Untergrundstudien zur Messung der Strangeness-Vektorformfaktoren des Protons durch paritätsverletzende Elektronenstreuung unter Rückwärtswinkeln Dissertation zur Erlangung des Grades ,,Doktor der Naturwissenschaften” am Fachbereich Physik der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz von Luigi Capozza geb. in Negrar (Italien) Mainz, den 19. August 2010 Inhaltsverzeichnis Einleitung 1 1 Theoretische Grundlagen 1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Strangeness im Nukleon . . . . . . . . . 1.3 Modellrechnungen . . . . . . . . . . . . 1.3.1 Vektor-Meson-Dominanz . . . . . 1.3.2 Kaon-Loops . . . . . . . . . . . . 1.3.3 Nukleonmodelle . . . . . . . . . 1.3.4 Gitter-QCD . . . . . . . . . . . . 1.3.5 Übersicht der Modellrechnungen . 1.4 Weitere Aspekte der Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 5 8 8 9 11 12 15 15 2 Paritätsverletzung und Strangeness im Nukleon 2.1 Messprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Experimentelle Anforderungen . . . . . . . . 2.3 Bisherige Messungen . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 SAMPLE . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 HAPPEx . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 G0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 17 23 25 25 27 29 . . . . . . . . . . . 31 31 33 36 38 42 45 45 46 48 50 53 . . . . . . . . . 3 A4-Experiment 3.1 Allgemeine Beschreibung . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Polarisierte Quelle . . . . . . . . . . . 3.1.2 Beschleuniger . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Polarisationsmessung . . . . . . . . . . 3.1.4 Target und Luminositätsmonitore . . . 3.2 Cherenkov-Kalorimeter . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Anforderungen an das Kalorimeter . . . 3.2.2 Bleifluorid . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Geometrie des Kalorimeters . . . . . . 3.2.4 Photomultiplier und Ausleseelektronik 3.3 Messung unter Rückwärtswinkeln . . . . . . . I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II INHALTSVERZEICHNIS 3.4 Szintillationszähler-Elektronentagger . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 4 Extraktion der Asymmetrie 4.1 Allgemeine Beschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Zählratenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Korrektur apparativer Asymmetrien . . . . . . . 4.2 Untergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Untergrundquellen . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Untergrund aus dem Zerfall ungeladener Pionen 4.2.3 Konversionsuntergrund . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Behandlung des Konversionsuntergrunds . . . . . . . . . 4.3.1 Konversionsuntergrundabzug . . . . . . . . . . . 4.3.2 Systematische Untergrunduntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 61 62 64 66 66 68 76 80 80 82 5 Simulation von Streuprozessen 5.1 Allgemeines zum Ereignisgenerator . . . . . . . . 5.1.1 Anfangszustand . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Abtastung von Endzuständen . . . . . . . . 5.2 Streuprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Elastische Streuung . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Innere Bremsstrahlung . . . . . . . . . . . 5.2.3 Inelastische Streuung . . . . . . . . . . . . 5.2.4 Erzeugung und Zerfall ungeladener Pionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 85 86 89 92 92 95 101 102 6 Detektorantwortverhalten 6.1 Cherenkov-Kalorimetrie . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Linearität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2 Energieauflösung . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Simulation der Kalorimeterantwort . . . . . . . . . . 6.2.1 Simulation der Lichtsammeleffizienz . . . . 6.2.2 Simulation des Energieauflösungsvermögens 6.2.3 Messungen des Energieauflösungsvermögens 6.3 Simulation der Szintillationszähler . . . . . . . . . . 6.4 Untersuchungen zum Untergrundabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 108 108 115 116 118 121 128 129 139 7 Resultate und Schlussfolgerungen 7.1 Simuliertes Gesamtspektrum . . . . . . 7.2 Simulierter Konversionsuntergrund . . . 7.3 Korrektur der Asymmetrie . . . . . . . 7.4 Messung der Strangeness-Formfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 145 149 151 154 A Geometrische Details . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 INHALTSVERZEICHNIS B Wertvolle Formeln B.1 Kinematische Größen . . . . . . . . . . . . . . . B.1.1 Elastische Streuung . . . . . . . . . . . . B.1.2 Inelastische Streuung . . . . . . . . . . . B.1.3 Zerfall ungeladener Pionen . . . . . . . . B.2 Wirkungsquerschnitte . . . . . . . . . . . . . . . B.3 Strahlungskorrekturen . . . . . . . . . . . . . . . B.4 Peaking-Approximation zum Strahlungsschwanz B.5 Matrixelemente für die Pionproduktion . . . . . . Literaturverzeichnis III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 165 165 165 167 168 169 170 171 173 IV INHALTSVERZEICHNIS [...] ≪Quando mi diparti’ da Circe, che sottrasse me più d’un anno là presso a Gaeta, prima che sı̀ Enëa la nomasse, né dolcezza di figlio, né la pieta del vecchio padre, né ’l debito amore lo qual dovea Penelopè far lieta, vincer potero dentro a me l’ardore ch’i’ ebbi a divenir del mondo esperto e de li vizi umani e del valore; ma misi me per l’alto mare aperto sol con un legno e con quella compagna picciola da la qual non fui diserto. L’un lito e l’altro vidi infin la Spagna, fin nel Morrocco, e l’isola d’i Sardi, e l’altre che quel mare intorno bagna. Io e ’ compagni eravam vecchi e tardi quando venimmo a quella foce stretta dov’ Ercule segnò li suoi riguardi acciò che l’uom più oltre non si metta; da la man destra mi lasciai Sibilia, da l’altra già m’avea lasciata Setta. “O frati”, dissi “che per cento milia perigli siete giunti a l’occidente, a questa tanto picciola vigilia d’i nostri sensi ch’è del rimanente non vogliate negar l’esperı̈enza, di retro al sol, del mondo sanza gente. Considerate la vostra semenza: fatti non foste a viver come bruti, ma per seguir virtute e canoscenza”. Li miei compagni fec’ io sı̀ aguti, con questa orazion picciola, al cammino, che a pena poscia li avrei ritenuti; e volta nostra poppa nel mattino, de’ remi facemmo ali al folle volo, sempre acquistando dal lato mancino. [...] Einleitung Die Beschreibung der niederenergetischen Eigenschaften der Hadronen durch die Quantenchromodynamik (QCD), die zurzeit als die fundamentale Theorie der starken Wechselwirkung angenommen wird, ist ein offenes Forschungsgebiet. Hierbei ist die direkte Beobachtung von Effekten der QCD-Freiheitsgrade bei niederenergetischen Prozessen von großer Bedeutung. Eine Möglichkeit dazu bietet sich durch die Separation der Beiträge einzelner Flavours zu den Hadroneneigenschaften. Insbesondere Effekte der Seequarks (wie das s-Quark im Nukleon) werden im Gegensatz zu Valenzquarks als zweifellose Signatur für Effekte der QCD-Quarks angesehen. Im Laufe des letzten Jahrzehnts ist die paritätsverletzende Elektronenstreuung zu einer Standardmethode geworden, um die Beiträge der einzelnen Flavours zum elektromagnetischen Stromoperator des Nukleons zu separieren. Das A4-Experiment an MAMI zählt zu den vier weltweit existierenden Versuchen, die der Messung der paritätsverletzenden Asymmetrie im Wirkungsquerschnitt der elastischen Elektron-Nukleon-Streuung gewidmet sind. Vor dieser Arbeit hatte die A4-Kollaboration zwei solche Messungen veröffentlicht. Beide waren Vorwärtswinkelmessungen bei den Viererimpulsüberträgen |q 2 | von jeweils 0.23 und 0.10 (GeV/c)2 . Aus diesen Ergebnissen können Linearkombinationen der Strangeness-Vektorformfaktoren GsE und GsM des Protons extrahiert werden. Um die Separation der beiden beim höheren |q 2 |-Wert zu erhalten, wurde eine Messung unter Rückwärtswinkeln durchgeführt. Im A4-Experiment wird ein longitudinal polarisierter Elektronenstrahl an einem Flüssigwasserstoff-Target gestreut, und einzelne elastisch gestreuten Elektronen werden mit einem Cherenkov-Kalorimeter gezählt. Die Energieauflösung des Detektors reicht aus, um elastische von inelastischen Streuereignissen zu trennen. Unter Rückwärtswinkeln enthält allerdings das Energiespektrum erhebliche Beiträge von γ-Quanten aus dem Zerfall ungeladener Pionen, die im Target durch Elektro- und Photoproduktion erzeugt werden. Diese Beiträge können nicht anhand der kalorimetrischen Energiemessung von den elastisch gestreuten Elektronen unterschieden werden. Um die Messung unter diesen Umständen zu ermöglichen, wurde ein Plastikszintillator zum Tagging von Elektronen vor dem Kalorimeter installiert. Durch Einstellung einer Koinzidenzschaltung zwischen den beiden Detektoren können 1 2 EINLEITUNG Elektron- bzw. γ-Ereignisse in zwei unterschiedliche Energiespektren histogrammiert werden. Aufgrund der Wechselwirkungen der γ-Quanten in der Aluminium-Vakuumkammer, die sich vor dem Szintillationszähler befindet, können γ-Ereignisse fehlerkannt und als Untergrund im Elektronenspektrum registriert werden. Im Rahmen dieser Arbeit wurde dieser Untergrund studiert und eine Methode entworfen, um die Asymmetriemessung entsprechend zu korrigieren. Dazu wurde das Energiespektrum mit Hilfe von Monte-Carlo-Simulationen untersucht. Zum einen wurden die relevanten Streuprozesse der Strahlelektronen im Target identifiziert, und ein Ereignisgenerator für die Abtastung von Endzuständen aus den jeweiligen differentiellen Wirkungsquerschnitten wurde implementiert. Zum anderen wurden das Antwortverhalten der beiden Detektoren sowie die Koinzidenzbedingung anhand von G EANT-Simulationen und Testmessungen detailliert untersucht. Die Simulationen geben die gemessene Energiespektren mit einer Verträglichkeit der Größenordnung 5% wieder. Darüber hinaus wurde die Anwendbarkeit des entworfenen Verfahrens zur Untergrundbehandlung bewiesen. Unter Anwendung dieser Untergrundkorrektur an die Rückwärtswinkeldaten mit der Strahlenergie von 315 MeV konnte eine weitere Linearkombination der Strangeness-Vektorformfaktoren bei