Früherkennung von Ösophaguskarzinomen mittels

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Ruhr-Universität Bochum
Prof. Dr. med. Claus Doberauer
Dienstort: Evangelische Kliniken Gelsenkirchen GmbH
Medizinische Klinik
Früherkennung von Ösophaguskarzinomen mittels Chromoendoskopie mit
Lugol´scher Lösung bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit
Inaugural-Dissertation
zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin
einer
Hohen Medizinischen Fakultät
der Ruhr-Universität Bochum
vorgelegt von
Elke Böing
aus Oberhausen
2005
Dekan:
Prof. Dr. med. G. Muhr
Referent:
Prof. Dr. med. C. Doberauer
Korreferent:
Priv.-Doz. Dr. med. B. Henning
Tag der mündlichen Prüfung: 26.01.2006
Meiner Familie
in Dankbarkeit gewidmet
Inhaltsverzeichnis
_______________________________________________________________
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
7
1
Einleitung
8
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
1.6
1.8
Epidemiologie des Ösophaguskarzinoms
Histologie des Ösophaguskarzinoms
Pathogenese des Ösophaguskarzinoms
Lokalisation des Ösophaguskarzinoms
Metastasierungswege des Ösophaguskarzinoms
Klassifikation und Stadieneinteilung des Ösophaguskarzinoms
1.6.1 Klinische Klassifikation
1.6.2 Morphologische Klassifikation
1.6.3 Histopathologische Klassifikation
Diagnostik des Ösophaguskarzinoms
1.7.1 Anamnese
1.7.2 Klinische Untersuchung
1.7.3 Apparative Diagnostik
1.7.3.1 Konventionelle Ösophagogastroduodenoskopie
1.7.3.2 Chromoendoskopie des Ösophagus
1.7.3.3 Apparative Zusatzdiagnostik
Prognose
8
9
9
14
15
15
15
17
18
19
19
20
20
20
21
22
23
2
Zielsetzung
25
3
Methodik
27
1.7
3.1
Patientenkollektiv
3.1.1 Anamneseerhebung
3.1.2 Erhebung des körperlichen Untersuchungsbefundes
3.2
Analysekriterien der anamnestischen und klinischen Patientendaten
3.2.1 Biographische Patientendaten
3.2.2 Alkoholkonsum
3.2.3 Leberveränderungen
3.2.4 Nikotinkonsum
3.2.5 Weitere Risikofaktoren
3.2.6 Protektive Faktoren
3.2.7 Symptome und Aufnahmediagnosen
3.3 Untersuchungsmethoden
3.3.1 Konventionelle Ösophagogastroduodenoskopie
3.3.1.1 Durchführung
3.3.1.2 Auswertung der konventionell endoskopisch erhobenen Befunde
3.3.2 Chromoendoskopie des Ösophagus mit Lugol´scher Lösung
3.3.2.1 Durchführung
3.3.2.2 Auswertung der chromoendoskopisch erhobenen Befunde
3.3.3 Histologische Aufarbeitung der Biopsate
3.3.3.1 Transportmedium
3.3.3.2 Klassifikation der Dysplasien
3.4
Auswertungskriterien der erhobenen Daten bei gesicherten Plattenepithelkarzinomen und präkanzerösen plattenepithelialen Läsionen des Ösophagus
4
27
28
29
30
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40
40
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43
43
43
44
45
45
45
46
Inhaltsverzeichnis
_______________________________________________________________
4
Ergebnisse
47
4.1
Analyseergebnisse der anamnestischen und klinischen Patientendaten
4.1.1 Biographische Patientendaten
4.1.2 Alkoholkonsum
4.1.3 Leberveränderungen
4.1.4 Nikotinkonsum
4.1.5 Weitere Risikofaktoren
4.1.6 Protektive Faktoren
4.1.7 Symptome und Aufnahmediagnosen
Untersuchungsergebnisse
4.2.1 Befunde der konventionellen Ösophagogastroduodenoskopie
4.2.1.1 Ösophagus
4.2.1.2 Magen und Duodenum
4.2.2 Befunde der Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung
4.2.3 Histologische Befunde
Auswertung der anamnestischen, klinischen, konventionell endoskopischen und
chromoendoskopischen Daten der Patienten mit detektierten Plattenepithelkarzinomen und präkanzerösen plattenepithelialen Läsionen des Ösophagus
4.3.1 Biographische Patientendaten
4.3.2 Alkoholkonsum
4.3.3 Leberveränderungen
4.3.4 Nikotinkonsum
4.3.5 Weiteres Risikoprofil
4.3.6 Protektive Faktoren
4.3.7 Symptome und Aufnahmediagnosen
4.3.8 Konventionell endoskopische Befunde
4.3.8.1 Ösophagus
4.3.8.2 Magen und Duodenum
4.3.9 Chromoendoskopische Befunde
Klassifikation und Stadieneinteilung der detektierten Plattenepithelkarzinome
und präkanzerösen plattenepithelialen Läsionen des Ösophagus
4.4.1 Morphologische Klassifikation
4.4.2 Histopathologische Klassifikation
4.4.3 Klinische Stadieneinteilung
Therapie und Nachsorge der detektierten Plattenepithelkarzinome und
präkanzerösen plattenepithelialen Läsionen des Ösophagus
4.5.1 Dysplasien
4.5.2 Carcinoma in situ
4.5.3 Karzinosarkom
4.5.4 Ösophaguskarzinome
47
47
48
51
52
54
56
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60
60
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4.4
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5
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94
95
97
97
97
97
97
Inhaltsverzeichnis
_______________________________________________________________
5
Diskussion
100
5.1
Methodische Probleme
5.1.1 Patientenkollektiv
5.1.2 Konventionelle Ösophagogastroduodenoskopie
5.1.3 Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung
5.1.4 Histologische Untersuchung
5.1.5 Diskussion der Korrelation der anamnestischen, klinischen,
konventionell endoskopischen und chromoendoskopischen Daten
Diskussion diagnostischer Strategien zur Früherkennung eines
Ösophaguskarzinoms und seiner Vorstufen unter besonderer
Berücksichtigung europäischer Risikokollektive
Diskussion der klinischen Daten des untersuchten Patientenkollektivs
5.3.1 Biographische Patientendaten
5.3.2 Alkoholkonsum
5.3.3 Leberveränderungen
5.3.4 Nikotinkonsum
5.3.5 Weitere Risikofaktoren
5.3.6 Protektive Faktoren
5.3.7 Symptome und Aufnahmediagnosen
Diskussion der Untersuchungsergebnisse
5.4.1 Konventionelle Ösophagogastroduodenoskopie
5.4.1.1 Ösophagus
5.4.1.2 Magen und Duodenum
Diskussion der Bedeutung der Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung
bei der Früherkennung von Plattenepithelkarzinomen und präkanzerösen
plattenepithelialen Läsionen des Ösophagus
Alternative Methoden zur Früherkennung von Ösophaguskarzinomen und
deren Vorstufen
100
100
101
102
104
105
5.2
5.3
5.4
5.5
5.6
105
108
108
109
110
110
111
111
112
113
113
113
113
114
127
6
Zusammenfassung
129
7
Literaturverzeichnis
131
8
Anhang
147
8.1
8.2
Fotodokumentation zur Technik der Chromoendoskopie
Fotodokumentation zum Färbeverhalten verschiedener Ösophagusläsionen
8.2.1 Färbeverhalten verschiedener benigner Ösophagusläsionen
8.2.2 Färbeverhalten der präkanzerösen und malignen Ösophagusläsionen
8.2.2.1 Dysplasien
8.2.2.2 Carcinoma in situ
8.2.2.3 Ösophaguskarzinome
147
148
148
149
149
149
150
Danksagung
152
6
Abkürzungen
______________________________________________________________
Abkürzungen
Abb.
Abbildung
AJCC
American Joint Commission for Classification of Cancer
ASS
Acetylsalicylsäure
bzw.
beziehungsweise
cTNM
klinische Tumor-Nodus-Metastase-Klassifikation
Diab. mel.
Diabetes mellitus
DSM IV
Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (vierte Revision)
g
Gramm
H+-Ionen
Wasserstoffionen
HPV
humane Papillomviren
NSAR
nichtsteroidale Antirheumatika
%ig
prozentig
pTNM
pathologische Tumor-Nodus-Metastase-Klassifikation
s.
siehe
SM
Savary und Miller
Tab.
Tabelle
TNM
Tumor-Nodus-Metastase-Klassifikation
UICC
Union Internationale Contre le Cancer
Vol%
Volumenprozent
WHO
World Health Organization
7
1 Einleitung
______________________________________________________________
1 Einleitung
Das Ösophaguskarzinom besitzt als sehr aggressives Tumorleiden nach wie vor eine
schlechte Prognose, zumal die meisten Ösophaguskarzinome aufgrund fehlender
Frühsymptome erst in einem fortgeschrittenen Tumorstadium diagnostiziert werden. Es gilt
daher, die Risikopatienten zu erfassen und die Frühdiagnostik zu verbessern, um den
Patienten in einem frühen Tumorstadium eine kurative Therapiechance bieten zu können.
1.1 Epidemiologie des Ösophaguskarzinoms
Weltweit fand sich das Ösophaguskarzinom in einer Erhebung von 1990 an 26. Stelle der
Todesursachen [124], jedoch in Bezug auf die Häufigkeit der zum Tode führenden
Krebserkrankungen an 6. Stelle [134]. Da die Krebsregistrierung in Deutschland noch
nicht flächendeckend erfolgt, kann die Zahl der jährlichen Krebserkrankungen weiterhin
nur geschätzt werden. So verwendet das Robert-Koch-Institut zur Schätzung der in
Deutschland aufgetretenen Krebsneuerkrankungen bzw. der Krebsmortalität Log-LinearModelle unter Berücksichtigung von regionalen Inzidenz- und Mortalitätsdaten in den
einzelnen Altersgruppen. Die derzeit aktuellste Auswertung liegt für das Jahr 2000 vor mit
einer Gesamtzahl von 200 018 Neuerkrankungen an bösartigen Tumoren insgesamt bei den
Männern und 194 662 bei den Frauen in Deutschland. Dabei findet sich für das
Ösophaguskarzinom eine Inzidenzschätzung von 3374 betroffenen Männern und
883 Frauen [138]. Dementsprechend macht das Ösophaguskarzinom einen Anteil von
weniger als 2 % an allen bösartigen Neubildungen bei den Männern und von einem halben
Prozent
bei
den
Frauen
aus.
Hinsichtlich
der
Krebshäufigkeit
nimmt
das
Ösophaguskarzinom Platz 13 bei den Männern und Platz 17 bei den Frauen ein. Deutsche
Männer erkranken derzeit etwa vier- bis fünfmal häufiger und im Mittel 7 Jahre früher an
Speiseröhrenkrebs als Frauen. Der Altersgipfel des Plattenepithelkarzinoms liegt mit
55 Jahren deutlich vor dem der Adenokarzinome mit 65 Jahren. Im Rahmen der
Trendbeobachtung
fiel
bis
Anfang
der
90er
Jahre
eine
zunehmende
Ösophaguskarzinomrate bei den Männern auf [11,138], für die letzten Jahre zeigt die
Schätzung jedoch wieder einen abnehmenden Trend. Die Erkrankungsraten der Frauen
blieben im zeitlichen Verlauf weitgehend unverändert [138]. Regional erhöhte
Ösophaguskarzinomraten spielen für Deutschland insbesondere im Vergleich zu einigen
Regionen Chinas, der ehemaligen Sowjetunion, Südamerikas, Südafrikas und des Iran mit
8
1 Einleitung
______________________________________________________________
einer hohen Inzidenz von 100 – 500 Plattenepithelkarzinomen des Ösophagus pro 100 000
Einwohner pro Jahr keine Rolle [32,50,80,102].
1.2 Histologie des Ösophaguskarzinoms
Mehr als 90 % der neoplastischen Neubildungen des Ösophagus werden in Mitteleuropa
histologisch als epitheliale Tumoren klassifiziert, vor allem als Plattenepithelkarzinome
(80 – 90 %) und Adenokarzinome (10 – 20 %) [33], die sich jedoch sowohl
epidemiologisch als auch in ihrem sonstigen
Verhalten
deutlich
voneinander
unterscheiden. Erwähnenswert ist der drastische Inzidenzanstieg der Adenokarzinome in
den letzten Jahrzehnten, ohne daß bisher die Ursache dafür vollständig geklärt werden
konnte. Diskutiert wird insbesondere eine Zunahme auf dem Boden einer chronischen
gastroösophagealen Refluxkrankheit mit Barrett-Zylinderepithel, Dysplasien und dann
Ausbildung eines Adenokarzinoms. Dieser Trend wurde zuerst in den USA [9,33,38],
später dann auch in Europa, Japan, Australien und Mittelamerika beobachtet
[7,11,16,32,105], hingegen in Osteuropa oder China bisher nicht beschrieben. In Hinblick
auf die Fragestellung dieser Arbeit wird in der weiteren Abhandlung auf das
Adenokarzinom des Ösophagus nicht weiter eingegangen und der Blick auf das
Plattenepithelkarzinom fokussiert.
1.3 Pathogenese des Ösophaguskarzinoms
Die Pathogenese des Ösophaguskarzinoms ist letztlich noch unklar. Insbesondere für die
Entwicklung des Plattenepithelkarzinoms scheinen pathogenetisch solche Faktoren eine
Relevanz
zu
besitzen,
die
eine
chronische
Irritation
und
Entzündung
der
Ösophagusmukosa mit konsekutiv erhöhtem Zellumsatz hervorrufen können. So läßt sich
eine eindeutige Kausalität zwischen einem chronischen Alkoholmißbrauch und einer
erhöhten Inzidenz von Plattenepithelkarzinomen belegen [4,10,23,26,84,95,104,128,148,
177,194]. In zahlreichen Publikationen wird die Gefährdungsgrenze mit zu erwartenden
physischen, psychischen und sozialen Folgeschäden kontrovers diskutiert [17,44,92,104,
160,161,176]. Dabei wird als Empfehlung für den risikoarmen Alkoholkonsum bis zu 30 g
reiner Alkohol pro Tag für Männer und 20 g reiner Alkohol pro Tag für Frauen favorisiert
[17,21,92,161]. Die Ergebnisse einer Metaanalyse [104] zu epidemiologischen Daten über
den chronischen Konsum alkoholischer Getränke und das Auftreten von bösartigen
9
1 Einleitung
______________________________________________________________
Tumoren allgemein belegen eine eindeutige Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen dem
täglichen Alkoholkonsum und dem Krebsrisiko und zwar unabhängig von der Art des
zugeführten alkoholischen Getränkes [74,104,107,177,179]. Eine Schwellendosis für einen
relevanten Anstieg des Krebsrisikos kann dabei jedoch nicht benannt werden. Die Daten
bestätigen, daß letztlich jeder Alkoholkonsum einschließlich des geringen Konsums das
Krebsrisiko steigert: Mit jedem durchschnittlich pro Tag getrunkenen „Drink“ von im
Mittel ca. 10 g Alkohol steigt das Risiko einer Krebserkrankung um 5 bis 30 % mit dem
höchsten Risiko für Tumore von Mundhöhle, Pharynx, Hypopharynx und Ösophagus
[104,176]. Insbesondere für den Speiseröhrenkrebs scheint die Menge des täglich
zugeführten Alkohols mit einem höheren Krebsrisiko verbunden zu sein als die Dauer des
betriebenen Alkoholkonsums [100]. Als mögliche Schädigungsmechanismen werden dabei
die Tonussenkung am unteren Ösophagussphinkter, die Hemmung der primären Peristaltik
und die Veränderung der sekundären Peristaltik mit Kontraktionen erhöhter Amplitude und
Dauer sowie simultanen Kontraktionen in den mittleren und distalen Ösophagusdritteln
diskutiert. Als Konsequenz dieser funktionellen Veränderungen treten gehäufte und
verlängerte gastroösophageale Refluxzeiten mit einer Verminderung der ösophagealen
Clearance auf. Zusätzlich schädigt der Alkohol direkt konzentrationsabhängig die
Ösophagusschleimhaut mit Folge einer Refluxösophagitis unterschiedlichen Grades, da
durch die toxisch geschädigte Mukosabarriere die refludierten H+-Ionen in die
Epithelzellschicht diffundieren und dort die Epithelzellen schädigen [160]. Die durch diese
Mechanismen hervorgerufene chronische Entzündung der Speiseröhre bewirkt eine
Sensibilisierung
der
Schleimhaut
gegenüber
Karzinogenen,
wie
beispielsweise
polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen und Nitrosaminen. Diese Karzinogene
wiederum sind in unterschiedlichen Konzentrationen in den verschiedenen alkoholischen
Getränken enthalten oder werden aus Prokarzinogenen in der Leber aktiviert. Hinzu tritt
die Hemmung der hepatischen Entgiftungsfunktion, einerseits durch den präferierten
Äthanolabbau in der Leber und andererseits durch eine alkoholtoxische Leberschädigung.
Insgesamt kommt es zu einer erhöhten Konzentration lokal wirkender Karzinogene und
verlängerten
Kontaktzeit
dieser
Substanzen
an
der
vorgeschädigten
Mukosa.
Pathogenetisch wird auch der begleitende Einfluß der verschiedenen alkoholischen
Getränke durch nicht-alkoholische Inhaltsstoffe von einigen Autoren für nicht unerheblich
gehalten. So stimulieren alkoholische Getränke, die durch Vergärung und anschließende
Destillation entstehen, wie der Großteil der Aperitifs und hochprozentigen Spirituosen, die
Magensäure nicht. Dagegen steigern Getränke, die mittels Vergärung von Kohlenhydraten
10
1 Einleitung
______________________________________________________________
hergestellt
werden,
wie
Bier,
Wein,
Champagner
und
einige
Aperitifs,
die
Magensäuresekretion maximal und bewirken eine entsprechend hohe Konzentration von
H+-Ionen mit konsekutiver Schleimhautschädigung im Falle eines Refluxes [174]. Als
Hauptstimulantien konnten dabei die Dicarboxylsäuren Bernsteinsäure und Maleinsäure
identifiziert werden [175]. Darüber hinaus variiert auch der Anteil der Karzinogene in den
verschiedenen alkoholischen Getränken. So enthält Bier zum Beispiel in relativ hoher
Konzentration Nitrosamine [160].
Tabakrauchen ist ein unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung eines bösartigen
Tumors des oberen Aerodigestivtraktes. Zeitgleicher Alkohol- und Nikotinkonsum läßt das
Karzinomrisiko exponentiell anwachsen [26,84,95,100,128,148,177,193,194]. So liegt das
Risiko einer Ösophaguskarzinomentstehung bei einem täglichen Konsum von mehr als
80 g Alkohol pro Tag bei einem Faktor von 18, bei mehr als 20 Zigaretten pro Tag bei
einem Faktor von 5 und - wenn beides zusammenkommt - bei einem Faktor von 44 [151].
In einer retrospektiven Studie ließ sich erheben, daß 90 % der Patienten mit einem
Plattenepithelkarzinom des Ösophagus einen gesteigerten Alkoholkonsum betrieben und
gleichzeitig geraucht hatten [20]. Korrespondierend zum Alkoholkonsum korreliert das
Risiko für die Entwicklung eines Ösophaguskarzinoms direkt mit der Quantität der
gerauchten Zigaretten pro Tag und der Dauer des Rauchens [20,100]. Dabei scheint die
Gesamtdauer des Zigarettenrauchens ein höheres Risiko zu bergen als die Anzahl der
täglich gerauchten Zigaretten [100]. Weiterhin konnte eine Beziehung zwischen dem
Teergehalt der Zigaretten und der Karzinomentwicklung des oberen Digestivtraktes
aufgezeigt werden [59]. Die Ingestion von Tabakkondensaten wird dabei für die Induktion
eines karzinogenen Prozesses verantwortlich gemacht. Besonders die Nitrosamine
scheinen als Tabakinhaltsstoffe für die kanzerogenen Eigenschaften eine bedeutende Rolle
zu spielen. Die tabakspezifischen Nitrosamine werden zum Teil schon in der Tabakpflanze
selbst gebildet. Der weitaus größere Anteil entsteht jedoch bei der Weiterbehandlung des
Tabaks. Als wichtigstes Karzinogen in Hinblick auf den Ösophagus muß dabei das
N-Nitrosonornikotin angeführt werden [70]. Insgesamt wurden in Tabakprodukten sieben
verschiedene tabakspezifische Nitrosamine identifiziert, die mit der Entwicklung von
Karzinomen im Bereich des oberen Aerodigestivtraktes, der Lunge und des Pankreas in
Zusammenhang gebracht werden [3,69]. Nach metabolischer Aktivierung in der Zelle
verursachen die Nitrosamine Einzelstrangbrüche der DNA und eine Hemmung des
DNA-Reparatursystems [68,69].
11
1 Einleitung
______________________________________________________________
Als weiteres Risikokollektiv müssen Patienten mit Plattenepithelkarzinomen des oberen
Aerodigestivtraktes betrachtet werden, da sie eine hohe Prävalenz für die Entwicklung
eines Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus als Zweitneoplasie aufweisen. Dabei werden
in der Literatur Zahlenangaben zwischen 10 – 14 % für das synchrone Auftreten eines
Plattenepithelkarzinoms der Speiseröhre als Zweitneoplasie angeführt und 3 % für das
metachrone Auftreten in der Verlaufsbeobachtung [125,172,178]. Als ursächlich wird
einerseits das ähnlich gelagerte Spektrum der Risikofaktoren angesehen [107,160],
andererseits aber auch die Theorie der von Slaughter et al. beschriebenen
Feldkanzerisierung [101,162]. Dabei handelt es sich um eine erhöhte Inzidenz von
synchronen und metachronen Zweittumoren im selben Organ bzw. Organsystem. So findet
sich ein hochsignifikantes Auftreten von Zweittumoren im Digestivtrakt bei IndexTumoren im Hypopharynx oder der Mundhöhle (digestive Achse). Einen weiteren
Risikofaktor für die maligne Entartung der Ösophagusmukosa stellt die Radiotherapie des
Thorax dar [32,50]. Eine Karzinogenexposition über die Nahrung [8,62], beispielsweise
durch mikrobiologische Toxine und Nitrosamine, aber auch die Fehlernährung mit nur
geringem Anteil frischer Früchte oder Gemüse werden ebenfalls mit dem vermehrten
Auftreten von Plattenepithelkarzinomen assoziiert [37,41,84,128,137]. Die thermische
Irritation zum Beispiel durch heiße Getränke wird von anderen Autoren in Betracht
gezogen [60,61], allerdings kontrovers diskutiert [173]. Als weitere Ursachen einer
chronischen Ösophagusschleimhautirritation müssen die Achalasie mit einer Prävalenz von
2 - 7 % für die Ösophaguskarzinomentwicklung [113,142,146,185] und das
Ösophagusdivertikel [146] angeführt werden, wobei als pathogenetischer Mechanismus die
in der Speiseröhre verbleibenden und bakteriell zersetzten Nahrungsreste angesehen
werden. Die nonepidermolytische palmoplantare Keratodermie als seltene autosomal
dominante Erkrankung mit einer genetischen Abnormität des Chromosoms 17q25 ist das
einzige bekannte prädisponierende familiäre Syndrom und geht mit einer Hyperkeratose
der Handflächen und Fußsohlen sowie Verdickung der Mundschleimhaut einher. In den
betroffenen Familien beträgt das Risiko für die Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms
95 % ab dem 70. Lebensjahr [46].
Auch eine Beteiligung humaner Papillomviren (HPV) an der Entstehung sowohl benigner
als auch maligner Tumoren des Plattenepithels des Ösophagus werden seit 1982 diskutiert
[170].
Seitdem
konnten
in
einer
Vielzahl
von
Studien
mit
verschiedenen
Detektionsverfahren wie In-situ-Hybridisierung, proteinchemische Nachweismethoden,
12
1 Einleitung
______________________________________________________________
Southernblot-Analyse und Polymerasekettenreaktion HPV in Papillomen und Karzinomen
nachgewiesen werden. [98,154,169]. Epidemiologische Untersuchungen belegen die
pathogenetische Rolle von HPV beim Ösophaguskarzinom, insbesondere auch in den
Endemiegebieten Chinas [27,28]. In den nicht-endemischen Regionen ließen sich
vergleichend nur bei einem Bruchteil der untersuchten Patienten HPV finden [171].
Obwohl die Ursachen für die unterschiedlichen geographischen Inzidenzraten noch nicht
vollständig geklärt sind, könnte diese Infektion mit onkogenen HPV [169] neben
genetischen Faktoren einerseits und den landesspezifischen Karzinogenexpositionen
[2,106] andererseits dafür verantwortlich sein.
Als weitere Risikofaktoren mit jedoch weniger ausgeprägtem kanzerogenen Effekt bzw.
bisher fehlender Bestätigung in prospektiven Verlaufsstudien werden in der Literatur das
Plummer-Vinson-Syndrom, die Zöliakie, eine endoskopische Sklerotherapie, eine
Gastrektomie, Ösophagusmembranen sowie eine chronische Ösophagitis angeführt
[113,146].
Neben der Erforschung ätiologischer Faktoren wurden auch präventive Maßnahmen zur
Reduktion des Ösophaguskarzinomrisikos untersucht. In erster Linie muß dabei die
Ausschaltung der angeführten exogenen Risikofaktoren genannt werden. Daneben
entwickelten sich seit Ende der 80er Jahre Erkenntnisse über den protektiven Wert der
Acetylsalicylsäure in Hinblick auf die Entstehung von kolorektalen und anderen Tumoren
[45,111,155]. Der aktuelle Wissensstand zum Einsatz nichtsteroidaler Antirheumatika
(NSAR) deutet auf eine protektive Wirkung hinsichtlich der Entwicklung von
Plattenepithelkarzinomen des Ösophagus hin [15,31,53,58]. Dabei spielen für den Grad der
Protektion sowohl die Häufigkeit der Substanzeinnahme als auch die Unterscheidung in
Acetylsalicylsäure und in andere NSAR ohne den Wirkstoff Acetylsalicylsäure eine Rolle:
In der Literatur [31,53,120] wird eine signifikante Risikoreduktion für die Entwicklung
eines Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus für diejenigen Patienten mit einer
regelmäßigen Aspirin®-Einnahme im Vergleich zu denjenigen Patienten beschrieben, die
nie ein Aspirin®-Präparat verwendet haben. Jegliche Form der Aspirin®-Einnahme, sei es
die regelmäßige oder intermittierende Einnahme, wird dabei als protektiv mit
Zahlenwerten einer 45- bis 52-%igen Risikoreduktion für die Entwicklung eines
Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus gewertet [53]. Die NHANES I-Kohortenstudie
ermittelte sogar eine bis 90-%ige Risikoverminderung bei Patienten, die Aspirin®
einnahmen [58]. Der Grad des schützenden Effektes nahm dabei korrespondierend mit
13
1 Einleitung
______________________________________________________________
zunehmender
Einnahmehäufigkeit
zu.
Auch
die
NSAR
ohne
den
Wirkstoff
Acetylsalicylsäure wirken gemäß den Literaturangaben vorbeugend gegen die Entwicklung
eines Ösophaguskarzinoms, insgesamt jedoch etwas schwächer ausgeprägt [53]. Auch bei
dieser Substanzgruppe ergibt sich für die regelmäßige Einnahme eine stärkere
Risikoreduktion gegenüber einer nur gelegentlichen Einnahme. Dabei ist der
antikarzinogene Wirkmechanismus der NSAR bis heute noch nicht vollständig geklärt.
Diskutiert werden die Prostaglandinsynthesehemmung mit konsekutiver Stärkung der
Immunantwort
durch
Hemmung
der
prostaglandin-induzierten
Immunsuppression
[111,121], die Reduktion der Zellproliferation und die Induktion der Apoptose von
Tumorzellen [45,120,155].
Als weiterer präventiver Faktor wird in der Literatur auf eine ausgewogene
Ernährungsweise mit ausreichendem Verzehr von frischem Gemüse und Früchten,
insbesondere Zitrusfrüchten hingewiesen [8,14,62]. Auch die Zufuhr von Vitamin C und E
sowie ß-Carotin und Selen führen nach Studienlage zur signifikanten Reduktion des
Krebsrisikos [12,41]. Die Mechanismen sind dabei letztlich größtenteils unklar, jedoch
wird vornehmlich eine Antioxidantien-Theorie vertreten. Die Grundannahme dieser
Theorie besteht in der Hypothese, daß freie Radikale durch „oxidativen Streß“ die maligne
Entartung der Zellen fördern. Antioxidantien, allen voran Vitamin C und E sowie die
Vitamin-Vorstufe ß-Carotin, sollen die Radikale abfangen und so vor Krebs schützen. Die
Fähigkeit des Vitamin C, die Nitrosaminbildung zu unterbinden, wird als weiterer
krebsvorbeugender Faktor angeführt.
1.4 Lokalisation des Ösophaguskarzinoms
Plattenepithelkarzinome sind im Gegensatz zu den Adenokarzinomen, die vorwiegend im
distalen Drittel lokalisiert sind, häufig im mittleren (45 %) und unteren Drittel (40 %) des
Ösophagus anzutreffen [33,143]. Der cervikale Ösophagusabschnitt weist nur selten ein
Karzinom auf (< 15 %).
14
1 Einleitung
______________________________________________________________
1.5 Metastasierungswege des Ösophaguskarzinoms
Aufgrund des fehlenden Serosaüberzugs der Speiseröhre neigt der Tumor zu frühzeitiger
Infiltration per continuitatem in das Mediastinum und andere benachbarte Strukturen wie
das
Gefäß-
und
Bronchialsystem,
sowie
zu
einer
intramuralen,
submukösen
Karzinomausdehnung entlang der Lymphbahnen, vorwiegend nach proximal. Weiteres
Spezifikum des Ösophaguskarzinoms ist die frühe lymphogene Metastasierung [94]. Eine
hämatogene Metastasierung erfolgt in der Regel relativ spät und wird von den Patienten in
vielen Fällen nicht mehr erlebt. Fernmetastasen treten bei proximalen Tumoren vor allem
in der Lunge (venöser Abfluß über die Vv. thyroideae, V. azygos oder V. hemiazygos in
die V. cava superior) und bei distalen Tumoren hauptsächlich in der Leber (venöser Abfluß
über V. coronaria ventriculi in die Pfortader) auf.
1.6
Klassifikation und Stadieneinteilung des Ösophaguskarzinoms
1.6.1 Klinische Klassifikation
Die
Einteilung
der
Tumoren
erfolgt
einerseits
anhand
des
Bezuges
zum
Tracheobronchialsystem in infrabifurkale, suprabifurkale und rein zervikale Tumore und
andererseits anhand der TNM-Klassifikation der UICC (Union Internationale Contre le
Cancer) und der AJCC (American Joint Commission for Classification of Cancer) wie in
Tabelle 1.1 und 1.2 dargestellt [47,55]. Dabei fließen in die von der AJCC etablierte
klinische Stadieneinteilung sowohl das TNM-Stadium der UICC als auch die klinische
Prognose und praktische chirurgische Aspekte, wie beispielsweise die Resezierbarkeit, ein.
Hinsichtlich der besseren Abschätzbarkeit der Behandlungsmodalitäten auch bei fehlender
Resektionsmöglichkeit wurden eine klinische und eine pathologische TNM-Klassifikation
etabliert (cTNM und pTNM). Für die endgültige Beurteilung des N-Stadiums ist die
sorgfältige
histopathologische
Untersuchung
des
Resektatpräparates
nach
der
Ösophagektomie zwingend erforderlich. Die Richtlinien der AJCC sehen die
histopathologische Untersuchung von mindestens 6 mediastinalen Lymphknoten vor [110].
Die allgemein akzeptierte Definition des Ösophagusfrühkarzinoms fordert eine
Tumorinvasion bis maximal in die Submukosa und als zweites Kriterium ein Fehlen von
Lymphknotenmetastasen. Somit werden die meisten Ösophagusfrühkarzinome im Stadium
I nach AJCC, entsprechend T1N0M0 nach UICC diagnostiziert [96].
15
1 Einleitung
______________________________________________________________
Tab. 1.1 Tumor-Nodus-Metastase- (TNM) Stadieneinteilung der Ösophaguskarzinome
nach UICC (Union Internationale Contre le Cancer)
Klinische Klassifikation des Ösophaguskarzinoms
Primärtumor ( T- Stadium )
Tx
Primärtumor nicht beurteilbar
T0
kein Hinweis auf Primärtumor
Tis
Carcinoma in situ
T1
Tumor infiltriert Lamina propria oder Submukosa
T2
Tumor infiltriert Muscularis propria
T3
Tumor infiltriert die Adventitia
T4
Tumor infiltriert benachbarte Organe
Regionale Lymphknoten ( N- Stadium )
Nx
regionale Lymphknoten nicht beurteilbar
N0
keine lokoregionären Lymphknotenmetastasen
N1
Nachweis eines regionalen Lymphknotenbefalls
Fernmetastasen ( M- Stadium )
Mx
Beurteilung des Vorhandenseins von Fernmetastasen nicht möglich
M0
kein Nachweis von Fernmetastasen
M1
Vorhandensein von Fernmetastasen
Tumoren des unteren thorakalen Ösophagus*
M1a
Befall der zöliakalen Lymphknoten
M1b
andere Fernmetastasen
Tumoren des mittleren thorakalen Ösophagus*
M1a nicht anwendbar
M1b
Befall nicht-regionaler Lymphknoten oder andere Fernmetastasen
Tumoren des oberen thorakalen Ösophagus*
M1a Befall der zervikalen Lymphknoten
M1b andere Fernmetastasen
* aus operationstechnischen Gründen und in Hinblick auf das Muster der lymphogenen Streuung
wird der thorakale Ösophagus ( ca. 18 cm ab Zahnreihe) in 3 Segmente unterteilt:
-
oberer Teil ab oberer Thoraxapertur bis Trachealbifurkation, ca. 18 bis 24 cm ab Zahnreihe
-
mittlerer Teil von der Trachealbifurkation bis etwa 32 cm ab Zahnreihe
-
unterer Teil ab den letzten 8 cm bis zum ösophagogastralen Übergang inklusive des abdominellen
Anteils bis ca. 40 cm ab Zahnreihe
16
1 Einleitung
______________________________________________________________
Tab. 1.2 Klinische Stadieneinteilung der Ösophaguskarzinome nach AJCC (American
Joint Commission for Classification of Cancer) [110]
Klinische Stadieneinteilung der Ösophaguskarzinome
(American Joint Commission for Classification of Cancer )
Stadium
TNM Klassifikation
Tumorstadium
Primärtumor
Lymphknotenbefall
Fernmetastasierung
0
Tis
N0
M0
I
T1
N0
M0
II A
T2
N0
M0
T3
N0
M0
T1
N1
M0
T2
N1
M0
T3
N1
M0
T4
Jedes N-Stadium
M0
IV
Jedes T-Stadium Jedes N-Stadium
M1
IV A
Jedes T-Stadium Jedes N-Stadium
M1a
IV B
Jedes T-Stadium Jedes N-Stadium
M1b
II B
III
1.6.2
Morphologische Klassifikation
Als Grundlage für die morphologische Klassifikation der Ösophaguskarzinome haben sich
die Kriterien der Japanese Society for Esophageal Diseases etabliert, die sich von der
Borrmann Klassifikation der Magenkarzinome aus dem Jahre 1926 ableiten [77,96,99].
Besondere Beachtung erfährt dabei der Typ 0, der aufgrund seiner effektiv minimalen
lymphatischen Metastasierungsrate in der Literatur vielfach als das „wahre“ Frühkarzinom
bezeichnet wird [48,96]. Die morphologischen Veränderungen und ihre Zuordnung zu den
entsprechenden Typen und Subtypen werden in Tabelle 1.3 dargestellt.
17
1 Einleitung
______________________________________________________________
Tab. 1.3 Morphologische Klassifikation des Speiseröhrenkarzinoms nach den Kriterien
der Japanese Society for Esophageal Diseases
Morphologische Klassifikation des Ösophaguskarzinoms
(Japanese Society for Esophageal Diseases)
Oberflächliches Ösophaguskarzinom
Typ 0
oberflächlicher Typ
0-I
oberflächlicher und vorgewölbter Typ
0-Ip
vorgewölbter und gestielter Typ
0-Is
vorgewölbter und sessiler Typ
0-II
oberflächlicher und flacher Typ
0-IIa
leicht erhabener Typ
0-IIb
flacher Typ
0-IIc
leicht eingesunkener Typ
0-IIa + 0-IIc
erhabener Typ mit einer zentralen Einsenkung
0-IIc + 0-IIa
eingesunkener Typ mit einer leichten peripheren Erhebung
0-III
oberflächlicher und exkavierter Typ
Fortgeschrittenes Ösophaguskarzinom
Typ 1
vorgewölbter Typ
Typ 2
ulzerierter und umschriebener Typ
Typ 3
ulzerierter und infiltrativer Typ
Typ 4
diffus infiltrativer Typ ohne Ulcus
Typ 5
unklassifizierbarer Typ
1.6.3 Histopathologische Klassifikation
Mittels der revidierten Fassung der Vienna Klassifikation für intramuköse Neoplasien bei
oberflächlichen neoplastischen Läsionen ließ sich eine internationale größtmögliche
Übereinstimmung bei der histopathologischen Bewertung erzielen [39,98,99]. Die
entscheidende Veränderung dieser Klassifikation im Vergleich zu den früheren
Einteilungen besteht in der Zusammenführung der hochgradigen Dysplasien und
18
1 Einleitung
______________________________________________________________
intramukösen Karzinome zur Gruppe 4. Weiterhin wird der Ausdruck „intraepitheliale
Neoplasie“ statt „Dysplasie“ favorisiert und sowohl die mittel- als auch die hochgradige
Dysplasie zur hochgradigen intraepithelialen Neoplasie zusammengefaßt. Tabelle 1.4
erläutert die histopathologischen Kriterien nach den Richtlinien der überarbeiteten Fassung
der Vienna Klassifikation.
