Teilchenphysik

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Inhaltsverzeichnis
1
Teilchen
3
1.1
Der Begriff des Elementarteilchens im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1.2
Teilcheneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
1.3
Teilchen im Atom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1.4
1.5
2
1.3.1
Das Photon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1.3.2
Das Elektron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1.3.3
Das Proton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.3.4
Das Neutron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Antimaterie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.4.1
Elektron-Positron-Paarbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.4.2
Zerstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Neutrinos und Antineutrinos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
1.5.1
Betazerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
1.5.2
Weitere Leptonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Wechselwirkungen
2.1
21
Die kosmische Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.1.1
Die Primärstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2.1.2
Die Sekundärstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2.2
Austausch-Bosonen und Feynman-Diagramme . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
2.3
Die elektromagnetische Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.4
Die Gravitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.5
Die schwache Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.6
Die starke Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
2.7
Erhaltungsgrößen in Teilchenreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
1
2
3
INHALTSVERZEICHNIS
Die Systematik der Elementarteilchen
33
3.1
Die Mesonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
3.2
Die Baryonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
3.3
Die Quarks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
3.3.1
Bindung der Quarks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
3.3.2
Teilchenzoo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Kapitel 1
Teilchen
1.1 Der Begriff des Elementarteilchens im Wandel
Seit alten Zeiten hat die Menschen die Frage beschäftigt, ob die sie umgebenden Substanzen
trotz aller Vielfalt der Erscheinungen aus einer kleinen Zahl von Bausteinen zusammengesetzt
sein können. Die wichtigsten Erkenntnisetappen waren:
1. Für die alten Griechen gab es vier Grundelemente: Wasser, Erde, Luft und Feuer. Alle anderen Stoffe sollten aus Mischungen dieser Elemente aufgebaut sein.
Der griechische Philosoph Demokrit1 beobachtete, dass Wasser verdampfen konnte und an anderer Stelle wieder kondensierte. Er kam zu dem Schluss, dass Wasser sich umwandeln konnte
und deshalb Elemente aus unsichbaren und unteilbaren Teilchen bestehen, den sogenannten
Atomen2 .
2. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Existenz des Atoms experimentell bestätigt; alle
verschiedenen chemischen Stoffe lassen sich aus weniger als 120 verschiedenen Atomarten zusammensetzen. Hundert Jahre später führte Ernest Rutherford Streuversuche durch, in denen er
zeigte, dass sich in der Mitte des Atoms ein schwerer kleiner Kern befindet, der positiv geladen
ist und der die negativen Elektronen an sich bindet. Spätere Experimente zeigten, dass der Kern
100 000 mal kleiner ist als das Atom selbst. Von da an galt nicht länger das Atom als elementarstes Teilchen der Materie, sondern die Atombausteine: Alle Atome sind aus Elektronen und
Kernen aufgebaut.
In seinem Streuexperiment stand Rutherford eine begrenzte Energie seiner Projektil-Teilchen
zur Verfügung, die ausreichte, um Aufschlüsse über die Struktur des Atoms zu geben. Mit höheren Energien war es später möglich, Projektile auf den Atomkern zu schießen und dessen
Struktur zu untersuchen mit dem Ergebnis: Ein Kern besteht aus einer dichten Packung von
zwei Sorten von Nukleonen: die positiv geladenen Protonen und die elektrisch neutralen Neutronen. Zusammengehalten werden sie durch eine neue Kraft, die starke Kernkraft.
Die vielgestaltige Materie enthält danach also drei verschiedene Bausteine: Proton, Neutron,
Elektron. Zusammengefügt nach bestimmten Gesetzen ergeben sie dann verschiedenen Ato1
2
griechischer Philosoph, ca. 460 - 370 v. Chr.
griechisch átomos: unteilbar
3
4
1. Teilchen
me mit unterschiedlichen Eigenschaften. Die Frage nach den kleinsten Bausteinen der Materie
schien damit in einfacher Weise gelöst. Die drei Atombausteine bezeichnete man als Elementarteilchen.
3. Bei der Untersuchung der Eigenschaften der drei Atombausteine stellte sich heraus, daß
es außer den die Materie aufbauenden Elektronen, Protonen und Neutronen noch eine große
Zahl weiterer Teilchen gibt - inzwischen sind mehr als 200 solcher Teilchen bekannt. Neuentdeckungen sind zu erwarten. Eine weitere wichtige Erkenntnis war außerdem, daß die Teilchen
nicht unwandelbar sind, sondern daß sie sich in verschiedenartigsten Reaktionen ineinander
umwandeln können.
Aber nicht nur eine andere Teilchenart steht als Umwandlungsmöglichkeit zur Verfügung, die
Elementarteilchen können nach dem EINSTEIN-Gesetz über die Aquivalenz von Masse und
Energie aus Energie neu entstehen und umgekehrt durch die Umwandlung in Energie verschwinden.
4. Wie das Atom einst als elementarstes Teilchen gesehen wurde, war dies auch bei Proton und
Neutron von begrenzter Dauer. Streuexperimente noch höherer Energie deuteten schließlich
darauf hin, dass Protonen und Neutronen nicht punktförmig und elementar sind, sondern eine
Ausdehnung besitzen und aus mehreren Bestandteilen bestehen: Die Nukleonen bestehen aus
Quarks und Gluonen. Diese scheinen elementar zu sein. Die „Punktförmigkeit“ wurde bislang
mit bis zu 10−18 m gemessen.
Das Atom enthält ein elektromagnetisches Feld, das den positiven Kern und die negative Hülle
zusammenhält. Das zugehörige Feldquant ist das Photon, das ebenfalls ein Elementarteilchen
ist und als Bestandteil des Atoms nicht vergessen werden darf. Das Gluon ist analog das Feldquant der starken Kraft, die Protonen und Neutronen im Kern zusammenhält - aber dazu später.
Die Größenverhältnisse von Atom, Atomkern und Nukleon sind in Abbildung 1.1 gezeigt.
Der Wert 10−18 m bildet die untere Grenze der Skala in Abbildung 1.2. Diese zeigt einige markante Größen in unserem Universum und enthält eine untere minimale und eine obere maximale
Grenze. Während die obere Grenze, der Radius des Universums, 1026 m beträgt - was die größte
messbare Länge und wirkliche Grenze unseres Universums bedeutet - ist die minimale Länge
oder untere Grenze von 10−18 m durch die Qualität unserer derzeitigen Experimente gegeben.
Über Elementarteilchen läßt sich lediglich sagen, dass ihre Größe unter dem Wert von 10−18 m
liegt.
Die Teilchenphysik befasst sich mit der Suche nach den elementaren Teilchen, die in unserem
Universum existieren, sie fragt wie Goethes Faust nach, was die Welt im Innersten zusammenhält, trägt aber auch zu unserem Wissen bei, wie unserer Universum in seiner frühesten Jugend
aussah und welche Elementarteilchen und Ur-Kräfte in diesem wirkten (Astrophysik und Kosmologie).
Zunächst werden wir uns der Frage „Was sind Teilchen?“ stellen, dann werden wir uns den
Bausteinen von Proton und Neutron in Abbildung 1.1 widmen und der Frage von Faust nachgehen.
In der Teilchenphysik gehen Theorie und Experiment Hand in Hand: Die Experimente, die
Teilchen suchen und finden, entscheiden über die Brauchbarkeit der Theorien und Modelle. In
1.2. Teilcheneigenschaften
5
Abbildung 1.1: Die Größenverhältnisse von Atom, Atomkern und Nukleon.
Hochenergieexperimenten tauchten neue Teilchen auf, die erst eingeordnet werden mussten,
aber es werden auch Teilchen gesucht, deren Existenz von der Theorie vorhergesagt wird.
Wir werden versuchen, die große Zahl der Elementarteilchen zu ordnen und ihren inneren Aufbau durch die Quarks zu erklären, ähnlich der übersichtlichen Ordnung des Periodensystems
der Elemente mit der unterschiedlichen Zusammensetzung aus Elektronen, Protonen und Neutronen. Diesen drei Teilchen, die in den Atomen enthalten sind, wenden wir uns zunächst zu.
1.2
Teilcheneigenschaften
Das Elektron, das Proton und das Neutron sind uns als Bausteine der Materie schon weitgehend
bekannt, ebenso das Photon als Feldquant des elektromagnetischen Feldes, das zwischen Kern
und Hülle des Atoms herrscht.
Im folgenden sollen alle wichtigen experimentellen Befunde über diese Teilchen zusammengefaßt werden. Mit der Bezeichnung „Teilchen“ wird ein quantenmechanisches Objekt definiert,
das folgende Eigenschaften besitzt:
• Masse,
• Spin (Eigendrehimpuls),
• innere Quantenzahlen.
6
1. Teilchen
Abbildung 1.2: Verteilung markanter Größen im Universum. Die obere Grenze ist durch die Ausdehnung des Universums gegeben, die untere ist die Grenze unseres Wissens - der kleinste
Abstand, der mit derzeitigen Experimenten auflösbar ist.
Zu den inneren Quantenzahlen gehört zum Beispiel die elektrische Ladung Q, die anderen
werden wir später kennenlernen, wie die Baryonenzahl B und die Leptonenzahl L. Mit Hilfe
dieser Eigenschaften können die Teilchen unterschieden und klassifiziert werden.
Masse
Jedes Elementarteilchen besitzt eine bestimmte Masse. Diese nimmt für die verschiedenen Arten der Elementarteilchen unterschiedlichste Größen an. Die Masse der Elementarteilchen wird
in der bekannten Masseneinheit 1 Kilogramm (kg) oder auch in der atomaren Masseneinheit u
oder in der Energieeinheit M eV /c2 gemessen werden. Die atomare Masseneinheit ist der 12.
Teil der Masse eines Atoms des Kohlenstoffnuklids 12 C.
Es gilt 1u = 1, 66055 · 10−27 kg. Wird von der Masse eines Elementarteilchens gesprochen, so
ist die Ruhemasse m0 gemeint.
1.2. Teilcheneigenschaften
7
Mit dem EINSTEIN-Gesetz über die Äquivalenz von Masse und Energie entspricht der Ruhemasse eines Teilchens eine Energie, die man als seine Ruhenergie W0 bezeichnet. Es gilt:
W0 = m0 c2
(1.1)
Bewegt sich ein Elementarteilchen mit der Geschwindigkeit v, so gilt für die Gesamtenergie
Wges :
m0
Wges = q
1−
v2
c2
c2
(1.2)
Dabei bedeuten:
m0 : Ruhemasse des Körpers,
v: Geschwindigkeit des Körpers,
c: Vakuum-Lichtgeschwindigkeit.
Im Einklang mit der Äquivalenz von Masse und Energie kann eine bewegte Masse mv definiert
werden:
m0
(1.3)
mv = q
2
1 − vc2
Wenn die Geschwindigkeit v klein gegenüber der Lichtgeschwindigkeit ist, kann diese relativistische Massenveränderlichkeit unberücksichtigt bleiben. Dies ist bei makroskopischen Körpern der Fall, nicht jedoch bei den Elementarteilchen. Ihre Geschwindigkeiten können so groß
werden, daß die relativistische Massenveränderlichkeit eine wichtige Rolle spielt. Wie Gleichung 1.3 zeigt, wächst mit Annäherung an die Lichtgeschwindigkeit die Masse der schnellen
Elementarteilchen über alle Grenzen. Daher können die Teilchen niemals die Lichtgeschwindigkeit erreichen oder überschreiten, es sei denn, die Ruhmasse m0 ist Null, dann wird die
Bewegung mit Lichtgeschwindigkeit möglich (zum Beispiel bei den Photonen).
Der Impuls p eines relativistischen Teilchens ist gegeben durch
m0 v
p = mv v = q
2
1 − vc2
(1.4)
Mit der quadrierten Gleichung 1.3 erhält man:
(mv c2 )2 − (mv v)2 c2 = (m0 c2 )2
(1.5)
Mit p2 = (mv v)2 erhält man außerdem
2
− p2 c2 = W02
Wges
(1.6)
Das Quadrat der Gesamtenergie eines Elementarteilchens ist gleich der Summe aus dem Quadrat seiner Ruhenergie und dem Quadrat seines Impuls mal der Lichtgeschwindigkeit.
