgl. Hedtke 2010).
•
Träger: AIDS Hilfe München, als Förderer werden auf der Webseite genannt: Bayerisches
Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen; Sozialreferat der Stadt
München, Stiftung Antenne Bayern, ARD Fernsehlotterie, Bayerische Landesstiftung
•
Weblink: http://www.rosa-alter.de/wohnen.html
1.4.2. GLEH – Gay and Lesbian Elder Housing (California, USA)
•
Projekttyp: gemeinnütziges Wohnungsunternehmen für leistbares und soziales Wohnen mit
Fokus auf LGBT-Senioren. Das erste Wohnhausprojekt „Triangle Square“ in Hollywood wurde 2007 eröffnet (104 Appartements). Es bietet vielfältige Gemeinschaftsräumlichkeiten und
Community-Angebote, medizinische Versorgung und Angebote für Bewegung und Gesundheitsförderung im Haus. Weitere derartige Hausprojekte in Kalifornien und anderen Staaten
sollen folgen.
•
Träger: Die Initiative „Altern in Würde“ der kalifornische Regierung hat im Jahr 2000 Geldmittel zur Förderung von alternativen Modellen der Altersversorgung (z.B. Alternativen zu
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Pflegeheimen) ausgeschüttet. Die „Alliance for Diverse Aging Community Services“, später
GLEH, hat die Förderung für ihr LGBT-spezifisches Projekt erhalten. Finanziers des ersten
Wohnhauses der GLEH sind einerseits die öffentliche Hand (Housing Department der City of
Los Angeles), ein Konsortium von sozialen Wohnungsunternehmen sowie SunAmerica (private Pensionsvorsorge).
•
Weblink: http://gleh.org
1.4.3. Villa anders, schwul-lesbisches Wohnen (Köln)
•
Projekttyp: gefördertes, queeres Mehrgenerationenwohnprojekt, in dem LGBT- wie auch
heterosexuelle Personen wohnen. Ein dreistöckiges Wohnhaus mit 10 verschiedenen Wohnungstypen, die u.a. altersgerecht ausgestattet sind (von Singlewohnungen bis Gemeinschaftswohnungen
mit
Pflegebad,
siehe
http://www.villa-anders-koeln.de/wp-
content/uploads/2012/03/Grundrisse-Villa-Anders.pdf). Der Verein schwul-Lesbisches Wohnen engagiert sich seit 2003 für ein gemeinschaftliches Wohnprojekt in Köln. Fachlich begleitet wird das Wohnprojekt durch das Rubicon Schwulen- und Lesben-Beratungszentrum und
die dort tätigen NetzwerkkoordinatorInnen für ältere Lesben und Schwule.
•
Träger: Schwul-Lesbisches Wohnen (eingetragener Verein), Bauherr und Investor: GAG Immobilien AG
•
Weblink: http://www.villa-anders-koeln.de/
1.4.4. Lebensort Vielfalt (Berlin)
•
Projekttyp: gemeinschaftliches Wohnprojekt mit 24 barrierefreien, 2011/12 neu sanierten
Wohnungen für schwerpunktmäßig homosexuelle SeniorInnen (Belegung: 60% schwule
Männer über 55, 20% jüngere schwule Männer, 20% Frauen oder heterosexuelle Männer),
inklusive einer betreuten WG für pflegebedürftige schwule Männer. Vier Wohnungen sind
Harzt-IV Empfängern vorbehalten. Die Schwulenberatung Berlin hat ihren Sitz im Haus,
ebenso ein queeres Café-Restaurant.
•
Träger: Netzwerk anders Altern (Schwulenberatung Berlin). Finanzierung: Stiftung Deutsche
Klassenlotterie Berlin; Kredit und Spenden.
•
Weblink: http://www.lebensort-vielfalt.de/
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1.4.5. Frauenwohnprojekte [ro*sa] und Que[e]rbau (Wien)
•
Projekttyp: Diese Projekte sind nicht explizit für SeniorInnen konzipiert, unterstreichen aber
den Generationenaspekt und die Barrierefreiheit. Unter dem Namen [ro*sa] wurden zwei
geförderte Frauenwohnprojekte umgesetzt (Johanna Dohnal Haus, Anton-Sattler-Gasse 100,
1220 Wien; [ro*sa] Kalypso im Kabelwerk, 1120 Wien), ein weiteres auf den MautnerMarkoff-Gründen (1100 Wien) ist in Planung. Die Projekte wenden sich nicht allein an lesbischen Frauen; die Idee ist „ein gleichwertiges Zusammenleben von älteren und jüngeren
Frauen, Kindern, PartnerInnen unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft. Es sollen
vielfältige Beziehungen, und Lebensweisen in einer Hausgemeinschaft verwirklicht werden.
Männer sind als Partner ausdrücklich willkommen geheißen; die Verträge werden jedoch mit
den Frauen abgeschlossen“ (siehe Website Projekt Kalypso). In der Seestadt Aspern plant die
„erste queere Baugruppe Wiens“ das Que[e]rbau-Stadthaus (Fertigstellung voraussichtlich
Herbst 2015) für „alternative Familienformen, Menage à trois, Paare, Singles, Schwul, Lesbisch, Bi, Trans*, alle Generationen, Menschen mit besonderen Bedürfnissen, international“
(siehe Website).
•
Träger: Verein Frauenwohnprojekt [ro*sa] sowie Que[e]rbau Wien - Verein für gemeinschaftliches Bauen und Wohnen; Bauträger Johanna Dohnal Haus und Que[e]rbauStadthaus: WBV-GPA; für das [ro*sa]-Objekt in Simmering: BDN (Building Development
Network Fleissner & Partner GmbH)
•
Weblinks1: http://www.frauenwohnprojekt.info/pages/kalypso.php,
http://simmering.frauenwohnprojekt.info/,
http://queerbau.mixxt.at/
1
Eine umfassende Linksammlung zu Frauenwohnprojekten in Deutschland bietet www.frauenwohnprojekte.de/index.php?id=kriterien
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1.4.6. Gay nursing (Zürich)
•
Projekttyp: unabhängiger, ambulanter Pflegedienstleister für LGBT-Personen, bestehend
aus zwei diplomierten Pflegefachmännern (die Webseite gibt keinen Hinweis auf weitere
MitarbeiterInnen). Gay Nursing ist Vertragspartner der örtlichen Krankenkassen; die Pflegekosten werden von diesen übernommen. Zu den angebotenen Pflegeleistungen zählen: Behandlungspflege, Grundpflege und Psychiatriepflege. Bei Bedarf werden zusätzliche Dienste
wie Mahlzeitendienste, Haushaltshilfe, Transportdienste etc. an Patienten vermittelt.
•
Weblink: http://www.gaynursing.com
1.4.7. L.A. Ries-Huis – Seniorenwohn- und Pflegeprojekt für homosexuelle Männer und
Frauen (Amsterdam)
•
Projekttyp: 1998 das erste lesbisch-schwule Wohnprojekt in Europa. Kleines Appartementhaus mit sieben Wohneinheiten, das selbständiges Wohnen ermöglicht. Das Wohnprojekt ist
angegliedert an ein benachbartes Altenpflegeheim, das bei Gebrechlichkeit und im Krankheitsfall Hilfe gewährt, einschließlich einer Betreuung auf der Krankenstation des Pflegeheims bei vorübergehender Pflegebedürftigkeit. Auch in der Stadt Nijmegen bestand, orientiert am Ries-Huis, die Idee für sogenannte „Anlehnwohnungen“ für ältere Schwule und Lesben, also für selbständige Wohnungen, die räumlich neben einer Pflegeeinrichtung gelegen
sind.
•
Träger: Mit den Mitteln des sozialen Wohnbaus erbaut.
•
Informationen: Kein Weblink; Interviews mit dem Gründer und mit einem Bewohner finden
sich in: Wernicke, Harald in Zusammenarbeit mit dem Schwulen Museum Berlin (2002): Soziale Projekte für Lesben und Schwule im Alter aus den USA, Großbritannien, den Niederlanden und Schweden, S. 25f.
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1.4.8. SAGE Friendly Visitor Program (New York City)
•
Projekttyp: SAGE (Service and Advocacy for Gay, Lesbian, Bisexual and Transgender Elders)
wurde 1977 gegründet und ist die älteste und weltweit größte Altenhilfeorganisation für ältere LGBT. Sie beschäftigt ca. 15 MitarbeiterInnen permanent (SozialarbeiterInnen, Verwaltung) und hat einen Freiwilligenstab von ca. 400 Personen. Für etwa 2000 LGBT-SeniorInnen
stellt sie ein breites Angebot an sozialen und therapeutischen Diensten, Freiwilligenprogrammen sowie Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit bereit. Teil dessen ist der FreiwilligenBesuchsdienst „Friendly Visitor Program“, der von ausgewählten und geschulten Freiwilligen
durchgeführt wird. Ein Besuch pro Woche bzw. die Begleitung zu Besorgungsgängen oder
Veranstaltungen sowie Telefongespräche mit dem betreuten Klienten/ der betreuten Klientin gehören zum Programm. Die BesucherInnen und Besuchten werden einander nach Sympathie und gemeinsamen Interessensgebieten zugeordnet. Freiwillige Besuchsdienste für ältere LGBT existieren auch in europäischen Städten (z.B. „Rosa Paten“ in Frankfurt, „Mobiler
Salon“ in Berlin, „One Small Step“ von Stonewall Housing, London).
•
Weblink: www.sageusa.org; http://www.sageusa.org/nyc/social-visitor.cfm
1.4.9. Schlussbemerkung
Auffallend war im Zuge der Recherche die Reihe an Projekten, die nicht verwirklicht oder wieder
eingestellt wurden (z.B. HOSI-Wohnprojekt für schwule und lesbische SeniorInnen in Linz,
Wohnhaus des Vereins Village e.V. in Berlin, Pflegeeinrichtung AltenpfleGayheim in Frankfurt).
Die genauen Gründe für die ausbleibende Realisierung sind häufig nicht transparent. Als Fazit
liegt aber der Schluss nahe, dass derartige Projekte von der Idee zur Umsetzung ein außergewöhnliches, langfristiges Maß an Engagement von AktivistInnen erfordern. Sofern sie einen gemeinnützigen Anspruch verfolgen, sind sie ohne entsprechender öffentlicher und politischer Unterstützung sowie ohne privaten SponsorInnen oder SpenderInnen nicht umsetzbar.
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1.5. Fazit
Welche wesentlichen Punkte lassen sich nun im Hinblick auf die Fragestellung der Studie und die
weitere Erhebung ableiten?
Aus der gesichteten Literatur ist ein besonderes Bedürfnis der LGBT-Community nach spezifischen Wohn-, Pflege- und Betreuungsangeboten für Ältere ableitbar. Ein diskriminierungsfreier Raum, in dem die eigene Identität angenommen wird, sind für die Gesundheit und Lebenszufriedenheit im Alter ausschlaggebend. „Herkömmlichen“ Einrichtungen wird diesbezüglich nur wenig vertraut; dort werden Diskriminierungen befürchtet. Angebote, die (auch)
auf Schwule, Lesben und Transgender ausgerichtet sind und in denen u.a. auch LGBTPersonen betreuen/pflegen, werden stark befürwortet. Eine ausschließliche Ausrichtung auf
LGBT in der Belegung und beim betreuenden Personal scheint zweitrangig. Höhere Bildungsund Einkommensschichten artikulieren das Bedürfnis nach zielgruppengerechter Betreuung
noch stärker.
Ein besonderer Bedarf für Betreuung und Pflege im Alter wird aus der Erkenntnis abgeleitet,
dass ältere LGBT-Personen über weniger Familienunterstützung verfügen. Sie werden dafür
häufig durch eine „Wahlfamilie“, einem Netzwerk aus FreundInnen und Bekannten, unterstützt. Für Transgender-Personen kann eine besondere Verwundbarkeit im Alter und dadurch ein erhöhter Bedarf festgestellt werden, insofern Transphobie noch stärker verbreitet
ist als Homophobie und ältere Transgender auch besonderen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt sind (infolge möglicher Geschlechtsanpassungen).
Bei existierenden Projekten können idealtypisch „Bottom up“-Projekte mit Ursprung in der
Community und „Mainstream“-Projekte (bestehende Angebote und Einrichtungen, die sich
„ex post“ für LGBT-Personen öffnen) unterschieden werden. Erstere sind meist ausschließlich an LGBT-Personen gerichtet, weshalb AutorInnen hier auf die Gefahr eine „Ghettoisierung“ hinweisen. Eine bewusste Integration von sowohl „Bottom up“- als auch MainstreamProjekten wird aus diesem Grund empfohlen. Die Umsetzung konkreter Projekte bedarf der
bewussten Unterstützung und Förderung durch die Kommune und ihrer Akteure (z.B. gemeinnützige Wohnbauträger; Träger von Pflege- und Betreuungseinrichtung). Die Expertise
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und Erfahrung der Community (z.B. von Verbänden und Vereinen) soll bei der Entwicklung
von Projekten einfließen.
Abgesehen von Einzelprojekten muss das Thema LGBT im Alter als Teil einer größeren politischen Agenda zur rechtlichen Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebensweisen verstanden werden. Häufig wird in der Literatur auch die Bedeutung einer besseren Schulung
und Sensibilisierung von Pflege- und Betreuungspersonal in der Ausbildung betont. Dies betrifft den stärkeren Einbezug der Themen Sex und Gender in den Lehrplan von Ausbildungen
im Pflege- und Gesundheitsbereich.
Die Recherche hat gezeigt, dass unterschiedliche Beispielprojekte im Bereich LGBT und Alter
existieren – vielfach mit Pilotcharakter. Die gebotene Darstellung zeigt eine Vielfalt an Projekttypen und Trägern. Die empirische Erhebung der Nachfrage nach lesbisch-schwulen
Betreuungs- und Pflegeangeboten/–einrichtungen ist ein fruchtbarer Beitrag zur Konkretisierung des Bedarfs. Eine differenzierte Betrachtung nach den sozialen, ökonomischen und
gesundheitlichen Lebenslagen älterer LGBT-Personen ist dabei zu empfehlen.
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2. Ergebnisse der qualitativen Interviews
2.1. Einleitung
Der vorliegende Berichtsteil gibt die Ergebnisse aus dem Projektbaustein der qualitativen Interviews mit fünf Expert/innen und fünf LGBT-Personen wieder. Die Interviews wurden im Zeitraum
November 2013 bis Jänner 2014 persönlich sowie in Einzelfällen telefonisch durchgeführt. Die
Auswertung erfolgte anhand von Tonmitschnitten, die exzerpiert und im Fall von wörtlichen Zitaten im Detail transkribiert wurden.
In einigen Fällen waren die befragten Männer und Frauen als LGBT-Aktivist/innen engagiert. Als
solche brachten sie spezifisches Expert/innenwissen in die Interviews ein, das neben der eigenen
Versorgungssituation im Alter einen teils sehr zentralen Platz in den Gesprächen einnahm. Vor
diesem Hintergrund wurde die methodische Entscheidung getroffen, das Interview mit Ing. Angelika Frasl als – nicht anonymisiertes – Expertinnengespräch darzustellen, wozu Frau Frasl ihr
Einverständnis gab.