Tab. 1.4
Histopathologische Klassifikation nach den Richtlinien der überarbeiteten
Fassung der Vienna Klassifikation für intramuköse Neoplasien bei oberflächlichen
neoplastischen Läsionen [39]
Histopathologische Klassifikation
(überarbeitete Fassung der Vienna Klassifikation)
Gruppe
Histologische Kriterien
1
Keine intraepitheliale Neoplasie
2
Undefiniert hinsichtlich einer intraepithelialen Neoplasie
3
Leichtgradige intraepitheliale Neoplasie
4
Intramuköse Neoplasie
4-1
Hochgradige intraepitheliale Neoplasie
4-2
Nichtinvasives Karzinom
4-3
Suspekt hinsichtlich eines invasiven Karzinoms
4-4
Intramuköses Karzinom (Invasion der Lamina propria)
5
Submuköses Karzinom
1.7 Diagnostik des Ösophaguskarzinoms
1.7.1 Anamnese
Anamnestische Hinweise auf ein Ösophaguskarzinom sind häufig Gewichtsverlust und
Brustschmerzen mit oder ohne Dysphagie. Da eine Schluckstörung in der Regel erst
auftritt, wenn 2/3 des Ösophaguslumens vom Tumor verlegt sind, oder das Lumen weniger
als 1 cm weit ist, stellt die Dysphagie ein Spätsymptom dar. In einer Serie von
5044 Patienten, die 1994 in den USA behandelt wurden, konnte als häufigstes Symptom
19
1 Einleitung
______________________________________________________________
zum Zeitpunkt der Erstdiagnose bei 74 % der Patienten eine Dysphagie eruiert werden,
weiterhin litten 57,3 % der Patienten unter Gewichtsverlust, 20,5 % unter retrosternalem
Brennen, 16,6 % unter Schmerzen beim Schlucken und 12,1 % der Patienten
unter Atemnot [33]. Die meisten der aufgeführten Symptome müssen dabei als
unspezifisch betrachtet werden. So gaben beispielsweise 14 % der befragten Amerikaner
ohne Anhalt für ein Ösophaguskarzinom ebenfalls an, ein retrosternales Brennen in
identischer Ausprägung zu verspüren [129].
1.7.2 Klinische Untersuchung
Bei der klinischen Untersuchung findet sich in vielen Fällen ein unauffälliger Befund.
Lediglich im Stadium der extensiven Metastasierung lassen sich vergrößerte, oft nicht
verschiebliche Lymphknoten oder Lymphknotenpakete mit Bevorzugung der linken
supraklavikulären Grube (Virchow’scher Lymphknoten) tasten. Weitere Anzeichen einer
fortgeschrittenen Erkrankung können eine Hepatomegalie oder Pleuraergüsse darstellen. In
Anbetracht des Risikofaktorenspektrums weisen viele Patienten nebenbefundlich
alkoholtoxische Organschädigungen auf, die bei der klinischen Untersuchung erkennbar
werden.
1.7.3
Apparative Diagnostik
1.7.3.1 Konventionelle Ösophagogastroduodenoskopie
Im
Rahmen
der
apparativen
Diagnostik
nimmt
die
konventionelle
Ösophagogastroduodenoskopie als etabliertes Verfahren zur Diagnostik von Erkrankungen
des oberen Gastrointestinaltraktes die zentrale Rolle ein. So kann vor allem makroskopisch
eine Beurteilung von strukturellen Veränderungen der Schleimhauttextur vorgenommen
werden mit der Möglichkeit, gezielt zu biopsieren. Dabei muß besonderes Augenmerk auf
die Wahrnehmung von kleinsten endoskopisch sichtbaren Veränderungen gelegt werden,
die auf ein Frühkarzinom oder eine Dysplasie schließen lassen. Insbesondere ein fokal
geröteter Bezirk, kleine Veränderungen des Oberflächenreliefs, eine Erosion, eine Plaque,
ein Nodulus oder eine Schleimhautaufhellung können ein morphologisches Korrelat eines
präkanzerösen oder malignen Prozesses darstellen [34,96,116]. Weiterhin können auch
Rückschlüsse auf die funktionelle Bedeutung einer Veränderung wie beispielsweise bei
20
1 Einleitung
______________________________________________________________
Vorliegen einer Stenose gezogen werden. Schließlich birgt die Endoskopie als weiteren
großen Vorteil die Möglichkeit der minimal invasiven Therapie teils mit kurativer, teils mit
palliativer Intention. So kommen die Mukosektomie, Thermoablation, photodynamische
Therapie, Laserverfahren oder Stentimplantation zur Erhaltung einer peroralen
Nahrungsaufnahme und somit Verbesserung der Lebensqualität bei Patienten mit
fortgeschrittenen Ösophaguskarzinomen zum Einsatz.
1.7.3.2 Chromoendoskopie des Ösophagus
Additive
chromoendoskopische
Verfahren
haben
sich
zur
Verbesserung
der
Früherkennung von neoplastischen Veränderungen sowohl im oberen als auch im unteren
Verdauungstrakt etablieren können. So bergen die oft nur minimal ausgeprägten
Schleimhautläsionen als morphologisches Korrelat eines Frühkarzinoms bzw. einer
präkanzerösen Läsion die Gefahr, einer konventionell endoskopischen Detektion zu
entgehen. Das Aufsprühen von Farblösungen auf die Schleimhaut führt zu einer
verbesserten Detailerkennung und Diagnostik von makroskopisch nicht wahrnehmbaren
Mukosaläsionen. Im Bereich der Speiseröhre werden die Lugol´sche Lösung und
Toluidinblau
zur
Detektion
von
Plattenepithelveränderungen
[71,81,146],
sowie
Methylenblau zur Markierung von inkompletten und kompletten intestinalen Metaplasien
eingesetzt [25,43,64]. Zur Früherkennung der Plattenepithelkarzinome des Ösophagus hat
insbesondere die Lugol´sche Lösung als einfaches, kostengünstiges, nebenwirkungsarmes
und effektives Verfahren eine besondere Bedeutung erlangt und wird im folgenden
hinsichtlich der Ausführung, Besonderheiten und Detektionsmöglichkeiten weiter
dargestellt.
Die Chromoendoskopie als Intravitalfärbemethode wurde erstmalig von Schiller 1933 mit
Lugol´scher Lösung zur Dysplasiediagnostik der Plattenepithelschleimhaut an der Cervix
uteri eingesetzt [147]. In den 60er und 70er Jahren wurden auch im Bereich des Ösophagus
Färbetechniken angewandt, die die Diagnostik kleiner, makroskopisch nicht oder kaum
sichtbarer Veränderungen der regelrechten Mukosa erleichtern sollten [109,180]. Die
Lugol´sche Lösung, eine Jod-Kaliumjodid-Lösung, benannt nach dem französischen Arzt
Jean Guillaume Auguste Lugol (1788 – 1851), der als Pionier der Jodtherapie bezeichnet
wird, ist dabei das älteste Färbemittel zur Erkennung alterierter Schleimhautprozesse. Die
Lösung ist leicht herstellbar und wird in unterschiedlichen Konzentrationen zwischen
21
1 Einleitung
______________________________________________________________
0,5- bis 3-%ig auf die Schleimhaut aufgesprüht. Konzentrationsabhängig wurden
Nebenwirkungen in < 1 % der Fälle im Sinne von substernalem Brennen und Übelkeit
sowie eines kurz nach der Applikation auftretenden Ösophagusspasmus beschrieben
[64,156]. Weiterhin existieren Berichte über seltene allergische Reaktionen auf die
Anwendung der Lugol´schen Lösung. In Anbetracht des Jodgehaltes der Lösung sollte bei
Patienten mit hyperthyreoter Stoffwechsellage der Einsatz von Lugol´scher Lösung
vermieden werden [64], obgleich bislang keine negativen Mitteilungen vorliegen. Die
Lugol´sche Lösung selbst gehört zu den absorptiven Farbsubstanzen und reagiert mit dem
Glykogen des nicht verhornenden Plattenepithels. Hierbei erzeugt es eine dunkle, braungrünliche Färbung. Das regelrechte Ösophagusepithel enthält reichlich Glykogen und färbt
sich intensiv braun-grünlich an. Als Negativfärbung werden dysplastische und
karzinomatöse, aber auch entzündlich veränderte Epithelareale wegen des geringeren oder
fehlenden Glykogengehaltes nur geringfügig oder gar nicht gefärbt. Auf diese Weise
werden eine gezielte Biopsie oder auch eine bessere Einschätzung des Ausdehnungsgrades
einer Läsion ermöglicht [24,78,81,115,122,133,156]. Die Differenzierung der ungefärbten
Schleimhautareale in entzündliche, präkanzeröse oder kanzeröse Schleimhautläsionen
gelingt dabei nur selten, so daß konsequent alle ungefärbten Schleimhautareale ausgiebig
biopsiert werden müssen. Besonders zu beachten ist dabei der oft nur geringe Anteil der
dysplastischen Mukosa innerhalb eines ungefärbten Areals. Die Spezifität dieser Methode
zur Erkennung präkanzeröser oder kanzeröser Schleimhautalterationen ist demzufolge als
eher mäßig zu bezeichnen und wird in den verschiedenen Studien mit Werten zwischen
16,5 % bis 63 % angegeben [5,36]. Die Sensitivität als entscheidendes Kriterium zur
Früherkennung neoplastischer Läsionen wird hingegen mit 96 % als sehr hoch bewertet
[36,64], wodurch diese Methode eine große Bedeutung in Hinblick auf die Frühdiagnostik
des Ösophaguskarzinoms und seiner Vorstufen erlangt.
1.7.3.3 Apparative Zusatzdiagnostik
(Präoperative) Staginguntersuchungen sollten Endosonographie, Röntgenuntersuchung des
Thorax, Computertomographie des Thorax, evt. Computertomographie des Abdomens bei
distalen Tumoren und die Abdomensonographie umfassen [153]. Dabei kommt der
Endosonographie in Hinblick auf das lokoregionale Staging eine besondere Bedeutung zu.
Insbesondere in Kombination mit der Feinnadelaspiration von erreichbaren Lymphknoten
erlangt dieses Verfahren eine hohe Sensitivität [88,118,119,153,183,188]. Zur Beurteilung
22
1 Einleitung
______________________________________________________________
des Ausbreitungsmusters werden zudem die Bronchoskopie bei suprabifurkalen Tumoren
und die Laparoskopie bei infrabifurkalen Tumoren empfohlen. Ferner wird eine
Ösophagus- und Magen-Darm-Passage mit röntgendichtem Kontrastmittel angeraten, bei
zervikalen Karzinomen mit wasserlöslichem Kontrastmittel aufgrund der Gefahr der
Aspiration
und
bronchialen
Fistelung.
Neuere
Techniken
wie
die
Positronenemissionstomographie, deren Bedeutung insbesondere in der Detektion occulter
Metastasen gesehen wird, sowie die optische Kohärenztomographie zur Bestimmung vor
allem der Invasionstiefe bieten die Möglichkeit,
[41,50,88,118183,184].
Von
einigen
Autoren
das
wird
Staging
jedoch
die
zu
präzisieren
endoskopische
Mukosektomie als bedeutendste Entwicklung in Hinblick auf das Staging der
Frühkarzinome des Ösophagus gewertet, da sie die histologische Bestimmung der
Invasionstiefe ermöglicht [183].
1.8 Prognose
Das Plattenepithelkarzinom des Ösophagus hat eine der schlechtesten Prognosen aller
gastrointestinaler Karzinome [141]. Dies ist vor allem auf das fortgeschrittene
Tumorstadium zum Zeitpunkt der Diagnosestellung mit früher regionärer lymphatischer
Metastasierung bzw. Tumorausbreitung per continuitatem in benachbarte Strukturen
zurückzuführen.
Erschwerend
kommen
insbesondere
bei
den
Patienten
mit
Plattenepithelkarzinomen der häufig betriebene Alkoholabusus und die Assoziation mit
einem niedrigen sozioökonomischen Status [20,50] hinzu. Die dadurch bedingte oft
ausgeprägte Komorbidität durch Malnutrition und alkoholtoxische Organschäden
verschlechtert die Therapiemöglichkeiten und somit die Prognose. Die Compliance vieler
betroffener Patienten ist ebenfalls kritisch zu beurteilen. Letztlich sind aufgrund von
Tumorlokalisation, Tumorausdehnung und individuellen Patientenmerkmalen selbst bei
günstigster Sicht maximal 50 – 60 % aller diagnostizierten Ösophaguskarzinome
prognostisch sinnvoll resektabel [50]. Die 5-Jahres-Überlebensrate von Patienten mit
einem resektablen Tumor nach Therapie wird zudem in der Literatur mit nur 20 – 30 %
angegeben [41,79]. In Deutschland liegt die relative 5-Jahres-Überlebensrate von Patienten
mit Ösophaguskarzinom derzeit bei etwa 11 % für Männer und bei etwa 8 % für Frauen
[138]. Damit haben sich die Überlebensaussichten für Patienten mit Speiseröhrenkrebs in
den letzten Jahren nur geringfügig verbessert. Betrachtet man jedoch die 5-JahresÜberlebensrate differenziert nach den Tumorstadien bei der Erstdiagnose, so ergibt sich
23
1 Einleitung
______________________________________________________________
eine erhebliche Diskrepanz zwischen den erhobenen Daten. So konnte nach kompletter
chirurgischer Tumorentfernung im Stadium 0 eine 5-Jahres-Überlebensrate von 95 %, im
Stadium I eine von bis zu 80 % erzielt werden [13,67,72,73]. Hingegen wiesen Patienten
mit einem Ösophaguskarzinom im Stadium IV nach Chemotherapie mit palliativer
Radiotherapie eine mittlere Überlebenszeit von weniger als einem Jahr auf. [49,72,165].
Die altersstandardisierte Mortalitätsrate für den Speiseröhrenkrebs (ICD9: 150) betrug im
Jahr 2000 in Deutschland 6,96 je 100.000 Einwohner für die Männer und 1,39 pro 100.000
für die Frauen. Bei der Betrachtung der Altersverteilung der Patienten mit
Speiseröhrenkrebs ist eine sprunghafte Zunahme der Mortalität ab einem Alter von
45 Jahren zu beobachten mit höchster altersspezifischer Mortalitätsrate in der Gruppe der
Patienten in der Altersstufe der 60- bis unter 75-Jährigen [138]. Die Prognose jüngerer
Patienten (jünger als 50 Jahre) unterscheidet sich dabei nicht von derjenigen älterer
Patienten [131]. Der Anteil dieser Erkrankung im Jahr 2000 an den Krebstodesfällen in
Deutschland ist mit 2,9 % bei den Männern und 0,9 % bei den Frauen deutlich höher im
Vergleich zu dem Anteil des Speiseröhrenkrebses an allen bösartigen Neubildungen von
< 2 % für die Männer bzw. 0,5 % bei den Frauen. Aufgrund der ungünstigen Prognose
bedeutet dies eine deutlich höhere Sterberate im Vergleich zur Erkrankungsrate. So nimmt
das Ösophaguskarzinom bezogen auf die Inzidenz Platz 13 bei den Männern und Platz 17
bei den Frauen ein, liegt hingegen bezogen auf die Krebssterbefälle deutlich weiter vorn
auf Platz 10 bei den Männern und Platz 15 bei den Frauen [138].
24
2 Zielsetzung
______________________________________________________________
2 Zielsetzung
Die meisten Ösophaguskarzinome werden erst in einem fortgeschrittenen Tumorstadium
mit folglich niedriger Überlebensrate diagnostiziert. Da eine Heilung und Verbesserung
der Lebenserwartung nur in den Frühstadien erreicht werden kann, spielt die Frühdiagnose
eine zentrale Rolle bei der Behandlung des Ösophaguskarzinoms. Anamnese und
körperlicher Untersuchungsbefund sind in den Anfangsstadien häufig unauffällig, so daß
den Screeningverfahren eine besondere Bedeutung zukommt. Aufgrund der niedrigen
Inzidenz des Speiseröhrenkrebses in Deutschland scheint vor allem eine Untersuchung von
Risikopatienten sinnvoll zu sein. Bei der Definition dieser Risikokollektive stehen in
Deutschland der Alkoholkonsum und das Tabakrauchen als zwei unabhängige
Risikofaktoren für die Entwicklung eines Ösophaguskarzinoms im Vordergrund. Im Falle
eines gleichzeitigen Alkohol- und Nikotinabusus - wie von den meisten Menschen mit
Alkoholabhängigkeit betrieben – ist sogar ein synergistischer Effekt mit multiplikativer
Zunahme
des
Ösophaguskarzinomrisikos
Screeningverfahrens
stellt
sich
die
zu
erwarten.
konventionelle
Bei
der
Endoskopie
Auswahl
des
des
oberen
Verdauungstraktes als Methode der ersten Wahl dar, jedoch entgehen dem Untersucher
nicht selten einige präkanzeröse oder frühe kanzeröse Schleimhautläsionen als sogenannte
occulte Veränderungen. Additive chromoendoskopische Verfahren können die Sensitivität
der konventionellen Endoskopie hinsichtlich der Detektion bereits kleinster neoplastischer
Läsionen erheblich steigern. Als Farbstoff eignet sich dabei besonders die Lugol´sche
Lösung, da mehr als 90 % der neoplastischen Neubildungen des Ösophagus in
Mitteleuropa histologisch als epitheliale Tumoren klassifiziert werden, wovon die
Plattenepithelkarzinome ihrerseits mit 80 – 90 % den größten Anteil bilden. Die JodKaliumjodid-Lösung reagiert dabei mit dem Glykogen des Plattenepithels. Auf diese
Weise werden dysplastische und karzinomatöse Areale wegen ihres geringen oder
fehlenden Glykogengehaltes als geringfügig oder gar nicht gefärbte Areale erkennbar.
Bereits kleinste neoplastische Veränderungen können somit frühzeitig detektiert und
prognostisch günstig therapiert werden. In Hinblick auf den nicht unerheblichen
Prozentsatz alkoholassoziierter oder durch Malnutrition verursachter Begleiterkrankungen
bzw. der eingeschränkten Compliance des betroffenen Patientenkollektivs, können zudem
weniger invasive und organerhaltende Therapieverfahren eingesetzt werden. So bieten sich
bei klar abgrenzbaren präkanzerösen Läsionen und auch bei Frühmalignomen des
25
2 Zielsetzung
______________________________________________________________
Ösophagus in kurativer Absicht beispielsweise die endoskopische Mukosektomie, die
photodynamische Therapie oder thermoablative Verfahren an.
Trotz aller bekannten positiven Eigenschaften der Chromoendoskopie mit Lugol´scher
Lösung als nebenwirkungsarme, kostengünstige, schonende und effektive Methode hat
dieses Verfahren bis dato in Mitteleuropa allerdings noch keinen Eingang in die
Routineendoskopie
gefunden.
Insbesondere
als
Screeninguntersuchung
von
Risikokollektiven für die Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus
scheint sich dieses additive Verfahren jedoch anzubieten. Das Ziel dieser Arbeit stellt
somit die Abklärung der diagnostischen Wertigkeit und klinischen Relevanz der additiven
Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung in Hinblick auf die Frühdiagnostik von
Ösophaguskarzinomen und deren Vorstufen bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit dar.
Als weitere Fragestellung interessiert eine mögliche Selektion besonders gefährdeter
Subgruppen innerhalb der Alkoholabhängigen, die speziell von einer Früherkennung
profitieren könnten. Mittels einer ausführlichen Erhebung der klinischen Patientendaten
und individuellen Risikokonstellationen wird eine Charakterisierung jener Patientengruppe
angestrebt.
26
3 Methodik
______________________________________________________________
3
Methodik
3.1
Patientenkollektiv
Insgesamt 229 konsekutive Patienten mit Alkoholabhängigkeit aus dem stationären
Bereich der Medizinischen Klinik I der Universitätsklinik Marienhospital Herne bzw. der
Medizinischen Klinik der Evangelischen Kliniken Gelsenkirchen wurden von Oktober
1997 bis Oktober 2004 mittels konventioneller Ösophagogastroduodenoskopie und
anschließender Chromoendoskopie des Ösophagus mit Lugol´scher Lösung untersucht.
Sämtliche Patienten bedurften aus verschiedenen medizinischen Gründen einer Endoskopie
des oberen Gastrointestinaltraktes und erteilten nach entsprechender Aufklärung zu der
endoskopischen
Untersuchung
einschließlich
Chromoendoskopie
schriftlich
ihr
Einverständnis. Die Alkoholabhängigkeit als das entscheidende Einschlußkriterium für die
Durchführung der Chromoendoskopie wurde anhand der Klassifikationskriterien des USamerikanischen DSM-IV-Systems festgelegt [92,140,145], welches in Anbetracht der
Studienlage in Deutschland ausgewählt wurde. Dieses „Diagnostic and Statistical Manual
of Mental Disorders“ wurde 1994 in der vierten Revision (DSM IV) von der American
Psychiatric Association veröffentlicht mit dem Ziel, klare Beschreibungen diagnostischer
Kategorien zu treffen. Auf diese Weise sollen Kliniker und Forscher in die Lage versetzt
werden, bestimmte psychische Störungen zu diagnostizieren und sich über sie zu
verständigen
[145].
Gemäß
dieser
Klassifikation
werden
jene
Patienten
als
alkoholabhängig eingestuft, die mindestens 3 der aufgeführten 7 Kriterien erfüllen:
•
Toleranzentwicklung, definiert durch eines der folgenden Kriterien :
- Verlangen nach ausgeprägter Steigerung der Alkoholmenge, um einen
Intoxikationszustand oder erwünschten Effekt herbeizuführen
-
deutlich
verminderte
Wirkung
bei
fortgesetztem
Konsum
derselben
Alkoholmenge
•
Entzugssymptome
- charakteristisches Entzugssyndrom
- Alkohol wird getrunken, um Entzugssymptome zu lindern oder zu vermeiden
•
Alkohol wird häufig in größeren Mengen oder länger als beabsichtigt konsumiert
27
3 Methodik
______________________________________________________________
•
Anhaltender Wunsch oder erfolgloser Versuch, den Alkoholgenuß zu verringern
oder zu kontrollieren
•
Hoher Zeitaufwand für die Besorgung oder den Genuß alkoholischer Getränke oder
für die Erholung von ihrer Wirkung
•
Wichtige soziale, berufliche oder Freizeitaktivitäten werden aufgrund des
Alkoholmißbrauchs aufgegeben oder eingeschränkt
•
Fortgesetzter
Alkoholmißbrauch
trotz
Kenntnis
eines
anhaltenden
oder
wiederkehrenden körperlichen oder psychischen Problems, das wahrscheinlich
durch den Alkoholmißbrauch verursacht oder verstärkt wurde
3.1.1 Anamneseerhebung
Neben den allgemeinen Angaben wie Name, Geburtsdatum und Geschlecht des jeweiligen
Patienten wurde besonderer Wert auf die anamnestische Exploration gelegt:
1.
In Bezug auf die Langzeitanamnese der Patienten wurden vor allem gastrointestinale
Vorerkrankungen erfragt.
2.
Die
Bestimmung
des
Risikoprofils
hinsichtlich
der
Entwicklung
eines
Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus erforderte die Erhebung der folgenden Daten:
Als prokarzinogene Faktoren wurden erfragt:
•
Menge, Häufigkeit und Art des konsumierten Alkohols
•
Dauer des Alkoholkonsums in Jahren
•
Menge, Häufigkeit und Art des Tabakkonsums
•
Dauer des Tabakkonsums in Jahren
•
Tumorleiden des oberen Aerodigestivtraktes (falls vorbekannt)
•
Tumorleiden anderer Lokalisation einschließlich Therapieregime
Als mögliche protektive Faktoren wurden festgehalten:
•
Die Einnahme von acetylsalicylsäurehaltigen bzw. anderen nichtsteroidalen
Antirheumatika (Wirkstoff, Dosis und Dauer der eingenommenen Medikation)
•
Eine ausgewogene Ernährung mit regelmäßiger Zufuhr von Gemüse und Früchten
28
3 Methodik
______________________________________________________________
3. Alle Patienten wurden bezüglich ihrer aktuellen Beschwerden befragt. In Hinblick
auf mögliche Symptome eines Ösophaguskarzinoms wurde eine genaue
Exploration zum Vorliegen folgender Beschwerden vorgenommen:
•
Dysphagie
•
Schmerzen retrosternal / im Rücken
•
Schmerzen im rechten Oberbauch
•
Regurgitation
•
Erbrechen
•
Hämatemesis
•
Appetitlosigkeit
•
Gewichtsverlust
•
Abgeschlagenheit
•
Leistungsminderung
•
Übler Mundgeschmack
•
Schluckabhängiger Hustenreiz
•
Heiserkeit
•
Ikterus
•
Fieber
•
Retrosternales Brennen
3.1.2
Erhebung des körperlichen Untersuchungsbefundes
Der anamnestischen Exploration folgte eine gründliche körperliche Untersuchung mit
besonderer
Berücksichtigung
der
alkoholtoxisch
bedingten
Schädigungszeichen.
Inspektorisch erfuhren dabei speziell die Leberhautzeichen, Ikterus bzw. Zeichen einer
hormonellen Störung Beachtung. Bei der Palpation wurden neben einer Hepato- und/oder
Splenomegalie das Vorliegen von Aszites und peripheren Ödemen als Ausdruck der
portalen Hypertension dokumentiert. Besonderes Augenmerk galt auch den Anzeichen
eines
(fortgeschrittenen)
Abschließend
wurde
der
Ösophaguskarzinoms
Lymphknotenstatus,
supraclaviculären Lymphknoten festgehalten.
29
wie
Kachexie
insbesondere
oder
der
Pleuraerguß.
cervikalen
und
3 Methodik
______________________________________________________________
3.2
Analysekriterien der anamnestischen und klinischen Patientendaten
Die Auswertung der erhobenen anamnestischen und klinischen Patientendaten zielte auf
die genaue Charakterisierung des Patientenkollektivs ab. Eine zentrale Rolle spielte die
Erfassung der Risikofaktoren sowie deren Ausprägungs- bzw. Schweregrad. Zu diesem
Zweck erfolgte eine Kategorisierung der Patienten anhand der nachfolgend dargestellten
Kriterien.
3.2.1 Biographische Patientendaten
Dokumentiert wurden die Anzahl der Patienten, weiterhin die Altersverteilung der
Patienten mit Angabe des jeweils jüngsten und ältesten Patienten, sowie das
Durchschnittsalter errechnet als Durchschnitt der Altersangaben + der einfachen
Standardabweichung. Alle Daten wurden sowohl für das Gesamtkollektiv, als auch nach
Geschlechtern getrennt festgehalten. Um eine noch bessere Übersicht über das
Patientenkollektiv hinsichtlich der Altersverteilung zu erzielen, erfolgte eine Unterteilung
in 3 Altersgruppen. Dabei umfaßt die Gruppe 1 die Patienten bis 40 Jahre, die in Hinblick
auf eine Alkoholabhängigkeit als jüngeres bis mittleres Patientenalter zu charakterisieren
sind. Der Gruppe 2 wurden die 40 – 65-Jährigen zugeordnet, die altersgemäß als noch
erwerbsfähig zu gelten haben, während in Gruppe 3 jene Patienten eingestuft wurden, die
zum Untersuchungszeitpunkt älter als 65 Jahre waren:
3.2.2
Gruppe 1
< 40
Jahre
Gruppe 2
> 40 - 65 Jahre
Gruppe 3
> 65
Jahre
Alkoholkonsum
Nach den Angaben der Patienten zu Art, Häufigkeit und Menge des Alkoholkonsums
wurde die verzehrte Alkoholmenge in Gramm pro Tag errechnet. So wurde über die
Angabe der Alkoholkonzentration in Volumenprozent die Äthanolmenge in Milliliter pro
Milliliter des verzehrten alkoholischen Getränkes ermittelt und schließlich unter
Einbeziehung der Dichte 0,789 g/cm³ die Äthanolmenge in Gramm pro Milliliter nach
folgenden Formeln bestimmt:
30
3 Methodik
______________________________________________________________
Äthanolmenge in Milliliter pro Milliliter eines alkoholischen Getränkes =
Äthanolkonzentration in Volumenprozent dividiert durch 100
Anschließend wurde die Masse in Gramm als Produkt des Volumens in Milliliter und der
Dichte (0,789 g/cm³) berechnet:
Äthanolmenge in Gramm pro Milliliter eines alkoholischen Getränkes =
Äthanolmenge in Milliliter pro Milliliter multipliziert mit der Dichte (0,789 g/cm³)
Entsprechend der Angabe über die Menge und Art der zugeführten alkoholischen Getränke
pro Tag wurde die verzehrte Alkoholmenge pro Tag errechnet:
Äthanolmenge in Gramm pro Tag =
Äthanolmenge in Gramm pro Milliliter multipliziert mit dem angegebenen Volumen des
entsprechenden verzehrten alkoholischen Getränkes in Millilitern pro Tag
Bei unregelmäßiger Alkoholaufnahme wurde die angegebene Alkoholmenge, die in der
Zeiteinheit X Tage konsumiert wurde, durch die entsprechende Anzahl X der Tage
dividiert und somit der tägliche Alkoholkonsum bestimmt. Den teils erheblichen
Variationen des Äthanolgehaltes verschiedener alkoholischer Getränke desselben
Herstellungsverfahrens wurde durch die Wahl eines mittleren Alkoholgehaltes für die
Auswertung Rechnung getragen. Der zugrunde gelegte Alkoholgehalt der verschiedenen
Getränke ist in Tabelle 3.1 zu ersehen. Dabei wurde aufgrund der breiten Spanne der
enthaltenen Alkoholmenge noch zwischen Likör mit einer mittleren Alkoholkonzentration
von 20 Vol-%, entsprechend 158 g Äthanol pro 1000 ml und Kräuterlikör mit 35 Vol-%,
entsprechend 276 g pro 1000 ml unterschieden.
31
3 Methodik
______________________________________________________________
Tab. 3.1 Zugrunde gelegter mittlerer Alkoholgehalt verschiedener Getränke
Mittlerer zugrunde gelegter Alkoholgehalt
Äthanolkonzentration
Äthanolmenge
Äthanolmenge
(%vol/vol)
(Milliliter)
(Gramm)
in 1 ml
in 1 ml
Bier
4
0,04
0,032
Wein
12
0,12
0,095
Sekt
10
0,10
0,079
Likör
20
0,20
0,158
Kräuterlikör
35
0,35
0,276
Weinbrand
38
0,38
0,300
Schnaps
40
0,40
0,316
Whisky
40
0,40
0,316
Wodka
40
0,40
0,316
Zunächst wurde zur Beschreibung des Patientenkollektivs eine Einteilung gestaffelt nach
der errechneten täglich konsumierten Alkoholmenge in Gramm gewählt. Der untere
Grenzwert wurde dabei mit 30 g für die männlichen Patienten und 20 g Alkohol pro Tag
für die weiblichen Patienten in Anlehnung an die Richtlinien der British Medical
Association festgelegt [17]. Demnach werden als Empfehlung für den risikoarmen
Alkoholkonsum weniger als 21 Getränkeeinheiten pro Woche für Männer, entsprechend
maximal ca. 30 g Alkohol pro Tag, sowie 14 Getränkeeinheiten für Frauen, entsprechend
maximal ca. 20 g reinen Alkohol für Frauen angenommen. Die Gruppe 4 bleibt den
Patienten vorbehalten, die beispielsweise aufgrund von schwersten alkoholtoxischen
Schäden wie Entwicklung einer Enzephalopathie nicht in der Lage sind, Aussagen über
ihren Alkoholkonsum zu treffen. Die folgende Unterteilung wurde zur Beschreibung des
täglichen Alkoholkonsums gewählt:
Gruppe 1
(20 *) 30 – 100 g
Alkohol pro Tag
Gruppe 2
> 100
Alkohol pro Tag
Gruppe 3
> 200 g
Gruppe 4
Keine Angaben
– 200 g
Alkohol pro Tag
* Wert in Klammern entspricht dem niedrigeren Grenzwert für die weiblichen Patienten
32
3 Methodik
______________________________________________________________
In Anlehnung an Bühringer und Mitarbeiter [21] erfolgte anschließend eine
Eingruppierung der Patienten anhand der errechneten täglich konsumierten Alkoholmenge
in Gramm während der letzten 12 Monate. Hierbei wurde der höheren Empfindlichkeit der
Frauen bezüglich der Alkoholtoxizität bereits mittels niedrigerer Grenzwerte Rechnung
getragen. Während Bühringer et al. eine Konsumgruppeneinteilung in Abstinenz,
risikoarmen Konsum, sowie riskanten Konsum, gefährlichen Konsum und schließlich
Hochkonsum vornehmen, wurde für diese Arbeit noch eine weitere Gruppe für Patienten
gebildet, bei denen eine Anamneseerhebung nicht möglich war. In Bezug auf die
Fragestellung dieser Arbeit wurden Patienten mit einem risikoarmen Alkoholkonsum,
definiert als täglicher Alkoholkonsum von > 0 bis 30 g bei den Männern und > 0 bis 20 g
Alkohol pro Tag bei den Frauen, ausgeschlossen, so daß sich modifiziert nach Bühringer et
al. die folgende Einteilung ergab:
Alkoholmenge in Gramm pro Tag
Konsumgruppe
Männer
Frauen
Gruppe 1
riskanter Konsum
> 30 bis 60 g
> 20 bis 40 g
Gruppe 2
gefährlicher Konsum
> 60 bis 120 g
> 40 bis 80 g
Gruppe 3
Hochkonsum
> 120 g
> 80 g
Gruppe 4
keine Angaben über den Alkoholkonsum eruierbar
Zusätzlich wurde der Alkoholindex errechnet, in den neben der zugeführten Alkoholmenge
pro Tag auch die Dauer des Konsums eingeht. Diese Berechnung berücksichtigt somit eine
weitere Komponente und führt zu einer genaueren Darstellung des betriebenen
Alkoholabusus. Es wurde folgende Formel angewandt:
Alkoholindex = Alkoholkonsum pro Tag in Gramm multipliziert mit der Dauer des
Alkoholkonsums in Jahren
Entsprechend der Gliederung der Konsumgruppen bzw. des täglichen Alkoholkonsums
erfolgte auch für den Alkoholindex eine Unterteilung in 4 Gruppen. In Gruppe 4 flossen
analog zur täglichen Alkoholmengenberechnung jene Patienten ein, die aufgrund
schwerster alkoholtoxischer Schädigungen nicht in der Lage waren, Aussagen bezüglich
ihres Alkoholkonsums zu treffen. Bei unregelmäßigem Alkoholkonsum wurde wie oben
beschrieben zunächst der umgerechnete täglich aufgenommene Alkohol in Gramm pro Tag
33
3 Methodik
______________________________________________________________
errechnet (aufgenommene Alkoholmenge in der Zeiteinheit X Tage dividiert durch
X Tage) und dann mit der Dauer des Alkoholkonsums in Jahren multipliziert. Bei
fehlenden vergleichbaren Daten wurde bei dieser Einteilung auf eine geschlechtsabhängige
Differenzierung der Grenzwerte verzichtet. Die Gruppeneinteilung anhand des
Alkoholindex erfolgte detailliert wie aufgeführt:
Gruppe 1
20 – 2000
Alkohol-Jahre
Gruppe 2
>2000 – 4000
Alkohol-Jahre
Gruppe 3
>4000
Alkohol-Jahre
Gruppe 4
keine Angaben zum Alkoholkonsum eruierbar
Wie von einigen Autoren [149,160,174,189] postuliert, scheint auch die Art der
alkoholischen Getränke Einfluß auf die Organschädigung zu haben, so daß auch die
konsumierten Alkoholikasorten berücksichtigt wurden. Aus diesen Daten resultierte eine
Unterteilung der Patienten in Konsumenten von Bier, Wein und Schaumwein sowie
Spirituosen. Patienten, die alkoholische Getränke verschiedener Arten zu sich nahmen,
wurden nach dem am häufigsten konsumierten Getränk bewertet und entsprechend
eingruppiert:
3.2.3
Kategorie 1
Bierkonsum
Kategorie 2
Wein- und Schaumweinkonsum
Kategorie 3
Spirituosenkonsum
Kategorie 4
Keine Angaben zum Alkoholkonsum eruierbar
Leberveränderungen
Als Index zur Abschätzung der ethyltoxischen Organschäden wurde die Leber als das
markante Stoffwechselorgan ausgewählt. Die Leberveränderungen ließen sich mittels der
regelhaft durchgeführten Sonographie des Abdomens, der laborchemischen Untersuchung
sowie der fallbezogenen, indizierten, sonographisch gesteuerten Leberpunktion bezüglich
morphologischer und funktioneller Parameter gut beurteilen. Die Child-Pugh-Kriterien
wurden zur weiteren Klassifikation der Leberzirrhose nach Schweregrad A – C angewandt
(Tab. 3.2).
34
3 Methodik
______________________________________________________________
Tab. 3.2
Einteilung der Schweregrade der Leberzirrhose unter Berücksichtigung der
Child-Pugh-Klassifikation
Kriterium
Albumin i. S.
1 Punkt
2 Punkte
3 Punkte
> 3,5
2,8 – 3,5
< 2,8
< 2,0
2,0 – 3,0
> 3,0
> 70
40 -70
< 40
Kein
Leichtgradig
Mittelgradig
0°
I°-II°
III°-IV°
(g/dl)
Bilirubin i. S.
(mg/dl)
Quick
(%)
Aszites
(sonographisch)
Enzephalopathie
Addition der Punkte:
Child A = 5 – 6 Punkte
Child B = 7 – 9 Punkte
Child C = > 10 Punkte
Gemäß dem Schweregrad der nachgewiesenen Lebererkrankung resultierte die Einteilung
in Patientengruppen. Das Spektrum der Leberveränderungen reichte dabei von der als
unauffällig beurteilten Leber bis hin zur Leberzirrhose. Als Sonderfälle wurden die
zusätzlich detektierten, fokalen malignen Veränderungen wie das Hepatozelluläre
Karzinom bzw. Metastasen anderer Primärtumoren betrachtet und der Gruppe 5
zugeordnet. Nach den genannten Kriterien ergab sich folgende Einteilung:
Gruppe 1
Keine nachweisbaren Leberveränderungen
Gruppe 2
Steatosis hepatis
Gruppe 3
alkoholische Steatohepatitis
Gruppe 4
mikronoduläre Leberzirrhose aufgeschlüsselt nach
Schweregrad A - C nach Child-Pugh
Gruppe 5
maligne Veränderungen
35
3 Methodik
______________________________________________________________
3.2.4
Nikotinkonsum
Bei der Dokumentation des Nikotinkonsums wurde ähnlich wie bei der Beurteilung des
Alkoholkonsums verfahren. So interessierte zunächst die Anzahl der täglich gerauchten
Zigaretten mit Bildung entsprechender Patientengruppen. Nichtraucher wurden der Gruppe
0 zugeordnet. Dabei galten auch jene Patienten als Nichtraucher, die seit 20 Jahren eine
Nikotinkarenz
einhielten.
