VT im Coaching

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27. DGVT Kongress für Klinische
Psychologie, Psychotherapie und
Beratung
VT im Coaching
Stefan Leidig, Berlin
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Gliederung
1.Definitionen
2.Ziele
3.Strategien
4.Diagnostik / Ethik
© 2012 Dr. Stefan Leidig, Berlin
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Coaching-Zielsetzungen
• Weiterentwicklung individueller oder kollektiver
Lern- und Leistungsprozesse bei primär beruflichen
Anliegen
• Erkennen von Problemursachen, Identifikation und
Lösung der zum Problem führenden Prozesse
è
eigenständig Probleme lösen können
• Verhalten und Einstellungen weiterentwickeln
• effektive Ergebnisse erreichen
vgl. Deutscher Bundesverband Coaching e.V. www.dbvc.de
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Kognitiv-behaviorales Coaching
Coachingansatz vor dem Hintergrund kognitivbehavioraler Theorien
•Analyse der Interaktion von Gefühlen, Gedanken und
Verhalten in Situationen in einem
•interpersonellen, berufsbezogenen Kontext unter
•Berücksichtigung institutioneller und kultureller
Aspekte
Ziel: „adäquates“ Leistungs- und Sozialverhalten
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Evidence based Stober und Grant 2006
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Beratungsfokus
betrieblich finanzierte Coachings
èzumindest implizit immer auf die
Unternehmensziele ausgerichtet
Gute Stressbewältigungs-Kompetenzen stärken die
(psychische) Gesundheit
Unterschied zur Therapie
•Ziel, Ausgestaltung und Dosierung der Interventionen
•Intensität der Problemlagen
•...
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Beratungsfokus und Setting
Bei betrieblich finanzierten Coachings gibt es mindestens zwei gravierende Unterschiede zur
Verhaltenstherapie: Der Beratungsfokus muss immer in erster Linie auf das Erleben und Verhalten
im Beruf Bezug nehmen und es geht bei der Beratung nicht um die Gesundheit der Coachees
sondern um deren berufliche Leistungsfähigkeit. Möglicherweise gibt es Auftraggeber, die der
festen Überzeugung sind, es ginge ihnen um die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden; Coaches sollten
aber immer mit der Möglichkeit rechnen, dass im betrieblichen Kontext „Gesundheit“ ein Etikett für
sämtliche Aspekte erwerbsbezogener Leistungsfähigkeit ist.
Coaching ist von daher zumindest implizit immer auf die Unternehmensziele ausgerichtet und nicht
primär auf die Gesundheit von Mitarbeitenden. Es steht, wenn Kliniker als Coaches gefragt sind,
unter der Überschrift: Wie werde ich widerstandsfähiger? Wie kann ich meine beruflichen Arbeits-,
Stressmanagement- und Kommunikationstechniken verbessern, damit ich leistungsfähig bleibe?
Obwohl innerhalb derlei Fragestellungen die Mitarbeitergesundheit nicht das zu erreichende
Hauptziel ist, ist sie immer auch bedacht, weil gute Stressbewältigungs-Kompetenzen zugleich die
(psychische) Gesundheit stärken (Binnewies & Sonnentag, 2006).
Wenn Coaches mit klinisch-psychotherapeutischer Sozialisation in Betrieben angefordert werden,
sollten sie also damit rechnen, dass ihre Interventionen gefragt sind, um Mitarbeitende
leistungsfähiger zu machen, mit dem Ziel, dass
sie selbst und ihre Kunden zufriedener sind,
sie kreativer und lernbereiter werden,
die Service- und Produktqualität verbessert wird,
die Kundenorientierung steigt,
die Fehlerrate abnimmt,
die arbeitsbezogene Motivation verbessert wird,
die Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft steigen,
die Loyalität der Firma gegenüber zunimmt oder
Kündigungen abnehmen.