q 2 = − 0.22 (GeV/c)2 gemessen werden, die in Kombination mit der Vorwärtswinkelmessung beim selben q 2 für die Separation der beiden seltsamen Formfaktoren GsE und GsM verwendet wurde. Die Arbeit ist folgendermaßen strukturiert: Die theoretischen Grundlagen der Messung werden im ersten Kapitel zusammengefasst. Im zweiten Kapitel wird das Messprinzip der Strangeness-Vektorformfaktoren über die Messung von Neutralstromobservablen besprochen. Ein Überblick der experimentellen Herausforderungen dieser Messungen sowie der bis heute erschienenen Weltresultate wird gegeben. Das A4-Experiment wird im Kapitel 3 in Details beschrieben. Besonders betont werden die Eigenschaften von Kalorimeter und Szintillatoren. Im Kapitel 4 wird zuerst eine Beschreibung der A4-Datenanalyse gegeben. Zweitens werden die mögliche Untergrundquellen eingegangen und eine anschauliche vorläufige Studie des zu erwartenden γ-Untergrunds unter Rückwärtswinkeln präsentiert. Zuletzt wird das Verfahren zur Untergrundbehandlung geschildert und die Notwendigkeit systematischer Untergrundstudien diskutiert. Solche systematische Studien werden dann in den folgenden zwei Kapiteln ausführlich vorgestellt. In Kapitel 5 wird der Ereignisgenerator für die Simulation der Streuprozesse beschrieben, während das Kapitel 6 sich mit dem Antwortverhalten des Detektors und mit der Untersuchung der Koinzidenzauslösung befasst. Die Resultate werden im letzten Kapitel zusammengefasst. Erstens werden die Simulationsergebnisse mit dem gemessenen Spektrum verglichen. Zweitens wird die Machbarkeit der Methode zur Untergrundbehandlung bewiesen. Schließlich werden die Messergebnisse für GsE und GsM angegeben und Schlussfolgerungen für die statischen elektromagnetischen Eigenschaften des Protons, die mit der Strangeness verbunden sind, gezogen. Kapitel 1 Theoretische Grundlagen 1.1 Einleitung Experimente an Teilchenbeschleunigern erlauben die Erforschung der Naturphänomene auf den kleinsten Längenskalen und somit das Studium der Materie auf dem Niveau ihrer fundamentalsten Bausteine. In diesem Zusammenhang wird in der Regel zwischen Teilchenphysik und Hadronenphysik unterschieden. Angesichts des heutigen Kenntnisstandes wird in der Teilchenphysik hauptsächlich die elektroschwache Wechselwirkung untersucht, die sehr erfolgreich vom sogenannten Standardmodell von Glashow, Weinberg und Salam beschrieben wird [1]. Hierbei finden die unbekannten Phänomene bei einer sehr kleinen Längenskala statt, und somit werden Teilchenbeschleuniger mit sehr hoher Energie benötigt. Objekt der Untersuchung der Hadronenphysik sind hingegen die starken Kräfte, die für die Wechselwirkung zwischen Hadronen, für ihre Struktur sowie für den Aufbau der Atomkerne verantwortlich sind. Im Gegensatz zur Teilchenphysik ereignen sich in der Hadronenphysik die unverstandenen Phänomene bei relativ großen Längenskalen, was die Nieder- bis Mittelenergie-Streuexperimente, d.h. Experimente an Beschleunigern mit Strahlenergien von unter einem GeV bis zu einigen GeV, zu den am besten geeigneten Werkzeugen für die Forschung in diesem Gebiet der Physik machen. Die Unkenntnis der physikalischen Vorgänge bei großen Skalen hängt mit den Begriffen der asymptotischen Freiheit und des Confinements zusammen. Unter asymptotischer Freiheit versteht man, dass die zwischen den Teilchen wirkenden Kräfte schwach werden, wenn die Wechselwirkung bei kleinen Abständen (oder großen Energien) beobachtet wird. Somit verhalten sich die Teilchen quasi frei, und von der Theorie her können perturbative Ansätze angewandt werden. Tatsächlich lassen sich die hochenergetischen Prozesse der starken Wechselwirkung durch eine Eichtheorie, die Quantenchromodynamik (QCD), beschreiben, für die die perturbativen Standardmethoden der Quantenfeldtheorien anwendbar sind, da die Kopplungskonstante in diesem Energieregime klein ist. Darüber hinaus ist die Theorie 3 4 KAPITEL 1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN renormierbar und besitzt daher eine umfangreiche Vorhersagekraft. Aus dieser Theorie kann schließlich die asymptotische Freiheit durch die Renormierungsgruppen-Gleichung hergeleitet werden [2, 3, 4]. Allgemeiner lässt sich zeigen, dass die asymptotische Freiheit eine Eigenschaft von Yang-Mills-Theorien mit spezifischen nicht-abelschen Eichgruppen, wie SU(3) im Falle der QCD, ist. Die asymptotische Freiheit ergibt sich, weil die Kopplungskonstante αs der YangMills-Wechselwirkung mit zunehmender Energieskala abnimmt. Aus diesem Befund kann das Confinement, d.h. die Abwesenheit von farbgeladenen Zuständen im Teilchenspektrum, qualitativ verstanden werden. Ein formaler Beweis aus der QCD ist jedoch nicht bekannt. Wenn man sich nun der Beschreibung von niederenergetischen Prozessen der starken Wechselwirkung zuwendet, kann man keine perturbativen Ansätze verwenden, denn die Kopplungskonstante αs wird bei großen Längenskalen groß, und eine Entwicklungsreihe in Potenzen von αs konvergiert nicht oder nur sehr langsam. Das Studium der starken Kräfte im nichtperturbativen Energiebereich ist ein offenes Feld, für dessen Erforschung Experimente bei niedrigen bis mittleren Energien notwendig sind. Seitens der Theorie können quantenfeldtheoretische Ansätze bei großen Skalen im Rahmen von effektiven Feldtheorien (EFT) mit phänomenologischen Lagrangedichten verwendet werden. Der systematische Aufbau solcher Theorien aus einer fundamentaleren Theorie, die bei kleineren Abständen gilt und deren wichtige Symmetrien berücksichtigt werden müssen, ist bekannt [5, 6]. Wenn man die QCD als fundamentale Theorie betrachtet, spielen bei den niederenergetischen Eigenschaften der Hadronen die chirale Symmetrie der QCD mit masselosen Quarks und deren spontane Brechung durch ein endliches VakuumQuarkkondensat die entscheidende Rolle. Unter Berücksichtigung dieser Symmetrie kann eine systematische Entwicklung in äußeren Impulsen und leichten Quarkmassen hergeleitet werden. Diese EFT nennt sich chirale Störungstheorie (χPT, chiral perturbation theory) [7]. Obwohl die χPT die konsistente und systematische Niederenergieentwicklung der QCD darstellt, bereitet die Praxisanwendung dieses theoretischen Ansatzes häufig große Schwierigkeiten. Zuerst ist die Konvergenz der Störungsreihe in vielen Fällen langsam, denn die Impulse der beteiligten Teilchen sind nicht sehr klein im Vergleich zur Skala der spontanen Symmetriebrechung (Λχ ≃ 1 GeV). Wenn auch s-Quarks miteinbezogen werden, dann ist ein weiterer Entwicklungsparameter relativ groß, nämlich die s-Quarkmasse. Zweitens ist die Theorie nicht renormierbar, da sie im Prinzip unendlich viele Parameter (Niederenergiekonstanten) enthält, die nur teilweise aufgrund der chiralen Symmetrie untereinander verbunden sind. Diese sollten dann durch entsprechend viele gemessene Größen festgelegt werden. Häufig ergibt sich aber der Fall, dass man weniger oder genausoviele Messgrößen wie Niederenergiekonstanten zur Verfügung hat und somit die Aussagen der Theorie nicht prädiktiv sind. Die andere populäre Methode, um QCD-Rechnungen im nichtperturbativen Be- 1.2. STRANGENESS IM NUKLEON reich durchzuführen, sind die Gittersimulationen. Darauf wird in Abschnitt 1.3.4 näher eingegangen. 1.2 Strangeness im Nukleon Eine grundsätzliche Frage der starken Wechselwirkung betrifft die Beziehung zwischen den fundamentalen Freiheitsgraden der QCD-Lagrangedichte, Quarks und Gluonen, die in der Physik bei kleinen Abständen relevant sind, mit den effektiven Niederenergiefreiheitsgraden, den Hadronen, die die Physik bei großen Abständen dominieren. Andererseits können viele Niederenergieeigenschaften der Hadronen im Rahmen von nichtrelativistischen Valenzquarkmodellen verstanden werden. Dabei werden die Hadronen als gebundene Zustände von schweren Konstituenten beschrieben, die sich langsam bewegen und nichtrelativistisch betrachtet werden. Allerdings ist es schwierig, diese schweren “Konstituentenquarks” mit den QCD-Quarks zu identifizieren, die in Experimenten der tiefinelastischen Streuung, für deren Beschreibung die QCD perturbativ angewendet werden kann, eine viel kleinere Masse aufweisen. Es wurde daher vorgeschlagen [8], diese Konstituentenquarks als effektive niederenergetische Freiheitsgrade zu interpretieren, die mit den QCD-Quarks nichts zu tun haben und durch die Wechselwirkung mit dem starken Feld oder mit den Goldstone-Bosonen der chiralen Symmetriebrechung eine dynamische Masse erhalten. Um echte QCD-Quarkeffekte in der Hadronstruktur zu beobachten, müssen daher die sogenannten Seequarks betrachtet werden, wie z.B. Effekte der s-Quarks im Nukleon. Gerade durch solche Effekte wird versucht, existierende experimentelle Befunde zu erklären, die von den Vorhersagen der Valenzquarkmodelle abweichen. s̄s-Operator. Das bekannteste Beispiel davon ist der Beitrag des s-Quarks zur Nukleonmasse [9]. Diese kann als MN = M0 + σ + σs geschrieben werden, wobei m̂ ¯ |Ni , hN| ūu + dd 2MN ms = hN| s̄s |Ni 2MN σ = σs und m̂ = (mu +md )/2. M0 stammt aus dem Gluongehalt und aus dem q̄q-Kondensat, während σ und σs auf der expliziten Brechung der chiralen Symmetrie beruhen. Der Beitrag σ von den leichten Quarkmassen kann von der Pion-Nukleon-Streuung 5 6 KAPITEL 1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN durch den sogenannten Σ-Term extrahiert werden, indem eine isospingerade Kombination von Streuamplituden vom nichtphysikalischen Chang-Dashen-Punkt, s = MN2 und t = m2π , durch Dispersionsrelationen zu t = 0 extrapoliert wird. Man erhält σ ≃ 45 MeV [10]. Eine weitere Kombination von Matrixelementen der q̄q-Operatoren, die mit den Massen der pseudoskalaren Mesonen und der Hyperonen in Beziehung gesetzt werden, hat man im chiralen Limes und mit der Annahme vollständiger SU(3)-Symmetrie: m̂ ¯ − 2s̄s |Ni hN| ūu + dd 2MN m2π 3 (MΞ − MΛ ) ≃ 25 MeV . = 2 m2K − m2π δ = Das Resultat wird unter Berücksichtigung von Effekten der SU(3)-Symmetriebrechung zu δ ≃ 35 MeV [10]. Aus der Differenz zwischen σ und δ ergibt sich eine Abschätzung für die Größe des Grundzustand-Erwartungswerts des s̄s-Operators