Skript zur Vorlesung Aufbau technischer Werkstoffe Prof. Dr.-Ing. H.-J. Christ Fakultät IV, Department Maschinenbau Lehrstuhl für Materialkunde und Werkstoffprüfung Universität Siegen 2 Inhalt 1. Bindung der Atome im Festkörper ................................................................. 6 1.1 Ionenbindung ........................................................................................... 7 1.1.1 Quantitative Behandlung der Gitterenergie im Gitterkristall ............ 8 1.1.2 Experimentelle Überprüfung der berechneten Bindungsenergie.... 15 1.1.3 Stabilität der Strukturen, Ionenradienverhältnis ............................ 17 1.2 Die kovalente (homöopolare) Bindung .................................................. 19 1.3 Die metallische Bindung ......................................................................... 24 1.3.1 Typische Eigenschaften der Metalle ............................................... 24 1.3.2 Legierungsmischkristalle................................................................. 25 1.4 Van-der-Waals- Bindung ........................................................................ 29 1.5 Die Wasserstoffbrücken – Bindung ........................................................ 32 2. Grundzüge der Elektronentheorie der Metalle ............................................. 34 2.1 Die klassische Elektronentheorie (Druck, Lorenz) .................................. 34 2.2 Einfache quantenmechanische Betrachtung .......................................... 36 2.3 Zustandsdichte, Fermiverteilung ............................................................ 38 2.4 Das Bändermodell, Energielücken .......................................................... 40 3. Grenzflächen ................................................................................................ 43 3.1 Übersicht ............................................................................................... 43 3.2 Die Energie von Grenzflächen ................................................................ 43 3.3 Fremdatomadsorption an Grenzflächen ................................................ 48 3.4 Gekrümmte Grenzflächen ...................................................................... 48 3.5 Grenzflächenbestimmte Gleichgewichtsformen .................................... 50 4. Thermodynamik der Legierung..................................................................... 53 4.1 Zielsetzung, Vorgehensweise ................................................................. 53 4.2 Grundbegriffe ........................................................................................ 53 3 4.3 Molare spezifische Wärme ..................................................................... 55 4.4 Phasengleichgewicht in Einstoffsystemen .............................................. 57 4.5 Mehrstoffsysteme .................................................................................. 60 4.5.1 Mischungsgrößen ........................................................................... 60 4.5.2 Ideale und nichtideale Lösung ........................................................ 62 4.5.3 Methode zur Bestimmung partieller molarer Größen..................... 64 4.6 Modell der regulären Lösung für binäre Mischphasen ........................... 67 4.6.1 Das Modell ..................................................................................... 67 4.6.2 Berechnung der integralen molaren Mischungsenthalpie .............. 68 4.6.3 Bestimmung der Mischungsenthalpie ππ ...................................... 69 4.7 Die freie Enthalpie der Mischung πΊπ .................................................... 71 4.8 Phasengleichgewicht und Zustandsdiagramm ....................................... 73 4.8.1 Gleichgewichtsbedingungen ........................................................... 73 4.8.2 Mischungslücken ............................................................................ 74 4.8.3 Löslichkeitslinien ............................................................................ 74 4.8.4 Eutektische Systeme ....................................................................... 76 5. Atomare Fehlstellen im Kristall..................................................................... 77 5.1 Übersicht: Klassifizierung, Bedeutung für Diffusion ............................... 77 5.2 Messverfahren ....................................................................................... 78 5.3 Gleichgewichtskonzentration atomarer Fehlstellen ............................... 80 5.3.1 Einfache Leerstellen (Kennzeichnung:1v) ......................................... 80 5.3.2 Leerstellenpaare (Doppelleerstellen) .............................................. 81 5.3.3 Wechselwirkung zwischen Leerstellen und Fremdatomen ............. 82 5.3.4 Fehlstellenkonzentration in stöchiometrischen Verbindungen ....... 