8
1. Teilchen
q
2
Wges = mc =
W02 + (~pc)2
(1.7)
gegeben. Ob der Körper elementar ist oder komplex, spielt bei dieser Formel keine Rolle. Besteht der Körper z. B. aus zwei nicht wechselwirkenden Teilchen, ergibt sich die Gesamtenergie
aus der Summe der beiden Einzelenergien W = W1 + W2 und der Gesamtimpuls aus der Summe der Einzelimpulse p~ = p~1 + p~2 . Setzt man dies in Gleichung 1.7 ein, so ergibt sich die Masse
des zusammengesetzten Körpers zu
p
mc2 = (W1 + W2 )2 + (~p1 + p~2 )2 c2
(1.8)
Beispiel: Zwei masselose Photonen fliegen mit entgegengesetzten Impulsen aufeinander zu. Der Gesamtimpuls ist Null. Das Objekt aus den beiden Photonen hat
eine Ruhemasse nach Gleichung 1.8, die gleich der Summe der beiden Energien
mal 1/c2 ist.
Der Spin
Quantenphysikalische Objekte besitzen die Eigenschaft „Spin“. Formal verhält er sich wie ein
Drehimpuls. Der Spin wird oft als „innerer Drehimpuls“ oder „Eigendrehimpuls“ bezeichnet.
Die Einheit des Spins ist das Plancksche Wirkungsquantum ~ mit
~ = 1.054573 · 10−34 Js = 6.58212 · 10−22 M eV s
(1.9)
Für ein Teilchen wird üblicherweise nicht der Spin, sondern seine Spin-Quantenzahl angegeben. Die
Spin-Quantenzahl des Protons zum Beispiel ist s = 21 . Man spricht von einem Spin- 21 -Teilchen. Der
Betrag des Spins wird analog zu dem des quantenmechanischen Drehimpulses bestimmt. Für den Betrag
S des Spins gilt die Beziehung mit der Spin-Quantenzahl s:
S=
p
s(s + 1)~
Abbildung 1.3 illustriert die Quantisierung des Spins. Die sogenannte Quantisierungsachse ist die zAchse. Gezeigt ist der Fall für s = 2. Die eingezeichneten Vektoren entsprechen den „Einstellmög~ mit dem Betrag S. Die Projektion des Spins auf die z-Achse ergibt die
lichkeiten“ des Spinvektors S
Werte
Sz = ±(s − n)~ für n = 0, 1, ..., s
Das magnetische Moment
Das magnetische Moment der Elementarteilchen ist eine mit dem Spin verknüpfte Eigenschaft
der Elementarteilchen. Wenn man ein grobes Bild verwenden will, so kann man an das Magnetfeld der Erde denken.
~ lautet
Der Zusammenhang zwischen dem magnetischen Moment ~µ und dem Spin S
~
~µ ∼ S
(1.10)
1.2. Teilcheneigenschaften
9
Abbildung 1.3: Vektormodell des Spins. Die möglichen Orientierungen des Spins sind für s=2 dargestellt. Der Spin kann nicht parallel zur z-Achse stehen.
Ladung
Die elektrische Ladung q eines Teilchens wird in Vielfachen der Elementarladung e angegeben:
q = Q · e. Für e gilt:
e = 1.602177 · 10−19 C
(1.11)
Spricht man von einem Teilchen, das die elektrische Ladung −1 trägt, so meint man, die Quantenzahl Q = −1, aber q = −e.
Die Leptonenzahl
Hierbei handelt es sich um eine Eigenschaft der Elementarteilchen, die anschaulich nicht beschrieben oder gedeutet werden kann.
Die Leptonenzahl der Elementarteilchen kann die Werte L = 0, ±1 annehmen. Die Leptonenzahl wurde eingeführt, weil für sie ein Erhaltungssatz gilt, der besagt: Bei allen Wechselwirkungsprozessen zwischen Elementarteilchen bleibt unter Berücksichtigung der Vorzeichen die
Summe aller Leptonenzahlen erhalten.
Dies wirkt sich unter anderem dahingehend aus, daß ein spontaner Zerfall eines Elementarteilchens nur möglich ist, wenn es kleinere Bruchstücke gibt, die die Leptonenzahl des Ausgangsteilchens übernehmen können.
Beispiel:
Die später noch zu besprechenden Elementarteilchen Neutrino und Antineutrino
sind stabil, weil es keine Bruchstücke gibt, die ihre Leptonenzahl übernehmen
könnten.
10
1. Teilchen
Die Baryonenzahl
Eine weitere anschaulich nicht beschreibbare Eigenschaft der Elementarteilchen ist ihre Baryonenzahl.
Die Baryonenzahl der Elementarteilchen kann die Werte B = 0, ±1 annehmen.
Auch für die Baryonenzahl gilt ein Erhaltungssatz, der besagt: Bei allen Wechselwirkungsprozessen zwischen Elementarteilchen bleibt unter Berücksichtigung der Vorzeichen die Summe
aller Baryonenzahlen erhalten. Dieser Erhaltungssatz erklärt die Stabilität der Protonen, denn
alle Teilchen, deren Masse kleiner als die Protonenmasse ist, haben die Baryonenzahl Null,
so daß die Protonen beim Zerfall in leichtere Teilchen für den ihre Baryonenzahl nicht an die
Zerfallsprodukte übergeben könnten.
Die Halbwertszeit und die mittlere Lebensdauer Die Elementarteilchen sind teilweise stabil
und teilweise instabil. Die instabilen Elementarteilchen besitzen als charakteristische Eigenschaft eine bestimmte Halbwertszeit T1/2 bzw. eine mittlere Lebensdauer
τ=
T1/2
= 1, 4427 · T1/2
ln2
(1.12)
Ein Teil der Elementarteilchen hat eine kurze Lebensdauer, oft weniger als 10−9 Sekunden. Ein
kleiner Teil der Elementarteilchen kann als stabil bezeichnet werden, durch äußere Einwirkungen können aber auch sie erzeugt, vernichtet oder in andere Teilchen umgewandelt werden.
Noch eine Reihe weiterer Eigenschaften dienen zur Beschreibung der Elementarteilchen: Parität, Isospin, Strangeness und Hyperladung, auf die wir nicht weiter eingehen wollen. Abschließend lässt sich formulieren:
Zwei ungleiche Elementarteilchen unterscheiden sich in mindestens einer der Teilcheneigenschaften.
1.3 Teilchen im Atom
1.3.1 Das Photon
(Symbol γ)
Das Photon ist das Feldquant der elektromagnetischen Felder. Es hat keine Ladung und keine
Ruhemasse.
Die Spinquantenzahl des Photons beträgt s = 1.
Seine Leptonenzahl ist L = 0 und seine Baryonenzahl ist B = 0.
1.3.2 Das Elektron
(Symbol: e oder e− ) Das Elektron ist das am längsten bekannte Elementarteilchen ohne erkennbare weitere innere Struktur. Seine wichtigsten Eigenschaften seien hier aufgeführt:
1.3. Teilchen im Atom
11
Es trägt eine negative Elementarladung mit dem Betrag e = 1, 6022 · 10−19 C.
Die Ruhemasse des Elektrons beträgt me,0 = 9, 1095 · 10−31 kg = 0, 548580 · 10−3 u.
Die Ruhenergie des Elektrons ist We,0 = 0, 511M eV .
Die Spinquantenzahl des Elektrons ist s = 21 .
Die Leptonenzahl des Elektrons ist L = +1 und die Baryonenzahl B = 0.
Das Elektron ist stabil.
Das Elektron ist so elementar, dass es keine bestimmte räumliche Ausdehnung besitzt: Im Experiment zeigt sein elektrisches Feld auch in den kleinsten Entfernungen vom Mittelpunkt keine
Abweichungen von einem Coulombfeld; es besteht kein Anhaltspunkt für eine räumlich strukturierte Verteilung der Ladungen.
Oft kann das Elektron näherungsweise als geladener Massenpunkt betrachtet werden, der sich
in einem elektromagnetischen Feld nach den Gesetzen der klassischen Physik bewegt.
1.3.3
Das Proton
(Symbol: p)
Die wichtigsten Eigenschaften der Protonen sind:
Das Proton hat eine positive Elementarladung mit dem Betrag e = 1, 6022 · 10−19 C.
Die Ruhmasse des Protons beträgt m0 = 1, 6726 · 1027 kg = 1, 007277u.
Die Ruhenergie des Protons beträgt Wp,0 = 938, 3M eV .
Die Spinquantenzahl des Protons lautet s = 21 .
Die Leptonenzahl des Protons ist L = 0 und die Baryonenzahl B = +1.
Das Proton galt bisher als stabil.3
Aufgrund ihrer elektrischen Ladung können Protonen in Teilchenbeschleunigern auf hohe
Energien beschleunigt werden. Sie eignen sich daher für Kollisionsexperimente in der Hochenergiephysik. Durch Streuexperimente wiederum mit hochenergetischen Elektronen konnte
die innere Struktur der Protonen ermittelt werden. Hierauf werden wir später näher eingehen.
Trotzdem kann das Proton in vielen Fällen ebenso wie das Elektron als geladener Massenpunkt
behandelt werden.
1.3.4
Das Neutron
(Symbol: n)
Das Neutron hat eine Masse nur wenig größer als die Protonenmasse. Es trägt keine elektrische
Ladung. Neutronen besitzen eine hohe Durchdringungsfähigkeit, sie können durch meterdicke
Wände fliegen, da sie innerhalb der Wand mit den enthaltenen Atomen nicht elektromagnetisch
3
Ob das Proton wirklich stabil ist, ist aktuelles Forschungsgebiet. Nichtstabilität hätte weitreichende Konsequenzen zum Beispiel auf die Baryonenzahl, die nicht länger eine Erhaltungsgröße wäre.
12
1. Teilchen
wechselwirken. Eine Wechselwirkung kommt nur zustande, wenn die Neutronen so dicht an die
Atomkerne kommen, daß sie in den winzigen Wirkungsbereich der starken Kernkräfte geraten.
Die wichtigsten Eigenschaften der Neutronen sind die folgenden:
Die Ruhmasse des Neutrons beträgt mn,0 = 1, 6749 · 10−27 kg = 1, 008665u.
Die Ruhenergie des Neutrons ist Wn,0 = 939, 6M eV .
Die Spinquantenzahl des Neutrons ist s = 21 .
Die Leptonenzahl des Neutrons ist L = 0 und die Baryonenzahl B = +1.
Das freie Neutron ist instabil und zerfällt spontan ohne äußere Einwirkungen. Seine Halbwertszeit ist T1/2 ≈ 11, 5min.
n → p+ + e− + ν̄e
(1.13)
Dies ist der Beta-Zerfall des Neutrons, bei dem neben einem Proton und einem Elektron ein
Antineutrino entsteht. Über Neutrinos und Antineutrinos erfahren wir später mehr.
Nicht allein der Beta-Zerfall ist dafür verantwortlich, dass uns keine freien Neutronen in der
Natur begegnen: Im allgemeinen gehen die Neutronen nämlich noch vor ihrem spontanen Zerfall durch Neutroneneinfang verloren - sie werden von den Kernen anderer in ihrer Nähe befindlichen Atome absorbiert.
Durch Streuversuche mit hochenergetischen Elektronen und Neutrinos konnte bestätigt werden,
daß Neutronen wie die Protonen eine innere Struktur besitzen.
Der Vergleich der drei vorgestellten Elementarteilchen zeigt eine Unsymmetrie: Die negative
elektrische Elementarladung wird von dem leichten Elektron getragen, die positive elektrische
Elementarladung vom rund 1800mal so schweren Proton.
1.4. Antimaterie
13
1.4 Antimaterie
Im Jahre 1930 stellte der Physiker P.A. M. DIRAC eine Theorie auf, an deren Beispiel sich
zeigt, wie aus der Kooperation von Theorie und Erfahrung neue Erkenntnisse gewonnen werden
können. Die Gesamtenergie eines bewegten Elektrons lautet
We,ges
q
= ± (me,0 c2 )2 + p2 c2
(1.14)
Die Wurzel kann formal ein positives oder auch ein negatives Vorzeichen besitzen. Klassisch
betrachtet würde man das negative Ergebnis ignorieren, da ihm keine physikalische Bedeutung
zukommt. Dirac aber betrachtete beide Ergebnisse. Es müsste also Elektronen mit positiver
und mit negativer Energie geben. Was jedoch bedeutet das negative Vorzeichen? Dirac machte
folgende Annahmen:
• Zwei Energiebereiche können von den Elektronen besetzt sein: Für positive Energie ergibt sich
We,ges ≥ +me,0 c2 oder We,ges ≥ +0, 511M eV .
Für den Bereich negativer Energie ergibt sich
We,ges ≤ −me,0 c2 oder We,ges ≤ −0, 511M eV .
• Zwischen diesen erlaubten Energiebereichen liegt ein verbotener Energiebereich, der
von We,0 = −me,0 c2 = −0, 511M eV bis We,0 = +me,0 c2 = +0, 511M eV
reicht.