Folgende Expert/innen wurden in Abstimmung mit dem Auftraggeber für die Interviews ausgewählt:
•
Elisabeth Vlasich DSA, Psychotherapeutin und Beraterin in der Beratungsstelle Courage, Expertin für Transidentität, Leiterin der Transgender-Fachgruppe im Dachverband der Psychotherapeuten
•
MAS MSc Mag. Wolfgang Wilhelm, Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und
transgender Lebensweisen der Stadt Wien
•
Michael Hartl, Heimhelfer Wiener Sozialdienste
•
Marcel de Groot, Geschäftsführer der Schwulenberatung Berlin, Mitbegründer des Mehrgenerationen-Wohnprojekts „Lebensort Vielfalt“
•
DGKP Herbert Messinger Kari MSc, Case Manager Wiener Sozialdienste
•
Ing. Angelika Frasl, Aktivistin im Verein Trans Austria
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Weiters standen vier schwule und lesbische Personen für ein Interview zur Verfügung:
•
Mann, Mitte 60, in Pension, freischaffend berufstätig, wohnhaft in Wien, lebt in einer privat
gemieteten Wohnung, zieht mit seinem Partner in das „Stadthaus Queerbau“, ein Baugruppenprojekt in der Seestadt Aspern
•
Frau, 54, berufstätig, wohnhaft in Wien-Umgebung, lebt alleine in einem GenossenschaftsReihenhaus
•
Mann, 53, berufstätig, wohnhaft in Wien, lebt alleine in einer Genossenschaftswohnung
•
Frau, 50, berufstätig, wohnhaft in Wien, lebt mit ihrer Partnerin in einer privaten Mietwohnung
Die Schilderung der Ergebnisse erfolgt anhand der im Leitfaden enthaltenen Themenblöcke, ergänzt um Inhalte, die von Gesprächspartner/innen darüber hinaus eingebracht wurden. Expert/inneninterviews und Interviews mit LGBT-Personen werden – je nach Art des Themas –
integriert oder getrennt dargestellt. Es wird jedenfalls im Text darauf verwiesen, ob es sich um
eine Aussage aus einem Expert/innen- oder anderen Interview handelt. Die Ergebnisse zum Aspekt Transgender/ Transidentität und Alter werden weitgehend getrennt beschrieben, weil sie
sich vom Thema Homosexualität klar abgrenzen.
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2.2. Wohn- und Lebenssituation im Alter
2.2.1. Vorstellungen der LGBT-Personen zur Wohn-/Lebenssituation im Alter
Die befragten Personen in ihren 50ern stellen zunächst mehrheitlich fest, sich noch wenig konkrete Gedanken zum eigenen Alter gemacht zu haben. Das Thema wird eher von außen an die
Befragten herangetragen, teils durch Berichte in den Medien, durch Partner/innen oder nun
durch das Interview im Rahmen der Befragung. Eine Befragte formuliert, dass aktuell weniger
das eigene Alter vordergründig ist, sondern die Versorgung der Eltern.
Für alle Interviewpartner/innen gilt es als gleichermaßen erstrebenswert, im Alter so lange wie
finanziell und von der Gesundheits- und Versorgungssituation her möglich, in ihrer jetzigen Wohnung bzw. ihrem Haus wohnen zu bleiben. Dies wird einerseits als das eigene, persönliche Bedürfnis formuliert, aber auch als gesellschaftlicher Konsens: Der Trend gehe weg vom Alterheim,
hin zur Selbständigkeit im Alter und mobilen Hilfeleistungen.
Ein Befragter Mitte 60 hat mit seinem Partner konkret einen Umzug in das Baugruppenprojekt
„Queerbau“ geplant. Er legt Wert darauf, dass dies als Mehrgenerationenprojekt konzipiert ist
und kein Bau ist rein für alte Menschen, denn dies käme seiner Ansicht nach einem Altenwohnheim gleich: „Wir haben Ehepaare mit Kindern, alleinstehende Mütter, Lesbenpaare, schwule
Paare, wir haben alt, wir haben jung, ich bin nicht der einzige Greis“. Das soziale Miteinander des
Projekts könne auch die Versorgung im Alter erleichtern, zudem können mobile Pflegedienste in
Anspruch genommen werden.
Ungeachtet der sexuellen Orientierung sind die individuellen Wohnbedürfnisse im Alter ausschlaggebend für die eigene Planung, argumentiert eine Befragte. Wenngleich gemeinschaftlich
organisierte Wohnprojekte wie „Queerbau“ objektiv wünschenswert seien, komme es für sie
persönlich mehr darauf an, im Alter eine ruhige Wohnlage zu haben und Lärmbelästigungen auszuschließen. In einem Mehrgenerationen-Wohnprojekt sieht die Befragte das nicht als gesichert
und bevorzugt ihre private, ungestörte Umgebung.
Die Interviewpartner/innen wurden auch nach den Vorstellungen zum Alter von schwullesbischen bzw. transidenten Freund/innen und Bekannten gefragt. Eine Befragte schildert, dass
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in ihrem sozialen Umfeld viele Lesben und Schwule die seit 1.1.2010 bestehende Möglichkeit der
Verpartnerung genutzt haben und sich mit ihrem Partner/ihrer Partnerin gezielt etwas aufbauen,
auch in Hinblick auf das Alter. In diesem Bestreben in den Paarbeziehungen beobachtet sie keinen Unterschied zu den heterosexuellen Ehepaaren im Bekannten- und Freundeskreis. Aus ihrer
Sicht sind eher Alleinstehende mitunter von einer mangelnden finanziellen Absicherung im Alter
betroffen.
Auch im Freundes- und Bekanntenkreis gibt es den Wunsch, so lange wie möglich im eigenen
Zuhause zu bleiben, so einer der befragten Männer: „Ich beobachte in meinem Bekanntenkreis,
dass man in den eigenen vier Wänden bleiben möchte, so lange es geht, also genau so wie das
sonst verbreiteterweise stattfindet. Das mag zum einen aus der eigenen Einstellung resultieren,
dass man gerne in seinen eigenen vier Wänden bleiben möchte, das mag zum anderen auch daher rühren, dass es halt auch noch nicht viele Varianten oder Alternativen gibt. Gäbe es Alternativen, würde man vielleicht darüber nachdenken und dann wäre die eine oder andere Entscheidung
vielleicht anders“. Der Befragte vermutet hier einen Zusammenhang zwischen den individuellen
Bedürfnissen und dem Angebot; ein alternatives Angebot für das Alter könne auch alternative
Wünsche und Bedürfnisse ermöglichen.
2.2.2. Expert/innensicht zur Wohn- und Lebenssituation im Alter
Die Lebenssituation der verschiedenen Generationen von LGBT-Personen geht aufgrund unterschiedlicher Lebenserfahrungen im Laufe der Zeitgeschichte stark auseinander. Dieser bereits in
der Desk Research beschriebene Generationeneffekt wird in seiner Bedeutung im Kontext des
Alters von den befragten Expert/innen hervorgestrichen.
Die heute offen lebenden Generationen sind mehrheitlich noch nicht „alt genug“, sich konkret
mit ihrer Lebenssituation im Alter auseinanderzusetzen, vielmehr sind es andere Themen der
Gleichstellung, die sie bewegen. Im Laufe der Zeit werde sich diese Altersgruppen stärker Gedanken machen und bewirken, dass das Thema LGBT und Alter mehr diskutiert wird: „Wenn die
Leute, die jetzt noch in der Community sind, in 10 Jahren noch älter werden und das Thema Alter
für sie ein spürbares wird, dass ist so die Generation, also das Gros der Menschen ist so im Alter
plus minus 40, da ist gerade das Thema Regenbogenfamilien ein Großes, Stiefkindadoption, Kin-
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der, Pflegekinder, also das Gros der Bewegten und mehr oder weniger offen Lebenden ist noch so
im Elternalter, die sind noch nicht im Altenalter. Wenn diese Generation nachwächst, dann wird
sich da auch was tun, dann wird’s mehr Gruppen geben dazu“ (Zitat Wilhelm).
Bis vor 43 Jahren bestand in Österreich ein Totalverbot gleichgeschlechtlicher Beziehungen, dass
die jetzt ältere LGBT-Generation mit Pflege- und Betreuungsbedarf geprägt hat. Man musste sein
Beziehungsleben verstecken, mit der Angst, bestraft zu werden. Diese schwere psychische Belastung führte zum Suizid vieler Menschen. Hochbetagte haben die Zeit der Verfolgung und Internierung von Schwulen und Lesben im Nationalsozialismus miterlebt: „Die jetzt Alten sind alle im
Totalverbot groß geworden, das bis 71 bestanden hat, das heißt, jeder der über 50 ist, hat das
schon sehr bewusst mitbekommen, aber jeder 60 aufwärts hatte seine Pubertät schon mit dem
Totalverbot erlebt, dass heißt, für diese Generation ist es enorm präsent, für einen jetzt 86Jährigen sind noch ganz andere Zeiten präsent“ (Zitat Wilhelm). Schwule und Lesben dieser Generationen sind häufig bis heute nicht oder nur gegenüber Personen geoutet, denen sie vertrauen. Wenn jemand aus dieser Generation in eine Einrichtung zieht, betrifft das Outing nicht nur
das Pflegepersonal, sondern auch die Mitbewohner/innen mit denselben zeitgeschichtlichen Erfahrungen der Tabuisierung und dem Verbot von Homosexualität. Während Pfleger/innen
grundsätzlich professionell agieren müssen, vermuten die Expert/innen bei den Mitbewohner/innen eher Ressentiments. In der psychosozialen Beratung der Wiener Antidiskriminierungsstelle kamen diesbezügliche Bedenken zur Sprache: „Ich hatte einen Klienten, der hat sich beraten mit mir, über 80-jährig, ging ins Heim, sehr gut noch beisammen, sehr fescher, charmanter
Herr (…) er fürchtet sich vor den wahnsinnig vielen Frauen dort, was ja für heterosexuelle Männer
schon mühsam ist, weil von der Statistik viel mehr Frauen da sind, aber für einen Schwulen, der
sein Leben lang nicht geoutet war, das hat ihm ziemlich Kopfzerbrechen gemacht“ (Zitat Wilhelm).
Der befragte Heimhelfer schildert, dass die Sensibilität für den Hintergrund und die Lebensgeschichte der Klient/innen allgemein den Umgang und die Betreuung erleichtert. Seine Erfahrung
mit älteren homosexuellen Klient/innen zeigt, dass Offenheit im Umgang auch bei der älteren
Generation Vertrauen stiftet. Er vermutet unter gleichgeschlechtlich orientierten Älteren durch
ihre Lebenserfahrung ein Mehr an psychischer Belastung und Einsamkeit. Mit dem Outing von
Klient/innen muss jedenfalls sensibel umgegangen werden: „Wenn jemand bekannt geben will,
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dass er/sie schwul oder lesbisch ist, ist es ok, wenn nicht ist es auch ok, dann weiß ich es nicht“
(Zitat Hartl).
Der Experte der Schwulenberatung Berlin berichtet, dass seit 10 Jahren eine Beratungs- und Gesprächsgruppe zum schwulen Alter existiert. Zuvor waren Ängste und Sorgen in der Einzelberatung thematisiert worden: Wie gehe ich und wie gehen andere im Pflegeheim mit meiner Homosexualität um? Werde ich einsam sein im Alter? Wie finde ich Leute, die die gleiche Erfahrung
haben wie ich? Diese Gruppe war der Ausgangspunkt für die Idee des heute existierenden Mehrgenerationen-Wohnprojekts „Lebensort Vielfalt“.
Im Gegensatz zu Deutschland, wo „Gay&Grey“-Gruppen und Vereine weiter verbreitet sind, bestehen in Wien aktuell keine Gruppen zum Thema LGBT und Alter, so der Experte der Antidiskriminierungsstelle. Eher würden die Menschen die Community verlassen, wenn sie älter werden;
ab ca. 50 ziehen sie sich ins Private zurück: „Die Community in Wien ist doch ein Stück eine sexorientierte, Vereine haben den Sinn der sexuellen Szene, viele sind dem leid, wenn sie einen Partner haben und ziehen sich zurück, wohl auch ein gewisser Jugendkult, der in Wien ein Stückchen
unbarmherziger ist als in anderen Städten. Ältere fühlen sich nicht mehr willkommen, das ist zu
sehr auf Äußerlichkeiten orientiert“ (Zitat Wilhelm). Es bräuchte im Umkreis der HOSI, Rosalila
Villa oder Beratungsstelle Courage Aktive, die für die ältere Zielgruppe etwas anbieten. Dies
können sich auch aus dem Generationeneffekt heraus noch verstärkt ergeben, wenn die „Bewegten“ älter werden.
Situation von Transgender-Personen
Das Thema Transgender im Alter ist, wie das Thema Transgender allgemein, noch sehr jung, so
die befragten Expertinnen. Diskriminierende Bestimmungen wie der Operations- und Scheidungszwang vor der Personenstands- und Namensänderung sind erst seit 2009 bzw. 2006 aufgehoben. Transmännern und –frauen ist es nunmehr möglich, auch ohne operativen Eingriff ihr
Geschlecht zu ändern. Die Bereitschaft zur Operation wird von den Expertinnen dennoch als weiterhin hoch eingeschätzt: „Ich bin mir nicht sicher, ob es ein so dramatisches Wegkommen von
OPs sein wird, wenn ich mir auch die junge Generation anschau“ (Zitat Vlasich). Studien haben
ergeben, dass es doppelt so viele operationswillige Mann zu Frau-Transidente gibt als Frau zu
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Mann, so Expertin Frasl. Die mangelnde medizinische Expertise mit Frau zu Mann-Operationen in
Österreich spiele dabei eine Rolle. Es verbleibt ein bestimmter Anteil von nicht-operierten Personen, die gegengeschlechtliche Hormone nehmen und ihre Geschlechtsidentität wechseln. Ob
dieser Anteil in Zukunft steigen wird, ist für die Expertinnen offen.
In Summe lassen sich drei Formen von Transgender-/ Transidentität unterscheiden, wobei die
Expertin Frasl betont, dass die Grenzen fließend sind:
• operierte Transidente: operierte Transfrauen und Transmänner, die körperlich und rechtlich
einem Geschlecht angehören,
• nicht-operierte Transidente: nicht-operierte Transfrauen und Transmänner, die das andere
Geschlecht angenommen haben und gegengeschlechtliche Hormone nehmen sowie
• Transvestiten, die sich zwar laufend im anderen Geschlecht kleiden, aber keine hormonelle
oder operative Therapie vornehmen und auch ihren Personenstand nicht ändern.
Für betreuendes Personal gibt es vor allem in Bezug auf die zweite und dritte Gruppe Aufklärungsbedarf und Sensibilisierung. Es brauche hier eine „Schulung der Mitarbeiter, dass die wissen, dass es das auch gibt; das betrifft Operierte und Nicht-Operierte; Jede und Jeder sollte jedenfalls nach ihrem oder seinem zugehörigen Empfinden gepflegt werden“ (Zitat Frasl). Es bedarf einer Normalität in der Behandlung von Pflegefällen; die Hormontherapie ist lebenslang und muss
vom Fachpersonal fortgeführt werden, wenn die Menschen das nicht mehr selbständig machen
können. Allgemein ist wichtig zu beachten, dass das wiederholte Outing gegenüber dem behandelnden Personal im medizinisch-ärztlichen Kontext für Transgender-Personen belastend sein
kann.
Befragt nach den psychosozialen Aspekten von Transidentität und Alter identifiziert die Expertin
der Beratungsstelle Courage zunächst allgemein mehrere unterschiedliche Lebensmuster.
Grundsätzlich seien Transmänner häufig gut sozial integriert, sie finden leichter Partner/innen
und leben häufiger in Beziehungen. Transfrauen seien aus psychosozialer Sicht eher die Risikogruppe, da sie in der Gesellschaft stärker auffallen und stärker von Transphobie betroffen sind.
Die oft hohen Erwartungen an die Zeit nach der geschlechtsanpassenden Operation, das „neue
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Leben“ im anderen Geschlecht (z.B. neue Beziehungen, Familiengründung), werden mitunter
enttäuscht und führen auch schon bei 40-jährigen zu verstärkter Einsamkeit.
Vielfach ist die Normalität und Akzeptanz im Identitätsgeschlecht der größte Wunsch. Für diese
Normalisierung existiert der englische Begriff „stealth“, der mit „getarnt“ oder „unerkannt“
übersetzt werden kann, also ein vollständiges Leben im neuen Geschlecht. Der Kontakt mit anderen Transgender-Personen über die „Szene“ ist oft nicht Bestandteil dieses Lebensentwurfs:
„Von den Patient/innen, die bei mir sind, sagt der Großteil: „Die Gesellschaft ist das draußen und
in der lebe ich und dort will ich auch einfach wahrgenommen werden und ich will gar nichts mit
der Community zu tun haben““ (Zitat Vlasich). Auch gibt es verheiratete Transidente, die nach
der operativen Geschlechtsanpassung in ihrer Partnerschaft bleiben und Familie haben (der
Scheidungszwang als Bedingung für die Personenstandsänderung wurde in Österreich 2006 aufgehoben). Ein gewisser Anteil, aber dies ist eher die Minderheit, ist stärker in der Szene integriert: „Dann gibt’s natürlich einige, die angewiesen sind ein Stück weit auf die Community, weil
sie sich halt einsam fühlen, weil sie nicht zurechtkommen mit der Gesellschaft, mit ihrem Leben“
(Zitat Vlasich). Bei diesen Personen ohne familiären und partnerschaftlichen Rückhalt kann die
Einsamkeit im Alter verstärkt zum Tragen kommen.