82 5.3.5 Einfluß von mechanischem Druck ................................................... 83 5.4 Thermisch aktivierte Fehlstellenwanderung durch Platzwechsel ........... 84 6. Diffusion ....................................................................................................... 89 6.1 Ficksche Gesetze .................................................................................... 89 4 6.2 Lösungen für konstanten Diffusionskoeffizient ...................................... 90 6.3 Diffusion durch Leerstellenmechanismus .............................................. 92 6.4 Chemischer Potentialgradient als Triebkraft der Diffusion ..................... 94 6.5 Korrelationseffekt .................................................................................. 95 6.6 Elektrischer Potentialgradient als Triebkraft .......................................... 96 6.7 Kirkendall – Effekt .................................................................................. 97 5 Literatur: ο· Vollertsen, Vogler, Werkstoffeigenschaften und Mikrostruktur ο· Cottrell, An Introduction to Metallurgy ο· Porter, Easterling, Sherif, Phase Transformations in Materials and Alloys ο· Haasen, Physikalische Metallkunde ο· Gottstein, Physikalische Grundlagen der Materialkunde ο· Mehrer, Diffusion in Solids ο· uvm 6 1. Bindung der Atome im Festkörper Frage: -Was bestimmt die (Gitter-)Struktur? -Was hält die Gitterbausteine zusammen? Aufgrund der Festigkeit bzw. Härte vieler Festkörper kann man schließen, dass erhebliche Kräfte wirken. Bindungskräfte halten die Bausteine zusammen. Es bedarf eines großen Energieaufwandes, um die Bausteine voneinander zu trennen. Man spricht von Bindungs- oder Gitterenergie. Dies ist die Energie, die zur Abtrennung neutraler Atome (Ionen) aus dem Festkörper bei T=0K aufzuwenden ist. Oder präziser: Bindungsenergie ist die Differenz zwischen der Energie der Atome/Ionen im Festkörper und der Energie der freien Atome/Ionen (unendlicher Abstand). allgemein: Energiedifferenz = Energie des Endzustands – Energie des Anfangszustands Einheiten: bzw. ü bzw. 1 cal = 4,2 J 1 eV = 3,85 β 10-23 kcal = 1,6 β 10-23 kJ Loschmidt – Zahl: N = 6,022 β 1023 1 ü ≈ 100 Da bei der Bindungsenergie eine Energieerniedrigung vorliegt, sind alle Bindungsenergien negativ definiert. Alle Bindungsarten beruhen letztendlich auf einer elektrischen Anziehungskraft, wie sie auch zwischen dem positiven Atomkern und der Elektronenhülle wirkt. Allerdings tritt sie in unterschiedlichen Formen auf, mit fließenden Übergängen. 7 Formen der Bindung: - Van der Waals-Bindung ο - Kovalente Bindung - Metallische Bindung - Ionenbindung } Sehr schwache Bindung Niedriger Schmelzpunkt Starke Bindung, Hoher Schmelzpunkt > 1000k Mischformen: - Keramik: Ionen-Bindung (u. kovalente Bindung) - Metalle: Metallische Bindung (u. kovalente Bindung) M Leitfähige Polymere Halbleiter V P Supraleiter K Silikone Zusammenhang von Werkstoffgruppen und Bindungstypen M: Metalle → metallische Bindung K: Keramik → kovalente Bindung P: Polymere → Kettenmoleküle V: Verbundwerkstoff → 1.1 Ionenbindung Kombination 8 Die Ionenbindung ist besonders gut geeignet für quantitative Berechnungen. Sie beruht auf der Differenz der Elektronegativität, d.h. dem Bestreben eines Atoms Elektronen aufzunehmen (oder abzugeben), um die Edelgaskonfiguration zu erhalten. Beispiele: Na11: 1s22s22p63s1 ο Na+ : [1s22s22p6]++eCl17 : 1s22s22p63s23p5+e- ο Cl- : [1s22s22p63s23p6]oder: Li3 : 1s22s1 ο Li+ : [1s2]++eF9 : 1s22s22p5+e- ο F-[1s22s22p6]- Aber: Um die Ionen herzustellen, muss Energie aufgewandt werden: z.B.: Na+: Energieaufwand/Ionisierungsenergie: 5,14 eV Cl-: Elektronenaffinität wird frei: -4,02 eV Gesamter Energieaufwand: +1,12 eV Allerdings muss noch berücksichtigt werden, dass die unterschiedlich geladenen Ionen sich anziehen. Durch die Coulomb-Kraft rücken die Ionen zusammen, die Kraft leistet Arbeit, die potentielle Energie wird erniedrigt. 1.1.1 Quantitative Behandlung der Gitterenergie im Gitterkristall 9 a) Anziehung, Coulomb-Energie Coulomb-Kraft zwischen zwei Ionen der Ladung Q1 und Q2 Vektoriell: F= Betrag: F= ∗ ∗Ζ ∗ ∗Ζ ∗ ∗ ∗ ∗ ∗| ∗ Μ Μ | mit π = π§ ∗ π, π = π§ ∗ π Ζ (Dielektrische Feldstärke) = 8,854 ∗ 10 π§ = Wertigkeit des I-Ions π = Elektronenladung π = Ionenabstand Bei NaCl und LiFi: π§ = −π§ = 1 Gewinn an Energie bei Annäherung aus ∞: gilt für ein Ionenpaar: ππΈ πΈ =+ = −πΉππ 1 π 1 π ∗ ππ = − ∗ 4∗π∗Ζ π 4∗π∗Ζ π =− 1 π ∗ <0 4∗π∗Ζ π Die Ionenbindung hat eine große Reichweite (1/r Abhängigkeit) und macht die Einbeziehung der weiterentfernten Nachbarn erforderlich. Betrachtung für einen Kristall: 2N Ionen; N-Ionenpaare; N = NL (1mol) 10 πΈ =− 1 4∗π∗Ζ + 1 2 ± π π Vermeidung von Über die Doppelsumme wird einmal über alle auftretenden Abstände von einem Ion aus summiert, zum anderen über alle Ionen im Kristall. Durch den Faktor wird die Doppelzählung der Ionenpaare ausgeglichen. πΈ = 1 2π ∗ ∗ −4 ∗ π ∗ Ζ 2 ± π π π =π ∗π π ist Vielfaches