Aflibercept und Einsichten in die Anti-VEGF

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AMD
ZWEI-JAHRES-ERGEBNISSE DER VIEW-STUDIEN
Aflibercept und Einsichten in
die Anti-VEGF-Therapie
bei Makuladegeneration
Von Univ.-Prof. Dr. Ursula Schmidt-Erfurth
AMD und aflibercept
FOTO: DR. ERICH FEICHTINGER / MEDICAL NETWORK
Die altersbezogene Makuladegeneration
(AMD) ist die häufigste und schwerwie­
gendste Augenerkrankung der modernen
Welt. Sie betrifft 10 bis 13 Prozent aller
Menschen über 65 Jahre, nicht nur in
den westlichen Nationen, wie Europa
und den USA, sondern auch zunehmend
in anderen Kontinenten, wie z.B. Asien.
Auf Grund der erhöhten Lebenserwar­
tung ist mit einer Verdopplung der AMDInzidenz bis zum Jahr 2020 zu rechnen.
Auch Umweltfaktoren, wie Rauchen,
Hypertonus und Übergewicht führen
dazu, dass sich die Erkrankung rasant
weiter ausbreitet. In der „global burden
of disease“-Studie wurde im Zeitraum
zwischen 1990 bis 2010 eine drama­
Univ.-Prof. Dr. Ursula Schmidt-Erfurth
Vorstand der Universitätsklinik für
­Augenheilkunde und Optometrie
Medizinische Universität Wien
www.meduniwien.ac.at/augenheilkunde
60
tische Zunahme um 160 % für schwere
Lebensbehinderung auf Grund eines Vi­
susverlustes in Folge AMD dokumentiert.
Der „burden of disease“ durch AMD ist
gewaltig und wächst weiter.
Auf der anderen Seite hat in jüngster
Zeit keine andere epidemische Erkran­
kung einen derart eindrücklichen dia­
gnostischen und therapeutischen Sieges­
zug zu verzeichnen. Die Identifizierung
der pathophysiologischen Ursachen,
namentlich des vascular endothelial
growth-factor (VEGF) und die therapeu­
tische Option der Blockierung des patho­
logischen Faktors waren außerordentlich
erfolgreich. Der Anteil an schwerem Vi­
susverlust bis zur Erblindung ebenso wie
an einem moderaten Sehverlust konnte
bei der Mehrzahl der Patienten deut­
lich reduziert werden. Die AMD ist nicht
mehr die häufigste Ursache für Erblin­
dung in den entwickelten Ländern. Die
weit verbreitete und wiederholte Anwen­
dung einer invasiven Pharmakotherapie
jedoch hat nicht nur das Patienten-Ma­
nagement extrem erschwert, sondern hat
auch einen spürbaren Einfluss auf die
konventionell geprägten Medizinbudgets.
Der „burden of disease“ ist zu einem
„burden of therapy“ geworden.
Mit Aflibercept, dem Fusionsprotein aus
den humanen VEGF-Rezeptorbindungen
1/2, kam nicht nur eine neue Substanz,
sondern auch ein neues Therapiekonzept
in die Augenheilkunde. Experimentell
bietet dieses optimierte pharmakolo­
gische Molekül eine verbesserte Bin­
dungsaffinität und modifizierte Biover­
fügbarkeit. Effizienz und Vergleichbarkeit
von Aflibercept mit dem Goldstandard
Lucentis wurden in den VIEW-1/2-Stu­
dien getestet, mit über 2400 Patienten
der größten Therapiestudie bei AMD
weltweit. Neben dem Vergleich beider
Substanzen wurden auch zwei verschie­
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dene Behandlungsstrategien getestet:
eine 4-wöchige (q4) und eine lediglich
8-wöchige Wiederbehandlung (q8). Eine
integrierte Datenanalyse zeigte nach
einem Jahr kontinuierlicher fixer Behand­
lungsstrategie identisch gute Ergebnisse
für beide Substanzen und beide Behand­
lungsintervalle.