und für den Beitrag des sQuarks zur Nukleonmasse σs ≃ 130 MeV. s̄γ µ γ5 s-Operator. Informationen über Matrixelemente der Quark-Axialvektorströme erhält man aus den Messungen der polarisierten tiefinelastischen Streuung. Hierbei streut man polarisierte Leptonen (Elektronen oder Myonen) bei großen Energien an polarisierten Protonen oder Deuteronen. Unter der sehr umfangreichen Literatur zu diesem Thema findet man z.B. die Neuveröffentlichung [11], die eine sowohl von der experimentellen als auch der theoretischen Seite her vollständige Übersicht bietet. Zur niedrigsten Ordnung in der elektromagnetischen Kopplungskonstante hängt der Wirkungsquerschnitt für die polarisierte Streuung von zwei Strukturfunktionen g1,2 (x, q 2 ) ab (x ist hier die Bjorken-Variable x = −q 2 /2q · P und P µ ist der Nukleon-Viererimpuls), die sich durch die Messung von Doppelpolarisationsobservablen separieren lassen und bei festem x nur sehr schwach von q 2 abhängen. Diese Strukturfunktionen können im Rahmen des sogenannten “einfachen Partonmodells”, wobei das Nukleon analog zur Impulsapproximation der Kernphysik als ein Gas freier punktförmiger Teilchen angesehen wird, durch Partonverteilungen q(x) beschrieben werden, welche der longitudinalen Impulsverteilung der Partonen entsprechen. In diesem Modell ist das Scaling exakt, und die Strukturfunktionen hängen nur von x ab. Das Partonmodell ist äquivalent zur führenden TwistNäherung in der Operatorproduktentwicklung der QCD, wobei die Partonen Quarks und Gluonen entsprechen. Trennt man in den Quark-Partonverteilungen die Beiträge von den beiden Helizitätszuständen q(x) = q+ (x) + q− (x), wobei +/− den zum Nukleonspin parallelen bzw. antiparallelen Helizitätszuständen entsprechen, und führt die Größe 1.2. STRANGENESS IM NUKLEON ∆q(x) = q+ (x) − q− (x) ein, so hat man für die longitudinal polarisierte tiefinelastische Streuung 1X 2 Qj [∆qj (x) + ∆q̄j (x)] , g1 (x) = 2 j wobei die Summe über die Quarkflavours läuft und Qj die elektrische Ladung des Flavour j darstellt. Unter diesen Annahmen entspricht das Integral Z ∆qj = dx(∆qj (x) + ∆q̄j (x)) dem Beitrag des Flavours j zum Nukleonspin und kann durch das Matrixelement hN| q̄j γ µ γ5 qj |Ni ausgedrückt werden. Der gesamte Beitrag der Quarks zum Nukleonspin ergibt sich unter Vernachlässigung der Beiträge von schweren Flavours als ∆Σ = (∆u + ∆ū) + (∆d + ∆d̄) + (∆s + ∆s̄) und wurde nach der Ellis-Jaffe-Summenregel [12], die mit der Annahme ∆s = ∆s̄ = 0 hergeleitet wird, zu ∆Σ ≃ 0.59 abgeschätzt. Die Messung des EMCExperimentes [13] deutet im Gegensatz dazu ∆Σ ≃ 0 an. Viele Aspekte wie etwa die Gluonbeiträge zum Spin werden im Rahmen des einfachen Partonmodells nicht berücksichtigt, und diese Betrachtung ist deshalb zu naiv, um aus diesem Befund drastische Schlussfolgerungen zu ziehen. Allerdings weisen die Resultate des EMC-Experimentes darauf hin, dass das Matrix-Element hN |s̄γ µ γ5 s| Ni verschieden von Null ist. s̄γ µ s-Operator. Ende der achtziger Jahre wurde von Kaplan und Manohar [14] gezeigt, dass Matrixelemente des s-Quark-Vektorstromoperators s̄γ µ s durch Neutralstrom-Experimente zugänglich werden können. Bei solchen Messungen ist der Zugang zu den gesuchten Matrixelementen etwas direkter als bei den anderen sQuark-Operatoren, denn die Beiträge der einzelnen Flavours zu den Formfaktoren können separiert werden. Dies wird im Kapitel 2 detailliert vorgestellt. Die Vektorkopplung des Nukleons an den elektromagnetischen Strom wird für die elastische Streuamplitude in der niedrigsten Ordnung in der Feinstrukturkonstante durch die Formfaktoren GE,M beschrieben, die mit der Ladungs- und Magnetisierungsverteilung im Nukleon verbunden werden können. Bei dem Impulsübertrag q 2 = 0 stellen diese Formfaktoren statische Eigenschaften der Nukleonen dar. Hierzu werden das 2 magnetische Moment µN und der mittlere quadratische Ladungsradius rN folgendermaßen definiert: dGE 2 (q = 0) , dq 2 = GM (q 2 = 0) . 2 rN = 6 µN 7 8 KAPITEL 1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN Die Beiträge zu den elektromagnetischen Formfaktoren von der Kopplung des sQuarks zum Photonfeld werden mit GsE und GsM bezeichnet und ergeben sich durch das Matrixelement hN| s̄γ µ s |Ni. Die entsprechenden Beiträge zu den statischen Eigenschaften werden mit rs2 und µs bezeichnet. Zur Messung der Strangeness-Vektorformfaktoren sind eine Reihe von Experimenten entworfen worden, die Neutralstrom-Effekte in der Elektronenstreuung untersuchen, indem sie die Paritätsverletzung der schwachen Wechselwirkung ausnutzen. Ein von diesen Experimente wird von der A4-Kollaboration am Mainzer Mikrotron betrieben. 1.3 Modellrechnungen Die Strangeness-Vektorkopplung des Nukleons ist im Rahmen verschiedener theoretischer Ansätze untersucht worden, und einige Reviews existieren in der Literatur [15, 16]. Hier werden nur einige von diesen Ansätzen und Modellen kurz vorgestellt. 1.3.1 Vektor-Meson-Dominanz Die ersten Abschätzungen vom seltsamen magnetischen Moment und Ladungsradius des Nukleons wurden aus Dispersionsrelationsanalysen der isoskalaren elektromagnetischen Formfaktoren des Nukleons gewonnen. Phänomenologisch lassen sich die Formfaktoren mit Multipolfunktionen anfitten, wobei die Pole sich im zeitartigen Bereich des Viererimpulsübertrags (q 2 > 0) befinden. Die Annahme der Vektor-Meson-Dominanz besagt, dass die Lage dieser Pole der Masse von existierenden isoskalaren Vektormesonen entsprechen, die dieselben Quantenzahlen wie das Photon (J P C = 1−− ) besitzen und somit zum elektromagnetischen Strom der Nukleonen koppeln. Eine berühmte Rechnung mit diesem Ansatz ist die von Jaffe [17]. Er benutzt die Resultate von Höhler et al. [18], wobei zwei Pole bei etwa 0.84 GeV bzw. 0.97 GeV im isoskalaren Kanal identifiziert werden konnten. Diese werden den Vektormesonen ω(780) und φ(1020) zugewiesen. Das φ(1020) ist fast ausschließlich ein |s̄siZustand, wie man vom Verzweigungsverhältnis von φ → KK zu φ → πππ unter Berücksichtigung der OZI-Regel feststellen kann. In der Tat sind die physikalischen ω- und √φ-Zustände eine Mischung der reinen Flavourzuständen |s̄si und (|ūui + ¯ )/ 2, wobei der kleine Mischungswinkel zu ǫ = 0.053 ± 0.005 bestimmt wurdd de [17]. Wenn man, wie bei Jaffe, die Kontinuum-Beiträge von Zwischenzuständen aus mehreren Pseudoskalaren vernachlässigt, deutet eine starke φN-Kopplung, was einer starken Verletzung der OZI-Regel in der Nukleon-Vektorkopplung entspricht, 1.3. MODELLRECHNUNGEN 9 auf große Beiträge von s̄γ µ s hin. Tatsächlich erhält man in der Analyse rs2 = (0.16 ± 0.06) fm2 , µs = (−0.31 ± 0.09) n.m. , wobei die Fehler aus der Mittelung zwischen Resultaten aus drei verschiedenen Anpassungen stammen, die sich durch die Form der Fitfunktion unterscheiden. Eine Verbesserung dieser Resultate wurde von Hammer et al. vorgenommen [19]. Neben der Miteinbeziehung von inzwischen verfügbar gewordenen Daten wurde eine Verfeinerung der Fitfunktion vorgeschlagen, um die Bedingungen von der bei großen Impulsüberträgen geltenden störungstheoretischen QCD zu berücksichtigen. Darüber hinaus wurde ein besserer Wert für den ωφ-Mischungswinkel ǫ verwendet, der die Symmetriebrechung im Vektor-Nonett sowohl von der starken als auch von der elektromagnetischen Wechselwirkung besser berücksichtigt. Die aktualisierten Resultate lauten: rs2 = (0.21 ± 0.03) fm2 , µs = (−0.24 ± 0.03) n.m. . In [20] findet man eine Studie der Effekte des 3π-Kontinuums, das fast nur in der gemischten Resonanzform ρπ beiträgt, und des K̄K-Kontinuums. Diese Beiträge von KK→NN sind im Dispersionsintegral als Branchcut im zeitartigem Bereich enthalten und können über analytische Fortsetzung von den NK-Streudaten (I=0) abgeschätzt werden. Für den Pauli-Formfaktor F2 wird die Stärke des φs fast komplett vom K̄K-Kontinuum ersetzt. Da dieses aber auch zum Strangeness-Vektorstrom koppelt, hat man einen ähnlichen Wert für µs = −0.28. Für den Dirac(I=0) Formfaktor F1 sättigt jedoch das K̄K-Kontinuum die ganze Stärke der φ-Resonanz nicht. Wenn man das φ sogar ausschaltet und durch ein effektives ρπ-Kontinuum ersetzt, übernimmt diese neue Komponente einen wichtigen Teil der Resonanzkraft. Da sie aber viel weniger am s̄γ µ s-Strom koppelt, hat dieser Austausch eine signifikante Auswirkung auf den Wert des seltsamen quadratischen Radius, der sich von 0.42 fm2 zu −0.15 fm2 ändert. 1.3.2 Kaon-Loops Wenn man die leichten (u, d und s) Quarkfelder als Vektor im Flavourraum betrachtet, kann der Strangeness-Vektorstrom als hN| s̄γµ s |Ni = hN| q̄γµ = λ8 λ0 −√ 3 3 1 1 0 Jµ − √ Jµ8 3 3 q |Ni (1.1) 10 KAPITEL 1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN geschrieben werden. Hierbei sind λ0,a=1...8 die Einheitsmatrix bzw. die Gell-MannMatrizen und Jµ0,8 die entsprechenden Vektorströme der baryonischen SU(3)-Multiplettzustände. Hiermit wird eine Beziehung zwischen dem betrachteten s-QuarkOperator und den Operatoren hadronischer Freiheitsgrade erstellt. Für niederenergetische Prozesse kann die chirale Störungstheorie angewandt werden. Insbesondere kann die Wechselwirkung von Baryonen mit den Pseudoskalaren im Rahmen der Heavy Baryon (HB)χPT beschrieben werden. Dabei werden die Baryonen als Dirac-Felder eingeführt und die Teilchen-/Antiteilchen-Komponenten durch FoldyWouthuysen-Transformation in der Hamilton-Funktion voneinander getrennt, damit eine Entwicklung in 1/MB (MB die Baryonmasse) möglich wird. In Ref. [21] wird GsM (q 2 ) zur chiralen Ordnung O(p3 ) (eine Schleife) berechnet. Mit dieser Rechnung kann keine Vorhersage für µs = GsM (0) gemacht werden, denn eine der auftretenden Niederenergiekonstanten, nämlich das magnetische Moment des SU(3)-Singuletts G0M (q 2 = 0), kann nicht von anderen Observablen festgelegt werden. Dafür ist der q 2 -Verlauf von GsM (q 2 ) eine modell-unabhängige Vorhersage, wenn ein Messwert dieses Formfaktors verwendet wird. Bemerkenswert ist, dass die zu berechnende Streuamplitude zwei Beiträge enthält, Jµ8 (a) (b) Jµ0,8 , und dass zu dieser Ordnung nur der Oktettstrom zur Kaonschleife (a) beiträgt, während sie unabhängig von der