von π , dem Abstand nächster Nachbarn πΈ =− ππ 4∗π∗Ζ π ± 1 ππ =− ∗π π 4∗π∗Ζ π M : Madelungzahl, π = ∑ ± Sie ist eine reine Zahl (Konstante) und hängt nur von der Kristallstruktur ab. M=1 heißt: kein energetischer Unterschied zwischen Einzelpaaren und Kristall! Beispiel: NaCl Im Zentrum des Kristallsystems sitzt ein Na+ 11 Nachbartyp 1 Zahl 6Cl- Abstand π Kraft Anziehend 2 12Na+ √2π Abstoßend 3 8Cl- √3π Anziehend 4 6Na+ √4π Abstoßend … … Ζ … =− π 4 ∗ π ∗ Ζ0 π 0 … Bindungsenergie πΈ … π 6 ∗ 4∗π∗Ζ π 1 π 12 =+ ∗ 4 ∗ π ∗ Ζ π √2 π 8 =− ∗ 4 ∗ π ∗ Ζ π √3 π 6 =+ ∗ 4 ∗ π ∗ Ζ π √4 =− 6 12 8 6 − + − +β― 1 √2 √3 √4 Die Reihe für die Madelung-Konstante konvergiert schlecht. Zur Berechnung gibt es besondere Verfahren. Man erhält: - ZnS (Wurzit, hexagonal) ZnS (Zinkblende, kubisch) CsCl NaCl π π π π = = = = 1,64 1,6381 1,76267 1,747558 ο° Kristalliner Zustand ist im Vergleich zum Molekül mit deutlich geringerer Energie verbunden, d.h. ist energetisch günstiger. Beim Aufbau des Ionenkristalls wird immer Energie freigesetzt. Die Verdampfung des Kristalls zu einem aus Ionen bestehenden Gas erfordert Energiezufuhr. Berechnet man die Gitterenergie aus πΈ für π = π , so erhält man etwa einen 10% zu hohen Wert. Der Grund ist, dass diesem Vorgehen die implizite Annahme zugrunde liegt, dass bei π = π eine abstoßende Wechselwirkung abrupt einsetzt. Bisher: Ionen sind „Hard spheres“ (harte Kugeln) 12 E r0 r b) Abstoßungspotential mit kurzer aber endlicher Reichweite Ursache ist die Überlappung der Elektronenschalen. Die Reichweite ist im Wesentlichen durch den nächsten Nachbarn bestimmt. Ansätze: Born-Lande: Born-Mayer: πΈ πΈ = = π΄π Merkmale: 2 Parameter; positiv Hinweis: Anders als bei der Coulombenergie ist die abstoßende Wechselwirkung so kurzreichweitig, dass sie sich auf die nächsten Nachbarschaften beschränkt. Man erhält: πΈ (π) = πΈ + πΈ 13 Eges r r0 EB z.B. für Born-Lande: (π) = π − πΈ 4∗π∗Ζ0 π + Bestimmung von B und n aus experimentellen Größen. Gesucht: Gleichgewichtsabstand π = 0 ο d.h. Kräftefreiheit im Minimum ππ 4 ∗ π ∗ Ζ0 π π΅= Einsetzen in πΈ − π΅ =0 π ππ π 4 ∗ π ∗ Ζ0 π (π) liefert für die Gitterenergie πΈ : πΈ = πΈ =− πππ 4 ∗ π ∗ Ζ0 π 0 1− 1 π Analoge Berechnung für das Born-Mayer-Potential liefert: πΈ =− πππ 4 ∗ π ∗ Ζ0 π 0 1− π π0 Bestimmung (z.B. von n) über dem Kompressionsmodul: 14 βπ = −πΎ ∗ πΎ = −π ∗ βπ π ππ 1 = ππ π π: Kompressibilität K: Kompressionsmodul ππΈ = −πππ π=− → 1 π ππΈ ππ =πΎ=π π πΈ ππ Beispiel NaCl: 1πππ β 2π Ionen π = 2π π ππΈ ππΈ ππ ππΈ 1 = ∗ = ππ ππ ππ ππ 6π π π πΈ =β― ππ Ergebnis: π =1+ ∗ ∗ ∗Ζ0 ο¨ Berechnung von πΈ ! Hinweis: - Elastische Konstanten werden von der Krümmung der πΈ bestimmt - Sind nicht konstant! (π)-Kurve 15 1.1.2 Experimentelle Überprüfung der berechneten Bindungsenergie Die Gitterenergie kann nun berechnet werden. Die experimentellen Werte können indirekt über den Born – Haber – Zyklus ermittelt werden: Born – Haber – Zyklus: Sublimationswärme πΏ ππ(πππ π‘) + 1/2πΆπ (πΊππ ) ππ(πΊππ ) + πΆπ (πΊππ ) ½ Dissotiationsenergie π· Ionisationsenergie πΌ Bildungsenthalpie βπ» Elektronenaffinität πΈ Gitterenergie ππ + πΆπ (πΊππ ) πππΆπ(πππ π‘) πΈ = −7,9ππ Zahlenwerte: [eV] βπ» =πΏ 1 + π· 2 +πΌ 1. 1. 2. 3. +πΈ +πΈ 4. −4,25 = 1,13 + 1,21 + 5,12 − 3,77 − 7,94 1. 2. 3. 4. Kaloriemetrisch Diss.-Konst. πΎ(π) Ionisierungsmessung, z.B. Photoeffekt Ionisierungsenergie des neg. Ions πΌ → 16 Tabelle: π¬π© Verbindung πΏππΆπ πππΆπ πΎπΆπ π ππΆπ πΆπ πΆπ Berechnet 8,4 8,0 7,1 6,9 6,5 Gute Übereinstimmung! Experimentell 8,6 7,9 7,1 7,0 6,7 17 1.1.3 Stabilität der Strukturen, Ionenradienverhältnis Wichtig für die Stabilität einer Struktur ist, dass die Energie die denkbar niedrigste ist. Dafür sind maßgeblich: - hohe Koordinationszahl (d.h. hohe Madelungzahl) - kleines π (d.h. hohe Coulombenergie) Möglichkeit für die Anordnung der Ionen in π΄ π΅ -Kristallen: πΆπ πΆπ- Kristallstruktur (krz) → 8 nächste Nachbarn → 6 a0 πππΆπ- Kristallstruktur (kfz) nächste Nachbarn x x x x x x x x x x x x x x πππ- Kristallstruktur (Diamant) → 4 nächste Nachbarn Um zu verstehen, wieso eine bestimmte Verbindung in einer bestimmten Struktur kristallisiert, betrachteten Goldschmidt, Panding die Radienverhältnisse im Modell starrer Kugeln. 