Patienten,
die
beispielsweise
aufgrund
schwerster
alkoholtoxischer Schäden nicht in der Lage waren, ihren Nikotinkonsum anzugeben,
wurden gemäß dieser Einteilung der Gruppe 4 zugerechnet. Gruppe 5 faßt Patienten
zusammen, die eine andere Tabakart konsumierten. Aus diesen Daten ergibt sich folgende
Gruppeneinteilung:
Gruppe 0
Nichtraucher
Gruppe 1
1 – 20
Zigaretten pro Tag
Gruppe 2
> 20 - 40
Zigaretten pro Tag
Gruppe 3
> 40
Zigaretten pro Tag
Gruppe 4
keine Angaben zum Nikotinkonsum eruierbar
Gruppe 5
andere Art des Tabakkonsums
Anschließend erfolgte analog zum Alkoholindex die Berechnung der pack-years nach der
Formel
pack-years = Anzahl der gerauchten Zigarettenpackungen pro Tag multipliziert
mit der Anzahl der Jahre des Tabakkonsums
Jeweils 20 Zigaretten wurden dabei als eine Zigarettenpackungseinheit gewertet. Gruppe 0
besteht auch hier aus Nichtrauchern bzw. Patienten mit mehr als 20-jähriger
Nikotinkarenz. Analog zur Unterteilung des täglichen Nikotinkonsums wurden Patienten,
die nicht in der Lage waren, ihren Nikotinkonsum anzugeben, der Gruppe 4 zugerechnet.
Der Konsum einer anderen Tabakart führte zur Einteilung in Gruppe 5. Aus diesen Daten
ergibt sich folgende Gliederung:
36
3 Methodik
______________________________________________________________
3.2.5
Gruppe 0
Nichtraucher
Gruppe 1
1 – 20
Gruppe 2
> 20 - 40 pack-years
Gruppe 3
> 40
Gruppe 4
keine Angaben zum Nikotinkonsum eruierbar
Gruppe 5
andere Art des Tabakkonsums
pack-years
pack-years
Weitere Risikofaktoren
Die weiteren erfaßten Daten trugen den übrigen bekannten Risikofaktoren in Hinblick auf
die Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus Rechnung. Insbesondere
fanden Tumore des oberen Aerodigestivtraktes, als auch vorbekannte und vorbehandelte
Tumore anderer Lokalisationen Beachtung. Dabei wurde Augenmerk auf eine stattgehabte
Radiotherapie des Thorax als kanzerogene Kondition gelegt. Andere Risikofaktoren wie
die Achalasie oder das Ösophagusdivertikel wurden ebenfalls beleuchtet. Als
prädisponierendes familiäres Syndrom interessierte die nonepidermolytische palmoplantare
Keratodermie, die sich auch durch Hyper- oder Parakeratosen der Mundschleimhaut und
der Handflächen/Fußsohlen äußert. Jene Erkrankungen mit gering ausgeprägtem
kanzerogenem Effekt hinsichtlich des Speiseröhrenkrebses bzw. mit bisher fehlender
Bestätigung in prospektiven Verlaufsstudien erfuhren keine weitere Betrachtung.
3.2.6
Protektive Faktoren
Zur Dokumentation der protektiven Parameter bezüglich der Entwicklung eines
Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus wurde die Einnahme von nichtsteroidalen
Analgetika (NSAR) hinsichtlich Wirkstoff, Dosis und Dauer der Verwendung erfragt. Wie
einige Publikationen belegen, scheint die präventive Potenz der Acetylsalicylsäure in
Bezug auf das Ösophaguskarzinom etwas größer zu sein als die der übrigen NSAR, so daß
entsprechend
zwischen
der
Einnahme
von
Acetylsalicylsäure
und
von
nicht-
acetylsalicylsäurehaltigen NSAR unterschieden wurde. Weiterhin wird in der Literatur
sowohl
für
Acetylsalicylsäure
als
auch
andere
NSAR
mit
zunehmender
Einnahmehäufigkeit eine verstärkte Ösophaguskarzinomprotektion beschrieben. In
Anlehnung an die Literaturangaben wurden Patienten mit gelegentlicher Einnahme von
Acetylsalicylsäurepräparaten bzw. anderer NSAR gesondert von denjenigen Patienten mit
37
3 Methodik
______________________________________________________________
einem regelmäßigen Gebrauch betrachtet. Dabei wurde als gelegentliche Einnahme die
Verwendung eines NSAR als Bedarfsmedikation zur Schmerzbekämpfung in den letzten
30 Tagen vor dem Befragungs-/Untersuchungszeitpunkt von dem regelmäßigen Gebrauch
eines NSAR in den vergangenen 6 Monaten unterschieden. Patienten, die keine NSAR
verwendeten oder bei sporadischer Bedarfsmedikation in den vergangenen 30 Tagen kein
NSAR-Präparat eingenommen hatten, wurden zu einer Gruppe zusammengefaßt. Die
Einteilung erfolgte somit in 6 Kategorien: Kategorie 1 umfaßt jene Patienten, die kein
NSAR einschließlich Acetylsalicylsäure einnahmen, in Kategorie 2 sind Patienten
eingruppiert, die gelegentlich Acetylsalicylsäure zu sich nahmen. In die Kategorie 3
wurden Patienten mit einer regelmäßigen Acetylsalicylsäure-Medikation eingeordnet.
Aufgrund der verschiedenen Hypothesen zum Wirkmechanismus der NSAR mit unter
anderem auch homöopathischem Erklärungsansatz wurden 3 Untergruppen eingeführt, die
sich auf die jeweilige Dosierung des Acetylsalicylsäure-Präparates beziehen. Kategorie 4
enthält die Daten jener Patienten, die ein nichtsteroidales Analgetikum ohne den Wirkstoff
Acetylsalicylsäure gelegentlich einnahmen, Kategorie 5 umfaßt die Daten der Patienten
mit regelmäßiger Einnahme eines nichtsteroidalen Analgetikums ohne den Wirkstoff
Acetylsalicylsäure und in Kategorie 6 wurden jene Patienten eingeordnet, die keine
Aussagen zur Vormedikation aufgrund von mnestischen Störungen treffen konnten.
Patienten mit einem Analgetikaabusus wurden gemäß der eingenommenen Wirkstoffe und
der Häufigkeit der Einnahme in die entsprechende Kategorie eingeteilt. Patienten, die
sowohl Acetylsalicylsäure, als auch andere NSAR verwendeten, wurden der Kategorie der
Acetylsalicylsäure-Medikation als potentiell stärker protektives Medikament zugeordnet:
Kategorie 1
keine Einnahme eines NSAR einschließlich Acetylsalicylsäure
Kategorie 2
gelegentliche Einnahme eines Acetylsalicylsäure-Präparates
Kategorie 3
2a
100 mg Acetylsalicylsäure/ die
2b
300 mg Acetylsalicylsäure/ die
2c
> 500 mg Acetylsalicylsäure/ die
regelmäßige Einnahme eines Acetysalicylsäure-Präparates
3a
100 mg Acetylsalicylsäure/ die
3b
300 mg Acetylsalicylsäure/ die
3c
> 500 mg Acetylsalicylsäure/ die
Kategorie 4
gelegentliche Einnahme nicht-acetylsalicylsäurehaltiger NSAR
Kategorie 5
regelmäßige Einnahme nicht-acetylsalicylsäurehaltiger NSAR
Kategorie 6
keine Angaben zu erhalten
38
3 Methodik
______________________________________________________________
Als weiteres protektives Element wurden retrospektiv die Ernährungsgewohnheiten der
Patienten besonders hinsichtlich des regelmäßigen Verzehrs von Gemüse und Früchten
erfragt.
3.2.7
Symptome und Aufnahmediagnosen
Ein besonderes Augenmerk galt auch der Analyse von Symptomen und Erkrankungen, die
zur stationären Behandlung bzw. zur endoskopischen Diagnostik geführt hatten. Das
Interesse galt dabei insbesondere der Überprüfung, wie häufig „charakteristische“
Symptome
bei
Patienten
mit
Ösophaguskarzinomen
und
zwar
besonders
mit
Ösophagusfrühkarzinomen zu registrieren waren. Vergleichend sollte festgestellt werden,
wie viele Personen ohne Anhalt für ein Ösophaguskarzinom unter ähnlichen bzw. gleichen
Symptomen litten. Weiterhin wurden alle Hinweise auf Erkrankungen beachtet, die in
Zusammenhang mit einer Alkoholabhängigkeit stehen und somit als richtungsweisend für
den Grad einer toxischen Schädigung des jeweiligen Patienten betrachtet werden können.
Dazu wurden die Symptome und Aufnahmediagnosen aufgeschlüsselt und anschließend in
3 Kategorien unterteilt. Kategorie 1 wurde für jene Patienten gebildet, deren Symptome
durch ein Ösophaguskarzinom erklärbar wären. Die unmittelbar alkoholassoziierten
Erkrankungen wurden zusammengefaßt zur Kategorie 2. Die weiteren Diagnosen, die
unabhängig von der Alkoholkrankheit zu werten sind, wurden in Kategorie 3 eingeordnet.
Hinsichtlich des Diabetes mellitus wurde unterschieden in einen pankreopriven Diabetes
mellitus
(Klasse
3)
bei
Patienten
mit
endokriner
ethyltoxisch
bedingter
Pankreasinsuffizienz, der der Kategorie 2 zugeordnet wurde, und in den Diabetes mellitus
Typ 1 oder 2, der der Kategorie 3 zugerechnet wurde. Lagen mehrere Krankheitsbilder bei
einem Patienten vor, wurde als führendes Kriterium zunächst das Vorliegen möglicher
Symptome eines Ösophaguskarzinoms überprüft, dann bestehende Hinweise auf eine
alkoholassoziierte Erkrankung und bei Ausschluß dieser Kriterien eine Einordnung in
Kategorie 3 vorgenommen:
Kategorie 1
Symptome oder Aufnahmediagnosen, die mit einem
Ösophaguskarzinom in Einklang stehen könnten
Kategorie 2
Symptome oder Aufnahmediagnosen, die unmittelbar mit der
Alkoholabhängigkeit in Zusammenhang stehen
Kategorie 3
Symptome oder Aufnahmediagnosen ohne direkten Bezug zu einem
Ösophaguskarzinom oder zu einer Alkoholabhängigkeit
39
3 Methodik
______________________________________________________________
3.3 Untersuchungsmethoden
Der Untersuchungsablauf erfolgte nach dem Schema:
1. Konventionelle Ösophagogastroduodenoskopie einschließlich der deskriptiven
Dokumentation der makroskopisch auffälligen Schleimhautläsionen
2. Chromoendoskopie des Ösophagus mit Lugol´scher Lösung einschließlich der
histologischen Aufarbeitung der gewonnenen Biopsien aus den ungefärbten
Schleimhautarealen
3.3.1
Konventionelle Ösophagogastroduodenoskopie
3.3.1.1 Durchführung
Zum Einsatz kamen Glasfiberendoskope (GIF Q 10, GIF Q2 T10, GIF 1 T 20,
GIF 1 T 10) und Videoendoskope (GIF Q 140, GIF 1 T 140 ) der Firma Olympus,
Hamburg.
Alle Patienten erhielten standardmäßig einen transvenösen Zugang, durch den soweit nötig
bzw. gewünscht die entsprechende Prämedikation verabreicht werden konnte. Als Sedativa
kamen nach Ausschluß von Kontraindikationen Midazolam und Propofol zum Einsatz. Im
Einzelfall wurde auch das Spasmolytikum Butylscopolamin intravenös injiziert. Der
Einsatz
von
Propofol
erfolgte
ausschließlich
unter
Kreislaufmonitoring
und
Atmungsüberwachung mittels Pulsoxymetrie sowie in Anwesenheit eines weiteren
intensivmedizinisch geschulten Arztes.
Für die Endoskopie wurde die transorale Intubation unter Verwendung eines Beißringes
zum Geräteschutz gewählt. Nach Einführen des Endoskops erfolgte zunächst eine
Inspektion des Larynx und der einsehbaren Hypopharynxabschnitte, sodann die Passage
des oberen Ösophagussphinkters. Distal des oberen Ösophagussphinkters wurde die
Speiseröhre durch Einspritzen von 20 ml destilliertem Wasser über den Arbeitskanal
gespült. Es folgte die genaue Inspektion der Ösophagusschleimhaut auf vorhandene
Schleimhautveränderungen, wie Plaques- oder Knötchenbildung, Hyperämie, Erosionen,
Ulzerationen, Rötung, kleine Erhabenheiten oder Ösophaguslumenstenosierung bzw.
-verziehung als mögliche endoskopische Kriterien einer Dysplasie oder malignen
40
3 Methodik
______________________________________________________________
Entartung [34]. Soweit es die Methode zuließ, wurde zusätzlich die Motilität des
Ösophagus bzw. Suffizienz des unteren Ösophagussphinkters beurteilt. Es folgte das
Vorschieben des Gerätes unter Sicht bis in die Pars descendens duodeni. Duodenum und
Magen wurden dabei in konventioneller Weise beim Rückzug des Endoskops beurteilt und
besondere Aufmerksamkeit auf alkoholassoziierte Veränderungen als Ausdruck der
alkoholtoxischen Schädigung des oberen Gastrointestinaltraktes gelegt:
Insbesondere wurden Folgeerscheinungen der portalen Hypertension wie Varizenbildung
oder eine hypertensive Gastro- und Duodenopathie dokumentiert, ebenso morphologische
Stigmata
der
direkten
Schleimhautschädigung
durch
den
Alkohol
wie
die
(hämorrhagische) Gastritis und Duodenitis sowie das Vorliegen einer Refluxösophagitis.
Dem Zusammenhang des Mallory-Weiss-Syndroms mit einer Alkoholkrankheit wurde
ebenfalls Rechnung getragen. Der Soorbefall des Ösophagus als Ausdruck einer
Abwehrschwäche, wie sie bei vielen Alkoholikern vorliegt, wurde bei Ausschluß anderer
prädisponierender Faktoren ebenfalls als alkoholassoziierte Erkrankung gewertet.
Die Ösophagusvarizen als Korrelat von dauerhaft unter erhöhtem inneren Druck stehenden
und konsekutiv abnorm erweiterten Venen der Speiseröhre wurden anhand der
endoskopischen Kriterien nach Paquet in 4 Schweregrade eingeteilt (Tab. 3.3). Gesondert
aufgeführt wurden „red spots“ als Zeichen einer Varizenbildung auf einer Ösophagusvarize
mit erhöhtem Blutungsrisiko.
Tab. 3.3 Klassifikation der Ösophagusvarizen nach Paquet
Graduierung
Endoskopisches Korrelat
Ösophagusvarizen I°
Ausdehnung der Varizen knapp über das Schleimhautniveau
Ösophagusvarizen II°
Varizen ragen bis 1/3 des Lumendurchmessers vor und lassen
sich durch Luftinsufflation nicht komprimieren
Ösophagusvarizen III°
Varizen ragen bis 50 % des Lumendurchmessers vor bzw.
berühren sich
Ösophagusvarizen IV°
Varizen füllen das Lumen aus und reichen bis in das obere
Drittel des Ösophagus
41
3 Methodik
______________________________________________________________
Die
Einteilung
der
Refluxösophagitis
erfolgte
gemäß
der
Klassifikation
der
Refluxkrankheit nach Savary und Miller (Tab. 3.4). Das Stadium 0 dieser Klassifikation
als
gastrointestinale
Refluxkrankheit
ohne
endoskopisch
detektierbare
Schleimhautveränderung konnte mit den angewandten Untersuchungsmethoden ohne
Durchführung einer pH-Metrie entsprechend nicht diagnostiziert werden.
Tab. 3.4 Klassifikation der Refluxösophagitis nach Savary und Miller
Stadieneinteilung
Endoskopisches Korrelat
Stadium
0
Gastroösophagealer Reflux ohne Schleimhautveränderung
Stadium
I
Isolierte Schleimhauterosionen
Stadium
IA
•
Oberflächliche Erosionen
IB
•
Tiefere Erosionen mit fibrinoider Nekrose
II
Longitudinal
konfluierende
Erosionen
entlang
der
Schleimhautfalten
II A
•
Oberflächliche Erosionen
II B
•
Tiefere Erosionen mit fibrinoider Nekrose
Stadium III
Zirkulär konfluierende Erosionen im gesamten Bereich der
terminalen Speiseröhre
Stadium IV
Komplikationsstadium:
Ulzerationen,
Strikturen,
Stenosen,
Zylinderzellmetaplasie vom spezialisierten Typ
IV A
•
Mit entzündlichen Veränderungen
IV B
•
Irreversibles Narbenstadium ohne entzündliche Veränderung
Hinsichtlich der Klassifikation des Barrett-Ösophagus wurde ab einer Segmentausdehnung
größer oder gleich 3 cm oberhalb der Z-Linie von einem „Long-Barrett“ des
gastroösophagealen Schleimhautüberganges ausgegangen. Ab einem Segment > 1 cm bis
3 cm oberhalb der Z-Linie einschließlich der Schleimhautzungenausläufer wurde ein
„Short-Barrett-Ösophagus“ angenommen. Dabei wurde lediglich bei histologischem
Nachweis eines spezialisierten, intestinalisierten Zylinderepithels von einem BarrettSyndrom gesprochen, da nur diese Form als präkanzeröse Bedingung anzusehen ist. Die
Diagnose eines „Ultra-Short-Barrett“ als intestinale Metaplasie der Kardia erfordert
Biopsien bei endoskopisch unauffälliger Kardia und wurde in dieser Arbeit nicht
berücksichtigt.
42
3 Methodik
______________________________________________________________
Diagnostizierte Ösophaguskarzinome wurden nach den Richtlinien der Japanischen
Gesellschaft
für
oberflächlichem
Ösophaguserkrankungen
Ösophaguskarzinom
weiter
(Typ
klassifiziert,
0)
und
welche
den
zwischen
fortgeschrittenen
Ösophaguskarzinomen (Typ 1 – 5) unterscheiden, wie bereits ausführlich in der Einleitung
(Tabelle 1.3) dargestellt [77].
3.3.1.2 Auswertung der konventionell endoskopisch erhobenen Befunde
Alle erhobenen Befunde wurden anschließend zur besseren Übersichtlichkeit in
2 Diagnosegruppen unterteilt: Gruppe 1 beinhaltet dabei die endoskopischen Befunde mit
makroskopischem Verdacht auf das Vorliegen einer präkanzerösen Bedingung,
Präkanzerose
oder
einer
malignen
Läsion,
wohingegen
alle
nicht
primär
malignomsuspekten endoskopischen Befunde in Gruppe 2 zusammengefaßt wurden. Dabei
erfolgte die Einordnung in die Gruppe der suspekten Befunde schon bei geringstem
Verdacht. Obwohl definitionsgemäß von einem Barrett-Ösophagus nur bei histologischem
Nachweis einer Zylinderzellepithelmetaplasie vom spezialisierten, intestinalisierten Typ
gesprochen wird, wurde jedes endoskopisch detektierte Schleimhautsegment oberhalb der
Z-Linie als potentielle präkanzeröse Bedingung bzw. Präkanzerose der Gruppe 1
zugeordnet. Somit erfolgte die Einteilung in die Gruppe 1 hoch sensitiv, aber wenig
spezifisch.
Gruppe 1
suspekte endoskopische Befunde hinsichtlich einer präkanzerösen
Bedingung, Präkanzerose oder malignen Läsion
Gruppe 2
endoskopische Befunde ohne Anhalt für eine präkanzeröse Bedingung,
Präkanzerose oder maligne Läsion
3.3.2
Chromoendoskopie des Ösophagus mit Lugol´scher Lösung
3.3.2.1 Durchführung
Zum Einsatz kamen Sprühkatheter mit 4 seitlichen Öffnungen der Firma MTW
Endoskopie, Wesel, und radiale Sprühkatheter mit einer Gesamtlänge von 180 cm, einem
Arbeitskanal mit 2,3 mm Durchmesser sowie 280 Öffnungen im Sprühkopf der Firma
ENDO-FLEX, Voerde.
43
3 Methodik
______________________________________________________________
Als Färbemittel wurde die Lugol´sche Lösung, eine Jod-Kaliumjodidlösung, zunächst in
einer 3-%igen Konzentration, später als 1-%ige Lösung verwandt. Hergestellt wurden die
Lösungen in der Krankenhausapotheke des Marienhospitals Herne bzw. der Evangelischen
Kliniken Gelsenkirchen.
Bei jedem Patienten wurde vor Durchführung der Chromoendoskopie mit Lugol´scher
Lösung eine Jodunverträglichkeit durch Anamneseerhebung sowie eine manifeste
Hyperthyreose anhand der laborchemischen Schilddrüsenparameter ausgeschlossen.
Vor Verwendung der Färbelösung wurde die Speiseröhre mit 40 ml destilliertem Wasser
über den Arbeitskanal gespült, um mögliche Verschmutzungen durch Regurgitation
während der vorausgehenden konventionell endoskopischen Untersuchung zu entfernen.
Daran schloß sich beim langsamen Rückzug des Endoskops das Benetzen der Schleimhaut
mit maximal 20 ml der 1-%igen bzw. 3-%igen Lugol´scher Lösung an [75]. Hierzu wurde
mittels der genannten Sprühkatheter von der Kardia bis knapp unterhalb des oberen
Ösophagussphinkter kontinuierlich ca. 1 ml Lugol´sche Lösung pro Zentimeter
Speiseröhre appliziert (siehe Anhang Abb. 8.1). Nach der Färbung folgte eine einminütige
Einwirkzeit, um die Absorption des Farbstoffes zu gewährleisten. In dieser Zeit konnte
bereits die überschüssige Farbstoff- und Spüllösung aus dem Magen abgesaugt werden.
Danach wurde eine erneute Beurteilung der Ösophagusschleimhaut vorgenommen. Nicht
gefärbte Schleimhautareale von mindestens 5 mm Größe [189] wurden zahlenmäßig erfaßt,
die Lokalisation und Ausdehnung dokumentiert. Die Entnahme von mehreren,
repräsentativen, gezielten Biopsien aus den ungefärbten Bezirken schloß sich an. Zum
Abschluß der Untersuchung erfolgte eine Reinigung des Ösophagus mit 20 ml einer
2,5-%igen Natriumthiosulfatlösung über den Sprühkatheter mit anschließendem Absaugen
der Spülflüssigkeit aus dem Magen. Der Rückzug und das Entfernen des Gerätes
beendeten die Untersuchung.
3.3.2.2 Auswertung der chromoendoskopisch erhobenen Befunde
Die Auswertung der erhobenen chromoendoskopischen Befunde erfolgte in 5 Kategorien,
die jeweils die Anzahl der chromoendoskopisch ungefärbten Areale pro Patient
widerspiegeln. Zusätzlich wurde die Lokalisation der ungefärbten Bezirke festgehalten.
Kategorie 1 faßt dabei alle Patienten mit chromoendoskopisch unauffälligem Befund im
Sinne einer gleichmäßigen Färbung der Ösophagusschleimhaut zusammen. Die weiteren
44
3 Methodik
______________________________________________________________
Kategorien orientierten sich an der Anzahl der detektierten Areale. Dabei wurde jede
fokale Farbintensitätsminderung als pathologisch betrachtet und unter dem Begriff
„ungefärbtes Areal“ subsummiert. Der Nachweis von mehr als 3 ungefärbten Arealen
führte zur Eingruppierung in Kategorie 5. Somit ergab sich die folgende Einteilung:
Auch
Kategorie 1
gleichmäßige Schleimhautfärbung
Kategorie 2
ein ungefärbtes Areal
Kategorie 3
zwei ungefärbte Areale
Kategorie 4
drei ungefärbte Areale
Kategorie 5
mehr als drei ungefärbte Areale
diejenigen
Patienten,
die
bereits
makroskopisch
suspekte
Ösophagusschleimhautveränderungen bei der konventionellen Endoskopie aufwiesen,
wurden chromoendoskopisch mit Lugol´scher Lösung untersucht. Die Intention der
Chromoendoskopie bestand in diesen Fällen sowohl in der Bestimmung der exakten
Ausdehnung der malignomverdächtigen Bezirke, als auch in der Auffindung von synchron
vorliegenden Läsionen. Das Ergebnis dieser chromoendoskopischen Untersuchung bei
bereits konventionell endoskopisch geäußertem Verdacht auf ein Tumorleiden wurde
gesondert betrachtet und dokumentiert. Zur Vermeidung einer Ergebnisverfälschung
wurden die bereits konventionell endoskopisch suspekten Schleimhautbezirke zunächst nur
deskriptiv beschrieben und erst nach Abschluß der Chromoendoskopie biopsiert.
3.3.3
Histologische Aufarbeitung der Biopsate
3.3.3.1 Transportmedium
Die gewonnenen Biopsate wurden in 40 %igem Formalin konserviert und an die
pathologischen Institute zur histologischen Aufarbeitung weitergeleitet.
3.3.3.2 Klassifikation der Dysplasien
In Hinblick auf die Dysplasien wurde für die Diagnosestellung die histologische
Klassifikation der Tumore nach Maßgabe der World Health Organization (WHO)
zugrunde gelegt, wie tabellarisch dargestellt (Tab. 3.5). Die Diagnose einer
45
3 Methodik
______________________________________________________________
schwergradigen Dysplasie führte dabei gemäß den allgemeinen Empfehlungen in jedem
Fall zur umfangreichen Rebiopsie sowie Zweitbegutachtung durch ein weiteres
pathologisches Institut als „second opinion“.
Tab. 3.5 Graduierung der Dysplasie anhand der histologischen Klassifikation der
Tumore gemäß WHO
Grad der Dysplasie
Leichtgradige Dysplasie
•
Intraepitheliale Läsion mit leichter Ausbreitung der Proliferationszone mit
mitotischer Aktivität, Hyperchromasie und Variabilität der Zellkerne
Mittelgradige Dysplasie
•
Intraepitheliale Läsion ähnlich der leichtgradigen Form jedoch mit Ausbreitung
der atypischen Proliferationszone bis zu der Hälfte der Epithelschicht
Schwergradige Dysplasie
•
Intraepitheliale Läsion mit einer atypischen Proliferationszone, die ¾ der
Epithelschicht umfaßt
Als Carcinoma in situ wird vereinbarungsgemäß eine intraepitheliale Läsion bezeichnet,
bei der die vollständige Epithelschicht aus atypischen unreifen Zellen ohne Nachweis eines
invasiven Wachstums aufgebaut ist.
3.4
Auswertungskriterien
der
erhobenen
Daten
bei
gesicherten
Plattenepithelkarzinomen und präkanzerösen plattenepithelialen Läsionen
des Ösophagus
Zum Abschluß folgte bei den Patienten mit nachgewiesenen plattenepithelialen
präkanzerösen oder kanzerösen Läsionen des Ösophagus die Korrelation der erhobenen
konventionell endoskopischen, chromoendoskopischen und histologischen Befunde mit
den ausführlich erhobenen anamnestischen und klinischen Daten der Patienten.
46
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
4
Ergebnisse
4.1
Analyseergebnisse der anamnestischen und klinischen Patientendaten
4.1.1 Biographische Patientendaten
Insgesamt wurden 229 Patienten, davon 187 männliche und 42 weibliche Probanden mit
Alkoholabhängigkeit chromoendoskopisch mit Lugol´scher Lösung zur Früherkennung
von Ösophaguskarzinomen untersucht. Die Altersverteilung der Patienten wies dabei eine
breite Streuung mit einer Altersdifferenz von 61 Jahren zwischen dem jüngsten und dem
ältesten Patienten auf. Das Durchschnittsalter aller Patienten errechnete sich mit 52 Jahren
mit einer einfachen Standardabweichung von 12 Jahren. Tabelle 4.1 spiegelt die erhobenen
Daten bezüglich der Geschlechts- und Altersverteilung wider.
Tab. 4.1 Alters- und Geschlechtsverteilung der untersuchten 229 Patienten mit
Alkoholabhängigkeit
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
Anzahl der Patienten
187 (81,7 %)
42 (18,3 %)
229 (100 %)
Altersverteilung
22 – 83 Jahre
28 – 81 Jahre
22 – 83 Jahre
Durchschnittsalter*
52 + 13 Jahre
50 + 12 Jahre
52 + 12 Jahre
35 (15,3 %)
9 (3,9 %)
44 (19,2 %)
121 (52,8 %)
28 (12,2)
149 (65,1 %)
31 (13,5 %)
5 (2,2 %)
36 (15,7 %)
Gruppe 1
20 – 40
Jahre
Gruppe 2 > 40 – 65
Jahre
Gruppe 3 > 65
Jahre
* Durchschnittsalter: Mittelwert + einfache Standardabweichung
47
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
4.1.2 Alkoholkonsum
Die Auswertung der Patientenangaben in Bezug auf den täglichen Alkoholkonsum ergab
durchschnittlich einen Verbrauch von 143 g Alkohol pro Tag mit einer einfachen
Standardabweichung von 124 g Alkohol pro Tag. Nach Geschlecht aufgegliedert tranken
die
Frauen
durchschnittlich
131
g
Alkohol
pro
Tag
mit
einer
einfachen
Standardabweichung von 59 g pro Tag, während der Alkoholverbrauch der Männer
durchschnittlich 145 g pro Tag mit einer einfachen Standardabweichung von 135 betrug.
Der höchste angegebene tägliche Alkoholkonsum errechnete sich dabei mit 1243 g
Alkohol pro Tag bei dem männlichen Geschlecht und mit 286 g bei dem weiblichen. Der
niedrigste Wert ließ sich bei den Frauen mit 31 g Alkohol pro Tag, bei den Männern mit
38 g pro Tag ermitteln. Aufgrund schwerster alkoholtoxischer Schäden konnten 0,9 % der
Patienten keine Angaben bezüglich ihres Alkoholkonsums machen. Die folgende Tabelle
4.2 gibt nach Geschlecht getrennt die Anzahl der Patienten wieder, die einen
entsprechenden Alkoholkonsum in Gramm pro Tag betrieben.
Tab. 4.2 Anzahl der 229 untersuchten Patienten mit Alkoholabhängigkeit, die einen
entsprechenden täglichen Alkoholkonsum in Gramm pro Tag betrieben
Gruppe
Alkohol
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
( g/Tag )
1
(20*) 30 – 100
96
24
120
52,4 %
2
> 100
64
14
78
34,0 %
3
> 200
25
4
29
12,7 %
4
Keine Angaben
2
0
2
0,9 %
– 200
* Der Wert in Klammern bezieht sich auf den niedrigeren Grenzwert für die weiblichen Patienten
Zur Abschätzung des Grades der Alkoholabhängigkeit erfolgte eine Einteilung in
Konsumgruppen, modifiziert nach Bühringer et al., in die auch die höhere Empfindlichkeit
der weiblichen Patienten in Hinblick auf eine alkoholtoxische Organschädigung eingeht.
Gemäß
dieser
Einteilung
müssen
48
114
der
untersuchten
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
229 Patienten mit Alkoholabhängigkeit, dies entspricht 49,8 % des Patientenkollektivs, der
Hochkonsum-Gruppe zugeordnet werden. Lediglich 10,0 % der Patienten betrieben einen
riskanten und 39,3 % der Patienten einen gefährlichen Alkoholkonsum. In die Gruppe 3
der Personen mit einem Alkohol-Hochkonsum ließen sich 27 Patientinnen einordnen, dies
entspricht 64,3 % der untersuchten weiblichen Patienten mit Alkoholkrankheit, im
Vergleich zu 46,5 % der untersuchten männlichen Patienten. Aufgrund schwerster
alkoholtoxischer Schäden mit Ausbildung eines Korsakow-Syndroms waren 2 männliche
Patienten nicht in der Lage, ihren Alkoholkonsum zu quantifizieren. Die folgende Tabelle
4.3 gibt die erhobenen Daten wieder.
Tab. 4.3 Anzahl der 229 untersuchten Patienten mit Alkoholabhängigkeit, die einer
entsprechenden Konsumgruppe zugeordnet werden konnten
Gruppe
Konsumgruppe
Männliche
Weibliche
Patienten
Patienten
Gesamtpatienten
prozentual
1
Riskanter Konsum
22
1
23
10,0 %
2
Gefährlicher
76
14
90
39,3 %
Konsum
3
Hochkonsum
87
27
114
49,8 %
4
Keine Angaben bzgl.
2
0
2
0,9 %
Alkoholkonsum
Konsumgruppeneinteilung modifiziert nach Bühringer et al.
Die Auswertung des Alkoholindex, in den neben der täglich konsumierten Alkoholmenge
auch die Dauer des Alkoholkonsums in Jahren einfließt, ergab einen durchschnittlichen
Alkoholindex von 2579 Alkohol-Jahren mit einer einfachen Standardabweichung von
3484 Alkohol-Jahren. Nach Geschlecht differenziert errechnete sich für die Männer ein
durchschnittlicher Alkoholindex von 2657 Alkohol-Jahren mit einer einfachen
Standardabweichung von 3679, bei den Frauen ein durchschnittlicher Alkoholindex von
2235 mit einer einfachen Standardabweichung von 2092 Alkohol-Jahren. Der maximale
Alkoholindex wurde bei den Männern mit 37280 und bei den Frauen mit 7140 AlkoholJahren ausgewertet, der minimale mit 95 bei dem männlichen Geschlecht und
379 Alkohol-Jahren beim weiblichen. Aufgrund schwerster alkoholtoxischer Schädigung
49
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
konnten auch hier 0,9 % der Patienten keine Aussage zu ihrem Alkoholkonsum treffen.
Tabelle 4.4 stellt geschlechtsgetrennt die jeweilige Anzahl der 229 untersuchten Patienten
mit Alkoholabhängigkeit dar, die nach Umrechnung der Patientenangaben dem jeweiligen
Alkoholindex zugeordnet werden können.
Tab. 4.4 Anzahl der 229 untersuchten Patienten mit Alkoholabhängigkeit gemäß dem
errechneten Alkoholindex
Gruppe
Alkoholindex
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
1
20 - 2000
113
26
139
60,7 %
2
>2000 - 4000
40
11
51
22,3 %
3
>4000
32
5
37
16,1 %
4
Keine Angaben
2
0
2
0,9 %
Alkoholindex = Alkoholkonsum pro Tag in Gramm multipliziert mit der Anzahl der Jahre
Unter Berücksichtigung der Art des zugeführten Alkohols konnten 132 der
229 untersuchten Patienten mit Alkoholabhängigkeit als Konsumenten niederprozentiger
Alkoholika wie Bier, Wein und Schaumwein sowie 99 Patienten als Konsumenten
hochprozentiger Alkoholika identifiziert werden. Nach anamnestischen Angaben noch
genauer aufgeschlüsselt, gaben sich 96 männliche und 13 weibliche Patienten als reine
Biertrinker zu erkennen, dabei bezeichneten sich 2 Patienten als Quartalstrinker. Weitere
50 männliche und 7 weibliche Patienten nahmen regelmäßig Bier in Kombination mit
Schnaps zu sich. Als reine Schnapstrinker ordneten sich 31 männliche und 9 weibliche
Patienten ein, davon charakterisierten sich 2 Patienten als Quartalstrinker mit
Alkoholkonsum nur am Wochenende. Einen reinen Weinkonsum betrieben 8 Männer und
7 Frauen, einen reinen Schaumweingenuß 5 männliche und 8 weibliche Patienten. Die
übrigen Patienten bevorzugten Weinbrände, Kräuterliköre oder Kombinationen der
verschiedenen alkoholischen Getränke. Zwei weitere männliche Patienten konnten keine
Aussage zu ihrem Alkoholkonsum machen. Tabelle 4.5 stellt die Auswertung der
Patientenaussagen bezüglich der Art der konsumierten alkoholischen Getränke dar.
50
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Tab. 4.5 Anzahl der 229 untersuchten Patienten mit Alkoholabhängigkeit nach Art der
konsumierten alkoholischen Getränke
Alkoholkonsum
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
Bierkonsum
96
13
109
47,6 %
Wein- und
13
10
23
10,0 %
Spirituosenkonsum
76
19
95
41,5 %
Keine Angaben zum
2
0
2
0,9 %
Schaumweinkonsum
Alkoholkonsum
Eingruppierung nach dem anamnestisch am häufigsten konsumierten Getränk
4.1.3 Leberveränderungen
Leberveränderungen als Ausdruck einer alkoholtoxischen Organschädigung konnten bei
94,3 % der 229 Patienten mit chronischer Alkoholkrankheit diagnostiziert werden. Dabei
lag bei 58,5 % der 229 Patienten eine Steatosis hepatis, bei 2,2 % eine alkoholtoxische
Steatohepatitis und bei 33,6 % der untersuchten 229 Patienten eine Leberzirrhose vor. Die
weitere Klassifikation der Leberzirrhose nach Child-Pugh ergab bei 13,1 % des
Gesamtkollektivs den Schweregrad A, bei 10,0 % ein Stadium B und bei 6,1 % ein
Stadium C. Der prozentuale Anteil jedes Schweregrades ließ sich bezogen auf die
77 Patienten mit zirrhotischen Leberparenchymumbau mit einem Wert von 51,9 % für den
Schweregrad A errechnen, für das Stadium B mit einem Wert von 29,9 % und für das
Stadium C von 18,2 %.
Zwei der 229 Patienten wiesen maligne Veränderungen in der Leber auf. In einem Fall
handelte es sich um die Metastasen eines Rektumkarzinoms als Primärtumor in einer
Fettleber, im anderen Fall um ein Hepatozelluläres Karzinom in einer zirrhotisch
umgebauten Leber des Schweregrades A nach Child-Pugh. Da die Leber der Patienten mit
malignen Läsionen bereits hinsichtlich der benignen Leberparenchymveränderungen
beurteilt wurde, ergibt sich prozentual im Vergleich zur Stärke des Patientenkollektivs eine
51
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
höhere
Befundanzahl.
Einen
Überblick
über
die
erhobenen
Daten
zu
den
Leberveränderungen gibt Tabelle 4.6.