Kopplung an den Singulettstrom ist. Somit ist die q 2 -Abhängigkeit von GsM , die einzig von (a) kommt, eine parameterfreie Vorhersage. Zudem sind KΛ und KΣ die einzigen in der Schleife bei (a) zugelassenen Zwischenzustände, da π- und η-Beiträge erst in der nächsten Ordnung vorkommen. Diese Überlegungen motivieren a posteriori gewisse Modellrechnungen, wie beispielsweise [22]. Dabei berechnen die Autoren die Strangeness-Vektorkopplung im Rahmen eines einfachen Modells mit Baryonen und Pseudoskalaren, die über effektive lokale Kopplungen wechselwirken. Nur Nukleonen, Pionen und die leichtesten Strangeness-Kanäle (KΛ) werden betrachtet, und die Beiträge von diesen werden als s-Quark-Beiträge interpretiert. Im Rahmen eines solchen Modells ist natürlich kein konsistentes Zählschema vorhanden und daher keine eindeutige Kontrolle der Unsicherheiten möglich. Außerdem ist eine Willkür bei der Regularisierung von Integralen der Art (a) unvermeidlich. Aus diesen erhält man große Beiträge von der Strangeness, die allerdings sehr stark von der ausgewählten Cutoff-Energie abhängen, und die elektromagnetischen Formfaktoren werden nicht gut reproduziert. Es wird behauptet, dass es an der Vernachlässigung der unterliegenden Nukleonstruktur und insbesondere dessen endlicher räumlicher Ausdehnung liegt. Diese sollte für die Skala des ultravioletten Cutoffs verantwortlich sein und wird dann anhand zweier Modelle, eines cloudy bag 1.3. MODELLRECHNUNGEN model (CB) und eines nichtrelativistischen Konstituentenquarkmodells (NRCQ), abgeschätzt. Dadurch werden die Strangeness Beiträge stark eingeschränkt. Man kommt auf die Werte [22]: CB: µs = −0.0260 n.m., rs2 = −0.0097 fm2 , NRCQ: µs = −0.0324 n.m., rs2 = −0.0077 fm2 . In der Literatur findet man diverse Abschätzungen dieser Art [23, 24, 25], die auch sehr unterschiedliche Resultate haben. 1.3.3 Nukleonmodelle Da Strangeness-Beiträge, und allgemeiner Seequark-Effekte, eng mit der Nukleonstruktur verbunden sind, bieten sie eine Testumgebung für Nukleonmodelle an. Hier werden zwei von solchen Modellen erwähnt: das Skyrme-Modell und das Chiral Quark Soliton Model (χQSM). Beide sind solitonische Modelle und finden ihre Begründung im Groß-Nc -Limes der QCD [26]. Außerdem sind beide auf der chiralen Symmetrie aufgebaut, die für die Niederenergie-Dynamik der Hadronen eine sehr wichtige Rolle spielt. Skyrme-Modell. Im Rahmen des Skyrme-Modells betrachtet man eine phänomenologische Lagrangedichte, die nur pseudoskalare Freiheitsgrade enthält, und explizit chirale Symmetrie aufweist. Im wesentlichen handelt es sich dabei um die χPTLagrangedichte L2 zur niedrigsten Ordnung [7], die mit dem sogenannten WessZumino-Term ergänzt wird. Dieser enthält vier Ableitungen der Mesonfelder und ist einer der zehn Terme, die in der nächsten Ordnung in der chiralen Entwicklung (L4 ) vorkommen. Die Baryonen tauchen im Modell als solitonische Lösungen der klassischen Bewegungsgleichungen des pseudoskalaren Feldes auf, die durch den O(p4 )-Term stabilisiert werden und von einer topologischen Ladung, auch Windungszahl genannt, charakterisiert sind. Diese Windungszahl wird mit der Baryonzahl identifiziert. Obwohl die Quarksfreiheitsgrade gar nicht vorkommen und die s-Quark-Matrixelemente über Operatoren wie in (1.1) ausgewertet werden, hat sich das Modell für die Abschätzung der axialen Strangeness-Formfaktoren und die Interpretation der EMC-Messung erfolgreich gezeigt [27]. Für die Vektorformfaktoren der Strangeness bei q 2 =0 ergibt sich [28]: rs2 = −0.10 fm2 , µs = −0.13 n.m. χQSM. Dieses Modell basiert auf das von Nambu und Jona-Lasinio vorgeschlagene Modell zur Beschreibung der Wechselwirkung zwischen Nukleonen und Pionen [29]. Die verwendete Lagrangedichte enthält Vierfermionen-Wechselwirkungen 11 12 KAPITEL 1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN mit chiraler Symmetrie zwischen Nf Quarkfeldern (Nf ist hier die Anzahl der Flavours), und wird durch die Einführung von Mesonfeldern (σ und ~π ) semibosonisiert [30]. Das Skalarfeld σ wird eingefroren durch die Einführung der chiralen KreisBedingung σ 2 + ~π 2 = M 2 . Man erhält somit eine Theorie von Quarks, die mit Pseudoskalaren wechselwirken und dadurch eine dynamische Masse M bekommen. Das entspricht in gewisser Weise dem in [8] vorgeschlagenen Bild der effektiven Konstituentenquark-Freiheitsgrade. Die Baryonen werden als gebundene Zustände dieser chiralen Quarks mit einer semiklassischen solitonischen Mesonfeld-Konfiguration realisiert. Die Baryonzahl wird allerdings nicht mit der Windungszahl des Solitons identifiziert, sondern ist durch den Valenzquarkstrom gegeben. Das Modell kann nach Anpassung von wenigen Parametern an gemessene Größen viele Eigenschaften der Baryonen relativ gut beschreiben [30]. Für die Strangeness-Vektorkopplung des Nukleons wurde es auch eingesetzt [31, 32], und dabei besteht, wie es im Dreiflavourfall aufgrund der starken expliziten Brechung der SU(3)-Symmetrie üblich ist, eine Zweideutigkeit. Nämlich muss eine einzige Yukawa-Masse für die Beschreibung des Solitonprofils festgelegt werden, die die Effekte aller Pseudoskalare wiedergibt. Die Grenzfälle für diesen Wert sind die Kaon- und die Pionmasse, die unterschiedliche Resultate ergeben [31]: Mπ : µs = 0.074 n.m., rs2 = −0.220 fm2 , MK : µs = 0.115 n.m., rs2 = −0.095 fm2 . In der Referenz [32] werden im Rahmen des χQSMs auch für die jeweiligen Experimente spezifische Messgrößen berechnet, und sie stimmen mit den experimentellen Resultaten immer gut überein. 1.3.4 Gitter-QCD Der Ausgangspunkt der Gitter-Eichtheorien ist die Formulierung der entsprechenden Kontinuum-Eichtheorie durch Funktionalintegrale. Die Raumzeit wird diskretisiert, damit die Anzahl der Integrationen im Pfadintegral bei endlichem Volumen endlich ist, und die Observablen werden dann numerisch durch Monte-CarloIntegration nicht-perturbativ und modellunabhängig berechnet. Diese Methode enthält einige Unsicherheiten, die sorgsam berücksichtigt werden müssen. Der Kontinuumlimes und der Limes zu unendlichem Volumen dürfen keine Modellabhängigkeit einführen. Außerdem werden in den Regel einige Approximationen vorgenommen, um den riesigen Rechnenaufwand zu bewältigen, der mit diesen Rechnungen verbunden ist. Zum einen werden häufig die Fluktuationen der fermionischen Freiheitsgrade unter der Annahme vernachlässigt, dass die wichtigsten Beiträge nur von Gluonschleifen kommen, was oft auch der Realität entspricht. Diese Theorie nennt sich quenched QCD (QQCD). Zum anderen werden in der Regel die Massen der Quarks auf Werte gesetzt, die größer als die erwarteten 1.3. MODELLRECHNUNGEN physikalischen Strommasse sind, um den numerischen Aufwand für die Inversion des Dirac-Operators zu senken. Um Observablen zu berechnen, müssen dann Extrapolationen zu den physikalischen Quarkmassen durchgeführt werden, und dabei können systematische Fehler auftreten. Diese Extrapolationen werden heute zunehmend mit Hilfe der chiralen Störungstheorie durchgeführt, indem die funktionale Form der Extrapolationskurve von den Vorhersagen der χPT bedingt wird. Man redet in diesem Fall von chiralen Extrapolationen. Es existieren zwei Rechnungen von µs [33, 34], die von Simulationsdaten der Gitter-QCD stammen, beide im Rahmen der QQCD, aber mit dem Vorteil, dass bis zu sehr kleinen u- und d-Quarkmassen simuliert werden konnte. Für das s-Quark wurde die physikalische Masse tatsächlich erreicht. In beiden Fällen werden chirale Extrapolationen verwendet, und zwar mit der Variante der χPT, die der QQCD entspricht und daher das Verhalten der QQCD bei kleinen Quarkmassen beschreibt. Diese Theorie heißt quenched chirale Störungstheorie (QχPT) und kann formal aufgebaut werden, indem in die QCD-Lagrangedichte Geistfelder eingeführt werden, die die Determinante des Dirac-Operators exakt kompensieren und somit die Beiträge der fermionischen Quantenfluktuationen zum Pfadintegral “ausschalten” [35]. Ähnlich wie bei der Konstruktion der chiralen Störungstheorie aus der QCD kann die QχPT aus dieser Lagrangedichte als niederenergetische EFT aufgebaut werden. In der Rechnung [33] werden Standardmethoden der Gitter-QCD verwendet, um die Strangeness-Beiträge zu extrahieren. Die Kopplung des elektromagnetischen Stroms zum s-Seequark ergibt sich aus der Auswertung einer Dreipunktfunktion, die einen Protonpropagator in Korrelation mit einer unverbundenen (disconnected), an den Vektorstrom gekoppelten s-Quark-Schleife enthält. Das Resultat für GsM lässt sich nicht signifikant von Null unterscheiden: GsM (q 2 = −0.1 GeV2 ) = 0.05 ± 0.06 , wobei der Fehler statistische Unsicherheit und die theoretische Modellabhängigkeit enthält. In der zweiten Rechnung [34] wird eine bessere Genauigkeit erreicht, indem mehr Informationen aus Phänomenologie und chiraler Symmetrie ausgenutzt werden. Die gemessenen magnetischen Momente aller Baryonen im SU(3)-Oktett gehen ein, und die Beiträge von Valenzquarks und Seequarks zu diesen magnetischen Momenten werden unterschieden. Überall in der Rechnung wird die Gültigkeit der Isospinsymmetrie angenommen. Für die Valenzquarkbeiträge werden die Effekte der Umgebung berücksichtigt, wobei nach der Isospinsymmetrie zum selben Isospin-Multiplett gehörende Baryonen als gleiche Umgebung betrachtet werden. Für das Nukleon wird der gesamte Seequark-Beitrag zum magnetischen Moment 13 14 KAPITEL 1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN 0.4 VMD [17] VMD [19] Skyrme [28] χQSM (Mπ ) [31] χQSM (MK ) [31] q-Gitter [33] q-Gitter [34] 0.3 0.2 rs2 [fm2 ] 0.1 0.0 −0.1 −0.2 −0.3 −0.4 −0.4 −0.2 0.0 µs [n.m.] 0.2 0.4 Abbildung 1.1: Übersicht der in diesem Kapitel erwähnten Modellrechnungen für µs und rs2 . Hierbei entsprechen die mit VMD bezeichneten Punkte den Resultaten der auf Vektormesondominanz basierten Multipolfits (s. Abs. 1.3.1). Die beiden χQSM-Punkte stellen die Vorhersagen des chiralen Quarksolitonmodells dar, wobei die dazugehörige Yukawa-Masse (Abs. 1.3.3) gleich jeweils die Pion- bzw. die Kaonmasse ist. Die q-Gitter-Bänder beziehen sich auf die im Abs. 1.3.4 herbeigerufenen Ergebnisse von quenched Gittersimulationen. in Flavour-Beiträge (l GuM = l GdM und l GsM ) unterteilt, und l GsM = GsM stellt den gesamten Beitrag vom s-Quark zum magnetischen Moment dar. Man kann GsM als Funktion von l Rds ≡ l GsM /l GdM , den magnetischen Momenten der Baryonen (p, n, Σ± , Ξ0 und Ξ− ) und dem Verhältnis uN /uH zwischen den u-Valenzquark-Beiträgen zu einem Nukleon und zu einem Hyperon umschreiben, wobei uN /uH entweder für up/uΣ oder für un /uΞ steht. Der Faktor l Rds muss modellabhängig abgeschätzt werden, und die u-Valenzquark-Beiträge (up , un , uΣ , etc.) können vollständig, d.h. unter Berücksichtigung aller Beiträge von Quarkschleifen, anhand QQCD-Gitterdaten und der in [36] vorgestellten diagrammatischen Methoden berechnet werden. Der resultierende Wert des magnetischen Moments der Strangeness ist µs = (−0.046 ± 0.019) n.m. , wobei der Fehler hauptsächlich von der Statistik der Simulation und von der Mo- 1.4. WEITERE ASPEKTE DER MESSUNG dellabhängigkeit in der Bestimmung von l Rds kommt. 