18 Der Ionenabstand ungleicher Ionen soll so klein wie möglich sein, da dann die Bindungsenergie am größten ist, d.h. die positiven und negativen Ionen sollten sich berühren. Entscheidend für die Kristallstruktur nach Goldschmidt, Panding ist das Radienverhältnis: π π = π π Beispiel NaCl-Struktur: (001) – Ebene Berührung zwischen ungleichen Ionen (Anion ist größer als Kation) π =π +π → günstig! → energetisch ungünstig! Berührung gleicher Ionen π +π = (2π ) π = √2π Grenzfall: Berührung von gleichen und ungleichen Ionen π =π +π π + π = √2π π = √2π 1+ = √2 = √2 − 1 π √2 + 1 = π √2 − 1 √2 + 1 =√2 + 1 = π, ππ → Die NaCl – Struktur wird ungünstig, wenn sich nur gleiche Ionen berühren würden. Dies wäre der Fall für: π > 2,41π Entsprechend kann man zeigen, dass die CsCl – Struktur ungünstig wird, wenn: 19 π > 1,37 π Ebenso gilt für die ZnS-Struktur, dass diese ungünstig wird, wenn: π > 4,45 π Insgesamt erwartet man also: π < 1,37 π CsCl KZ8 1< NaCl KZ6 1,37 < π < 2,41 π ZnS KZ4 2,41 < π < 4,45 π Beispiele ZnS, BeO: ZnS-Struktur NaCl, MgO, FeO, NiO: NaCl-Struktur CsCl, BaO: CsCl-Struktur Merke! →1:1–Ionenkristalle sind meist vom Typ NaCl 1.2 Die kovalente (homöopolare) Bindung Im Gegensatz zur Ionenbindung handelt es sich um eine Bindung zwischen gleichartigen oder ähnlichen Atomen. Sie trifft auf bei Stoffen mit hohem 20 Schmelzpunkt, d.h. großer Kohäsionsenergie. Häufig handelt es sich um Halbleiter oder Isolatoren. Mit kleiner werdendem horizontalem Abstand im Periodensystem wird die Differenz der Elektronegativität geringer. Dies entspricht einer zunehmenden Entfernung von der Edelgaskonfiguration und einer geringeren Tendenz zur Lokalisierung der Elektronen bei einem der Ionen. Gleichzeitig nimmt die Tendenz zur Bildung gemeinsamer Elektronenpaare zu. Bilden 2 Atome nur ein gemeinsames Elektronenpaar, so ergeben sich kovalent gebundene Moleküle (z.B. H ). Bilden sich mehrere Elektronenpaare zur Erreichung einer edelgasähnlichen Konfiguration, so ergibt sich ein Gitter. Da die Elektronenwellenfunktionen lokalisiert sind, ist die lokale Bindung stark gerichtet. Maßgeblich ist deshalb die günstige Richtung und nicht die dichteste Packung. Für die Koordinationszahl gilt die π = 8 − π Regel da (π − π) + 2π = 8 (π ≥ 4) Wasserstoff: π = 2 − π N: Zahl der überzähligen Elektronen pro Atom (gilt für H mit π = 2 − π, da KSchale nur 2 Elektronen aufnehmen kann!) Wichtig ist: π = 4 π=3 → C (Diamant), Ge, Si; (π = 8 − 4) →Arsen; (π = 8 − 5) Typische Vertreter: Diamant (C), Ge, Si β ’ - β € Halbleiter: InSb, GaAs (4π 4π )(4π 4π ) Wichtig ist die Hybridisierung der s- und p-Elektronen, verbunden mit der Bildung von Tetraedern mit geringer Raumerfüllung (z.B. 0,34 beim Diamant) im Gegensatz zur dichtesten Packung (0,74). 21 Beispiel: Kohlenstoffatom 1π 2π 2π → 1π 2π 2π Vier Valenzelektronen Das Kohlenstoffatom müsste eigentlich 2 – wertig sein. Tatsächlich tritt jedoch beim Zusammentreffen mit einem Bindungspartner Hybridisierung ein. Freies C-Atom: Grundzustand: hybridisierter Zustand: 2s2 2py 2px Grundzustand 2π 2π Hybridisierter Zustand 4π π - Orbitale 22 Die Anregung erfordert 4eV, aber der Gewinn ist viel höher aufgrund der hohen Bindungsenergie, die frei wird. Die 4π π -Hybridorbitale ordnen sich streng gerichtet, von C-Atomen ausgehend, unter dem Valenzwinkel von 109,5°. Die Elektronenpaare sind zwischen den Atomen lokalisiert mit antiparallelem Elektronenspin! Beispiel: Kohlenstoffbindung im Diamantgitter πΆπ» − Molekül π» − Molekül, theoretisch sehr gut zu verstehen Molekularbitaltheorie liefert: E E σ*1s 1s 1s σ1s 0 -3eV Bindungsenergie: spinabhängige Coulombenergie (Austauschenergie) 23 Triplettzustand: -Spin parallel -antibindend Singulettzustand: -Spin antiparallel -bindend → - Elektronen sind bevorzugt zwischen den Atomen! - Die Spins sind ↑↓! Hinweis: Zwischen den Grenzflächen ionischer und kovalenter Bindung, gibt es fast einen kontinuierlichen Übergang, d.h. z.B. kovalente Bindung mit ionischem Anteil. Beispiele: Bπ 2π 2π 2π 2π πΊππ΄π πππ Hochschmelzend, sehr hart! Bereits erwähnt (πππ ) Mit Grundbaustein der Silikate Tetraeder kristallinen 24 1.3 Die metallische Bindung 1.3.1 Typische Eigenschaften der Metalle ο· Metalle sind Elektronenleiter (Tolman-Experiment) (Es liegen freie Elektronen vor.) ο· Metalle zeigen Tendenz zur dichtesten Packung ο· Metalle sind gut verformbar, besitzen hohe thermische Leitfähigkeit und hohes Reflexionsvermögen ο· Bindungsenergie variiert stark, von ca. 1ππ (Alkalimetalle) bis 15ππ (Übergangsmetalle) ο· Bei π < 4 sind keine abgesättigten kovalenten Strukturen (Isolatoren) möglich ο· Metalle besitzen weniger als 4 Außenelektronen Potentialtrichtermodell: Freie E Atom 3s 2p + 2 Atome + viele Atome + + + + Die Energieniveaus der Elektronen der äußeren Schalen spalten sich wegen der Überlappung in eng benachbarte Niveaus, auf die ein Band bilden, das nur teilweise besetzt ist und somit Stromtransport ermöglicht. Die Elektronen des „Elektronengases“ gehören zu allen Atomen, sie sind nicht lokalisiert. Daher ist die Bindung ungerichtet. Sie existiert aus der Wechselwirkung des Elektronengases mit den lokalisierten Atomrümpfen! → Tendenz zur dichtesten Packung kfz: 74% dichtest gepackt, KZ: 12, (Stapelfolge ABC, ABC, …) hex: 74% dichtest gepackt, KZ: 12, (Stapelfolge ABABAB…) 25 Krz: 68%, KZ: 8 Beispiele: 1) Alkalimetalle: 1 Elektron pro Atom im Elektronengas. Die positiven Ionen sind eingebettet im „See“ aus negativen Ladungen! 