Ein zentraler impliziter Behandlungsauftrag lautet von daher: Welches Verhalten muss trainiert
werden, welche Bewertungsmuster müssen hinterfragt und modifiziert werden, um die
Leistungsfähigkeit trotz veränderter Belastungsstrukturen zu erhalten bzw. zu steigern, damit die
beruflich vorgegebenen Ziele nachhaltig und langfristig stabil erfüllt werden? Klassifikatorische
Diagnostik und psychotherapeutische Ziele sind hier nicht gefordert. Kognitiv-behaviorale
Übungsaufgaben beziehen sich primär auf die Modifikation von Defiziten und Exzessen im
Berufsalltag. Dass über die Behandlung derartiger Aufgabenstellungen auch
Befindlichkeitsstörungen und Fehlzeiten zurückgehen, ist ein Zusatznutzen, der kognitivbehaviorale Strategien im betrieblichen Umfeld besonders effizient macht (Semmer & Zapf, 2004).
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Gliederung
1.Definitionen
2.Ziele
3.Strategien
4.Diagnostik / Ethik
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Anwendung und Ziele in betrieblichen Kontexten I
Interventionen werden nachgefragt, um Mitarbeitende
leistungsfähiger zu machen, mit dem Ziel, dass
• sie selbst und ihre Kunden zufriedener sind,
• sie kreativer und lernbereiter werden,
• die Service- und Produktqualität verbessert wird,
• die Kundenorientierung steigt,
• die Fehlerrate abnimmt,
• die arbeitsbezogene Motivation verbessert wird,
• die Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft steigen,
• die Loyalität der Firma gegenüber zunimmt oder
• Kündigungen abnehmen.
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Anwendung und Ziele in betrieblichen Kontexten II
•individuelle Kompetenzen
•Auswirkungen auf betriebliche Bedingungen
cave: Individualisierung betrieblicher Schwierigkeiten
Überindividuelle Maßnahmen (Verhältnisprävention):
•wenn ohne Modifikation von Rahmenbedingungen
kein dauerhaft angepasstes Verhalten möglich
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Zur Übertragbarkeit von Strategien auf betriebliche Kontexte
Anwendung und Ziele
Erwerbstätige, die um ein Coaching nachsuchen, wollen in der Regel lernen, die
Anforderungen ihres (Arbeits-)Alltags besser zu bewältigen. VerhaltenstherapeutInnen
gehen dabei davon aus, dass Verhaltensänderungen der Coachees auch Auswirkungen
auf betriebliche Bedingungen haben können. Überindividuelle Maßnahmen
(Verhältnisprävention, Einbezug von Vorgesetzten oder Mitarbeitenden in
Coachingsitzungen) werden erst dann geprüft, wenn der Eindruck entsteht, dass es ohne
die Modifikation von Rahmenbedingungen nicht zu dauerhaft angepasstem Verhalten der
um Unterstützung Suchenden kommen kann. D.h., wenn der Coachee nicht in der Lage
ist, von sich aus die die Problemlage aufrechterhaltenden Bedingungen zu korrigieren,
etwa weil Dritte seine Bemühungen aktiv unterwandern.
Die aktuellen empirischen Befunde der Arbeits- und Organisationspsychologie bestätigen
diese verhaltenspräventive Perspektive, da sie eine eher geringe Varianzaufklärung von
organisationalen Stressoren an den individuellen Stressreaktionen und
Befindlichkeitsstörungen zeigen. Deutlich größeren Einfluss haben soziale Stressoren
(Verhalten von KollegInnen, Mitarbeitenden und Vorgesetzten). Hier ist zur
Problemlösung individuelles Bewältigungsverhalten funktional (Leidig, 2003; Zapf &
Semmer, 2004). - Das legitimiert jedoch nicht dazu, Schwierigkeiten in einer Abteilung
generell zu individualisieren. Wenn Führungsverhalten Teil des Problems und nicht Teil
der Lösung ist, ist jedoch der Einfluss eines Coachings maximal so groß, wie die Einsicht
und Änderungsbereitschaft der verantwortlichen Auftraggeber: Wenn ein Abteilungsleiter
sich im Rahmen seiner Führungsaufgaben aggressiv-abwertend verhält und dessen
Vorgesetzte dieses Verhalten billigen, ist ein pathologisches Führungsmuster schwer zu
verändern. In Branchen und Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit werden sich derartige
chronische sozialen Stressoren noch nicht einmal in offensichtlichen Leistungsdaten wie
Arbeitsunfähigkeits- und Fluktuationsraten zeigen. Rat suchende Teams können im
Rahmen eines Coachings dann nur dahingehend unterstützt werden, die kollegiale
Zusammenarbeit zu stärken und Möglichkeiten zur Verbesserung der individuellen
Employability im Hinblick auf einen Arbeitgeberwechsel zu reflektieren.
