Predigt an Pfingsten über Apostelgeschichte 19,1

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Evang.-ref. Kirchgemeinde St. Gallen C
Kirchkreis Linsebühl
Predigt an Pfingsten über Apostelgeschichte 19,1-7:
Die Jünger in Ephesus – Den Heiligen Geist empfangen
Linsebühl, 23. Mai 2010; von Pfr. Stefan Lippuner
Lesung: aus Apostelgeschichte 1 und 2
Während vierzig Tagen hat Jesus sich nach seiner Auferstehung seinen Jüngern immer
wieder gezeigt und vom Reich Gottes gesprochen. Und beim gemeinsamen Mahl hat er ihnen geboten, nicht von Jerusalem wegzugehen, sondern zu warten auf die verheissene Gabe des Vaters, "die ich" – so sagte er – "euch in Aussicht gestellt habe. Denn Johannes hat
mit Wasser getauft, ihr aber werdet mit heiligem Geist getauft werden, schon in wenigen
Tagen. Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der heilige Geist über euch kommt, und ihr werdet
meine Zeugen sein, in Jerusalem, in ganz Judäa, in Samaria und bis an die Enden der Erde."
Als er dies gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm
ihn auf und entzog ihn ihren Blicken. Da kehrten sie vom Ölberg nach Jerusalem zurück.
Und als sie in die Stadt kamen, gingen sie in das Obergemach, wo sie sich aufzuhalten
pflegten. Dort verharrten sie alle einmütig im Gebet.
Als nun die Zeit erfüllt und der Tag des Pfingstfestes gekommen war, waren sie alle beisammen an einem Ort. Da entstand auf einmal vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein
heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie sassen; und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich zerteilten, und auf jeden von ihnen liess eine sich
nieder. Und sie wurden alle erfüllt von heiligem Geist und begannen, in fremden Sprachen
zu reden, wie der Geist es ihnen eingab.
Apostelgeschichte 19,1-7:
Während Apollos sich in Korinth aufhielt, geschah es, dass Paulus durch das Hochland zog,
nach Ephesus hinabkam und dort einige Jünger antraf. Und er fragte sie: "Habt ihr den heiligen Geist empfangen, als ihr zum Glauben kamt?" Sie erwiderten ihm: "Nein, wir haben
nicht einmal gehört, dass es einen heiligen Geist gibt." Und er fragte: "Worauf seid ihr denn
getauft worden?" Sie sagten: "Mit der Taufe des Johannes wurden wir getauft." Da sprach
Paulus: "Johannes hat mit einer Taufe der Umkehr getauft und zum Volk gesagt, sie sollten
an den glauben, der nach ihm komme, das heisst: an Jesus."
Als sie das hörten, liessen sie sich auf den Namen des Herrn Jesus taufen. Und als Paulus
ihnen die Hände auflegte, kam der heilige Geist über sie; und sie redeten in Zungen und in
prophetischen Worten. Es waren insgesamt etwa zwölf Männer.
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Liebe Gemeinde.
Es ist nicht gerade eine der bekanntesten Begebenheiten in der Apostelgeschichte, die ich
für meine Pfingstpredigt ausgewählt habe, aber ich meine, sie zeigt uns einige wichtige Aspekte in Bezug auf den Heiligen Geist, den wir ja an Pfingsten feiern.
Der Apostel Paulus ist hier auf seiner dritten Missionsreise. Schon am Ende seiner zweiten
Reise war er nach Ephesus an der Westküste Kleinasiens (der heutigen Türkei) gekommen,
doch damals blieb er nur kurz und liess dafür seine Mitarbeiter zurück, um mit dem Aufbau
einer christlichen Gemeinde zu beginnen. – Jetzt kommt er wieder nach Ephesus, diesmal
mit der Absicht, länger in dieser wichtigen Handelsstadt zu wirken.
Und da begegnet er nun einer Gruppe von Jüngern, also von Christen. Allerdings muss es
sich wohl um eine etwas eigentümliche Gruppierung handeln; sie scheint nicht zur eigentlichen christlichen Gemeinde in Ephesus zu gehören, doch mehr wissen wir nicht über sie.