Wie bereits für Schwule und Lesben beschrieben, gibt es auch im Transgenderbereich einen Generationeneffekt. Die Situation ist durch die Veränderungen in der Rechtslage und neue medizinische Möglichkeiten stark im Wandel: „Die Frage was ist Transvestismus, was ist Transsexualität, was ist Transgender, was ist Intersexualität, das ist sehr in Aufweichung ja und ich glaube,
dass sich die Transgender-Generation in 10 Jahren zur jetzigen noch einmal deutlicher unterscheiden wird als die jetzige Lesben- und Schwulen-Generation zur nächsten, weil das einfach ein
neues Thema ist, wo momentan vieles im Aufbruch ist, die Neuregelung der ganzen Therapiegeschichten, welche Therapie verlangt wird, wo auch die OP-Techniken sich rapide entwickeln derzeit“ (Zitat Wilhelm). Für die sich daraus ergebenden unterschiedlichen Lebenslagen braucht es
ein Bewusstsein im Bereich Pflege und Betreuung.
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2.3. Beurteilung verschiedener Angebote und Einschätzung der Nachfrage
2.3.1. Einschätzung der befragten LGBT-Personen
Die befragten Personen wurden gebeten, unterschiedliche Formen von Wohn-/ Pflege- und
Betreuungseinrichtungen zu beurteilen. Im Zentrum stand die Frage nach „spezialisierten“ Angeboten für LGBT-Personen versus „gemischten“ Angeboten sowie die Bandbreite von Wohnprojekten, Alten-WGs und mobilen Pflegediensten. Gefragt wurde nach dem allgemeinen Interesse für derartige Angebote und danach, wie ein Angebot gestaltet sein müsste, das die Befragten in Anspruch nehmen würden.
Wohnprojekte – der „Tropfen auf den heißen Stein“
Alle befragten Personen hatten von einem oder mehreren Frauen- oder queeren Wohnbauprojekten in Wien gehört (Frauenwohnprojekt ro*sa, Queerbau). Das Projekt Queerbau wird als Pilotprojekt wahrgenommen und mit Interesse verfolgt. Es ist eine erste Form des Wohnangebots,
wenn auch mit nur 28 Wohnungen, für gemischte Altersgruppen und mit noch vagen Angaben
zu den Kosten und wird insofern von zwei Befragten als „Tropfen auf den heißen Stein“ bezeichnet. Der Symbol- und „Versuchscharakter“ wird durchgängig begrüßt, wenngleich man weiter
beobachten will, wie sich dieses und derartige ähnliche Projekte in Zukunft bewähren. Die Vorstellung einer Nachbarschaft mit mehreren Generationen wird einerseits sehr positiv bewertet,
andererseits wird vor romantisierenden Vorstellungen einer Gemeinschaft und gegenseitigen
Hilfe „gewarnt“. Der offene und gemischte Charakter in der Belegung des Hauses wird begrüßt.
Eine Befragte unterstreicht, dass bei derartigen Projekten keinesfalls der Eindruck eines Ghettos
entstehen darf: „Ich bin absolut dagegen, dass man sagt, ich mach jetzt einen LGBT-Bau, gegen
das hätte ich was, weil aus welchem Grund muss man sich abschotten (…) dann ist das nur auf
diesen Kreis fixiert“.
Wohngemeinschaften für Ältere – „Kontrast zum klassischen Pensionistenheim“
In Abgrenzung zum allgemeinen Begriff „Wohnprojekt“ wird eine „Wohngemeinschaft“ für Ältere hier als eine Form verstanden, in der es, neben getrennten Wohneinheiten für die Bewohner/innen, gemeinschaftliche Räumlichkeiten gibt. Die Ausrichtung ist speziell auf Ältere fokussiert (Barrierefreiheit, Service, Pflege- und Betreuungsangebot).
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Der Vorteil einer Wohngemeinschaft kann sein, die Kosten niedrig zu halten, wie eine Befragte
herausstreicht: Für LGBT-Personen ohne partnerschaftliche Absicherung besteht im Alter und bei
Krankheit die „Gefahr, zum Sozialfall zu werden“. Dieses Angebot ist insofern besonders für Alleinstehende eine Möglichkeit.
Die Entscheidung, in eine WG einzutreten, ist für Personen, die länger alleine und vielleicht bewusst anonym gelebt haben, eine große Umstellung, die sich letztlich aber mit geänderten Bedürfnissen treffen kann, wie ein Befragter formuliert: „Das würde ein Umdenken und Umgewöhnen bedingen, aber es könnte sein, dass ich einmal in die Situation komme, wo ich vielleicht ganz
gerne umdenke und sich herausstellt, oje, dieser Lebensstil, den ich im mittleren Alter in meiner
Wohnanlage gehabt habe, lässt sich in dieser Form nicht mehr fortsetzen“.
Wird eine WG für Ältere bezogen, so ist dies ein großer und endgültiger Schritt, dem ein intensiver Entscheidungsprozess vorangeht: „Es muss ein starkes Bedürfnis sein, dass ich in eine Gemeinschaft gehe und nicht eine Heimhilfe zu mir in die Wohnung kommt (…). Die eigene Wohnung zu verlassen, nämlich zum letzten Mal zu verlassen ist ein sehr radikaler und sehr schwieriger Schritt, darüber denkt man lang nach“.
Sollte ein Verbleib in der eigenen Wohnung nicht mehr möglich sein, so eine Befragte, würde sie
sich, in Abgrenzung zu herkömmlichen Altenheimen, ein „urbanes Zusammenwohnen im Sinne
einer Community mit denselben Bedürfnissen“ wünschen: „so als gemeinsame Wohnsituation,
wo man sich gegenseitig hilft, wo man gewisse Räume gemeinsam nützt und dass irgendwie diese Nähe auch wenns für manche ein bisschen schwieriger wird, man auch positiv nützt und trotzdem gemeinsam noch viel Lebensfreude hat, ob das dann nur Homosexuelle sind oder ob das generell ein offeneres Haus ist, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, aber grundsätzlich stell
ich mir das als positiven Kontrast vor so zum klassischen Pensionistenheim“.
Mobile Dienste – „Pflege von informierten Pfleger/innen“
Eine zukünftige „gay-friendly“ Ausrichtung von mobilen Pflege- und Betreuungsdiensten stößt
bei den Befragten auf sehr gute Resonanz. Dieses Angebot wird allem voran als realistisch für eine niederschwellige, flächendeckende Versorgung eingeschätzt und passt mit dem Wunsch zusammen, die eigene Wohnung nicht aufgeben zu müssen: „Ich wäre froh, wenn es so was überhaupt gäbe, ich kaprizier mich in keiner Weise auf eine Wohngemeinschaft (…) ich stell mir das
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zwar recht schön vor in der Phantasie, wie das in der Realität ist, würde sich dann zeigen“. Ein
Befragter verwendet für das schwulen- und lesbenfreundliche Angebot den Begriff der „informierten Pflege“: „so Wohnprojekte, es ist schön und wichtig, dass es ein paar gibt, aber die Pflege von informierten Pflegerinnen und Pflegern, das ist vielleicht der Kern der Sache“.
Zur Einschätzung der Nachfrage
Die Befragten nehmen wohlwollend wahr, dass aktuell Bewegung in das Thema LGBT und Alter
kommt. Sie begrüßen Angebote aller genannten Formen, da diese sich in der Praxis beweisen
und in weiterer Folge ausdifferenzieren können. Die Nachfrage in der Community wird als sehr
gut und künftig steigend eingeschätzt. Eine Befragte schätzt das Nutzungspotential auch bei
nicht offen lebenden LGBT-Personen hoch ein, „weil es unter den Homosexuellen, Transsexuellen
und Intersexuellen nach wie vor viele Leute gibt, die Angst haben vor der Öffentlichkeit und da
denk ich mir, wenn die wissen „Pflege unterm Regenbogen“ da schaut mich keiner schief an (…)
aus diesem Grund wird das sicher sehr gut angenommen werden“.
2.3.2. Einschätzung der Expert/innen
Experte Messinger von den Wiener Sozialdiensten spricht sich für ein vielfältiges Angebot für
LGBT-Personen im Alter aus. Sowohl unterschiedliche baulich-räumliche bzw. mobile Formen, als
auch unterschiedliche Zusammensetzungen der Zielgruppen (z.B. queer, „gay friendly“, nur
schwul, nur lesbisch) wären wichtig, um die Bedürfnisse abzudecken. Der Experte der AntiDiskriminierungsstelle Wien grenzt Wien von Berlin ab, was das Realisierungspotential für
Wohnprojekte wie „Lebensort Vielfalt“ betrifft. In Wien existieren (noch) keine Gruppen, aus
denen heraus sich ein solches Projekt entwickeln würde und die Institutionen der Berliner Szene
wie die Schwulenberatung sind von den Ressourcen her ungleich größer, so Wilhelm. Er empfiehlt, die Ressourcen prioritär flächendeckend in Wien in ein breitenwirksames LGBT-Angebot
aller Altenbetreuungsorganisationen zu investieren. Aus einem ökonomischen Aspekt heraus
sollten bestehende Strukturen der Pflegedienste genutzt werden und ein LGBT-sensibles Angebot aufgebaut werden. Dies mache mehr Sinn, als einen weiteren Anbieter zu schaffen, der mit
den Existierenden in Konkurrenz tritt.
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Der befragte Heimhelfer Herr Hartl betont, dass in der Praxis offene, aber auch verdeckt gelebte
Homosexualität vorkommt. Um Diskretion zu garantieren, befürwortet er ein anonymes Beratungsangebot, wie es „Pflege unterm Regenbogen“ der Wiener Sozialdienste anbietet. Wenn
„Pflege unterm Regenbogen“ mehr Bekanntheit erreicht, könnte die Anzahl der Klient/innen
steigen, die sich zwecks Beratung direkt an den Anbieter wenden: „Wenn der/die Betroffene zu
uns kommt, weil er/sie sieht, wir sind gay-friendly, wir bieten das an, dann wird er/sie von uns
betreut, und der Fonds Soziales Wien wird nur deshalb eingeschalten, weil es da um Förderungsbeiträge geht, aber er kriegt keine weitere Information als „Herr Meier, Frau Müller wird von uns
betreut“ (Zitat Messinger).
Findet der Erstkontakt über den Fonds Soziales Wien statt, ist auch hier eine sensible Gesprächsführung Bedingung für eine bedürfnisgerechte Vermittlung, erläutert Messinger: „Es kommt die
Betreuungsperson vom Fonds Soziales Wien und macht die Erstbegutachtung. Da müsste schon
eine gewisse Beratungsschiene sein, dass die sagen „Ich bin dafür da, dass ich eine Pflege und
Betreuung finde, die für Sie adäquat ist. Das als Eröffnung zu sagen, signalisiert schon in diesem
ersten Moment: Ich bin offen für alles und ich versuche dir so zu helfen, dass du adäquat leben
kannst. Und dann zu sagen: Schauen Sie, die Stadt Wien bietet an… wir haben mehrere Institutionen in Wien, die Hauskrankenpflege anbieten […] Dass ich dann sage, welchen Pflegebedarf haben Sie, wo haben Sie Probleme und schon auch auf das Thema Partnerschaft ansprechen“ (Zitat
Messinger).
Eine geschlechtsneutrale Formulierung könne einer offen Ansprache des Themas dienen: „Leben
Sie in einer Ehe oder haben Sie einen Partner oder eine Partnerin? (…) Es kommt immer eine Reaktion (…) wenn ich selbst nicht sage, ich lebe mit einem Partner oder ich habe einen Mann oder
eine Frau, wie auch immer, dann kann ich es aufgrund der Reaktion sicherlich deuten, man kann
es nicht verstecken im Prinzip und ich glaube, wenn mich ein Mensch direkt anspricht, wo ich eher
eine Person bin, die versteckt lebt, und jetzt frage ich „Leben Sie mit einer Frau oder einem Mann
zusammen?“, diese Fragestellung bedeutet für diejenige Person „Aha, das ist jemand, der Verständnis hat unter Umständen, da sage ich eher, ja, ich habe einen Mann oder ich habe eine
Frau, und ich glaube, da ist schon mal der erste Kontakt ganz wichtig, weil das entscheidet dann
eigentlich, wo geht die Richtung hin“ (Zitat Messinger).
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Zur Einschätzung der Nachfrage
Eine Etablierung des „Pflege unterm Regenbogen“-Angebots würde auch eine entsprechende
Nachfrage generieren, schätzen die Experten Messinger und Hartl von den Wiener Sozialdiensten. Das Vertrauen in das Angebot und die Bekanntheit durch Inserate oder Infoveranstaltungen
zu steigern, sei das aktuelle Ziel.
Die Nachfrage nach den Wohnungen im „Lebensort Vielfalt“ in Berlin, das mittlerweile eine längere Warteliste hat, hat sich durch erste positive Erfahrungen und Mundpropaganda etabliert,
so der Experte der Schwulenberatung Berlin. Parallel dazu ist das – anfangs eingeschränkte – Interesse der Öffentlichkeit stark angewachsen.
Die Nachfrage und den Bedarf für eine eigene Alteneinrichtung für Transgender-Personen sehen
die befragten Expertinnen nicht gegeben. Durch das starke Bedürfnis nach gesellschaftlicher Integration und der losen Bindung an eine Szene fehlt hier die Grundlage. Diskussionen im Verein
TransX über ein eigenes Angebot kommentiert die Expertin: „Wieso wollt ihr ein Ghetto haben?
Das wäre dann das Heim, das sind alles Transidente, dann gibt’s daneben das Altersheim für Greti und Pleti und die sagen „Ja, aber die dort“ (…) ein Miteinander ist etwas Besseres als eine Ausgrenzung und das erleb ich als eine Ausgrenzung, wie sollen dann die anderen Menschen lernen
damit umzugehen, egal ob alt oder jung, wenn die sich selber ausgrenzen damit“ (Zitat Vlasich).
Im Rahmen einer „informierten Pflege“ gehe es hier wiederum um eine Aufklärung von Heimhilfen und Altenpflegepersonal über transgender Lebensweisen. „Je besser man eine Sache kennt,
desto weniger Angst hat man davor und umso unbedarfter geht man damit um. Wenn ich unsicher bin, kann ich vieles kaputt machen, nicht aus Böswilligkeit heraus, sondern aus der eigenen
Unsicherheit. Selbst wenn dieser Mensch hundertmal keine Personenstandsänderung hat, wenn
er sich weiblich fühlt, dann ist schon vieles gewonnen, ihn als Frau anzusprechen, kommens Frau
Meier, jetzt machen wir das, egal was in den Ausweisen oder in der Kartei steht, da ist schon sehr
vieles gewonnen, weil wenn ich penetrant Herr Meier sag und noch sag „Das steht ja da so“,
dann ist die Person schon verstört“ (Zitat Frasl).
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2.4. Exkurs: Wohnprojekt „Lebensort Vielfalt“
Das Mehrgenerationen-Wohnprojekt „Lebensort Vielfalt“ der Schwulenberatung Berlin wurde
2012 eröffnet. Der Geschäftsführer des Trägers Marcel De Groot gab im Interview einen ausführlichen Einblick in den Entstehungsprozess und die Erfahrungen im Projekt. Wenngleich die befragten Expert/innen aus Wien betonen, dass sich Berlin von der Größe der Szene und Vielzahl
der Institutionen her deutlich von Wien unterscheidet und die Realisierung eines ähnlichen Projekts ressourcentechnisch schwierig wäre, soll dieses Berliner Projekt als Referenz näher beschrieben werden.