2) Übergangsmetalle: zusätzliche Bindungskräfte durch Bindungsenergie wegen innerer ungefüllter d-Schalen hohe Kennzeichnung der metallischen Bindung: Abgabe der Valenzelektronen an gemeinsamen „Pool“ (Elektronengas, Fermisee, Leitungsband) → In diesem Sinne handelt es sich um einen „Extremfall der kovalenten Bindung“ Eine besondere Eigenschaft der Metalle ist ihre Fähigkeit zur Legierungsbildung. Im Wesentlichen gibt es zwei Arten: 1) Legierungsmischkristalle 2) Intermetallische Verbindungen 1.3.2 Legierungsmischkristalle a) Substitutionsmischkristalle - lückenlose Mischkristallreihe: Beispiel: Ag / Au Cu / Ni Cr / Mo Atomradien [ππ] 0,144 / 0,144 0,128 / 0,125 0,125 / 0,136 kfz / kfz kfz / kfz krz / krz 26 - begrenzte Mischbarkeit: Beispiel: Cu – Zn Ni – Ag 0,128 / 0,133 0,125 / 0,144 kfz / hex kfz / kfz Daraus ergeben sich als Gesetzmäßigkeiten, dass 1) gleiche Gitterstruktur und 2) ähnliche Atomradien, eine Voraussetzung für Mischbarkeit sind! Regeln von Hume-Rothery für Strukturen in binären Legierungen 1) Voraussetzung für gute Löslichkeit ist, dass sich die Atomgröße um nicht mehr als 15% unterscheidet: 1≤ π ≤ 1,15 π Sonst wird der Gewinn an Energie durch Lösung von dem Aufwand an Verzerrungsenergie überkompensiert. Für unbegrenzte Löslichkeit gilt: 1≤ π ≤ 1,08 π 27 2) Unbegrenzte Löslichkeit ist nur bei Elementen gleicher Gitterstruktur zu erwarten → Beispiele: Cu / Ni (binär) Ag - Au – Pt (ternär) 3) Die Löslichkeit zweier Metallatomsorten nimmt ab mit zunehmender chemischer Affinität der beiden Atomsorten (unterschiedliche Elektronegativität). Bei großer Affinität kommt es zur Bildung charakteristischer Verbindungen π΄ π΅ mit ionischem Bindungsanteil. 4) Bedeutung der Valenzelektronenkonzentration (VEK) ππΈπΎ = ππβπ πππ ππππππ§ππππππ‘πππππ ππβπ πππππ π΄π‘πππ Bei bestimmten VEK treten intermetallische Verbindungen bestimmter Zusammensetzung und Kristallstruktur auf (sog. Elektronenphasen). Bei Legierungen zweier Metalle verschiedener Wertigkeit ändert sich die VEK. Mit zunehmender VEK kommt es zu einer bestimmten Aufeinanderfolge der Phasen / Strukturen. Bekanntestes Beispiel für Hume-Rothery Phasen: Cu – Zn: πͺπ kfz πΆ − π΄ππππππ kfz bis 38% Zn VEK 1 … 1,384 Cu: 1-wertig Zn: 2-wertig πͺπππ πͺππ πππ β γ (krz) (kompl. kub.) El. Zelle … 1,5 … 1,65 πͺππππ ε (hdp) ππ hdp 1,75 2 28 Zu den am häufigsten vorkommenden intermetallischen Verbindungen gehören die Laves-Phasen: - πππΆπ’ (kubische Struktur) - ππππ , ππππ (hexagonale Struktur) Wesentlich für solche Strukturen vom Typ π΄π΅ ist: π π = 1,225 Dadurch wird eine sehr dichte Packung erreicht, mit einer mittleren Koordinationszahl 13,3! Typische Merkmale: - spröde bei Raumtemperatur - hohe elektrische Leitfähigkeit b) Einlagerungsmischkristall Voraussetzung ist hier, dass im Grundmetall Lücken ausreichender Größe sind, in denen kleine Atome, vor allem Nichtmetallatome (Metalloide) auf Zwischengitterplätzen eingelagert werden können: Bedingung: π π ≤ 0,59 für begrenzte Löslichkeit! Dies ist meist erfüllt bei C, N, B, O → einfache Strukturen! Mit abnehmender Temperatur erfolgt eine starke Abnahme der Löslichkeit, bedingt durch den Rückgang der Gitterschwingungen. α) technisch unerwünschter Effekt: Durch Zuführung thermischer (oder mechanischer) Energie kann im Falle des πΎ − πΉπ (πππ§) eine Übersättigung mit N-Atomen erfolgen. Beim Abkühlen entsteht ein Verzerrungszustand, es kommt zur Ausscheidung von Eisennitriden (Ausscheidungshärtung) und zu einer Versprödung des Stahls (Alterung!) 29 Grund: N blockiert Versetzungen! β) technisch erwünschter Effekt: Stahlhärtung: πππ πΆ − ππ: geringe Kohlenstofflöslichkeit; π π ≅ 0,63 > 0,59 bei π π: 10 π πππ πΈ − ππ: löst bis zu 2% C bei hohen Temperaturen; gelöst auf oktaedrischen Lücken. π΅ππ πππππ ππππ π΄ππüβππ’ππ kommt es nach der Phasenumwandlung πΎ → πΌ zur Ausscheidung von πΉπ πΆ (Zementit). Dagegen bleibt der Kohlenstoff bei rascher Abkühlung auch im πππ§ − Gitter (α) zwangsgelöst. Es bildet sich Martensit (tetragonal verzerrte krz Elementarzelle). → große Härte (Stahlhärtung) Abkühlung muss so rasch erfolgen, dass der Kohlenstoff keine Zeit zur Diffusion und πΉπ πΆ − Bildung hat. 1.4 Van-der-Waals- Bindung Van-der-Waals-Kristalle sind aus Bausteinen (Atomen, Moleküle) aufgebaut, die keine freien Valenzen mehr besitzen und somit keine Hauptvalenzbindung eingehen können. Beispiele: Edelgaskristalle → kfz: π»π, ππ, π΄π, πΎπ, ππ Molekülkristalle → π , π½ , πΆπ Organische Kristalle → πΆπ» Betrachten wir ein Edelgasatom, dann gilt für dieses: 1) Die Ionisierung ist aufgrund der geschlossenen Elektronenschalen sehr groß, z.B. bei Argon πΌ ≈ 15 ππ 2) Es liegt eine kugelsymmetrische Ladungsverteilung ohne permanentes elektrisches Dipolmoment vor. Wäre diese Ladungsverteilung absolut starr, gäbe es keine Wechselwirkung. Dennoch kommt es zu einer Wechselwirkung induzierter elektrischer Dipolmomente, wie die folgende halbquantitative Betrachtung zeigt: 30 Wir betrachten 2 Atome! Die kreisenden Elektronen des Atoms 1 erzeugen ein zeitabhängiges elektrisches Feld πΈβ (π‘) am Ort des Atoms 2. Dieses Feld ist gegeben durch πΈβ(π‘) = πβ(π‘) π