1.3.5 Übersicht der Modellrechnungen Die hier aufgelisteten theoretischen Abschätzungen von µs und rs2 stellen nur eine sehr eingeschränkte Auswahl der für diese Größen verfügbaren Rechnungen dar und wurden im Wesentlichen wegen ihrer historischen Bedeutung gewählt. Zusammenfassend sind sie in Abb. 1.1 gemeinsam auf der µs -rs2 -Ebene aufgetragen. Ausführlichere Aufstellungen von theoretischen Ansätzen und Modellrechnungen können in der Literatur gefunden werden [15, 16, 37]. 1.4 Weitere Aspekte der Messung Da die Messung der Strangeness-Vektorstrommatrixelemente über die elektroschwache Nukleonkopplung erfolgt (siehe nächstes Kapitel), sind die Experimente auf die effektiven Elektron-Quark-Kopplungen über ungeladene Ströme C1q empfindlich, die durch die effektive Vierfermionwechselwirkung X GF √ ēγ γ e C1q q̄γ µ q Leq = − µ 5 NC 2 q definiert werden. Präzisionsmessungen dieser Parameter im Niederenergieregime haben eine wichtige Auswirkung auf die Physik des Standardmodells. Eine gemeinsame Analyse der Messungen über paritätsverletzende Elektronenstreuung (PVES) inklusive der Messergebnisse der A4-Kollaboration zusammen mit Messungen der Paritätsverletzung in atomaren Systemen ist in Ref. [38] präsentiert. Durch die Einbeziehung der PVES-Resultate hat sich die Einschränkung der C1q -Parameter um ein Faktor fünf verbessert. Dabei haben sich die Standardmodell-Vorhersagen für diese Größen bestätigt, und Einschränkungen für mögliche Erweiterungen des Standardmodells auf der TeV-Skala werden dadurch gesetzt. 15 16 KAPITEL 1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN Kapitel 2 Paritätsverletzung und Strangeness im Nukleon In diesem Kapitel wird eine Einführung in die physikalische Fragestellung der Arbeit gegeben. Erstens wird der experimentelle Zugang zu den Strangeness-Vektorformfaktoren durch Neutralstromexperimente erläutert. Zweitens werden die allgemeinen experimentellen Anforderungen dieser Art von Messungen übersichtlich besprochen, und schließlich werden die bisherigen Messergebnisse zu den betrachteten Observablen zusammengefasst. 2.1 Messprinzip Im Rahmen einer Beschreibung des Nukleons durch die fundamentalen Freiheitsgrade der QCD sind Matrixelemente von Quark-Stromoperatoren für die Struktur der Nukleonkopplung an die Eichbosonen des Standardmodells der elektroschwachen Wechselwirkung verantwortlich. Insbesondere kann das Photonfeld unter dieser Annahme nur an den elektromagnetischen Stromoperator der Quarkfelder jfµ koppeln. Dieser ist durch das Produkt des Vektorstromoperators mit der elektrischen Ladung des Quarks Qf (ausgedrückt in Einheiten der Elementarladung e>0) gegeben: jfµ = −ieQf f¯γ µ f . (2.1) µ Dadurch kann das Matrixelement Jγ des elektromagnetischen Stromoperators des Nukleons für die elastische Streuung als eine Kombination der Matrixelemente der Stromoperatoren (2.1) geschrieben werden: X µ −ieQf hN| f¯γ µ f |Ni , (2.2) Jγ = f =u,d,s wobei |Ni die unbekannte, von allen nichtperturbativen Effekten der QCD abhängige Wellenfunktion des Nukleons ist. 17 18 KAPITEL 2. PARITÄTSVERLETZUNG UND STRANGENESS IM NUKLEON Andererseits ist die von Lorentzinvarianz, Ladungs- und Paritätserhaltung bedingte allgemeinste Form des Strommatrixelements der elastischen Streuung: µ σ µν qν 2 ′ µ 2 F2 (q ) N(p) = (2.3) Jγ = −ie N̄(p ) γ F1 (q ) + i 2M µ ∗ γ p, S p′ , S ′ = . Hierbei ist q = p − p′ der Viererimpulsübertrag, M die Nukleonmasse und F1,2 (q 2 ) die Pauli- und Dirac-Formfaktoren. Kombiniert man Gl. (2.3) mit Gl. (2.2), so kann man Flavour-Formfaktoren folgendermaßen definieren (f = u, d, s): σ µν qν f 2 µ ′ µ f 2 ¯ F (q ) N(p) . (2.4) hN| f γ f |Ni ≡ N̄(p ) γ F1 (q ) + i 2M 2 Daraus folgt, dass die Nukleonformfaktoren als Linearkombination der FlavourFormfaktoren geschrieben werden können: X f (q 2 ) (2.5) F1,2 (q 2 ) = Qf F1,2 f =u,d.s Hierzu ist es üblich, die sogenannten Sachs-Formfaktoren GE,M einzuführen. Sie sind definiert als (τ = −q 2 /4M 2 ) (f ) GE (f ) GM (f ) ≡ F1 ≡ (f ) F1 (f ) − τ F2 + (2.6) (f ) F2 und für sie gilt aus (2.5) die Beziehung: X GE,M (q 2 ) = Qf GfE,M (q 2 ) (2.7) f =u,d.s Der experimentelle Zugang zu Matrixelementen der Quark-Vektorstromoperatoren und insbesondere zu hN| s̄γ µ s |Ni kann durch die Messung der Flavour-Formfaktoren erreicht werden. Natürlich ist es nur möglich, die gesamten Formfaktoren der Nukleonen direkt zu messen. Die Separation der Flavour-Beiträge ist daher zunächst ein sehr unterdeterminiertes Problem, denn für jede Messgröße gäbe es drei Unbekannte. Eine erste Reduzierung der Anzahl der Freiheitsgrade erhält man unter Berücksichtigung der Isospin-Symmetrie. Formal entspricht diese folgende Bedingungen für die Flavour-Formfaktoren Gf,p , Gf,n von Proton bzw. Neutron (Tiefindizen E und M werden dabei unterdrückt): Gu,p = Gd,n ≡ Gu Gd,p = Gu,n ≡ Gd Gs,p = Gs,n ≡ Gs (2.8) 2.1. MESSPRINZIP 19 Dank diesen Bedingungen hat man für jede Formfaktorart – elektrisch und magnetisch – jeweils zwei bekannte Messgrößen, d.h. den Proton- bzw. den NeutronFormfaktor, aber noch immer drei zu trennende Unbekannte, d.h. die drei FlavourFormfaktoren. In Ref. [39] wurden die Effekte der Isospinsymmetrie-Brechung im Rahmen der chiralen Störungstheorie berechnet. Dabei wurde eine Rechnung zur LO für GE bzw. zur NLO für GM durchgeführt, die Beiträge der Ordnung O(p4 ) bzw. O(p5 ) beinhalten. Dazu wird nur ein nicht von der Symmetrie bedingter Gegenterm gebraucht, der durch einen Resonanzsättigungs-Ansatz (resonance saturation) modellabhängig abgeschätzt. Die Isospinbrechung kommt dabei aufgrund der ρ0 -ω-Mischung zustande. Die von dieser Rechnung vorhergesagten Effekte auf die Strangeness-Formfaktoren sind eine Größenordnung kleiner als die Fehlerbalken der Messergebnisse und können unbedenklich vernachlässigt werden. Die zur Separation der Flavour-Formfaktoren bei (2.8) fehlenden Bedingungen können unter Berücksichtigung der Universalität der Vektorstromoperatoren an der Messung von Neutralstrom-Observablen erhalten werden. Die von Lorentz- und Eichinvarianz allgemeinste erlaubte Kopplung des Nukleons an ein Z0 -Boson ergibt für die elastische Streuung folgendes Matrixelement des Neutralstromoperators (θW ist der Weinberg-Mischungswinkel) σ µν qν −ie µ ′ µ 2 2 µ 2 N̄(p ) γ F̃1 (q ) + i F̃2 (q ) + γ γ5 GA (q ) N(p) hJZ i = 2 sin 2θW 2M µ 0 Z p, S p′ , S ′ = . (2.9) Hierbei sind F̃1,2 die schwachen Pauli- und Dirac-Formfaktoren, mit denen ähnlich wie in Gl. (2.6) die schwachen Sachs-Formfaktoren G̃E,M definiert werden können. Aufgrund der Paritätsverletzung in der schwachen Wechselwirkung ist bei hJZµ i im Gegensatz zu Jγµ eine Axialvektor-Kopplung erlaubt, die durch den zusätzlichen Axialformfaktor GA (q 2 ) parametrisiert wird. Analog zu (2.2) kann der Vektoranteil von hJZµ i = hVZµ i + hAµZ i durch Matrixelemente der Vektoranteile der Quark-Neutralstromoperatoren ausgedrückt werden: X −ie Qw hN| f¯γ µ f |Ni , (2.10) hVZµ i = 2 sin 2θW f f =u,d,s 2 w wobei Qw f = 2I3 − 4Qf sin θW die im Standardmodell festgelegten schwachen Quark-Vektorladungen sind (I3w ist die dritte Komponente des schwachen Isospins), 8 2 Qw u = +1 − sin θW 3 4 Qw = −1 + sin2 θW d 3 4 Qw = −1 + sin2 θW , s 3 (2.11) 20 KAPITEL 2. PARITÄTSVERLETZUNG UND STRANGENESS IM NUKLEON ¯ µ f |Ni dieselben wie bei (2.2) bleiben (Univerwährend die Matrixelemente hN| fγ salität der Vektorstromoperatoren). Wenn man wie in (2.5) und (2.7) eine Zerlegung der schwachen Formfaktoren in Flavour-Formfaktoren unternimmt, stellt man wegen deren Definition (2.4) fest, dass die schwachen Formfaktoren eine neue Linearkombination der selben Flavour-Formfaktoren darstellen: X f 2 F̃1,2 (q 2 ) = Qw f F1,2 (q ) 2 G̃E,M (q ) = f =u,d.s X f 2 Qw f GE,M (q ) (2.12) f =u,d.s Durch die Messung der schwachen Vektor-Formfaktoren des Nukleons erhält man die zur Separation der Flavour-Beiträge fehlenden Bedingungen. Um die Streuung von Neutralströmen zu beobachten und Z 0 -Matrixelemente zu messen, kann die Paritätverletzung ausgenutzt werden, da diese die elektromagnetische Streuung von der schwachen phänomenologisch unterscheidet. Berücksichtigt man die schwache Wechselwirkung, so hängt der Wirkungsquerschnitt σR,L der Streuung longitudinal polarisierter Elektronen vom Vorzeichen der Elektronhelizität ab (die Indizen R und L kennzeichnen den Wirkungsquerschnitt für Elektronen mit rechts- bzw. linkshändiger Helizität). Eine Messung der paritätsverletzenden Asymmetrie σR − σL (2.13) APV = σR + σL bietet die gewünschte Sensitivität zu den schwachen Formfaktoren an. Der Wirkungsquerschnitt der elektroschwachen elastischen Streuung lässt sich zur niedrigsten Ordnung in der Kopplungskonstante folgendermaßen schreiben: σ ∝ γ∗ + Z0 wobei k, s µ γ∗ k ′ , s′ 2 2 = |Mγ + MZ | , ≡ jγµ = i e ē(k ′ )γ µ e(k) , (2.14) (2.15) µ k, s Z0 k ′ , s′ −ie ē(k ′ )γ µ [gV + gA γ5 ]e(k) 2 sin 2θW die elektroschwachen Kopplungen des Elektrons sind. Hierbei hat man ≡ jZµ = gV = −1 + 4 sin2 θW , gA = 1 . (2.16) (2.17) (2.18) 2.1. MESSPRINZIP 21 Das Verhältnis der Amplituden Mγ und MZ in (2.14) bestimmt die Größenordnung der paritätsverletzenden Asymmetrie. Für diese beiden gilt: jγ · hJγ i , q2 jZ · hJZ i + O(q 2 /MZ2 ) . = − MZ2 Mγ = − (2.19) MZ (2.20) Im Energieregime, das hier von Interesse ist, ist |q 2 | < 1 GeV2 , und somit können Terme höherer Ordnung in q 2 /MZ2 vernachlässigt werden. Die Helizitätsabhängigkeit vom Interferenzterm MZ M∗γ lässt sich im Leptontensor folgendermaßen berücksichtigen: X e2 ± ηµν ≡ ē′ γµ [gV + gA γ5 ](1 ± γ5 ) e ē γν (1 ± γ5 )e′ . (2.21) 16 sin 2θW ′ s,s Mit dem Hadrontensorterm W µν ≡ ergibt sich für die Asymmetrie: 1 X µ ν ∗ hJ i Jγ 2 ′ Z (2.22) S,S q 2 (η + − η − ) · W + O (q 2 /MZ2 )2 (2.23) 2 2 MZ |jγ · hJγ i | µ µ − + − q 2 (a+ µ − aµ ) hVZ i + (vµ − vµ ) hAZ i = − 2 + O (q 2 /MZ2 )2 . MZ jγ · hJγ i APV = − Bei q 2 ≃ −0.1 GeV2 liegen die zu erwartenden Asymmetriewerte im Bereich von |APV | ≤ 10−5 , und an diesem sehr kleinen Wert liegt die experimentelle Herausforderung dieser Messung. Zur Separation der Strangeness-Beiträge muss die Abhängigkeit der Asymmetrie von den verschiedenen Formfaktoren aufgelöst werden. Von den sechs unabhängigen Vektor-Formfaktoren behält man die vier elektromagnetischen Gp,n E,M und die zu bestimmenden GsE,M . Dazu bleibt noch die Abhängigkeit vom ProtonAxialformfaktor GpA . In der Literatur [15] wird die Asymmetrie in die folgenden Terme aufgespalten, APV AV AA AS A z }|0 { = AV + AA + AS : ǫGpE GnE + τ GpM GnM = (1 − − ǫ(GpE )2 + τ (GpM )2 p √ (1 − 4ŝ2Z ) 1 − ǫ2 τ (1 + τ )GpM GpA , = a ǫ(GpE )2 + τ (GpM )2 ǫGp Gs + τ GpM GsM = aρ′eq E p E2 . ǫ(GE ) + τ (GpM )2 −aρ′eq 4κ̂′eq ŝ2Z ) , 22 KAPITEL 2. PARITÄTSVERLETZUNG UND STRANGENESS IM NUKLEON √ Hier ist der gesamte Vorfaktor a = −Gµ q 2 /4πα 2, wobei Gµ die beim Myonzerfall gemessene Fermi-Konstante ist und α = e2 /4π ≃ 1/137 die Feinstrukturkonstante. Mit ρ′eq und κ̂′eq werden elektroschwache Strahlungskorrekturen zur effektiven paritätsverletzenden Elektron-Quark-Kopplung ēγ µ γ5 ef¯γµ f bezeichnet, die im Rahmen des MS-Renormierungsschema berechnet werden [40]. Die Strahlungskorrekturen zu AA , wo die Axialvektor-Kopplung im Nukleonvertex enthalten ist, sind im axialen Formfaktor GA miteinbezogen [41]. Der elektroschwache Mischungswinkel tritt in die Konstante ŝ2Z = sin2 θ̂W (MZ ) = 0.23119 ein, wobei die Definition sin2 θ̂W (µ) ≡ ĝ ′ 2 (µ) ĝ 2 (µ) + ĝ ′ 2 (µ) gilt, und ĝ(µ) und ĝ ′ (µ) die im MS-Renormierungsschema bei der Skala µ evaluierten SU(2)- bzw. U(1)-Kopplungskonstanten sind [40]. Der kinematischer Faktor ǫ = [1 + 2(1 + τ ) tan2 (θ/2)]−1 (θ ist der polare Streuwinkel) entspricht für die Einphotonaustausch-Streuamplitude unter Vernachlässigung der Elektronenmasse dem transversalen Linearpolarisationsgrad des ausgetauschten virtuellen Photons, wobei die “transversale” Ebene senkrecht zum Impulsübertrag liegt. Der Axialformfaktor GA kann entweder durch eine Modellrechnung abgeschätzt [41] oder anhand einer Asymmetrie-Messung mit einem Deuteron-Target bestimmt werden. Wenn dieser Formfaktor bekannt ist, kann der Wert von A0 berechnet werden, der der paritätsverletzenden Asymmetrie unter der Annahme entspricht, dass beide Strangeness-Formfaktoren verschwinden: GsE = GsM = 0. Zieht man A0 vom gemessenen Wert APV der Asymmetrie ab, erhält man eine Linearkombination von GsE und GsM . Auf der GsM -GsE -Ebene lässt sich dieses Resultat als eine Gerade darstellen, deren Steigung nur von q 2 , ǫ und den elektromagnetischen Proton-Formfaktoren abhängt, während deren Achsenabschnitt proportional zu AS ist. Ein zur Rosenbluth-Separation ähnliches Verfahren bietet dann die Möglichkeit, diese beiden Formfaktoren zu separieren. Zwei Messungen mit demselben q 2 können durch geeignete Wahl der Strahlenergie unter zwei verschiedenen Streuwinkeln und somit bei unterschiedlichen Werten des ǫ-Parameters durchgeführt werden. Man erhält dann zwei Geraden unterschiedlicher Steigung, deren Schnittpunkt die Werte von GsM und G2E einzeln bestimmt. Bei Rückwärtswinkeln wird ǫ sehr klein und die Asymmetrie ist auf GsE sehr wenig empfindlich. Bei Vorwärtswinkeln nährt sich ǫ der Eins und die Steigung der Gerade in der GsM -GsE -Ebene nimmt den endlichen Wert η ≡ τ GpM /ǫGpE an. Man beachte, dass in diesem letzten Fall die Empfindlichkeit auf GA aufgrund des √ Faktors 1 − ǫ2 in AA sehr gering ist. 2.2. EXPERIMENTELLE ANFORDERUNGEN 2.2 Experimentelle Anforderungen Um die paritätsverletzende Helizitätsasymmetrie APV durch ein Streuexperiment zu messen, wird ein longitudinal polarisierter Elektronenstrahl mit abwechselndem Helizitätsvorzeichen auf ein Nukleon-Target (in der Regel Wasserstoff oder Deuterium) gelenkt. Mit Hilfe eines Teilchendetektors kann die Zählrate der mit der jeweiligen Spineinstellung gestreuten Elektronen bestimmt werden und somit die gesuchte Asymmetrie. Wie im Abschnitt 2.1 besprochen wurde, sind die Effekte der neutralen Ströme bei der Energieskala der hier betrachteten Experimente stark unterdrückt, und das Z 0 -Austausch-Matrixelement in Gl. (2.14) wird lediglich durch den Interferenzterm mit dem Photonaustausch-Diagramm experimentell zugänglich. Durch diesen Interferenzterm erhält die zu messende Asymmetrie einen Beitrag der Größenordnung |MZ /Mγ | ∼ 10−5 . Die Planung einer dafür genügend genauen Messung ist zwar herausfordernd, aber vorstellbar. Der |MZ |2 -Term dagegen würde einen Effekt der Ordnung 10−10 ergeben, der eine Messgenauigkeit fordert, die allerdings zur Zeit des A4-Experimententwurfs, d.h. Mitte der neunziger Jahre, unerreichbar war. Das Design der Experimente zur Messung der paritätsverletzenden Asymmetrie wird also von deren Größenordnung diktiert, sowohl was die statistische als auch die systematische Unsicherheit angeht. Statistische Unsicherheit. Die A4-Kollaboration hat sich für ein Zählexperiment entschieden. D.h., einzelne elastische Streuereignisse müssen für beide Polarisationseinstellungen nachgewiesen, identifiziert und gezählt werden. Rein statistisch betrachtet muss die Anzahl der registrierten Ereignisse NR,L bei wiederholten Messungen gemäß der Poisson-Verteilung streuen. Die Standardabweichung dieser Verp teilungen ist dann δNR,L = NR,L und stellt den statistischen Fehler der Messgrößen NR,L dar. Dieser pflanzt sich in die Summe N √ = NR + NL und in die Differenz ∆ = NR − NL gleichmäßig als δN = δ∆ = N fort. Für eine Asymmetrie A = ∆/N gilt nach gaußscher Fehlerfortpflanzung s 2 2 δN δ∆ δA = A + ∆ N r N 1 = A + (2.24) 2 ∆ N r 1 A2 + = N N 1 = √ + O(A2 ) . N Ist ein statistischer Fehler der Großenordnung δA ∼ 10−7 erwünscht (das entspricht einer relativen Genauigkeit von etwa 1%), so können die Terme der Ordnung A2 ∼ 23 24 KAPITEL 2. PARITÄTSVERLETZUNG UND STRANGENESS IM NUKLEON 10−10 in der letzten Formel vernachlässigt werden. Somit ist die Anzahl der nachzuweisenden Ereignisse N = (δA)−2 ∼ 1014 . Typische Gesamtmesszeiten für eine der hier besprochenen Messungen betragen ungefähr tausend Stunden. Daher muss die Zählrate, mit der die Signalereignisse registriert werden, in der Größenordnung von 10 MHz liegen. Dafür müssen Luminosität und Detektorakzeptanz größtmöglich gewählt werden. Die Luminosität setzt sich als Produkt von Strahlstrom, Targetdichte und Targetlänge zusammen. Der Strahlstrom ist an MAMI beschleunigertechnisch kein limitierender Faktor, denn Strahlströme bis zu 100 µA sind erreichbar. Beschränkend ist jedoch die Wärmeleistung, die der Elektronenstrahl im Target deponiert und die proportional zum Strahlstrom ist. Um die höchstmögliche Targetdichte zu gewinnen, hält man das Target durch ein Kühlungssystem in der flüssigen Phase. Das Target-Kühlungssystem muss in der Lage sein, die vom Elektronenstrahl deponierte Wärmeleistung zu verkraften, was einen Grenzwert für den Strahlstrom setzt. Die Länge des Targets kann aus zwei Gründen nicht beliebig groß gewählt werden. Erstens erfahren die Strahlelektronen durch Streuung und Bremsstrahlung Energieverluste, Ablenkungen und Depolarisation entlang des Targets, die zum systematischen Fehler der Messung beitragen. Zweitens ist bei einem sehr langen Target der Streuwinkelbereich, der in der Detektorakzeptanz enthalten ist, sehr umfangreich, was zu einer großen Streuung der Impulsüberträge bei den nachgewiesenen Streuereignissen führt. Wichtig wäre aber, dass der q 2 -Wert in der Messung gut bekannt und möglichst wenig gestreut sei. Dasselbe Argument erzwingt eine Begrenzung der Winkelabdeckung des Detektors, denn je größer die Winkelakzeptanz, desto breiter ist die q 2 -Verteilung. Schließlich setzt die maximale Aufnahmerate des Detektors eine Grenze für die Rate der nachzuweisenden Streuereignisse, und dadurch wird die zulässige Luminosität insgesamt begrenzt. Systematische Unsicherheit. Die Größenordnung der Helizitätsasymmetrie bedeutet auch eine Herausforderung für die Beherrschung der systematischen Fehler. In dieser Hinsicht richtet sich der Hauptaugenmerk beim Entwurf von ParitätsStreuexperimenten auf die sogenannten helizitätskorrelierten Verschiebungen der Strahlparameter und der Targetdichte. Hängt eine dieser Größen systematisch vom Helizitätszustand ab, d.h., ist ihr Mittelwert während der Messung mit den jeweiligen Polarisationsrichtungen unterschiedlich, so können sich Verschiebungen im gemessenen Asymmetriewert ergeben. Um diese apparativen Asymmetriebeiträge zu unterdrücken und abschätzen zu können, müssen Strahlparameter und Targetdichte ständig überwacht und womöglich durch Rückkopplungen geregelt werden. In anderen Worten muss die Strahlqualität für Paritätsexperimente im Vergleich zu anderen “Standard”-Experimenten an Elektronenbeschleunigern deutlich verbessert werden, und die Strahlparameter müssen deutlich genauer gemessen werden. Ein anderer wichtiger Schwerpunkt der betrachteten Experimente ist die Mes- 2.3. BISHERIGE MESSUNGEN sung der Strahlpolarisation. Die Standardmethoden zur Polarisationsmessung haben eine absolute Genauigkeit von einigen Prozenten, und somit dominiert normalerweise die Unsicherheit der Polarisation den systematischen Fehler der Helizitätsasymmetrie. Da die Polarisationswerte in der Regel groß sind und um die 80% betragen, ist diese Genauigkeit angesichts des relativen Fehlers der Helizitätsasymmetrie hinreichend. Solche Unsicherheiten werden hingegen für die Extraktion der Strangequark-Beiträge kritisch, weil diese im Vergleich zur gemessenen Asymmetrie sehr klein sind, wie man a posteriori sagen kann. Unter diesem Aspekt wird die Strahlpolarisationsmessung zu einem wichtigen Thema bei Paritätsexperimenten. Ein Überblick der experimentellen Methoden, die bei Elektronen-Streuexperimenten zur Messung der paritätsverletzenden Asymmetrie und der StrangequarkFormfaktoren angewandt werden, sowie eine Auflistung der existierenden Experimente wird in [37] gegeben. 