Der „Lebensort Vielfalt“ verfügt über 24 Wohnungen inkl. Gemeinschaftsraum im Erdgeschoß
und eine Altenpflege-WG für 8 Personen. Zusätzlich zum Wohnraum beherbergt das Haus ein
Café-Restaurant und Büroräumlichkeiten der Schwulenberatung. Das Konzept ist nicht nur auf
das Wohnen beschränkt, wie De Groot schildert; vielmehr liegt seine Stärke in der Vereinigung
der Säulen Wohnen, Pflege, Beschäftigung (die Gastronomie wird als sozialökonomisches Beschäftigungsprojekt geführt) und Gastronomieangebot. Für den Hauptsponsor, die Lottostiftung
Berlin, hat dieses Konzept den Ausschlag für die Förderung gegeben. Wohnraum alleine wollte
die Stiftung nicht finanzieren, das Modellprojekt im Gesamten wurde jedoch für unterstützenswert erachtet. Insgesamt setzte sich die Finanzierung aus der Spende der Lottostiftung, einem
Kredit der Bank für Sozialwirtschaft und kleineren Darlehen der Mieter/innen zusammen. Mehrere Banken hatten zuvor die Finanzierung abgelehnt, da die Schwulenberatung über keine Erfahrungen mit der Errichtung von Wohnraum verfügte.
Ausgehend von der Gesprächsgruppe für Schwule im Alter wurde der Bedarf für ein Wohnprojekt festgestellt. Nachdem zuvor ergebnislos nach Angeboten für Schwule in Altersheimen recherchiert wurde, entschied man, selbst eine Struktur zu schaffen. Die Gesprächsgruppe und ein
ebenfalls bestehender Besuchsdienst wurden als nicht mehr ausreichend für die Versorgung der
Älteren erachtet. Ein leerstehendes Haus unweit der Zentrale der Schwulenberatung, zuvor im
Eigentum des Bezirks, wurde als Objekt ausgewählt und zum Kauf angefragt. Nach entsprechender Lobbyarbeit im Bezirk und mit der Unterstützung des Bezirksparlaments konnte der Ankauf
erfolgreich verhandelt werden.
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Für das Sponsor-Ansuchen bei der Lottostiftung mussten eine Kostenschätzung für den Umbau,
eine Baugenehmigung sowie ein Finanzierungsplan vorgelegt werden. Die Bank für Sozialwirtschaft verlangte u. a. eine vorläufige Liste der künftigen Mieter/innen. Die Lottostiftung Berlin
hatte zuvor schon das Beratungsangebot der Schwulenberatung für Ältere finanziell unterstützt,
kannte also bereits die Arbeit der Organisation. Die in der Schätzung angegebenen Kosten wurden um weite Beträge überschritten, die Lottostiftung konnte allerdings auch für die Deckung
der Zusatzkosten gewonnen werden.
Der Planungsprozess für den Umbau erfolgte unter engem Einbezug der Interessenten im Umfeld der Gesprächsgruppe. Standen zunächst eher romantisierende Vorstellungen von einer
„Hippie-WG“ mit möglichst viel gemeinschaftlicher Anbindung im Vordergrund, so wurden im
Laufe der Planung eigene Wohnungen immer wichtiger. Die Höhe der Miete sorgte für heftige
Diskussionen bzw. Beschwerden bei den künftigen Mieter/innen – einige Interessenten sprangen
mangels Leistbarkeit noch im Vorfeld ab. Die aktuellen Mietkosten belaufen sich auf 8,60 Eur pro
m2. Auch knapp vor Bezug gab es von einigen Personen einen Rückzug, die sich schließlich vom
Umzug und Verlassen ihrer Wohnung überfordert fühlten. Von der ersten Idee bis zur Besiedelung gab es zwar einen „harten Kern“ von Beteiligten, aber auch eine gewisse Fluktuation, je
konkreter das Projekt wurde. Viele Beteiligte waren vor Bezug sehr nervös und aufgeregt.
Der Generationenaspekt ist im Projekt ebenso wichtig wie die gemischte Belegung, so De Groot.
Die Bewohner/innen-Zusammensetzung folgt einer Quote von 60% älteren Schwulen und 20%
jüngeren Schwulen; weitere 20% der Wohnungen werden von Frauen bewohnt. Neben 3 Paaren
leben 21 Alleinlebende im Lebensort Vielfalt. Jede weitere Vergabe erfolgt, neben der Quote,
durch eine Art Punktesystem (die Teilnahme am Gesprächskreis und ein ehrenamtliches Engagement sind Pluspunkte). Momentan besteht eine Warteliste von 250 Personen.
Die Pflege-WG ist für 8 Personen eingerichtet und wird von einem kooperierenden Sozialdienst
24h pro Tag betreut. Neben dem Pflegepersonal gibt es auch einen Sozialarbeiter (eine halbe
Stelle), der für die Bewohner/innen da ist und z.B. bürokratische Dinge oder einen Einkauf erledigt. Auf einer Fläche von 250m2 sind die Bewohner/innen-Zimmer, eine große Gemeinschafts-
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küche und ein Wohnzimmer untergebracht. Es werden nur Personen einer bestimmten Pflegestufe angenommen.
Das Projekt ist seid 1,5 Jahren besiedelt und das Bewohner-Feedback ist gut. Durch das Leben in
der Gemeinschaft haben Mieter/innen an sich bemerkt, dass sie offener geworden sind, so De
Groot. Sie haben rückgemeldet, ihre Entscheidung zum Einzug nicht bereut zu haben. Durch eine
Förderung für Arbeit im Altenbereich vom Land Berlin beschäftigt die Schwulenberatung einen
Mitarbeiter, der zuständig ist für das Begleiten der Hausgemeinschaft und weiters für die Ausbildung der Mitarbeiter/innen des ehrenamtlichen Besuchsdiensts. Die Mieter/innen sind für bestimmte Aufgaben in der Gemeinschaft verantwortlich. Es besteht ein Mieterplenum, dass der
Mitarbeiter der Schwulenhilfe moderiert, wo Interessen und Konflikte behandelt werden.
Gefragt nach den Widerständen, die es gegen das Projekt gab, erwähnt der Experte, dass es in
der Organisation der Schwulenberatung viele Sorgen um die Finanzierung und um Stellenstreichungen durch das abgezogene Budget für das Wohnprojekt gab. Weiters gab es interne Bedenken, ein „Ghetto“ zu kreieren. In seiner Form als Angebot mit leistbaren Mietwohnungen ist der
Lebensort Vielfalt allerdings ein Pilotprojekt, das auch Senior/innen mit kleiner Rente oder Sozialhilfeempfänger/innen abdeckt. Als solches hat es viele Unterstützer von außen überzeugt.
Marcel De Groot rät für die Umsetzung eines Wohnprojekts zu einem langen Atem. Die anfängliche Herangehensweise an den „Lebensort Vielfalt“ bezeichnet er selbst als „ein wenig naiv“. Es
bedurfte eines breiten Netzwerks an Expert/innen und Berater/innen verschiedener Disziplinen
(Recht, Architektur) und der entsprechenden politischen Unterstützung zur Umsetzung. Eine
zentrale Koordination und Steuerung des Prozesses sei essentiell.
Nach anfänglicher Skepsis von verschiedenen Seiten funktioniert das Projekt nun und wird dadurch für Interessent/innen und für die Öffentlichkeit attraktiv. Der Bedarf für die Wohn- und
Pflegeversorgung von LGBT im Alter ist in Berlin jedenfalls da und gehört, neben Wohnprojekten
wie diesem, auch anderweitig abgedeckt: „Auch andere Heime müssen sich öffnen für die Zielgruppe und sagen, sie wollen auch, dass bei ihnen schwule und lesbische Menschen sichtbar sein
können, also das ist nach wie vor sinnvoll, dass dieser Weg auch eingeschlagen wird“ (Zitat De
Groot).
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2.5. Empfehlungen für Angebote im Bereich Wohnen, Pflege und Betreuung
von LGBT im Alter
Das vorderste Ziel sollte sein, eine Angebotsstruktur zu schaffen, die LGBT-Personen im Alter integriert. Der Aufbau einer ausschließlich getrennten Struktur wäre langfristig gesellschaftspolitisch bedenklich, vielmehr muss an einem gesellschaftlichen Klima gearbeitet werden, in dem
Jede/r seine/ihre sexuelle Orientierung ohne Probleme thematisieren kann.
Ein erster wesentlicher Beitrag wäre die Integration von LGBT-Themen in die Ausbildung von Altenpflege- und Heimhilfeberufen. Dies besteht in Wien im Bereich der Krankenpflegerausbildung
bereits in Form einer von der Wiener Antidiskrimiminerungsstelle für gleichgeschlechtliche und
transgender Lebensweisen angebotenen Seminars während der Ausbildung (abgehalten vom befragten Experten Wilhelm). Eine fixe und flächendeckende Übernahme dessen für alle pflegerelevanten Berufsausbildungen wäre das Ziel, wofür auch entsprechende Ressourcen bereitgestellt
werden müssten. Der Verein Trans-Austria, so Expertin Frasl, würde diesbezüglich seine Unterstützung für Schulungen im Transgender-Bereich anbieten.
Durch den beschriebenen Generationeneffekt sind allerdings noch Zwischenschritte notwendig,
die die Einstellungen und Lebenserfahrungen der momentanen Alterskohorte berücksichtigen.
Mittelfristig eignen sich die folgenden Maßnahmen, um das Thema sichtbar zu machen und Erfahrungswerte zu generieren:
Die Entwicklung einer „gay-friendly“-Pflege- und Betreuungsschiene:
Eine Angebotsschiene wie Pflege unterm Regenbogen wird von allen Befragten befürwortet.
Sie kann den Klient/innen die Sicherheit geben, diskret und ihren Bedürfnissen entsprechend behandelt zu werden. Dass die Pfleger/innen selbst schwul- oder lesbisch sind, wird
großteils nicht als relevant befunden, es kann aber die Kommunikation erleichtern. Wichtig
ist vor allem, dass man sich bewusst für einen Mann oder eine Frau als Pfleger/in entscheiden kann und dass diese/r eine offene Einstellung mitbringt.
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Diversität im Personalbereich:
Die „gay-friendly“-Betreuungsschiene kann auch bewirken, dass sich Pfleger/innen und
Heimhelfer/innen, die selbst schwul-lesbisch sind oder gerne mit LGBT-Personen arbeiten
würden, eher dort bewerben. Die Diversität im Personalbereich zu verstärken wäre insofern
für die Anbieter von Dienstleistungen empfehlenswert. Bereits im Aufnahmeverfahren der
Ausbildungen sollte Diversität ein Aufnahmekriterium sein. Wie eine Expertin schildert, ist
dies in Bezug auf Transfrauen nicht immer der Fall: „Bei der Ausbildung zur Heimhilfe werden, obwohl diese Berufe gebraucht werden, nicht immer unbedingt Transfrauen genommen, weil sie für die zu auffällig sind… Die Patienten würden sich vor ihnen schrecken, erzählen manche dann als Feedback, dass sie bekommen. Weiß ich nicht, ob sie sich schrecken
würden, kommt wahrscheinlich darauf an, wie man sie den Patienten vorstellt“ (Zitat Vlasich). Diskriminierungen wie diese hindern Transfrauen an der beruflichen Integration und
sind jedenfalls zu vermeiden.
Wohngemeinschaften:
Auch Wohngemeinschaften können „gay-friendly“ sein, in dem der Träger die Belegung in
diese Richtung steuert. Wenn es, wie in Abschnitt 2.3.2 beschrieben, ein Erstgespräch gibt,
dass auf sensible Weise nach dem Beziehungsstatus und der sexuellen Orientierung fragt,
kann eine entsprechende Zuweisung gemacht werden. Im Gegensatz zu einem Wohnprojekt
bedarf es keiner Benennung nach Außen hin, wenn die Vermittlung etwa über Pflege unterm
Regenbogen erfolgt.
Wohnbauprojekte:
Wohnprojekte wie Queerbau können einen wichtigen Signalcharakter haben und sind sehr
öffentlichkeitswirksam. Es wird eine non-exklusive Ausrichtung (z.B. MehrgenerationenWohnen; Mischung von queerer und heterosexueller Zielgruppe) empfohlen. Eine top-down
Förderung bzw. Flankierung durch die Politik ist wichtig, da in Wien entsprechende zivilgesellschaftliche Gruppen (noch) fehlen.
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Öffentlichkeitsarbeit – Bewusstseinsarbeit:
Schon vorhandene Services wie die „Pflege unterm Regenbogen“ sind allgemein noch nicht
sehr bekannt. Es wäre deswegen wünschenswert, dass die vorhandenen und geplanten Services und Angebote der Community näher gebracht werden und auch das Älterwerden stärker innerhalb der Community zum Thema gemacht wird.
Für die Schaffung eines „gay friendly“- Klima wäre es unbedingt notwendig, dass die Thematik stärker in der breiten Öffentlichkeit diskutiert wird. Der Diskurs in der Öffentlichkeit kann
dazu beitragen, dass Ängste in der Bevölkerung abgebaut werden, wodurch beispielsweise
Ressentiments bei künftigen potentiellen Altersheimnutzer/innen abgebaut werden könnten bzw. natürlich auch bei Pflegepersonal.
Abbau von Transphobie:
Es sollte versucht werden gesellschaftliche Ängste zum Thema Transgender abzubauen,
denn das Bedürfnis von Transfrauen und Transmännern liegt vor allem in der gesellschaftlichen Integration und Akzeptanz. Diese Gruppe wünscht sich Normalität vielmehr als eine
Sonderstellung in der Betreuung. „gay-friendly“-Angebote sollen aber jedenfalls auch Transgender-Personen offenstehen, wenn diese sie nutzen wollen; sie sollen ergo auch explizit in
die Zielgruppe mit aufgenommen werden.
Schlussendlich kann festgestellt werden, dass eine Bandbreite von verschiedenen PilotAngeboten und -projekten (mehrere Wohn- und Betreuungsformen; Berücksichtigung von leistbaren Angeboten) mittelfristig wichtig wäre, um die unterschiedlichen Bedürfnisse und Bedarfe
abzudecken. Von Wien aus sollte schließlich auch eine regionale Verbreitung ausgehen, denn gerade auch außerhalb der „Queer-Hauptstadt“ Wien wird von den befragten Expert/innen ein Bedarf vermutet.
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3. Ergebnisse der quantitativen Befragung
3.1. Samplestruktur und Methodik
Bundesland
Ziel der Studie Personen aus Wien zu diesem Thema zu befragen. Aufgrund des Charakters der
Studie (Online-Befragung mittels Schneeballsystems) konnten aber natürlich auch Personen aus
anderen Bundesländern und Staaten daran teilnehmen. Schlussendlich waren 79% der Respondent/innen aus Wien, gefolgt von Niederösterreich (8%), den restlichen Bundesländern (insgesamt 10%) und dem Ausland (2%).
Sexuelle Orientierung/Geschlecht
Aus den Angaben zu Geschlecht und sexueller Orientierung wurden vier Gruppen für die Analyse
gebildet. Die Verteilung gestaltet sich wie folgt: 59 Prozent schwule Männer (n=679), 27 Prozent
lesbische Frauen (n=306), 8 Prozent Bisexuelle (n=90) und 4 Prozent Transgender/Transidente
(n=50).
Altersstruktur
43 Prozent der Befragten sind unter 40 Jahre, 30 Prozent der Befragten zwischen 40 und 50 Jahren, 27 Prozent fallen in die Gruppe 50 plus. Über die Selbstausfüller-Fragebögen konnten im
Vergleich zur Online-Befragung stärker ältere Befragte erreicht werden: Mehr als die Hälfte der
Papier-Fragebögen kam aus der Gruppe der über 50-Jährigen.