β: Elektrisches Dipolmoment des Atoms 1 π πΈβ (t): Elektrische Feldstärke und induziert im Atom 2 wegen der Polarisierbarkeit α ein Dipolmoment π β(π‘) = πΌπΈβ(π‘). Die potentielle Energie dieses Dipolmomentes π β im Feld πΈβ ist: πΈ (π) = −π β ∗ πΈβ = − πΌπ (π‘) π Nun gilt zwar 〈π (π‘)〉 = 0, nicht jedoch 〈π (π‘)〉 = 0! sondern π (π‘) ≠ 0 Also ist πΈ < 0 und ~ → bindendes Poten al, welches schwach ist und stark mit r abfällt! Wenngleich dieses Ergebnis halb klassisch einzusehen ist, so handelt es sich tatsächlich um einen Quanteneffekt. Man beschreibt die gesamte Wechselwirkungsenergie zweier Edelgasatome mit dem Lennard-Jones-Potential: πΈ = 4π π π − π π Es ist anharmonisch und sehr flach, daher erklärt es: - eine geringe Bindungsenergie 31 - große Kompressibilität - niedrigerer Schmelzpunkt Die Gitterenergie erhält man durch aufsummieren über alle Atompaare (ähnlich wie bei Ionenkristallen), die Reihen konvergieren jedoch besser. Man erhält für den Gleichgewichtsabstand: kfz: = 1,09; πΈ = −8,06π E r/σ 1 Somit beschreibt σ ungefähr die Reichweite des abstoßenden Potentials und E bestimmt die Größe der Bindungs-, Gitterenergie. Der Beitrag der Abstoßungsenergie ist 6 mal größer als bei Ionenkristallen! Die Bindungsenergie ergibt sich theoretisch aus πΈ = −8,6 ∗ π ππ π π ππ π΄π‘ππ πΈ πΈ . π΄π πΎπ ππ 1,14 -0,02 1,11 -0,08 1,10 -0,116 1,09 -0,17 -0,027 -0,089 -0,12 -0,172 Außer bei den Edelgaskristallen ist die Van-der-Waals-Bindung wichtig bei Molekülkristallen: - Festes πΆπ» . Die πΆπ» - Moleküle sind in sich kovalent gebunden (π π Hybridisierung), untereinander durch Van-der-Waals Kräfte - π , π½ , πΆπ Interessant sind die Bindungsverhältnisse im Graphit mit seiner Schichtstruktur. 32 0,246nm (Durch kovalente Bindung bestimmt) 0,67nm (Durch von der Waals Bindung) In der Schicht eines jedes C-Atom mit 4 Valenzelektronen 3 nächste Nachbarn. Aufgrund einer nichtlokalisierten Doppelbindung bleibt immer ein freies Elektron, das die elektrische Leitfähigkeit in der Schichtebene vermittelt. Wegen der schwachen Van-der-Waals-Bindung zwischen den Schichten lässt sich Graphit leicht spalten und parallel zu den Schichten scheren. Wegen letzterer Eigenschaft ist Graphit als Schmiermittel geeignet. 33 1.5 Die Wasserstoffbrücken – Bindung Zum Schluss sei noch auf eine weitere Nebenvalenzbindung hingewiesen: Die Wasserstoffbrückenbindung. Sie hat einen stark ionischen Charakter und führt zu Bindungsenergien von ca. 0,2 ππ. Das Wasserstoffatom gibt sein eines Elektron „gleichzeitig“ an zwei Atome stark entgegengesetzter Elektronegativität ab. Wichtiges Beispiel: Eis Wasser O H O H + H O H + O H H H H H O 34 2. Grundzüge der Elektronentheorie der Metalle 2.1 Die klassische Elektronentheorie (Druck, Lorenz) Modell „Freie Elektronen“ bewegen sich zwishcen den ionisierten Atomrümpfen und vermitteln elektrische Leitfähigkeit: Die Leitungselektronen bilden das Elektronengas; Ähnlich zu Gas (kinet. Gastheorie) - ohne elektrisches Feld + mit elektrischem Feld → Joulsche Wärme βΘ· = π ∗ π ∗ π£ β = π ∗ πΈβ Elektrische Stromdichte: Mit π = Dichte freier Elektronen π£ β = Driftgeschwindigkeit π = el. Leitfähigkeit πΈβ = el. Feld Berechnung von π£ β: π ππ£β = ππΈβ ; π = ππ‘πßπ§πππ‘ ππ‘ π£(π‘) = ππΈ ππΈ ∗ π‘ ππ‘′ = π π 35 ππΈ ∫ π π‘ ∗ ππ‘′ π ∗ πΈ ∗ π π£ = π£Μ = = 2π ∫ ππ‘ V VD τ ∗ π= ∗ πΈ bzw. π = mit π = → π= ∗ T ∗ l= mittlere freie Weglänge ∗ ∗ Genauere Lösung ohne Quotient 2, da zusätzlich wirkende Reibungskraft berücksichtigt wird! Damit lässt sich erklären: a) Hohe elektrische Leitfähigkeit der Metalle b) Wiedemann-Franzsches Gesetz: π = ππππ π‘. π π c) Tolman-Effekt: rasches Abbremsen → el. Spannungsstoß Abgesehen von zahlenmäßigen Ungenauigkeiten, führt die klassische Elektronentheorie zu einem unüberbrückbaren Widerspruch: 36 Spezifische Wärme des freien Elektronengases: Gemäß kinetischer Gastheorie sollte gelten: = π π: (einatomiges Gas; π π pro Freiheitsgrad) (pro mol: π π) Beitrag zur spezifischen Wärme: Elektronengas: Gitteratome: π π 3 ∗ π (→3 quadratische Freiheitsgrade(Schwingung)) → Insgesamt: 4,5 R aber Widerspruch zu der Regel von Dulong und Petit! Man findet πΆ ≈ 3π (≈ 25 ) → elektrischer Anteil ist vernachlässigbar! Grund: Zulässige Energiezustände der Elektronen im Festkörper 2.2 Einfache quantenmechanische Betrachtung a) Dualismus: Welle ↔ Teilchen Nach de Broglie können wir für ein bewegtes Teilchen schreiben: Wellenlänge π = | β| = | β| β β 2π = ∗ = Δ§ πβ π 2π π Wellenzahlvektor |πβ| = πβ = (Maß für Impuls oder Geschwindigkeit) Für die kinetische Energie der Elektronen des freien Elektronengases erhält man: 1 1 π 1 πΈ = ππ£ = π = Δ§ π 2 2 π 2π 37 Ekin Parabolischer Zusammenhang! K b) Lösung der Schrödingergleichung für Teilchen im dreidimensionalem Kasten → Nur bes mmte Energieniveaus sind möglich Besetzt man alle möglichen Energieniveaus mit allen Elektronen bei 0K, so ergibt sich als Grenzenergie die Fermieenergie πΈ . Die mittlere