2.3 Bisherige Messungen Die neue Generation von paritätsverletzenden Elektronenstreuung-Experimenten ist ausdrücklich zur Messung der Strangness-Vektorformfaktoren konzipiert worden. Insgesamt vier solcher Experimente an drei verschiedenen Elektronenbeschleunigern wurden aufgebaut. Das erste von diesen war das SAMPLE-Experiment am MIT-BATES. Zwei weitere Experimente – HAPPEx und G0 – werden am ThomasJefferson-Beschleuniger (TJNAF) durchgeführt. Schließlich wird das Experiment der A4-Kollaboration an Mainzer Mikrotron (MAMI) betrieben. 2.3.1 SAMPLE Das an der MIT-BATES-Anlage durchgeführte SAMPLE-Experiment ergab zwischen 1998 und 2001 die ersten Messungen der paritätsverletzenden Asymmetrie zur Untersuchung der Nukleonstruktur. Ein Review des SAMPLE-Experiments findet man in der Ref. [42]. Eine schematische Darstellung des Experimentes ist in Abb. 2.1 gezeigt. Der Nachweis von gestreuten Elektronen basiert auf einem flussintegrierenden Luft-Cherenkov-Detektor. Die Streuwinkelakzeptanz war unter Rückwärtswinkeln zwischen 130◦ und 170◦ . Insgesamt wurden drei Messungen durchgeführt. Mit Wasserstoff bei einer Strahlenergie von 200 MeV (|q 2 | = 0.1(GeV/c)2 ) und mit Deuterium (quasielastische Streuung) bei 125 MeV (|q 2 | = 0.04(GeV/c)2) und bei 200 MeV (|q 2 | = 0.09 (GeV/c)2 ). Sehr wichtig sind die Deuterium-Messungen für die Separation von GsM und GA . Durch solche Messungen werden die Modellrechungen von GA [41] bestätigt, die bei den anderen Experimenten als theoretischer Input zur Extraktion der Strangeness-Beiträge verwendet werden. 25 26 KAPITEL 2. PARITÄTSVERLETZUNG UND STRANGENESS IM NUKLEON Abbildung 2.1: Das SAMPLE-Experiment am MIT-BATES-Beschleuniger [42]. Der Elektronenstrahl wurde sowohl an einem Wasserstoff- als auch an einem Deuterium-Target gestreut. Rückgestreute Elektronen erzeugten Cherenkov-Strahlung in der Luft, die mit Hilfe von Spiegeln auf 10 gut abgeschirmte Photomultiplier fokussiert wurde. Das gemessene Signal war proportional zum Fluss der gestreuten Elektronen. Obwohl bei den gewählten Strahlenergien (125 MeV und 200 MeV) der Untergrund von inelastischen Prozessen sehr unterdrückt war, musste der Beitrag von Pion-Zerfallprodukten durch Monte-Carlo-Simulationen abgeschätzt werden, und eine wichtige Korrektur zur resultierenden Asymmetrie wurde angebracht. Die Messung am Wasserstoff [44] ergab: s T =1 APV H2 (200MeV) = (−5.61±0.67stat ±0.88syst )ppm = −5.56+3.37GM +1.54GA Die Rechnung von Zhu et al. [41] ergibt GTA=1 = −0.83 ± 0.26, was GsM bestimmt zu: GsM = 0.37 ± 0.20stat ± 0.26syst ± 0.07rad.corr. . Der letzte Fehler stammt aus der Rechnung des Axialformfaktors. Die Resultate der Messungen mit Deuterium-Target [43] sind: T =1 s APV D2 (200MeV) = (−7.77 ± 0.73stat ± 0.62syst )ppm = −7.06 + 0.77GM + 1.66GA s T =1 APV D2 (125MeV) = (−3.51 ± 0.57stat ± 0.58syst )ppm = −2.14 + 0.27GM + 0.76GA Alle SAMPLE Messungen sind in Abb. 2.2 graphisch zusammengefasst. 2.3. BISHERIGE MESSUNGEN SAMPLE, MIT-Bates D2 Q2=0.1 (GeV/c)2 Zhu, et al. H2 •Backward angles •target: p, d APV = (-5.61 ± 0.67 ± 0.88) ppm Using Zhu et al. for GAe(T=1): GMs = 0.37 ± 0.20 ± 0.26 ± 0.07 Abbildung 2.2: Resultate des SAMPLE-Experiments. Links sind die Messungen bei 13 2 T =1 s 0.1 (GeV/c) am Wasserstoff und Deuterium auf der GA -GM -Ebene aufgezeichnet [43]. Die Ein- bzw. Zwei-Standardabweichungen entsprechenden Bänder sind aufgetragen. Die violette Ellipse ist die sich aus den Messungen ergebenden 2σ-Bedingung für die beiden Formfaktoren. Der grüne Band ist die Modellrechnung des axialen Formfaktors nach Zhu et al. [41] und die gelbe Ellipse die Bedingung, die sich aus der Kombination der Rechnung und der H2 -Messung ergibt. Beide Ellipsen sind in Übereinstimmung. Rechts werden die gemessenen Asymmetriewerte (volle Punkte) für die beiden Deuterium-Messungen zusammen mit den Asymmetrien aus der Modellrechnung [41] für GA (leere Punkte) unter der Annahme GsM = 0.15 n.m. gezeigt. Die graue Bänder zeigen die Variation der berechneten Asymmetrie durch eine Änderung von GsM um ±0.6 n.m. [42]. 2.3.2 HAPPEx Das “Hall A Proton Parity Experiment” (HAPPEx) ist in der Halle A am TJNAF aufgebaut [46]. Der Detektor besteht aus zwei hochauflösenden magnetischen Spektrometern, die eine sehr gute Trennung der elastischen Ereignisse von den inelastischen erlauben. Im Vergleich zu den anderen Paritätsexperimenten ist der abgedeckte Raumwinkel beim HAPPEx sehr klein. Um eine genügend hohe Rate zu erreichen, wurden die Spektrometer unter einem kleinen Winkel aufgestellt. Bei der ersten Messung [46, 47] betrug dieser Winkel 12◦ , und dies entsprach bei einer Strahlenergie von 3.3 GeV einem q 2 von −0.48(GeV/c)2 . Die gemessene Asymmetrie und die darausfolgende Linearkombination von GsE und GsM sind: A = (−15.05 ± 0.98stat ± 0.56syst ) ppm 27 KAPITEL 2. PARITÄTSVERLETZUNG UND STRANGENESS IM NUKLEON 0.10 0.05 SAMPLE 0.15 GsE 28 A4 HA PP Ex -H 0.00 HAPPEx-He −0.05 −0.10 −0.15 q 2 = −0.1 (GeV/c)2 −1.0 −0.5 0.0 GsM 0.5 1.0 Abbildung 2.3: Messresultate für GsE und GsM bei |q 2 |∼0.1(GeV/c)2 . Für das SAMPLEBand [44] wurde der von Zhu et al. [41] berechnete Wert von GA verwendet. Für die anderen Resultate ist das irrelevant, da alle VorwärtswinkelMessungen sind. Das A4-Band entspricht die Messung mit einer Strahlenergie von 570 MeV [45]. Die Ellipsen entsprechen den Bereichen von 68.3% bzw. 95.5% confidence level und wurden unter Berücksichtigung aller Korrelationen berechnet. GsE + 0.392GsM = 0.014 ± 0.020exp ± 0.010FF , wobei der mit FF bezeichnete Fehler die Unsicherheit der elektromagnetischen Nukleonformfaktoren enthält. Zwei weitere Messungen bei kleinerem Streuwinkel (6◦ ), mit einer Strahlenergie von 3 GeV und q 2 ∼ −0.1(GeV/c)2 wurden für die quasielastische Streuung an einem 4 He-Target bzw. für die elastische Streuung am Wasserstoff durchgeführt. Durch die Messung am Helium kann der elektrische Strangeness-Formfaktor GsE sauber bestimmt werden. Die erhaltenen Asymmetrien und Linearkombinationen von Formfaktoren sind [48, 49, 50]: AHe = (+6.40 ± 0.23stat ± 0.12syst )ppm GsE = 0.002 ± 0.014exp ± 0.007FF AH = (−1.58 ± 0.12stat ± 0.04syst )ppm GsE + 0.09GsM = 0.007 ± 0.011stat ± 0.004syst ± 0.005FF Die HAPPEx-Resultate zusammen mit den anderen Messungen bei diesem q 2 sind in Abb. 2.3 dargestellt. Verwendet man all diese Messergebnisse für einen gemein- 2.3. BISHERIGE MESSUNGEN Abbildung 2.4: Aufbau des G0-Experiments. Rückgestoßene Protonen werden von einem toroidalen Magnetfeld auf eine φ-symmetrische Anordnung von Plastikszintillatoren fokussiert und hier gezählt. Die Separation der Untergrundbeiträge von geladenen Pionen und inelastisch rückgestoßenen Protonen erfolgt durch Flugzeitmessung. samen χ2 -Fit, so erhält man als beste Werte und Standardfehler für GsM und GsE : GsM = 0.19 ± 0.29 , GsE = −0.002 ± 0.022 . Die entsprechenden 68.3%- und 95.5%-Vertrauensbereiche sind in Abb. 2.3 als Ellipsen aufgezeichnet. 2.3.3 G0 Das G0-Experiment [51, 52] findet am TJNAF (Hall C) statt. Der Aufbau wurde anfangsweise für die Messung der Helizitätsasymmetrie in der Vorwärtsstreuung am Proton entworfen. Die große Besonderheit im Konzept des G0-Apparats ist, dass statt der gestreuten Elektronen die rückgestoßenen Protonen nachgewiesen werden. Der Detektor (Abb. 2.4) besteht aus acht supraleitenden Magneten, die ein toroidales Magnetfeld erzeugen, das die Teilchen je nach ihrem Impuls auf unterschiedlichen Plastikszintillatoren fokussiert. Durch Anwendung eines gepulsten Strahls können durch Flugzeit-Messung die elastisch gestoßenen Protonen von den geladenen Pionen sowie von den Protonen aus inelastischer Streuung getrennt werden. Wie im Falle des A4-Experiments werden einzelne Ereignisse gezählt. Die Winkelakzeptanz des Spektrometers liegt zwischen 60◦ und 75◦ . Dieser Winkelbereich der nachgewiesenen Protonen entspricht mit einer Strahlenergie von 3 GeV einem Streuwinkelbereich für elastisch gestreuten Elektronen zwischen 7◦ und 15◦ . Somit kann die Messung der Asymmetrie bei verschiedenen q 2 -Werte zwischen −0.1 und −1 (GeV/c)2 gleichzeitig erfolgen, und es besteht die Möglichkeit, den q 2 -Verlauf 29 30 KAPITEL 2. PARITÄTSVERLETZUNG UND STRANGENESS IM NUKLEON Abbildung 2.5: Vorwärtswinkel-Resultate vom G0-Experiment [51]. Auf der y-Achse ist die Linearkombination der Strangeness-Vektorformfaktoren aufgetragen, die proportional zu APV −A0 ist. Die inneren Fehlerbalken entsprechen der statistischen Unsicherheit, die äußeren der gesamten. Die grauen Bänder zeigen die gesamte systematische Unsicherheit (oben) und den Teil davon (unten), der vom theoretischen Fehler von A0 stammt. Die Nulllinie hängt von A0 ab und wurde mit der Formfaktor-Parametrisierung von Kelly [53] berechnet. Die Kurven in der unteren Tafel zeigen den Null-StrangenessVerlauf unter Verwendung anderer Parametrisierungen. Gestrichelt: Friedrich und Walcher [54]. Punktiert: “Rosenbluth”-Methode von Arrington [55] für das Proton und Kelly [53] für das Neutron. Die zwei runden Punkten sind die HAPPEx-Messungen. Für die A4-Resultate ist der Parameter η aufgrund des sehr unterschiedlichen Streuwinkels inkompatibel mit diesem Plot, daher werden sie nicht aufgezeichnet. der Strangeness-Beiträge zur Asymmetrie zu bestimmen, wie in Abb. 2.5 gezeigt wird. Kapitel 3 A4-Experiment Der experimentelle Aufbau des A4-Versuchs entspricht dem Standardentwurf eines Teilchen-Streuexperimentes. Die Mainzer Experimentieranlage MAMI verfügt über einen Elektronenbeschleuniger, der einen kontinuierlichen, polarisierten Elektronenstrahl erzeugt. Der Strahl wird an einem Flüssigwasserstoff-Target gestreut und die gestreuten Teilchen durch ein Detektorsystem nachgewiesen. In diesem Kapitel werden die verschiedenen Bestandteile des Experiments vorgestellt. Da ein sich Teil dieser Arbeit mit der Untersuchung der Detektorantwort befasst, wird eine eingehendere Beschreibung des Nachweisapparats gegeben. 