Tab. 4.6
Anzahl der 229 untersuchten Patienten mit Alkoholabhängigkeit, die die
jeweiligen Leberveränderungen aufwiesen
Leberveränderung
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
Unauffällige Leber
12
1
13
5,7 %
Steatosis hepatis
107
27
134
58,5 %
5
0
5
2,2 %
o Child-Pugh A
33
7
40
17,5 %
o Child-Pugh B
18
5
23
10,0 %
o Child-Pugh C
Gesamt
12
2
14
6,1 %
53
14
77
33,6 %
2*
0
2*
0,9 %
Steatohepatitis
Leberzirrhose
Maligne Leberveränderungen
* 1 Patient mit hepatischen Metastasen eines Rektumkarzinoms in einer steatotisch
veränderten Leber
* 1 Patient mit einem Hepatozellulärem Karzinom in einer zirrhotisch umgebauten Leber
des Schweregrades Child-Pugh A
4.1.4 Nikotinkonsum
Nach eigenen Angaben betrieben 89,1 % der untersuchten 229 Patienten mit
Alkoholabhängigkeit
einen
Nikotinabusus;
der
Anteil
der
Nichtraucher
am
Gesamtpatientenkollektiv betrug 10,0 %. Durchschnittlich konsumierten die Raucher
27 Zigaretten pro Tag mit einer einfachen Standardabweichung von 14 Zigaretten pro Tag.
Das männliche Geschlecht rauchte dabei durchschnittlich 28 Zigaretten pro Tag mit einer
einfachen Standardabweichung von 15 Zigaretten, das weibliche 25 mit einer einfachen
Standardabweichung von 16 Zigaretten pro Tag. Der maximale Konsum betrug
90 Zigaretten pro Tag, der minimale 5 Zigaretten täglich. Aufgrund mnestischer Störungen
bei Korsakow-Syndrom konnten 0,9 % der 229 Patienten keine Auskunft über einen
möglichen Nikotinkonsum geben. Weitere 0,9 % der Patienten gaben sich als
52
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Pfeifenraucher zu erkennen. Tabelle 4.7 gibt die Anzahl der Patienten wieder, die die
jeweilige Zigarettenmenge pro Tag rauchte.
Tab. 4.7 Anzahl der 229 untersuchten Patienten mit Alkoholabhängigkeit gemäß dem
errechneten Zigarettenkonsum pro Tag
Gruppe
Zigaretten
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
Anzahl pro Tag
0
0
16
7
23
10,0 %
1
> 0 – 20
89
19
108
47,2 %
2
> 20 – 40
67
15
82
35,8 %
3
> 40
11
1
12
5,2 %
4
Keine Angaben
2
0
2
0,9 %
5
Anderer
2
0
2
0,9 %
Tabakkonsum
Hinsichtlich der pack-years, in die neben der Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten
auch die Dauer des Nikotinkonsums einfließt, ließ sich bei den Rauchern ein
Durchschnittswert von 32 pack-years mit einer einfachen Standardabweichung von 21
ermitteln. Dabei errechnete sich für das männliche Geschlecht ein durchschnittlicher Wert
von 32 mit einer einfachen Standardabweichung von 22 pack-years, für das weibliche 28
mit einer einfachen Standardabweichung von 16 pack-years. Der Maximalwert konnte mit
120 pack-years bestimmt werden, der minimale mit einem pack-year. Aufgrund von
mnestischen Störungen konnten auch bei dieser Berechnung 0,9 % der 229 Patienten keine
Auskunft über einen möglichen Nikotinkonsum geben und wurden somit der Gruppe 4
zugeordnet. Weitere 0,9 % der Patienten gaben an, Pfeifenraucher zu seien und wurden in
Gruppe 5 eingegliedert. Die Nichtraucher mit einem Anteil von 10 % am
Gesamtpatientenkollektiv errechnen sich nach der verwendeten Formel mit dem
Ergebnis 0. Tabelle 4.8 veranschaulicht den Nikotinkonsum ausgedrückt in pack-years der
untersuchten 229 Patienten mit Alkoholabhängigkeit.
53
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Tab. 4.8 Anzahl der 229 untersuchten Patienten mit Alkoholabhängigkeit nach dem
errechneten Nikotinkonsum ausgedrückt in pack-years
Gruppe
Rauchen
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
(pack-years)
0
0
16
7
23
10,0 %
1
> 0 – 20
66
19
83
36,2 %
2
> 20 – 40
57
11
68
29,7 %
3
> 40
46
5
51
22,3 %
4
Keine Angaben
2
0
2
0,9 %
5
Anderer
2
0
2
0,9 %
Tabakkonsum
4.1.5
Weitere Risikofaktoren
Insgesamt 2 Patienten, entsprechend 0,9 % des Gesamtkollektivs, gaben bei der
anamnestischen Befragung ein vorbekanntes Tumorleiden des oberen Aerodigestivtraktes
an. Dabei handelte es sich um einen männlichen Patienten mit einem operierten
Zungengrundkarzinom und um eine Patientin mit einem Plattenepithelkarzinom der
Tonsille. Letztere litt zusätzlich noch unter einem kleinzelligen Bronchialkarzinom, das
erst während des stationären Aufenthaltes diagnostiziert werden konnte. Weitere
12 Patienten gaben bekannte Tumorerkrankungen an, die nicht dem oberen
Aerodigestivtrakt zugeordnet werden konnten. Unter diesen Patienten fand sich ein Mann
mit einem peripheren Plattenepithelkarzinom der linken Lunge im Stadium pT2G3pN2bM0
bei Erstdiagnose. Dieser Patient war in einer R0–Situation reseziert und anschließend
radiotherapeutisch im Bereich des Brustkorbs behandelt worden. Dabei ist die
Radiotherapie des Thorax ihrerseits als Risikofaktor für die Entwicklung eines
Ösophaguskarzinoms anzusehen und wurde entsprechend dokumentiert. Tabelle 4.9 stellt
als Übersicht die jeweilige Anzahl der Patienten mit ermittelten weiteren Risikofaktoren
für die Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus dar. Die Erstdiagnose
eines Tumors des oberen Aerodigestivtraktes konnte während des stationären Aufenthaltes
bis zum Untersuchungszeitpunkt bei keinem Patienten gestellt werden. Bezüglich weiterer
Risikofaktoren für die Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms bestand bei keinem
Patienten eine vorbefundlich diagnostizierte Achalasie, noch ergaben sich während des
stationären Aufenthaltes bzw. bei der endoskopischen Untersuchung Hinweise auf das
54
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Bestehen einer Ösophagusmotilitätsstörung. Bei einem Patienten konnte endoskopisch ein
kleines Traktionsdivertikel des Ösophagus gesichert werden, sonstige Ösophagusdivertikel
lagen nicht vor. Die nonepidermolytische palmoplantare Keratodermie spielte in dem
untersuchten Patientenkollektiv keine Rolle.
Tab. 4.9 Anzahl der 229 untersuchten Patienten mit Alkoholabhängigkeit mit weiteren
Risikofaktoren für die Entwicklung eines plattenepithelialen Ösophaguskarzinoms
Kategorie 1
Keine weiteren Risikofaktoren eruierbar
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
184
41
Kategorie 2
225
98,3 %
Tumorleiden des oberen Aerodigestivtraktes
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
1
1
Kategorie 3
2
0,9 %
Radiotherapie des Thorax in der Vorgeschichte
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
1
0
Kategorie 4
Ösophagusdivertikel
Männer
1
Frauen
0,4 %
Gesamtpatienten
prozentual
1*
Kategorie 5
0
1*
0,4 %*
Achalasie
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
0
Kategorie 6
0
0
0%
Nonepidermolytische palmoplantare Keratodermie
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
0
0
0
0%
* in Anbetracht der minimalen Größe des endoskopisch diagnostizierten Traktionsdivertikels der
Speiseröhre ist von nur untergeordneter Bedeutung auszugehen
55
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
4.1.6 Protektive Faktoren
Besondere Beachtung fand auch die Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika
(NSAR) als protektiver Faktor in Bezug auf die Entwicklung eines Ösophaguskarzinoms.
Insgesamt 58 der 229 untersuchten Patienten, davon 32 Frauen und 26 Männer, nahmen
täglich oder gelegentlich NSAR einschließlich Acetylsalicylsäure zu sich. Dabei ließen
sich 53 Patienten der Gruppe mit einer Acetylsalicylsäure-Medikation zuordnen, im
Vergleich zu einer Anzahl von 5 Patienten für die Gruppe mit Einnahme von nichtacetylsalicylsäurehaltigen NSAR. Aufgrund kardiovaskulärer Erkrankungen verwendeten
43 der 229 untersuchten Patienten regelmäßig Acetylsalicylsäure in der Dosierung
zwischen 100 mg und 300 mg pro Tag, dazu zählten 21 weibliche und 22 männliche
Patienten. Weitere 4 weibliche und 5 männliche Patienten nutzten 500 mg
Acetylsalicylsäure unregelmäßig als Analgetikum. Aufgrund von muskuloskelettären
Schmerzen nahmen 4 der 229 Patienten andere nicht-acetylsalicylsäurehaltige NSARPräparate gelegentlich ein, darunter 3 Frauen und 1 Mann. Regelmäßig nutzte ein weiterer
männlicher Patienten nicht-acetylsalicylsäurehaltige NSAR zur Analgesie. Eine Patientin
betrieb seit 7 Jahren einen chronischen Analgetikaabusus und nahm täglich diverse NSARPräparate einschließlich Acetylsalicylsäure zu sich, so daß sie der Gruppe 3 derjenigen
Patienten
mit
regelmäßiger
Verwendung
eines
Acetylsalicylsäure-Medikamentes
zugeordnet wurde. Bei einem Frauenanteil von 18,3 % am Gesamtpatientenkollektiv bilden
die absoluten Zahlen das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Patienten nur
unzureichend ab. So ließ sich prozentual bei 76,2 % der Patientinnen im Vergleich zu
13,9 % der Männer eine NSAR-Medikation ermitteln. Dabei erhielten 50,0 % der
weiblichen Patienten im Vergleich zu 11,8 % der männlichen Patienten ein
Acetylsalicylsäurepräparat in der Dosierung zwischen 100 bis 300 mg pro Tag zur
Kardioprotektion. Tabelle 4.10 stellt die zusammengetragenen Daten zur Einnahme
nichtsteroidaler Antirheumatika vor.
56
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Tab. 4.10 Anzahl der 229 untersuchten Patienten mit Alkoholabhängigkeit hinsichtlich der
Einnahme nichtsteroidaler Antirheumatika
Kategorie 1 Keine Einnahme eines NSAR einschließlich Acetylsalicylsäure
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
159
10
169
73,8 %
Kategorie 2 Gelegentliche Einnahme eines Acetylsalicylsäure-Präparates
2
mg ASS / die
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
2a
100 mg
0
0
0
0%
2b
300 mg
0
0
0
0%
2c
> 500 mg
4
5
9
4%
Kategorie 3 Regelmäßige Einnahme eines Acetysalicylsäure-Präparates
3
mg ASS/ die
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
3a
100 mg
20
19
39
17,1 %
3b
300 mg
2
2
4
1,7 %
3c
> 500 mg
0
1
1
0,4 %
Kategorie 4
Gelegentliche Einnahme nicht-acetylsalicylsäurehaltiger NSAR
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
1
3
4
1,7 %
Kategorie 5 Regelmäßige Einnahme nicht-acetylsalicylsäurehaltiger NSAR
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
0
1
1
0,4 %
Kategorie 6 Keine Angaben zu erhalten
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
2
0
2
0,9 %
Als weiteres protektives Element wurden retrospektiv die Ernährungsgewohnheiten der
Patienten besonders hinsichtlich des regelmäßigen Verzehrs von Gemüse und Früchten
erfragt. Insgesamt 7 männliche und 17 weibliche Personen gaben an, sich grundsätzlich
oder überwiegend ausgewogen zu ernähren.
57
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
4.1.7
Symptome und Aufnahmediagnosen
Die Analyse der Symptome und Erkrankungen, die zur stationären Behandlung bzw.
endoskopischen Diagnostik geführt hatten, ergab bei 47 Patienten entsprechend 20,5 % der
229 Patienten mögliche Hinweise auf das Vorliegen eines Ösophaguskarzinoms. So lagen
bei 5 männlichen Patienten eine Dysphagie, ein Gewichtsverlust oder ein Globusgefühl als
mögliche Symptome eines Ösophaguskarzinoms vor. Unter einer oberen gastrointestinalen
Blutung litten 17 männliche und 8 weibliche Patienten. Weitere 15 männliche und
2 weibliche Personen gaben ein retrosternales Brennen als Symptom an. Alle anderen
182 Patienten wurden aus verschiedenen Gründen eingewiesen und behandelt, die in
keinem direkten Zusammenhang zu möglichen Symptomen eines Ösophaguskarzinoms
standen. 131 Behandlungsdiagnosen zeigten einen unmittelbaren Bezug zu der chronischen
Alkoholkrankheit im Sinne von alkoholassoziierten Erkrankungen. So wurden 14,4 % der
untersuchten 229 Patienten aufgrund eines Alkoholentzugsdelirs, 13,2 % der Patienten mit
einer dekompensierten ethyltoxischen Leberzirrhose, 7,4 % der Patienten aufgrund einer
akuten Alkoholintoxikation, 6,6 % wegen eines akuten Schubes einer chronischen
ethyltoxischen Pankreatitis sowie 4,4 % der Patienten aufgrund eines zerebralen
Alkoholentzugkrampfanfalls stationär behandelt. Bei weiteren 4,4 % der Patienten führte
ein Bestreben nach einem qualifizierten Alkoholentzug zur Aufnahme, bei 3,5 % ein
entgleister Diabetes mellitus Klasse 3 bei alkoholtoxischer endokriner Pankreasinsuffizienz
und bei weiteren 1,7 % eine alkoholtoxische dekompensierte Kardiomyopathie. Die
Alkoholhepatitis schließlich wurde in 1,7 % der Fälle als Behandlungsgrund angegeben.
Die übrigen nicht unmittelbar alkoholassoziierten Beschwerden führten in 22,2 % der Fälle
zur
stationären
Therapie.
Aufnahmediagnosen
unter
Tabelle
4.11
gibt
Berücksichtigung
die
eines
erhobenen
Symptome
möglicherweise
und
bestehenden
Zusammenhangs zu einem Ösophaguskarzinom bzw. zur Alkoholabhängigkeit im Sinne
von alkoholassoziierten Erkrankungen wieder.
58
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Tab. 4.11 Anzahl der 229 untersuchten Patienten mit Alkoholabhängigkeit hinsichtlich der
verschiedenen Symptome und Aufnahmediagnosen
Kategorie 1
Symptome oder Aufnahmediagnosen, die mit einem
Ösophaguskarzinom in Einklang stehen könnten
Aufnahmediagnose
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
Prozentual
Obere gastrointestinale Blutung
17
8
25
10,9 %
Retrosternales Brennen
15
2
17
7,4 %
Globusgefühl, Dysphagie
3
0
3
1,3 %
Gewichtsverlust
2
0
2
0,9 %
Gesamt
37
10
47
20,5 %
Kategorie 2 Symptome oder Aufnahmediagnosen, die unmittelbar mit der
Alkoholabhängigkeit in Zusammenhang stehen
Aufnahmediagnose
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
Prozentual
Alkoholentzugsdelir
26
7
33
14,4 %
Dekompensierte ethyltoxische
24
6
30
13,2 %
Akute Alkoholintoxikation
13
4
17
7,4 %
Akuter Schub einer chronischen
12
3
15
6,6 %
9
1
10
4,4 %
Qualifizierter Alkoholentzug
8
2
10
4,4 %
Diab. mel. 3 bei ethyltoxischer
8
0
8
3,5 %
Toxische Kardiomyopathie
4
0
4
1,7 %
Alkoholhepatitis
3
1
4
1,7 %
107
24
131
57,3 %
Leberzirrhose
ethyltoxischen Pankreatitis
Zerebraler
Alkoholentzugkrampfanfall
chronischer Pankreatitis
Gesamt
59
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Tab. 4.11 Anzahl der 229 untersuchten Patienten mit Alkoholabhängigkeit hinsichtlich
der verschiedenen Symptome und Aufnahmediagnosen - Fortsetzung
Kategorie 3 Symptome oder Aufnahmediagnosen ohne unmittelbaren Bezug zur
Alkoholabhängigkeit
Aufnahmediagnose
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
Prozentual
Infektion
12
2
14
6,1 %
Synkope
6
2
8
3,5 %
Arteriosklerose
6
1
7
3,0 %
Ulcus pepticum
4
2
6
2,6 %
Schlaf-Apnoe-Syndrom
4
0
4
1,7 %
Akutes Nierenversagen
2
0
2
0,9 %
Vaskulitis
1
1
2
0,9 %
Hirnblutung (hypertensiv)
2
0
2
0,9 %
Dekomp. Cor pulmonale
1
0
1
0,4 %
Fremdkörperingestion
1
0
1
0,4 %
Ileus
1
0
1
0,4 %
Tumorleiden
1
0
1
0,4 %
Leberherdabklärung
1
0
1
0,4 %
Diab. mel. 1 oder 2 entgleist
1
0
1
0,4 %
Gesamt
43
8
51
22,2 %
(Hämangiom)
4.2
Untersuchungsergebnisse
4.2.1
Befunde der konventionellen Ösophagogastroduodenoskopie
4.2.1.1 Ösophagus
Bei der konventionell durchgeführten Ösophagogastroduodenoskopie fielen im Bereich des
Ösophagus bereits makroskopisch 148 pathologische Veränderungen bei 109 Patienten
(47,6 % des Gesamtkollektivs) auf. Die Refluxösophagitis wurde dabei als häufigste
Diagnose bei 66 entsprechend 28,8 % der untersuchten 229 Patienten gestellt und nach
Savary und Miller weiter klassifiziert. Das Stadium II war dabei am häufigsten mit
insgesamt 43 endoskopischen Diagnosen vertreten, entsprechend 18,8 % des gesamten
60
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Patientenkollektivs. Differenziert nach Stadium II A und B konnten die meisten Patienten
in die Gruppe II A mit Nachweis von oberflächlichen Erosionen eingeordnet werden.
Sechs der 229 untersuchten Patienten mit chronischer Alkoholkrankheit wiesen
endoskopisch ein Stadium III mit zirkulär konfluierenden Erosionen auf. Das
Komplikationsstadium mit Ulzerationen, Strikturen sowie Stenosen ließ sich bei
3 Patienten mit noch floriden entzündlichen Veränderungen gemäß einem Stadium IV A
und bei weiteren 2 Patienten gemäß Stadium IV B als irreversibles Narbenstadium
diagnostizieren. Die erhobenen Daten sind im Einzelnen nach Geschlechtern differenziert
in Tabelle 4.12 zu ersehen, wohingegen Abbildung 4.1 den prozentualen Anteil der
einzelnen Refluxstadien bezogen auf die 66 Gesamtpatienten mit endoskopisch
diagnostizierter Refluxerkrankung veranschaulicht.
Tab. 4.12 Anzahl der untersuchten 229 Patienten mit Alkoholabhängigkeit, die sich den
jeweiligen Refluxstadien nach Savary und Miller zuordnen ließen
Refluxösophagitis
Anzahl der betroffenen Patienten
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
Stadium I
IA
8
2
10
4,4 %
IB
2
0
2
0,9 %
10
2
12
5,3 %
II A
32
4
36
15,7 %
II B
3
4
7
3,0 %
Gesamt
35
8
43
18,7 %
Stadium III
6
0
6
2,6 %
IV A
3
0
3
1,3 %
IV B
2
0
2
0,9 %
Gesamt
5
0
5
2,2 %
Refluxösophagitiden gesamt
56
10
66
28,8 %
Kein Hinweis auf Refluxösophagitis
131
32
163
71,2 %
Gesamt
Stadium II
Stadium IV
61
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
8%
9%
18%
Stadium I
Stadium II
Stadium III
Stadium IV
65%
Abb. 4.1 Prozentualer Anteil der einzelnen Refluxstadien nach Savary und Miller bei 66
Patienten mit Alkoholabhängigkeit und endoskopisch diagnostizierter Refluxösophagitis
Weiterhin ließen sich bei 51 Personen, entsprechend 22,3 % der 229 untersuchten
Patienten mit Alkoholabhängigkeit, Ösophagusvarizen nachweisen. In 4 Fällen hatte dabei
eine akute Ösophagusvarizenblutung zur Aufnahme geführt. In Anlehnung an die
Klassifikation nach Paquet handelte es sich in 27 Fällen, entsprechend 11,8 % der
untersuchten Patienten, um erstgradige Ösophagusvarizen, in 18 Fällen, entsprechend
7,9 % der Patienten, um zweitgradige Varizen und in 6 Fällen, entsprechend 2,6 % der
untersuchten Patienten, um drittgradige. Viertgradige Ösophagusvarizen lagen bei keinem
der untersuchten 229 Patienten vor. Sogenannte „red spots“ als Zeichen einer Varize auf
einer Ösophagusvarize, die nicht in die gewählte Ösophagusvarizenklassifikation nach
Paquet eingehen, wurden gesondert vermerkt. So ließen sich jeweils bei 3 männlichen
Patienten
mit
zweitgradigen
bzw.
drittgradigen
Ösophagusvarizen
„red
spots“
diagnostizieren. Die Tabelle 4.13 gibt die erhobenen Daten jeweils nach Geschlecht
differenziert wieder, wohingegen Abbildung 4.2 den prozentualen Anteil der einzelnen
Schweregrade gemessen an den gesamt diagnostizierten Ösophagusvarizen verdeutlicht.
62
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Tab. 4.13 Anzahl der untersuchten 229 Patienten mit Alkoholabhängigkeit mit
Ösophagusvarizen, klassifiziert nach Paquet
Endoskopischer Befund
Anzahl der betroffenen Patienten
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
Ösophagusvarizen I °
21
6
27
11,8 %
Ösophagusvarizen II °
16 *
2
18
7,9 %
Ösophagusvarizen III °
5*
1
6
2,6 %
Ösophagusvarizen IV °
0
0
0
0%
Ösophagusvarizen gesamt
42
9
51
22,3 %
Kein Hinweis für Ösophagusvarizen
145
33
178
77,7 %
* davon jeweils 3 Patienten mit „red spots“ auf einer Varize
12%
0%
Varizen I°
Varizen II°
Varizen III°
Varizen IV °
53%
35%
Abb. 4.2
Prozentualer Anteil der einzelnen Ösophagusvarizenschweregrade nach
Paquet bei 51 Patienten mit Alkoholabhängigkeit und endoskopisch Ösophagusvarizen
Seltener konnten Soorösophagitiden (bei 3 Patienten, entspricht 1,3 % der gesamten
229 untersuchten Patienten), Ösophagitiden nach einer transnasalen Ernährungssonde (bei
2 Patienten, entspricht 0,9 % der Gesamtpatienten), Schatzki-Ringe (bei 3 Patienten,
entspricht 1,3 % des Gesamtkollektivs), sowie ein Traktionsdivertikel gefunden werden.
Ein kleiner gestielter Polyp im mittleren Ösophagusdrittel wurde makroskopisch primär als
benigne eingestuft, zeigte ein chromoendoskopisch unauffälliges Färbeverhalten bei
63
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Verwendung von Lugol´scher Lösung und entsprach histologisch einem squamösen
Papillom.
Insgesamt 14 Läsionen bei 9 der 229 Patienten ließen nach endoskopischen Kriterien
möglicherweise eine präkanzeröse Bedingung, eine Präkanzerose oder einen malignen
Prozeß vermuten. Die endoskopisch detektierten Veränderungen stellten sich wie folgt dar:
Im ersten Fall handelte es sich um eine umschriebene 0,5 cm große Wandeinziehung des
distalen
Ösophagusdrittels
bei
ansonsten
makroskopisch
unauffälliger
Ösophagusschleimhaut, im zweiten um eine minimale Schleimhauteinziehung mit Rötung
und im dritten Fall um eine 0,5 cm große unregelmäßige Rötung des distalen Ösophagus
im Schleimhautniveau. Beim vierten Fall fand sich eine im Durchmesser 1,5 cm große
Läsion mit granulierter Oberfläche im mittleren Ösophagusdrittel, beim fünften Fall fiel
ein 1 cm großer fibrinbedeckter Bezirk des proximalen Ösophagusdrittels auf. Weiterhin
waren bei 2 Patienten bereits endoskopische Kriterien eines fortgeschrittenen
Ösophaguskarzinoms erfüllt. So ließ sich eine 5 cm lange subtotal stenosierende
exophytische Raumforderung des proximalen Ösophagusdrittels sowie im anderen Fall
eine 2 cm lange umschriebene Ulzeration nachweisen. Ein Patient wies multiple leicht
erhabene umschriebene Schleimhautläsionen von ca. 0,2 – 0,5 cm Größe im mittleren und
distalen Ösophagusdrittel auf. Weiterhin ließ sich nach vorausgegangener endoskopischer
Entfernung eines 1,6 cm großen polypoiden Karzinosarkoms (Schlingenabtragung) ein
0,5 cm messendes Ulcus an der Abtragungsstelle im distalen Ösophagusdrittel darstellen.
Da der Barrett-Ösophagus als Zylinderepithelzellmetaplasie vom spezialisierten,
intestinalisiertem Typ als präkanzeröse Bedingung anzusehen ist, wurden alle
makroskopischen Verdachtsdiagnosen auf das Vorliegen eines Barrett-Epithels als
potentiell präkanzeröse Bedingungen bis zum histologischen Beweis des Gegenteils
eingestuft. So konnte fünfmal im Bereich des gastroösophagealen Überganges die
endoskopische
Verdachtsdiagnose
eines
Barrett-Ösophagus
gestellt
werden.
Bei
unterschiedlich langen „Schleimhautsegmenten“ oberhalb der Z-Linie handelte es sich
definitionsgemäß in zwei Fällen um ein Long-Segment mit einer Ausdehnung von mehr als
3 cm oberhalb der Z-Linie und in 3 Fällen um ein Short-Segment mit einer Ausdehnung
von > 1 bis 3 cm. Tabelle 4.14 gibt die erhobenen endoskopischen Befunde des Ösophagus
deskriptiv wieder. Zu beachten gilt, daß bei einigen Patienten parallel mehrere
endoskopische Befunde erhoben werden konnten und somit die Anzahl der Befunde im
Verhältnis zur Gesamtpatientenzahl deutlich höher ausfällt.
64
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Tab.
4.14
Endoskopische
Befunde
des
bei
Ösophagus
229
Patienten
mit
Alkoholabhängigkeit
Gruppe 1
Suspekte endoskopische Befunde hinsichtlich einer präkanzerösen Bedingung oder
einer präkanzerösen bzw. kanzerösen Läsion
Endoskopischer Befund
Anzahl der betroffenen Patienten
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
0,5 cm große Wandeinziehung mit
1
0
1
0,4 %
1
0
1
0,4 %
1
0
1
0,4 %
1
0
1
0,4 %
1 cm großer fibrinbedeckter Bezirk
1
0
1
0,4 %
Exophytische Schleimhautvorwölbung
1
0
1
0,4 %
1
0
1
0,4 %
1
0
1
0,4 %
1
0
1
0,4 %
Zylinderepithelzellmetaplasie gesamt*
4
1
5
2,2 %
a) Long Segment
2
0
2
0,9 %
b) Short Segment
2
1
3
1,3 %
Gesamtzahl der suspekten Befunde
13
1
morphologisch unauffälliger Schleimhaut
Minimale Schleimhauteinziehung mit
Rötung, kein Randwall
Umschriebene 0,5 cm große Rötung im
Schleimhautniveau
1,5 cm große Läsion mit granulierter
Oberfläche
ohne Ulzeration mit einer Ausdehnung
von 17 – 22 cm ab Zahnreihe
Umschriebene Ulzeration, teils
fibrinbelegt, Ausdehnung von 28 - 30 cm
ab Zahnreihe
Multiple umschriebene leicht erhabene
Schleimhautläsionen, ca 0,2 - 0,5 cm groß
0,5 cm großes Ulcus im Bereich der
Abtragungsstelle nach Ektomie eines
polypoiden Karzinosarkoms
14
* Makroskopische Verdachtsdiagnose, histologischer Typ der Zylinderepithelzellmetaplasie zum
Untersuchungszeitpunkt noch unklar
65
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Tab.
4.14
Endoskopische
Befunde
des
bei
Ösophagus
229
Patienten
mit
Alkoholabhängigkeit - Fortsetzung
Gruppe 2
Weitere endoskopische Befunde ohne Anhalt für eine präkanzeröse Bedingung oder
präkanzeröse bzw. kanzeröse Läsion
Endoskopischer Befund
Anzahl der betroffenen Patienten
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
Refluxösophagitis
56
10
66
28,8 %
Ösophagusvarize
42
9
51
22,3 %
Venektasie des distalen Ösophagus
4
1
5
2,2 %
Soorösophagitis
2
1
3
1,3 %
Scleroulcus
1
1
2
0,9 %
Ösophagitis nach transnasaler
2
0
2
0,9 %
Schatzki-Ring
3
0
3
1,3 %
Traktionsdivertikel
1
0
1
0,4 %
Kleiner gestielter Polyp
1
0
1
0,4 %
112
22
134
125
23
148
Ernährungssonde
- squamöses Papillom
Gesamtzahl der weiteren
endoskopischen Befunde
Gesamtzahl aller
Pathologischer Befunde
4.2.1.2 Magen und Duodenum
Magen und Duodenum wurden konventionell endoskopisch untersucht und dabei
besondere Aufmerksamkeit auf das Vorliegen alkoholassoziierter Veränderungen als
Ausdruck der toxischen Schädigung des oberen Gastrointestinaltraktes gelegt. Als Zeichen
einer portalen Hypertension konnte bei 23 Patienten, entsprechend 10,0 % des
Patientenkollektivs, eine hypertensive Gastropathie, bei weiteren 4 (1,7 %) auch eine
hypertensive Duodenopathie diagnostiziert werden. Neben den bereits im Kapitel 4.2.1
dargestellten Ergebnissen hinsichtlich der Ausprägung von Ösophagusvarizen, ließen sich
bei 2 Patienten mit Ösophagusvarizen auch Kardiavarizen, sowie in 3 Fällen auch
66
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Fundusvarizen finden. Das Vorliegen einer Gastritis konnte als häufigste Diagnose
insgesamt 201 mal gestellt werden, dabei handelte es sich in 21 Fällen um eine akute
erosive Gastritis, welche gut mit einer ethanolinduzierten Schädigung der Magenmukosa
zu vereinbaren wäre. Komplette Erosionen ließen sich bei 23 Patienten im Bereich des
Antrums und bei 5 Patienten im Bulbus duodeni diagnostizieren, bei denen in 15 Fällen
eine Helicobacter pylori-Besiedlung nachgewiesen wurde. Bei 6,6 % der 229 Patienten,
dies entspricht einer absoluten Zahl von 15 Patienten, lag ein Ulcus ventriculi vor. Bei
9 dieser Personen ließ sich dabei ein positiver Helicobacter pylori-Nachweis sowohl im
Urease-Schnelltest, als auch in der modifizierten Giemsa-Färbung führen. Anhand der
endoskopischen Klassifikation der Blutungsaktivität nach Forrest ließen sich bei
3 Patienten mit einem Ulcus ventriculi II c-Blutungen und bei einem Patienten eine
II a-Blutung feststellen, sowie bei einem weiteren Patienten mit Ulcus duodeni eine
II b-Blutung mit entzündlicher subtotaler Stenose. Im Bereich der Kardia fanden sich bei
13 Patienten teils akut blutende, teils in Abheilung befindliche Mallory-Weiss-Läsionen.
Als Zufallsbefund konnte bei der Ösophagogastroduodenoskopie in 3 Fällen die Diagnose
eines Magenpolyps gestellt werden, histologisch in 2 Fällen als hyperplastisch und in
einem weiteren Fall mit kleinherdiger intestinaler Metaplasie beurteilt, sowie einmal ein
Polyp im Bulbus duodeni, histologisch als tubuläres Adenom klassifiziert. Als Ursache für
eine Emesis und einen Gewichtsverlust fiel bei einem Patienten eine exophytische
Raumforderung mit konsekutiver Magenausgangsstenose auf, histologisch einem
Adenokarzinom des Magens entsprechend. Bereits makroskopisch ließ sich bei einem
Patienten, der sich einer Ösophagogastroduodenoskopie aufgrund einer Dyspepsie
unterzogen hatte, ein malignomverdächtiger exophytischer Tumor der Kardia nachweisen,
der sich histologisch als Adenokarzinom herausstellte. Insgesamt 16 der 229 Patienten
hatten anamnestisch bei Ulcuskrankheit eine Magenoperation angegeben und wiesen das
entsprechende endoskopische Korrelat eines Restmagens nach Billroth-I-Operation
(7 Patienten), nach Billroth-II-Operation (8 Patienten) bzw. nach 2/3-Magenresektion
(1 Patient) auf. Neun dieser Patienten litten wiederum unter einer Anastomositis und ein
weiterer unter einem Anastomosenulcus. Die Tabellen 4.15 und 4.16 geben die
endoskopischen und histologischen Befunde des Magens und des Duodenums wieder. Zu
beachten gilt auch hier, daß bei einigen Patienten parallel mehrere endoskopische Befunde
erhoben werden konnten und somit die Anzahl der Befunde im Verhältnis zur
Gesamtpatientenzahl deutlich höher ausfällt.
67
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Tab. 4.15 Anzahl der jeweiligen endoskopischen und histologischen Befunde des
Magens bei 229 Patienten mit Alkoholabhängigkeit
Endoskopischer Befund
Anzahl der betroffenen Patienten
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
Gastritis
○
Antrumgastritis
ƒ
Akut
2
1
3
1,3 %
ƒ
Chronisch
70
19
89
38,9 %
ƒ
Erosiv
8
2
10
4,4 %
ƒ
Atrophisch
1
0
1
0,4 %
81
22
103
45 %
Gesamt
○ Corpusgastritis
ƒ
Akut
1
0
1
0,4 %
ƒ
Chronisch
38
5
43
18,8 %
ƒ
Erosiv
4
1
5
2,2 %
ƒ
Atrophisch
1
0
1
0,4 %
44
6
50
21,8 %
0
Gesamt
○ Fundusgastritis
ƒ
Akut
0
0
ƒ
Chronisch
1
0
1
0,4 %
ƒ
Erosiv
1
0
1
0,4 %
ƒ
Atrophisch
0
0
0
0%
2
0
2
0,8 %
Gesamt
○
0%
Pangastritis
ƒ
Akut
1
1
2
0,8 %
ƒ
Chronisch
31
8
39
17,1 %
ƒ
Erosiv
3
2
5
2,2 %
ƒ
Atrophisch
0
0
0
0%
35
11
46
20,1 %
162
39
Gesamt
Gesamtzahl Gastritiden
68
201
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Tab. 4.15 Anzahl der jeweiligen erhobenen endoskopischen und histologischen Befunde
des Magens bei 229 Patienten mit Alkoholabhängigkeit- Fortsetzung
Endoskopischer Befund
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
Prozentual
Komplette Erosion
o Helicobacter pylori – positiv
13
2
15
6,5 %
o Helicobacter pylori – negativ
7
1
8
3,5 %
20
3
23
10,0 %
o Helicobacter pylori - positiv
7
2
9
3,9 %
o Helicobacter pylori - negativ
4
2
6
2,6 %
Gesamt
11
4
15
6,5 %
Ulcusnarbe
2
0
2
0,9 %
o Hypertensive Gastropathie
19
4
23
10,0 %
o Kardiavarizen
2
0
2
0,9 %
o Fundusvarizen
3
0
3
1,3 %
24
4
28
12,2 %
o Billroth I-Magenresektion
7
0
7
3,1 %
o Billroth II-Magenresektion
8
0
8
3,5 %
o 2/3-Magenresektion
1
0
1
0,4 %
Gesamt
16
0
16
7,0 %
Mallory-Weiss-Läsion
7
6
13
5,7 %
Axiale Hiatushernie
23
6
29
12,7 %
Drüsenkörperzyste
1
0
1
0,4 %
Lymphfollikel
1
0
1
0,4 %
Anastomositis
9
0
9
3,9 %
Anastomosenulcus
1
0
1
0,4 %
Speisereste im Magen
1
0
1
0,4 %
Magenkarzinom
2
0
2
0,9 %
Magenpolyp ( hyperplastisch )*
2
1
3
1,3 %
Angiodysplasie
0
1
1
0,4 %
282
64
Gesamt
Ulcus ventriculi
Zeichen einer portalen Hypertension
Gesamt
Z. n. Magenoperation
Gesamtzahl pathologischer Befunde
* in einem Fall mit kleinherdiger intestinaler Metaplasie
69
346
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Tab. 4.16 Anzahl der jeweiligen erhobenen endoskopischen und histologischen
Befunde des Duodenums bei 229 Patienten mit Alkoholabhängigkeit
Endoskopischer Befund
Anzahl der betroffenen Patienten
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
Bulbusduodenitis
ƒ
Akut
0
0
0
0%
ƒ
Chronisch
22
3
25
10,9 %
ƒ
Erosiv
10
1
11
4,8 %
Gesamt
32
4
36
15,7 %
Komplette Erosion
4
1
5
2,2 %
Ulcus duodeni
ƒ
Helicobacter pylori - positiv
5
1
6
2,6 %
ƒ
Helicobacter pylori - negativ
1
0
1
0,4 %
Gesamt
6
1
7
3,0 %
Ulcusnarbe
1
1
2
0,9 %
Hypertensive Duodenopathie
3
1
4
1,7 %
Polyp ( tubuläres Adenom )
1
0
1
0,4 %
Lipom
1
0
1
0,4 %
Gesamtzahl pathologischer Befunde
48
8
4.2.2
56
Befunde der Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung
Insgesamt fanden sich im Ösophagus bei 45 der untersuchten 229 Patienten, entsprechend
19,7 % des Gesamtkollektivs, 61 durch die Lugol´sche Lösung nicht gefärbte
Schleimhautareale,
die
zuvor
im
Rahmen
der
konventionellen
Ösophagogastroduodenoskopie nur teilweise als verändert aufgefallen waren. Nach
Geschlecht differenziert zeigten sich nach Aufbringen der Lugol´schen Lösung auf die
Ösophagusschleimhaut nicht gefärbte Areale bei 37 (19,8 %) der untersuchten
187 männlichen und bei 8 (19,0 %) der untersuchten 42 weiblichen Patienten. Abbildung
4.3 veranschaulicht die Patientenanzahl mit ungefärbten Ösophagusschleimhautbezirken
bei der Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung.