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Anwendung und Ziele in betrieblichen Kontexten III
individuumszentrierter, systembezogener Ansatz:
•schneller Zugang zu eigenen „Anteilen“
•Bewältigungspotenzial ernst genommen
kognitiv-verhaltenstherapeutisches Vorgehen:
eigenes Bewältigungs-Referenz-System erweitern
Ø bessere Nutzung vorhandener (betrieblicher)
Ressourcen
Ø systembezogene Veränderungen im Rahmen der
Coachingziele („optimierte Verhältnisnutzung“)
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Die praktische Auswirkung eines individuumszentrierten,
systembezogenen Ansatzes besteht darin, dass die Coachees sehr
schnell Zugang zu „ihren“ Anteilen an der Problematik bekommen.
D.h., der Betrieb wird nicht als problematisches, krank machendes
„System“ und der Coachee nicht als „Opfer“ definiert, sondern er wird in
seiner Kompetenz und seinem Bewältigungspotenzial ernst genommen.
In diesem Zusammenhang bedeutet kognitiv-verhaltenstherapeutisches
Coaching, das eigene Bewältigungs-Referenz-System so zu erweitern,
dass man in der Lage ist, systembezogene Veränderungen im Rahmen
der Coachingziele zu initiieren („optimierte Verhältnisnutzung“). - Denn in
der Regel werden, und das steht in der Verantwortung des Einzelnen, im
Betrieb vorhandene Hilfsquellen wie Handlungsspielräume und soziale
Unterstützungsnetze („Ressourcen“) nicht in vollem Umfang genutzt
(Bamberg et al., 2003; Ingledew et al., 1997; Leidig, 2007).
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Wahl der Interventionsziele
Selektionsentscheidungen wie in einer
Verhaltenstherapie
•hohe (subjektive) Belastung
•Änderungsmotivation bereits vorhanden
•zentraler Stellenwert: Veränderung wirkt sich auf viele
Bereiche aus
•Aufwand-Nutzen-Relation ist verantwortbar
•Aussicht auf nachhaltigen Erfolg
•bei den Problemen handelt sich um Ist-SollDiskrepanzen und nicht um Tatsachen
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Gliederung
1.Definitionen
2.Ziele
3.Strategien
4.Diagnostik / Ethik
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Coaching als Problemlösevorgehen
Coaching als diagnostisch-therapeutischer Problemlöseansatz
cave: „Lösungsorientierung“
1.Problembeschreibung (Ist-Soll-Diskrepanz,
Problementwicklung, bisherige Bewältigungsversuche)
2.Problemanalyse (V. i. S.)
3.Veränderungsziele (konkret formulierte,
verhaltensorientierte Lösungen)
4.Therapieschritte/Interventionen (kleine Schritte,
bezogen auf ferner liegende Ziele und Alternativziele)
5.Durchführung der Schritte (Verhaltensübungen in der
Sitzung, Umsetzung im relevanten Umfeld)
6.Evaluation der Interventionen
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„lösungsorientiertes Vorgehen“: Managementvokabular èLösungen, Herausforderungen
oder „learnings“
Gefahr: Synchronisation mit wissenschaftlich zumindest fragwürdigen Motivations- und
Leistungstheorien
„Challenges“ statt Probleme als Ist-Soll-Diskrepanzen.
èVeränderungsziele auf Basis einer gründlichen Analyse des aktuellen Ist-Zustandes
ècave: keine schlampigen Problemanalysen!
