Druckversion Mehr Wissen: Wie wirksam sind Psychotherapien? Psychotherapien sind neben Medikamenten der wichtigste Bestandteil der Behandlung von Depressionen. Viele Studien belegen ihre Wirksamkeit. Der Behandlungserfolg hängt unter anderem von der Stärke der Beschwerden, der Beziehung zum Therapeuten und der Lebenssituation eines Menschen ab. Bei einer Psychotherapie geht es darum, aus dem emotionalen Tief einer Depression herauszuhelfen und Rückfällen vorzubeugen. Im Rahmen der Therapiesitzungen werden unter anderem Strategien vermittelt, die helfen sollen, besser mit negativen Gedanken umzugehen oder problematische Lebenserfahrungen zu verarbeiten. Der regelmäßige Austausch mit Therapeutin oder Therapeut kann zudem wertvolle emotionale Unterstützung geben und helfen, den Ursachen der Beschwerden nachzugehen. Welche Psychotherapien kommen bei einer Depression infrage? Eine Psychotherapie kann ambulant stattfinden, bei schweren Depressionen auch in einer Klinik (stationär oder teilstationär). Die Behandlung wird von Praxen, psychiatrischen und psychosomatischen Fachkliniken sowie von Rehakliniken angeboten. Oft sind psychotherapeutische Sitzungen Einzelgespräche, es sind aber auch Gruppentherapien sowie eine Kombination von Einzel- oder Gruppensitzungen möglich. Angehörige können bei Bedarf einbezogen werden. Die gesetzlichen Krankenkassen erstatten zur ambulanten Behandlung von Depressionen die kognitive Verhaltenstherapie, die tiefenpsychologisch fundierte sowie die analytische Psychotherapie. Alle drei Verfahren werden von psychologischen oder ärztlichen Psychotherapeuten angeboten. Daneben gibt es noch andere von der Fachwelt anerkannte Therapien, die derzeit nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Dazu zählen unter anderem die interpersonelle Psychotherapie, die Gesprächspsychotherapie und die systemische Therapie. Manchmal werden auch Elemente verschiedener Psychotherapien kombiniert. Die kognitive Verhaltenstherapie hat zum Ziel, Verhaltensweisen und innere Einstellungen zu verändern, an aktuellen Problemen zu arbeiten und konkrete Lösungen zu finden. In tiefenpsychologisch fundierten oder analytischen Therapien setzt man sich mehr mit vergangenen Erlebnissen und Erfahrungen auseinander. Dabei wird versucht, mögliche Auslöser für psychische Probleme zu finden und zum Beispiel problematische Beziehungserfahrungen zu überwinden. Die Gesprächspsychotherapie, die interpersonelle Psychotherapie und die systemische Therapie sind wie die kognitive Verhaltenstherapie stärker lösungsorientiert und auf aktuelle Probleme und Erfahrungen bezogen. Wie wirksam sind Psychotherapien? Viele Studien zeigen, dass psychotherapeutische Behandlungen bei Depressionen helfen. Welche Verfahren in welchen Situationen am wirksamsten sind, lässt sich derzeit nicht mit Sicherheit sagen. Psychotherapien können helfen, depressive Symptome zu lindern und das Risiko für Rückfälle zu verringern. Wie gut sie helfen können, hängt neben dem Verfahren vom Schweregrad, von der Art und Dauer der Depression und weiteren psychischen Beschwerden ab. Psychotherapien wirken zudem nicht bei allen Menschen gleich: Manchen kann in wenigen Sitzungen relativ schnell geholfen werden, andere benötigen eine längere Behandlung. Dabei spielen außer den zum Teil sehr unterschiedlichen Symptomen auch die Persönlichkeit, die Lebensgeschichte und die aktuellen Lebensumstände eines Menschen eine Rolle. Nicht zuletzt ist die Beziehung zur Therapeutin oder zum Therapeuten entscheidend. Wichtig ist, dass der Psychotherapeut aufmerksam, respektvoll, offen und mitfühlend ist – und dass „die Chemie stimmt“. Die eigenen Erwartungen an die Behandlung und die therapeutischen Möglichkeiten müssen zueinander passen. Wie wirksam sind Psychotherapien im Vergleich zu Antidepressiva? Bisherige Studien sprechen dafür, dass Psychotherapien ebenso wie Medikamente akute mittelschwere und schwere Depressionen wirksam lindern können. Bei schweren Depressionen werden Psychotherapien und Medikamente häufig kombiniert. Diese Kombination kann hilfreicher sein als Antidepressiva allein. Manche Menschen beginnen mit einer Psychotherapie auch erst nach einer medikamentösen Akutbehandlung. Die Psychotherapie soll längerfristig stabilisieren und Rückfällen vorbeugen. Auch