70
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Gesamtpatienten
Anzahl der
Patienten
männliche Patienten
184
200
180
160
weibliche Patienten
150
140
120
100
80
45
60
40
20
0
37
34
8
gleichmäßige
Schleimhautanfärbung
ungefärbte
Schleimhautareale
Abb. 4.3 Anzahl der Patienten mit chromoendoskopisch gleichmäßig gefärbter
Ösophagusschleimhaut bzw. mit ungefärbten Schleimhautarealen bei Verwendung
von Lugol´scher Lösung
Die weiblichen Patienten wiesen lediglich je ein ungefärbtes Areal bei der
Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung auf, während sich bei 2 männlichen Patienten
synchron 2 ungefärbte Schleimhautbezirke detektieren ließen sowie bei einem weiteren
Patienten synchron 3 ungefärbte Areale. Die Ösophagusmukosa weiterer 3 Patienten zeigte
nach Applikation des Farbstoffes multiple kleine ungefärbte Bezirke, die sämtlich ab einer
Ausdehnung von > 5mm biopsiert wurden. Aus allen farbgeminderten Bezirken wurden
jeweils mehrere Gewebeproben entnommen und zur histologischen Aufarbeitung
weitergeleitet. Nach Geschlecht differenziert gibt die Abbildung 4.4 die Anzahl der
Patienten
mit
chromoendoskopisch
ungefärbten
Ösophagusschleimhautarealen
Abhängigkeit von der Anzahl der detektierten Areale wieder.
71
in
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Anzahl der
Patienten
Gesamtpatienten
40
40
35
männliche Patienten
32
weibliche Patienten
30
25
20
15
8
10
2 2
5
0
0
1 Areal
2 Areale
1 1
3 3
0
0
3 Areale
> 3 Areale
Anzahl der ungefärbten Schleimhautareale
Abb.
4.4
Anzahl
der
Patienten
mit
chromoendoskopisch
ungefärbten
Ösophagusschleimhautarealen bei Verwendung von Lugol´scher Lösung. Darstellung in
Abhängigkeit vom Geschlecht der Patienten und der Anzahl der detektierten Areale
Unter Berücksichtigung des Verteilungsmusters der chromoendoskopisch nicht gefärbten
Ösophagusschleimhautareale bei Verwendung von Lugol´scher Lösung ergibt sich die
folgende tabellarische Darstellung 4.17. Der Lokalisationsschwerpunkt der ungefärbten
Bezirke lag dabei im distalen Ösophagusdrittel. Alle Patienten mit mehr als 2 ungefärbten
Arealen wiesen eine Verteilung über alle Ösophagusabschnitte auf.
72
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Tab. 4.17 Anzahl der Patienten mit chromoendoskopisch ungefärbten Ösophagusschleimhautarealen, dargestellt nach Anzahl sowie Lokalisation der detektierten Areale
Lokalisation
Anzahl der betroffenen Patienten
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
prozentual
Kategorie 1 gleichmäßige Schleimhautfärbung
Gesamter Ösophagus
150
34
184
80,3 %
Proximales Ösophagusdrittel
4
1
5
2,2 %
Mittleres Ösophagusdrittel
5
2
7
3,1 %
Distales Ösophagusdrittel
23
5
28
12,2 %
Gesamt
32
8
40
17,5 %
Proximales Ösophagusdrittel
1
0
1
0,4 %
Mittleres Ösophagusdrittel
0
0
0
0%
Distales Ösophagusdrittel
1
0
1
0,4 %
Gesamt
2
0
2
0,9 %
Gesamter Ösophagus
1
0
1
0,4 %
Gesamt
1
0
1
0,4 %
Kategorie 2 ein ungefärbtes Areal
Kategorie 3 zwei ungefärbte Areale
Kategorie 4 drei ungefärbte Areale
Kategorie 5 mehr als drei ungefärbte Areale
Gesamter Ösophagus
3
0
3
1,3 %
Gesamt
3
0
3
1,3 %
Die bei der konventionellen Endoskopie als suspekt gedeuteten Befunde hinsichtlich des
Vorliegens einer Präkanzerose oder einer malignen Läsion zeigten allesamt ein
pathologisches Färbeverhalten bei der Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung. So ließ
sich in allen Fällen ein ungefärbtes Areal > 5 mm an der Stelle der konventionell
endoskopisch detektierten Schleimhautveränderung finden. Auch diejenigen Patienten mit
bereits makroskopisch geäußertem hochgradigem Verdacht auf ein fortgeschrittenes
Ösophagusmalignom
Chromoendoskopie
bei
mit
der
konventionellen
Lugol´scher
Lösung
Endoskopie
unterzogen.
Die
wurden
Intention
einer
der
Chromoendoskopie bestand in diesen Fällen in der Bestimmung der exakten Ausdehnung
der malignomverdächtigen Läsionen, als auch in der Auffindung von synchron
73
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
vorliegenden weiteren Läsionen. Die Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung
demarkierte klar die Grenzen der Tumore, die zuvor makroskopisch im Rahmen der
konventionellen Untersuchung in ihrer Ausdehnung leicht unterschätzt wurden. Weitere
chromoendoskopisch ungefärbte Areale bei der Verwendung von Lugol´scher Lösung als
Hinweis auf synchron vorliegende Läsionen oder ein multizentrisches Tumorwachstum
ließen sich in keinem Fall nachweisen.
Zwei Patienten, davon eine weibliche Patientin, mit jeweils einem ungefärbten Areal,
wiesen globale Gerinnungsstörungen bei ethyltoxischer Leberzirrhose und toxischer
Knochenmarksschädigung auf, so daß keine Biopsie entnommen werden konnte. In einem
Fall handelte es sich um eine ungefärbte Schleimhautzunge, die bis 2 cm oberhalb der
Z-Linie reichte und somit gut mit einem Short-Barrett-Ösophagus vereinbart werden hätte
können, im anderen Fall um einen ungefärbten Bezirk bei makroskopisch unauffälliger
Ösophagusschleimhaut.
Ein kleiner konventionell endoskopisch benigne wirkender gestielter Polyp zeigte ein
gleichmäßiges Färbeverhalten nach Aufbringen der Lugol´schen Lösung auf die
Schleimhaut. Histologisch ergab sich die Diagnose eines squamösen Papilloms.
4.2.3 Histologische Befunde
Wie bereits im Kapitel 4.3 dargestellt, fielen bei der Chromoendoskopie des Ösophagus
mit Lugol´scher Lösung bei insgesamt 45 der untersuchten 229 Patienten mit
Alkoholabhängigkeit 61 ungefärbte bzw. vermindert gefärbte Schleimhautbezirke von
mindestens 5 mm Größe auf. Die Ösophagitis konnte dabei als häufigste histologische
Diagnose
gestellt
werden.
Ein
Patient
mit
makroskopisch
suspekten
Schleimhautveränderungen im Sinne von multiplen umschriebenen, leicht erhabenen
Läsionen zeigte insgesamt 6 vermindert gefärbte Areale > 5 mm nach Aufbringen der
Lugol´schen Lösung. Die feingewebliche Untersuchung der Biopsien aus den 6 Läsionen
ergab viermal die Diagnose einer Zylinderepithelzellmetaplasie vom Kardiatyp und
zweimal den Befund einer regelrechten Schleimhaut. Bei dem anderen Patienten mit
multiplen kleinen ungefärbten Schleimhautbezirken wurden alle 12 Areale, die eine
Ausdehnung von > 5 mm aufwiesen, biopsiert und ergaben den histologischen Nachweis
entzündlich infiltrierter Ösophagusschleimhaut und eines Soorbefalls.
74
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Hinsichtlich der dysplastischen Schleimhautveränderungen konnten zweimal histologisch
eine geringgradige, zweimal eine mittelgradige und einmal eine hochgradige Dysplasie
gesichert werden. Die Zylinderepithelzellmetaplasie vom spezialisierten Typ ließ sich
histologisch bei zwei männlichen Patienten ohne Nachweis von Dysplasien in den
untersuchten Gewebeproben diagnostizieren. Bei einem weiteren Patienten konnte
histopathologisch die Diagnose eines Carcinoma in situ erhoben werden. Auch eine
erneute ausgiebige Gewebeprobenentnahme aus den jeweiligen Läsionen und histologische
Aufarbeitung durch ein zweites pathologisches Institut als „second opinion“ bestätigte die
Erstdiagnose der hochgradigen Dysplasie und des plattenepithelialen Carcinoma in situ.
Ein bereits invasives Plattenepithelkarzinom des Ösophagus konnte feingeweblich bei
4 Patienten festgestellt werden. Dabei ließ sich in 3 Fällen bereits konventionell
endoskopisch der dringende Verdacht auf eine maligne Schleimhautläsion stellen. Der
vierte Patient wies eine zwar als suspekt gedeutete, aber nur diskret ausgeprägte
Schleimhautretraktion mit chromoendoskopisch ungefärbtem Areal von 0,5 cm
Ausdehnung bei ansonsten makroskopisch unauffälliger Ösophagusschleimhaut auf.
Histologisch konnte der Nachweis eines mittelgradig differenzierten nicht verhornenden
Plattenepithelkarzinoms geführt werden. Unter Berücksichtigung des histologischen
Gradings der Ösophaguskarzinome handelte es sich in einem Fall um ein gut
differenziertes
verhornendes
Plattenepithelkarzinom
G1,
um
zwei
mittelgradig
differenzierte nicht verhornende Plattenepithelkarzinome G2 und im letzten Fall um ein
mittelgradig differenziertes fokal verhornendes Plattenepithelkarzinom G2.
Nach endoskopischer Ektomie eines polypoiden Karzinosarkoms von 1,6 cm Größe im
distalen Ösophagus wurde bei einem Patienten eine endoskopische Kontrolluntersuchung
einschließlich
Chromoendoskopie
mit
Lugol´scher
Lösung
durchgeführt.
Die
feingewebliche Untersuchung der Biopsate, die aus den ungefärbten Bezirken im Bereich
der Abtragungsstelle gewonnen wurden, ergab den Befund einer Karzinosarkominvasion in
die Submukosa.
Alle bereits konventionell endoskopisch als suspekt gedeuteten Veränderungen der
Ösophagusschleimhaut blieben chromoendoskopisch ungefärbt. Histologisch ließ sich bis
auf eine Ausnahme der Verdacht einer Präkanzerose bzw. einer malignen Läsion
bestätigen. Nur der Patient mit den multiplen umschriebenen leicht erhabenen
Schleimhautläsionen
wies
eine
benigne
75
Veränderung
im
Sinne
einer
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Zylinderepithelzellmetaplasie
vom
Kardiatyp
auf.
Tabelle
4.18
stellt
die
histopathologischen Befunde der Biopsate aus den chromoendoskopisch ungefärbten
Ösophagusschleimhautarealen dar. Zu beachten gilt, daß sich bei der histopathologischen
Untersuchung teils mehrere Befunde im selben Präparat erheben ließen, so daß sich
gemessen an der Zahl der examinierten Biopsien eine höhere Befundanzahl ergibt.
Tab. 4.18 Anzahl der Patienten mit dem jeweiligen histologischen Befund der Biopsate
aus den chromoendoskopisch ungefärbten Ösophagusschleimhautarealen
Histologischer Befund der Biopsate aus den ungefärbten Schleimhautarealen nach
Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung
Histologischer Befund
Männer
Frauen
Gesamtpatienten
Prozentual
Unauffällige Schleimhaut
2
0
2
0,9 %
A) floride chronische
19
6
25
10,9 %
B) floride chronische ulzerierende
2
0
2
0,9 %
Gesamt
21
6
27
11,8 %
Soorösophagitis
1
0
1
0,4 %
Leukoplakie
4
1
5
2,2 %
Nekrose
1
0
1
0,4 %
a) vom Kardiatyp
6
1
7
3,0 %
b) vom spezialisiertem Typ
2
0
2
0,9 %
Gesamt
8
1
9
3,9 %
A ) leichtgradig
2
0
2
0,9 %
B ) mittelgradig
2
0
2
0,9 %
C) hochgradig
1
0
1
0,4 %
Gesamt
5
0
5
2,2 %
Carcinoma in situ
1
0
1
0,4 %
Plattenepithelkarzinom
4
0
4
1,7 %
Karzinosarkom
1
0
1
0,4 %
Gesamtzahl der pathologischen Befunde
48
8
Ösophagitis
Zylinderepithelzellmetaplasie
Plattenepitheliale Dysplasie
76
56
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
4.3
Auswertung der anamnestischen, klinischen, konventionell endoskopischen
und
chromoendoskopischen
Daten
der
Patienten
mit
detektierten
Plattenepithelkarzinomen und präkanzerösen plattenepithelialen Läsionen des
Ösophagus
Als Ergebnis der Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung konnten insgesamt
13 Läsionen bei 12 der 229 untersuchten Patienten als präkanzeröse Bedingung,
Präkanzerose oder maligne Veränderung eingestuft werden. Dabei handelte es sich
histopathologisch um eine Barrett-Schleimhaut, eine Dysplasie, ein Carcinoma in situ, ein
Karzinosarkom oder ein Plattenepithelkarzinom des Ösophagus. Da die BarrettSchleimhaut nicht als eigentliche Domaine der Chromoendoskopie mit Lugol´scher
Lösung angesehen werden kann und sich insbesondere durch die Applikation der
Lugol´schen Lösung keine Hinweise auf fokale Barrett-Schleimhaut oder dysplastische
Areale innerhalb des metaplastischen Schleimhautsegmentes ergeben [122], müssen diese
Läsionen als Zufallsbefund gewertet werden. In Hinblick auf die Ergebnisse der
Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung wurde der Befund einer Barrett-Schleimhaut
als präkanzeröse Kondition mit nicht weiter betrachtet. Das Karzinosarkom als weiterer
Sonderfall eines malignen Tumors mit karzinomatösem und sarkomatösem Anteil wurde
unter Berücksichtigung der plattenepithelialen karzinomatösen Komponente in die
Auswertung einbezogen. Die genaue Charakterisierung des Patientenkollektivs mit
nachgewiesenen plattenepithelialen präkanzerösen oder kanzerösen Läsionen als Ergebnis
der Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung erfolgte mittels Korrelation der
umfangreich erhobenen anamnestischen, klinischen, konventionell endoskopischen,
chromoendoskopischen sowie histologischen Daten und Befunde.
77
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
4.3.1
Biographische Patientendaten
Alle betroffenen Patienten mit präkanzerösen und kanzerösen Läsionen gehörten dem
männlichen Geschlecht an. Ein Patient wies synchron im distalen Ösophagusdrittel eine
leichtgradige und im proximalen Ösophagusdrittel eine mittelgradige Dysplasie auf. Die
4 Patienten mit einem gesicherten Plattenepithelkarzinom des Ösophagus konnten bis auf
eine Ausnahme der Altersgruppe 2 der 40 – 65-Jährigen zugeordnet werden. Ein Patient
ließ sich mit 67 Lebensjahren der Altersgruppe 3 (älter als 65 Jahre) zurechnen. Insgesamt
betrug das Durchschnittsalter der Patienten mit einem Plattenepithelkarzinom 60,3 Jahre
mit einer einfachen Standardabweichung von 5,9 Jahren. Für die Patienten mit einer
Dysplasie errechnete sich im Vergleich zu diesen Werten ein Durchschnittsalter von 50,5
Jahren mit einer einfachen Standardabweichung von 8,2 Jahren. Bei den höhergradigen
Dysplasien ergab sich jedoch für 2 der 3 Patienten eine Einteilung in die Altersgruppe 3
der älter als 65 Jahre alten Personen. Lediglich ein Patient mit einer mittelgradigen
Dysplasie ließ sich mit 48 Jahren der Altersgruppe 2 zuordnen. Der Patient mit dem
plattenepithelialen Carcinoma in situ war zum Untersuchungszeitpunkt 63 Jahre alt und
muß somit ebenfalls der Altersgruppe 2 zugerechnet werden. Mit 58 Jahren gehörte der
Patient mit dem Nachweis einer Karzinosarkominfiltration der Submukosa im Bereich der
Abtragungsstelle nach endoskopischer Ektomie eines polypoiden Karzinosarkoms
ebenfalls zur Altersgruppe 2. Tabelle 4.19 faßt die detaillierten Daten der einzelnen
Patienten unter Verwendung der Initialen zur Erleichterung der Zuordnung zusammen.
78
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Tab. 4.19 Biographische Daten der Patienten mit detektierten Ösophaguskarzinomen und
präkanzerösen plattenepithelialen Läsionen des Ösophagus
Patientenkürzel
Geschlecht
Alter in Jahren
Altersgruppe
AR*
Männlich
48
2 ( > 40 – 65 Jahre )
ST
Männlich
62
2 ( > 40 – 65 Jahre )
AR*
Männlich
48
2 ( > 40 – 65 Jahre )
SE
Männlich
68
3 ( > 65 Jahre )
Männlich
68
3 ( > 65 Jahre )
Männlich
63
2 ( > 40 – 65 Jahre )
Männlich
58
2 ( > 40 – 65 Jahre )
HW
Männlich
53
2 ( > 40 – 65 Jahre )
GL
Männlich
56
2 ( > 40 – 65 Jahre )
KH
Männlich
65
2 ( > 40 – 65 Jahre )
HB
Männlich
67
3 ( > 65 Jahre )
Dysplasien
Leichtgradige Dysplasie
Mittelgradige Dysplasie
Hochgradige Dysplasie
MK
Carcinoma in situ
IS
Karzinosarkom
CB
Plattenepithelkarzinome
* AR = Patient mit synchron vorliegender leichtgradiger Dysplasie im distalen Ösophagusdrittel und
mittelgradiger Dysplasie im proximalen Ösophagusdrittel
79
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
4.3.2
Bei
Alkoholkonsum
der
Analyse
des
Alkoholkonsumverhaltens
der
Patienten
mit
einem
Plattenepithelkarzinom, einem Karzinosarkom, mit einem Carcinoma in situ oder mit einer
Dysplasie ergab sich durchweg eine Einordnung in einen gefährlichen Alkoholkonsum bis
Hochkonsumbereich (Einteilung nach Bühringer et al. [21]). Bei einigen Patienten ergab
sich eine deutliche Diskrepanz zwischen dem täglichen Alkoholkonsum und dem
Alkoholindex, in den die Dauer des Alkoholkonsums in Jahren einfließt. So betrieb ein
Patient mit einem gesicherten Plattenepithelkarzinom des Ösophagus in Hinblick auf den
täglichen Alkoholkonsum einen gefährlichen Konsum, in Hinblick auf den Alkoholindex
ließ er sich jedoch schon der Risikogruppe 3 mit entsprechend langer Dauer des
Alkoholkonsums
zuordnen.
Hingegen
nahm
ein
weiterer
Patient
mit
einem
Plattenepithelkarzinom umgerechnet 188 g Alkohol pro Tag zu sich und erfüllte damit die
Kriterien des Hochkonsums, während der Alkoholindex mit 377 Alkohol-Jahren unter die
Risikogruppe 1 fiel und Hinweis auf einen wohl erst kurzzeitig bestehenden exzessiven
Alkoholabusus gab. Tabelle 4.20 gibt die jeweiligen Daten zum Alkoholkonsum der
Patienten mit nachgewiesenen plattenepithelialen präkanzerösen und kanzerösen Läsionen
detailliert wieder.
80
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Tab.
4.20
Darstellung
des
Alkoholkonsums
der
Patienten
mit
detektierten
Ösophaguskarzinomen und präkanzerösen plattenepithelialen Läsionen des Ösophagus
Patientenkürzel
Alkoholkonsum
Gramm
Konsumgruppe
Alkoholindex
Gruppe
Gruppe
pro Tag
Dysplasien
Leichtgradige Dysplasien
AR*
149
2
Hochkonsum
5996
3
ST
74
1
Gefährlicher Konsum
1657
1
Mittelgradige Dysplasien
AR*
149
2
Hochkonsum
5996
3
SE
151
2
Hochkonsum
2272
2
2
Hochkonsum
2761
2
Hochgradige Dysplasien
MK
162
Carcinoma in situ des Ösophagus
IS
180
2
Hochkonsum
2846
2
110
2
Gefährlicher Konsum
2890
2
Karzinosarkom
CB
Plattenepithelkarzinome
HW
95
1
Gefährlicher Konsum
4261
3
GL
157
2
Hochkonsum
5207
3
KH
188
2
Hochkonsum
377
1
HB
110
2
Gefährlicher Konsum
2209
2
* AR = Patient mit synchron vorliegender leichtgradiger Dysplasie im distalen Ösophagusdrittel und
mittelgradiger Dysplasie im proximalen Ösophagusdrittel
Hinsichtlich der Art des konsumierten Alkohols gaben zwei der Patienten mit
Ösophaguskarzinom an, reine Biertrinker zu sein. Die anderen Patienten mit
Plattenepithelkarzinomen des Ösophagus, Karzinosarkom, Carcinoma in situ und
Dysplasien berichteten, jeweils Bier und vor allem Schnaps als alkoholische Getränke zu
präferieren (Tabelle 4.21).
81
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Tab. 4.21 Art des vorwiegend konsumierten alkoholischen Getränks der Patienten mit
detektierten Ösophaguskarzinomen und präkanzerösen plattenepithelialen Läsionen des
Ösophagus
Patientenkürzel
Bevorzugtes alkoholisches Getränk
Dysplasien
Leichtgradige Dysplasie
AR*
Bier und Schnaps
ST
Bier und Schnaps
Mittelgradige Dysplasie
AR*
Bier und Schnaps
SE
Bier und Schnaps
Hochgradige Dysplasie
MK
Bier und Schnaps
Carcinoma in situ
IS
Bier und Schnaps
Karzinosarkom
CB
Bier und Schnaps
Plattenepithelkarzinome
HW
Bier
GL
Bier und Schnaps
KH
Bier und Schnaps
HB
Bier
* AR = Patient mit synchron vorliegender leichtgradiger Dysplasie im distalen Ösophagusdrittel und
mittelgradiger Dysplasie im proximalen Ösophagusdrittel
4.3.3
Leberveränderungen
Die Leber als markantes Stoffwechselorgan wurde als Anhaltspunkt für das Vorliegen und
den Ausprägungsgrad von alkoholtoxischen Organschäden ausgewählt. Bei einem
Patienten mit einem histologisch gesicherten Plattenepithelkarzinom des Ösophagus fand
sich ein sonomorphologisch unauffälliger Leberbefund mit ungestörter Leberfunktion,
soweit dies laborchemisch beurteilbar war. In Hinblick auf den betriebenen
82
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Alkoholkonsum ließ sich dieser Patient - wie in Kapitel 4.3.2 ausgeführt - sowohl als
Patient mit einem Hochkonsum, gemessen am täglichen Alkoholgenuß in Gramm, als auch
in Risikogruppe 3 hinsichtlich des Alkoholindex einstufen. Bei den übrigen Patienten mit
Plattenepithelkarzinom, Karzinosarkominfiltration, plattenepithelialem Carcinoma in situ
oder nachgewiesenen dysplastischen Schleimhautveränderungen des Ösophagus waren
entweder geringere morphologische Umbauvorgänge mit Fetteinlagerungen im Sinne einer
Steatosis hepatis oder bereits ein narbiger Umbau mit Ausbildung einer Leberzirrhose der
Child-Pugh–Schweregrade A und B zu verzeichnen. Die detaillierten Daten der einzelnen
Patienten werden in Tabelle 4.22 aufgelistet.
Tab. 4.22 Leberbeurteilung bei jenen Patienten mit detektierten Ösophaguskarzinomen
und präkanzerösen plattenepithelialen Läsionen des Ösophagus
Patientenkürzel
Leberveränderungen
Dysplasien
Leichtgradige Dysplasie
AR*
Fettleber
ST
Leberzirrhose Child-Pugh B
Mittelgradige Dysplasie
AR*
Fettleber
SE
Leberzirrhose Child-Pugh B
Hochgradige Dysplasie
MK
Fettleber
Carcinoma in situ
IS
Fettleber
Karzinosarkom
CB
Leberzirrhose Child-Pugh B
Plattenepithelkarzinome
HW
Steatosis hepatis
GL
unauffällige Leber
KH
Leberzirrhose Child-Pugh A
HB
Leberzirrhose Child-Pugh A
* AR = Patient mit synchron vorliegender leichtgradiger Dysplasie im distalen Ösophagusdrittel und
mittelgradiger Dysplasie im proximalen Ösophagusdrittel
83
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
4.3.4
Nikotinkonsum
Der Nikotinkonsum als weiterer Hauptrisikofaktor für die Entwicklung eines
Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus wurde ebenfalls detailliert einerseits nach
gerauchter Zigarettenanzahl pro Tag und andererseits nach pack-years verglichen. Dabei
fiel insbesondere ein Patient mit gesichertem Speiseröhrenkrebs durch eine absolute
Nikotinabstinenz auf, so daß hier ein wesentlicher Risikofaktor für die Entwicklung eines
Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus fehlte. Die anderen Patienten betrieben in
wechselnder Ausprägung einen überwiegend starken Nikotinkonsum, der sich ebenso wie
die Dauer des betriebenen Nikotinabusus in der Höhe der pack-years-Werte niederschlägt.
So
zählten
alle
rauchenden
Patienten
mit
prämalignen
oder
malignen
Ösophagusschleimhautveränderungen bis auf eine Ausnahme mindestens zur Risikogruppe
2, sowohl die Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten, als auch die Höhe der pack-years
betreffend. Eine andere Art des Tabakkonsums wie beispielsweise das Pfeifenrauchen
bevorzugte keiner der betroffenen Personen. Tabelle 4.23 gibt die Daten der jeweiligen
Patienten
mit
der
entsprechenden
Ösophagusschleimhautläsion ausführlich wieder.
84
präkanzerösen
und
kanzerösen
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Tab. 4.23 Nikotinkonsum der Patienten mit detektierten Ösophaguskarzinomen und
präkanzerösen plattenepithelialen Läsionen des Ösophagus
Patientenkürzel
Täglicher Zigarettenkonsum
Zigarettenanzahl
pack-years
Risikogruppe
pack-years
Risikogruppe
Dysplasien
Leichtgradige Dysplasien
AR*
40
2
80
3
ST
60
3
90
3
AR*
40
2
80
3
SE
60
3
60
3
30
2
38
2
40
2
60
3
20
2
32
2
Mittelgradige Dysplasien
Hochgradige Dysplasien
MK
Carcinoma in situ
IS
Karzinosarkom
CB
Plattenepithelkarzinome
HW
0
0
0
0
GL
25
2
63
3
KH
20
1
20
1
HB
25
2
44
3
* AR = Patient mit synchron vorliegender leichtgradiger Dysplasie im distalen Ösophagusdrittel und
mittelgradiger Dysplasie im proximalen Ösophagusdrittel
4.3.5
Weiteres Risikoprofil
Bei keinem der Patienten mit dem Befund einer plattenepithelialen präkanzerösen oder
kanzerösen Läsion des Ösophagus ließ sich ein weiterer Risikofaktor für die Entwicklung
eines
Ösophaguskarzinoms
eruieren.
So
lagen
keine
vorbekannten
oder
erstdiagnostizierten Tumoren des oberen Aerodigestivtraktes vor, noch waren die
betroffenen Patienten in der Vorgeschichte mittels einer Radiotherapie des Thorax
85
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
behandelt worden. Auch eine Achalasie oder ein Ösophagusdivertikel ließen sich weder
anamnestisch noch endoskopisch vermuten.
4.3.6
Protektive Faktoren
Besondere Beachtung fand auch die Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika als
protektiver Faktor hinsichtlich der Entwicklung eines Ösophaguskarzinoms. Nur ein
Patient mit Nachweis eines Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus nahm täglich
Acetylsalicylsäure in einer Dosis von 300 mg pro Tag zur Kardioprotektion nach
rezidivierenden thromboembolischen Ereignissen zu sich. Alle anderen Patienten mit
plattenepithelialen präkanzerösen oder kanzerösen Läsionen des Ösophagus gaben an,
weder regelmäßig noch gelegentlich nichtsteroidale Antirheumatika zu verwenden.
Als weiteres protektives Element wurden retrospektiv die Ernährungsgewohnheiten der
Patienten unter besonderer Berücksichtigung des regelmäßigen Verzehrs von Gemüse und
Früchten erfragt. Eine grundsätzlich oder überwiegend ausgewogene Ernährungsweise
wurde nach eigenen Angaben von keinem der Patienten mit prämalignen oder malignen
Ösophagusschleimhautveränderungen praktiziert.
4.3.7
Symptome und Aufnahmediagnosen
Die Auswertung der zur stationären Behandlung bzw. zur endoskopischen Untersuchung
führenden Beschwerden sollte Aufschluß geben, wie häufig „charakteristische“ Symptome
bei
Patienten
mit
Ösophaguskarzinomen
und
zwar
besonders
mit
Ösophagusfrühkarzinomen auftreten. Dabei ließ sich die Dysphagie als mögliches
Symptom eines (fortgeschrittenen) Speiseröhrenkrebses bei einem der Patienten mit einem
gesicherten Ösophaguskarzinom im Tumorstadium I nach AJCC eruieren. Alle anderen
Patienten mit einem Ösophaguskarzinom im Stadium 0 und I nach AJCC ebenso wie der
Patient mit dem bereits fortgeschrittenen Karzinom im Stadium II B wiesen keine
richtungsweisenden Symptome auf. Vergleichend boten 45 Patienten ohne Nachweis einer
malignen oder präkanzerösen Läsion des Ösophagus ein Beschwerdebild, das mit dem
Vorliegen eines Ösophaguskarzinoms hätte in Einklang stehen können.
Als Ausdruck der toxischen Organschädigung wurden 2 Patienten aufgrund von
alkoholassoziierten Erkrankungen stationär behandelt. Lediglich 1 Patient mit histologisch
86
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
nachgewiesenem Ösophaguskarzinom erlitt eine kardiovaskulär bedingte Synkope, somit
eine Erkrankung ohne direkten Bezug zur Alkoholabhängigkeit. Ähnlich stellten sich auch
die Erkrankungen der Patienten mit nachgewiesenen dysplastischen Veränderungen dar. So
bestanden bei 2 Patienten Symptome, die mit dem Vorliegen eines fortgeschrittenen
Ösophaguskarzinoms in Einklang hätten stehen können. In einem Fall handelte es sich um
eine obere gastrointestinale Blutung, im anderen um eine Dysphagie. Die übrigen Patienten
mit einer gesicherten Dysplasie ebenso wie der Patient mit der Karzinosarkominfiltration
wurden aufgrund von alkoholassoziierten Erkrankungen behandelt. Der Patient mit dem
Carcinoma in situ befand sich zur Durchführung eines qualifizierten Alkoholentzuges in
stationärer psychiatrischer Behandlung. Die jeweiligen Diagnosen bzw. Symptome der
einzelnen Patienten werden ausführlich in Tabelle 4.24 wiedergegeben.
Tab. 4.24 Symptome und Aufnahmediagnosen der Patienten mit detektierten
Ösophaguskarzinomen und präkanzerösen plattenepithelialen Läsionen des Ösophagus
Patientenkürzel
Symptome und Aufnahmediagnosen
Dysplasien
Leichtgradige Dysplasie
AR*
Dysphagie
ST
Obere gastrointestinale Blutung
Mittelgradige Dysplasie
AR*
Dysphagie
SE
Akute Alkoholintoxikation
Hochgradige Dysplasie
MK
Rhabdomyolyse nach Alkoholentzugskrampfanfall
Carcinoma in situ
IS
Qualifizierter Alkoholentzug
Karzinosarkom
CB
Dekompensierte Leberzirrhose
Plattenepithelkarzinome
HW
Synkope kardiovaskulär
GL
Akuter Schub einer chronischen ethyltoxischen Pankreatitis
KH
Akute Alkoholintoxikation
HB
Dysphagie
* AR = Patient mit synchron vorliegender leichtgradiger Dysplasie im distalen Ösophagusdrittel und
mittelgradiger Dysplasie im proximalen Ösophagusdrittel
87
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
4.3.8
Konventionell endoskopische Befunde
4.3.8.1 Ösophagus
Bei
der
Beurteilung
der
Schleimhautveränderungen
ließen
Ösophaguskarzinome
nach
den
konventionell
sich
bei
2
endoskopisch
Patienten
morphologischen
bereits
Kriterien
detektierbaren
fortgeschrittene
diagnostizieren.
Die
Malignome imponierten einerseits als eine umschriebene 5 cm lange exophytische
Raumforderung ohne Ulzeration im mittleren Ösophagusdrittel, andererseits als
umschriebene 2 cm lange Ulzeration mit partiellem Fibrinbelag im distalen
Ösophagusdrittel. Zwei weitere Patienten zeigten morphologische Läsionen im Sinne einer
leicht eingesunkenen Schleimhaut, in einem Fall nur eine umschriebene diskrete
Einziehung bei makroskopisch ansonsten unauffälliger Schleimhaut im mittleren
Ösophagusdrittel.
Die
Ausdehnung
der
beiden
beschriebenen
diskreten
Schleimhauteinziehungen betrug jeweils 0,5 cm. Das Carcinoma in situ stellte sich
makroskopisch als eine Läsion mit einem Durchmesser von 1,5 cm dar, deren Oberfläche
eine Granulierung zeigte. Ein Patient mit einer mittelgradigen Dysplasie wies eine
umschriebene Rötung mit einem Ausmaß von 0,5 cm auf, während sich bei dem Patienten
mit der hochgradigen Dysplasie eine 1,0 cm große fibrinbedeckte Läsion im proximalen
Ösophagusdrittel nachweisen ließ. Beide Läsionen waren bereits bei der konventionell
endoskopischen Untersuchung beschrieben worden. Die übrigen histopathologisch
gesicherten dysplastischen Schleimhautveränderungen fanden auch retrospektiv bei
detaillierter Auswertung der angefertigten Videoaufzeichnungen kein morphologisches
Korrelat. Die Diagnose einer Refluxösophagitis II a nach Savary und Miller war zwar bei
einem Patienten mit gesicherter Dysplasie gestellt worden, jedoch zeigte sich diese
Veränderung konventionell endoskopisch im distalen Ösophagusdrittel, während die
präkanzeröse Läsion im makroskopisch unauffälligen mittleren Ösophagusdrittel
lokalisiert war. Im Falle des Patienten CB mit der Karzinosarkominfiltration der
Submukosa war eine endoskopische Abtragung eines polypoiden Karzinosarkoms
vorausgegangen. Im Bereich der Abtragungsstelle ließ sich ein 0,5 cm großes Ulcus
konventionell endoskopisch finden. Alle Daten zu den erhobenen endoskopischen
Befunden der Speiseröhre sind fallbezogen in Tabelle 4.25 zusammengefaßt.
88
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Tab. 4.25 Konventionell endoskopische Befunde des Ösophagus der Patienten mit
detektierten Ösophaguskarzinomen und präkanzerösen plattenepithelialen Läsionen
Patientenkürzel
Endoskopische Befunde des Ösophagus
bei der konventionellen endoskopischen Untersuchung
Dysplasien
Leichtgradige Dysplasie
AR*
Morphologisch unauffällige Schleimhaut
ST
Refluxösophagitis II a
Ausdehnung makroskopisch: distales Ösophagusdrittel
Mittelgradige Dysplasie
AR*
Morphologisch unauffällige Schleimhaut
(s. Anhang Abb. 8.3a)
SE
Umschriebene Rötung im Schleimhautniveau
Lokalisation: mittleres Ösophagusdrittel
Hochgradige Dysplasie
MK
1 cm große fibrinbedeckte Läsion
Lokalisation: proximales Ösophagusdrittel
Carcinoma in situ
IS
1,5 cm große Läsion mit granulierter Oberfläche
Lokalisation: distales Ösophagusdrittel
(s. Anhang Abb. 8.4a)
Karzinosarkom
CB
0,5 cm großes Ulcus im Bereich der Abtragungsstelle nach
Ektomie eines polypoiden Karzinosarkoms
Lokalisation: distales Ösophagusdrittel
89
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Tab. 4.25 Konventionell endoskopische Befunde des Ösophagus der Patienten mit
detektierten Ösophaguskarzinomen und präkanzerösen plattenepithelialen Läsionen
- Fortsetzung
Patientenkürzel
Endoskopische Befunde des Ösophagus
Bei der konventionellen endoskopischen Untersuchung
Plattenepithelkarzinome
HW
Ca. 2 cm große umschriebene Ulzeration, teils fibrinbelegt
Lokalisation: distales Ösophagusdrittel
(s. Anhang Abb. 8.5a)
GL
Minimale (ca. 0,5 cm große) Schleimhauteinziehung mit Rötung,
kein Randwall
Lokalisation: distales Ösophagusdrittel
(s. Anhang Abb. 8.6a)
KH
Minimale (ca. 0,5 cm große) Schleimhauteinziehung ohne
Randwall, Schleimhaut wirkt makroskopisch unauffällig
Lokalisation: mittleres Ösophagusdrittel,
weiterhin Ösophagusvarizen I °
(s. Anhang Abb. 8.7a)
HB
Exophytische Schleimhautvorwölbung ohne Ulzeration
Ausdehnung 17 – 22 cm ab Zahnreihe
Lokalisation: mittleres Ösophagusdrittel,
weiterhin Refluxösophagitis II a nach SM im distalen
Ösophagusdrittel bei axialer Hiatushernie
* AR = Patient mit synchron vorliegender leichtgradiger Dysplasie im distalen Ösophagusdrittel und
mittelgradiger Dysplasie im proximalen Ösophagusdrittel
4.3.8.2 Magen und Duodenum
Als häufigste konventionell endoskopisch erhobene Diagnosen im Bereich des Magens und
Duodenums wurden die Gastritis und die Duodenitis gestellt. Dabei reichte das Spektrum
von der Antrumgastritis bis zur Pangastritis, teils auch erosiv und mit Nachweis kompletter
Erosionen. Ein Patient mit histologisch bestätigtem Plattenepithelkarzinom des Ösophagus
wies eine Anastomositis bei Zustand nach Billroth-I-Magenresektion in der Vorgeschichte
auf. Die jeweiligen endoskopischen Befunde von Magen und Duodenum der einzelnen
90
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Patienten mit präkanzerösen oder kanzerösen plattenepithelialen Läsionen können der
Tabelle 4.26 entnommen werden.