Hier eine Skizze dieser Konzeptualisierung ohne Berücksichtigung der Coachingstrategien, die zu dem
Problemlöseverhalten des Coachees führten:
ad 1.: Ein Werkleiter stellt im Rahmen einer Befragung eine deutlich erhöhte Arbeitsunzufriedenheit bei
den gewerblichen Mitarbeitenden fest und führt dies neben der zunehmenden Arbeitsbelastung auf die
geringe Unterstützung durch die unmittelbaren Führungskräfte (VorarbeiterInnen) zurück. Er möchte die
Unterstützungssysteme verbessern. Die Problementwicklung führt er darauf zurück, dass in den
vergangenen 18 Monaten weder regelmäßige Treffen auf Vorarbeiterebene noch gemeinsame
Rückmelderunden in Bezug auf Mitarbeiterführung mit der Werkleitung stattgefunden haben. - Diese
internen Kommunikationsstrategien waren in der Vergangenheit erfolgreich gewesen, sind jedoch durch
einen massiven konzernweiten Veränderungsprozess aus den Augen verloren worden.
ad 2. Die zu sozialen Konflikten führende Unzufriedenheit wurde ausgelöst durch Vernachlässigung der
Kommunikationsprozesse. Die Meetings wurden - obwohl hilfreich - in der Vergangenheit als lästig und
zeitaufwändig empfunden und von daher war es insgeheim allen Beteiligten recht, dass man „vergessen“
hatte, sich nach der Umstrukturierung wieder regelmäßig zu treffen. Die zentrale, das Problem
aufrechterhaltende Bedingung bestand nach Ansicht des Coachees darin, dass die Meetings nicht
stattfanden, weil Alle vermeintlich Besseres zu tun hatten.
ad 3. Als erstes Veränderungsziel setzte sich der Werkleiter, gemeinsam mit den VorarbeiterInnen einen
regelmäßigen Besprechungstermin einzuführen und gemeinsam eine neue Tagesordnung für die Meetings
zu erarbeiten.
ad 4. Vor dem Hintergrund seiner Verunsicherung, die VorarbeiterInnen entsprechend motivieren zu
können, wurden Fragen und Argumentationslinien im Rollenspiel geübt.
ad 5. Bei der Durchführung des ersten Meetings zeigte sich eine hohe Bereitschaft, die früheren Treffen
unter veränderten Rahmenbedingungen (kürzer, strukturierter, Einführung von Ergebnisprotokollen) zu
reaktivieren.
ad 6. Aufgrund der neu eingeführten Ergebnisprotokolle konnte der Werkleiter seine eigene Präsenz
entsprechend seiner Prioritäten flexibler gestalten, ohne die anderen Beteiligten zu demotivieren.
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Werkzeuge
• Problemanalyse (Verhaltensanalyse)
• Vertikale Verhaltensanalyse
• Trainings: Ärgerbewältigung, soziale Kompetenz,
Stressmanagement, Zeitmanagement
• Rollenspiele / Verhaltensexperimente
• Psychoedukation
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Verhaltensexperimente – Verhaltensübungen
Dysfunktionale Annahmen überprüfen
Beispiel:
•„Hauptsache, ich falle nicht durch abweichende Meinungen auf“ oder
•„Chefs müssen immer als erste kommen und als letzte gehen“ etc.
Coaching bedeutet in diesem Kontext, (Bedrohungs-)Hypothesen zu
hinterfragen und bisher vermiedene alternative Verhaltensstrategien
auf ihre Effizienz hin zu überprüfen.
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Gesprächsführung
• Ziel-/Wertklärung, Würdigung
• kognitive Arbeit: ABC-Schema ...
• Sokratischer Dialog
• Verbalisierung emotionaler und
einstellungsbezogener Erlebnisinhalte
• Rückmeldungen geben (blinde Flecken erkennen)
• Zusammenhänge aufzeigen, Erklärungen und
Interpretationen anbieten
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Coaching in komplexen Organisationen
Strukturen und Prozesse organisationaler Art
diagnostizieren
•Organisationsdynamik
in Abgrenzung zu
•Gruppendynamik und
•persönlichen oder
•interaktionellen Problemen
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Problematik der Team-Mitglieder
Teams sind nur in nichthierarchischer Weise
arbeitsfähig, die Organisation bleibt aber
hierarchisch strukturiert.