• Da der Zustand der kleinsten Energie bevorzugt wird, sollten normalerweise die Niveaus
mit negativer Energie vollständig besetzt sein. Diese Elektronen sollten nach DIRAC
nicht beobachtbar sein.
• Die positiven Energiezustände sind nur teilweise besetzt. Sie stellen die üblichen Elektronen dar.
• Mit Hilfe von äußerer Energiezufuhr werden die Teilchen aus dem Elektronensee negativer Energie gehoben und in den Zustand positiver Energie befördert, so dass ein bekanntes Elektron entsteht.
Im Bereich der negativen Energie verbleibt ein unbesetzter Zustand, den DIRAC als Loch
bezeichnet. Dieser unbesetzte Zustand verhält sich wie ein Elektron mit positiver Ladung.
Dieses Teilchen bezeichnet man als Positron. Bei diesem Prozess der Energiezufuhr werden also gleichzeitig zwei neue Teilchen sichtbar, ein Elektron und ein Positron.
14
1. Teilchen
DIRAC stellte diese Löchertheorie auf, bevor Antiteilchen bekannt waren. Seine Spekulationen
über die Existenz von Positronen wurden im Jahr 1932 bestätigt, als der amerikanische Physiker
C. D. ANDERSON in der kosmischen Strahlung Teilchen nachweisen konnte, bei denen es sich
um die theoretisch vorausgesagten Positronen handelte.
Die DIRAC-Löchertheorie ist beispielsweise geeignet, das Phänomen der Paarbildung oder
Paarerzeugung zu erläutern.
1.4.1 Elektron-Positron-Paarbildung
Ein energiereiches Gammaquant tritt in einem Experiment in die Nebelkammer ein. Nur elektrisch geladene Teilchen erzeugen hier Tröpfchenspuren, das Gammaquant ist jedoch unsichtbar. Wenn das Quant jedoch in die Nähe eines im Nebelgas vorhandenen Atomkerns gelangt,
so sind plötzlich zwei Spuren beobachtbar.
Die beiden Spuren verlaufen in einem Magnetfeld entgegengesetzt gekrümmt. Aus der Tröpfchendichte der Spuren sowie der Stärke der Krümmung kann auf die Masse und die Ladung
und auf die kinetische Energie der Teilchen geschlossen werden. Die Ladungen sind gleichgroß
aber entgegengesetzt, die kinetischen Energien sind gleichgroß.
Hier sind ein Elektron und ein Positron entstanden. Der Prozess wird als Paarbildung oder
als Paarerzeugung bezeichnet. Elektron und Positron tragen gleich große Massen, das Gammaquant besteht aus Energie. Hier hat sich also Energie in Masse umgewandelt: eine Materialisation von Energie.
Bei der Materialisation wird nach dem Einstein-Gesetz über die Äquivalenz von Masse und
Energie
∆W
∆m = 2
(1.15)
c
eine Umwandlung von Strahlungsenergie in Masse verstanden. Das Gammaquant wandelt sich
bei der Paarbildung vollständig in zwei zusammengehörige Elementarteilchen um.
Wie kann man nun die Paarbildung mit Hilfe des DIRAC-Löchermodells erklären?
Bei den beiden entstandenen Elementarteilchen handelt es sich um das in den Zustand positiver Energie gehobene Elektron, das vorher unbeobachtbar war und jetzt zu einem normalen
Elektron geworden ist, und um das entstandene Loch, das ein Positron darstellt.
Die zur Erzeugung eines solchen Elektron-Positron-Paares ausreichende Energie muß mindestens so groß sein, daß der von -0,511 MeV bis +0,511 MeV sich erstreckende verbotene
Bereich übersprungen werden kann. Dies bedeutet, das Gammaquant muss mindestens eine
Energie von
Wγ = hν = 1, 022M eV ≈ 1M eV
(1.16)
besitzen.
Wenn das Gammaquant eine größere Energie als 1,022 MeV hat, erhalten die beiden entstehenden Teilchen die überschüssige Energie in Form von kinetischer Energie. Bei ausreichend
großer überschüssiger Energie kann sogar ein zweites Teilchen-Antiteilchen-Paar entstehen. In
1.4. Antimaterie
15
jedem Fall gilt der Energieerhaltungssatz. Das Gammaquant hat genauso viel Energie wie die
durch die Umwandlung entstandenen Teilchen in Form von kinetischer Energie und Masse.
Die Paarbildung kann nur in der Nähe eines Atomkernes geschehen. Der Grund dafür ist der
Impulserhaltungssatz, der auch für Elementarteilchenprozesse immer erfüllt sein muß.
Wenn das Gammaquant genau die Energie 1,022 MeV besitzt, so entsteht ein ruhendes
Elektron-Positron-Paar, denn es ist keine überschüssige Energie vorhanden, mit der die Teilchen fliegen könnten. Hier wäre der Impulserhaltungssatz verletzt, denn das Gammaquant hatte einen Impuls. Dieser muß also auf ein anderes materielles Teilchen übertragen worden sein.
Den Impuls hat der in der Nähe befindliche Atomkern aufgenommen.
Wenn die neu entstehenden Teilchen kinetische Energie erhalten, also Impulse haben, so übernimmt der beteiligte Atomkern von dem Gammaquant nur einen Anteil des Impulses, während
der andere Teil auf das Elektron-Positron-Paar übertragen wird.
Mit Hilfe der Löchertheorie war es möglich, die Existenz der Positronen lange vor ihrer Entdeckung vorauszusagen. Es handelt sich bei der Löchertheorie jedoch nur um ein Modell. Eine
Grenze dieses Modells ist der Elektronensee, der negative Energie besitzt, und der in der Realität nie nachgewiesen wurde. Paarbildung gibt es auch bei anderen Teilchen. Die entstehenden
Paare werden als Teilchen und Antiteilchen bezeichnet.
Durch die Materialisation von Energie können auch Proton-Antiproton-Paare oder NeutronAntineutron-Paare erzeugt werden. Da diese Paare jedoch eine erheblich größere Masse haben,
muss die Energie des Gammaquants entsprechend höher sein. Die Ruhenergie des Protons und
des Antiprotons ist Wp,0 ≈ 938M eV und die des Neutrons und des Antineutrons Wn,0 ≈
939M eV .
Zur Bildung des Proton-Antiproton-Paares bzw. eines Neutron-Antineutron-Paares muss das
Gammaquant eine Energie der Größenordnung Wγ ≈ 1, 88GeV haben.
Fassen wir zusammen: Für Teilchen und Antiteilchen gilt
• Teilchen und Antiteilchen haben die gleiche Masse, die gleiche mittlere Lebensdauer und
den gleichen Spin.
• Teilchen und Antiteilchen tragen beide eine elektrische Ladung mit dem gleichen Betrag
aber dem entgegengesetzten Vorzeichen, oder sie sind beide elektrisch neutral.
• Teilchen und Antiteilchen haben ein entgegengesetztes magnetisches Moment.
• Teilchen und Antiteilchen haben die entgegengesetzt gleiche Baryonenzahl sowie die
entgegengesetzt gleiche Leptonenzahl.
Antiteilchen werden meist dadurch gekennzeichnet, daß man über das Symbol des Teilchens
einen Querstrich setzt. Bei Teilchen, bei denen man explizit seine elektrische Ladung mit angibt, wird statt des Querstrichs die entsprechende Antiladung angegeben:
Teilchenpaare sind zum Beispiel:
Elektron e− und Positron e+
16
1. Teilchen
Proton p und Antiproton p̄
Neutron n und Antineutron n̄
Zu jedem Elementarteilchen gibt es jeweils ein Antiteilchen.
1.4.2 Zerstrahlung
Wenn nun eine Erzeugung von Masseteilchen aus Energie möglich ist - ist dann auch der umgekehrte Fall möglich?
Tatsächlich existiert dieser Fall der Zerstrahlung. Eine Zerstrahlung ist die Umwandlung von
Materieteilchen in elektromagnetische Strahlung. Dabei wird die gesamte Masse der Teilchen
nach dem Einstein-Gesetz über die Äquivalenz von Masse und Energie
W = mc2
(1.17)
in elektromagnetische Strahlung umgewandelt.
Diese hochenergetische, also kurzwellige Strahlung wird auch als Vernichtungsstrahlung bezeichnet, weil sie durch Vernichtung von Masse entstanden ist.
Beispiel:
Wenn ein Elektron und ein Positron zusammentreffen, spielt sich folgender Prozess
ab:
e− + e+ → γ + γ
(1.18)
Wenn beide Teilchen keine kinetischen Energie haben, erhält jedes Gammaquant
die Energie
1
Wγ = 2 · me c2 = 0, 511M eV
(1.19)
2
In der Regel haben die beiden Teilchen vor dem Zusammenstoß kinetische Energie.
Diese erhöht die Energie der entstehenden Gammaquanten entsprechend.
Die Vernichtungsstrahlung hat eine Wellenlänge λe , die sich aus
Wγ = hν =
hc
= me c2
λe
(1.20)
bestimmt. Daraus folgt
λe =
mit
h
= 2, 4262 · 10−12 m
me c
(1.21)
1.4. Antimaterie
17
h = PLANCK-Wirkungsquantum = 6.6262 · 10−34 Js.
me = Ruhmasse des Elektrons oder Positrons = 9, 1095 · 10−31 kg
c = Vakuum-Lichtgeschwindigkeit = 2, 997925 · 108 m/s.
Die Wellenlänge entspricht einer sehr harten Röntgenstrahlung.
Wieder muss die Impulserhaltung gewährleistet sein. Diese wird dadurch erreicht,
daß 2 Gammaquanten entstehen. Wenn an dem Zerstrahlungsvorgang wie bei der
Paarbildung auch ein Atomkern beteiligt ist, der einen Teil des Impulses übernimmt, kann der Impulserhaltungssatz auch bei der Entstehung eines einzigen
Gammaquants erfüllt werden.
Elektronen und Positronen sind für sich allein stabil. Wenn sie allerdings zusammentreffen, so
erfolgt sofort die Zerstrahlung. Das heißt, Elektronen und Positronen können nicht gleichzeitig
miteinander oder nebeneinander existieren.
Die uns umgebende Natur enthält Elektronen. Wenn ein Positron zum Beispiel mit der kosmischen Strahlung zur Erde fliegt, trifft es schnell auf ein Elektron und zerstrahlt. Darum gibt es
in unserer Umgebung keine Positronen.
Grundsätzlich muss es möglich sein, Antiatome aufzubauen. Man spricht dann von Antimaterie.
Antimaterie ist Materie, deren Atome aus Antiteilchen aufgebaut sind, analog zu den
Atomen der Materie aus Teilchen.
Beispiele:
Ein Antiwasserstoffatom besitzt ein Antiproton als Kern und ein Positron als Hülle.
Ein schweres Antiwasserstoffatom oder ein Antideuteriumatom hat ein Antiproton
und ein Antineutron in seinem Kern und ein Positron in seiner Hülle.
Ein Antiheliumatom enthält zwei Antiprotonen und zwei Antineutronen und zwei
Positronen.
In einem Raum ohne Materie-Teilchen ist Antimaterie stabil. Man könnte sich also durchaus
eine Antimaterie-Welt vorstellen, in der die Antiatome aus Antiprotonen, Antineutronen und
Antielektronen gebaut sind.
Bei der Erzeugung von Materie aus Energie treten immer Paare aus einem Teilchen und dem
entsprechenden Antiteilchen auf. Eine ungeklärte Frage bleibt, ob bei der Entstehung des Universums denn nicht auch gleich viel Materie wie Antimaterie auftrat - wenn nicht, warum nicht?
Und wenn ja - gibt es Galaxien aus Antimaterie?
Die Lichtemission von einer Galaxie aus Antimaterie würde vollständig mit derjenigen aus
Normalmaterie übereinstimmen. Ein Hinweis für die Existenz von Antimaterie-Galaxien wäre
die Beobachtung von enormer Vernichtungsstrahlung beim Zusammentreffen zweier Sternsysteme aus Normal- und Antimaterie. Ein solcher Vorgang ist nie beobachtet worden.
18
1. Teilchen
1.5 Neutrinos und Antineutrinos
1.5.1 Betazerfall
Wenn sich ein Neutron in ein Proton umwandelt, so wird dabei ein Elektron emittiert. Dieses
Phänomen ist als Betazerfall bekannt.
Ein Problem bei diesem Prozess, das den Wissenschaftlern lange Zeit Kopfzerbrechen bereitete,
war die Energiebilanz. Man erwartete:
∆E = [mn − (mp + me )] · c2 = 0.782M eV.