Tab. 4.26 Konventionell endoskopische Befunde von Magen und Duodenum der
Patienten mit detektierten Ösophaguskarzinomen und präkanzerösen plattenepithelialen
Läsionen des Ösophagus
Patientenkürzel
Endoskopische Befunde von Magen und Duodenum
Bei der konventionellen endoskopischen Untersuchung
Dysplasien
Leichtgradige Dysplasie
AR*
Zeichen einer chronischen Antrumgastritis sowie chronischen
Bulbusduodenitis
ST
Zeichen einer chronisch aktivierten Pangastritis
Mittelgradige Dysplasie
AR*
Zeichen einer chronischen Antrumgastritis sowie chronischen
Duodenitis
SE
Komplette Erosionen im Antrum (Helicobacter pylori negativ)
sowie erosive Bulbusduodenitis
Hochgradige Dysplasie
MK
Zeichen einer chronischen Antrumgastritis
Carcinoma in situ
IS
Zeichen einer erosiven Pangastritis
Karzinosarkom
CB
Makroskopisch
unauffällige
Schleimhaut
im
Magen
und
Duodenum
Plattenepithelkarzinome
HW
Komplette Erosionen im Antrum sowie Bulbusduodenitis
GL
Zustand nach Billroth-I-Magenresektion mit Anastomositis
KH
Makroskopisch
unauffällige
Schleimhaut
im
Magen
Duodenum
HB
Erosive Pangastritis
* AR = Patient mit synchron vorliegender leichtgradiger Dysplasie im distalen Ösophagusdrittel und
mittelgradiger Dysplasie im proximalen Ösophagusdrittel
91
und
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
4.3.9
Chromoendoskopische Befunde
Ungefärbte Schleimhautbezirke bei der Chromoendoskopie des Ösophagus mit
Lugol´scher Lösung wurden ab einer Ausdehnung von > 5 mm biopsiert. Bei allen
Patienten mit einem gesicherten Plattenepithelkarzinom ließ sich endoskopisch jeweils ein
singulär ungefärbtes Schleimhautareal detektieren. In zwei Fällen war das ungefärbte Areal
dabei im distalen Ösophagusdrittel lokalisiert, bei den anderen beiden Patienten hingegen
im mittleren Drittel. Drei ungefärbte Areale bei einem Patienten, die im distalen, mittleren
und
proximalen
Ösophagusdrittel
lokalisiert
waren,
erbrachten
einerseits
den
histologischen Befund einer leichtgradigen Dysplasie im distalen Ösophagusdrittel und
andererseits den einer synchron vorliegenden mittelgradigen Dysplasie im proximalen
Ösophagusdrittel. Die entnommene Biopsie aus dem mittleren Drittel hingegen zeigte eine
chronische Ösophagitis. Die Diagnose einer hochgradigen Dysplasie stammte aus einer
Biopsie
im
proximalen
Ösophagusdrittel
bei
einem
Patienten,
der
zeitgleich
2 chromoendoskopisch ungefärbte Bezirke im gleichen Ösophagusdrittel aufwies. Die
Biopsie aus dem zweiten ungefärbten Areal ergab dabei histologisch den Befund einer
unauffälligen
Ösophagusschleimhaut.
Im
Bereich
der
Abtragungsstelle
nach
endoskopischer Ektomie eines polypoiden Karzinosarkoms fand sich ein weiteres
chromoendoskopisch ungefärbtes Areal, das entsprechend biopsiert und feingeweblich
aufgearbeitet wurde. Hier ließ sich der Nachweis einer Infiltration der Submukosa durch
das Karzinosarkom führen. Die chromoendoskopischen Befunde der einzelnen Patienten
können der Tabelle 4.27 entnommen werden.
92
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Tab. 4.27 Chromoendoskopische Befunde des Ösophagus nach Applikation der
Lugol´schen Lösung bei jenen Patienten mit detektierten Ösophaguskarzinomen und
präkanzerösen plattenepithelialen Läsionen des Ösophagus
Patientenkürzel
Chromoendoskopische Befunde des Ösophagus bei der
Verwendung von Lugol´scher Lösung
Dysplasie
Leichtgradige Dysplasie
AR*
insgesamt drei ungefärbte Areale, histopathologischer Befund aus
dem Areal im distalen Ösophagusdrittel
ST
ein ungefärbtes Areal im mittleren Ösophagusdrittel
Mittelgradige Dysplasie
AR*
insgesamt drei ungefärbte Areale, histopathologischer Befund aus
dem Areal im proximalen Ösophagusdrittel
(s. Anhang Abb. 8.3b)
SE
ein ungefärbtes Areal im mittleren Ösophagusdrittel
Hochgradige Dysplasie
MK
zwei ungefärbte Areale im proximalen Ösophagusdrittel
Carcinoma in situ
IS
ein ungefärbtes Areal im distalen Ösophagus
(s. Anhang Abb. 8.4b)
Karzinosarkom
CB
ein ungefärbtes Areal im distalen Ösophagus im Bereich der
Abtragungsstelle nach endoskopischer Ektomie eines polypoiden
Karzinosarkoms
Plattenepithelkarzinome
HW
ein ungefärbtes Areal im distalen Ösophagusdrittel
(s. Anhang Abb. 8.5b)
GL
ein ungefärbtes Areal im distalen Ösophagusdrittel
(s. Anhang Abb. 8.6b)
KH
ein ungefärbtes Areal im mittleren Ösophagusdrittel
(s. Anhang Abb. 8.7b)
HB
ein ungefärbtes Areal im mittleren Ösophagusdrittel
* AR = Patient mit synchron vorliegender leichtgradiger Dysplasie im distalen Ösophagusdrittel und
mittelgradiger Dysplasie im proximalen Ösophagusdrittel
93
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
4.4 Klassifikation und Stadieneinteilung der detektierten Plattenepithelkarzinome
und präkanzerösen plattenepithelialen Läsionen des Ösophagus
4.4.1 Morphologische Klassifikation
Anhand der Klassifikation der Japanese Society for Esophageal Diseases ließ sich bei
2 Patienten bereits ein fortgeschrittenes Ösophaguskarzinom nach den morphologischen
Kriterien diagnostizieren, einerseits vom vorgewölbten Typ, im anderen Fall vom
ulzerierten und umschriebenen Typ. Zwei weitere Patienten zeigten makroskopische
Schleimhautveränderungen, die sich gut mit oberflächlichen Ösophaguskarzinomen
vereinbaren ließen. Zum einen handelte es sich um eine leicht eingesunkene Schleimhaut,
zum anderen um eine umschriebene leichte Einziehung bei makroskopisch ansonsten
unauffälliger
Schleimhaut.
Die
morphologische
Klassifikation
der
jeweiligen
Veränderungen ist patientenbezogen in Tabelle 4.28 dargestellt.
Tab. 4.28 Morphologische Klassifikation der Ösophaguskarzinome nach den Kriterien
der Japanese Society for Esophageal Diseases
Patientenkürzel
Morphologische Klassifikation der detektierten
Ösophaguskarzinome
Plattenepithelkarzinome
HW
Typ 2
GL
Typ 0-Iic :
oberflächlicher, leicht eingesunkener Typ
KH
Typ 0-Iic :
oberflächlicher, leicht eingesunkener Typ
HB
Typ 1
vorgewölbter Typ
4.4.2
:
:
ulzerierter und umschriebener Typ
Histopathologische Klassifikation
Als Grundlage der histopathologischen Beurteilung wurde die revidierte Fassung der
Vienna Klassifikation für intramuköse Neoplasien bei oberflächlichen neoplastischen
Läsionen verwendet. Gemäß den Richtlinien dieser Klassifikation ließ sich der Patient mit
der leichtgradigen Dysplasie in die Gruppe der leichtgradigen intraepithelialen Neoplasien
einordnen, während sowohl der Patient mit der hochgradigen als auch die Patienten mit der
94
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
mittelgradigen Dysplasie in die Gruppe 4-1 als hochgradige intraepitheliale Neoplasien
einzugruppieren waren. Ebenfalls in die Gruppe 4, jedoch Subgruppe 4-2 ließ sich der
Patient mit dem Carcinoma in situ einordnen. Die Einstufung aller Patienten mit einem
gesicherten Karzinom erfolgte nach den histopathologischen Kriterien in Gruppe 5.
Tabelle 4.29 gibt die fallbezogene Einstufung nach den Richtlinien der revidierten Fassung
der Vienna Klassifikation unter Angabe der histologischen Kriterien wieder.
Tab. 4.29 Histopathologische Klassifikation der detektierten Ösophaguskarzinome und
intraepithelialen Neoplasien nach den Richtlinien der revidierten Fassung der Vienna
Klassifikation
Patientenkürzel
Histopathologische Klassifikation der detektierten
Ösophaguskarzinome und intraepithelialen Neoplasien
Dysplasien
ST
Gruppe 3
:
leichtgradige intraepitheliale Neoplasie
AR
Gruppe 4-1 :
hochgradige intraepitheliale Neoplasie
SE
Gruppe 4-1 :
hochgradige intraepitheliale Neoplasie
MK
Gruppe 4-1 :
hochgradige intraepitheliale Neoplasie
Gruppe 4-2 :
nichtinvasives Karzinom
HW
Gruppe 5
:
submuköses Karzinom
GL
Gruppe 5
:
submuköses Karzinom
KH
Gruppe 5
:
submuköses Karzinom
HB
Gruppe 5
:
submuköses Karzinom
Carcinoma in situ
IS
Plattenepithelkarzinome
4.4.3 Klinische Stadieneinteilung
Die klinische Stadieneinteilung erfolgte anhand der TNM-Klassifikation der Union
Internationale Contre le Cancer (UICC) mit Angabe des Tumorstadiums nach Maßgabe der
American Joint Commission for Classification of Cancer (AJCC). Dementsprechend erfüllt
der Patient mit dem Carcinoma in situ die Kriterien des Tumorstadiums 0. Bei 3 Patienten
mit gesicherten Ösophaguskarzinomen ließ sich klinisch ein Tumorstadium I nach AJCC
95
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
diagnostizieren, während der vierte Patient bereits dem Tumorstadium II B zugeordnet
werden mußte. Postoperativ ergab sich bei einem Patienten eine Diskrepanz zwischen der
klinischen und pathologischen TNM-Klassifikation. So war dieser Patient nach Abschluß
aller Staginguntersuchungen klinisch zunächst als T1N0M0 (Tumorstadium I nach AJCC)
eingestuft
worden,
mußte
nach
abdominothorakaler
Ösophagusresektion
mit
histopathologischer Aufarbeitung des Resektates hinsichtlich der Stadieneinteilung als
pT1pN1M0 - somit einem Stadium II B nach AJCC entsprechend – korrigiert werden. Die
jeweilige Stadieneinteilung ist in Tabelle 4.30 ersichtlich.
Tab. 4.30 Klinische Stadieneinteilung der detektierten Ösophaguskarzinome und des
Carcinoma in situ nach den Richtlinien der TNM-Klassifikation der UICC und der
Tumorstadienbestimmung nach AJCC
Patientenkürzel Klinische Stadieneinteilung der detektierten Ösophaguskarzinome
und des Carcinoma in situ
Carcinoma in situ
IS
Tumorstadium 0
:
Tis N0 M0
Plattenepithelkarzinome
HW
Tumorstadium IIB
:
T1 N1 M0
GL
Tumorstadium I
:
T1 N0 M0
Tumorstadium IIB
:
pT1 pN1 M0
KH
Tumorstadium I
:
T1 N0 M0
HB
Tumorstadium I
:
T1 N0 M0
96
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
4.5
Therapie und Nachsorge der detektierten Plattenepithelkarzinome und
präkanzerösen plattenepithelialen Läsionen des Ösophagus
4.5.1
Dysplasien
Der Patient mit einer hochgradigen Dysplasie (Patientenkürzel MK) lehnte trotz
ausführlicher Erläuterung des Krankheitsbildes und des Speiseröhrenkrebsrisikos jede
weitere Therapie oder Kontolle ab. Als Nachsorge wurde jenen Patienten mit leicht- und
mittelgradiger Dysplasie zunächst zu halbjährigen, nach 12 Monaten dann zu jährlichen
endoskopischen Untersuchungen einschließlich Chromoendoskopie mit Lugol´scher
Lösung geraten.
4.5.2
Carcinoma in situ
Der Patient (Kürzel IS) mit einem Carcinoma in situ wurde zur endoskopischen
Mukosektomie vorgestellt, die primär komplikationslos durchgeführt werden konnte. Die
Nachsorgeuntersuchungen einschließlich Chromoendoskopie ergaben bisher keinen Anhalt
für ein Rezidiv.
4.5.3
Karzinosarkom
Ein Patient (Kürzel WB) wurde bei schlechtem Allgemeinzustand einer lokoregionalen
Radiotherapie
zugeführt.
Histologisch
bestand
der
Verdacht
auf
eine
Submucosainfiltration. Das Tumorstadium entsprach nach AJCC einem Stadium I bzw.
nach UICC T1N0M0. Vier Monate nach Beginn der Radiotherapie war der Lokalbefund
noch unauffällig. Der Patient verstarb an einem Multiorganversagen auf dem Boden einer
Mitralklappenendokarditis mit Nachweis von MRSA und Enterococcus faecalis in der
Blutkultur.
4.5.4 Ösophaguskarzinome
Ein Patient (Kürzel HB) klagte schon bei der stationären Aufnahme über eine seit Wochen
progrediente Dysphagie, welche mit dem endoskopischen Befund eines exophytischen,
subtotal stenosierenden Ösophaguskarzinoms über eine Ausdehnung von 5 cm gut zu
97
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
vereinbaren war. Aufgrund der Ausdehnung des Tumors, der eingeschränkten Compliance
und des schlechten Allgemeinzustandes war ein operatives Vorgehen nicht möglich, so daß
der Patient nach Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie einer palliativen
Radiotherapie mit transthorakaler Applikation von 50 Gy sowie dreimaligem Afterloading
mit jeweils 5 Gy zugeführt wurde. Unter diesem Therapieregime ließ sich die ungehinderte
Nahrungspassage wieder herstellen. Im Verlauf versäumte der Patient sämtliche
Nachsorgetermine und stellte sich auch bei seinem angegebenen Hausarzt nicht mehr vor.
Die anderen drei Patienten (Patientenkürzel HW, KH und GL) hatten zum Zeitpunkt der
Diagnosestellung keine mit dem Tumor in Verbindung stehenden Beschwerden und wiesen
auch bei der klinischen Untersuchung keinerlei Hinweise auf das Vorliegen eines Tumors
auf.
Der Patient mit dem Kürzel HW mußte zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits einem
Stadium II B nach AJCC zugeordnet werden mit computertomographisch nachweisbaren
vergrößerten lokoregionären Lymphknoten, die alle radiologischen Kriterien einer
lymphatischen Metastasierung erfüllten. Auch nach ausführlichen Gesprächen über die
Prognose des unbehandelten Speiseröhrenkrebses lehnte dieser Patient jegliche weitere
Therapie ab.
Der Patient mit dem Kürzel KH befand sich bei Diagnosestellung in einem schlechten
Allgemeinzustand mit fortgeschrittener Leberzirrhose, so daß auch dieser Patient im
klinischen Stadium T1N0M0 einer Radiotherapie mit 50 Gy sowie dreimaligem
Afterloading mit jeweils 5 Gy im Sinne einer endoluminalen Brachytherapie unterzogen
wurde. Auf eine kombinierte Radiochemotherapie wurde in Anbetracht des schlechten
Allgemeinzustandes mit einem Karnofwsky-Index von 50 % verzichtet. Bei der 2 Monate
nach Abschluß der Bestrahlung durchgeführten Ösophagogastroduodenoskopie inklusive
Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung zeigte sich wieder ein fast normales
Färbeverhalten der Schleimhaut. Die erneut umfangreich entnommen Gewebeproben
lieferten den Befund einer chronischen Ösophagitis mit umschriebenen Dyskariosen ohne
Malignitätsnachweis (s. Anhang Abb. 8.7a-d).
Ein Patient (Kürzel GL) litt zwar unter mehreren Begleiterkrankungen wie einer
chronischen Pankreatitis ethyltoxischer Genese sowie einer chronisch obstruktiven
98
4 Ergebnisse
______________________________________________________________
Lungenerkrankung bei Nikotinabusus, wies aber ansonsten einen guten Allgemeinzustand
auf. Aufgrund eines rezidivierenden Ulkusleidens war 1975 eine Billroth-II-MagenOperation erfolgt, die 1982 wegen Dumping-Syndroms in einen Billroth-I-Magen
umgewandelt worden war. Als Zufallsbefund war bei der konventionell endoskopischen
Untersuchung eine diskrete Schleimhauteinziehung beobachtet worden, die biopsiert
wurde. Hier war differentialdiagnostisch ein mäßig differenziertes Plattenepithelkarzinom
versus einem plattenepithelialen Carcinoma in situ bei fehlenden eindeutigen Zeichen eines
invasiven Wachstums diskutiert worden. Nach Chromoendoskopie mit Lugol´scher
Lösung und gezielter Gewebeprobeentnahme aus dem ungefärbten Schleimhautareal hatte
sich dann die Diagnose eine Plattenepithelkarzinoms bestätigt. Die Staginguntersuchungen
ergaben das klinische Stadium T1N0M0, nach AJCC einem Stadium I entsprechend. Nach
entsprechender Aufklärung des Patienten mit Erläuterung der erhöhten Operationsrisiken
und der therapeutischen Alternativen wurden in der Viszeralchirurgischen Klinik der
Evangelischen Kliniken Gelsenkirchen mit kurativer Zielsetzung eine abdomino-thorakale
(rechtsthorakale)
Ösophagusresektion,
Restgastrektomie,
Splenektomie,
ausgiebige
Adhäsiolyse und Rekonstruktion mit Jejunuminterponat primär komplikationslos
durchgeführt. Makroskopisch sah der Pathologe bei der Betrachtung des Resektates eine
unregelmäßige und verfestigte Schleimhaut, die sich auf den Schnittflächen als
1,4 cm x 1,2 cm grau-weißer Tumor darstellte, der histologisch die Submukosa infiltrierte
und bereits in einen regionären Lymphknoten metastasiert hatte. Somit mußte die
präoperative Stadieneinteilung korrigiert werden mit jetzt pT1pN1M0, damit einem Stadium
II B nach AJCC entsprechend. Postoperativ entwickelte sich bedauerlicherweise in der
Folge ein Multiorganversagen mit konsekutivem Exitus letalis am fünften postoperativen
Tag.
99
5 Diskussion
______________________________________________________________
5
Diskussion
5.1
Methodische Probleme
5.1.1 Patientenkollektiv
Das wichtigste Einschlußkriterium war neben der aus verschiedenen Gründen indizierten
Ösophagogastroduodenoskopie das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit. Die Aussagen
zum Alkoholkonsum wurden retrospektiv nach der gemittelten Menge-Frequenz-IndizesMethode (Fragetechnik: durchschnittliche Trinkmenge und Häufigkeit) notiert und in den
täglichen
Alkoholkonsum in
Gramm/Tag
bzw.
als
Alkoholindex
(konsumierte
Alkoholmenge in Gramm/Tag multipliziert mit der Dauer des Alkoholkonsums in Jahren)
umgerechnet. Eine solche Berechnung, die auf subjektiven retrospektiven Angaben basiert,
birgt natürlich Fehlerquellen in sich. So müssen die ermittelten Zahlen als Richtdaten
angesehen werden und dürfen in keinem Fall als Absolutwerte betrachtet werden. Bei der
Aufschlüsselung der Patientendaten und Charakterisierung des Risikoprofils der
untersuchten Patienten wurde diesem Umstand durch eine große Referenzwertspanne der
jeweiligen Risikogruppe Rechnung getragen. In der Literatur führt die gemittelte MengeFrequenz-Methode im Vergleich zu anderen Verfahren (z. B. der Time-Line-Technik:
Alkoholtrinkmengen werden für jeden einzelnen Tag der letzten 30 Tage bestimmt) zur
signifikant niedrigeren Angabe der Anzahl an Trinktagen, der Menge des jeweils
getrunkenen Alkohols und der Anzahl der Tage, an denen sehr viel Alkohol getrunken
wurde („excessive drinking days“) [163]. Insgesamt ist also eher von einer Unterschätzung
der konsumierten Alkoholmenge auszugehen. In Hinblick auf die Praktikabilität und die
Vergleichbarkeit der Daten mit vielen epidemiologischen Studien, die ebenfalls die
Quantity-Frequency-Methode verwandten, liefert die angewandte Methode aber eine gute
Korrelationsmöglichkeit
ohne
Anspruch
auf
eine
exakte
Bestimmung
der
Alkoholtrinkmengen.
Ähnlich wurde bei der Ermittlung des weiteren Risikoprofils und möglicher präventiver
Einflüsse auf die Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus verfahren: So
wurden der Nikotinkonsum ebenso wie die Einnahme nichtsteroidaler Antirheumatika
nach der Quantity-Frequency-Methode mit der geschilderten Problematik bestimmt.
100
5 Diskussion
______________________________________________________________
Weiterhin
war
ein
kleiner
Anteil
des
Patientenklientels
aufgrund
schwerster
alkoholtoxischer Schädigungen mit Ausbildung eines fortgeschrittenen KorsakowSyndroms gar nicht in der Lage, sinnvolle Angaben zu den anamnestischen Fragen zu
machen und wurde hinsichtlich des Risikoprofils separat betrachtet.
Als wichtiger Aspekt bleibt ebenfalls kritisch zu berücksichtigen, daß Patienten mit
Alkoholabhängigkeit aufgrund von Incompliance und mangelnder Krankheitseinsicht oft
schon einer Primärprävention nicht zugänglich sind und sich die Sekundärprävention – wie
sie die Früherkennung von Ösophaguskarzinomen darstellt - als ebenso problematisch
erweist.
5.1.2
Konventionelle Ösophagogastroduodenoskopie
In den Endoskopielaboren standen neben den Glasfiberendoskopen auch Videoendoskope
zur
Verfügung.
Der
Schleimhautläsionen
deutliche
bei
der
Zugewinn
in
Verwendung
der
von
Beurteilung
von
Videoendoskopen
kleineren
gegenüber
Fiberendoskopen läßt sich klar dokumentieren. Weitere Verbesserungen, wie sie mit
Magnifikations- oder Vergrößerungsendoskopen erzielt werden können, sind bisher nur
ausgewählten Zentren vorbehalten. Die für diese Untersuchung verwendeten Geräte
entsprechen der gerätetechnischen Routineausstattung vieler Endoskopielabore, so daß
speziell unter dem Gesichtspunkt der Intention dieser Studie zur breit angelegten
Früherkennung von Ösophaguskarzinomen bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit eine
gute Vergleichbarkeit besteht.
Zur Diagnostik auch kleinster Schleimhautveränderungen bedarf es neben der
Gerätetechnik selbstverständlich des geschulten Auges und fundierten Wissens des
Untersuchers.
Zeitgleich
aufgezeichnete
Videoaufnahmen
der
endoskopischen
Untersuchungen gestatteten retrospektiv eine Kontrolle der erhobenen morphologischen
Befunde insbesondere im Vergleich zu den Befunden der folgenden Chromoendoskopie
des Ösophagus mit Lugol´scher Lösung.
Weitere Fehlermöglichkeiten wie mangelnde Kooperation der Patienten mit Unruhe bzw.
Würgen während der Untersuchung wurden durch ausführliche Erklärung des
Untersuchungsablaufes, schonende Untersuchungstechnik mit sparsamer Luftinsufflation
101
5 Diskussion
______________________________________________________________
und falls notwendig mit Hilfe einer anxiolytischen bzw. sedierenden Prämedikation
minimiert. Die Dosierung der Sedativa wurde dabei individuell durch fraktionierte Gabe
titriert, um unerwünschte Nebenwirkungen beziehungsweise Komplikationen zu
vermeiden.
Bei
keinem
der
so
prämedizierten
Patienten
konnte
mit
dieser
Applikationstechnik eine Beeinflussung vegetativ-autonomer Funktionen beobachtet
werden. Beim Einsatz von Midazolam als Prämedikation zeigten 16 % der untersuchten
Patienten eine erhöhte Toleranz gegen die sedierenden Eigenschaften des Medikamentes.
Diese verminderte Wirksamkeit läßt sich einerseits durch einen zeitgleich bestehenden
Medikamentenabusus, andererseits in stärkerer Ausprägung durch die Entwicklung einer
Kreuztoleranz bei Alkoholabhängigkeit begründen. So sind Sedativa bei Patienten mit
Alkoholabhängigkeit oft weniger wirksam, wenngleich der akut sedierende Effekt der
Substanzen beim Nichtgewöhnten durch Alkohol verstärkt wird. In diesen ausgewählten
Fällen wurde Propofol als Kurznarkotikum ebenfalls komplikationslos eingesetzt. Dabei
erfolgte
allerdings
grundsätzlich
ein
intensives
Monitoring
der
Patienten
mit
Kreislaufüberwachung einschließlich Pulsoxymetrie in Anwesenheit eines weiteren
intensivmedizinisch geschulten Arztes. In den seltenen Fällen einer vermehrten Peristaltik
als
Untersuchungserschwernis
wurde
nach
Ausschluß
von
Kontraindikationen
Butylscopolamin intravenös verabreicht.
5.1.3 Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung
Wie bereits bei der konventionellen Endoskopie thematisiert konnte eine mangelnde
Kooperation
mit
rezidivierendem
Würgen
und
somit
Verunreinigung
der
Ösophagusschleimhaut während der Untersuchung durch ausführliche Erklärung des
Untersuchungsablaufes, schonende Untersuchungstechnik mit sparsamer Luftinsufflation
sowie eine suffiziente Prämedikation minimiert werden.
Zu Beginn der Studie wurde eine 3-%ige Lugol´sche Lösung verwandt, später zur
Reduktion möglicher durch die Lugol´sche Lösung induzierter Nebenwirkungen eine
1-%ige Lösung. Bezüglich der Absorption des Farbstoffes und der Färbeintensität konnten
keine Unterschiede bei der Verwendung einer 3-%igen oder 1-%igen Lugol´schen Lösung
festgestellt werden. In einer Studie [115] war es unter der 3-%igen Lugol´schen Lösung
zum gehäuften Auftreten von oropharyngealem Brennen als Nebenwirkung gekommen, so
daß auch hier die Konzentration der Lösung reduziert worden war. Diese Arbeitsgruppe
102
5 Diskussion
______________________________________________________________
kam sogar zu dem Schluß, daß die Applikation der Lugol´schen Lösung zwar einfach und
schnell umgesetzt werden kann, aber ohne Sedierung nicht gut toleriert wird. Der Einsatz
einer Natriumthiosulfatlösung als anerkannte Methode zur Reduktion der Nebenwirkungen
wurde in dem Untersuchungsablauf dieser Studie nicht erwähnt, so daß dadurch eine
Verbesserung der Chromoendoskopietoleranz noch möglich erscheint [87]. Zahlreiche
andere Arbeiten lobten die gute Verträglichkeit der Lugol´schen Lösung, ohne sich jedoch
explizit zu einer verwendeten Prämedikation oder zum Einsatz von Natriumthiosulfat zu
äußern [5,36,52,189]. In der vorliegenden Studie konnte als unerwünschte Nebenwirkung
lediglich bei 5 % der untersuchten Patienten ein kurzzeitiger initialer Ösophagusspasmus
endoskopisch beobachtet werden, ohne daß die Patienten über ein Schmerzereignis
klagten. Dabei muß berücksichtigt werden, daß 80 % der untersuchten Patienten bereits
während der konventionell endoskopischen Untersuchung eine sedierende Medikation
erhalten hatten. Ein leichtes retrosternales Brennen beschrieb eine Patientin nach
Beendigung der Untersuchung. Alle beobachteten Nebenwirkungen traten nach
Applikation der 1-%igen Lugol´schen Lösung auf. Da nur ein geringes Patientenkontingent
mit der 3-%igen Lugol´schen Lösung untersucht wurde, läßt sich bezüglich der Häufigkeit
von unerwünschten Nebenwirkungen im Vergleich 1-%ige versus 3-%ige Lösung keine
signifikante Aussage treffen. Zeichen einer allergischen Reaktion oder die Schilderung von
Übelkeit
als
in
der
Literatur
beschriebene,
meist
konzentrationsabhängige
Nebenwirkungen ließen sich nicht feststellen.
Der weitere Untersuchungsablauf war gekennzeichnet durch die Entnahme von mehreren
Biopsien aus chromoendoskopisch ungefärbten Arealen > 5mm. Entscheidend für das
Ergebnis einer feingeweblichen Untersuchung ist dabei die Gewinnung einer gezielten
Biopsie von guter Qualität und Größe. Drei der untersuchten Patienten zeigten multiple
ungefärbte Areale im gesamten Ösophagus, von denen konsequent alle Bezirke > 5 mm
biopsiert worden sind. Trotz Entnahme mehrerer Biopsien pro ungefärbtem Areal besteht
die Möglichkeit eines falsch-negativen Befundes, da insbesondere dysplastische Mukosaveränderungen nur einen ganz geringen Anteil der ungefärbten Läsion ausmachen können.
Ein weiterer Schwachpunkt betrifft die fehlende Biopsiemöglichkeit bei auftretenden
Gerinnungsstörungen, wie sie bei einem Patientenkollektiv mit Alkoholabhängigkeit
aufgrund
ethyltoxischer
Leber-
und
Knochenmarksschädigung
oder
bestehender
Malnutrition nicht selten vorkommen. So wiesen zwei der untersuchten Patienten
103
5 Diskussion
______________________________________________________________
ungefärbte Areale bei konventionell endoskopisch primär nicht malignomverdächtigem
Schleimhautbefund auf, die jedoch nicht biopsiert werden konnten und somit nur durch
endoskopische Verlaufskontrollen weiter beobachtet werden können.
5.1.4
Histologische Untersuchung
Die
feingeweblichen
Untersuchungen
der
gewonnenen
Biopsien
aus
den
chromoendoskopisch ungefärbten Ösophagusschleimhautarealen wurden von zwei
verschiedenen pathologischen Instituten durchgeführt, die sicherlich auch interne
Besonderheiten bezüglich der Bearbeitung und Auswertung von Gewebeproben aufweisen.
Bei der Diagnose einer hochgradigen Dysplasie wurde grundsätzlich den allgemeinen
Empfehlungen folgend die entsprechende Läsion nochmals umfangreich biopsiert und die
Zweitmeinung eines weiteren Pathologen auch in Hinblick auf die sich ergebenden
Therapiekonsequenzen eingeholt.
Wie in der Literatur beschrieben, gab es zwischen westlichen Pathologen (aus
Nordamerika, Europa) insgesamt jedoch eine gute Diagnosenübereinstimmung hinsichtlich
Dysplasien, Carcinomata in situ und invasiven Karzinomen, wohingegen japanische
Pathologen eine diskrepante Bewertung trafen [42,50,117]. So basierte die Diagnose eines
Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus in Japan hauptsächlich auf Kern- und strukturellen
Merkmalen, wohingegen die westlichen Pathologen die Invasion als Hauptkriterium
ansahen. Dies führte zur differenten Einordnung insbesondere von Läsionen, die in
westlichen Ländern als nichtinvasive leichtgradige Dysplasien bezeichnet worden sind, in
Japan dagegen als oberflächliche intramuköse Karzinome eingestuft wurden. Dieser
Unterschied in der diagnostischen Praxis ist sicherlich auch ein Erklärungsansatz für die
relativ hohe Inzidenzrate und die gute Prognose des oberflächlichen Ösophaguskarzinoms
in Japan [150].
Mittels der auch in dieser Arbeit verwandten revidierten Fassung der Vienna Klassifikation
für intramuköse Neoplasien bei oberflächlichen neoplastischen Läsionen ließ sich
zwischen westlichen und asiatischen Pathologen eine größtmögliche Übereinstimmung
erzielen [39]. Die entscheidende Veränderung dieser Klassifikation besteht in der
Zusammenführung einer hochgradigen Dysplasie mit einem intramukösen Karzinom zu
einer Gruppe [39,98,99,103].
104
5 Diskussion
______________________________________________________________
5.1.5
Diskussion der Korrelation der anamnestischen, klinischen, konventionell
endoskopischen und chromoendoskopischen Daten
Aufgrund der geringen Zahl der „positiven“ Ergebnisse in Hinblick auf die Erstdiagnose
einer plattenepithelialen präkanzerösen oder kanzerösen Ösophagusschleimhautläsion kann
eine Korrelation der erhobenen Daten zur näheren Charakterisierung dieses speziellen
Patientenkollektivs nur eine hinweisende Funktion haben. Signifikante Ergebnisse in
Bezug
auf
mögliche
Schwellenwerte
des
Alkohol-
und
Nikotinkonsums,
die
Risikofaktorenkonstellationen oder die Rolle der präventiven Faktoren lassen sich somit
nicht erheben. Die Auswertung mittels Definition von Risikogruppen kann eine
annähernde Vergleichbarkeit der Daten schaffen und eine einfachere Einordnung
hinsichtlich des Risikoprofils ermöglichen. Die Referenzbereiche für die einzelnen
Risikokategorien wurden bewußt weit gefaßt, um den nur als relativ zu bewertenden
subjektiven Dosis- und Häufigkeitsangaben Rechnung zu tragen. Jegliche Strukturierung in
Risikogruppen
basiert
letztendlich
auf
willkürlichen
Einteilungen,
wenngleich
Bemühungen um nachvollziehbaren Unterteilungen beispielsweise durch Berücksichtigung
geschlechtsspezifischer
unterschiedlicher
Grenzwerte
oder
einer
potentiellen
Erwerbsfähigkeit oder Vergleichbarkeit mit den Daten aus Veröffentlichungen einfließen.
Neben den Angaben zur resultierenden Risikogruppe wurde auch der absolut ermittelte
Zahlenwert mit angegeben.
5.2
Diskussion
diagnostischer
Ösophaguskarzinoms
und
Strategien
seiner
zur
Früherkennung
Vorstufen
unter
eines
besonderer
Berücksichtigung europäischer Risikokollektive
Wie bereits im Kapitel 1 ausführlich beschrieben, stellt sich das Ösophaguskarzinom als
sehr aggressiver Tumor dar, der lediglich in den Frühstadien eine gute Prognose aufweist.
Somit kommt der Frühdiagnostik des Ösophaguskarzinoms eine große klinische Relevanz
zu. Die nichtinvasiven, „einfachen“ diagnostischen Verfahren wie die anamnestische
Exploration und klinische Untersuchung führen bei fehlenden Symptomen und
unauffälligem körperlichen Untersuchungsbefund in den Anfangsstadien häufig nicht
weiter, so daß die apparative Diagnostik in den Vordergrund rückt.
105
5 Diskussion
______________________________________________________________
Screening-Programme führten in Japan zu einer Steigerung der Frühkarzinominzidenzrate
von 4 % auf 24 % [141,166,191]. In westlichen Ländern hingegen ließ sich trotz
zunehmender endoskopischer Untersuchungszahlen eine niedrige, nahezu stagnierende
Inzidenzrate von 0,7 – 4,7 % für das Ösophagusfrühkarzinom verzeichnen [57,166]. Ein
kritisches Überdenken der diagnostischen Strategien wurde somit zwingend notwendig.
Massenscreening-Programme mittels verschiedener Ösophagusdurchzugsverfahren mit
Gewinnung von oberflächlichem Zellmaterial zur zytologischen Beurteilung wie sie
erfolgreich in den Hochrisikopopulationen betrieben wurden [19,36,56,139,187], führten
am Beispiel Chinas dazu, daß 70 % der Ösophaguskarzinome im Tumorstadium Tis bzw.
T1 entdeckt werden konnten [166,189]. In westlichen Ländern ließ sich aufgrund der
niedrigen Inzidenz des Ösophaguskarzinoms kein Benefit aus dem Einsatz zytologischer
Massenscreening-Verfahren
erzielen.
In
einer
Studie
an
255
männlichen,
alkoholabhängigen Rauchern ließ sich mittels zytologischer Screeningmethoden bei
12,5 % der untersuchten Patienten die Diagnose einer Plattenepitheldysplasie stellen, die
sich allerdings nur in 2 Fällen endoskopisch und chromoendoskopisch bestätigte [76].
Zudem muß die Methode der abrasiven Zytologie bei alkoholabhängigen Patienten kritisch
betrachtet werden. Insbesondere besteht das Risiko, komplikativ eine Blutung aus
Ösophagusvarizen oder Ösophagusulzerationen zu induzieren [115,146]. Zum Vergleich
litten in dem hier untersuchten Kollektiv immerhin 22,3 % der Patienten unter
Ösophagusvarizen, weitere 5,7 % wiesen eine Mallory-Weiss-Läsion auf und 0,9 % eine
Ösophagusulzeration. In westlichen Ländern stellt sich somit die konventionelle
Endoskopie des oberen Verdauungstraktes als Methode der ersten Wahl zur Frühdiagnostik
der Ösophaguskarzinome dar. Bei der Erkennung früher kanzeröser bzw. präkanzeröser
Läsionen, von denen einige als sogenannte occulte Veränderungen der endoskopischen
Detektion entgehen können, haben sich additiv verschiedene chromoendoskopische
Verfahren etablieren können. In Deutschland empfiehlt sich im Rahmen der
frühdiagnostischen Strategien die Lugol´sche Lösung als additiver Farbstoff, da trotz
steigender
Inzidenzzahlen
bei
den
Adenokarzinomen
weiterhin
die
Plattenepithelkarzinome den Hauptanteil der Ösophaguskarzinome in Mitteleuropa
ausmachen [33,50]. In Hinblick auf die niedrige Inzidenz der Ösophaguskarzinome in
Deutschland erscheint jedoch ein globales Screening-Programm mittels endoskopischer
Methoden nicht sinnvoll. Zu fordern ist somit eine systematische Erfassung der
Risikokollektive, die einer Frühdiagnostik zugeleitet werden müssen.