Die Männer werden jedenfalls 'Jünger' genannt, was (wie gesagt) eine andere Bezeichnung
für 'Christen' ist. Doch Paulus merkt schnell, dass mit diesen 'Christen' und ihrem Christentum irgendetwas nicht stimmt. Es fehlen ihnen offenbar gewisse Merkmale des geistlichen
Lebens. Und so fühlt er ihnen etwas auf den Zahn.
Interessanterweise fragt er sie aber nicht, ob sie wirklich an Jesus Christus glauben, an Jesus als den Messias, den Christus, den Heiland und Erlöser glauben. Das würden sie sicherlich bejahen. Sondern er fragt sie: "Habt ihr den heiligen Geist empfangen, als ihr zum
Glauben kamt?" – Offenbar ist für Paulus klar, dass der Glaube an Jesus Christus eng zusammenhängt mit dem Empfang des Heiligen Geistes. Zum christlichen Glauben, zum
Christ-Sein gehört es dazu, den Heiligen Geist zu empfangen, mit dem Heiligen Geist erfüllt
zu sein.
Das sehen wir an manchen Orten im Neuen Testament: Am ersten Pfingstfest in Jerusalem
kommt der Heilige Geist über die gläubigen Jünger und Jüngerinnen (das haben wir in der
Lesung gehört). Am Ende seiner daran anschliessenden Pfingstpredigt antwortet Petrus auf
die Frage der Zuhörer, was sie nun tun sollten: "Kehrt um, und jeder von euch lasse sich
taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, und ihr werdet die Gabe
des heiligen Geistes empfangen." [Apostelgeschichte 2,38] Der römische Hauptmann Cornelius und seine Familie erleben ebenfalls ein Pfingsten, als der Heilige Geist auf sie fällt,
während Petrus ihnen das Evangelium verkündet und sie zum Glauben an Jesus Christus
auffordert [vgl. Apostelgeschichte 10,44]. Und Paulus schreibt in 1. Korinther 12,3: "Keiner
vermag zu sagen: Herr ist Jesus!, es sei denn im heiligen Geist", und in Römer 8,9: "Wer
aber den Geist Christi nicht hat, der gehört nicht zu ihm."
Dies alles zeigt doch: Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Glauben an
Jesus Christus, dem Christ-Sein und dem Empfang des Heiligen Geistes, dem ErfülltWerden mit dem Heiligen Geist. Darum fragt Paulus diese Jünger, die er in Ephesus findet:
"Habt ihr den heiligen Geist empfangen, als ihr zum Glauben kamt?" Und offenbar trifft er
dabei genau den wunden Punkt. Denn diese Männer haben nicht einmal davon gehört, dass
es den Heiligen Geist gibt, geschweige denn davon, dass sie ihn brauchen für ihr Leben als
Jünger, als Christen.
Ich habe mich gefragt, als ich dies las: Geht es nicht auch heute vielen Christen in unseren
Kirchen ganz ähnlich? Sie verstehen sich wirklich als Christen; sie glauben an Gott, den
Schöpfer und himmlischen Vater; sie glauben an Jesus Christus und, dass er für sie gestorben und wieder auferstanden ist. Aber irgendwie fehlt noch etwas. Es fehlt ihnen ein wirklich
geistliches Leben; es fehlt ihnen das Erfasst-Sein vom Heiligen Geist, das Erfüllt-Sein mit
dem Heiligen Geist.
Zwar haben sie durchaus etwas vom Heiligen Geist gehört. Immerhin wird jedes Jahr
Pfingsten gefeiert, und auch sonst ist ab und zu einmal vom Heiligen Geist die Rede. Aber
in vielen Kirchen, besonders in der Landeskirche, bildet der Heilige Geist meist doch eher
ein Randthema, mit dem man sich nicht besonders beschäftigt oder das man sogar bewusst
beiseite schiebt, weil es so schwierig erscheint. Zudem ist oft eine grosse Skepsis da ge-
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genüber christlichen Gemeinden und Gruppierungen, die den Heiligen Geist und das ErfülltWerden mit dem Heiligen Geist stark betonen.