Gruppendynamik
Organisationsdynamik
•tragfähige emot. Beziehungen in
direkter Kommunikation
•Austauschbarkeit von
Teammitgliedern
•Eigenzeit
•mechanistische Zeitvorstellung
•Intimität
•Vernetzungserfordernis
•Autonomie in Selbstorganisation
•Zielen und Vorgaben unterworfen
•nicht-hierarchische Kooperation
und gemeinsame Verantwortung
•hierarchische Abstufung der
Verantwortung
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Konflikte als Coachingziel
Problemanalyse: Unterscheidung zwischen
tatsächlich vermeidbaren Konflikten und
strukturbedingten unvermeidlichen Konflikten
In Symptomen können sich ungelöste
organisatorische Schwierigkeiten verstecken,
bzw. darin zum Ausdruck kommen
=>
Gefahr der Personalisierung strukturell
bedingter Probleme
=>
Einbettung in einer Organisation beachten
Person vs. Funktion
Widerspruch zwischen Gruppe als personenorientiertem System und Organisation als funktionsorientiertem
System
Arbeitsprobleme sind nicht unbedingt durch das Team oder einzelne Personen verursacht.
Sie machen sich dort aber immer aufgrund der Personenorientierung bemerkbar.
=>
Gefahr der Personalisierung strukturell
bedingter Probleme
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Wenn es sich um nicht genau spezifizierte (z.B.
persönliche Kompetenz) Probleme handelt:
SDorga. vor SDinterpers.
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Auftragsklärung I
Coaching beginnt immer mit der Auftragsklärung und
der Festlegung von Veränderungszielen (die mit den im
ungünstigen Fall konträren Vorstellungen von z.B.
Personalabteilung und Coachee kompatibel sein
sollten):
•Einfluss der Auftraggeber bei der Festlegung von
Zielen des Coachings?
•Coachee: von den betrieblichen Überlegungen zur
Veränderungsrichtung abweichende Vorstellungen?
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Auftragsklärung
Zur Festlegung von Interventions- bzw. Veränderungszielen muss, wesentlich deutlicher als im klinischtherapeutischen Bereich, der Einfluss der Auftraggeber des Coachings beachtet werden.
Während in der Therapie üblicherweise die Krankenversicherung die Kosten trägt, um eine von Fachleuten
diagnostizierte Erkrankung zu lindern oder zu heilen, wird im Coaching die Indikation dafür in der Regel
nicht von medizinischem Fachpersonal gestellt, sondern von betrieblichen Akteuren, die Reibungsverluste
bei Mitarbeitenden oder in Teams feststellen. Von daher ist es immer möglich, dass Coachees
fremdmotiviert sind und von den betrieblichen Überlegungen zur Veränderungsrichtung abweichende
Vorstellungen haben.
Coaching beginnt von daher immer mit der Auftragsklärung und der Festlegung von Veränderungszielen,
die mit den im ungünstigen Fall konträren Vorstellungen von z.B. Personalabteilung und Coachee
kompatibel sein sollten. Mangelnde Compliance ist häufig das Ergebnis entsprechender Zieldiskrepanzen
und sollte auch unter dem Aspekt unterschiedlicher Interessensgruppen immer thematisiert werden, um zu
passenden Problem- und Zieldefinitionen zu kommen. Zielkonflikte mit dem Geldgeber sollten antizipiert
und müssen auch im Sinne des finanziellen Auftraggebers betrachtet und gelöst werden. Wenn Berufstätige
ein Coaching selbst finanzieren, um etwa ihre aktuelle Work-Life-Balance zu hinterfragen, können direkt die
Aufträge der Selbstzahler angenommen und ein Problemlösevorgehen eingeleitet werden.
Anders als in der Therapie sollte im Coaching immer genau auf Hierarchie-Aspekte geachtet werden, etwa
vergleichbar mit der Trennung von Generationsebenen im Rahmen familientherapeutischer Interventionen.
Dies ist sowohl bei der Festlegung von Veränderungszielen (Ober sticht Unter) als auch bei der Gestaltung
des Coachingsettings zu berücksichtigen. Wenn es Vermischungen zwischen verschiedenen HierarchieEbenen einer Abteilung etwa dadurch gibt, dass mehrere Ebenen an einem Gruppencoaching teilnehmen,
muss dies im Rahmen des Prozessverlaufs präsent bleiben. Möglicherweise kann zur Markierung der
Unterschiede ein vorübergehendes Splitting der Ebenen mit entsprechenden parallelen Gruppencoachings
notwendig werden.