(1.22)
∆E sollte die kinetische Energie des Elektrons sein. Der Rückstoss des Protons darf aufgrund
seiner relativ großen Masse vernachlässigt werden. Misst man jedoch die Energie von Elektronen aus solch einem Zerfall, so ergab sich anstatt der diskreten Energie ∆E zur Überraschung
eine ganze Bandbreite von verschiedensten kinetischen Energien des Elektrons. Lediglich die
obere Grenze dieses Spektrums stimmte mit ∆E überein.
Ist hier ausnahmsweise der Energieerhaltungssatz verletzt?
Das Rätsel der scheinbar verlorenen Energie wurde von W. Pauli 1930 gelöst. Er nahm an,
dass bei dem Zerfall noch ein drittes, bisher völlig unbekanntes Teilchen entsteht, welches die
fehlende Energie fortträgt.
Es handelt sich dabei um das Antineutrino ν̄e . Es trägt keine elektromagnetische Ladung und ob
es eine Masse grösser Null besitzt, ist immer noch ein nicht abgeschlossenes Forschungsgebiet.
Die Zerfallsreaktion des Neutrons lautet also:
n → p + e− + ν̄e
(1.23)
Neutrinos ν und ihre Antiteilchen, die Antineutrinos, konnten lange Zeit experimentell nicht
nachgewiesen werden, da sie ungehindert Materie durchdringen können. Kosmische Neutrinos
durchqueren unbemerkt unseren Planeten. Die extrem geringe Wechselwirkung erklärt sich aus
folgendem:
Die bei der Betaemission abgegebenen Elektronen können eine Maximalenergie des Spektrums
erreichen, so dass sich bei der Energiebilanz ergibt, dass das entstehende Neutrino keine Ruhenergie besitzt - das bedeutet, daß das Teilchen auch keine Masse hat. Da es keine elektrische
Ladung und keine Masse hat, weist das Neutrino kaum eine Wechselwirkung mit Materie auf.
Ferner müssen in allen Teilchenwechselwirkungen neben dem Energieerhaltungssatz auch der
Impulserhaltungssatz und der Drehimpulserhaltungssatz erfüllt sein, darum muß man den Neutrinos neben der Energie auch einen Impuls und einen Spin zuschreiben.
Die Beschreibung der schwachen Wechselwirkung, für die der Betazerfall ein Beispiel ist,
machte es notwendig, auch die Existens des Antineutrinos anzunehmen. Der Grund war die
Erhaltung der Leptonenzahl in diesen schwachen Zerfällen. Tatsächlich handelt es sich bei
dem im Betazerfall emittierten Teilchen um das Antineutrino, das nach seinem Partner, dem
Elektron, Elektron-Antineutrino genannt wird. Das Antineutrino unterscheidet sich von dem
1.5. Neutrinos und Antineutrinos
19
Neutrino durch die entgegengesetzte Leptonenladung. Für das Neutrino gilt L = +1, für das
Antineutrino L = −1.
Ein Neutrino entsteht beim sogenannten β + -Zerfall, wobei sich innerhalb des Atomkerns ein
Proton in ein Neutron umwandelt unter Emission des Neutrinos und eines Positrons.
Neutrinos können nur schwer beobachtet und nachgewiesen werden, weil Neutrinos nur eine
sehr geringe Wechselwirkung mit der Materie zeigen. Jeder Nachweis eines Teilchens beruht
schließlich darauf, daß dieses direkt oder indirekt mit der Materie einer Meßapparatur in Wechselwirkung tritt. Neutrinos durchdringen jedoch sehr dicke Schichten fester Stoffe - ja die ganze
Erdkugel - ohne daß im Allgemeinen eine Wechselwirkung erfolgt.
Beispiele:
Pro Sekunde wird ein Mensch von etwa 1012 Neutrinos durchstrahlt, die aus dem
Kosmos kommen. Sie fliegen durch den Körper hindurch, ohne die geringsten Wirkungen zu verursachen.
Ein Neutrino muß im Mittel eine Bleischicht von 1013 km durchdringen, bis es zu
einer Wechselwirkung kommt.
1.5.2
Weitere Leptonen
Die gemeinsam mit e+ und e− beim Betazerfall entstehenden Neutrinos und Antineutrinos werden als Elektron-Neutrino und Elektron-Antineutrino bezeichnet. Tatsächlich hat man jedoch
noch andere Neutrinoarten gefunden.
So fand man zu dem Myon ein passendes Myon-Neutrino νµ , das nicht mit dem ElektronNeutrino identisch ist.
Außer Elektron und Elektron-Neutrino und Myon und Myon-Neutrino gibt es noch das Tau τ und das
Tau-Neutrino ντ . Damit gibt es sechs Leptonen und die entsprechenden Antileptonen (Tabelle 1.5.2).
Wir kennen die Leptonenzahl L = 1, die die Leptonen charakterisiert. Dass die Zerstrahlung von
Elektron- und Myon-(Anti-)Neutrino nicht stattfindet, legt die Einführung einer Elektron-Leptonzahl
und einer Myon-Leptonzahl nahe. Später werden wir nämlich feststellen, dass die Leptonenzahl in Teilchengrößen eine Erhaltungsgröße ist - und jede einzelne Leptonzahl Lx wie in Tabelle 1.5.2 gezeigt für
sich genommen ebenfalls.
20
1. Teilchen
Leptonen
e−
νe
µ−
νµ
τ−
ντ
Antileptonen
e+
ν̄e
µ+
ν̄µ
τ+
ν̄τ
Spin
Masse ( MceV
2 )
Lebensdauer (s)
Le
Lµ
Lτ
1
2
1
2
1
2
1
2
1
2
1
2
0.511
≤ 16 · 10−6
105.659
≤ 0.25
1784
≤ 35
stabil
stabil
2.197 · 10−6
stabil
3.3 · 10−13
stabil
+1
+1
0
0
0
0
0
0
+1
+1
0
0
0
0
0
0
+1
+1
1
2
1
2
1
2
1
2
1
2
1
2
0.511
≤ 16 · 10−6
105.659
≤ 0.25
1784
≤ 35
stabil
stabil
2.197 · 10−6
stabil
3.3 · 10−13
stabil
-1
-1
0
0
0
0
0
0
-1
-1
0
0
0
0
0
0
-1
-1
Kapitel 2
Wechselwirkungen
2.1 Die kosmische Strahlung
Wenn man eine aufgeladene Kugel stehen lässt, so stellt man fest, dass sie sich nach einer Weile
entlädt, auch wenn sie sorgfältig isoliert ist. Die Entladung muss also über die Luft erfolgen.
Die Luft ist leicht ionisiert und daher elektrisch leitend.
Diese Ionisation der Luft kommt hauptsächlich von Strahlung, welche Radionuklide emittieren,
die sich im Boden oder im Mauerwerk der Gebäude befinden. In größeren Höhen nimmt die
Ionisation der Luft bis etwa 700 m schnell ab. Noch höher nimmt sie jedoch wieder zu.
1912 stellte der österreichischen Physiker V. F. HESS (1883-1964) die Hypothese auf, dass die
Ionisation der Luft von einer extraterrestrischen Strahlung herrührt. Diese löst in der Lufthülle
Sekundärprozesse aus, so dass die Luft in höheren Schichten ionisiert wird. Es handelt sich bei
dieser Strahlung um die kosmische Strahlung.
Die kosmische Strahlung besteht aus energiereichen Teilchen, die aus dem Kosmos kommend
in die Erdatmosphäre eintreten.
Diese auf die Erdatmosphäre treffende Strahlung nennt man Primärstrahlung. Sie hat eine Teilchenstromdichte von etwa 0, 27 · cm−2 s−1 . Die meisten Teilchen sind einfach positiv geladen.
Die Strahlungsenergie, die die Erde durch die kosmische Strahlung erreicht, entspricht etwa
der Licht- und Wärmeenergie der Sterne, die durch den nächtlichen Himmel eingestrahlt wird.
Allerdings muss man bedenken, dass diese Energie sich auf eine relativ kleine Anzahl von Partikeln konzentriert. Einzelne Teilchen können hohe Energien besitzen wie 1011 GeV = 1020 eV .
Diese Teilchenenergien machen die kosmische Strahlung für die Erforschung der Materie und
der Elementarteilchen interessant.
Ein Teil der kosmischen Strahlung ist so durchdringend, dass man eine 8000 m dicke Wasserschicht braucht, um sie abzuschirmen.
Beim Durchdringen der Atmosphäre wechselwirkt die kosmische Strahlung mit den Atomen,
so dass durch Sekundär- und Tertiärprozesse neue Teilchen entstehen, die wiederum wechselwirken können. Daher unterscheidet man neben der Primärstrahlung in der kosmischen Strahlung noch die Sekundärstrahlung. Zahlreiche neue Elementarteilchen konnten in der kosmi-
22
2. Wechselwirkungen
schen Strahlung gefunden werden. Das Positron wurde 1932 von dem amerikanischen Physiker
C.D. ANDERSON in der kosmischen Strahlung entdeckt.
2.1.1 Die Primärstrahlung
Die Primärstrahlung setzt sich aus rund 85 % Protonen, 14 % Alpha-Teilchen und 1 % Kernen von Lithium, Beryllium, Bor, Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Calcium und anderen
Atomarten zusammen. Diese Häufigkeitsverteilung der Kerne spiegelt diejenige der entsprechenden Elemente im Kosmos wider.
Die Primärstrahlung der kosmischen Strahlung wird von der Atmosphäre in Höhen oberhalb
von 20 km vollständig absorbiert, so dass diese Komponente die Erdoberfläche nicht erreicht.
2.1.2 Die Sekundärstrahlung
Die Teilchen, die aus den Wechselwirkungen der kosmischen Strahlung mit den Atomen der
Atmosphäre entstehen, bilden die Sekundärstrahlung.
Wechselwirkung mit den Elektronenhüllen
Die Wechselwirkung der kosmischen Strahlung mit den Atomen der Atmosphäre besteht in
einer Anregung oder sogar Ionisierung. Dabei wird das einfallende Teilchen abgebremst, indem
es an verschiedene Atome Energie verliert. Bei senkrechtem Einfall ist es durch diese Prozesse
für die Atmospäre möglich, alle einfach geladenen Teilchen mit einer Energie bis maximal
2GeV von der Erdoberfläche abzuhalten. (Bei schrägem Einfall kann die Energie noch höher
sein.)
Teilchen höherer Energie schirmt die Atmosphäre im allgemeinen durch andere Wechselwirkungen mit Atomen ab.
Wechselwirkungen mit Atomkernen
Trifft ein energiereiches Proton einen Atomkern, entsteht ein Schauer.
In ihm können viele Millionen Teilchen enthalten sein, und er kann sich über Flächen von
mehreren km2 erstrecken.
Auch im Labor können Schauer erzeugt werden. Abbildung 2.1 zeigt die Schauerbildung in
einer Wasserstoff-Blasenkammer durch ein Proton mit der Energie 24GeV . Dabei entstehen
zahlreiche Elementarteilchen, deren Spuren man erkennt.
Der dominante Prozess, der bei der Wechselwirkung zwischen den Protonen oder schwereren
Kernen der primären kosmischen Strahlung und den Atomkernen der Atmosphäre auftreten
kann, ist, dass die Kerne durch die extrem hohe Energie der auftreffenden Protonen geradezu
zerschmettert werden können. Dabei entstehen verschiedene Bruchstücke des Kerns, Alphateilchen, Protonen, Neutronen, Elektronen, Positronen und andere Teilchen.
Diese entstehenden Bruchstücke können ihrerseits weitere Kernreaktionen herbeiführen. Diese
vielen verschiedenen Teilchen bilden schließlich die Sekundärstrahlung, in der man eine weiche
und eine harte Komponente unterscheidet:
2.1. Die kosmische Strahlung
23
Abbildung 2.1: Schauerbildung durch ein energiereiches Proton in einer Wasserstoff-Blasenkammer
• Die weiche Komponente besteht hauptsächlich aus Elektronen, Positronen und Photonen.
Sie kann durch eine 15cm dicke Bleischicht vollständig abgeschirmt werden.
• Die harte Komponente kann diese Bleischicht durchdringen. In größeren Höhen setzt
sie sich vorwiegend aus Atomkernen, Nukleonen und Pionen (eine weitere Sorte von
Teilchen) zusammen. In unteren Schichten finden sich überwiegend Myonen, die hauptsächlich vom Zerfall geladener Pionen herrühren.