So kann die Frage des Paulus: "Habt ihr den heiligen Geist empfangen, als ihr zum Glauben
kamt?" auch heute viele Christen, wahrscheinlich auch manche unter uns, ins Herz treffen
und sie zur Erkenntnis führen, dass ihnen da tatsächlich etwas Wichtiges fehlt. – Sie alle
möchte ich ermutigen, auf die gleiche Weise zu reagieren wie diese Jünger in Ephesus,
nämlich sich nicht lange zu hintersinnen, sondern sich einfach nach dem Empfang des Heiligen Geistes auszustrecken.
Wie aber machen wir das? Wie können wir denn aber den Heiligen Geist empfangen? Bei
den Männern in Ephesus geschah es, als sie sich auf den Namen von Jesus Christus taufen
liessen. Auch bei manchen anderen Begebenheiten in der Apostelgeschichte und der späteren Kirchengeschichte sehen wir, wie die Taufe und das Erfüllt-Werden mit dem Heiligen
Geist gleichzeitig geschehen, zusammenfallen. – Die Geschichte und die Erfahrung lehren
uns jedoch ebenfalls, dass dies sehr oft auch nicht der Fall ist, besonders bei unserer gängigen Praxis der Säuglingstaufe. Der Empfang des Heiligen Geistes fällt häufig auch nicht
zusammen mit dem Gläubig-Werden, mit der Bekehrung, also mit dem Entschluss an Jesus
Christus als den Erlöser zu glauben, sondern oft ist dies ein späterer zweiter Schritt.
Zwei Dinge braucht es meiner Meinung nach, um den Heiligen Geist zu empfangen, um mit
dem Heiligen Geist erfüllt zu werden: Als erstes ist die Erkenntnis nötig, dass ich den Heiligen Geist überhaupt brauche. Ich muss erkennen und begreifen, dass der Heilige Geist ein
Teil der göttlichen Dreieinigkeit ist und darum genauso zum Leben im Glauben gehört wie
Jesus Christus. Ich muss erkennen, dass der Empfang des Heiligen Geistes nicht eine Option ist, die ich wahrnehmen kann oder auch nicht, sondern eine Notwendigkeit. Denn ohne
den Heiligen Geist, ohne seine Gegenwart in mir, ohne sein Wirken an mir, ohne seine Leitung, seine Hilfe, seinen Trost kann ich eigentlich gar nicht wirklich leben als Christ. Ich
brauche den Heiligen Geist.
Und der zweite Schritt, nachdem ich zu dieser Erkenntnis gekommen bin, ist dann die Bitte
um den Heiligen Geist, dass ich also um die Erfüllung mit dem Heiligen Geist bitte (wobei es
oft hilfreich ist, dies mit einem anderen Christen zusammen zu tun). Jesus selber gab uns
die Verheissung: "Wie viel mehr wird der Vater im Himmel den heiligen Geist denen geben,
die ihn bitten!" [Lukas 11,13]. – Wer also mit offenem Herzen um den Heiligen Geist bittet,
der darf ihn empfangen. Die einen Menschen machen dabei eine intensive, auch emotionale
Erfahrung; andere spüren überhaupt nichts. Aber wie auch immer, die Verheissung bleibt
fest: "Wie viel mehr wird der Vater im Himmel den heiligen Geist denen geben, die ihn bitten!" Die bewusste und aufrichtige Bitte um den Heiligen Geist genügt.
Bei den Jüngern in Ephesus passierte dann Folgendes: "Als Paulus ihnen die Hände auflegte, kam der heilige Geist über sie; und sie redeten in Zungen und in prophetischen Worten."
– "Sie redeten in Zungen", bedeutet, dass sie in anderen Sprachen redeten, entweder in einer Sprache, die sie von sich aus eigentlich nicht kannten, oder in einer Sprache, die gar
nicht menschlich, sondern geistlich ist, also direkt vom Heiligen Geist eingegeben und darum auch nur vom Heiligen Geist verstehbar ist. – Und sie redeten "in prophetischen Worten", das meint, dass sie verständliche Worte aussprachen, die sie sich aber nicht mit dem
eigenen Verstand ausgedacht hatten, sondern vom Heiligen Geist eingeben bekamen.