106
5 Diskussion
______________________________________________________________
Die vorliegende Arbeit untersucht 229 Patienten mit Alkoholabhängigkeit als
Risikokollektiv für die Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus. Wie in
Kapitel 1.3 ausführlich beschrieben ist der chronische Alkoholkonsum als ein wesentlicher
kausaler Faktor zu werten, der sich in westlichen Ländern in mehr als 90 % der
Ösophaguskarzinomfälle in Kombination mit dem Nikotinkonsum ermitteln ließ [166].
Pathogenetisch scheint eine Dosis-Wirkungs-Beziehung der zugeführten Alkoholmenge
unabhängig
von
der
Art
des
alkoholischen
Getränkes
vorzuliegen
[4,10,23,26,84,95,104,128,148,177,194]. Gerade in Anbetracht der insbesondere auch von
Jugendlichen geschätzten und mit zunehmender Häufigkeit konsumierten sogenannten
Alcopops als alkoholische Mischgetränke gewinnt dieser Gesichtspunkt aktuelle Brisanz.
Betrachtet man die epidemiologische Studienlage zur Erfassung der Alkoholabhängigkeit
in der deutschen Bevölkerung, so beruht die häufig angeführte epidemiologische
Schätzung von 2,5 Millionen Alkoholabhängigen in Deutschland auf den Daten einer
Studie aus dem Jahre 1977 [54]. Den neueren schriftlich durchgeführten Bundesstudien
von 1997 und 2000 liegt als Definitionsgrundlage des Alkoholmißbrauchs und der
Alkoholabhängigkeit das amerikanische DSM-IV-System zugrunde, das zur besseren
Vergleichbarkeit auch als Basis dieser Arbeit diente [145]. Als Ergebnis dieser
Repräsentativerhebungen zum Konsum psychotroper Substanzen bei den 18 – 59-Jährigen
in Deutschland resultierte die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit bei circa 3 % der
deutschen Bevölkerung 1997 und bei 2,4 % im Jahre 2000, entsprechend 1,6 Millionen
Deutschen bezogen auf die Zwölf-Monatsprävalenz [90,91]. Dabei ließen sich 78 % der
befragten 18 – 59-Jährigen in Deutschland 2000 (N=7987) nach den Kriterien von
Bühringer et al. [21] in die Grenzen für einen risikoarmen Konsum einordnen. Weitere
12 % betrieben demnach einen riskanten, 4 % einen gefährlichen und 0,7 % der
18 – 59-Jährigen einen Hochkonsum hinsichtlich der Menge des täglich konsumierten
Alkohols in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung. In der Literatur findet sich
weiterhin die Angabe von mindestens 75 % Rauchern unter den Alkoholikern als weiterer
unabhängiger, aber das Risiko potenzierender Faktor [160]. In dieser Arbeit ließ sich sogar
eine Rate von insgesamt 89 % der untersuchten Personen bestimmen, die zusätzlich einen
Nikotinkonsum betrieben. Als weitere Risikogruppen konnten Patienten mit Tumoren des
oberen Aerodigestivtraktes [51,125,159,172,178] sowie einer Achalasie identifiziert
werden, die zahlenmäßig im Vergleich allerdings nur eine untergeordnete Rolle spielen
[113,142,146,185]. Als Therapiefolge wiesen auch solche Patienten mit einer
107
5 Diskussion
______________________________________________________________
Radiotherapie in der Vorgeschichte ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines
Ösophaguskarzinoms auf [32,50]. Eine regional erhöhte Speiseröhrenkrebsrate spielt für
Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wie zum Beispiel Frankreich
hingegen keine Rolle [32].
Als Fazit müssen nach epidemiologischer Studienlage jene Personen mit chronischem
Alkoholkonsum sowohl zahlenmäßig, als auch hinsichtlich der Risikofaktorkonstellation
als größtes Risikokollektiv in Deutschland gewertet und somit einer Frühdiagnostik
zugeleitet werden.
5.3
Diskussion der klinischen Daten des untersuchten Patientenkollektivs
5.3.1 Biographische Patientendaten
Bei der Analyse des untersuchten Patientenkollektivs fällt eine Schwerpunktverlagerung
zugunsten des männlichen Geschlechtes mit 187 männlichen Patienten versus
42 Patientinnen auf. Dies führt zur mangelnden Vergleichbarkeit der Daten zwischen
männlichem und weiblichem Geschlecht. Darüber hinaus ergibt sich aus dem zahlenmäßig
begrenzten weiblichen Patientengut eine eingeschränkte Aussagefähigkeit der Befunde, die
das weibliche Geschlecht betreffen. Die Ursache dieser Unterrepräsentation des weiblichen
Geschlechtes kann nur spekulativ bleiben, jedoch muß der prozentual höhere Anteil der
Männer in den Kategorien gefährlicher Alkoholkonsum bis Hochkonsum, wie in einer
Repräsentativerhebung zum Gebrauch psychoaktiver Substanzen bei Erwachsenen in
Deutschland 2000 [91] angeführt wird, berücksichtigt werden. Lediglich in der Gruppe des
risikoarmen Konsums waren die Frauen mit 83 % im Vergleich zu den Männern mit 74 %
stärker vertreten. Bei den Männern wird der Anteil der Alkoholabhängigen mit riskantem
und gefährlichem Konsum mit 34,7 % ungefähr viermal so hoch wie bei Frauen (8 %)
beziffert [44]. Eine weitere Literaturangabe postuliert, daß bei 29 % der Männer, aber nur
bei 9 % der Frauen, die in ein Allgemeinkrankenhaus eingewiesen werden, eine
alkoholassoziierte Erkrankung vorliegt, so daß die Geschlechterverteilung im untersuchten
Patientenkollektiv diese Prozentzahlen gut abzubilden scheint. Vergleichsstudien aus
Frankreich, Japan und Brasilien [5,52,115,189,190] untersuchten trotz teils großem
Patientenkollektiv sowohl absolut, als auch relativ deutlich weniger bzw. keine weiblichen
Patienten (das größte Kollektiv betrug 7 Patientinnen in der französischen Arbeit), so daß
108
5 Diskussion
______________________________________________________________
die vorliegende Arbeit trotz der angeführten Bedenken die umfangreichste Studie zur
Früherkennung von Ösophaguskarzinomen mittels Chromoendoskopie bei weiblichen
Patienten mit Alkoholabhängigkeit darstellt.
In Bezug auf die Altersstruktur des untersuchten Patientenkollektivs sind Patienten im
Alter zwischen 40 und 65 Jahren als stärkste Gruppe vertreten. Die epidemiologischen
Daten gehen von einem Altersgipfel von 55 Jahren für das Plattenepithelkarzinoms aus, so
daß das untersuchte Patientengut als repräsentativ angesehen werden kann.
5.3.2 Alkoholkonsum
Die erhobenen Daten spiegeln ein Vorherrschen des gefährlichen Alkoholkonsums und
Hochkonsums sowohl bei den männlichen, als auch bei den weiblichen Patienten wider.
Ban und Mitarbeiter beschrieben in einer prospektiv angelegten Studie eine signifikant
höhere Prävalenz für die Entwicklung eines Ösophaguskarzinoms ab einem Alkoholindex
von mehr als 4000 im Vergleich zu denjenigen Alkoholabhängigen mit einem Index von
< 2000 Alkohol-Jahren [5]. Im untersuchten Kollektiv errechnete sich bei 16,1 % der
Patienten ein Alkoholindex größer als 4000 als Ausdruck eines langjährigen und/oder
exzessiv betriebenen Alkoholabusus. Insgesamt muß das ausgewählte Patientenkollektiv
also hinsichtlich der Ausprägung des betriebenen Alkoholkonsums als repräsentatives
deutsches Risikokollektiv für die Entwicklung eines Speiseröhrenkrebs gewertet werden.
Die veröffentlichten Daten des Bundesverbandes der Deutschen Spirituosen-Industrie
und -Importeure e. V. aus der Alkoholwirtschaft 2002 in Deutschland dokumentieren einen
pro Kopf-Verbrauch für Bier von 5,8 Litern reinem Alkohol, für Spirituosen von
2,0 Litern, für Wein von 2,2 Litern und für Schaumwein von 0,4 Litern reinem Alkohol
[22]. Auch die untersuchte Personengruppe präferierte als häufigste Konsumgewohnheiten
das reine Biertrinken sowie den Genuß von Spirituosen in Kombination mit Bier und
spiegelt somit die deutschen Trinkgewohnheiten gut wider. Ein Patient mit einem
gesicherten Ösophaguskarzinom fiel durch einen „niedrigen“ Alkoholindex von
377 Alkohol-Jahren auf. Der tägliche Alkoholkonsum errechnete sich allerdings mit 188 g
reinem Alkohol als Hinweis auf einen wohl erst kurzzeitig bestehenden exzessiven
Alkoholabusus. Die Schlußfolgerung, daß die Menge des täglich zugeführten Alkohols mit
einem höheren Speiseröhrenkrebsrisiko verbunden zu sein scheint als die Dauer des
betriebenen Alkoholkonsums in Jahren, wird auch durch die Literatur gestützt [100].
109
5 Diskussion
______________________________________________________________
5.3.3 Leberveränderungen
Nach Studienlage gehören die Lebererkrankungen zusammen mit der chronischen
Pankreatitis und den Malignomen zu den häufigsten Alkoholfolgeerkrankungen [66,160],
so daß die Leber als markantes und gut zu untersuchendes Stoffwechselorgan als Indikator
für die bereits vorliegenden alkoholassoziierten Organschädigungen genauer betrachtet
wurde. In der Literatur wird eine Fettleber bei Patienten mit chronischem Alkoholkonsum
in bis zu 90 % der Fälle beschrieben und eine Leberzirrhose in 20 – 30 % [66,160]. Die
Ergebnisse dieser Studie decken sich weitgehend mit diesen Daten, so ließ sich bei
insgesamt 94,3 % der untersuchten 229 Patienten mit Alkoholabhängigkeit eine
Leberveränderung nachweisen, davon 59 % im Sinne einer Fettleber und 34 % als
Leberzirrhose der verschiedenen Stadien nach Child-Pugh. Konform zu der Erkenntnis
einer höheren Empfindlichkeit der weiblichen Leber in Bezug auf die Entwicklung einer
alkoholinduzierten fortschreitenden Lebererkrankung [6,151] war in dem untersuchten
Kollektiv der prozentuale Anteil weiblicher Patienten mit einer Lebererkrankung höher. So
ließ sich bei 60 % der Männer, aber 64 % der Frauen eine Fettleber nachweisen. Ebenso
konnte die Diagnose einer Leberzirrhose prozentual häufiger bei den weiblichen Patienten
mit 33 % versus 30 % bei den männlichen Patienten gestellt werden. Die diagnostizierten
primären oder sekundären malignen Leberveränderungen bei insgesamt 2 Patienten
müssen als Zufallsbefunde gedeutet werden und standen in keiner Beziehung zu
Ösophaguskarzinomen.
5.3.4 Nikotinkonsum
Die Analyse des Nikotinkonsums als unabhängiger, aber insbesondere in Kombination mit
dem chronischen Alkoholkonsum potenzierender Risikofaktor, ergab mit 89 % einen
deutlichen
höheren
Raucheranteil
im
untersuchten
Patientenkollektiv
als
der
epidemiologisch geschätzte Wert von mehr als 75 % Rauchern unter den Alkoholikern
[160]. Der Prozentsatz der Raucher mit nachgewiesenem Ösophaguskarzinom oder
präkanzerösen plattenepithelialen Läsionen betrug im untersuchten Patientengut 90 %.
Dieser Wert korreliert hervorragend mit den Ergebnissen einer Studie, die retrospektiv
erhob, daß 90 % der Patienten mit einem Plattenepithelkarzinom des Ösophagus einen
gesteigerten Alkoholkonsum betrieben und gleichzeitig geraucht haben [20]. Keiner der
Patienten, die angaben, Pfeifenraucher zu sein, litt unter einem Malignom der Speiseröhre
110
5 Diskussion
______________________________________________________________
oder seiner Vorstufen. Bei einem Anteil von lediglich 0,9 % der untersuchten
229 Patienten können jedoch keinerlei Rückschlüsse auf den Risikograd von
Pfeifenrauchen geschlossen werden.
5.3.5 Weitere Risikofaktoren
Weitere Risikofaktoren eines Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus ließen sich bei
2 männlichen und 2 weiblichen Patienten nachweisen im Sinne von Tumoren des oberen
Aerodigestivtraktes bzw. Radiotherapien des Brustkorbs in der Vorgeschichte. Die
Feststellung, daß bei keinem dieser Patienten endoskopisch bzw. chromoendoskopisch eine
präkanzeröse Läsion oder gar ein Ösophaguskarzinom nachgewiesen werden konnte, läßt
jedoch aufgrund des geringen Patientenkollektivs keine Schlußfolgerungen zur Wertigkeit
der unterschiedlichen Risikofaktoren bzw. - konstellationen zu.
5.3.6
Protektive Faktoren
Als Ergebnis dieser Arbeit ließ sich bei insgesamt 58 (25 %) der 229 untersuchten
Patienten, die gelegentliche oder regelmäßige Einnahme eines NSAR verzeichnen.
Auffallend war unter Berücksichtigung des kleinen weiblichen Patientenkollektivs ein
Prozentsatz von 76,2 % Frauen respektive nur 13,9 % Männern, die ein nichtsteroidales
Antirheumatikum, sei es regelmäßig oder gelegentlich, zu sich nahmen. Auch für diese
Feststellung gilt jedoch, daß aufgrund des begrenzten Patientenkollektivs keine
Korrelationen zwischen der Einnahme nichtsteroidaler Antirheumatika und dem
Speiseröhrenkrebsrisiko abgeleitet werden können. In Anbetracht der hohen Einnahmerate
und dem fehlenden Nachweis eines Ösophaguskarzinoms bzw. seiner Vorstufen bei den
weiblichen Patienten ergibt sich jedoch auch in dieser Studie ein Hinweis auf den
protektiven Wert der NSAR hinsichtlich der Entstehung von Plattenepithelkarzinomen des
Ösophagus. Gestützt wird diese Annahme durch die Erkenntnis, daß von allen 12 Patienten
mit gesichertem Ösophaguskarzinom oder mit intraepithelialen Neoplasien nur 1 Patient
Acetylsalicylsäure eingenommen hat.
Als weiteres protektives Element wurden retrospektiv die Ernährungsgewohnheiten der
Patienten besonders hinsichtlich des regelmäßigen Verzehrs von Gemüse und Früchten
erfragt. Nur 24 Patienten, davon 17 weibliche Personen, gaben an, sich grundsätzlich oder
111
5 Diskussion
______________________________________________________________
überwiegend
ausgewogen
zu
ernähren.
Alle
Patienten
mit
präkanzerösen
plattenepithelialen Ösophagusschleimhautveränderungen bzw. mit einem gesicherten
Ösophaguskarzinom beurteilten ihre Ernährung als „ungesund“ mit nur geringem Anteil an
Gemüse und Obst. Sicherlich kann auch in diesem Punkt ein Hinweis auf den schützenden
Effekt eines regelmäßigen Verzehrs von Gemüse und Früchten abgeleitet werden. Gemäß
der Intention dieser Studie wurde jedoch nur eine grobe Fragetechnik nach einer
ausgewogenen Ernährungsweise angewandt, so daß allenfalls richtungsweisende
Rückschlüsse resultieren können.
5.3.7
Symptome und Aufnahmediagnosen
Als Ergebnis dieser Untersuchung wies nur ein Patient mit einem Ösophaguskarzinom
(Stadium I nach AJCC) ein „charakteristisches“ Symptom im Sinne einer Dysphagie auf.
Ein Patient mit einer synchron vorliegenden leicht- und mittelgradigen Dysplasie der
Ösophagusschleimhaut hatte ebenfalls dysphagische Beschwerden angegeben, deren
Ursache sich jedoch ebensowenig wie die gastrointestinale Blutung eines weiteren
Patienten durch die jeweils diagnostizierten Dysplasien erklären ließ. Alle anderen
Patienten mit nachgewiesenen Ösophaguskarzinomen - insbesondere auch alle Patienten
mit oberflächlichem Karzinom - oder deren Vorstufen litten eigenanamnestisch unter
keinerlei
richtungsweisenden
Beschwerden
bzw.
objektiv
faßbaren
körperlichen
Krankheitsstigmata. Die Ergebnisse verdeutlichen die beschriebene Problematik der
Ösophaguskarzinomdiagnostik in den frühen Stadien mit oft unauffälliger Anamnese und
dem unauffälligen körperlichen Untersuchungsbefund. Hingegen boten 45 weitere
Patienten ohne Nachweis einer malignen oder präkanzerösen Läsion des Ösophagus ein
Beschwerdebild, das mit dem Vorliegen eines Ösophaguskarzinoms hätte in Einklang
stehen
können.
Somit
besteht
eine
weitere
Schwierigkeit
der
Ösophaguskarzinomdiagnostik in der geringen Spezifität der Symptome. Auffällig bei der
Patientenanalyse war jedoch die Beobachtung, daß bei allen Patienten mit gesicherten
Ösophaguskarzinomen oder präkanzerösen plattenepithelialen Läsionen bis auf eine
Ausnahme alkoholassoziierte Erkrankungen zur stationären Aufnahme führten, als
Ausdruck eines doch deutlich toxisch vorgeschädigten Patientenkollektivs.
112
5 Diskussion
______________________________________________________________
5.4
Diskussion der Untersuchungsergebnisse
5.4.1
Konventionellen Ösophagogastroduodenoskopie
5.4.1.1 Ösophagus
Die konventionelle Ösophagoskopie enthüllte 148 pathologische Veränderungen im
Bereich der Speiseröhre. Dabei muß der chronische Alkoholkonsum bei der Entstehung
von 95,3 % der erhobenen Befunde am Ösophagus als pathogenetischer Faktor betrachtet
werden.
Dieser
hohe
Prozentsatz
alkoholassoziierter
Speiseröhrenveränderungen
verdeutlicht den toxischen Schädigungsgrad des Patientenkollektivs und zwar speziell des
im Mittelpunkt des Interesses stehenden Ösophagus. Als suspekt hinsichtlich des
Vorliegens einer präkanzerösen Bedingung, Präkanzerose oder eines malignen Prozesses
wurden insgesamt 14 konventionell endoskopisch detektierte Befunde eingestuft und
deskriptiv detailliert beschrieben. Das Spektrum der Schleimhautläsionen reichte dabei von
einer umschriebenen Rötung über fokale Ösophaguswandretraktionen, eine Läsion mit
granulierter Oberfläche, einen umschriebenen fibrinbedeckten Bezirk, eine Ulzeration bis
zum exophytischen, subtotal stenosierenden Prozeß. Insbesondere die oberflächlichen
Ösophaguskarzinome wiesen als morphologisches Korrelat nur minimale Veränderungen
im Sinne von gering ausgedehnten Ösophaguswandretraktionen bzw. einer fokalen
Schleimhautrötung auf. Diese Feststellung stützt das in der Literatur beschriebene
Phänomen, daß gerade die oberflächlichen Karzinome einer konventionell endoskopischen
Detektion leicht entgehen können [48,89,168,178] und betont somit die Wertigkeit
additiver
chromoendoskopischer
Verfahren
bei
der
Frühdiagnostik
des
Ösophaguskarzinoms.
5.4.1.2 Magen und Duodenum
Im Rahmen der konventionell endoskopischen Gastroduodenoskopie konnte bei insgesamt
32 % der untersuchten 229 Patienten eine als alkoholassoziiert zu deutende Erkrankung des
Magens und Duodenums festgestellt werden. Alkohol schädigt im Magen und Dünndarm
konzentrationsabhängig
die
Schleimhaut
einerseits
über
eine
Schädigung
der
Mukosabarriere, andererseits über die Induktion einer Entzündung. Klinisch manifestiert
sich diese alkoholinduzierte Schädigung vor allem als akute und dabei vornehmlich
113
5 Diskussion
______________________________________________________________
hämorrhagische Gastritis und Duodenitis [85,160]. Eine Assoziation zwischen der Inzidenz
peptischer Ulzera und dem Konsum alkoholischer Getränke bestätigte sich nach
Literaturangaben allerdings nicht [160]. Auch die Refluxösophagitis muß wie in Kapitel
1.3 ausführlich dargelegt als alkoholtoxische Entzündung gewertet werden. Der
Häufigkeitsvergleich der toxischen Schädigungszeichen im Bereich des Ösophagus versus
Magen und Duodenum führte zu der Erkenntnis, daß im untersuchten Kollektiv die Organe
in der folgenden Abfolge durch eine alkoholassoziierte Entzündung betroffen waren:
Speiseröhre mit 29 % Refluxösophagitiden, Magen mit 19 % erosiven Gastritiden und
kompletten Erosionen, Duodenum mit 7 % erosiven Bulbitiden und kompletten Erosionen.
Rückschlüsse auf eine erhöhte Empfindlichkeit der Speiseröhre versus Magen versus
Duodenum gegenüber der toxischen Alkoholwirkung lassen sich in Anbetracht des
begrenzten Patientenkollektivs sowie in Anbetracht weiterer pathogenetischer Cofaktoren
jedoch nicht ziehen.
5.5 Diskussion der Bedeutung der Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung bei
der
Früherkennung
von
Plattenepithelkarzinomen
und
präkanzerösen
plattenepithelialen Läsionen des Ösophagus
Wissenschaftler der verschiedensten Länder beschäftigten sich intensiv mit der
Früherkennung von Ösophaguskarzinomen. Als wichtige Verbesserung der Frühdiagnostik
kristallisierte sich die Charakterisierung von Risikokollektiven heraus. Alkoholabhängige
Personen
standen
dabei
als
große
Risikogruppe
für
die
Entwicklung
eines
Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus im Mittelpunkt des Interesses und wurden
zunächst
konventionell
endoskopisch
untersucht
gefolgt
von
einer
additiven
Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung.
Zwei
japanische
prospektive
Studien,
die
sich
mit
der
Früherkennung
von
Ösophaguskarzinomen und deren Vorstufen bei Patienten mit Alkoholkrankheit befaßten,
konnten mittels des oben angeführten Studienkonzeptes eine Prävalenzrate von 3,3 % bzw.
3,9 % für T1-Tumore und Carcinomata in situ feststellen. Die eine Studie untersuchte
255 männliche Alkoholiker, bei denen sich konventionell endoskopisch 8 oberflächliche
Karzinome des Ösophagus diagnostizieren ließen. Nach Applikation der Lugol´schen
Lösung erhöhte sich diese Rate um weitere 5 oberflächliche Karzinome und 1 Dysplasie,
so daß insgesamt 13 Ösophaguskarzinome bei 10 Patienten detektiert wurden, von denen 3
114
5 Diskussion
______________________________________________________________
auf das Epithel begrenzt waren, 7 auf die Lamina propria und 3 auf die Submucosa. Ein
multizentrisches Tumorwachstum ließ sich bei 3 der 10 Patienten mit einem
oberflächlichen Ösophaguskarzinom nachweisen [5]. Die andere breit angelegte japanische
Studie erfaßte 629 männliche Patienten mit chronischem Alkohol- und Nikotinkonsum, die
chromoendoskopisch mit 3-%iger Lugol´scher Lösung untersucht wurden. Bei
162 Patienten fielen nach Chromoendoskopie jeweils ungefärbte Areale auf, von denen
sich insgesamt 36 Areale bei 21 Patienten als Manifestation eines Karzinoms erwiesen.
Dabei konnten 19 von 20 oberflächlichen Karzinomen vom flachen Typ sowie 5 von
14 Karzinomen vom leicht eingesunkenen Typ ausschließlich nach Anfärbung der
Schleimhaut mit Lugol´scher Lösung diagnostiziert werden. Die oberflächlich und
vorgewölbten oder oberflächlichen und leicht erhabenen Typen waren hingegen alle auch
konventionell endoskopisch beschrieben worden. Der Anteil der nur chromoendoskopisch
detektierten oberflächlichen Karzinome entsprach 66,7 % der insgesamt diagnostizierten
Karzinome. Bei 12 von 21 Patienten mit einem nachgewiesenen Karzinom lag ein
multizentrisches Wachstum vor, das erst chromoendoskopisch deutlich sichtbar wurde.
Hinsichtlich der Invasionstiefe waren 8 Karzinome auf das Epithel begrenzt, 9 auf die
Lamina propria und 4 auf die Submucosa. Fünf der untersuchten Patienten wiesen einen
Tumor des oberen Aerodigestivtraktes auf, von denen bei 2 Patienten synchron ein
Ösophaguskarzinom diagnostiziert werden konnte [189].
Auch in Europa wurden ähnlich konzipierte Studien zur Frühdiagnostik des
Ösophaguskarzinoms bei alkoholabhängigen Patienten initiiert. Eine französische
Arbeitsgruppe untersuchte 158 Patienten, darunter 7 weibliche, die als Hochrisikokollektiv
für die Entwicklung eines Ösophaguskarzinoms einzustufen waren. So betrug der mittlere
errechnete Alkoholkonsum der untersuchten Patienten 86 + 46 g reinen Alkohol pro Tag
über eine mittlere Zeitspanne von 26 + 11 Jahren. Bei der Quantifizierung des
Nikotinkonsums wurden durchschnittlich 30 + 18 pack-years ermittelt. Drei Patienten
wiesen einen Tumor im Bereich des oberen Aerodigestivtrakt als weiteren Risikofaktor
auf. Die Diagnose eines invasiven Karzinoms oder einer intraepithelialen Neoplasie ließ
sich siebzehn Mal (13,6 % der ungefärbten Areale) bei 13 Patienten stellen. Im Rahmen
der konventionellen Videoendoskopie wurden 12 invasive Plattenepithelkarzinome des
Ösophagus diagnostiziert sowie 1 intraepitheliales Karzinom und 2 hochgradige
Dysplasien. Ausschließlich nach Einsatz der Lugol´schen Lösung konnten im Vergleich
zur konventionellen Endoskopie eine weitere hochgradige Dysplasie, ein weiteres
115
5 Diskussion
______________________________________________________________
intraepitheliales Karzinom und ein weiteres invasives Karzinom nachgewiesen werden
[115].
Als Ergebnis der vorliegenden Studie an 187 männlichen und 42 weiblichen Patienten mit
Alkoholabhängigkeit ließen sich insgesamt 4 Ösophaguskarzinome, 1 Carcinoma in situ
sowie 5 Dysplasien, davon 1 hochgradige, 2 mittelgradige und 2 leichtgradige, als
plattenepitheliale präkanzeröse und kanzeröse Läsionen detektieren. Die hochgradige
Dysplasie, das Carcinoma in situ und alle Ösophaguskarzinome einschließlich der
oberflächlichen imponierten dabei bereits konventionell endoskopisch als suspekte
Ösophagusschleimhauttexturstörungen.
ausgeprägten
Veränderungen
der
Bemerkenswert
oberflächlichen
waren
die
Karzinome
nur
mit
nur
minimal
fokalen
Ösophaguswandretraktionen bei ansonsten morphologisch unauffälliger Schleimhaut bzw.
nur umschriebener Schleimhautrötung. Alle bereits makroskopisch als suspekt eingestuften
Läsionen zeigten ein auffälliges Färbeverhalten mit scharf abgegrenzten ausgesparten
Arealen, so daß eine gezielte Gewebeprobenentnahme leicht möglich war. Auffällig war
neben der deutlichen Demarkation der Veränderungen auch die konventionell teils deutlich
unterschätzte regionale Ausdehnung. Nur aufgrund des chromoendoskopischen Befundes
konnten bei makroskopisch völlig unauffälliger Schleimhaut – auch retrospektiv im
Rahmen der Videokontrolle so beurteilt - zwei leichtgradige und eine mittelgradige
Dysplasie aufgefunden werden.
Der plattenepithelialen Dysplasie kommt in Hinblick auf die Früherkennung von
Ösophaguskarzinom jedoch eine besondere Bedeutung zu. Zwar stellt die Dysplasie
grundsätzlich eine reversible Veränderung dar, die auf einer kontrollierten Zellproliferation
beruht, jedoch erscheint es probat, eine Dysplasie aufgrund des biologischen Verhaltens als
früheste maligne Entartung der Ösophagusschleimhaut anzusehen. Dabei nimmt das Risiko
einer
malignen
Transformation
[35,42,52,83,93,96,98,141].
Eine
mit
zunehmendem
chinesische
Studie
Grad
der
befaßte
Dysplasie
sich
mit
zu
der
Verlaufsbeobachtung von 682 Patienten mit den Diagnosen unauffällige Schleimhaut,
Basalzellhyperplasie, leicht-, mittel- und hochgradige Dysplasie sowie Carcinoma in situ.
Während einer Verlaufszeit von dreieinhalb Jahren entwickelten 7,6 % der beobachteten
Patienten ein Plattenepithelkarzinom des Ösophagus. Dabei ließ sich für die mittel- und
hochgradige Dysplasien und die Carcinomata in situ ein signifikant höheres
Karzinomrisiko ermitteln. Der Risikograd der hochgradigen Dysplasie war dabei sogar
116
5 Diskussion
______________________________________________________________
ähnlich hoch wie der des Carcinoma in situ [35]. Diese Daten belegen die Wertigkeit einer
frühzeitigen Diagnostik der Dysplasien, die sich häufig - wie auch in dieser Studie
bewiesen - als occulte Veränderungen darstellen und der konventionell endoskopischen
Diagnostik entgehen können.
Eine brasilianische Studie, die sich ebenfalls mit dem Nutzen der Chromoendoskopie mit
Lugol´scher Lösung bei der Diagnostik von Dysplasien bei Hochrisikopatienten befaßte,
analysierte 190 männliche Patienten mit extrem hohem Alkohol- und zeitgleich
betriebenem Nikotinkonsum. Dort wurde der mittlere Alkoholkonsum mit 321 + 173 g
Alkohol pro Tag angegeben. Bei der konventionellen Endoskopie fielen lediglich
makroskopisch zwei leicht erhabene Schleimhautläsionen auf, die histologisch als
Ösophaguskarzinom klassifiziert wurden. Nach Anfärbung der Schleimhaut durch die
Lugol´sche Lösung ließen sich 25 ungefärbte Areale bei 25 Patienten (12,2 % der
Patienten) darstellen. Die feingewebliche Untersuchung der Biopsate enthüllte in 26,2 %
der ungefärbten Areale dysplastische Veränderungen, dabei zweimal in Form einer
hochgradigen (8,7 %) und viermal in Form einer leichtgradigen Dysplasie (17,4 %), die
alle als occulte Veränderungen bezeichnet wurden und der konventionell endoskopischen
Diagnostik somit entgangen wären [52].
Neben den alkoholabhängigen Patienten als Risikogruppe für das Plattenepithelkarzinom
des Ösophagus wurden in verschiedenen Arbeiten auch andere risikobehaftete
Personengruppen einer Screeninguntersuchung unterzogen. Dabei bestätigte sich der Wert
der Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung in ähnlicher Form für die verschiedensten
Risikokollektive. Chinesische Studien wurden konzipiert mit der Intention, den Wert der
Chromoendoskopie des Ösophagus mit Lugol´scher Lösung für die endoskopische
Erkennung und genaue Abgrenzung von Plattenepitheldysplasien und –karzinomen in
regionalen Hochrisikogebieten abzuklären. Dazu wurden Personen aus diesen Gebieten mit
einer hohen Ösophaguskarzinominzidenz zunächst einer Screeninguntersuchung mittels
Ballonzytologie unterzogen. Bei Hinweisen auf das Vorliegen dysplastischer oder bereits
entarteter Zellen schloß sich eine konventionelle Endoskopie mit nachfolgender
Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung an [36,139,181]. Dawsey und Mitarbeiter
entdeckten bei 225 Patienten bereits konventionell endoskopisch 20 Ösophaguskarzinome
bei 19 Patienten. Nach Applikation der Lugol´schen Lösung fanden sich 253 ungefärbte
Areale, die sich einerseits als Ösophaguskarzinom in den bereits konventionell
117
5 Diskussion
______________________________________________________________
endoskopisch detektierten 20 Fällen darstellten, weiterhin jedoch auch vierundneunzig Mal
bei 66 Patienten als mittel- und schwergradige Dysplasien. Nur mit Hilfe der
Chromoendoskopie ließen sich dysplastische Veränderungen bei 17 der 31 Patienten mit
einer mittelgradigen und bei 8 der 35 Patienten mit einer hochgradigen Dysplasie
diagnostizieren [36]. Andere chinesische Arbeitsgruppen, die umfangreichere regionale
Hochrisikokollektive mit 1500 bzw. 3164 Patienten untersuchten, konnten ebenfalls
chromoendoskopisch problemlos Frühkarzinome und hochgradige Dysplasien enthüllen.
Insgesamt konnten 100 % der Ösophagusfrühkarzinome, 95,6 % der hochgradigen
Dysplasien, 96,6 % der mittelgradigen und 92,3 % der leichtgradigen Dysplasien als
ungefärbte Areale nach Applikation der Lugol´schen Lösung identifiziert werden
[181,182]. Die Autorengruppen kommen zu dem Schluß einer ausgezeichneten Sensitivität
und Spezifität der Methode, die zu einer Verbesserung hinsichtlich der Früherkennung von
Ösophaguskarzinomen und präkanzerösen Läsionen beiträgt [182].
Patienten mit Tumoren des oberen Aerodigestivtraktes gehörten ebenfalls zu den
untersuchten
Hochrisikogruppen
für
das
Plattenepithelkarzinom
des
Ösophagus
[51,108,159,178]. Eine japanische und eine brasilianische Arbeitsgruppe unterzogen
178 bzw. 60 Patienten mit Tumoren des oberen Aerodigestivtraktes einer konventionell
endoskopischen Screeninguntersuchung einschließlich Chromoendoskopie mit Lugol´scher
Lösung.
Histopathologisch
wiesen
22
bzw.
5
Patienten
dysplastische
Schleimhautveränderungen und 9 bzw. 5 Patienten ein Karzinom auf. In der japanischen
Studie konnten 88,9 % der Karzinome in einem Frühstadium ohne lymphatische
Metastasierung diagnostiziert werden, dabei lag bei 2 Patienten ein multizentrisches
Tumorwachstum vor, so daß insgesamt 13 Karzinome bei 9 Patienten entdeckt wurden.
Lediglich 4 der 13 Karzinome konnten dabei bereits konventionell endoskopisch detektiert
werden [159,178]. Eine andere japanische Arbeitsgruppe untersuchte auf die gleiche Weise
ein umfangreicheres Kollektiv von 788 Patienten mit nachgewiesenen Tumoren in der
Kopf-Hals-Region. Histologisch ließen sich bei der Screeninguntersuchung in 93 Fällen
(11,8 %) Ösophaguskarzinome, davon 72 (77,4 %) Frühkarzinome bestätigen [108]. Die
hohe Rate der Frühkarzinome weist erneut auf den diagnostischen Nutzen der additiven
Chromoendoskopie hin.
Auch Studien an Patienten mit einer Achalasie als Risikofaktor für die Entwicklung eines
Ösophaguskarzinoms bestätigten die Effektivität der Chromoendoskopie mit Lugol´scher
118
5 Diskussion
______________________________________________________________
Lösung. So lobt die Arbeitsgruppe um Yamamuro den Wert der Chromoendoskopie bei
der Detektion von Dysplasien und malignen Läsionen insbesondere in Hinblick auf die bei
zwei Drittel der Patienten mit Achalasie bestehenden Schleimhautveränderungen [185].
Die Chromoendoskopie besitzt folglich auch bei diesem Risikokollektiv einen erheblichen
Stellenwert bei der Früherkennung von (oberflächlichen) Karzinomen bzw. von
Plattenepitheldysplasien [113,142,146,185].
Als Fazit hat sich die Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung bei den verschiedenen
Risikokollektiven für die Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms bewährt, so daß ihr
Einsatz in der Routineendoskopie von Risikopatienten zu fordern ist. Bei einem
Altersgipfel von 55 Jahren bei den Plattenepithelkarzinomen des Ösophagus sowie einem
raschen Progreß dieser Erkrankung sollte zudem eine regelhafte chromoendoskopische
Screeninguntersuchung der Risikokollektive ab dem 55. Lebensjahr in jährlichen
Intervallen erwogen werden.
In der aktuellen Literatur findet sich die Fallbeschreibung eines 42-jährigen Mannes mit
chronischem Alkohol- und Nikotinkonsum, bei dem ein fortgeschrittenes 7 cm langes die
ganze Zirkumferenz umfassendes Plattenepithelkarzinom des Ösophagus diagnostiziert
worden war. In der Vorgeschichte war der Patient 16 und 20 Monate vor Erstdiagnose des
Ösophaguskarzinoms aufgrund einer Hämatemesis mit Nachweis jeweils einer MalloryWeiss-Läsion
endoskopiert
worden
und
8
Monate
zuvor
aufgrund
von
Oberbauchschmerzen und Erbrechen. Zu diesem Zeitpunkt waren lediglich eine
Hiatushernie und eine Erosion im Magen als pathologische Befunde entdeckt worden. Eine
angefertigte
Fotodokumentation
des
Ösophagus
zeigte
bereits
diskrete
Schleimhautunregelmäßigkeiten, von den Autoren jedoch auch retrospektiv als
weitestgehend normale Schleimhaut bezeichnet. Eine endoskopische Untersuchung
8 Monate später aufgrund einer progredienten Dysphagie enthüllte das beschriebene
fortgeschrittene Karzinom. Kurze Zeit nach durchgeführter subtotaler Ösophagusresektion
verstarb der Patient [186]. Dieser tragische Verlauf zeigt zum einen den raschen Progreß
der Erkrankung, mahnt aber vor allem zu erhöhter Sensibilität in Hinblick auf die
Detektion kleinster Schleimhautveränderungen und weist besonders auch auf die
Notwendigkeit additionaler Verfahren hin, die die Frühdiagnose erleichtern.
119
5 Diskussion
______________________________________________________________
Das Bestreben, Ösophaguskarzinome in einem frühen Stadium zu diagnostizieren, rückte
die teilweise schwer detektierbaren oberflächlichen Karzinome in den Mittelpunkt.