Die geladenen Pionen π + und π − zerfallen in die Myonen µ+ und µ− :
π + → µ+ + ν und π − → µ− + ν̄
Die Myonen haben keine starken Wechselwirkungen mit Atomkernen. Ihr Energieverlust
kommt durch die Ionisation von Atomen zustande, weswegen sie an der Erdoberfläche den
Hauptteil der kosmischen Strahlung ausmachen. Sie durchdringen die Erde sogar noch mehrere hundert Meter.
Die neutralen Pionen π 0 zerfallen in zwei Photonen:
π0 → γ + γ
Diese Photonen sind für elektromagnetische Schauer verantwortlich.
Nun bleibt noch die Frage offen, woher die kosmische Strahlung stammt.
Die Strahlungsintensität nimmt mit auftretenden Eruptionen auf der Sonne zu, so dass man
wohl annehmen darf, daß ein Teil der Strahlung von der Sonne stammt - allerdings nur ein sehr
24
2. Wechselwirkungen
kleiner Teil, denn die Unterschiede der Strahlungsintensität sind bei Tag und Nacht äußerst
gering.
Der Hauptanteil der kosmischen Strahlung stammt demnach aus den Tiefen des Weltalls. Aus
welchen Teilen des Kosmos sie entspringt und wie die Teilchen auf die extrem hohe Energie
gebracht werden, ist noch nicht geklärt.
In der kosmischen Strahlung treten sozusagen auf natürlichem Weg zusätzliche Akteure im
„Teilchenzoo“ auf: Pionen, Positronen und Myonen, und außerdem sieht man die Resultate der
starken Kernkraft bei hohen Energien.
2.2. Austausch-Bosonen und Feynman-Diagramme
25
2.2 Austausch-Bosonen und Feynman-Diagramme
Wir haben nun einige Größen kennengelernt, die die Teilchen charakterisieren, wie Masse m,
Spin s, Ladung q, Leptonenzahl L und Baryonenzahl B. Außerdem haben wir bereits die Feldquanten im Atom, das Photon und das Gluon, erwähnt. In den Abschnitten 2.3 bis 2.6 beleuchten wir die Kräfte, die zwischen den Teilchen wirken, die elektromagnetische, die schwache
und die starke Kraft, und zunächst, was das Besondere an Photon und Gluon ist.
Im folgenden Abschnitt werden wir eine formale „Sprache“ kennenlernen, die FeynmanDiagramme, mit deren Hilfe man eine Teilchenreaktion beschreiben kann.
Austausch-Bosonen
Betrachtet man die Zusammensetzung des Atoms in Abbildung 1.1 auf Seite 5, so haben wir
als Komponenten bislang Quarks und Gluonen (innerhalb der Neutronen und Protonen) und die
Elektronen identifiziert. Zwischen Elektronen und positivem Kern besteht ein elektrisches Feld.
Die Feldquanten des elektrischen Feldes sind die Photonen. Sie sind ebenso wie die Gluonen
Austausch-Bosonen, sie halten das Atom zusammen wie die Gluonen die Kernbausteine.
Der Name „Austausch“-Boson rührt daher, dass diese Teilchen die Träger von Wechselwirkungen sind.1 Das Photon stellt den Vermittler der elektrischen Anziehung oder Abstoßung
dar. Übt zum Beispiel ein elektrisch negatives Elektron eine abstoßende Kraft auf ein zweites
Elektron aus, so bedeutet das, die beiden Teilchen treten miteinander in Wechselwirkung und
tauschen ein Photon, das entsprechende Boson, aus.
Abbildung 2.2: Durch das Hin und Her eines Balles treiben die beiden Boote auseinander.
Abbildung 2.2 illustriert diesen Vorgang mit Hilfe einer Alltagsanalogie: Zwei Menschen in
zwei Booten werfen sich einen Ball zu. Der Werfer erfährt aufgrund der Impulserhaltung einen
Rückstoß. Der Fänger erfährt einen Stoß. Somit entfernen sich beiden Booten aufgrund dieser
Wechselwirkung etwas voneinander. Wird der Ball mehrmals hin und her geworfen, so entfernen sich die Boote immer weiter voneinander. Ein Beobachter in geraumer Entfernung erkennt
zwar die Boote aber nicht den Ball. Er sieht nur, dass zwischen den Booten eine Wechselwirkung herrscht, die sie auseinander treiben läßt. Ähnlich kann man sich die abstoßende Wechselwirkung zwischen den beiden Elektronen vorstellen. Sie tauschen untereinander Photonen
aus, so dass es zur Abstoßung kommt.
So wie das Photon das Boson der elektromagnetischen Wechselwirkung ist, so ist das Gluon
jenes der starken Wechselwirkung, die die Kerne zusammenhält.
1
Der Name Boson wird später noch behandelt.
26
2. Wechselwirkungen
Feynman-Diagramme
Richard Feynman entwickelte für die Beschreibung von elektromagnetischen Phänomenen die
Feynman-Diagramme. Diese „Bildsprache“ lässt sich in jeder Quantenfeldtheorie anwenden.2
Ein Feynman-Diagramm besitzt zwei Dimensionen, eine Raumachse x und eine Zeitachse t.
Man stellt damit dar, wie sich Teilchen in Raum und Zeit bewegen. Das Koordinatensystem
wird nicht mit abgebildet, allerdings muss festgelegt werden, wo sich welche Achse befindet.
Im Folgenden wollen wir die x-Achse in die Waagrechte legen und die t-Achse in die Senkrechte.
Ein Teilchen wird durch einen gerade Pfeil dargestellt. Das bedeutet, das Teilchen bewegt sich
in positiver Richtung in der Zeit. Ein Antiteilchen wird ebenfalls durch einen geraden Pfeil
symbolisiert, allerdings zeigt die Pfeilrichtung in die negative Zeitrichtung. So sieht es aus, als
würde sich ein Teilchen in die Vergangenheit bewegen.
Abbildung 2.3: Das Feynman-Diagramm für die Coulomb-Wechselwirkung zwischen zwei Elektronen.
Nach rechts erstreckt sich die Raumkoordinate, nach oben die Zeit.
Betrachten wir das Feynman-Diagramm in Abbildung 2.3. Die zeitliche Entwicklung des Prozesses verläuft von unten nach oben. Es nähern sich zwei Elektronen einander an. Bei minimaler Annäherung ist ein Photon in Form einer Wellenlinie eingetragen, das die beiden Elektronen
verbindet. Das bedeutet, die beiden Elektronen treten über den Austausch eines Photons miteinander in Wechselwirkung. Nach diesem Austausch entfernen sich die beiden Elektronen
räumlich voneinander.
In der Quantenelektrodynamik wird die elektromagnetische Wechselwirkung durch das Photon
als Austauschboson vermittelt. Die Reaktion, die in Abbildung 2.3 dargestellt ist, beschreibt
die Wechselwirkung zweier gleichnamiger elektrischer Ladungen.
Das ausgetauschte Photon beginnt an einem Vertex, einem Knotenpunkt in dem Diagramm
(hier gebildet durch das einlaufenden Elektron, das auslaufende Elektron und das Photon) und
endet an einem Vertex (aus Photon, einlaufendem Elektron und auslaufendem Elektron). Eine
in einem Feynman-Diagramm zwischen zwei Vertices eingeschlossene Linie beschreibt ein
virtuelles Teilchen, ein Teilchen wie hier das Photon, das im Labor nicht beobachtet werden
kann. Nur Teilchen, deren Linien in ein Diagramm hineinführen und/oder hinausführen, sind
reelle Teilchen, die beobachtbar sind.
2
Man kann nicht nur für Teilchen eine Quantenfeldtheorie aufstellen, auch für Felder (zum Beispiel elektromagnetische Felder) können Quantentheorien, die sogenannten Quantenfeldtheorien, entwickelt werden.
2.2. Austausch-Bosonen und Feynman-Diagramme
27
Beispiele für Wechselwirkungen:
Erde und Mond stellen zwei Massen dar. Sie üben über das Newtonsche Gravitationsgesetz über ihre Gravitationsfelder die Gravitationswechselwirkung aufeinander aus.
Elektron und Positron stellen zwei elektrische Ladungen dar und üben aufgrund des Coulomb-Gesetzes über ihre elektrischen Felder die CoulombWechselwirkung aufeinander aus.
Alle Elementarteilchen üben Wechselwirkungen aufeinander aus, welche durch die Eigenschaften (die Masse, die Quantenzahlen und den Bewegungszustand) der Elementarteilchen
bestimmt sind.
Die vier Wechselwirkungen unterscheiden sich in ihrer Stärke, von schwach bis stark geordnet
sind dies:
• die Gravitationswechselwirkung,
• die schwache Wechselwirkung,
• die elektromagnetische Wechselwirkung,
• die starke Wechselwirkung.
Die Wechselwirkungen unterscheiden sich nicht nur in der Stärke, sondern auch in ihrer Reichweite. Während die Gravitationswechselwirkungen und die elektromagnetischen Wechselwirkungen über große Entfernungen wirken, sind die schwache und die starke Wechselwirkung
kurzreichweitig.
Gravitationskräfte und die elektromagnetischen Kräfte können auch bei makroskopischen Körpern auftreten. Die schwache und die starke Wechselwirkung kann man dagegen nicht an makroskopischen Körpern untersuchen, weil die Kräfte nur zwischen unmittelbar benachbarten
Teilchen wirken.
.
Beispiel:
Zwei Protonen haben den Abstand r = 10−15 m. Nach dem NEWTONGravitationsgesetz ergibt sich eine Anziehung aufgrund der Gravitation von
FG = G
2
−27
m2p
kg
−11 3
−1 −2 1, 67 · 10
=
6,
67
·
10
m
kg
s
(
)≈ 2 · 10−34 N
r2
10−15 m
Für die COULOMB-Kraft erhält man:
1 e2
1
1, 6 · 10−19 C 2
FC =
=
(
) ≈ 200N
4π²0 r2
4π · 8, 85 · 10−12 CV −1 m−1
10−15 m
(2.1)
(2.2)
Die Gravitationswechselwirkung ist extrem klein gegenüber der elektromagnetischen Wechselwirkung. Daher wird die Gravitationswechselwirkung zwischen den Elementarteilchen gegenüber der elektromagnetischen Wechselwirkung vernachlässigt.
28
2. Wechselwirkungen
2.3 Die elektromagnetische Wechselwirkung
An einer elektromagnetischen Wechselwirkung können alle Teilchen teilnehmen, die elektrisch
geladen sind oder die ein magnetisches Moment haben. Das Austauschboson ist das Photon.
Das Photon koppelt an die elektrische Ladung. Die Eigenschaft, die für die elektromagnetische Wechselwirkung verantwortlich ist, ist also die elektrische Ladung. Je näher sich zwei
elektrisch geladene Teilchen einander befinden, desto stärker ist die Anziehungskraft (oder Abstoßungskraft). Die Reichweite der elektromagnetischen Wechselwirkung ist unendlich.
U (r) = −
1 q1 q2
4π²0 r
(2.3)
In Abbildung 2.4 sind die Feldlinien zweier sich anziehender elektrischer Ladungen gezeigt.
Abbildung 2.4: Die Feldlinien zwischen zwei vom Betrag gleichgroßen elektrischen Ladungen mit entgegengesetzten Vorzeichen.
2.4 Die Gravitation
Die physikalische Eigenschaft von Teilchen oder makroskopischen Körpern, die für die Gravitation verantwortlich ist, ist die Masse. Sie ist sozusagen die „Ladung“ der Gravitationswechselwirkung. Diese Wechselwirkung ist allerdings bei den geringen Massen der Elementarteilchen so gering, dass sie vernachlässigbar ist. Ihre Stärke ist 10−38 derjenigen der elektromagnetischen Wechselwirkung. Die Gravitationskraft hat Ähnlichkeit mit der elektromagnetischen
Kraft: Beide nehmen mit 1r ab. Die Reichweite der Gravitation ist also unendlich.
Das hypothetische Austauschboson der Gravitation ist das Graviton. Seine Masse ist null, es
trägt keine Ladung, und sein Spin beträgt 2~.
Die Gravitation spielt die entscheidende Rolle im Makrokosmos der großen Massen. Die Gravitation ist die dominante Wechselwirkung im Makrokosmos, weil die „Ladung“ Masse nur ein
Vorzeichen hat. Da ihre Reichweite unendlich ist, hat die Masse eines Teilchens Auswirkung
auf alle anderen Massen im gesamten Universum - jedoch unter der Einschränkung der Lichtgeschwindigkeit c: Kein Austauschboson kann sich von einem Teilchen zum anderen schneller
als mit c = 2, 99792458 · 108 m/s bewegen. So wie ein Photon von der Sonne zur Erde 8
Minuten braucht, Würde auch ein Graviton 8 Minuten benötigen.