Es ist interessant, dieses Reden in anderen Sprachen (oder 'Zungenreden', wie es manchmal genannt wird) kommt auch an anderen Stellen in der Apostelgeschichte im Zusammenhang mit dem Empfang des Heiligen Geistes vor, so zum Beispiel beim Pfingstgeschehen in
Jerusalem oder bei Cornelius, den ich erwähnt habe.
Auch in späteren Jahrhunderten war und ist es immer wieder die Erfahrung von Christen,
die mit dem Heiligen Geist erfüllt werden, so dass viele Bibellehrer und geistliche Leiter der
Ansicht sind, die Zungenrede sei ein untrügliches, ja notwendiges Zeichen dafür, dass jemand den Heiligen Geist empfangen hat.
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Ich selber kann das nicht so unterschreiben. Ich glaube, dass jemand durchaus den Heiligen Geist wirklich empfangen haben kann, ohne dass er gleich in anderen Sprachen redet.
Darum ist es sicher falsch, einem Gläubigen die Erfüllung mit dem Heiligen Geist abzusprechen, nur weil er nicht in Zungen redet.
Dennoch bin ich der Überzeugung, dass dieses Sprechen in einer nicht-menschlichen, in
einer geistlichen Sprache die allerhäufigste Gabe des Heiligen Geistes ist und dass es für
unser Glaubensleben sehr hilfreich ist – allerdings nicht primär, um in der Öffentlichkeit gebraucht zu werden und um seine Geisterfülltheit unter Beweis zu stellen, sondern in erster
Linie für das persönliche Gebet. Es ist sehr hilfreich, wenn ich beim Beten nicht mehr nach
eigenen Worten suchen muss, sondern mit Worten beten kann, die mir vom Heiligen Geist
eingegeben werden und die darum sicher die richtigen Worte sind.
Liebe Gemeinde, ich weiss, dass bei diesem Thema oft viele Fragezeichen und auch skeptische Gedanken vorhanden sind. Trotzdem habe ich davon gesprochen, weil davon in unsrem Bibeltext die Rede ist. – Wichtig dünkt mich aber, dass wir uns durch solche Fragezeichen, Zweifel oder auch komische Erlebnisse nicht davon abhalten lassen, uns nach dem
Empfang des Heiligen Geistes auszustrecken und um die Erfüllung mit dem Heiligen Geist
zu bitten. Denn wie ich schon gesagt habe: Wir brauchen unbedingt den Heiligen Geist in
uns, um überhaupt als Jünger, als Christen im Glauben an Gott und an Jesus Christus leben zu können.
Darum mein Aufruf zu Pfingsten: Betrüben wir den Heiligen Geist nicht! Vernachlässigen
und verdrängen wir ihn nicht! Sondern suchen wir ihn, strecken wir uns aus nach ihm, bitten
wir von Herzen um ihn, damit der Heilige Geist uns ganz erfüllt, in uns drin wohnt und so
unser Leben und Glauben segnet und fruchtbar macht!
AMEN
Gebet
Herr, Heiliger Geist.
Du bist uns verheissen und gegeben,
dass du unser Leben erfüllst und unser Glauben stärkst und leitest.
Ohne dich können wir nicht wirklich Christ sein.
Wir brauchen dich.
Darum bitten wir dich: Komm und erfülle unsere Herzen!
Komm in uns hinein und nimm Wohnung in uns!
Erfülle uns ganz, sei es zum ersten Mal überhaupt
oder sei es als Erneuerung deiner Gegenwart in uns.
Und schenke uns deine Gaben. Wir danken dir dafür.
Und wenn wir noch unsere Fragen und Zweifel haben, so legen wir sie bei dir ab
und bitten dich: Hilf du selber uns dazu, offen zu sein für dein Kommen und dein Wirken.
Danke, Heiliger Geist, dass du uns segnen willst, indem du uns erfüllst.
Amen.
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