Bildung
Die Umfrage hat verstärkt höhere Bildungsschichten erreicht. 74 Prozent der Respondent/innen
haben mindestens Matura (55 Prozent einen Hochschulabschluss). Die übrigen Befragten haben
einen BMS- oder Fachschulabschluss (11%) bzw. Pflichtschulabschluss mit oder ohne Lehre
(14%). Mittels Selbstausfüller konnten dabei verstärkt Personen ohne Matura erreicht werden:
42 Prozent versus 23 Prozent bei der Onlinebefragung.
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Hauptaktivität
Mit 78 Prozent geht die große Mehrheit der Befragten einer beruflichen Beschäftigung nach. Ein
Anteil von 8 Prozent fällt auf Schüler/innen bzw. Student/innen, weitere 9 Prozent auf Pensionist/innen. Auffällig ist in der Gruppe der Transgender/Transidenten, dass der Anteil der Beschäftigten deutlich darunter liegt (64%), der Prozentsatz der Arbeitslosen hingegen überdurchschnittlich hoch ist (8% versus 3% in der Gesamtgruppe).
Einkommenssituation
Insgesamt betrachtet liegt die Mehrheit der monatlichen Netto-Einkommen unter 2.000 Euro
(57%). Ein weiteres Viertel verteilt sich auf den Bereich 2.000 bis 3.000 Euro (26%), der Rest liegt
bei über 3.000 Euro (15%). Zwei Prozent der Befragten verfügen über kein eigenes Einkommen.
Fast 80 Prozent der Befragten geben an, von ihrem Einkommen sehr gut oder einigermaßen leben zu können. Für die restlichen 20 Prozent reicht es nur knapp oder nicht aus. TransgenderPersonen verfügen überdurchschnittlich häufig über ein Einkommen im niedrigen Bereich und
geben häufiger an, Sozialleistungen zu beziehen. Für überdurchschnittliche 30 Prozent dieser
Gruppe ist das Einkommen beinahe oder definitiv zu wenig.
Methode
Einerseits wurde ein Onlinefragebogen gestaltet, der über soziale Netzwerke, private Netzwerke,
Newsletter und Websites mittels Schnellballsystem verbreitet wurde. Andererseits wurde auch
ein Selbstausfüllerfragebogen gestaltet, der einer Ausgabe des Magazins X-tra gemeinsam mit
einem IFES-Rücksendekuvert beigelegt wurde. Der Methodenmix aus Selbstausfüllerfragebogen
und Online-Befragung war aus unserer Sicht erfolgreich da durch den Selbstausfüllerfragebogen
auch Gruppen an der Befragung teilgenommen haben, die man mittels Onlinebefragung weniger
gut erreicht (Personen ohne Matura, 50+).
Insgesamt haben 970 Personen den Onlinefragebogen ausgefüllt und 173 den Selbstausfüllerfragebogen.
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3.2. Lebens- und Wohnsituation
Partnerschaftssituation
Der Anteil der Singles/Alleinstehenden variiert zwischen den befragten Gruppen. Am höchsten
liegt er bei Transgender-Personen mit 60 Prozent, gefolgt von Bisexuellen mit 43 Prozent.
Schwule Männer sind zu fast 40 Prozent Single, lesbische Frauen zu lediglich einem Viertel (24%).
Korrespondierend damit leben Lesben mehrheitlich in einer Partnerinnenschaft (56%). Schwule
geben zu 40 Prozent an, eine Beziehung zu haben, Bisexuelle zu 38 Prozent, TransgenderPersonen zu 26 Prozent. Verpartnert oder verheiratet sind insgesamt je ca. 20 Prozent der Befragten, ausgenommen Transgender-Personen (14%). Gruppenübergreifend ist der Single-Anteil
in der Altersgruppe 50 plus überdurchschnittlich groß (47% versus 37% im Gesamtschnitt).
Familiensituation, Kontakt zu Kindern und Enkelkindern
Bisexuelle Personen haben am häufigsten Kinder (38%), Transgender-Personen zu 34 Prozent,
Lesben zu 20 Prozent und Schwule nur zu 8 Prozent. Inkludiert wurden leibliche und adoptierte
Kinder, Kinder der Partnerin/des Partners und Pflegekinder. Auch Enkelkinder – inklusive jene
der Partner/innen – sind entsprechend am ehesten bei Bisexuellen (13%) vorhanden. Transgender-Personen haben zu 6 Prozent Enkelkinder, Lesben zu 4 Prozent und Schwule zu einem Prozent.
Der Kontakt zu Kindern und Enkeln ist bei lesbischen Frauen am intensivsten. Diese Gruppe hat
auch zum höchsten Anteil Kinder unter 18 Jahren, woraus sich altersbedingt ein engerer Kontakt
ergibt. 26 Prozent der schwulen Männer und 18 Prozent der Transgender-Personen geben an,
ihre Kinder und Enkel seltener als einmal im Monat oder auch nie zu sehen (bei den Transgender-Personen liegt jedoch eine geringe Fallzahl zugrunde). In der Gruppe der Lesben und Bisexuellen gibt vergleichsweise niemand an, keinen Kontakt mit seinen Nachkommen zu haben.
Haushaltssituation
Die Partnerschafts- und Familiensituation spiegelt sich in der Haushaltszusammensetzung der
Befragten klar wider. Lesben wohnen überdurchschnittlich häufig mit der Partnerin (61%),
Schwule wohnen vergleichsweise zu 46 Prozent in Partnerschaft, Bisexuelle zu 44 Prozent und
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Transgender-Personen zu 26 Prozent. Der Anteil der alleine wohnenden Personen ist bei Transidenten am höchsten (50%), gefolgt von Schwulen (47%) und Bisexuellen (38%). Lesbische Frauen
wohnen zu 31 Prozent alleine.
Mit Familienmitgliedern bzw. mit Partner/in und Familienmitgliedern gemeinsam leben insgesamt nur 8 Prozent aller Befragten. Überdurchschnittlich ist dieser Anteil unter den TransgenderPersonen (18%), Bisexuellen (17%) sowie Lesben (12%); unterdurchschnittlich bei den schwulen
Befragten (5%). Die Wohnform WG wählen in der Gruppe der Transidenten 16 Prozent, in den
übrigen Gruppen spielt sie eine vergleichsweise geringere Rolle (Bisexuelle: 10%, Lesben: 6%,
Schwule: 5%).
Gruppenübergreifend steigt der Anteil der alleine Wohnenden mit dem Alter und ist in der
Gruppe 50 plus am höchsten (54% versus 42% im Gesamtschnitt).
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3.3. Lebenszufriedenheit und soziale Kontakte
Zufriedenheit mit Lebensbereichen
Die höchste Zufriedenheit besteht insgesamt mit der Partnerschaft, sofern die Befragten in einer
Beziehung leben (Durchschnittsnote: 1,5). Ebenso hoch wird die Eigenständigkeit im Alltag im eigenen Leben bewertet. Die Zufriedenheit mit den Bereichen Wohnsituation, soziale Kontakte
und Unterstützung durch Andere, familiäre Situation, Gesundheit und Freizeitaktivitäten liegt
durchgehend im Bereich der Note 2. Am wenigsten gut wird die finanzielle Situation bewertet
(Note 2,4). Transidente beurteilen ihre Lebenszufriedenheit in nahezu allen Dimensionen unterdurchschnittlich hoch. Anders bei lesbischen Frauen: Die Bereiche Partnerschaft, Sozialkontakte
sowie Unterstützung und Geborgenheit durch Andere weisen in dieser Gruppe überdurchschnittliche Zufriedenheitswerte auf.
Der eigene Gesundheitszustand wird von insgesamt 80 Prozent aller Befragten als „sehr gut“
oder „gut“ eingestuft. Die Beurteilung „sehr gut“ fällt bei Transgender-Personen mit 18 Prozent
unterdurchschnittlich aus (der Gesamtschnitt beträgt hierbei 28%).
Offenheit der sexuellen Orientierung
Allgemein gefragt, leben im Gesamtschnitt über 80 Prozent ihre Orientierung in der Öffentlichkeit „völlig“ oder „weitgehend offen“. Der Anteil der nicht offen Lebenden beträgt insgesamt 5
Prozent; bei den befragten Bisexuellen und Transgender-Personen ist er überdurchschnittlich
hoch (17% bzw. 10%). Gleiches gilt für die Befragten 50 plus (9%). Auch unterschieden nach einzelnen Lebensbereichen (Familie, heterosexueller Freundeskreis, Arbeitsplatz, Nachbarschaft)
zeigt sich eine weniger starke Offenheit in den genannten Gruppen.
In den gesundheitsrelevanten Bereichen (Offenheit der sexuellen Orientierung gegenüber
Ärzt/innen und medizinischem Personal) gibt insgesamt ein Viertel aller Respondent/innen an,
sich nur einem kleinen Teil oder niemandem gegenüber geoutet zu haben.
Soziale/familiäre Kontakte und Unterstützung bei Problemen
Zur Kontakthäufigkeit zu Freund/innen und Verwandten außerhalb des Haushaltes geben durchgehend 60 Prozent der Befragten an, diese mindestens einmal pro Woche oder öfter zu sehen.
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Jene, die Freund/innen und Verwandte seltener als ein oder zweimal im Monat sehen, machen
einen Anteil von 20 Prozent aus. Der entsprechende Anteil liegt bei Transgender-Personen höher
(28%). In etwa ein Viertel aller Befragten gibt an, einen ausschließlich oder überwiegend homosexuellen Freundeskreis zu haben. Bisexuelle und Transgender-Personen geben zu einem deutlich höheren Anteil (etwa zur Hälfte) an, nur oder überwiegend heterosexuelle Freund/innen zu
haben, als Schwule und Lesben (nur etwa 30%). Die wichtigsten Akteur/innen, wenn es um die
Unterstützung bei Krankheit, Niedergeschlagenheit oder ernsten persönlichen Angelegenheiten
geht, sind der/die Lebenspartner/in, Ärzt/innen und Freund/innen, gefolgt von Eltern und Geschwistern. Kinder nehmen diesbezüglich eine marginale Rolle ein.
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3.4. Wohn- und Lebenssituation im Alter
Gedanken zur Wohn- und Lebenssituation im Alter
Der Anteil jener, die sich häufig oder gelegentlich Gedanken zu ihrer späteren Wohn- und Lebenssituation gemacht haben, steigt erwartungsgemäß mit dem Alter: Er beträgt bei den unter
30-Jährigen nicht ganz die Hälfte, in der Gruppe der 30- bis 40-Jährigen 63 Prozent und bei den
Befragten über 40 Jahren ca. 80 Prozent.
Informiertheit über Angebote, Einschätzung bestehender Angebote in Wien
Insgesamt gut zwei Drittel der Wiener Respondent/innen fühlen sich über das bestehende
Betreuungs- und Pflege-angebot sehr oder eher schlecht informiert (68%). Wenngleich der Anteil
der nach Selbsteinschätzung nicht gut Informierten mit zunehmendem Alter sinkt, liegt er in der
Gruppe der 50 plus immer noch bei 54 Prozent.
88 Prozent meinen, dass das aktuelle Angebot sehr oder eher schlecht auf die Bedürfnisse von
Schwulen, Lesben und Transgender-Personen eingestellt ist. Von den Lesben denken dies sogar
93 Prozent.
Überdies vermutet fast die Hälfte eine Diskriminierung von Schwulen/Lesben durch das Personal
sowie zwei Drittel durch die Mitbewohner/innen. Diskriminierendes Verhalten gegenüber Transgender-Personen wird für noch wahr-scheinlicher gehalten: Ein Drittel schätzt dies in Bezug auf
das Personal so ein, 77 Prozent bezogen auf die Mitbe-wohner/innen. In den Untergruppen zeigt
sich: Lesbische Frauen rechnen aktuell überdurchschnittlich häufig mit Diskriminierung der eigenen Gruppe durch Personal oder Mitbewohner/innen (zu 57%). Transidente haben besonders in
Bezug auf die Mitbewohner/innen Bedenken (zu 83%; die Fallzahl ist mit n=30 allerdings gering).
Gewünschte Formen der Betreuung
Der Anteil jener, die ein speziell auf die Bedürfnisse von LGBT-Personen abgestimmtes Betreuungs-/Pflegeangebot für sehr wichtig hält, ist bei den befragten Schwulen mit 60 Prozent am
höchsten (Lesben: 54%, Transgender-Personen: 50%, Bisexuelle: 33%). Zusammen mit jenen, die
dies für „eher wichtig“ halten, erreicht ein solches Angebot eine breite Zustimmungsquote von
33004001
Wohnen, Pflege und Betreuung im Alter bei LGBT
53
89 Prozent bei schwulen, 88 Prozent bei lesbischen, 80 Prozent bei transidenten und 79 Prozent
bei bisexuellen Wiener/innen.
Am stärksten ist der Wunsch, im Alter zu Hause durch den/die Partner/in betreut zu werden –
für fast die Hälfte ist das sehr wünschenswert. Zu Hause bleiben mit mobiler Pflege liegt an zweiter Stelle (35% sehr wünschenswert), gefolgt von privaten oder betreuten Senior/innen-WGFormen (29% bzw. 28%) und einer 24-Stunden-Betreuung zuhause (24%). Gleichauf liegen, für
20 Prozent sehr wünschenswert, die Betreuung zuhause durch Freund/innen und Bekannte sowie die Betreuung durch ein Familienmitglied. Am wenigsten wird die Pflege in einem Wohnheim favorisiert (8%). Von der Altersgruppe 50 plus wird der Wunsch, zuhause von
Freund/innen/Bekannten gepflegt zu werden, stärker geäußert (26%).
Die Präferenz der Betreuungsform ist quer durch alle Formen der Orientierung ähnlich verteilt.
Betreuende Personen
Die Mehrheit der befragten Gruppen gibt jeweils an, das Geschlecht und die Orientierung der
betreuenden Person egal seien, wenngleich sich im Detail die Bedürfnisse der einzelnen Zielgruppen unterschiedlich gestalten. Zunächst wurde in den offenen Angaben der Befragten die
Bedeutung eines diskriminierungsfreien, sensiblen und offenen Betreuungsklimas unterstrichen.
Ein Wunsch nach einem exklusiven LGBT-Personal besteht stärker unter älteren Befragten (50
plus).
Für 46 Prozent der schwulen Männer sind Geschlecht und Orientierung irrelevant. 30 Prozent
möchten am liebsten von einem Mann betreut werden, der selbst homosexuell ist. 10 Prozent
wünschen sich einen Mann, ungeachtet der Orientierung; 3 Prozent eine Frau.
Für ein Drittel der lesbischen Frauen spielen Geschlecht und Orientierung keine Rolle; 29 Prozent
möchten von einer Frau, unabhängig von ihrer Orientierung, gepflegt werden; 20 Prozent explizit
von einer lesbischen Frau, ein Prozent von einem schwulen Mann.
In der Gruppe der Bisexuellen legen 44 Prozent keinen Wert auf Geschlecht/Orientierung. 17
Prozent möchten von einer Frau, 11 Prozent von einem schwulen Mann, je 4 Prozent von einem
Mann oder einer lesbischen Frau und zwei Prozent von einer Transgender-Person betreut werden.
33004001
Wohnen, Pflege und Betreuung im Alter bei LGBT
54
Die befragten transidenten Personen sind zur Hälfte mit allen Geschlechtern und Orientierungen
einverstanden. 22 Prozent bevorzugen dezidiert eine Person, die selbst Transgender ist. 6 Prozent möchten von einer Frau, 4 Prozent von einem schwulen Mann und ebenfalls 4 Prozent von
einer lesbischen Frau gepflegt werden.
Mitbewohner/innen in Wohnprojekten, WGs oder Pflegewohnheimen
Auch in Bezug auf die Mitbewohner/innenschaft wird mehrheitlich angegeben, dass das Geschlecht und die Orientierung insgesamt keine Rolle spielen – jedoch zu stark unterschiedlichen
Anteilen in den Gruppen. Am ehesten gleichgültig ist es, zu 48 Prozent, den TransgenderPersonen (Bisexuelle: 43%, Schwule: 34% und Lesben: 28%). Bei den offenen Nennungen sprechen sich die Befragten mehrheitlich für eine Durchmischung ohne „Ghettobildung“ aus und äußern den Wunsch nach aufgeschlossenen, diskriminierungsfreien Mitbewohner/innen. Exklusiv
mit LGBT zu wohnen, wünschen sich eher Personen ab 40 Jahren als jüngere Befragte.