Bemerkenswert bei der vorliegenden Untersuchung waren die nur minimalen
Veränderungen als morphologisches Korrelat der oberflächlichen Karzinome im Sinne von
fokalen Schleimhautrötungen bzw. gering ausgedehnten Ösophaguswandretraktionen bei
ansonsten makroskopisch unauffälliger Ösophagusschleimhaut. So bergen insbesondere
der flache Typ 0-II der oberflächlichen Karzinome als flacher bzw. der flache und leicht
eingesunkene Sub-Typ 0-II c die Gefahr, einer Detektion bei einer konventionellen
endoskopischen Untersuchung zu entgehen [48,89,168,178]. Wie eine Multicenter-Studie
in Japan jedoch aufgezeigt hat konnte von insgesamt 1562 Läsionen bei den
oberflächlichen Karzinomen vorrangig der flache Typ (Typ 0-II) diagnostiziert werden mit
dem leicht eingesunkenen Sub-Typ c als häufigste Untergruppe [86]. Diese Daten decken
sich auch mit einem nationalen japanischen Screening-Programm 1999, bei dem in 53 %
der Fälle die oberflächliche neoplastische Läsion als Subtyp 0-IIc bewertet wurde [98].
Dawsey und Mitarbeiter postulierten 1993, daß 81 % der mittel- oder hochgradigen
Dysplasien bzw. karzinösen Läsionen mit konventionell endoskopisch detektierbaren
Schleimhauttexturstörungen einhergehen, so daß bis zu 94 % der Patienten mit moderater
oder schwerer Dysplasie bzw. Entartung nur durch Gewinnung einer gezielten Biopsie aus
makroskopisch verdächtigen Bezirken identifiziert worden wären [34]. Zu beachten ist,
daß die gleiche Arbeitsgruppe 5 Jahre später eine weitere Studie an 225 Patienten mit
auffälligem Befund in der Ballonzytologie durchführte und zu diesem Zeitpunkt
vermerkte, daß 55 % der mittelgradigen und 23 % der hochgradigen Dysplasien nur nach
Applikation der Lugol´schen Lösung entdeckt worden seien [36]. Auch diese
Arbeitsgruppe empfiehlt letztlich den Einsatz der Chromoendoskopie mit Lugol´scher
Lösung als einfache, hochsensitive Technik bei der Entdeckung von plattenepithelialen
präkanzerösen und kanzerösen Bezirken, gerade auch dann, wenn eine optimale
Visualisation von abnormen Befunden des Plattenepithels gefordert ist. Die Diskrepanz zu
den Ergebnissen der früheren Studie dieser Forschergruppe macht deutlich, daß die
Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung auch kritische Stimmen von ihrem Nutzen zu
überzeugen vermochte.
Von zahlreichen Arbeitsgruppen wird weiterhin die exakte Abschätzbarkeit der
Ausdehnung und Abgrenzung suspekter Bezirke nach Aufbringen der Lugol´schen Lösung
auf die Schleimhaut angeführt [5,36,40,52,115,122,127,185,189]. So wird die Ausdehnung
120
5 Diskussion
______________________________________________________________
einer Läsion konventionell endoskopisch häufig zumindest leicht unterschätzt mit
erheblichen Folgen für die Therapieplanung, gerade auch in Hinblick auf den Einsatz
weniger invasiver Verfahren wie der Mukosektomie oder photodynamischen Therapie. Die
oben bereits angeführte Arbeitsgruppe um Dawsey und Mitarbeiter ermittelte, daß sich
88 % der hochgradigen Dysplasien oder Karzinome nach Chromoendoskopie ausgedehnter
oder klarer demarkiert darstellten [36]. Eine chromoendoskopische Untersuchung mit
Lugol´scher Lösung wird somit vor Beginn einer endoskopischen Therapie zwingend
gefordert. Die Ergebnisse dieser Arbeit bestätigen diese Aussage. So wies ein Patient eine
minimale
Schleimhautretraktion
bei
makroskopisch
ansonsten
unauffälliger
Schleimhauttextur auf. Chromoendoskopisch demarkierte sich klar ein ungefärbtes Areal,
das in seiner Ausdehnung zuvor nicht zu erfassen war und einem Plattenepithelkarzinom
im klinischen Stadium T1N0M0 entsprach (s. Anhang Abb. 8.7a und 8.7b).
Nicht
nur
hinsichtlich
der
Früherkennung
und
genauen
Abgrenzung
von
Ösophaguskarzinomen und deren Vorstufen hat sich die Chromoendoskopie mit
Lugol´scher Lösung etabliert, sondern vor allem auch bei der Detektion additionaler
Läsionen [82,94,192]. Mehrere Studien befaßten sich mit der Koexistenz von
dysplastischen
Schleimhautveränderungen
Plattenepithelkarzinomen
des
Ösophagus
bei
bzw.
Patienten
mit
mit
diagnostizierten
einem
multizentrischen
Tumorwachstum [94,123,126]. Eine japanische Arbeitsgruppe untersuchte postoperativ die
Ösophagusresektate von 248 Patienten mit nachgewiesenem Ösophaguskarzinom auf die
Koexistenz von Dysplasien. Die histopathologische Aufarbeitung in Serienschnittechnik
ergab bei 29,4 % der untersuchten Patienten die Diagnose einer synchron vorliegenden
Dysplasie. Die Häufigkeit einer koexistenten Dysplasie nahm dabei mit zunehmender
Tumorinvasionstiefe ab. Die höchste Rate additionaler dysplastischer Läsionen mit bis zu
71 % wiesen jene Patienten auf, deren Ösophaguskarzinom auf die Muscularis mucosae
beschränkt war. Ein multizentrisches Karzinomwachstum im Vergleich zu einem solitären
Karzinom war mit einem Prozentsatz von 47,6 % versus 8,2 % häufiger mit einer
koexistenten Dysplasie aller Grade verbunden [141]. Mehrere Studien konnten zudem eine
signifikante Beziehung zwischen der Anzahl der chromoendoskopisch ungefärbten Areale
in der Umgebung eines Karzinoms und der Inzidenz eines multizentrischen
Tumorwachstums darstellen [119,126,127]. Das Auftreten eines multizentrischen
Ösophaguskarzinoms bei Alkoholabhängigen wird in der Literatur mit einer Rate von
15,4 % in einer französischen Arbeit bis zu einer Rate von 57,1 % in einer japanischen
121
5 Diskussion
______________________________________________________________
Untersuchung an 629 Alkoholikern beziffert [115,189]. Auch Patienten mit einem Tumor
des oberen Aerodigestivtrakt scheinen vielfach ein multizentrisches Tumorwachstum
aufzuweisen [125,126,159]. So ermittelte eine japanische Arbeitsgruppe bei 4 von
5 Patienten mit einem synchron vorliegenden Ösophaguskarzinom und bei einem von
5 mit einem metachronen Karzinom ein multizentrisches Wachstumsmuster [159].
Angesichts der Häufigkeit eines multizentrischen Tumorwachstums und einer koexistenten
Dysplasie bei konventionell endoskopisch gesicherten Plattenepithelkarzinomen des
Ösophagus muß dringend eine zusätzliche Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung zur
präzisen Abschätzung der Ausdehnung und Grenzen, als auch zur Detektion von
additionalen Läsionen empfohlen werden. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie ergaben
zwar kein multizentrisches Wachstumsmuster der Ösophaguskarzinome, jedoch lagen bei
einem Patienten simultan eine leichtgradige Dysplasie im distalen Ösophagusdrittel und
eine mittelgradige im proximalen Ösophagusdrittel vor, die beide nur chromoendoskopisch
detektiert werden konnten.
Das Verhältnis zwischen der Gesamtzahl ungefärbter Areale und der im Vergleich dazu
niedrigen Rate detektierter präkanzeröser und maligner Läsionen wird häufig als
Diskussionspunkt angeführt. Die vorliegende Studie an 229 Alkoholikern ergab bei der
histopathologische Beurteilung der Biopsate in 67 % der chromoendoskopisch ungefärbten
Areale eine benigne Schleimhautveränderung im Sinne einer Ösophagitis, einer Nekrose,
einer Zylinderepithelzellmetaplasie vom Kardiatyp oder einer Leukoplakie. Bei der
Leukoplakie handelt es sich primär um einen deskriptiven Begriff des makroskopischen
Erscheinungsbildes mit dem histologischen Korrelat einer Hyper- oder Parakeratose. Die
einfache Leukoplakie ohne Zellatypien im Bereich des Ösophagus gilt im Gegensatz zur
Leukoplakie
anderer
Lokalisationen
wie
beispielsweise
der
Mundhöhlen-
und
Kehlkopfschleimhaut nicht als Präkanzerose. Bei den detektierten malignen Läsionen muß
der Nachweis der Karzinosarkominvasion der Submukosa als Sonderfall betrachtet
werden. Ein Karzinosarkom als seltener bösartiger Tumor mit sowohl karzinomatösem, als
auch sarkomatösem Anteil kann bei plattenepithelialer karzinomatöser Komponente zur
fehlenden Anfärbung der Schleimhaut nach Applikation der Lugol´schen Lösung führen.
In diesem Fall läßt sich die Farbaussparung im Bereich der Abtragungsstelle nach erst
kürzlich durchgeführter endoskopischer Ektomie eines 1,6 cm großen polypoiden
Karzinosarkoms allerdings eher durch die erst begonnene Reepithelialisierung mit noch
dünner glykogenhaltiger Epithelschicht erklären. Ähnliche Phänomene können auch nach
122
5 Diskussion
______________________________________________________________
Radiotherapie, endoskopischer Mukosektomie oder nach photodynamischer Therapie
beobachtet werden. Damit ist als Ursache einer verminderten Anfärbung eines
Schleimhautareals
bei
der
Chromoendoskopie
mit
Lugol´scher
Lösung
differentialdiagnostisch neben der präkanzerösen und kanzerösen plattenepithelialen
Läsion sowie der Entzündung auch immer an eine fehlende Reepithelialisation, eine noch
dünne Epithelschicht, an ein residuales Zylinderepithel oder ein fibrotisches Gewebe zu
denken [1,109] (vergleiche auch Anhang Abb. 8.2b-d). Als Besonderheit bei den
detektierten Veränderungen sind die Zylinderepithelzellmetaplasien vom spezialisierten
Typ zu betrachten, die als präkanzeröse Bedingung für die Entwicklung eines
Adenokarzinoms anzusehen sind. So kann zwar mittels des Lugol´schen Farbstoffes die
Ausdehnung der Zylinderepithelzellmetaplasie durch die fehlende Anfärbung gut
abgegrenzt werden (siehe Anhang Abb. 8.2d), jedoch kann keine Differenzierung zwischen
dem spezialisierten Typ als präkanzeröse Bedingung einerseits und dem Kardia- oder
Fundustyp andererseits getroffen werden. Auch finden sich bei der Verwendung dieses
Farbstoffes keine Hinweise auf dysplastische Areale innerhalb des metaplastischen
Schleimhautsegmentes mit der Möglichkeit einer gezielten Gewebeprobeentnahme [122].
Somit wurden die diagnostizierten Barrett-Syndrome als „Zufallsbefunde“ bei der
Beurteilung der Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung vernachlässigt. Als im
Mittelpunkt des Interesses stehende präkanzeröse oder maligne plattenepitheliale Läsionen
stellten sich 16,4 % der 61 chromoendoskopisch detektierten Areale im Sinne einer
Dysplasie, eines Carcinoma in situ bzw. eines Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus dar.
Ähnliche Daten finden sich auch in der Literatur. Als Hauptursache für eine verminderte
Anfärbung der Ösophagusschleimhaut nach Applikation der Lugol´schen Lösung
kristallisierte sich die Entzündung in den meisten Studien heraus. In zwei japanischen,
einer brasilianischen und einer französischen Studie, die alkoholabhängige Patienten
chromoendoskopisch mit Lugol´scher Lösung untersuchten, bestätigte sich die Ösophagitis
mit einem Prozentsatz von mehr als 56 % als häufigste Ursache für die verminderte
Anfärbeintensität der Schleimhaut. Der Anteil der detektierten präkanzerösen und
kanzerösen Läsionen wird in den verschiedenen Studien mit Werten zwischen 14,4 und
34,9 % in Bezug auf die Gesamtzahl der ungefärbten Areale beziffert und bildete damit
den am zweithäufigsten gestellten histopathologischen Befund [5,52,115,185]. Dawsey
und Mitarbeiter untersuchten 225 Patienten mit dem ballonzytologisch hochgradigen
Verdacht auf eine Dyplasie oder ein Karzinom und ermittelten bei diesem
Patientenkollektiv sogar eine Rate von 45 % präkanzeröser oder kanzeröser Läsionen
123
5 Diskussion
______________________________________________________________
bezogen auf die gesamten ungefärbten Areale. Das weitere histopathologische
Diagnosespektrum reichte von regelrecht strukturierter Ösophagusschleimhaut mit einem
Prozentsatz von 7 bis 11 %, über die Parakeratosen, das Barrettepithel, die heterotope
Magenschleimhaut bis zu den Granulosazelltumoren, die aber allesamt nur eine
nebensächliche Rolle in Anbetracht der seltenen Diagnosestellung spielten [36]. Als
Erklärung für die fehlende Anfärbung von histologisch als regelrecht befundeter
Ösophagusschleimhaut wurde vor allem eine Ausdünnung der Epithelschicht mit
konsekutiv
vermindertem Glykogengehalt der
Schleimhaut
diskutiert
[115,122].
Diskrepante Resultate lieferte eine chinesische Studie an 3164 Patienten aus einem
Hochrisikogebiet mit einer Rate von 98,7 % (!) präkanzeröser und maligner
Ösophagusschleimhautveränderungen gemessen an den gesamten detektierten Arealen. Die
übrigen 1,3 % der ungefärbten Bezirke hätten in 0,9 % eine Ösophagitis und in 0,4 % eine
unauffällige Ösophagusschleimhaut ergeben [182]. Die Mehrzahl der Studien decken sich
aber mit den Daten der vorliegenden Arbeit, die die Spezifität der Chromoendoskopie
hinsichtlich der Detektion präkanzeröser und kanzeröser plattenepithelialer Läsionen als
eher eingeschränkt bewerten. So lassen sich in der Literatur Zahlenangaben überwiegend
von etwa 60 % finden, in einzelnen Arbeiten bis hin zu 90 % [36,52,56].
Forschungsprojekte,
die
eine
Verbesserung
der
Spezifität
durch
eine
weitere
Differenzierung der ungefärbten Areale anhand der Farbintensität oder Form anstrebten,
konnten nur Anhaltspunkte liefern. So wiesen Mori und Mitarbeiter nach, daß die meisten
ungefärbten Areale (als Grad IV bezeichnet) invasive Karzinome, Carcinomata in situ
sowie schwere Dysplasien enthielten, während mittel- und leichtgradige Dysplasien teils
auch nur eine verminderte Färbeintensität (als Grad III bezeichnet) aufwiesen. Die geringer
gefärbten Areale zeigten häufig eine unscharfe Berandung, wohingegen sich alle
Karzinome, die in vermindert gefärbten Arealen (Grad III) diagnostiziert wurden, exakt
demarkierten [122]. Klare Richtlinien lassen sich erwartungsgemäß nur auf Kosten einer
Verschlechterung der Sensitivität erstellen. Auch die Daten der vorliegenden Arbeit
können richtungsweisende Unterschiede in der Färbeintensität oder Demarkation der
präkanzerösen und kanzerösen Areale im Vergleich zu benignen Läsionen nicht bestätigen.
Eine brasilianische Arbeitsgruppe formulierte ebenso deutlich, daß keinerlei Unterschiede
zwischen chromoendoskopisch ungefärbten Arealen mit oder ohne histopathologischem
Nachweis einer Dysplasie existierten [52].
124
5 Diskussion
______________________________________________________________
Im Gegensatz zur eingeschränkten Spezifität der Chromoendoskopie mit Lugol´scher
Lösung fiel eine gute Sensitivität der Methode auf. Das Design der vorliegenden Studie
erlaubt keine signifikanten Angaben zur Sensitivität der Methode, da keine
Kontrollbiopsien entnommen wurden. Hinweise auf eine gute Sensitivität ergaben sich
durch die postoperative Aufarbeitung des Ösophagusresektates des Patienten mit dem
Kürzel GL. Auch histopathologisch fand sich konform zu den Ergebnissen der
Chromoendoskopie kein Anhalt für ein multizentrisches Tumorwachstum oder additionale
präkanzeröse
Läsionen.
In
der
Literatur
finden
sich
zahlreiche
Arbeiten
an
Ösophagusresektaten, die eine nahezu 100-%ige Sensitivität der Chromoendoskopie mit
Lugol´scher Lösung für die Erkennung von plattenepithelialen Ösophaguskarzinomen und
plattenepithelialen
Carcinomata
in
situ
belegen
[109,167].
Hinsichtlich
der
Dysplasiedetektion lassen sich in der Literatur jedoch deutlich divergierende
Zahlenangaben finden. So errechnete sich in zwei brasilianischen prospektiven Studien
eine Sensitivität von 80 % bzw. von 46 % für die Erkennung dysplastischer
Schleimhautareale [52,56]. Beide Arbeitsgruppen gewannen ungezielte Kontrollbiopsien
aus chromoendoskopisch völlig gleichmäßig gefärbten Schleimhautarealen. In der Studie
von Fagundes et al. mit der ermittelten geringeren Sensitivität konnte histopathologisch
von 165 ungezielten Biopsien siebenmal der Befund einer leichtgradigen Dysplasie gestellt
werden. Mittel- oder höhergradige Dysplasien, die mit einer deutlichen Zunahme des
Ösophaguskarzinomrisikos einhergehen, fanden sich in den Gewebeproben aus den
ungezielten Biopsien jedoch nicht [52]. In einer japanischen Studie, die ebenfalls
Kontrollbiopsien aus chromoendoskopisch gleichmäßig gefärbten Schleimhautbezirken
histopathologisch untersuchte, konnte aus allen ungezielt gewonnenen Proben lediglich der
Befund einer unauffälligen Ösophagusschleimhaut erhoben werden [5]. Eine Studie an
Ösophagusresektaten
konnte
nachweisen,
daß
alle
Plattenepithelkarzinome,
alle
plattenepithelialen Carcinomata in situ aber nur 8 von 14 Dysplasien nach Applikation der
Lugol´schen Lösung ungefärbt blieben. Die übrigen sechs dysplastischen Areale waren
mikroskopisch klein und stellten sich nicht als scharf abgegrenzte ungefärbte Zonen dar
[109]. Insgesamt muß nach Studienlage also eine hohe Sensitivität hinsichtlich der
Detektion von plattenepithelialen Ösophaguskarzinomen und Carcinomata in situ sowie
von mittel- und hochgradigen plattenepithelialen Dysplasien angenommen werden. Bei der
Erkennung leichtgradiger und gering ausgedehnter Dysplasien, die im Vergleich ein
geringeres Karzinomrisiko bergen, ist von einer deutlich niedrigeren Sensitivität
auszugehen. Eine chinesische Arbeit, die sich mit der Detektion von plattenepithelialen
125
5 Diskussion
______________________________________________________________
Dyplasien und kanzerösen Schleimhautveränderungen des Ösophagus befaßt, vergleicht
die konventionelle Endoskopie mit der additiven Chromoendoskopie. Bei der Betrachtung
der Spezifität ließ sich für die konventionelle Endoskopie ein Wert von 79 % ermitteln, der
sich nach Einsatz der Chromoendoskopie auf 63 % verringerte. Für die Sensitivität ergaben
sich jedoch anders gelagerte Daten. So betrug die Sensitivität der konventionellen
Endoskopie bei der Erkennung invasiver Karzinome 100 % und ließ sich folglich auch
durch eine additive Chromoendoskopie nicht steigern. Bei der Detektion von Dysplasien
konnte jedoch eine Verbesserung der Sensitivität von 62 % bei alleiniger konventioneller
Endoskopie bis auf 96 % nach Einsatz der Lugol´schen Lösung erzielt werden.[36]. Aus
diesen Daten ergibt sich im Sinne der Fragestellung zur Früherkennung von
Ösophaguskarzinomen und deren Vorläufern für die additive Chromoendoskopie mit
Lugol´scher Lösung eine ausgezeichnete Sensitität bei mäßiger Spezifität.
Als weiterer Benefit muß an die Möglichkeit gedacht werden, in Frühstadien
endoskopische Therapieverfahren einsetzen zu können. Bei mucosalen Tumoren und
hochgradigen Dysplasien bieten sich als Alternativen zur Ösophagektomie oder
Radiochemotherapie die endoskopische Mukosektomie [73,97,157,158] bzw. die
photodynamische
Destruktion
nach
selektiver
Sensibilisierung
durch
5-Aminolaevulinsäure [63,135,136] sowie thermoablative Verfahren [65,112,164] an.
Diese Therapieverfahren stellen sich mit guten Erfolgen insbesondere in den spezialisierten
Zentren dar und müssen als schonende, organerhaltene Behandlungsformen betrachtet
werden. Die operative Ösophagusresektion weist auch derzeit, insbesondere in Anbetracht
der bestehenden Komorbidität bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit, eine hohe Mortalität
und Letalität auf. So muß bei dem Risikokollektiv für die Entwicklung eines
Plattenepithelkarzinoms an begleitende alkoholassoziierte Erkrankungen, an Erkrankung
bzw. Allgemeinzustandsverschlechterung durch Malnutrition sowie an die oftmals
verminderte Compliance gedacht werden. Im untersuchten Patientenkollektiv lehnten jener
Patient mit der hochgradigen Dysplasie sowie ein Patient mit einem fortgeschrittenen
Ösophaguskarzinom jede Therapie ab. Bei schlechtem Allgemeinzustand und hoher
Komorbidität wurden ein Patient mit einem Frühkarzinom und ein Patient mit einem
fortgeschrittenen Karzinom lediglich einer Radiotherapie mit 50 Gy sowie dreimaligem
Afterloading mit jeweils 5 Gy im Sinne einer endoluminalen Brachytherapie zugeführt.
Auf
eine
kombinierte
Radiochemotherapie
wurde
hinsichtlich
des
schlechten
Allgemeinzustandes mit einem Karnofwsky-Index von 50 % oder aufgrund von
126
5 Diskussion
______________________________________________________________
mangelnder Compliance verzichtet. In kurativer Zielsetzung wurde bei einem Patienten mit
einem
T1M0N0-Tumor
eine
abdomino-thorakale
Ösophagusresektion
primär
komplikationslos durchgeführt. Postoperativ entwickelte sich bedauerlicherweise in der
Folge ein Multiorganversagen mit konsekutivem Exitus letalis. Diese Daten dokumentieren
den Benefit der organerhaltenden, schonenderen, endoskopischen Therapieverfahren
gerade bei der Behandlung dieses Patientenkollektivs. Zwingende Voraussetzung für den
Einsatz endoskopischer Behandlungsmethoden in kurativer Intention stellt jedoch erneut
die Frühdiagnostik des Ösophaguskarzinoms dar.
Schließlich hat die Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung ihren Stellenwert auch in
der Tumornachsorge zur Detektion von verbliebenem Tumorgewebe insbesondere nach
endoskopischen Therapieverfahren als auch bei der Früherkennung von Rezidiven
bewiesen [1,78].
5.6 Alternative Methoden zur Früherkennung präkanzeröser und kanzeröser
Läsionen des Ösophagus
Als alternatives Verfahren bei der Frühdiagnostik plattenepithelialer Karzinome muß auch
die Chromoendoskopie mit dem Farbstoff Toluidinblau angeführt werden. Dieses
Färbemittel färbt besonders Zellen mit erhöhter mitotischer Aktivität [71,81]. Diese
Substanz wird hinsichtlich der Detektion tumoröser Veränderungen im Vergleich zur
Lugol´schen Lösung als geringer spezifisch beurteilt, geht mit einer Reihe unerwünschter
Nebenwirkungen vor allem in höheren Konzentrationen einher und hat deshalb im
Vergleich zur Lugol´schen Lösung an Bedeutung verloren [146]. Für die AdenokarzinomDiagnostik stellt sich der Farbstoff Methylenblau als Grundlage eines etablierten additiven
chromoendoskopischen Verfahrens dar. Dieser Farbstoff färbt selektiv spezialisiertes
intestinales Epithel, das im Barrett-Ösophagus sowohl fokal als auch flächig-diffus
ausgeprägt sein kann. Auch die Detektion und somit gezielte Biopsie dysplastischer oder
kanzeröser Läsionen in der Barrett-Schleimhaut wird bei Anwendung dieses Farbstoffes
erleichtert, wobei besonders auf fokale Entfärbungen innerhalb eines sonst diffus gefärbten
Areals geachtet wird [25,43,64].
Weiterhin
kommt
als
alternatives
Früherkennungsverfahren
die
hochauflösende
(„high resolution“) Endoskopie in Betracht. So lassen sich insbesondere auch in Addition
127
5 Diskussion
______________________________________________________________
mit chromoendoskopischen Verfahren bereits diskrete Schleimhautläsionen darstellen.
Insbesondere mukosale Tumore, auch mit einem Durchmesser von weniger als 5 mm,
lassen sich effektiv erkennen [119,152]. Die Magnifikationsendoskopie ermöglicht derzeit
eine bis zu 150-fache Vergrößerung, die die Epithelaufsicht erheblich verbessert. Jedoch
ist die Primärdetektion der Läsionen durch kleine Untersuchungsareale und lange
Untersuchungszeiten deutlich erschwert [30]. Zudem stehen diese Techniken bisher nur
ausgewählten Zentren zur Verfügung und stellen somit noch keine Routineverfahren
dar [30,64,118].
Neuere Techniken wie die fluoreszenztechnischen Verfahren können die Detektion kleiner
Schleimhautläsionen ebenfalls verbessern. Der Farbunterschied zwischen dem normalen
und neoplastischen Gewebe entsteht durch endogene oder exogene Fluorophore.
Unterschieden wird dabei zwischen der medikamentös induzierten Fluoreszenz als
sogenannte „photodynamische Diagnostik“ und der Autofluoreszenz, die sich endogene
„Farbstoffe“ wie beispielsweise NADH, Kollagen, Dinukleotide oder Porphyrine zu nutze
machen [64,114,118,119,183]. Insbesondere für die Erkennung hochgradiger Dysplasien
hat sich die Autofluoreszenz als gutes Werkzeug erwiesen. Auch diese Verfahren stehen
bisher
nur
wenigen
Zentren
zur
Verfügung
und
sind
Gegenstand
weiterer
Forschungsprojekte.
Ein weiteres technisches Prinzip stellt die optische Kohärenztomographie dar, die die
Grundlagen von Ultraschall und Mikroskopie vereint. Die Bilddarstellung beruht auf
Reflexionen von infrarotem Licht an Gewebeschichten und eignet sich insbesondere zur
Bestimmung der Invasionstiefe von neoplastischen Läsionen [41,164,183,184]. Im
Vergleich zum endoskopischen Ultraschall ist mit dieser Technologie bisher eine um den
Faktor 20 höhere optische Auflösung erzielbar. Die Effektivität dieses Verfahrens muß
allerdings mittels weiterer Studien noch genauer beleuchtet werden.
In der Routineendoskopie haben sich zur Verbesserung der Früherkennung von
präkanzerösen
und
frühen
kanzerösen
Läsionen
bisher
jedoch
nur
die
chromoendoskopischen Verfahren etablieren können. Alle weiteren technischen Prinzipien
stehen derzeit nur ausgewählten Zentren zur Verfügung und bedürfen überwiegend noch
intensiverer Forschung zur Beurteilung der Wertigkeit der jeweiligen Methoden.
128
6 Zusammenfassung
______________________________________________________________
6 Zusammenfassung
Ösophaguskarzinome werden aufgrund der erst spät auftretenden Symptome meistens in
einem fortgeschrittenen Tumorstadium diagnostiziert mit zu diesem Zeitpunkt schlechter
Prognose. Die konventionelle Ösophagoskopie asymptomatischer Patienten mit bekannten
Risikofaktoren für die Entwicklung eines Speiseröhrenkrebses stellt sich als die Methode
der ersten Wahl zur Früherkennung dar, jedoch können einige präkanzeröse und frühe
kanzeröse Schleimhautveränderungen als sogenannte occulte Veränderungen dem
Untersucher entgehen. Die Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung ist ein geeignetes
Verfahren zur Detektion bereits geringster plattenepithelialer Schleimhautläsionen. Die
Lugol´sche Lösung reagiert mit dem Glykogen des nicht verhornenden Plattenepithels und
erzeugt eine dunkle, grün-braune Farbe. Regelrechtes Ösophagusepithel enthält reichlich
Glykogen und färbt sich intensiv und gleichmäßig an. Dysplasien und Karzinome enthalten
nur wenig oder kein Glykogen und werden daher als nur geringfügig oder ungefärbte
Areale klar abgrenzbar.
Das untersuchte Kollektiv umfaßte insgesamt 229 Patienten mit Alkoholabhängigkeit,
davon 42 weibliche und 187 männliche Patienten. Das mittlere Alter betrug 52 + 12 Jahre.
Die 229 untersuchten Patienten konsumierten durchschnittlich 143 + 124 g Alkohol/Tag.
Zusätzlich betrieben 89 % der Patienten einen Nikotinabusus und rauchten durchschnittlich
27 + 14 Zigaretten pro Tag. 1,3 % des Kollektivs wiesen weitere Risikofaktoren in Form
von Tumoren des oberen Aerodigestivtraktes oder einer Radiotherapie des Brustkorbs in
der
Vorgeschichte
auf.
Der
Ösophagogastroduodenoskopie
Untersuchungsablauf
gefolgt
von
umfaßte
einer
eine
konventionelle
Chromoendoskopie
mit
1- bzw. 3-%iger Lugol´scher Lösung. Jeweils 20 ml der Farbstofflösung wurden dazu über
einen Sprühkatheter auf die Ösophagusschleimhaut appliziert. Alle ungefärbten Areale
mit einer Größe von mindestens 5mm wurden detailliert dokumentiert, gezielt biopsiert
und feingeweblich beurteilt.
Als Ergebnis ließ sich bei 45 (19,7 %) der untersuchten 229 Patienten ein pathologisches
Färbeverhalten der Ösophagusschleimhaut mit 61 von der Färbung ausgesparten Arealen
nach Aufbringen der Lugol´schen Lösung nachweisen. Insgesamt 16,4 % der
chromoendoskopisch ungefärbten Areale erbrachten den „positiven“ histopathologischen
Befund einer präkanzerösen oder kanzerösen Schleimhautveränderung. So ließen sich
129
6 Zusammenfassung
______________________________________________________________
4 Ösophaguskarzinome, 5 plattenepitheliale Dysplasien, davon 1 hochgradige,
2 mittelgradige und 2 leichtgradige, sowie ein Carcinoma in situ als plattenepitheliale
Läsionen detektieren. Zwei leichtgradige und eine mittelgradige Dysplasie konnten bei
makroskopisch unauffälliger Schleimhaut nur aufgrund des chromoendoskopischen
Befundes nachgewiesen werden.
Insgesamt stellt die Chromoendoskopie mit Lugol´scher Lösung als einfaches,
nebenwirkungsarmes und effektives diagnostisches Verfahren eine sinnvolle Ergänzung
der konventionellen Endoskopie bei der Frühdiagnostik von Ösophaguskarzinomen und
präkanzerösen Läsionen bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit dar. Insbesondere kann es
die weitere Diagnostik von suspekten oder unklaren endoskopischen Schleimhautbefunden
erleichtern. Bei Nachweis eines Ösophaguskarzinoms kann die Lugol´sche Lösung zur
exakten Abgrenzung des Tumors, zur Detektion zusätzlicher Läsionen bzw. eines
multizentrischen Tumorwachstums verwendet werden. Als weitere Domaine besitzt die
Lugol´sche Lösung auch einen Stellenwert in der Tumornachsorge zur Früherkennung von
Rezidiven bzw. verbliebenem Tumorgewebe. Bei insgesamt hoher Sensitivität hinsichtlich
der Detektion von plattenepithelialen Karzinomen, Carcinomata in situ sowie mittel- und
hochgradigen Dysplasien muß jedoch eine geringere Spezifität in Kauf genommen werden.
130
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146
8 Anhang
______________________________________________________________
8 Anhang
8.1 Fotodokumentation zur Technik der Chromoendoskopie
Abb. 8.1 Applikation der Lugol´schen Lösung auf die Ösophagusschleimhaut mittels
Sprühkatheter
147
8 Anhang
______________________________________________________________
8.2
Fotodokumentation zum Färbeverhalten verschiedener Ösophagusläsionen
8.2.1 Färbeverhalten verschiedener benigner Ösophagusläsionen
Abb. 8.2a Glykogenakanthose
mit fokal verstärkter Anfärbung nach
Applikation der Lugol´schen Lösung
Abb. 8.2b Fokal verminderter Glykogengehalt des Plattenepithels
mit entsprechender Negativfärbung nach
Aufbringen der Jodlösung
Abb. 8.2c Refluxösophagitis
mit fehlender Anfärbung des entzündlich
veränderten Plattenepithels
Abb. 8.2d Barrett-Ösophagus
mit ungefärbter Schleimhautzunge
148
8 Anhang
______________________________________________________________
8.2.2
Färbeverhalten der präkanzerösen und malignen Ösophagusläsionen
8.2.2.1
Dysplasien
Mittelgradige Dysplasie
Abb. 8.3a Makroskopisch unauffällige
Ösophagusschleimhaut im Bereich des
proximalen
Ösophagus
bei
der
konventionellen Endoskopie
Abb. 8.3b Demarkierung eines ungefärbten, glatt berandeten Areals nach
Applikation der Lugol´schen Lösung mit
der histologischen Diagnose einer
mittelgradigen Dysplasie
8.2.2.2 Carcinoma in situ
Carcinoma in situ
Abb. 8.4b Nach Aufbringen der
Lugol´schen Lösung Demarkierung eines
gut abgegrenzten, ungefärbten Areals im
Bereich der bereits konventionell
endoskopisch detektierten Läsion
Abb. 8.4a Ca. 1,5 cm große Läsion mit
granulierter Oberfläche im Bereich des
distalen
Ösophagus
bei
der
konventionellen Endoskopie
149
8 Anhang
______________________________________________________________
8.2.2.3 Ösophaguskarzinome
Mittelgradig differenziertes Plattenepithelkarzinom
Abb. 8.5b Ungefärbtes Areal im Bereich
der
konventionell
endoskopisch
detektierten
Veränderung
nach
Applikation der Lugol´schen Lösung
Abb. 8.5a Umschriebene, teils fibrinbelegte Ulzeration mit einer Ausdehnung
von 28 bis 30 cm ab Zahnreihe bei der
konventionellen Endoskopie
Gut differenziertes Plattenepithelkarzinom
Abb. 8.6a Ca. 0,5 cm große Schleimhauteinziehung mit Rötung im Bereich des
distalen
Ösophagus
bei
der
konventionellen Endoskopie
Abb.
8.6b
Chromoendoskopisch
Demarkierung eines klar abgegrenzten,
ungefärbten Areals nach Aufbringen der
Jodlösung, das deutlich ausgedehnter
imponierte als primär konventionell
endoskopisch anhand des Nativbefundes
vermutet
150
8 Anhang
______________________________________________________________
Mittelgradig differenziertes Plattenepithelkarzinom
- zum Zeitpunkt der Erstdiagnose-
Abb. 8.7b Demarkierung eines ca. 1 cm
großen, vermindert gefärbten Areals, das
sich deutlich ausgedehnter darstellte als
primär
konventionell
endoskopisch
anhand des Nativbefundes vermutet
Abb. 8.7a Ca. 0,5 cm große
Schleimhauteinziehung ohne Randwall
oder Rötung im Bereich des mittleren
Ösophagusdrittels
bei
der
konventionellen Endoskopie
-Verlaufskontrolle 2 Monate nach Radiotherapie-
Abb. 8.7c Konventionell endoskopisch
weiterhin Randeinziehung mit mäßig
aufgeworfenem Randwall, histologisch
als
chronische
Ösophagitis
und
umschriebene Dyskariosen klassifiziert
Abb. 8.7d Chromoendoskopisch fast
normales
Färbeverhalten
nach
Applikation der Lugol´schen Lösung
151
Danksagung
______________________________________________________________
Danksagung
Herrn Prof. Dr. med. C. Doberauer danke ich für die Überlassung des Themas sowie für
die kompetente und stets bereitwillige Unterstützung bei der Entstehung dieser Arbeit.
Mein Dank gilt allen Mitarbeitern der Medizinischen Klinik I der Universitätsklinik
Marienhospital Herne wie auch den Mitarbeitern der Medizinischen Klinik der
Evangelischen Kliniken Gelsenkirchen, die mich bei der Durchführung dieser Arbeit in
vielfältiger Weise unterstützt haben. Insbesondere bin ich den Mitarbeitern der
Endoskopie-Abteilungen dankbar.
Für die Gestaltung und Durchsicht der vorliegenden Arbeit bedanke ich mich besonders
bei meiner Kollegin Dr. med. Martina Varrentrapp und meiner Schwester Stephanie
Radtke.
Mein ganz besonderer Dank gilt meiner gesamten Familie, die mir in jeder Beziehung
hilfreich zur Seite stand. Meinem Ehemann und meinen Schwiegereltern möchte ich auch
herzlich für die liebevolle Betreuung meiner Töchter Anna und Lisa während der
Niederschrift dieser Arbeit danken.
152
LEBENSLAUF
Persönliche Daten
Name
Adresse
Telefonnummer
Geburtsdatum
Geburtsort
Nationalität
Konfession
Elke Böing, geb. Bruckmann
Neukölner Str. 169
46147 Oberhausen
0208/ 68 61 13
10.09.1971
Oberhausen
deutsch
evangelisch
Schulbildung
8/ 1978 – 6/ 1982
Gemeinschaftsgrundschule
Oberhausen-Schmachtendorf
8/ 1982 – 6/ 1991
Freiherr-von-Stein-Gymnasium Oberhausen
6/ 1991
Erlangung der allgemeinen Hochschulreife
Studium
WS/1991 – SS/1997
Humanmedizinisches Studium an der
Ruhruniversität Bochum
10/ 1997
3. Abschnitt der ärztlichen Prüfung
Assistenzarzttätigkeit
01.07.1998 – 31.12.1999
Ärztin im Praktikum am Evangelischen
Krankenhaus Gelsenkirchen
seit 01.01.2000
Assistenzärztin in der Medizinischen Klinik
der Evangelischen Kliniken Gelsenkirchen
Familie
2002
Eheschließung mit Frank Böing
2003
Geburt meiner Tochter Anna
2005
Geburt meiner Tochter Lisa
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