2.5. Die schwache Wechselwirkung
29
2.5 Die schwache Wechselwirkung
Das Besondere der schwachen Wechselwirkung ist die Tatsache, dass die Austauschbosonen
massebehaftet sind. Es sind drei Bosonen mit Spin-Quantenzahl s = 1 und elektrischen Ladungen +1e, −1e und 0: Das W + , das W − und das Z 0 . Das Z 0 besitzt die zweitgrößte Masse
aller bekannten Elementarteilchen mit 91GeV /c2 , etwa hundertmal so schwer wie das Proton (die größte Masse besitzt das Top-Quark mit rund 174GeV /c2 ). Die W-Bosonen sind die
nächstleichteren Teilchen mit 81GeV /c2 .
Ein Beispiel für den Austausch eines W-Bosons und damit für die schwache Wechselwirkung
ist der β-Zerfall von Atomkernen: Ein Kern (A, Z, N ) emittiert ein Elektron, wobei sich ein
Neutron in ein Proton umwandelt. Dabei wird ein Antineutrino emittiert:
(A, Z, N ) → (A, Z + 1, N − 1) + e− + ν¯e
(2.4)
n → p + e− + ν¯e
(2.5)
bzw.
Abbildung 2.5: Beta-Zerfall
In Abbildung 2.5 wandelt sich das elektrisch neutrale Neutron unter Emission des elektrisch
negativen W − -Bosons in das elektrisch positive Proton um.
Das W − -Boson zerfällt anschließend in zwei Leptonen, das e− und das ν¯e .
Die schwache Wechselwirkung spielt eine wichtige Rolle bei der Verschmelzung von Wasserstoff zu Helium in Sternen. Der Fusionsprozeß ist in Abbildung 2.6 gezeigt, die sogenannte
Proton-Proton-Reaktion. Der erste Schritt wird durch die schwache Wechselwirkung ausgelöst:
Zwei Protonen fusionieren und emittieren dabei ein Positron und ein Neutrino, so dass ein
Deuteron d = (p, n) entsteht: p + p → d + e+ + νe
Ein weiteres Proton und das entstandene Deuteron d verschmelzen, wobei ein Photon emittiert
wird. Es entsteht das Helium-Isotop 3 He++ : p + d →3 He++ + γ
30
2. Wechselwirkungen
Zwei dieser Isotope fusionieren zu 4 He: 3 He++ +3 He++ →4 He++ + 2p
Als Summenreaktion ergibt sich die Verschmelzung von vier Protonen zu einem Helium-Kern
unter Emission von zwei Positronen, zwei Neutrinos und Gamma-Strahlung: 4p →4 He++ +
2e+ + 2νe + 2γ.
Abbildung 2.6: Fusionsprozeß in der Sonne.
2.6 Die starke Wechselwirkung
Ein prominentes Beispiel für die starke Wechselwirkung ist die Alpha-Instabilität der Kerne,
der sich der elektromagnetische Alpha-Zerfall anschließt. Dabei emittiert ein Kern (A, Z, N )
mit Massenzahl A, Ordnungszahl Z und Neutronenzahl N ein α-Teilchen
α = (ppnn) =4 He++
Dadurch wird aus dem Kern (A, Z, N ) durch Emission des Alpha-Teilchens der Kern (A −
4, Z − 2, N − 2).
(A, Z, N ) → (A − 4, Z − 2, N − 2) + α
(2.6)
Die starke Kraft hält die Nukleonen im Atomkern zusammen und überwindet somit die zwischen den Protonen herrschende abstoßende Kraft. Eigentlich wirkt die starke Kraft jedoch
zwischen den Quarks innerhalb eines Nukleons. Dass sich trotzdem die Nukleonen durch die
in ihnen wirkenden Kräfte anziehen, kann man sich durch eine Analogie zu einem Phänomen
der elektrischen Ladungen vorstellen, den Van-der-Waals-Kräften. Hier geht es um elektrisch
neutrale Teilchen, die allerdings Systeme aus elektrisch geladenen Komponenten darstellen.
Durch Verschieben der Ladungen in einem der neutralen Teilchen erfährt ein in der Nähe befindliches Teilchen ein elektromagnetisches Feld, das zu einer Verschiebung der Ladungen in
2.7. Erhaltungsgrößen in Teilchenreaktionen
31
diesem Teilchen führt. Damit ergibt sich eine Kraft auf das erste Teilchen. Eine genaue, komplizierte Rechnung ergibt insgesamt eine anziehende Kraft. Diese elektrostatischen Anziehungskräfte erfahren nehmen mit zunehmender Entfernung rasch ab. So kann man sich auch das
„Zusammenkleben“ der Nukleonen im Kern vorstellen, das nur in unmittelbarer Nachbarschaft
zustandekommt - ähnlich einem Klettverschluss.
Das Nukleon, das aus Quarks und Gluonen besteht, wird durch die starke Kraft zusammengehalten. Sie wirkt zwischen den „Farbladungen“, und das Austauschboson ist das Gluon. Wir
werden später noch einmal näher auf diesen starken Zusammenhalt eingehen, wenn wir die
Quarks eingehender betrachten.
Das Pion und die Yukawa-Theorie
Bei der Erforschung der starken Kernkraft vermutete 1935 erstmals der japanische Physiker
H. YUKAWA, dass innerhalb der Atomkerne Wechselwirkungen ähnlich den elektrostatischen
Anziehungskräften am Werk seien. Wie das Photon sollte ein damals hypothetisches Pion das
Austauschteilchen sein, das zwischen den Nukleonen wechselte. Dieses müsste dann aus elektrisch neutraler Ladung des Neutrons elektrisch positive Ladung des Protons machen und umgekehrt. Da die starke Wechselwirkung auch unter gleichartigen Nukleonen wirkt, sollte es aber
auch neutrale Pionen geben.
Aufgrund der kurzen Reichweite der Kernkräfte sagte Yukawa eine Masse von etwa
200M eV /c2 für die Pionen voraus.
Betrachtet man alle möglichen Austauschprozesse, an denen Pionen beteiligt sind, ergibt sich,
dass für derartige Austausche 3 Pionen erforderlich sind: π 0 , π − und π + . Wir werden später
noch sehen, dass auch in diesen später nachgewiesenen Austauschteilchen, den Pionen, Gluonen und Quarks enthalten sind.
Tabelle 2.6 zeigt eine Übersicht der Merkmale der vier Wechselwirkungen.
Wechselwirkung
starke
elektromagnetische
schwache
Gravitation
Austauschboson
Gluonen
Photon
W ±, Z 0
Graviton
Masse
(GeV /c2 )
0
0
81, 91
0
Spin
Ladung
1
1
1, 1
2
Farbe
elektrische
schwache
Masse
Reichweite
(m)
10−15
∞
10−18
∞
Stärke*
1
1/137
10−5
10−38
*Stärke in Relation zur Einheit der starken Wechselwirkung
2.7 Erhaltungsgrößen in Teilchenreaktionen
Baryonenzahl und Leptonenzahl
Allen Baryonen wird die Baryonenzahl B = +1 zugewiesen. Die Baryonenzahl ist eine additive innere Quantenzahl wie die Ladung Q, und somit ändert sich ihr Vorzeichen bei Antibaryonen: Antibaryonen haben die Baryonenzahl B = −1. Teilchen, die keine Baryonen sind, haben
die Baryonenzahl B = 0.
32
2. Wechselwirkungen
Bei allen Teilchenreaktionen - so haben Experimente gezeigt - ist die Baryonenzahl erhalten.
Das heißt, die Summe aller Quantenzahlen Bj muß nach Ablauf der Reaktion gleich der Summe
aller Quantenzahlen Bi vor der Reaktion sein.
Ein Beispiel:
p + p → p + p + p + p̄
(2.7)
Hierbei werden durch Kollision zweier Protonen drei Protonen und ein Antiproton erzeugt.
Die Summe der Baryonenzahlen vor der Reaktion ist ΣBi = +1 + 1 = +2, die Summe der
Baryonenzahlen nach der Reaktion ist ΣBj = +1+1+1−1 = 2. Wenn ein Antiproton erzeugt
wird, so muss unweigerlich aufgrund dieses Erhaltungssatzes ein zusätzliches Proton erzeugt
werden.
Wie sieht es aus mit der Leptonenzahl?
Das Besondere an der Leptonenzahl ist, dass sie für jede Familie3 einzeln erhalten ist. Es gibt
also nicht nur eine allgemeine Leptonenzahl L, sondern für die Elektron-Familie eine ElektronLeptonenzahl Le , für die Myon-Familie eine Myon-Leptonenzahl Lµ und für die Tau-Familie
eine Tau-Leptonenzahl Lτ . Die Antiteilchen tragen die entsprechenden negativen Leptonenzahlen.
Tabelle 1.5.2 auf Seite 20 zeigt die Eigenschaften der Leptonen.
Beispiele:
p → π 0 + e+
Energie-, Impuls- und Drehimpuls-Erhaltung kann gewährleistet sein. Die elektrische Ladung ist erhalten. Jedoch findet der Prozeß nicht statt, da weder die Baryonenzahl B noch die Leptonenzahl Le erhalten sind.
µ+ → e+ + νe + ν¯µ
Auf der rechten Seite gilt: Le = −1 + 1 = 0 und Lµ = −1. Auf der linken Seite
gilt: Lµ = −1 und Le = 0. Dieser Zerfall findet statt.
µ+ → e + + γ
Dass diese Reaktion nicht beobachtet wird, war das erste Indiz dafür, dass es eine
unabhänge Erhaltung von Le und Lµ geben muss.
n → p + e− + ν¯e
Sowohl B als auch Le bleiben erhalten. Würde bei diesem β-Zerfall des Neutrons
kein Antineutrino als drittes Teilchen emittiert werden, so wäre die LeptonenzahlErhaltung verletzt. Und es muss ein Elektron-Antineutrino sein, damit Le erhalten
bleibt.
π0 → γ + γ
B = 0, L = 0, der Zerfall findet statt.
3
Die Elektron-Familie beispielsweise wird gebildet aus: e− , e+ , νe und ν¯e .
Kapitel 3
Die Systematik der Elementarteilchen
Die bisherigen Erkenntnisse lassen sich so zusammenfassen: In Atomen und somit in Materie
sind drei Bausteine enthalten: Elektron, Proton und Neutron.
Das Feld in der Atomhülle bedingt die Einführung eines Feldquants der elektromagnetischen
Wechselwirkung, und zwar das Photon. Ebenso gibt es für das Feld der Kernkräfte ein analoges
Teilchen der starken Wechselwirkung, das Gluon. Diese Teilchen werden als Austauschbosonen
bezeichnet.
Die Energiebilanz beim Betazerfall machte das Neutrino erforderlich. Jedes Teilchen hat ein
Antiteilchen Die Existenz dieser Antiteilchen wurde durch die Entdeckung des Positrons, des
Antiprotons und vieler anderer Antiteilchen experimentell bestätigt. Diese Teilchen manifestieren sich im Aufbau der Atome und im Zerfall der Atomkerne. Anders verhält es sich mit den
Myonen, die in der kosmischen Strahlung vorkommen und auf Wechselwirkungen von Kernen
bei hohen Energien zurückzuführen sind.
YUKAWA hatte erstmals die Pionen postuliert, die durch die Kernkräfte ausgetauscht werden. Das Pion und andere stark wechselwirkende Teilchen bezeichnet man als Hadronen. Zu
dieser Gruppe gehören Protonen und Neutronen. Bisher wurden über 100 Hadronen gefunden
von denen aber alle bis auf das Proton instabil sind. Sie zerfallen nach den radioaktiven Zerfallsgesetzen. Meist ist aber die mittlere Lebensdauer so kurz, daß eine direkte Messung der
Lebensdauer unmöglich ist - statt dessen wird die damit über die Heisenbergsche Unschärferelation verknüpfte Ruheenergie- oder Massenunschärfe gemessen. Außerdem können sich Teilchen ineinander umwandeln, indem aus Energie neue Teilchen entstehen und andere Teilchen
in Energie zerstrahlen können. Dies hat zur Folge, dass oft die durch viele Wechselwirkungen entstandenen Teilchen beobachtet werden, diese aber nicht mehr den Bausteinen des zu
untersuchenden Teilchens entsprechen.
Um eine Ordnung in den so oft bezeichneten „Teilchenzoo“ zu bringen, könnte man die Elementarteilchen denn nicht in einer ähnlichen Weise sortieren wie Atome im Periodensystem
der Elemente?