Im Alter am liebsten mit nur gleichgeschlechtlich orientierten Personen zusammenleben, wollen
am ehesten Lesben (23%), gefolgt von Schwulen (16%), Bisexuellen (8%) und TransgenderPersonen (4%).
Ausschließlich mit Transgender-Personen leben möchten 10 Prozent der eigenen Zielgruppe.
Mit Frauen, egal welcher Orientierung, möchten 23 Prozent der Lesben, 12 Prozent der Bisexuellen und 4 Prozent der Transidenten wohnen. Mit Männern, gleichgültig welcher Orientierung,
würden je 7 Prozent der Schwulen und Bisexuellen sowie 2 Prozent der Transgender-Personen
am liebsten zusammenwohnen.
Am liebsten allein mit lesbischen Frauen leben zu wollen, gibt ein Anteil von 11 Prozent der Lesben an. Ausschließ-lich homosexuelle Männer als Mitbewohner wünschen sich schließlich 24
Prozent der befragten Schwulen, 11 Prozent der Bisexuellen und 4 Prozent der TransgenderPersonen.
Einstellungen zur zukünftigen Betreuung
Eine Reihe von verschiedenen Aspekten der zukünftigen Betreuung/Pflege wurden in ihrer Bedeutung bewertet. Entsprechend den Ergebnissen zum gewünschten Personal und den idealen
33004001
Wohnen, Pflege und Betreuung im Alter bei LGBT
55
Mitbewohner/innen zeigt sich auch in diesem Punkt: Weniger die Exklusivität eines Angebots für
ausschließlich eine Zielgruppe ist relevant, sondern allgemein Offenheit, Respekt und Diskriminierungsfreiheit in Bezug auf Homosexualität bzw. Transidentität.
Die Nutzung des Angebots durch „auch andere“ Schwulen/Lesben/Transgender-Personen wird
wesentlich stärker befürwortet (zu 83%) , als eine ausschließliche Nutzung durch diese Zielgruppe (zu 22%). Selbiges gilt für die Betreuungs-/Pflegekräfte. Auch hier wird am stärksten (zu 77%)
eine Durchmischung gewünscht (Exklusivität im Vergleich dazu: zu 17%).
Eine starke Bedeutung kommt der dezidierten Ausrichtung und Bewerbung des Betreuungs- und
Pflegeangebots für LGBT-Personen als „gay-friendly“ zu: 85 Prozent der Befragten erachten diese
als sehr oder eher wichtig.
Die schwule Zielgruppe wünscht sich zu einem leicht höheren Anteil ein exklusives Angebot. Einem Viertel wäre es sehr oder eher wichtig, nur mit anderen LGBT zu wohnen (Gesamtgruppe:
22%); 20 Prozent wünschen sich diese Ausschließlichkeit in Bezug auf die betreuenden Personen
(Gesamtgruppe: 17%).
Bekanntheit von Projekten in Wien
Unter den bestehenden Wohn- bzw. Betreuungs-/Pflegeprojekten für die Zielgruppe LGBT und
Frauen erreicht „Que(e)r-Bau“ die höchste Bekanntheit: 31 Prozent der Befragten hat davon gehört (unter Lesben überdurchschnitt-liche 42%). Das Frauenwohnprojekt „ro*sa“ ist insgesamt
21 Prozent, aber der Hälfte der befragten Lesben be-kannt. „Pflege unterm Regenbogen“ der
Wiener Sozialdienste kennen, über alle Gruppen hinweg, gut 10 Prozent der Respondent/innen.
Offene Rückmeldungen
Als Qualitätsfaktoren in der Wohn- und Betreuungs-/Pflegesituation wurden zahlreiche Aspekte
genannt: Die Leistbarkeit des Angebots, eine zentrale Lage und Anbindung, der Erhalt von Mobilität und Selbstbestimmung, Zugang zu Natur, kleinere Einrichtungen mit persönlicher Atmosphäre, eine aktive Freizeitgestaltung, Gemeinschaft/Nachbarschaft, soziale Kontakte und Vernetzung mit anderen (älteren) LGBT.
Ein entsprechendes Angebot in den Bundesländern wurde nachgefragt.
33004001
Wohnen, Pflege und Betreuung im Alter bei LGBT
56
Viele Respondent/innen haben sich für die Umfrage bedankt und sich gleichermaßen für die Ergebnisse sowie eine zeitnahe Verwirklichung im Rahmen von realen Projekten interessiert. Diesbezüglich wurde Informationsbedarf angemeldet und um Öffentlichkeitsarbeit für die entsprechenden Angebote gebeten.
33004001
Wohnen, Pflege und Betreuung im Alter bei LGBT
57
3.5. Die Ergebnisse im Detail
33004001
Wohnen, Pflege und Betreuung im Alter bei LGBT
Wohnen, Betreuung und Pflege im
Alter bei Homosexuellen und
Transgender
Christine Schuster
Christa Edlmayr
IFES - Institut für empirische Sozialforschung GmbH
Teinfaltstraße 8
1010 Wien
2
Navigator: Hauptkapitel
1
Daten zur Untersuchung
2
Samplestruktur
3
Aktuelle Lebens- und Wohnsituation
4
Lebenszufriedenheit und soziale Kontakte
5
Wohn- und Lebenssituation im Alter
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
3
Daten zur Untersuchung
Auftraggeber:
Sozial Global, Wiener Sozialdienste
Themen der Studie:
Wohnen, Pflege und Betreuung im Alter
bei Homosexuellen und Transgender
Grundgesamtheit:
Personen, die sich der Zielgruppe zugehörig
fühlen; regionaler Schwerpunkt Wien
Stichprobe/Rücklauf:
1.143 Personen
Methode:
Selbstausfüller-Fragebogen, Online-Befragung
Design:
Beilage von 8.000 Fragebögen im Magazin X-tra,
Verbreitung des Online-Links nach
Schneeballverfahren
Zeitraum der Befragung:
1. April bis 16. Mai 2014
Projektleiterin im Institut:
Projektassistenz:
Statistik und Auswertung:
Mag. Christine Schuster
Mag. Christa Edlmayr
Mag. Claudia Pflügl
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
4
Navigator: Hauptkapitel
1
Daten zur Untersuchung
2
Samplestruktur
3
Aktuelle Lebens- und Wohnsituation
4
Lebenszufriedenheit und soziale Kontakte
5
Wohn- und Lebenssituation im Alter
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
5
Geschlecht und sexuelle Orientierung
F10: Wie bezeichnen Sie Ihre sexuelle Orientierung? (in Prozent)
F30: Ich bezeichne mich in meinem Geschlecht als… (in Prozent)
sexuelle Orientierung
heterosexuell
1%
Geschlecht
anders
3%
Transfrau
1%
bisexuell
9%
intersexuell
1%
Anderes
2%
Transmann
1%
Frau
32%
lesbisch
27%
schwul
60%
Mann
63%
Anzahl der Nennungen:
• queer (10)
• transgender/-sexuell (8)
• pansexuell (4)
• asexuell (4)
• intersexuell (3)
Anzahl der Nennungen:
• transgender/-sexuell (7)
• queer (4)
• genderqueer (4)
Basis: Gesamt: n=1.143
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
6
Sexuelle Orientierung/Geschlecht
Kombination aus f10 und f30 (in Prozent)
intersexuell
1%
queer
transgender
/transident
4%
1%
anderes
0,3%
bisexuell
8%
lesbisch
27%
schwul
59%
Basis: Gesamt: n=1.143
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
7
Alter
F31: Wie alt sind Sie? (in Prozent)
0
20
schwul
12
lesbisch
40
transgender/
transident
25
28
27
30
27
24
24
bis 29 Jahre
30 bis 39 Jahre
50 Jahre und älter
keine Angabe
100
28
29
31
18
80
32
28
15
bisexuell
60
1
22
40 bis 49 Jahre
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
8
Schulbildung
F34: Was ist Ihre höchste abgeschlossene Schulbildung? (in Prozent)
0
20
schwul 1
14
lesbisch 2
bisexuell 2
transgender/
transident
4
8
40
8
4
13
5
4
60
18
14
2
8
100
53
19
7
80
63
20
54
34
1
38
2
Pflichtschule
Pflichtschule mit Lehre
Fachschule (mittlere Schule, BMS)
AHS, BHS ohne Matura
Matura (AHS, BHS)
Hochschule, Fachhochschule, Akademie
keine Angabe
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
Derzeitige Hauptaktivität
9
F35: Welche der folgenden Kategorien beschreibt am besten Ihre derzeitige Hauptaktivität? (in Prozent)
100
schwul
lesbisch
bisexuell
transgender/transident
80
65
60
53
49
40
36
22
21
17
20
16
11
8
6
3 3 2
1 1
3 4
16
11
10
6
6
5
8
1 2 2
2
2 1
1
4
1 1
keine Angabe
andere Form der
NichtErwerbstätigkeit
Schüler/in,
Student/in
im Haushalt tätig
ohne Einkommen
in Pension
in Karenz
arbeitslos
andere Form der
Berufstätigkeit (z.B.
Werkvertrag)
geringfügig
beschäftigt
voll berufstätig (über
36 Stunden)
Teilzeit (unter 36
Stunden)
0
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
10
Bundesland
F39: In welchem Bundesland wohnen Sie (Hauptwohnsitz)? (in Prozent)
100
schwul
lesbisch
bisexuell
transgender/transident
83
80
77
70
60
Anzahl der Nennungen:
60
• Deutschland (18)
• Schweiz (2)
• anderes (3)
40
20
16
13
10
6
2
3 4 3
6
6
3
1 2
1 2 1 2
4
1 1 1
1 2 2
1
1
2
1
2
1 2
4
keine Angabe
anderes Land
Vorarlberg
Burgenland
Tirol
Salzburg
Kärnten
Oberösterreich
Steiermark
Niederösterreich
Wien
0
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
11
Wien
F40: Was ist die Postleitzahl Ihres Wohnortes? (in Prozent)
100
schwul
lesbisch
bisexuell
transgender/transident
80
60
57
53
44
40
40
33
30
20
20
10
8
7
20
20
16
14
10
8
4
3
3
keine
Angabe
Westen
(13-19)
Innenbezirke
(1-9, 20)
Osten
(21,22)
Süden
(10-12, 23)
0
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
12
Persönliches Nettoeinkommen
F36: Wie groß ist ca. Ihr persönliches monatliches Netto-Einkommen (inkl. Einkommen aus Berufstätigkeit, staatlichen oder
sozialen Leistungen)? (in Prozent)
0
schwul
lesbisch
bisexuell
transgender/
transident
20
40
60
41
11
80
18
30
55
13
34
25
34
20
bis 1.000 Euro
bis 2.000 Euro
bis 3.000 Euro
über 3.000 Euro
kein eigenes Einkommen
keine Angabe
11
9
23
7
32
20
42
20
100
4
8
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
13
Zusammensetzung Nettoeinkommen
F37: Wie setzt sich Ihr monatliches Einkommen zusammen? (in Prozent)
100
schwul
lesbisch
bisexuell
transgender/transident
83
81
80
70
66
60
40
20
17
1213
17
20
10
6
9 10
10
8
3
1 1
2
6
4 5 3
1 2 1
6
6
1 1 1
3
1 1
2
2 2
4
6 5
4 4
6
5
2 3 2 2
2
keine Angabe
Sonstige Einkommen
Einkommen aus
Kapitalanlagen, z.B.
Aktien, Wertpapiere
Einkommen aus
Vermietung und
Verpachtung
Studienbeihilfe
Beihilfe für das
Wohnen (z.B.
Mietzins, Wohn- und
Mietbeihilfe)
Familienbeihilfe
Sozialhilfe bzw.
bedarfsorientierte
Mindestsicherung
Leistungen des
Arbeitsmarktservice
(Arbeitslosengeld,
Notstandshilfe etc.)
Pflegegeld
Kinderbetreuungsgeld
bzw. Karenzgeld
Witwen/WitwerPension
Eigene Pension
Einkommen aus
Erwerbstätigkeit
0
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
14
Auskommen mit Einkommen
F38: Wie kommen Sie mit dem derzeitigen persönlichen Netto-Einkommen aus? (in Prozent)
0
20
schwul
transgender/
transident
60
80
33
48
lesbisch
bisexuell
40
15
37
40
19
46
30
34
36
100
4
32
23
22
1
8
ich kann sehr gut davon leben
es reicht einigermaßen aus
es reicht nur knapp aus
es reicht nicht aus - ich weiß oft nicht, wie ich durchkommen soll
keine Angabe
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
15
Navigator: Hauptkapitel
1
Daten zur Untersuchung
2
Samplestruktur
3
Aktuelle Lebens- und Wohnsituation
4
Lebenszufriedenheit und soziale Kontakte
5
Wohn- und Lebenssituation im Alter
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
16
Partnerschaftssituation
F1: Sind Sie…? (in Prozent)
0
20
schwul
lesbisch
bisexuell
transgender/
transident
40
39
60
80
20
24
1
40
20
43
100
56
19
60
38
14
26
Single/alleinstehend
verpartnert/verheiratet
Lebensgemeinschaft/Partnerschaft
keine Angabe
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
17
Familiensituation: Kinder
F2: Haben Sie Kinder? (in Prozent)
0
20
40
60
6 11
schwul
9
lesbisch
80
91
1
8
bisexuell
26
transgender/
transident
26
2
1
81
3
4
100
9
1
64
4
66
leibliche Kinder
Kinder der Partnerin/des Partners
keine Kinder
adoptierte Kinder
Pflegekinder
keine Angabe
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
18
Familiensituation: Enkelkinder
F3: Haben Sie Enkelkinder? (in Prozent)
0
20
schwul 1
transgender/
transident
60
97
lesbisch 2 2
bisexuell
40
3
6
100
1
96
10
80
1
86
1
94
eigene Enkelkind(er)
Enkelkinder des Partners/der Partnerin
keine Enkelkinder
keine Angabe
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
19
Kontakt zu Kindern und Enkelkindern
F4: Wie häufig sehen Sie Ihre Kinder bzw. Enkelkinder? (in Prozent)
0
schwul
20
40
60
28
13
lesbisch
27
25
31
transgender/
transident
täglich
zumindest wöchentlich
4
13
19
19
seltener
6
6
24
ca. 1x im Monat
7
16
35
24
100
19
30
45
bisexuell
80
nie
12
keine Angabe
Basis: hat Kinder/Enkelkinder: schwul: n=54; lesbisch: n=56; bisexuell: n=32; transgender/transident: n=17
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
20
Haushaltssituation
F5: Wer lebt mit Ihnen in Ihrem Haushalt? (in Prozent)
100
schwul
lesbisch
bisexuell
transgender/
transident
Haushaltszusammensetzung:
80
61
60
50
47
40
46
44
38
1-Personen-Haushalte:
42%
mit Partner:
42%
mit Partner und Familienmitgliedern:
4%
Mit Familienmitgliedern (ohne Partner):
4%
Wohngemeinschaft/Sonstiges:
7%
31
26
20
16
8
3 2 4
2 2 2
8 7
6
4
7
4
1 1
1
6
4
1 1 1
1
Neffen, Nichten
5 6
Geschwister
10
2
1
1
1 1
Sonstige
Personen
Enkelkinder
andere verwandte
Person/en
Großeltern/-teil
Kind(er) über 18
Jahre
Kind(er) unter 18
Jahre
(Stief-)Vater/
Partner der Mutter
(Stief-)Mutter/
Partnerin des Vaters
Freunde/Bekannte
in einer WG
Partner/Partnerin
wohne allein
0
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
21
Navigator: Hauptkapitel
1
Daten zur Untersuchung
2
Samplestruktur
3
Aktuelle Lebens- und Wohnsituation
4
Lebenszufriedenheit und soziale Kontakte
5
Wohn- und Lebenssituation im Alter
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
22
Zufriedenheit mit Lebensbereichen
F8: Wie zufrieden sind Sie mit den folgenden Bereichen in Ihrem Leben? Geben Sie Bitte eine Note zwischen 1=sehr
zufrieden und 5=gar nicht zufrieden. (in Prozent)
0
20
40
60
80
100
Partnerschaft (wenn vorhanden)
64
26
7 111
1,5
Eigenständigkeit bei der
Bewältigung des Alltags
62
28
6 21
1,5
5 2
1,9
5 21
1,9
41
1,9
37
42
Wohnsituation
37
40
Sozialkontakte
14
16
49
Lebenssituation insgesamt
31
Freizeitaktivitäten insgesamt
31
43
19
4 11
2,0
Gesundheitszustand
30
46
17
4 21
2,0
persönliches Wohlbefinden
29
48
16
6 1
2,0
6 21
2,0
32
2,0
5 2
2,1
7 22
2,1
41
2,4
Unterstützung und Geborgenheit
durch Andere
28
hauptsächliche Tätigkeit
27
Basis: Gesamt: n=1.143
19
43
39
2
3
7
17
46
22
sehr zufrieden
18
37
34
körperliche Leistungsfähigkeit
finanzielle Situation
37
36
familiäre Situation
16
20
10
24
4
gar nicht zufrieden
k.A.