Im Behandlungsteam der Palliativstation eines Krankenhauses kam es zu massiven Konflikten zwischen und
innerhalb aller Berufsgruppen und Hierarchieebenen. Ausgangspunkt der Konfliktsituation war nach Ansicht
der Beteiligten, dass im Rahmen der Entwicklung der Station „Neue“ dazukamen, die kein Verständnis dafür
hatten, dass diese spezielle Station von einem Team aus Ärzten und Pflegekräften gemeinsam „ins Leben
gerufen“ wurde und damit etwas ganz Besonderes ist. Für die „Neuen“ war indes völlig unklar, bei wem
welche Zuständigkeiten lagen. Um die beruflichen und hierarchischen Grenzen auch im Setting zu
markieren, wurden über mehrere Sitzungen parallel verlaufende Gruppencoachings, getrennt für die Ärzte
und das Pflegepersonal, durchgeführt.
19
Auftragsklärung II
Zielkonflikte zwischen der Leitung und dem Coachee:
•antizipieren
•auch im Sinne des Auftraggebers betrachten und lösen
Konsequenz:
•Festlegung von Veränderungszielen (Konsequenzen?!)
•Gestaltung des Coachingsettings (Flexibilität!)
Bsp. Gruppencoaching:
Teilnahme mehrerer Hierarchie-Ebenen =>
Markierung der Unterschiede => Splitting der Ebenen
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Auftragsklärung
Zur Festlegung von Interventions- bzw. Veränderungszielen muss, wesentlich deutlicher als im klinischtherapeutischen Bereich, der Einfluss der Auftraggeber des Coachings beachtet werden.
Während in der Therapie üblicherweise die Krankenversicherung die Kosten trägt, um eine von Fachleuten
diagnostizierte Erkrankung zu lindern oder zu heilen, wird im Coaching die Indikation dafür in der Regel
nicht von medizinischem Fachpersonal gestellt, sondern von betrieblichen Akteuren, die Reibungsverluste
bei Mitarbeitenden oder in Teams feststellen. Von daher ist es immer möglich, dass Coachees
fremdmotiviert sind und von den betrieblichen Überlegungen zur Veränderungsrichtung abweichende
Vorstellungen haben.
Coaching beginnt von daher immer mit der Auftragsklärung und der Festlegung von Veränderungszielen,
die mit den im ungünstigen Fall konträren Vorstellungen von z.B. Personalabteilung und Coachee
kompatibel sein sollten. Mangelnde Compliance ist häufig das Ergebnis entsprechender Zieldiskrepanzen
und sollte auch unter dem Aspekt unterschiedlicher Interessensgruppen immer thematisiert werden, um zu
passenden Problem- und Zieldefinitionen zu kommen. Zielkonflikte mit dem Geldgeber sollten antizipiert
und müssen auch im Sinne des finanziellen Auftraggebers betrachtet und gelöst werden. Wenn Berufstätige
ein Coaching selbst finanzieren, um etwa ihre aktuelle Work-Life-Balance zu hinterfragen, können direkt die
Aufträge der Selbstzahler angenommen und ein Problemlösevorgehen eingeleitet werden.
Anders als in der Therapie sollte im Coaching immer genau auf Hierarchie-Aspekte geachtet werden, etwa
vergleichbar mit der Trennung von Generationsebenen im Rahmen familientherapeutischer Interventionen.
Dies ist sowohl bei der Festlegung von Veränderungszielen (Ober sticht Unter) als auch bei der Gestaltung
des Coachingsettings zu berücksichtigen. Wenn es Vermischungen zwischen verschiedenen HierarchieEbenen einer Abteilung etwa dadurch gibt, dass mehrere Ebenen an einem Gruppencoaching teilnehmen,
muss dies im Rahmen des Prozessverlaufs präsent bleiben. Möglicherweise kann zur Markierung der
Unterschiede ein vorübergehendes Splitting der Ebenen mit entsprechenden parallelen Gruppencoachings
notwendig werden.
Im Behandlungsteam der Palliativstation eines Krankenhauses kam es zu massiven Konflikten zwischen und
innerhalb aller Berufsgruppen und Hierarchieebenen. Ausgangspunkt der Konfliktsituation war nach Ansicht
der Beteiligten, dass im Rahmen der Entwicklung der Station „Neue“ dazukamen, die kein Verständnis dafür
hatten, dass diese spezielle Station von einem Team aus Ärzten und Pflegekräften gemeinsam „ins Leben
gerufen“ wurde und damit etwas ganz Besonderes ist. Für die „Neuen“ war indes völlig unklar, bei wem
welche Zuständigkeiten lagen. Um die beruflichen und hierarchischen Grenzen auch im Setting zu
markieren, wurden über mehrere Sitzungen parallel verlaufende Gruppencoachings, getrennt für die Ärzte
und das Pflegepersonal, durchgeführt.