Eine weitere Frage ist, ob ähnlich der Vielzahl der Atome, die aus Kombinationen von Neutronen, Protonen und Elektronen bestehen, auch die Teilchen aus einigen wenigen noch elementareren Bausteinen in verschiedenen Kombinationen bestehen.
Eine Möglichkeit zur Einteilung der Teilchen ist, welchen Wechselwirkungen sie unterliegen:
33
34
3. Die Systematik der Elementarteilchen
Die Hadronen
Zu den Hadronen werden alle Teilchen gezählt, die der starken Wechselwirkung unterliegen.
Zusätzlich können auf manche Hadronen auch elektromagnetische und schwache Kräfte wirken. Die Gravitation wird bei allen Teilchen, auch bei den Hadronen, vernachlässigt.
Im Sinne der Ordnung im Teilchenzoo werden Hadronen noch einmal in zwei Untergruppen
geteilt, die sich aufgrund ihrer Spin-Quantenzahl unterscheiden:
• die Mesonen mit ganzzahligem Spin 0, 1, ...
• die Baryonen mit halbzahligem Spin 12 , 32 , ...
Beispiele:
Proton und Neutron haben beide eine Spinquantenzahl von s =
Baryonen.
1
2
und sind daher
Das Pion hat eine Spinquantenzahl von s = 0 und ist damit ein Meson.
Die Leptonen
Leptonen unterliegen nur der schwachen und elektromagnetischen Wechselwirkung, nicht der
starken.
Die Neutrinos und deren Antiteilchen unterliegen insbesondere nur der schwachen Wechselwirkung, dagegen unterliegen Elektronen und Myonen sowie deren Antiteilchen sowohl der
schwachen als auch der elektromagnetischen Wechselwirkung.
Die Photonen
Die Photonen sind die einzigen Teilchen im Teilchenzoo, die ausschliesslich der elektromagnetischen Wechselwirkung unterliegen.
3.1 Die Mesonen
Mesonen besitzen mittelgroße Ruhemassen. Zu den Mesonen gehören die Pionen, die Kaonen
und die Eta-Teilchen. Die positiven und negativen Pionen entstehen in hohen Atmosphärenschichten bei der Wechselwirkung zwischen den Primärteilchen der kosmischen Strahlung und
Materie und wurden 1947 von dem englischen Physiker C. F. POWELL (1903 - 1969) entdeckt.
Bei der Einwirkung kosmischer Strahlung auf Atomkerne werden zunächst Pionen erzeugt. Die
Myonen entstehen erst durch Zerfall dieser Pionen. Die neutralen Pionen wurden wurden erst
1950 entdeckt.
Pionen konnten erstmals 1948 künstlich im Labor erzeugt werden. Beispiele für die Entstehung
von Pionen sind:
n + γ → p + π−
3.2. Die Baryonen
35
p + γ → n + π+
p + p → n + p + π+
n + p → n + n + π+
n + p → p + p + π−
Das positive Pion ist das Antiteilchen des negativen Pions und umgekehrt. Das neutrale Pion
jedoch ist mit seinem Antiteilchen identisch.
Zu den Kaonen gehören vier verschiedene Teilchen. Zunächst gibt es die positiv und negativ
geladenen Kaonen K + und K − , dann zwei verschiedene neutrale Kaonenarten KS0 und KL0 ,
die sich durch ihre mittlere Lebensdauer unterscheiden.
In Tabelle 3.1 sind die Eigenschaften von einigen Baryonen und Mesonen aufgeführt.
Baryonen
Name
Nukleon
Lambda
Sigma
Xi
Mesonen
Omega
Pion
Kaon
Eta
Symbol
p
n
Λ0
Σ+
Σ0
Σ−
Ξ0
Ξ−
Ω−
π+
π0
π−
K+
K0
Masse ( MceV
2 )
938.3
939.6
1116
1189
1193
1197
1315
1351
1672
139.6
135
139.6
493.7
497.7
Spin
η
549
0
1
2
1
2
1
2
1
2
1
2
1
2
1
2
1
2
3
2
0
0
0
0
0
Ladung (e) <Lebensdauer> (s)
+1
> 1032 Jahre
0
886
0
2.5 · 10−10
+1
0.8 · 10−10
0
7.4 · 10−10
-1
1.5 · 10−10
0
3.0 · 10−10
-1
1.7 · 10−10
-1
0.8 · 10−10
+1
2.6 · 10−8
0
0.8 · 10−16
-1
2.6 · 10−8
+1
1.24 · 10−8
0
0.89 · 10−10
oder 5.2 · 10−8
0
2 · 10−19
3.2 Die Baryonen
Baryonen haben eine Masse gleich der Protonenmasse oder größer. Sie teilen sich in 2 Gruppen:
• die Nukleonen, zu ihnen zählen die Protonen p und die Neutronen n.
• die Hyperonen, zu ihnen gehören
das Lambda-Teilchen Λ0 ,
die Sigma-Teilchen Σ+ , Σ− und Σ0 ,
die Xi-Teilchen Ξ0 und Ξ− ,
das Omega-Teilchen Ω− .
36
3. Die Systematik der Elementarteilchen
Betrachtet man die Baryonen und ihre Massen, so fällt auf, dass man sie in „Ladungsmultipletts“ mit nahezu gleicher Masse gruppieren kann (siehe Tabelle 3.1). Die Nukleonen (n und
p) besitzen beide eine Masse von rund 939M eV /c2 . Sie bilden ein Ladungsdublett mit den
elektrischen Ladungen 0 und +1. Das Λ-Teichen hat die Masse von etwa 1116M eV /c2 und
bildet ein Singulett. Die Σ-Teilchen haben eine Masse um die 1190M eV /c2 und bilden ein
Triplett mit den elektrischen Ladungen +1, 0 und −1. Wieder ein Dublett mit den elektrischen
Ladungen 0 und −1 und Massen von rund 1315M eV /c2 bilden die Ξ-Teilchen. Wieder ein
Singulett der elektrischen Ladung 0 und der Masse 1672M eV /c2 bildet das Ω-Teilchen. Man
erkennt eine Systematik, die später noch genauer besprochen wird und in welche die noch
kennzulernenden Quantenzahl Isospin eingehen werden.
Auch bei den Mesonen finden sich solche Ladungsmultipletts mit nahezu gleichen Massen
(siehe Tabelle 3.1). Identische Massen treten innerhalb eines Multipletts auf, wenn es sich um
Teilchen und Antiteilchen handelt, wie bei π+ und π − .
Die Hyperonen haben alle eine Ruhemasse größer als diejenige der Nukleonen. Hyperonen
werden beim Zusammenstoß energiereicher Teilchen gebildet. Sie sind instabil und haben nur
sehr kurze mittlere Lebensdauern. Die in der Tabelle aufgetragenen mittleren Lebensdauern
zeigen, daß die Teilchen sehr schnell zerfallen. Dies stellt eine Schwierigkeit bezüglich der experimentellen Erforschung ihrer Eigenschaften dar. Es gibt zahlreiche andere Teilchen, die hier
nicht genannt sind, deren mittlere Lebensdauer in der Größenordnung von 10−23 s liegt. Diese
Zeitspanne zu kurz, um die Teilchen zwischen ihrem Entstehen und Vergehen untersuchen zu
können.
3.3. Die Quarks
37
3.3 Die Quarks
Der Schlüssel für die Ordnung der Hadronen, ähnlich einem Periodensystem der Elemente,
liegt in ihrer Substruktur, den Quarks.
Einst erkannte RUTHERFORD durch den Beschuß der Atome mit energiereichen Alphateilchen die innere Stuktur des Atoms. Ähnlich lassen sich Erkenntnisse über den Bau der Protonen
und Neutronen gewinnen. Man kann Streuversuche durchführen, indem man die Nukleonen mit
energiereichen Elektronen beschießt. Durch die Ablenkung der Flugbahn eines eindringenden
Elektrons kann man auf die Ladungsverteilung innerhalb des Nukleons schließen (Abbildung
3.1).
Abbildung 3.1: Streuung energiereicher Elektronen an einem Nukleon
In solchen Streuversuchen kann man beobachten, daß die hochenergetischen Elektronen stärker abgelenkt werden, als man bei einer kontinuierlichen Ladungsverteilung im Proton erwarten
würde. Das Ergebnis systematischer Streuversuche war, dass die Protonenladung im Wesentlichen durch drei Punktladungen beschrieben werden kann, die sich im Proton bewegen. Diese
Beobachtung deckt sich mit der Theorie, die 1964 von M. Gell-Man und G. Zweig unabhängig
voneinander entwickelt hatten:
Das Proton enthält drei subnukleare Teilchen.
Der Name Quarks für diese Teilchen stammt von Gell-Man.
Streuversuche an Neutronen zeigten, dass auch diese drei Quarks enthalten.
Die augenscheinlichen Unterschiede zwischen Proton und Neutron in Masse und elektrischer
Ladung lassen sich mit Einführung zweier verschiedener Typen von Quarks erklären, dem UpQuark (u) und dem Down-Quark (d). Für die Zusammensetzung von Proton und Neutron gilt:
p = (u, u, d) und n = (u, d, d).
Das Down-Quark ist etwas schwerer als das Up-Quark. Das Proton trägt die Ladung +1, das
Neutron die Ladung 0. Daraus folgt, dass die Ladung des Up-Quark + 23 und die des DownQuark − 31 sein muss.
Die Quarks sind innerhalb des Protons durch Gluonen auf dem engen Raum von der Größenordung von 10−15 m zusammengehalten. In Abbildung 3.2 sind die Gluonen wie Federn
gezeichnet, die die Quarks zusammenhalten.
38
3. Die Systematik der Elementarteilchen
Außer den drei in p bzw. n enthaltenen Quarks, die man als Valenzquarks bezeichnet, weil sie die inneren Quantenzahlen bestimmen, sind Quark-Antiquark-Paare zu sehen. Sie können bei Energiezufuhr
innerhalb des Nukleons entstehen und sich unter Energieabgabe wieder vernichten. Dazu kommen noch
die Austauschteilchen, die Gluonen, als weitere Bausteine.
Abbildung 3.2: Die drei Valenzquarks u,u,d im Proton werden von Gluonen zusammengehalten. Aus
einem solchen Gluon kann ein Paar aus Quarks entstehen.
Quarks können sich durch die schwache Wechselwirkung ineinander umwandeln. Betrachten
wir das Feynman-Diagramm in Abbildung 2.5 auf Seite 29. Wenn Proton und Neutron durch
ihre drei Quarks dargestellt werden, ergibt sich Abbildung 3.3.
Abbildung 3.3: Beta-Zerfall auf Quark-Niveau
Betrachtet man auf Quarkebene die Reaktion, so muss das Neutron (u, d, d) zum Proton
(u, u, d) werden. Dazu emittiert ein Down-Quark mit der elektrischen Ladung − 13 ein W-Boson
der Ladung −1, so daß ein Up-Quark der Ladung + 23 entsteht (Abbildung 3.3).
Nun fragt man sich, ob außer Protonen und Neutronen als Atombausteinen auch die Elektronen
aus Subkomponenten aufgebaut sind. Streuversuche haben gezeigt, daß die Elektronen keine
innere Struktur haben. Dies ist eine Eigenschaft aller Leptonen.
3.3. Die Quarks
39
Dies führt zu der Feststellung: Die elementarsten Bausteine innerhalb der Atome sind Elektronen, u-Quarks und d-Quarks.
Bis heute ist es nicht gelungen, ein Quark aus dem Nukleon herauszulösen oder als freies
Teilchen zum Beispiel in der kosmischen Strahlung zu beobachten.
Der Grund hierfür ist, daß sie durch die starken Kräfte in den Nukleonen zusammengehalten
werden. Man kann aber die Quarks innerhalb des Nukleons untersuchen.
3.3.1
Bindung der Quarks
Die elementare starke Wechselwirkung findet nur zwischen den Quarks statt. Daher kann ein
Lepton, das keine Quarks enthält (zum Beispiel das Elektron) nicht an der starken Wechselwirkung teilnehmen. Begegnen sich zum Beispiel ein Neutron und ein Elektron in ausreichender
Entfernung, so dass das Neutron als elektrisch neutrales Gebilde gesehen wird, so wird weder
eine elektromagnetische Wechselwirkung stattfinden - denn das Neutron trägt keine elektromagnetische Ladung - noch eine starke Wechselwirkung - denn das Elektron enthält keine stark
wechselwirkenden Quarks.