Energie ist πΈ = πΈ Für die Grenzenergie (Fermienergie) gilt: πΈ = Δ§ (3π π ) 2π Mit n : Elektronendichte Typische Werte von πΈ : Metall Na Ag Cu πΈ (ππ) 3,23 5,48 7,00 Setzt man πΈ in Beziehung zu ππ, wobei π = 293πΎ (ππ ≈ πΈ β 5ππ ∗ 300πΎ = 60 000πΎ 1 ππ 40 → Entartetes Elektronengas, Entartungstemperatur → Klass. Theorie der spez. Wärme tri nicht zu! ππ), so sehen wir 38 2.3 Zustandsdichte, Fermiverteilung Für π ergibt sich aus dem Ansdruck für πΈ : π = √ πΈ / Zustandsdichte: Anzahl der Energieniveaus → = π(πΈ) = √ ∗ / √πΈ ππ : Zahl der Elektronenenergiezustände (pro Vakuum) im Energieintervall dE G(E) Einfluss der Temperatur muss noch berücksichtigt werden! Temperaturerhöhung: Auflockerung der Zustände unterhalb von πΈ ; mehr und mehr Elektronen erreichen Zustände höherer Energie (höherer πβ Wert). Die Besetzungsdichte bei beliebiger Temperatur ist πΉ(πΈ, π) = π(πΈ) ∗ π(πΈ, π) Besetzungswahrscheinlichkeit π(πΈ, π) = → Fermi-Dirac-Verteilung: 1 (πΈ − πΈ ) exp +1 ππ 39 πΈβ«πΈ : f(E,T) 0K EF F(E,T) π(πΈ, π) = π (Boltzmann) E 2kT E Damit können wir auch auf das Problem der spezifischen Wärme des Elektronengases zurück kommen: Die betroffenen Elektronen befinden sich überschlagsmäßig in einem Bereich π ∗ π in der Umgebung der Fermikante. Es handelt sich also um π ∗ π ∗ π(πΈ ) Elektronen/Volumeneinheit Energiezuwachs pro VE βπΈ = π ∗ π ∗ π ∗ π ∗ π(πΈ ) πΆ = Andererseits: πΆ → = ∗ = π ∗π (< 1%) πβπΈ = 2π π(πΈ ) ∗ π ππ 40 Fazit: Nur wenige Elektronen (in der Nähe von πΈ ) können Energie aufnehmen! 2.4 Das Bändermodell, Energielücken Das Modell des freien Elektronengases vermag die wichtigen elektronischen Eigenschaften der Metalle zu klären, es erklärt nicht, wieso die Metalle gute Leiter sind, dagegen andere Elemente oder Verbindungen Isolatoren oder Halbleiter. Wir hatten gefunden: πΈ= Δ§ E K Dabei gilt zusätzlich zu berücksichtigen, dass im Kristall die Elektronenwellen sich nicht ungehindert ausbreiten können, da sie an den Netzebenen reflektiert (gebeugt) werden! Konsequenz: Bei bestimmten k-Werten, die nicht erlaubt sind, macht die Energie einen Sprung: Verboten: π = E 2. verbotene Zone 1. verbotene Zone K 41 Modifikation der Zustandsdichte durch „verbotene Zonen“: G(E) E Zunahme von g(E) in der Nähe der Lücken! Energiebänder: G(E) ΔE E a) βE ≈ kT → Halbleiter b) βE β« kT → Isolator (keine beweglichen Ladungsträger) c) Leiter: Überlappung 42 Typisch für 1-wertiges Metall (erstes Band teilweise gefüllt) Typisch für 2-wertiges Metall (erstes Band fast gefüllt, 2. Band teilweise gefüllt) Allgemein, vereinfacht: Valenzband, Leitungsband: Leer Leer ΔE≈KT Leitungsband Verboten Nicht besetzt Verboten Verboten Gefüllt Metall: Valenzband Nicht gefüllt Halbleiter Isolator 43 3. Grenzflächen 3.1 Übersicht Es gibt beispielsweise folgende Arten von Grenzflächen: a) Oberflächen: Grenzfläche zwischen kondensierter Materie (fest/flüssig) und gasförmiger Materie b) Korngrenzen: Grenzfläche in kristalliner Phase, trennt Körner unterschiedlicher Orientierung. Bei kleinen Orientierungsunterschieden Kleinwinkelkorngrenze oder Subkorngrenze (aus Versetzungen aufgebaut) c) Phasengrenzen: Beispiele: ο· Flüssigkeit 1 / Flüssigkeit 2 (Metallschmelze / Schlacke) ο· fest / flüssig (Lot / Lötgut) ο· fest / fest (Phase α / Phase β, α und β z.B. verschieden in Kristallstruktur und / oder Zusammensetzung) d) Bereichsgrenzen: Trennen Bereiche mit unterschiedlichen Eigenschaften ο· Verschiedene Ordnungszustände ο· Verschiedene Magnetisierungsrichtung (Blockwände) 3.2 Die Energie von Grenzflächen a) Grundbegriffe Betrachtung einer Oberfläche: Atom im Inneren: Gleiche Kräfte in allen Richtungen Atom an der Oberfläche: resultierender „Druck“ nach Innen: Kohäsionsdruck 44 Da die Zahl der Bindungen der Atome an der Oberfläche greinger als im Inneren ist und da jede Bindung eine Erniedrigung der potentiellen Energie bedeutet → potentielle Energie der Oberflächenatome ist größer als bei inneren Atomen. Das bedeutet aber: die Erzeugung einer Oberfläche erfordert einen Energieaufwand (entsprechend für jede Grenzfläche) Zusätzliche freie Enthalpie / Flächeneinheit: γ → freie Enthalpie des Körpers: πΊ = πΊ + πΎπ΄ mit πΊ = πππππ πΈππ‘βπππππ πβππ πΊππππ§ππäπβπ π΄ = πΉπäπβπ Vergrößerung von A erfordert Kraft: πΎ= Arbeit: πΉ = ππππππäπβπππ πππππ’ππ π ππ = πΎππ΄ = πΉ ππ Andererseits: ππΊ = πΎππ΄ + π΄ππΎ Gleichsetzen: πΎ =πΎ+π΄ → Konsequenz: πΎ = πΎ wenn A L K F S =0 Gilt für Flüssigkeit und Festkörper (bei ausreichend hoher Temperatur), da sich Atome schnell umordnen. Ist die Oberflächenstruktur von A abhängig, gilt πΎ ≠ πΎ! → Eine Oberfläche mit einer freien Oberflächenenthalpie πΎ führt zu einer Oberflächenspannung πΎ = In Festkörpern ist die Beweglichkeit der Atome langsamer, benötigt Zeit. Daher ist die Konstanz der Oberflächenstruktur nicht gewährleistet: 45 ≠ 0 und πΎ ≠ πΎ Bei hohen Temperaturen sind die Atome jedoch hinreichend beweglich und πΎ ≈ πΎ (analoge Betrachtung