MW
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
23
Selbsteinschätzung Gesundheitszustand
F9: Nun eine Frage zu Ihrer Gesundheit. Würden Sie sagen, Ihr allgemeiner Gesundheitszustand ist …? (in Prozent)
0
20
40
60
28
schwul
transgender/
transident
15
gut
mittelmäßig
eher schlecht
1
9
16
60
sehr gut
31
14
50
18
31
16
50
26
bisexuell
100
52
31
lesbisch
80
6
sehr schlecht
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
24
Offenheit der sexuellen Orientierung
F11: Nun würden wir gerne von Ihnen wissen, wie Sie Ihre sexuelle Orientierung in der Öffentlichkeit leben. Ich lebe meine
sexuelle Orientierung… (in Prozent)
0
20
schwul
36
lesbisch
37
bisexuell
40
100
13
5
8
21
10
2
53
20
40
36
völlig offen
80
46
23
transgender/
transident
60
10
42
weitgehend offen
wenig offen
17
nicht offen
keine Angabe
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
25
Offenheit der sexuellen Orientierung
F12: In welchem Ausmaß ist Ihre sexuelle Orientierung in den folgenden Bereichen bekannt? (in Prozent)
0
20
40
dem heterosexuellen
Freundeskreis
69
den Familienangehörigen
68
dem/der Arbeitgeber/in
40
den Arbeitskolleg/innen
39
im Wohnumfeld
(Nachbar/innen)
35
Ärzt/innen bzw. anderem
Personal im
Gesundheitsbereich
34
Betreuungs- und
Pflegekräften
11
60
80
100
13
10
11
4
7
18
17
3 11 6
13
7
4
8
2
10
17
64
(fast) allen bekannt
halb/halb
(fast) niemandem bekannt
keine Angabe
6 21
6 1
21
8
14
4 21
16
10
13
17
5
7
19
11
5
6
1
12
einem großen Teil
einem kleinen Teil
nicht vorhanden
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
26
Kontakt mit Freund/innen, Verwandten
F13: Wie oft treffen Sie sich im Durchschnitt in der Freizeit mit Ihren Freunden und Freundinnen bzw. Verwandten, die nicht
im gleichen Haushalt leben? (in Prozent)
0
20
schwul 2
lesbisch 2
bisexuell
transgender/
transident
17
80
42
100
19
15
22
42
18
14
60
45
13
3
40
46
mehr als einmal täglich
mindestens einmal pro Woche
ein- oder zweimal im Monat
seltener/weniger häufig
13
14
12
16
22
41
41
3 21
4 2
täglich oder fast täglich
etwa einmal pro Woche
einige Male im Jahr
keine Angabe
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
27
Zusammensetzung des Freundeskreis
F14: Wie setzt sich Ihr Freundeskreis zusammen? Besteht er …? (in Prozent)
0
20
60
24
schwul 2
2
4 1
26
36
22
100
25
47
11
transgender/
transident
80
47
21
lesbisch 1
bisexuell 1
40
30
43
6
36
12
3
nur homosexuelle Freund/innen
überwiegend homosexuelle Freund/innen
ca. halb homo-/halb heterosexuellen Freund/innen
überwiegend heterosexuelle Freund/innen
nur heterosexuelle Freund/innen
keine Angabe
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
28
Unterstützung bei Krankheit
F15: In bestimmten Situationen ist man auf Unterstützung angewiesen. An wen wenden Sie sich vor allem, wenn …Sie krank
sind? (in Prozent)
100
schwul
80
lesbisch
bisexuell
transgender/transident
77
68
60
60
57
57
52
50
59
54
50
48
44
42
39
40
36
33
2223
18
20
13
13
7
9 8
5
10
6
7 8
8
3
5
8
3 4 3 2
1 1 2
4
2
2 3
8
2 1 1
Ich wüsste nicht, an
wen ich mich wenden
soll
Sonstige Personen
Enkelkind(er)
Heimhelfer/in /
Pflegehelfer/in
Neffen, Nichten
Kind(er)
Nachbar/innen
Andere
Familienmitglieder
Geschwister
Eltern/-teil
Freund/innen
Arzt bzw. Ärztin
Lebenspartner/in
0
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
Unterstützung bei Niedergeschlagenheit
29
F16: In bestimmten Situationen ist man auf Unterstützung angewiesen. An wen wenden Sie sich vor allem, wenn Sie
niedergeschlagen sind und jemanden zum Reden brauchen? (in Prozent)
100
schwul
lesbisch
bisexuell
transgender/transident
82
80
76
74
73
64
60
53
49
38
40
24
23
2122
18
18 19
16
20
12
10
6 5
8
4 3 3
1
8
6
2 2
2
3
1 2
12
1
1
32 2
1
3
7
4
2
4
3
1 2
4
1
Ich wüsste nicht,
an wen ich mich
wenden soll
Sonstige Personen
Enkelkind(er)
Psychotherapeut/in
Nachbar/innen
Heimhelfer/in /
Pflegehelfer/in
Kind(er)
Neffen, Nichten
Andere
Familienmitglieder
Arzt bzw. Ärztin
Geschwister
Freund/innen
Lebenspartner/in
Eltern/-teil
0
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
Unterstützung/Rat in ernsten Angelegenheiten
30
F17: Und an wen wenden Sie sich vor allem, wenn Sie Rat in einer ernsten persönlichen oder Familienangelegenheit
brauchen? (in Prozent)
100
schwul
lesbisch
bisexuell
transgender/transident
80
80
73
70
66
62
60
55
48
40
40
3232
30
30
28 29
22
18
20
14
9 9
7 8
8
6
3 2
1
2
4 3
8
2 2 1 2
2
4
8
6
2
2
1
1
3
2
1
3 3
6
3
1
Ich wüsste nicht,
an wen ich mich
wenden soll
Sonstige Personen
Nachbar/innen
Heimhelfer/in /
Pflegehelfer/in
Psychotherapeut/in
Neffen, Nichten
Kind(er)
Arzt bzw. Ärztin
andere
Familienmitglieder
Geschwister
Eltern/-teil
Lebenspartner/in
Freund/innen
0
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
31
Navigator: Hauptkapitel
1
Daten zur Untersuchung
2
Samplestruktur
3
Aktuelle Lebens- und Wohnsituation
4
Lebenszufriedenheit und soziale Kontakte
5
Wohn- und Lebenssituation im Alter
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
32
Gedanken zur Wohn-/Lebenssituation im Alter
F19: Wie oft haben Sie sich schon Gedanken zu Ihrer Wohn- und Lebenssituation im Alter gemacht? (in Prozent)
0
20
schwul
transgender/
transident
80
27
50
14
gelegentlich
noch nie
7
10
28
selten
5
22
43
20
100
23
45
26
häufig
60
47
24
lesbisch
bisexuell
40
6
2
keine Angabe
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
33
Informiertheit Betreuungs-/Pflegeangebote Wien
F20: Wie gut fühlen Sie sich ganz allgemein über die Betreuungs- und Pflegeangebote in Wien (Pflegewohnheime, mobile
Betreuung und Pflege, betreutes Wohnen etc.) informiert? Fühlen Sie sich sehr gut, eher gut, eher schlecht oder sehr
schlecht informiert? (in Prozent)
0
20
schwul
5
lesbisch
5
bisexuell
5
transgender/
transident
40
60
27
100
47
22
20
58
29
47
sehr gut informiert
eher gut informiert
sehr schlecht informiert
keine Angabe
1
11
44
17
7
80
3
19
23
3
7
eher schlecht informiert
Basis: Wien: schwul: n=561; lesbisch: n=237; bisexuell: n=63; transgender/transident: n=30
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
34
Ausrichtung der Betreuungs-/Pflegeangebote in Wien
F21: Wie gut, glauben Sie, sind derzeit die Betreuungs- und Pflegeangebote in Wien auf die Bedürfnisse von Schwulen,
Lesben und Transgender-Personen eingestellt? (in Prozent)
0
20
schwul 1
lesbisch
bisexuell
transgender/
transident
40
9
60
80
54
3
34
49
13
sehr gut
44
49
17
eher schlecht
2
27
sehr schlecht
2
3
37
53
eher gut
100
3
keine Angabe
Basis: Wien: schwul: n=561; lesbisch: n=237; bisexuell: n=63; transgender/transident: n=30
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
35
Wichtigkeit Pflegeangebote speziell für LGBT in Wien
F22: Wie wichtig wäre Ihnen, dass es in Wien ein Betreuungs- und Pflegeangebot gibt, welches speziell auf homosexuelle
Personen bzw. Transgender-Personen abgestimmt ist? (in Prozent)
0
20
40
60
80
29
60
schwul
34
54
lesbisch
46
33
bisexuell
transgender/
transident
30
eher wichtig
7
31
9
31
14
50
sehr wichtig
100
eher nicht wichtig
6
7
gar nicht wichtig
10
3
keine Angabe
Basis: Wien: schwul: n=561; lesbisch: n=237; bisexuell: n=63; transgender/transident: n=30
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
36
Gewünschte Form der Betreuung/Pflege
F23: Jeder Mensch kann in die Situation gelangen, auf private oder professionelle Hilfe und Pflege angewiesen zu sein. Wenn
Sie es sich aussuchen könnten und unabhängig davon, ob sie aktuell Hilfen erhalten: Welche der folgenden Formen wären
0
20
40
60
80
100
für Sie …? (in Prozent)
zu Hause wohnhaft bleiben
mit Betreuung durch
den/die Partner/in
zu Hause wohnhaft bleiben
mit Betreuung durch
mobilen Betreuungs- und
Pflegedienst
eine betreute
Senior/innen-WG
zu Hause wohnhaft bleiben
mit 24-Stunden-Betreuung
20
zu Hause wohnhaft bleiben
mit Betreuung durch ein
Familienmitglied
20
37
16
28
38
17
33
8
18
8
8
26
15
28
35
sehr wünschenswert
eher wünschenswert
gar nicht wünschenswert
keine Angabe
18
25
10
4
7
24
28
23
6
13
29
24
zu Hause wohnhaft bleiben
mit Betreuung durch
Freund/innen//Bekannte
12
41
35
eine private
Senior/innen-WG
ein Pflegewohnheim
25
47
8
11
9
11
11
11
14
weniger wünschenswert
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
37
Betreuende Personen
F24: Wenn Sie es sich aussuchen könnten, von welcher Person Sie bei einem Betreuungs- und Pflegeanbieter betreut
werden: Was wäre Ihnen da am liebsten? Ich möchte betreut/gepflegt werden von … (in Prozent)
0
20
40
60
80
100
Anderes (Beispiele):
10
schwul
3
29
lesbisch
4
bisexuell
transgender/
transident
4
20
1
17
6
46
30
4
33
4 2
11
3
44
22
10
1
4
50
13
1
10
2
6
8
von einem Mann
von einer Frau
von einem schwulen Mann
von einer lesbischen Frau
von einer Transgender-Person
Geschlecht/Orientierung der Person egal
anderes
weiß es noch nicht
• …einer Person, die
sensibel mit
verschiedenen
Identitäten umgeht…
• …die sexuelle
Orientierung ist egal,
aber eine offene
Weltsicht ist wichtig…
• …egal, nur nicht
unbedingt von einem
Hetero-Cis-Mann…
• …ist mir egal, solange
sie nicht diskriminieren
und offen sind…
• …von einer gut
ausgebildeten,
einfühlsamen Person…
• …von einer nicht
heteronormativen
Person gepflegt
werden…
keine Angabe
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
38
Gewünschte Mitbewohner/innen
F25: Wenn Sie es sich aussuchen könnten, wer mit Ihnen in einer betreuten Seniorenwohngemeinschaft oder einem
Pflegewohnheim zusammen lebt, was wäre Ihnen da am liebsten? Ich möchte … wohnen. (in Prozent)
0
20
24
schwul
23
11
bisexuell
11
7
4 2 4
10
12
4
60
16
7
lesbisch
transgender/
transident
40
34
23
1
80
8
15
3
28
4
43
48
100
7
14
NUR mit schwulen Männern
mit Männern, egal welcher Orientierung
NUR mit lesbischen Frauen
mit Frauen, egal welcher Orientierung
NUR mit Transgender-Personen
NUR mit gleichgeschlechtlich orientierten Frauen und Männern
mit Männern und Frauen, egal welcher Orientierung
anderes
weiß es noch nicht
keine Angabe
1
11
11
14
Anderes (Beispiele):
• …allgemeine
Durchmischung ohne
Gettobildung…
• …Bin nicht sicher, aber
vermutlich mit Lesben,
Schwulen und
Transgender…
• …hauptsächlich mit
gleichgeschlechtlich
orientierten Männern und
Frauen…
• …in einer gemischten
Gruppe, in der ich aber
vielleicht nicht die einzige
gleichgeschlechtliche
orientierte Person bin…
• …mit Männern und
Frauen, aber AUCH mit
Schwulen und Lesben…
• …mit Schwulen, Lesben,
Transgender und
Heterosexuellen - ein Mix
aus allem…
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
39
Einstellungen zukünftige Betreuung
F26: Wenn Sie ein Betreuungs- und Pflegeangebot wahrnehmen würden: Wie wichtig wäre Ihnen dabei, dass...? (in Prozent)
0
20
40
60
Ihre sexuelle Orientierung durch
Mitarbeiter/innen respektiert wird
100
4 12
92
Ihre sexuelle Orientierung durch
Mitbewohner/innen in einer Einrichtung respektiert
8
89
Sie in der Betreuung offen leben könnten
AUC H andere Schwule/Lesben/Transgender-Personen
das Angebot nutzen
31
52
das Angebot auf Schwule/Lesben/Transgender-Personen
ausgerichtet und beworben wird
42
AUC H homosexuelle/Transgender-Mitarbeiter/innen
dort beschäftigt sind
40
NUR Schwule/Lesben/Transgender-Personen
dieses Angebot nutzen
14
8
5
33
18
37
13
32
37
37
sehr wichtig eher wichtig
Basis: schwul: n=679; lesbisch: n=306; bisexuell: n=90; transgender/transident: n=50
eher nicht wichtig
3 3
10
37
12
4 22
22
70
12
4 12
12
82
Mitarbeiter/innen der Dienste/Einrichtungen zu
Homosexualität/Transidentität geschult sind
NUR homosexuelle/Transgender-Mitarbeiter/innen
dort beschäftigt sind
80
4 4
6
4
8
9
gar nicht wichtig
keine Angabe
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
40
Einstellungen zur aktuellen Betreuung/Pflege in Wien
F27: Bezogen auf die derzeitige Situation in Wien, glauben Sie … ? (in Prozent)
0
20
dass Schwule/Lesben in
Betreuungs- und
Pflegeeinrichtungen vom
Personal
diskrimierungsfrei
behandelt werden
8
dass TransgenderPersonen in Betreuungsund Pflegeeinrichtungen
vom Personal
diskrimierungsfrei
behandelt werden
7
dass Schwule/Lesben in
Betreuungs- und
Pflegeeinrichtungen von
den Mitbewohner/innen
diskrimierungsfrei
behandelt werden
5
dass TransgenderPersonen in Betreuungsund Pflegeeinrichtungen
von den
Mitbewohner/innen
diskrimierungsfrei
behandelt werden
5
40
60
43
100
40
24
8
46
25
20
53
14
ja sicher
80
13
50
eher schon
eher nicht
27
sicher nicht
2
3
4
4
keine Angabe
Basis: Wien: schwul: n=561; lesbisch: n=237; bisexuell: n=63; transgender/transident: n=30
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
41
Bekanntheit von Wohn-/Pflegeangeboten in Wien
F28: Haben Sie schon von folgenden Projekten gehört... ? (in Prozent)
0
20
Wohnprojekt Que(e)rBau (Seestadt Aspern)
60
31
Frauenwohnprojekte
ro*sa
Pflege unterm
Regenbogen
(Wiener Sozialdienste)
40
3
77
11
100
1
68
21
ja
80
1
88
nein
keine Angabe
Basis: Wien: schwul: n=561; lesbisch: n=237; bisexuell: n=63; transgender/transident: n=30
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
42
Was ist Ihnen sonst noch wichtig?