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Gliederung
1.Definitionen
2.Ziele
3.Strategien
4.Diagnostik / Ethik
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Diagnostik bei betrieblichem Coaching
Rahmenbedingungen I
•
•
•
•
•
Arbeitsplatzsituation
Stellenbeschreibung
formale Kompetenzen
informelle Rollenzuschreibung
Betriebsklima
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Diagnostik bei betrieblichem Coaching
Rahmenbedingungen II
•
•
•
•
•
Organigramm
Unternehmensleitbild
arbeitswissenschaftlich fundierte Screenings
Kenntnisse typischer Stressoren und Ressourcen
Begehungen
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Diagnostische Fragen
Betriebsbegehungen: Exploration der Lebensumstände
vor Ort gehört zum diagnostischen Standardrepertoire
der Verhaltenstherapie
è
arbeitswissenschaftlich fundierte Screenings, die
auch psychische Belastungen und Ressourcen
berücksichtigen
Basiswissen
•betriebliche Standardinstrumente (z.B.
Zielvereinbarungen, Rückkehrgespräche)
•organisationspsychologische Konzepte
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Ethische Fragen
Transparenz, Plausibilität, operationalisierte Ziele
è
Kontrolle der Tendenzen, aufgrund attraktiver
Entlohnungen den Coachingprozess
auszudehnen
Differentialindikation Coaching vs. Therapie:
•diagnostische Fragen reflektieren
•keine Bagatellisierung klinisch auffälliger Störungen
•keine Verzögerung einer notwendigen Psychotherapie
Faustregel für eine „Therapie-vor-Coaching-Situation“:
gravierende eigene psychische Probleme, die die
Auseinandersetzung mit der Arbeitswelt behindern
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Finanzierung und ethische Fragen
Transparenz, Plausibilität im Vorgehen sowie auf Verhaltensebene
operationalisierte Ziele sind Kennzeichen kognitiv-behavioraler Ansätze.
Von daher sind Tendenzen, aufgrund attraktiver Entlohnungen den
Coachingprozess auszudehnen, kontrollierbar.
In Bezug auf das Problem der Differentialindikation Coaching vs. Therapie
und der Tatsache, dass Therapie meist deutlich schlechter bezahlt wird,
erscheint es sinnvoll, immer wieder diagnostische Fragen zu reflektieren.
Es darf nicht zu einer Bagatellisierung klinisch auffälliger Störungen und
damit zur Verzögerung einer notwendigen Psychotherapie kommen.
Entsprechend könnte eine Faustregel lauten: Immer dann, wenn
Ratsuchende zunächst gravierende eigene psychische Probleme
bewältigen lernen müssen, bevor sie sich mit ihrer Arbeitswelt
auseinandersetzen können, ist das ein Hinweis für eine „Therapie-vorCoaching-Situation“.
Bei Ratsuchenden, die die Kriterien einer Persönlichkeitsstörung erfüllen,
ist diese Entscheidung meist nur von erfahrenen PsychotherapeutInnen im
Verlauf des Beratungsprozesses zuverlässig zu treffen. Approbierte
PsychotherapeutInnen stehen hier unter einer besonderen ethischen
Verantwortung.
25
Ich sitze auf dem Rücken eines Mannes, würge ihn,
zwinge ihn, mich zu tragen, und versichere mir
und anderen dabei, dass er mir schrecklich leid tut
und ich ihm sein Los durch jedes nur erdenkliche
Mittel zu erleichtern wünsche - außer von seinem
Rücken zu steigen.
(aus: Was sollen wir denn tun?, Leo N. Tolstoi, 1886)
26
Quelle:
Leidig, S. (2007). Kognitive Verhaltenstherapie im
Coaching. Psychotherapie im Dialog, 3/8, 239-243.
© 2012 Dr. Stefan Leidig, Berlin
27
Zugehörige Unterlagen
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