Islam verstehen Grundlagen - Strömungen - Kontroversen Dr. Harald Lamprecht Beauftragter für Weltanschauungsfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens Bild: DITIB-Moschee in Dresden Einführung Von Ängsten und Feindbildern Angst Angst Feindbild Feindbild „Italiener“ im Kinderbuch (ca. 1917) Feindbild krasseste Form geschürter negativer Vorurteile Feindbilder sind: • abstrakt & allgemein • klischeehaft, pauschalisierend • ungerecht Religion oder Kultur? Religion Kultur „Christlich-abendländische-Kultur“ Menschenwürde Toleranz Religionsfreiheit Gleichberechtigung Selbstbestimmung Kolonialismus & Ausbeutung Atheismus / Gottlosigkeit radikaler Egoismus Pornografie, Perversion… Alkoholismus, Drogen, Kriminalität „Islamisch-arabische Kultur“ Verantwortung vor Gott religiöse Intoleranz Familiensinn Geschlechtertrennung Gastfreundschaft Unterdrückung der Frauen Gerechtigkeit Gewalt & Terror Weltweite Gemeinschaft Der Islam Der eine Gott und sein Prophet Geschichte • Mohammed nach islamischer Überlieferung: *570 n.Chr. in Mekka • mit 40 erste Visionen • 622 Hedschra • Ausbreitung des Islam • 632 Tod in Mekka • Spaltung in Sunniten und Schiiten Grundzüge • monotheistische Religion • prophetische Religion • Schriftreligion • Gesetzesreligion Der Koran • auf arabisch verfasst • gilt als von Gott diktiert (Urbuch im Himmel) • Entstehungszeit: „Offenbarung“ 610-632 Endfassung erst 650 durch Uthman • 114 Suren, ca. 6200 Verse (Ayat) Tewww.flickr.com/photos/tino_m/266702306/xt Quellen der Offenbarung 1. Der Koran (geoffenbartes Wort Gottes) 2. Die Sunna („Brauch, überlieferte Norm“) a. Hadith (Worte & Taten des Propheten) b. Idschma (Konsens der Rechtsgelehrten) Wallfahrt nach Mekka Fasten (Saum) Armensteuer (Zakat) Gebet Glaubensbekenntnis Die 5 Säulen des Islam Richtungen Die „Schia“ Sunniten • Hauptstrom der Muslime, Leute der Tradition (Sunna) • Nachfolger des Kalifen werden nach Eignung durch Rat (Schura) bestimmt • verschiedene Rechtsschulen akzeptiert Schiiten • Partei Alis (schi‘at Ali) • dynastisches Prinzip • etliche weitere Spaltungen Sunnitische und schiitische Gebiete Staaten mit mehr als 10% islamischem Bevölkerungsanteil Rechtsschulen im sunnitischen Islam Malikiten Hanafiten Profil: konservativ Verbreitung: Nordafrika Profil: pragmatisch Verbreitung: Asien Schafiiten Hanbaliten Profil: gemäßigt Verbreitung: Libanon, Ostafrika Profil: strikt konservativ Verbreitung: Saudi Arabien Prinzip der gegenseitigen Duldung Weitere Richtungen Sufis islamische Mystik (Derwische…) Wahabiten extrem konservative Hanbaliten ʿAbd al-ʿAzīz Āl asch-Schaich Salafiten fundamentalistische Erneuerungsbewegung Weitere Richtungen Aleviten eigenständige anatolische Form des sunnit. Islam mit schiitischen Elementen Ahmadiyya umstrittene Weiterentwicklung aus Pakistan mit neuem Propheten Christentum und Islam Gemeinsamkeiten und Unterschiede Abfall oder Erneuerung? 2.000 1.500 1.000 500 0 -500 -1.000 -1.500 -2.000 Christentum und Islam = arabische Geschwister biblischen Glaubens? Enkel im Erbstreit! Gemeinsamkeiten Zwischen Islam und Christentum Monotheismus • „Ich bekenne, dass es keinen Gott gibt, außer Allah.” • „Allah“ = DER Gott • transzendent + personal Abgrenzung: • kein unpersönliches Brahma • kein nüchterner Humanismus • keine Naturvergötterung • kein Ahnenkult Gott handelt in der Geschichte • Schöpfer der Welt • gute Schöpfung • steht der Schöpfung gegenüber • Herr der Geschichte • Gott greift ein Abgrenzung: • kein Demiurg als Schöpfer, kein Unfall • keine Emanation des Göttlichen • kein ewiger Weltenkreislauf • kein passives Heraushalten (Deismus) Gott hat ein Ziel mit den Menschen • ethische Verantwortung • Hilfe und Strafe Gottes • Erlösung und Rettung beabsichtigt • Gericht und Hölle Abgrenzung: • kein Karmagesetz • keine Reinkarnation • keine Weltenkreisläufe • kein beliebiges Leben Unterschiede Zwischen Islam und Christentum Der heilige Gott Der heilige Gott t ä t i n Tri Jesus, der Prophet + Prophet Gottes, Künder des Gotteswillens - Sohn Gottes / Gott - Kreuzestod und Auferstehung - Notwendigkeit eines Erlösers - stellvertretendes Leiden Bibel und Koran … Islamische Präsenz in Deutschland Die Situation und ihre Folgen Wachstum Muslime in Millionen 4 4,00 3,40 3 3,04 2,62 2 ? 1,50 1 0 1979 1997 2000 2007 2010 2016 Islam als Weltreligion Der Islam mögliche Unterscheidungen Ethnische Herkunft Türkei Marokko Indonesien Iran … politische Konfession Religiosität Einstellung Sunniten Schiiten Aleviten Ahmadis … soziale Schicht traditionell national salafitisch Scheich monarchisch mystisch demokratisch … kulturell islamistisch arbeitslos liberal … … http://www.deutsche-islam-konferenz.de Herkunftsländer Glaubensrichtungen Ahmadis Aleviten 1 % 14 % Sonstige: Sufis: 10 000 Sonstige 2 % Alawiten: 70 000 Schiiten 7 % Sunniten 76 % Zahlen: REMID 2015 Wo leben Muslime in Deutschland? West Ost 2 % 98 % 1/3 aller deutschen Muslime lebt in Nordrhein-Westfalen Islamische Verbände (in Auswahl) * türkisch * * Islamrat für die Bundesrep. Deutschland DITIB * * * AABF ATIB AMJ Zentralrat der Muslime in Deutschland * seit 2007: Koordinierungsrat Mitglieder der Deutschen Islamkonferenz (DIK) * Ahmadiyya Schiiten iranisch Balkanländer marokkanisch Sunniten arabisch * * * IZH IGMG Aleviten VIKZ IGD ZRMD IGBD IGS TGD Muslime in Sachsen www.religion-vor-ort.de Islam & Islamismus Unterscheidung Islam Islamismus: politische Ideologie, die politische Herrschaft aus der Religion ableitet. Falsch: Trennung Islam Islamismus: politische Ideologie, die politische Herrschaft aus der Religion ableitet. Falsch: Gleichsetzung Islam Islamismus: politische Ideologie, die politische Herrschaft aus der Religion ableitet. Unterscheidung Islam Mystisch Konservativ liberal progressiv Islamismus: politische Ideologie, die politische Herrschaft aus der Religion ableitet. Geschichte des Islamismus • • Kolonialismus -> Krise des Islam Reaktionen in verschiedene Richtungen Modernisten Traditionalisten Fundamentalisten Neue Auslegung der Quellen: Islam passt zur Moderne Hochschätzung osmanischer Kultur Wahabiten (Neo-)Salafiten Muslimbrüder Milli Görüs (militanter) Dschihadismus ISIS u.a. Fazit • Der Islam ist nicht zwingend islamistisch. • Er hat aber die Möglichkeit dazu. • Islamismus wird von einer Minderheit mit überproportionalem Einfluss vertreten. • Auseinandersetzung = Aufgabe der Muslime (Wir können sie erleichtern oder erschweren) „Islamisierung“ der Gesellschaft: soziale Probleme kulturelle Differenzen Traditionelle Clan-Strukturen Machtkämpfe zwischen Gruppen Politisches Taktieren „Islamisierung“ der Gesellschaft: soziale Probleme kulturelle Differenzen Traditionelle Clan-Strukturen Machtkämpfe zwischen Gruppen Politisches Taktieren DER ISLAM „Islamisierung“ der Gesellschaft: soziale Probleme kulturelle Differenzen Traditionelle Clan-Strukturen Machtkämpfe zwischen Gruppen Politisches Taktieren DER ISLAM Probleme & Hoffnungen Religion und Staat SORGE Christentum Kaiser Welt Islam Jesus Mohammed Glaube religiöser & politischer Führer SORGE Fundamentalismus und Moderne Fundamentalismus Tradition Einseitige Orientierung an der Vergangenheit SORGE Wahabismus / Neo-Salafiyya Pierre Vogel HOFFNUNG Europäischer Islam SORGE Religionsfreiheit? • Schriftbesitzern: Toleranz • Religionswechsel: nur zum Islam möglich HOFFNUNG Sure 2,256 Es gibt keinen Zwang im Glauben. HOFFNUNG Islamische Charta (2002) §11. Muslime bejahen die vom Grundgesetz garantierte gewaltenteilige, rechtsstaatliche und demokratische Grundordnung Ob deutsche Staatsbürger oder nicht, bejahen die im Zentralrat vertretenen Muslime daher die vom Grundgesetz garantierte gewaltenteilige, rechtsstaatliche und demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, einschließlich des Parteienpluralismus, des aktiven und passiven Wahlrechts der Frau sowie der Religionsfreiheit. Daher akzeptieren sie auch das Recht, die Religion zu wechseln, eine andere oder gar keine Religion zu haben. Der Koran untersagt jede Gewaltausübung und jeden Zwang in Angelegenheiten des Glaubens. t c N i A c a B In the Name of God, the All-Merciful, the All-Compassionate Executive Summary of the Marrakesh Declaration on the Rights of Religious Minorities in Predominantly Muslim Majority Communities 25th-27th January 2016 WHEREAS, conditions in various parts of the Muslim World have deteriorated dangerously due to the use of violence and armed struggle as a tool for settling conflicts and imposing one's point of view; WHEREAS, this situation has also weakened the authority of legitimate governments and enabled criminal groups to issue edicts attributed to Islam, but which, in fact, alarmingly distort its fundamental principles and goals in ways that have seriously harmed the population as a whole; WHEREAS, this year marks the 1,400th anniversary of the Charter of Medina, a constitutional contract between the Prophet Muhammad, God's peace and blessings be upon him, and the people of Medina, which guaranteed the religious liberty of all, regardless of faith; WHEREAS, hundreds of Muslim scholars and intellectuals from over 120 countries, along with C c I U c e C a i M C c c t C s l Der Dschihad SORGE „Eifern für die Sache Gottes” religiös legitimierte Gewalt Religion der Gewalt? Islamistischer Terror = Missbrauch des Islam Missbrauch ist leichter als bei anderen Religionen, weil: • Normative Frühzeit mit gewaltsamer Ausbreitung • These von Verbindung von Politik und Religion • Ablehnung historisch-kritischer Koranauslegung • Pflege eines militanten Märtyrerbegriffes HOFFNUNG friedliches Miteinander Penzberger Moschee SORGE Stellung der Frau HOFFNUNG Beispiel Marokko Ausblick Zum Umgang mit Muslimen PROBLEM: Islamfeindschaft Unterscheiden Islamkritik Islamfeindschaft sachbezogen unterscheidend konstruktiv pauschal verallgemeinernd destruktiv Religionsfreiheit abgeschafft Religiöse Toleranz… ist keine Frage der Wahrheit, sondern der Nächstenliebe. Basis: Religionsfreiheit Mission oder Dialog? = falsche Alternative Begegnung und Interreligiöser Dialog sind Voraussetzungen der Mission Gl ze Di ns alo g be au nis Zusammenleben ug Mission Integration statt Konfrontation Aufgabe: Menschliche Begegnung suchen! Nur unter Freunden kann man für die eigenen Werte werben. Auf Freunde wirft man keine Bomben • offene, liebevolle Zuwendung zu den Menschen • Studium der Religion, Sitten und Gebräuche (damit nicht aus Unkenntnis die Angst regiert) • praktische Hilfe bei Formularen, Ämtern etc. • Parallelgesellschaften entgegenwirken www.confessio.de