F29: Was ist Ihnen sonst noch wichtig, wenn Sie an das Wohnen und die Versorgung im Alter für sich denken? (offene
Nennungen)
„Offen und frei leben können, erst
recht im Alter!!!“
„zielgruppengerechte
Angebote, aber keine Ghettos!“
Qualität der Betreuung:
diskriminierungsfrei,
respektvoll, wertschätzend
Wohn- und Lebensqualität:
Zentrale Lage, Anbindung, Mobilität, Zugang zu
Natur, kleinere Einrichtungen, persönliche
Atmosphäre, aktive Freizeitgestaltung,
Gemeinschaft/Nachbarschaft, soziale Kontakte
und Vernetzung mit anderen (älteren) LGBT
Leistbarkeit des Angebots,
Förderung durch öffentliche
Hand (z.B. Genossenschaft,
Baugruppen)
Angebote in den Bundesländern
Eine gute Durchmischung:
„Es wäre mir nicht wichtig, ja fast
unangenehm, nur mit Schwulen
und Lesben zu leben, aber der
Einzige will man doch wieder nicht
sein. Dieses Gefühl hatte man
wohl bereits oft genug.“
Selbstbestimmung,
Autonomie
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
43
Anmerkungen/Kritik zur Umfrage
F41: Gibt es noch etwas, was Sie uns gerne mitteilen möchten? (offene Nennungen)
Danke für diese wichtige
Umfrage!
Bitte mehr Information,
Werbung, Öffentlichkeitsarbeit,
über Projekte und Angebote
„Viele in der LSBT Community wollen
sich nicht als ´Minderheit´ fühlen,
deswegen werden die Antworten nicht
die tatsächlichen Ängste und Bedürfnisse
aufzeigen, sondern ein idealisiertes Bild.
Möglicherweise wird ein spezielles
Angebot jetzt abgelehnt, aber später in
der tatsächlichen Situation doch
gewünscht.“
Bitte die Ergebnisse der
Umfrage auch wirklich
umsetzen!
Ich interessiere mich sehr
für die Ergebnisse, wann
werden sie veröffentlicht?
Können Personen aus den
Bundesländern Angebote in Wien
nutzen? Wird es auch regionale
Angebote geben?
„Warum muss immer so ein
Unterschied gemacht werden?
Das Pflegepersonal sollte jeden
Menschen gleich behandeln.“
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
44
Kontakt
Mag.a Christine Schuster
Dr. Reinhard Raml
Projektleiterin
Projektleiter/Prokurist
IFES - Institut für empirische Sozialforschung GmbH
Teinfaltstraße 8
1010 Wien
IFES - Institut für empirische Sozialforschung GmbH
Teinfaltstraße 8
1010 Wien
Tel.: 01/54670 – 320
Mobil: 0664/812 39 31
E-Mail: [email protected]
Tel.: 01/54670 - 321
Mobil: 0664/814 63 34
E-Mail: [email protected]
33004001 Wohnen, Betreuung und Pflege
80
6464646464
3.6. Wichtigste Ergebnisse der quantitativen Befragung
Die Befragung
Mittels einer Kombination von Online- und Selbstausfüller-Fragebögen erreichte die Umfrage einen breiten Rücklauf von 1.143 Personen. Der Selbstausfüllerfragebogen sowie ein
Rücksendekuvert an IFES wurden dabei einer Ausgabe des Magazins X-tra mit einem Aufruf
zur Partizipation an der Studie beigelegt. Insgesamt haben 970 Personen den Onlinefragebogen ausgefüllt und 173 den Selbstausfüllerfragebogen.
In Absolutzahlen wurden rund 680 schwule Männer, 300 lesbische Frauen, 90 Bisexuelle und
50 Transgender-Personen befragt, davon knapp 80 Prozent aus Wien. Die Ergebnisse wurden nach diesen Zielgruppen ausgewertet. Die offenen Rückmeldungen der Respondent/innen zur Behandlung des Themas LGBT im Alter waren vielfach sehr positiv und das
Interesse an den Ergebnissen und deren Umsetzung groß.
Der Bedarf nach LGBT-sensiblen Angeboten ist da
Fast 90 Prozent der Befragten schätzen, dass das derzeitige Betreuungs- und Pflegeangebot
in Wien sehr oder nur eher schlecht auf die Bedürfnisse von LGBT eingestellt ist. Annähernd
die Hälfte aller Befragten glauben nicht an eine diskriminierungsfreie Behandlung von
Schwulen und Lesben durch das Personal, zwei Drittel vermuten Diskriminierung seitens der
Mitbewohner/innen. Eine noch stärkere Vermutung der Diskriminierung besteht für Transgender-Personen. Entsprechend wird die Etablierung eines LGBT-sensiblen Angebotes von
86 Prozent der Befragten als sehr oder eher wichtig befürwortet und ein diesbezüglicher Bedarf angemeldet. Mit Blick auf die soziale Struktur der Zielgruppe zeigt die Befragung, dass
eine Betreuung/Pflege im Alter durch Familienmitglieder eine marginale Rolle spielen wird.
Gewünschte Formen der Pflege und Betreuung
Die bevorzugte Form der Betreuung im Alter findet im eigenen Zuhause durch den/die Partner/in oder durch einen mobilen Betreuungs- und Pflegedienst statt. An zweiter Stelle wird
eine private Senior/innen-WG präferiert. Es folgen – jedoch mit bereits deutlich niedrigerer
Präferenz – weitere Formen der häuslichen Pflege (24h-Betreuung, Betreuung durch
Freund/innen/Bekannte oder Familienmitglieder). Das Pflegewohnheim steht an letzter Stel-
81
le. Diese Reihung gilt für alle Gruppen: Schwule, Lesben, Bisexuelle und TransgenderPersonen.
Durchmischung oder Exklusivität?
In allen Gruppen besteht mehrheitlich die Einstellung, das Geschlecht und die Orientierung
der betreuenden Personen und der Mitbewohner/innen in einer Einrichtung bzw. einem
Dienst spiele keine Rolle. Viele Befragte streichen hervor, dass vielmehr die Sensibilität und
Offenheit aller Beteiligten gegenüber LGBT am wichtigsten ist. Bevorzugt wird aus dieser
Sicht eine „gute Durchmischung“. Nach Orientierung betrachtet, gibt es jedoch in jeder
Gruppe auch einen wesentlichen Anteil, der sich ein (teil-)exklusives Angebot wünscht. Ein
deutlicher Prozentsatz der schwulen Männer möchte bevorzugt von einem homosexuellen
Mann bzw. bei den Lesben von einer lesbischen Frau gepflegt werden, und/oder nur mit
Personen gleicher Orientierung zusammenleben. Diese Exklusivität ist für Befragte ab 50
Jahren wichtiger als für die jüngeren. Für viele Befragte ist die Orientierung zwar weniger relevant, wohl aber das Geschlecht von Personal und Mitbewohner/innen.
Methodik
Der Methodenmix aus Selbstausfüllerfragebogen und Online-Befragung war erfolgreich da
durch den Selbstausfüllerfragebogen und seine Verbreitung im Magazin X-tra auch Gruppen
an der Befragung teilgenommen haben, die mittels Onlinebefragung weniger gut erreicht
(Personen ohne Matura, 50+) wurden. Kritisch muss allerdings gesehen werden, dass wir
Lesben weniger gut wie Schwule erreichen konnten. Sollte eine derartige Befragung wiederholt werden, sollte verstärkt versucht werden z.B. den Fragebogen über lesbische Netzwerke oder auch Magazine zu verbreiten.
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4. Gesamtfazit zur Studie Wohnen, Pflege und Betreuung im Alter
bei LGBT
In einem abschließenden Fazit sollen die Ergebnisse aus den vorangegangenen Erhebungsschritten der Desk Research und den qualitativen Interviews mit den Ergebnissen der quantitativen
Befragung zusammengeführt werden.
Bedarf nach einem LGBT-sensiblen Angebot in allen Erhebungsschritten bestätigt
Auf Basis der Literaturanalyse wurde ein Bedürfnis der LGBT-Community nach spezifisch
ausgerichteten Wohn-, Pflege- und Betreuungsangeboten für Ältere festgestellt. Bestehenden Studien war zu entnehmen, dass „herkömmlichen“ Einrichtungen wenig vertraut wird
und dort Diskriminierung befürchtet wird. Angebote, die (auch) auf Schwule, Lesben und
Transgender-Personen ausgerichtet sind und in denen auch LGBT-Personen betreuen/pflegen, werden stark befürwortet. Die IFES-Befragung unter 1.140 Schwulen, Lesben,
Bisexuellen und Transgender-Personen unterstreicht diese Befunde: Fast 90 Prozent der Befragten meinen, dass das aktuelle Pflege- und Betreuungsangebot in Wien sehr oder eher
schlecht auf die Bedürfnisse von Schwulen, Lesben und Transgender-Personen eingestellt
ist. Überdies vermutet fast die Hälfte eine Diskriminierung von Schwulen/Lesben durch das
Personal sowie zwei Drittel durch die Mitbewohner/innen. Diskriminierendes Verhalten gegenüber Transgender-Personen wird für noch wahrscheinlicher gehalten. Entsprechend
hoch ist der Zuspruch für ein Betreuungs-/Pflegeangebot, das speziell auf die Bedürfnisse
von LGBT-Personen abgestimmt ist. 88 Prozent der Respondent/innen halten es für sehr
oder eher wichtig, ein solches in Wien einzurichten. Mit Blick auf die soziale Struktur der
Zielgruppe zeigt die Befragung, dass eine Betreuung/Pflege im Alter durch Familienmitglieder eine marginale Rolle spielen wird.
Durchmischung geht vor Exklusivität
Wie bereits im Teil zu den Expert/innen-Interviews formuliert, sollte das vorderste Ziel eine
Angebotsstruktur sein, die LGBT-Personen im Alter integriert. Der Aufbau einer ausschließlich getrennten Struktur wäre langfristig gesellschaftspolitisch bedenklich, vielmehr muss an
einem gesellschaftlichen Klima gearbeitet werden, in dem Jede/r seine/ihre sexuelle Orien-
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tierung ohne Probleme thematisieren kann. Die IFES-Befragung hat erhoben, welche Art des
Angebots LGBT bevorzugt in Anspruch nehmen würden. Die Ergebnisse bestätigen, dass
mehrheitlich eine „gute Durchmischung“ gewünscht wird. Die Nutzung des Angebots durch
„auch andere“ Schwulen/Lesben/Transgender-Personen wird wesentlich stärker befürwortet (ca. 80%), als eine ausschließliche Nutzung durch die Zielgruppe (ca. 20%). Selbiges gilt
für die Betreuungs-/Pflegekräfte. Auch hier wird am stärksten (zu 77%) ein Mix aller Orientierungen und Geschlechter gewünscht (Exklusivität im Vergleich dazu: zu 17%). Weniger
die Exklusivität eines Angebots für ausschließlich eine Zielgruppe ist für die Mehrheit relevant, als vielmehr Offenheit, Sensibilität und Diskriminierungsfreiheit in Bezug auf Homosexualität bzw. Transidentität. Wichtig ist auch Vielen, sich bewusst für einen Mann oder eine
Frau als Pfleger/in entscheiden zu können. Die älteren Befragten 50 plus zeigen eine stärkere Präferenz für ein LGBT-exklusives Angebot als die jüngeren, sowohl was die Mitbewohner/innen, als auch das Personal betrifft. Dies kann mit den lebensgeschichtlichen Erfahrungen dieser Generation(en) begründet werden.
Gewünschte Betreuungsformen
Zum allgemeinen Setting der Pflege/Betreuung hat die Befragung folgendes ergeben: Am
stärksten ist der Wunsch, im Alter zu Hause durch den/die Partner/in betreut zu werden –
für fast die Hälfte ist das sehr wünschenswert. Zu Hause bleiben mit mobiler Pflege liegt an
zweiter Stelle (35% sehr wünschenswert), gefolgt von privaten oder betreuten Senior/innenWG-Formen (29% bzw. 28%) und einer 24-Stunden-Betreuung zu Hause (24%). Gleichauf liegen, für 20 Prozent sehr wünschenswert, die Betreuung zuhause durch Freund/innen und
Bekannte sowie die Betreuung durch ein Familienmitglied. Am wenigsten wird die Pflege in
einem Wohnheim favorisiert (8%). Diese Präferenz der Betreuungsformen zieht sich quer
durch alle Formen der Orientierung.
Eine Bandbreite von verschiedenen Pilot-Angeboten und -projekten wäre mittelfristig wichtig, um diese unterschiedlichen Bedürfnisse und Bedarfe abzudecken. Der Grad der Durchmischung bzw. Exklusivität kann dabei variieren, um die unterschiedlichen Generationen von
LGBT-Personen zu berücksichtigen. Als wesentlicher Aspekt wird die Leistbarkeit von künftigen Angeboten von den Respondent/innen in der Befragung betont. Eine öffentliche Förde-
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rung in Form von genossenschaftlichem Wohnraum oder in Form von Baugruppen wird diesbezüglich bejaht.
Diversität als Thema für den Ausbildungs- und Personalbereich
Sowohl in der Literatur als auch in den Expert/innengesprächen wurde die Bedeutung einer
besseren Schulung und Sensibilisierung von Pflege- und Betreuungspersonal in der
Ausbildung betont. Hier wird als Ergebnis der Befragung insofern ein sehr konkreter Auftrag
formuliert, als nahezu alle Befragten von der momentanen Betreuungssituation keine
Diskriminierungsfreiheit erwarten. Besonderer Aufklärungsbedarf besteht hierbei zum
Thema Transidentität. Ein wesentlicher Schritt wäre die Integration von LGBT-Themen in die
Ausbildung von Altenpflege- und Heimhilfeberufen. Dies besteht in Wien im Bereich der
Krankenpflegerausbildung bereits in Form einer von der Wiener Antidiskrimiminerungsstelle
für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen angebotenen Seminars. Eine
Übernahme für alle pflegerelevanten Berufsausbildungen wäre das Ziel; dafür müssten
entsprechend Ressourcen bereitgestellt werden.
In Bezug auf den Personalbereich kann eine „gay-friendly“-Betreuungsschiene für einen
Anbieter bewirken, dass sich Pfleger/innen und Heimhelfer/innen, die selbst schwul-lesbisch
sind
und
gerne
mit
LGBT-Personen
arbeiten
würden,
eher
bewerben.
Diese
Mitarbeiter/innen können für Klient/innen eingesetzt werden, denen eine spezifische
Betreuung/Pflege am liebsten ist: Immerhin 30 Prozent der schwulen Befragten würden von
einem schwulen Mann betreut werden wollen; 20 Prozent der lesbischen Befragten von
einer lesbischen Frau und gut 20 Prozent der Transgender-Personen von einem TransMann/einer Trans-Frau.
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Literaturverzeichnis
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