Menschen mit chronischen und wiederkehrenden Depressionen werden häufig sowohl mit Antidepressiva als auch psychotherapeutisch behandelt. Können Psychotherapien Nebenwirkungen haben? Psychotherapien können wie Medikamente unerwünschte Wirkungen und Folgen haben. Der Unterschied ist: Antidepressiva haben häufiger körperliche als psychische Nebenwirkungen. Die Behandlung mit Antidepressiva wird daher auch häufiger abgebrochen als eine Psychotherapie. Nebenwirkungen von Psychotherapien sind in Studien insgesamt aber noch nicht ausreichend untersucht. Zu einer psychotherapeutischen Behandlung gehört es, sich mit möglicherweise unangenehmen und belastenden Themen zu beschäftigen. Das kann manchmal überfordern, Selbstzweifel verstärken und dazu führen, dass man sich vorübergehend schlechter fühlt. Solche Auseinandersetzungen können aber auch ein wichtiger Schritt zum Behandlungserfolg sein. Psychotherapien können die Beziehungen zu Partnern, Freunden und Kollegen beeinflussen. In der Regel hilft eine Psychotherapie, Konflikte besser zu bewältigen. Wenn jemand durch die Therapie sein gewohntes Verhalten ändert, kann es aber auch zu Spannungen kommen. Möglich ist zudem, dass eine Abhängigkeit vom Therapeuten entsteht, oder es zu Konflikten mit der Therapeutin oder dem Therapeuten kommt. Vor Therapiebeginn ist es wichtig, die Erwartungen an die Behandlung und deren Möglichkeiten offen miteinander zu besprechen. Wenn die Therapeutin oder der Therapeut über mögliche Folgen aufklärt, kann man sich eher darauf einstellen und schwierigere Phasen der Behandlung besser durchstehen. Falls die Behandlung nicht gut verläuft, ist es immer gut, diesen Eindruck mit dem Psychotherapeuten oder der Psychotherapeutin zu besprechen. Wenn eine Klärung nicht gelingt, ist es möglich, den Therapeuten zu wechseln. Für den Erfolg der Behandlung ist es wichtig, sich bei seiner Psychotherapeutin oder seinem Psychotherapeuten gut aufgehoben zu fühlen. Um dies herauszufinden, gibt es die Möglichkeit sogenannter probatorischer Sitzungen vor Beginn der eigentlichen Psychotherapie. Wovon hängt es ab, mit welcher Behandlung man beginnt? In Deutschland wird derzeit empfohlen, bei leichten Depressionen zunächst abzuwarten, ob die Beschwerden auch ohne medikamentöse oder psychotherapeutische Behandlung verschwinden. Abwarten bedeutet aber nicht, gar nichts zu tun. In depressiven Phasen sind eine gute Begleitung und Unterstützung durch Familie und Freunde sowie durch beratende Gespräche und regelmäßige Kontakte mit Ärzten oder Psychotherapeuten sehr wichtig. Verschiedene Möglichkeiten der Selbsthilfe können eine Ergänzung sein. Bei stärkeren und anhaltenden Depressionen ist eine Behandlung sinnvoll – entweder nur mit einer Psychotherapie oder Medikamenten, oder beidem zusammen. Bei der Auswahl des geeigneten Therapieverfahrens kann man sich in einer ärztlichen oder psychotherapeutischen Praxis beraten lassen. Außerdem ist es möglich, sich in einer psychotherapeutischen Sprechstunde Rat zu holen. Sie wird in ambulanten psychotherapeutischen Praxen angeboten. In diesem Rahmen können Erwachsene kurzfristig bis zu sechs Gesprächstermine à 25 Minuten erhalten, Kinder und Jugendliche (bei Bedarf auch mit ihren Eltern) bis zu zehn Termine. Hier lässt sich klären, wie die Beschwerden einzuschätzen sind, wie sie behandelt werden können und welche weiteren Hilfen möglich sind. Wer eine ambulante Psychotherapie in Anspruch nehmen will, muss je nach Region manchmal mit Wartezeiten rechnen. Bei schweren Depressionen stehen aber immer Notfallambulanzen zur Verfügung. Bei Suizidgefahr ist zudem eine rasche stationäre Behandlung möglich. Bei der Suche nach einem Therapieplatz kann die psychotherapeutische Sprechstunde hilfreich sein. Bis zum Beginn einer Psychotherapie nehmen viele Menschen Antidepressiva. Wenn andererseits eine Psychotherapie kurzfristig möglich ist und hilft, kann manchmal auf Medikamente verzichtet werden. Quellen Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ). Nonpharmacological versus pharmacological treatments for adult patients with major depressive disorder. Comparative Effectiveness Review No. 161. Rockville (MD): AHRQ, 12.2015. Clarke K, Mayo-Wilson E, Kenny J, Pilling S. 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