Im zweiten Studienjahr, von Woche 52
bis Woche 96, wurde ein modifiziertes
Bedarfsschema angewendet, ein soge­
nanntes capped-PRN-Regime. Dabei
wurden alle Studienarme nach Bedarf,
das heißt Aktivität der Erkrankung, wie­
derbehandelt: Bei Auftreten neuer oder
persistierender Flüssigkeit im OCT, einer
Zunahme der zentralen Netzhautdicke
um 100 µm oder mehr verglichen zu dem
geringsten vorausgehenden Wert, einem
Verlust von fünf Buchstaben oder mehr
an Sehkraft im Vergleich zum besten
vorausgehen­den Ergebnis, zusammen mit
Flüssigkeit im OCT, dem Auftreten einer
neuen klassischen Neovaskularisation
oder einer neuen makulären Blutung oder
einer neuen/persistierenden Exsudation
in der Angiographie. Der „capped“-Anteil
beinhaltete eine regelmäßige Wiederbe­
handlung, unabhängig vom Befund nach
drei Monaten. In diesem zweiten Jahr der
VIEW-1/VIEW-2-Studien war das primäre
Ziel ebenfalls der Nachweis der Non-Infe­
riorität zwischen den Substanzen.
Resultate der VIEW-Studien über
96 Wochen
Insgesamt wurden 2235 (91 Prozent) der
VIEW-Patienten in das zweite Studien­
jahr eingeschlossen. Der Anteil der
Patienten, die in allen Subgruppen einen
gleichbleibenden Visus innerhalb von
drei Zeilen behielten, lag bei 91,5 bis
92,4 %. Dies entspricht statistisch und
klinisch einer Non-Inferiorität zwischen
AMD
ist offensichtlich auch die Ursache für
einen niedrigeren Wiederbehandlungs­
bedarf bei sehr aggressiven AMD-Grup­
pen, da mit Aflibercept eine intensivere
Austrocknungswirkung verbunden ist.
Dies entspricht auch der klinischen
Erfahrung, die in zahlreichen neueren
Publikationen dokumentiert ist, dass Pa­
tienten, die nicht ausreichend auf eine
Avastin- und Lucentisbehandlung ange­
sprochen haben, eine deutlich bessere
Netzhautsituation nach dem Wechsel zu
Aflibercept zeigen. Allerdings handelt
es sich hier bisher lediglich um morpho­
logische Verbesserungen ohne einen
deutlichen Visusgewinn.
den Gruppen und auch im Vergleich
zum vorausgehenden fixen Regime im
ersten Jahr. Die mittlere Zunahme der
Sehschärfe im Vergleich zum Basiswert
lag zwischen +6,6 und +7,9 Buchstaben
in Woche 96. Damit war in der Zeit der
PRN-Behandlung ein geringer mittlerer
Visusabfall von ein bis zwei Buchsta­
ben im Durchschnitt verbunden. Dies
entspricht den Erfahrungen, die gene­
rell im Vergleich zwischen der flexiblen
Bedarfsbehandlung und einer fixierten
­Wiederholungsbehandlung auch in ande­
ren Studien und mit anderen Substan­
zen gezeigt worden ist.
Der Anteil an Patienten mit trockener
Netzhaut lag bei 44–54 Prozent, wobei
mehr Patienten mit Afliberceptbehand­
lung eine trockene Netzhaut zeigten.
Die Wiederbehandlungsrate lag für die
Aflibercept-q4-Gruppe bei 4,1 Wieder­
behandlungen im zweiten Jahr und für
die monatliche Lucentisgruppe bei 4,7 –
kein klinisch relevanter Unterschied und
damit auch kein Hinweis für eine insge­
samt längere Wirkungsdauer der neuen
Substanz. Allerdings war, jedenfalls
in der post-hoc-Analyse, ein deutlich
signifikanter Unterschied in der Wie­
derbehandlung von Patienten mit einer
progressiven AMD-Aktivität zu finden.
Patienten, die insgesamt mehr als sechs
Injektionen benötigten, hatten eine
deutlich geringere Wiederbehandlungs­
rate bei Aflibercept mit nur 14 Injekti­
onen über den gesamten zweijährigen
Zeitraum, im Vergleich zu Lucentis mit
26,5 Injektionen.
Subgruppenanalysen in Bezug auf die
anatomische Wirkung von Aflibercept
zeigten, dass sämtliche exsudativ ver­
änderten Kompartimente, d.h. intrare­
tinal, subretinal und Sub-RPE-Exsudat
grundsätzlich schneller unter Afliber­
cept-Behandlung zurückgingen. Dies
Erkenntnisse für die zukünftige
­Anwendung
Aflibercept ist im Vergleich zu den kon­
ventionellen monoklonalen Antikörpern
sicher eine Steigerung in der medika­
mentösen Effizienz gelungen. Dies äu­
ßert sich besonders in einer gesteigerten
anti-exsudativen Wirkung in allen Kom­
partiments der Netzhaut. Damit öffnet
sich hier sicher eine therapeutische
Option für Patienten mit besonders ag­
gressivem Verlauf und kontinuierlichem
Behandlungsbedarf.