Analog zur elektromagnetischen Wechselwirkung tragen die Quarks eine Ladung, die die starke
Wechselwirkung möglich macht. Diese Ladung wird als „Farbladung “ oder einfach nur „Farbe“ bezeichnet. Die Austausch-Bosonen der starken Wechselwirkung sind die Gluonen, die
selbst Farbladung tragen. Insgesamt gibt es 3 verschiedene Farbzustände, welche die Quarks
annehmen können. Die Zahl der wechselwirkenden Gluonen beträgt 8.
Wenn die starke Wechselwirkung (mit einer Farbladung und dem Gluon als Austauschboson)
Ähnlichkeit mit der elektromagnetischen Wechselwirkung (mit einer elektromagnetischen Ladung und dem Photon als Austauschboson) hat, so gibt es doch einen sehr offensichtlichen
Unterschied: Die elektromagnetische Kraft nimmt mit r12 ab, bzw. das elektromagnetische Potential sinkt antiproportional zum Abstand. Die Reichweite ist also theoretisch unbegrenzt. Die
Reichweite der starken Wechselwirkung hingegen ist begrenzt auf 10−15 m. Zwei Hadronen
innerhalb dieses Bereichs üben eine starke Kraft aufeinander aus, ein Hadron in größerer Entfernung spürt keine Anziehung mehr.
Betrachtet man die Feldlinien der starken Wechselwirkung in Abbildung 3.4, so fällt der Unterschied zu dem Feld der elektromagnetischen Wechselwirkung in Abbildung 2.4 auf. Der
Abstand der Feldlinien zwischen den beiden Ladungsträgern nimmt nicht zu: Die Feldstärke
nimmt mit wachsendem Abstand nicht ab.
Abbildung 3.4: Feldlinien zwischen zwei Farbladungen.
Das Potential für die starke Wechselwirkung hat die Form:
40
3. Die Systematik der Elementarteilchen
V (r) = −
4 αs ~c
+ kr
3 r
(3.1)
Lässt man r gegen unendlich gehen, so wird der Term kr unendlich groß. kr entspricht der
„Röhrenanordnung“ der Feldlinien in Abbildung 3.4. Die Beschränkung auf 10−15 m rührt daher, dass die „Röhre“ zwischen den beiden Farbladungen bei Vergrößerung des gegenseitigen
Abstandes, also einer Vergrößerung des Potentials, aufbricht. Ansonsten könnte man riesige
Energiebeträge in ein solches System hineinstecken. An der Bruchstelle entstehen wie beim
Durchbrechen eines Stabmagneten zwei neue Pole.
3.3.2 Teilchenzoo
Quarks sind mit heutigen experimentellen Methoden als echt elementar zu sehen, wie auch das
Elektron. Elementar heisst für ein Teilchen, dass es keine innere Struktur erkennen lässt, die
auf noch kleinere Bausteine hindeuten könnte.
Es drängt sich jetzt doch die Frage auf, da bekanntlich der Begriff elementar stets im Wandel
war, ob die Quarks tatsächlich die letzten gefundenen strukturlosen Bausteine sind oder ob
eines Tages weitere Subkomponenten gefunden werden.
Man könnte spekulieren, daß die Quarks und Leptonen aus gemeinsamen, noch nicht bekannten
Teilchen aufgebaut sind. Um weiter in unsere heute als elementar anerkannten Teilchen hineinschauen zu können, braucht man immer höhere Energien, die erst einmal in Beschleunigern
erzeugt werden müssen.
Alle Hadronen (Tabelle 3.1 auf Seite 35) sind aus Quarks aufgebaut. Die heute bekannten
Hadronen lassen sich in zwei Klassen einteilen, die Baryonen mit drei Quarks und die Mesonen
mit einem Quark und einem Antiquark. Andere Kombinationen (2 Quarks + 2 Antiquarks oder
3 Quarks + 1 Quark + 1 Antiquark) sind theoretisch möglich - Kandidaten wurden beobachtet,
aber es gibt noch keine Sicherheit.
Die Vielzahl von Hadronen im Teilchenzoo bzw. die Kombinationsvielfalt resultiert daher, dass
es neben den Up- und Down-Quarks noch vier weitere Quarksorten gibt. Sie sind in Tabelle
3.3.2 gezeigt.
3.3. Die Quarks
Flavour
Quarks
u (up)
d (down)
s (strange)
c (charmed)
t (top)
b (bottom)
Antiquarks
ū
d¯
s̄
c̄
t̄
b̄
Spin
Ladung (e) Masse ( MceV
2 )
41
Baryonenzahl
1
2
1
2
1
2
1
2
1
2
1
2
+ 23
− 31
− 31
+ 23
+ 23
− 31
336
338
540
1 500
174 000
5 000
+ 31
+ 31
+ 31
+ 31
+ 31
+ 31
1
2
1
2
1
2
1
2
1
2
1
2
− 32
+ 13
+ 13
− 32
− 32
+ 13
336
338
540
1 500
174 000
5 000
− 13
− 31
− 31
− 13
− 31
− 31
Jedes Quark hat eine Spinquantenzahl von 12 . Ein Baryon mit der Zusammensetzung aus drei
Quarks hat eine halbzahlige Spinquantenzahl, dagegen ergibt sich für Mesonen eine ganzzahlige Spinquantenzahl.
Wir haben bereits eine spezielle Teilchengruppe kennengelernt, die für die Wechselwirkung
zwischen den Teilchen verantwortlich ist, die Austausch-Bosonen.
Ein Boson ist ein Teilchen mit ganzzahligem Spin.
Demnach sind die Mesonen Bosonen. Baryonen dagegen sind Fermionen mit halbzahligem
Spin.
Quarks und Leptonen sind Fermionen.
Abbildung 3.5 zeigt die Einteilung der Fermionen in Leptonen und Quarks. Baryonen enthalten drei Quarks (q, q, q) und Mesonen ein Quark und ein Antiquark (q, q̄) (Abbildung 3.6).
Mit Kenntnis der elektrischen Ladungen der Quarks ergibt sich, dass Baryonen maximal die
Ladung q = +2e tragen können und wenigstens q = −1e, was drei mögliche Ladungsquantenzahlen ergibt: Q = −1, 0, +1, +2. Bei Mesonen dagegen finden sich mit der Quark-AntiquarkKombination nur drei Ladungsquantenzahlen: Q = −1, 0, +1.
Isospin
Wir haben bereits festgestellt, dass sich die Hadronen zu Ladungsmultipletts zusammenfassen
lassen. Innerhalb eines Ladungsmultipletts unterscheiden sich die Massen der Angehörigen nur
geringfügig. Ein Beispiel bilden Proton und Neutron, die ein Ladungsdublett mit den Ladungen
+1 und 0 bilden.
Man könnte dieses Phänomen analog zu den Isotopen bei Kernen sehen: Die Mitglieder im
Multiplett erscheinen als verschiedene Ladungszustände ein und desselben „Elements“ mit
geringfügig unterschiedlichen Massen. Analog zu dem Isotop erscheint hier die Eigenschaft
Isospin T~ , der Teilchen eines Multipletts zusammenfasst. Isospin heißt er daher, weil seine zKomponente T3 wie beim quantenmechanischen Drehimpuls L Lz oder dem Spin ~s die Komponente sz gequantelt ist.
42
3. Die Systematik der Elementarteilchen
Abbildung 3.5: Die heute nachgewiesenen Elementarteilchen. Aufgrund der Quantenzahl „Spin“ werden zwei Teilchen-Kategorien festgelegt: Die Fermionen mit Spin-Quantenzahl 1/2 und
die Bosonen mit ganzzahliger Spin-Quantenzahl: Spin 1 tragen Photon, das Z 0 -, W +
und W − -Bosonen und die 8 Gluonen, Spin 0 das sogenannte Higgs-Boson und Spin 2
das Graviton. Das Higgs-Boson und das Graviton wurden bislang nicht nachgewiesen.
Fermionen werden in Leptonen und Quarks unterschieden. Zusätzlich werden auch alle
Anti-Leptonen und Anti-Quarks zu den Leptonen gezählt.
Abbildung 3.6: Quarks sind in unterschiedlichen Kombinationen als Valenzquarks in Hadronen enthalten: Baryonen bestehen aus drei Quarks, Mesonen aus einem Quark und Antiquark.
Teilchen eines Ladungsmultipletts haben einen gemeinsamen Wert des Isospins T , die dritte
Komponente T3 unterscheidet die Teilchen.
3.3. Die Quarks
43
Beispiel:
Der Isospin ist für das Ladungsdublett p und n T = 12 , die „auffächernde“ dritte
Komponente des Isospins beträgt für das Proton T = + 21 , für das Neutron T = − 21 .
Der Zusammenhang zwischen der elektrischen Ladung und dem Isospin T3 lautet
1
q = eQ = e(T3 + )
2
(3.2)
Trägt man Ladungsmultipletts nach T3 auf, erhält man eine anschauliche Darstellung der Ordnung, die zwischen Hadronen herrscht, und die Ladungen und Zusammengehörigkeit zu Multipletts widerspiegelt (Abbildung 3.7).
Abbildung 3.7: Klassifizierung der leichtesten Mesonen und Baryonen. Die y-Koordinate entspricht
Y = 2(Q − T3 ).
In Tabelle 3.3.2 sind einige Baryonen und Mesonen und ihre Quarkzusammensetzung aufgeführt. Zusätzlich zu den Kombinationen aus Up, Down und Strange sind Kombinationen mit
Charm-Quarks und Bottom-Quarks eingetragen.
Baryon Quarks Baryon Quarks
p
uud
Ξ0
uss
n
udd
Ξ−
dss
0
−
Λ
uds
Ω
sss
udc
∆++
uuu
Λ+
c
uuc
Σ+
uus
Σ++
c
0
+
udc
Σ
uds
Σc
usc
Σ−
dds
Ξ+
c
Meson
π+
π−
K+
K0
K̄ 0
K−
J/Ψ
Quarks
ud¯
ūd
us̄
ds̄
sd¯
sū
cc̄
Meson
D+
D0
Ds+
B+
B¯0
B0
B−
Strangeness
Betrachten wir folgenden Reaktionsgleichung, in der ein Kaon entsteht:
Quarks
cd¯
cū
cs̄
ub̄
¯
db
db̄
ūb
44
3. Die Systematik der Elementarteilchen
p + π − → Λ0 + K 0 .
(3.3)
Die Reaktion 3.3 ist ein Beispiel für die starke Wechselwirkung. Die beiden Reaktionsprodukte
jedoch besitzen Zerfallszeiten von 10−10 s, was charakteristisch für die schwache Wechselwirkung ist. Aufgrund dieser unerwartet langen Lebensdauern nannte man die entdeckten Teilchen
seltsame Teilchen.
Die Einführung einer neuen Quantenzahl S (nicht zu verwechseln mit dem Spin), die bei derartigen Reaktionen erhalten sein muss, folgt aus der Beobachtung, dass derartige seltsame Teilchen niemals einzeln, sondern nur in Paaren erzeugt werden können, auch, wenn alle anderen
Erhaltungssätze berücksichtigt werden. Diese Quantenzahl S hat den Namen Strangeness erhalten.
Gewöhnliche Hadronen (Nukleonen und Pionen) tragen die Strangeness S = 0. Dem Kaon gab
man bei seiner Entdeckung den Wert S = +1. Setzt man dies in Gleichung 3.3 ein, so findet
man die Strangeness für Λ0 , nämlich S = −1.
Teilchen besitzen pro s-Quark eine Strangeness S = −1, pro s̄-Quark die Strangeness S = +1.
Beispiel:
Das Teilchen Ω− besitzt drei s-Quarks und hat damit eine Strangeness von S = −3.
Die Reaktion 3.3 ist in Abbildung 3.8 dargestellt.
Abbildung 3.8: Bei der Reaktion eines Protons mit einem Pion entstehen ein Lambda und ein Kaon. Aus
Up-Quark und Up-Antiquark werden ein Strange-Quark und ein Strange-Antiquark.
In der schwachen Wechselwirkung ist die Strangeness nicht erhalten. Jedoch gilt hier eine Einschränkung: Die Strangeness darf sich nur um 1 ändern.
In der folgenden Tabelle 3.3.2 ist aufgeführt, welche Erhaltung bei verschiedenen Wechselwirkungen gilt.
3.3. Die Quarks
Erhaltene Größe
Energie
Impuls
Ladung (Q)
Baryonenzahl (B)
Leptonenzahl (L)
Isospin (T )
Strangeness (S)
Starke WW
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
Elektromagnetische WW
ja
ja
ja
ja
ja
nein
ja
45
Schwache WW
ja
ja
ja
ja
ja
nein
nein
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