für Phasengrenzen, bei Korngrenzen und Bereichsgrenzen bezieht man sich auf den einheitlichen Einkristall) b) Atomistische Modelle zur Ermittlung von γ Theoretische Ansätze zur Berechnung von γ beruhen auf der Abschätzung der freien Exzessenthalpie durch unterbrochene Bindungen. Diese Vorgehensweise ist eigentlich nur gerechtfertigt bei kovalenter Bindung, da man hier die gerichteten Bindungen abzählen kann. Für Metalle liegen quantenmechanische Rechnungen vor, ohne befriedigendes Ergebnis! Besseres Ergebnis liefert eine einfache empirische Abschätzung: ε: Bindungsenergie pro Bindung Z: Zahl der Bindungen Z‘: Zahl der ungebrochenen Bindungen →π − π‘ ∗ ∗ π = Überschussenergie pro mol Oberflächenatome Es gilt näherungsweise: π∗ ∗π = Sublimationswärme πΏ pro mol Atome (Schmelz- plus Verdampfungswärme) πΏ π = π π 2 πΎ = (π − π′) πΎ = (π − π′) ∗ Mit π (bezogen auf 1 mol Oberfläche) ∗ (bezogen auf hkl Fläche) = Zahl der Atome pro Flächeneinheit der Fläche {βππ} 46 Anmerkung: Diese Abschätzung bezieht sich nur auf den Enthalpietherm (nicht auf die Entropie); Relaxation! Beispiel: krz, {110} a0 √2π π−π 2 = π 8 π{ } = 2 π √2π Vernachlässigt: ο· Metallische Bindung ο· Entropiebeitrag (Schwingungsentropie, Konfigurationsentropie) Typische experimentelle Werte: Gemittelt über alle Flächen! πππ‘πππ Al Au Cu W Empirisch: πΎ π 660° C 1043° C 1084° C 3407° C πΎ ππ½ 1080 1390 1720 2650 ≈ Weitere nützliche Abschätzungen via E-Modul: π πΎ 324 378 625 1080 ππ½ π 47 Oberflächenenergie πΎ = πΎ / Grenzfläche fest / fest = Grenzfläche flüssig / fest πΎ/ = πΎ E ist in Zwillingsenergie = einzusetzen; dann hat γ die Einheit ! c) Oberflächenentopie Geänderte Bindungsverhältnisse Zusatzentropie. Ursachen : der Oberflächenatome führen zu - Höhere Beweglichkeit (niedrigere Frequenz) → Schwingungsentropie Einstein: π Durch Bildung von Konfigurationsentropie. = 3π 1 + ln Oberflächenleerstellen ergibt sich zusätzliche Temperaturabhängigkeit von γ: πΎ = π» − ππ Da ππΊ = πππ − πππ → = −π, gilt = −π < 0 wegen π > 0 → Bei reinen Metallen fällt πΎ mit steigender Temperatur! Anstieg deutet auf Fremdatomadsorption hin. 48 πΎ Reines Metall Mit Adsorption π 3.3 Fremdatomadsorption an Grenzflächen Die Absorption von Fremdatomen erniedrigt die Grenzflächenenergie. Dies ist besonders wichtig bei tiefen Temperaturen. Bei höheren Temperaturen kommt es zunehmend zur Gleichgewichtsverteilung (Entropieeinfluss)! Für die Überschusskonzentration π (Menge je Flächeneinheit) gilt für verdünnte Lösungen die Gibbsche Adsorptionsisotherme: π =− 1 ππΎ π π π ln π Anreicherung wenn: <0 Desorption wenn: >0 =− π ππΎ π π ππ Anreicherung an Grenzflächen, insbesondere an Korngrenzen sind technisch bedeutsam; z.B. Phosphor im Stahl 3.4 Gekrümmte Grenzflächen Kapillardruck ist Differenzdruck an gekrümmten Oberflächen Tröpfchen: πΊ = 4ππ πΎ + πΊ = 8πππΎ r dr 49 → = ππ (differentielle Änderung von G pro Fläche bei Änderung dr) Dies muss gleich sein mit der mechanischen Arbeit pro Flächeneinheit βπ ππ: βπππ = 2πΎ 2πΎ ∗ ππ → βπ(π) = π π 1 1 + π π βπ(π) = πΎ Bei nichtsphärischen Flächen! Der Differenzdruck βπ(π) wirkt nach innen! Erhöhter Dampfdruck Ausscheidungen) (Konzentration) über kleine Tröpfchen (kleine ππΊ = −πππ + πππ =0 Kondensierte Phase: βπΊ = π ∗ βπ = bei T= konst. Erhöhung von G pro Volumen π . Für ein Gas gilt: ( ) βπΊ = ππΊ = Im Gleichgewicht muss βπΊ Gleichgewichts) π ππ = . π π π(π) ππ = π π ln π π gleich sein zu βπΊ (während des 50 → Erhöhung des Dampfdruckes kleiner Tröpfchen Kelvin-Gleichung: π₯π§ π ππ = ππΈ π½π π πΉπ» π βπ→∞ πβπ Beobachtbar für π ≤ 100ππ! Für den Festkörper gilt entsprechend: ln ( ) = ∗ → gemäß Henrysches Gesetz → Erhöhung der Löslichkeit kleiner Teilchen Grundlage der Oswaldreifung „big fish eat small fish“ Technisch wichtig: - Keimbildung Teilchenvergrößerung Sintern Grobkornbildung 3.5 Grenzflächenbestimmte Gleichgewichtsformen 3 Phasen πΎ 1 2 π π πΎ π 3 πΎ 51 z.B. - drei verschiedene Phasen - Korngrenztripelpunkt Gleichgewichtsform wird durch ein Kräftegleichgewicht bestimmt: πΎ πΎ πΎ = = sin π sin π sin π Für πΎ =πΎ → π = π = π = 120° (ππ’π π + π + π = 360°) =πΎ Kann bei geglühten Metallen beobachtet werden → aber: γ ist orientierungsabhängig! 2 Phasen an Korngrenztripelpunkt πΎ πΎ πΌ πΎ π½ πΌ πΌ Eventuell Reduktion der Grenzflächenenergie, πππ = ππππ ππ¨π¬ wenn πΎ π π βͺπΎ Besonderer Fall: 2πΎ =πΎ → cos = 1; π = 0° Vollständige Benetzung der KG Diese kann verheerende Folgen haben: 52 - wenn π½ bei tieferen Temperaturen schmilzt als α (Hg in πΌ − Messing) - Versprödung durch spröde Phasen KG (Bi, Pb in Cu) - Bildung von Sulfiten / Karbiden im Stahl (Versprödung) → heterogene Keimbildung wegen Energiegewinn! Positiver Effekt: z.B. Karbide in HT-Legierungen zur Vermeidung von Korngrenzgleitung Bedeutung der Grenzflächen: - Keimbildung (homogen / heterogen) Teilchenvergrößerung Sek. Dekristallisation Sintern (Abbau von Grenzfläche!) Bei mechanischen Eigenschaften!