Auch das Angebot eines verlänger­
ten Behandlungsintervalls mit einem
Übergang vom monatlichen zum zwei­
monatlichen Regime hat einen großen
praktischen Nutzen. Das Dilemma des
AMD-Patientenmanagements ist riesig
und auch in Österreich nicht bewältig­
bar. Genaue Analysen der Versorgungs­
situation durch Kieselbach et al. haben
gezeigt, dass nur etwa 15 % der AMDPatienten in Österreich fachlich und
zeitlich adäquat behandelt werden
­können. Die Zentralisierung der Be­
handlung an großen Kliniken und auge­
närztlichen Schwerpunkten hat zu einer
Dekompensation der personellen und
finanziellen Ressourcen geführt. Weder
können die besonders effizienten mo­
natlichen ­Wiederbehandlungen durchge­
führt werden, noch ein von allen Exper­
ten so strikt empfohlenes monatliches
Kontrollinterval.
Die Möglichkeit diesen „burden“ auf
die Hälfte zu reduzieren, namentlich von
monatlichen auf zweimonatliche Inter­
valle überzugehen, steigert die Kapazität
der Patientenversorgung an diesen Zen­
tren um 100 Prozent. Dies betrifft natür­
lich auch die kontinuierliche Diskussion
um die preiswertere Substanz Avastin.
Da sich in großen unabhängigen Studien
(CATT) gezeigt hat, dass nur eine monat­
liche Avastingabe gleichwertig ist mit der
Behandlung nach Bedarf bei Lucentis,
ist Avastin im praktischen Patienten­
management selbst bei gesteigerten
personellen Ressourcen nicht auf gleich
hohem Niveau einzusetzen. Gerade die
Patienten, die einen bleibend hohen Be­
darf an Wiederbehandlungen haben, sind
mit zweimonatlicher Aflibercept-Therapie
sicher und langfristig behandelbar.
Weitere Studien und genaue Analysen
der Subgruppen der VIEW-Studie, die
auf Grund der Größe der Patientenpopu­
lation eine hohe Aussagekraft haben, ha­
ben gezeigt, dass nicht alle AMD-Grup­
pen eine kontinuierliche Behandlung
brauchen. Aufgrund der OCT-Daten zeigt
sich aber auch sehr gut, welche Gruppe
einen chronisch progressiven Verlauf hat.
Dies sind vor allen Dingen Patienten mit
einer aktiven RPE-Abhebung, das heißt
einer kontinuierlich aggressiven subreti­
nalen Läsion. Im zweiten Jahr, das heißt
bei weniger kontinuierlicher Wiederbe­
handlung, dekompensiert gerade diese
AMD-Gruppe zunehmend und verliert
in großem und statistisch signifikantem
Ausmaß soviel an Visus, dass der Verlust
weit über die ein bis zwei Zeilen PRNUnterschied hinausgehen. Diese Dekom­
pensation im PRN-Schema ist jedoch
bei kontinuierlichem zweimonatlichen
Wiederbehandeln, wie dies im ersten
Jahr geschehen ist, vermeidbar.
Damit ist gerade im Vergleich – 52
Wochen fixes und 52 bis 96 Wochen
flexibles Regime – das enorme posi­
tive Potential der Zweimonatsstrategie
erkennbar geworden. Dies gilt in jedem
Fall für Patienten mit chronisch ag­
gressivem Verlauf. Für Patienten mit
weniger AMD-Progredienz werden mit
einer soliden OCT-Diagnostik sicher noch
geringere Wiederbehandlungszahlen bei
gutem Ergebnis erzielbar sein.
Es wurde aber auch in der VIEW-Studie
und dies gerade im zweiten Jahr klar,
dass die Anti-VEGF-Therapie lediglich
eine symptomatische Therapie ist und
eine aktive subretinale Membran nicht
bleibend inaktiviert werden kann. Gerade
der Parameter RPE-Abhebung scheint
besonders geeignet die Erkrankungsak­
tivität im OCT identifizieren zu können,
obwohl er bisher weder in Studien noch
in der klinischen Praxis als Parameter
herangezogen wurde. Dies wird in Zu­
kunft weiteren Eingang in die diagnos­
tischen Empfehlungen finden.w
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