3.1 Allgemeine Beschreibung Die Hauptbestandteile des experimentellen Aufbaus sind in Abb. 3.1 dargestellt. Essentiell für die Erzeugung eines hochenergetischen polarisierten Elektronenstrahl sind die Photoeffekt-Elektronenquelle und der MAMI-Beschleuniger. Die Polarisation des Strahls wird mit zwei verschiedenen Polarimetern absolut gemessen: Einmal pro Woche mit einem in der A1-Spektrometerhalle gelegenen Møller-Polarimeter und “online” mit dem A4-Compton-Rückstreupolarimeter. Dazu werden die Polarisationsschwankungen mit einem Transmissions-Compton-Polarimeter überwacht, welches sich hinter dem Target unmittelbar vor dem Strahlfänger befindet. Der Elektronenstrahl soll an einem Protontarget gestreut werden. Dafür wird ein Hochleistungs-Flüssigwasserstofftarget verwendet. Die Dichtefluktuationen des Targets werden durch acht Wasser-Cherenkov-Luminositätsmonitore überwacht. Das Detektorsystem besteht aus einem elektromagnetischen Kalorimeter zur Spektroskopie der Streuprodukte und aus einem Plastik-Szintillationszähler für die Elektronenidentifizierung bei Rückwärtswinkel-Messungen, wo eine Trennung des Signals vom γ-Untergrund nötig ist. Diese Aspekte werden in den nächsten Kapiteln detailliert behandelt. In den nächsten Abschnitten werden Details über alle Bestandteile des Experimentes präsentiert. 31 32 KAPITEL 3. A4-EXPERIMENT MAMI Linac HDSM Polarisierte e− -Quelle RTMs Compton-Rückstreupolarimeter MøllerPolarimeter ℓ-H2 -Target Detektor PbF2 -Kristalle Luminositätsmonitore Transmission-ComptonPolarimeter PlastikSzintillatoren Abbildung 3.1: Schematische Darstellung des A4-Experimentaufbaus. Ein polarisierter Elektronenstrahl wird durch eine Photoquelle erzeugt und in den vierstufigen MAMI-Beschleuniger eingespeist. Nachdem der beschleunigte Strahl durch ein Compton-Rückstreupolarimeter geführt worden ist, wird er an einem Flüssigwasserstoff-Target gestreut. Die Streuprodukte werden vom A4-Detektorsystem nachgewiesen. Vor dem Strahlfänger befindet sich noch ein Transmissions-Compton-Polarimeter zur Überwachung der Polarisationsschwankungen. Wöchentlich wird der Strahl in die A1-Halle geleitet, um eine Møller-Polarisationsmessung durchzuführen. 3.1. ALLGEMEINE BESCHREIBUNG 33 SL-Photokathode PockelsZelle (λ/4) LASER LinearPolarisator GVZ (λ/2) Drehbare λ/2-Platte 1111 0000 0000 1111 0000 1111 0000 1111 100 kV e− Quad.-Triplett Zum Injektor 270◦ -Dipol Wien-Filter Abbildung 3.2: Schematische Darstellung der polarisierten Elektronenquelle. 3.1.1 Polarisierte Quelle Zweck der Elektronenquelle ist, einen polarisierten Elektronenstrahl zu erzeugen, der in den MAMI-Beschleuniger eingespeist werden soll, wobei die Anforderungen des A4-Experimentes an die Strahlqualität sehr hoch sind. Einerseits erfordert die kleine zu messende Asymmetrie einen hohen Strahlstrom (20 µA), einen hohen Polarisationsgrad und eine schnelle (50 Hz) Umschaltung der Polarisationsrichtung. Andererseits müssen alle systematischen Effekte unter Kontrolle sein. Am wichtigsten hierbei ist, dass der Strahlstrom möglichst polarisationsunabhängig ist, und die Spinrichtung genau bekannt und am besten nach Wunsch einstellbar ist. Das Funktionsprinzip der polarisierten Elektronenquelle [56] ist in Abb. 3.2 schematisch dargestellt. Der Lichtstrahl eines Halbleiterlasers wird zuerst linearpolarisiert und dann durch eine Pockelszelle geführt. Die Pockelszelle ist ein doppelbrechendes optisches Gerät, das wie eine Wellenplatte wirkt, deren Phasenverschiebung durch die Anwendung eines longitudinalen elektrischen Feldes verändert werden kann. Dieses elektrische Feld kann elektronisch mit einem 50 Hz-Takt umgeschaltet werden, damit die Phasenverschiebung in der Zelle von +λ/4 zu −λ/4 und umgekehrt gewechselt wird. Die lineare Polarisation des einfallenden Lichts wird dadurch in eine rechts- bzw. linkshändige Zirkularpolarisation umgewandelt. Der zirkularpolarisierte Lichtstrahl trifft die Oberfläche einer Photokathode, aus der durch Photoeffekt Elektronen ins Vakuum ausgestoßen werden. Diese Elektronen werden dann durch eine Hochspannung von 100 kV extrahiert und beschleunigt. Der so entstandene Elektronenstrahl wird anschließend fokussiert und durch einen Ablenkmagnet in den Linac-Injektor des MAMI-Beschleunigers eingespeist. Damit der Elektronenstrahl polarisiert ist, muss die Polarisation des Laserstrahls bei der Photoemission an die aus dem Kathodenkristall ausgelösten Elektronen 34 KAPITEL 3. A4-EXPERIMENT Leitungsband S1/2 Eγ σ = +1 P3/2 ∆E Valenzband P1/2 Mj −3/2 −1/2 +1/2 +3/2 Abbildung 3.3: Vereinfachtes Niveausschema einer anisotropen Kristallanordnung (Strained-Layer oder Super-Lattice). Die Entartung der P3/2 -Niveaus wird aufgrund der Gitteranisotropie aufgehoben, und es entsteht eine Aufspaltung ∆E zwischen den Mj =±1/2- und Mj =±3/2-Niveaus. Mit zirkularpolarisierten Photonen der scharf ausgewählten Energie Eγ ist nur noch der Übergang zum Leitungsbandzustand Mj =−1/2 möglich, was eine Polarisation der herausgelösten Elektronen bedeutet. übertragen werden. Dies geschieht bei Kristallgittern mit reduzierter Symmetrie, typischerweise Kristalle mit einer bevorzugten Richtung. Hierbei treten Aufspaltungen in den Valenzniveaus auf, die zur Selektion gewisser Übergänge führen und letztendlich zur Polarisation der herausgelösten Elektronen. Eine vereinfachte Beschreibung dieses Effektes ist in Abb. 3.3 geschildert. Der Photoemissionsübergang liegt dabei zwischen einem P-Zustand des Valenzbands und einem S-Zustand des Leitungsbands. Die Energie der absorbierten Photonen ist sehr scharf um einen bestimmten Wert Eγ gepikt, was wegen der von der Spin-Bahn-Kopplung verursachten Niveausaufspaltung Übergänge aus den P1/2 -Zuständen ausschließt. Aufgrund der Zirkularpolarisation des Lichtes (in dem Beispiel ist die Helizität rechtshändig) entsteht die Auswahlregel ∆Mj = +1. Die einzigen erlaubten Übergängen sind in Abb. 3.3 gezeichnet. Wegen der Anisotropie des Kristallgitters hebt sich weiterhin die Entartung der P3/2 -Zuständen auf. Die kleine aufgetretene Aufspaltung ∆E reicht aus, um den in Abb. 3.3 als durchgezogene Linie gezeichneten Übergang zu selektieren. Der Spin der Elektronen im Endzustand ist somit festgelegt, und der erzeugte Strahl ist polarisiert. Bei der polarisierten Quelle an MAMI wird ein Gallium-Arsenid-Kristall (GaAs) verwendet. Um eine anisotropische oder uniaxial deformierte Anordnung zu erhalten, werden entweder “Strained-Layer”- oder “Superlattice”-Kristalle eingesetzt. Bei Strained-Layer-Kathoden lässt man den Kristall auf einem Puffer wachsen, der aus eine Mischung von GaAs und GaP besteht (GaAs0.7 P0.3 ). Da die Gitterkonstante dieser Mischung von der von GaAs leicht abweicht, wächst das Kristall in eine 3.1. ALLGEMEINE BESCHREIBUNG Richtung angespannt. Ein Superlattice (SL, Übergitter) ist eine periodische Abfolge einer Heterostruktur, bei der die beteiligten Komponenten aus Schichten von wenigen Monolagen bestehen. Somit ist die Symmetrie auf der Schichtebene anders als die in der senkrechten Richtung. Die beiden Komponenten können dieselbe Gitterkonstante besitzen und daher ist keine Gitterspannung vorhanden. Da keine Relaxation auftreten kann, ist das Gitter mechanisch stabiler als bei Strained-Layers, was ein Vorteil von Superlattices ist. Die an MAMI eingesetzte SL-Photokathode enthält die Heterostruktur In0.16 Al0.2 Ga0.64 As/Al0.28Ga0.72 As, mit der die besten Polarisationswerte (bis 80%) erzielt werden [57]. Ein großer Aufwand wird beim Aufbau und Betrieb der polarisierten Quelle getrieben, um alle unerwünschten systematischen Effekte zu minimieren, die die Asymmetriemessung verfälschen können. Ein solcher Effekt ist die Strahlstromasymmetrie, die sich auf die zu messende Asymmetrie aufsummiert. Diese Asymmetrie kann zustande kommen, wenn die Quantenausbeute an der Photokathode nicht gleich für beide Polarisationseinstellungen ist. Dies liegt meistens daran, dass die Einstellungen der Pockelszelle nicht exakt Phasenverschiebungen von ±λ/4 entsprechen. Dadurch behält das Licht einen kleinen Anteil an Linearpolarisation, der zudem je nach Einstellung unterschiedlich sein kann. Darüber hinaus können sowohl das Vakuumfenster vor der Photokathode als auch die Kathode selbst (etwa bei nicht isotroper Relaxation) auf das Licht doppelbrechend wirken und dessen Polarisation weiter beeinflussen. Die auf dieser linearen Polarisation beruhende Stromasymmetrie kann aber durch eine weitere Kompensator-Halbwellenplatte minimiert werden. Diese befindet sich zwischen Pockelszelle und Kathode (Abb. 3.2) und ihre Achse kann um die Strahlrichtung gedreht und unter einem beliebigen Winkel zum Anfangspolarisator eingestellt werden. Die Übertragungsfunktion der Polarisation vom Anfangspolarisator zur Kathode ist eine ziemlich komplizierte Funktion dieses Winkels [57] und die resultierende Stromasymmetrie hängt durch eine oszillierende Funktion mit ihm zusammen. Diese Funktion kann direkt vermessen und die Kompensatorwellenplatte entsprechend optimal eingestellt werden. Eine weitere wichtige Komponente der Elektronenquelle ist der sogenannte Wien-Filter [58]. Dieses Gerät wird dafür verwendet, die Spinrichtung der longitudinal polarisierten Elektronen zu drehen und beliebig einzustellen. Der Wien-Filter besteht aus einer Kavität, in der ein in die vertikale Richtung zeigendes magnetisches Feld und ein zu ihm senkrechtes elektrisches Feld erzeugt werden. Beide Feldrichtungen stehen senkrecht auf der Strahlausbreitungsrichtung, und die Feldstärken sind so ausgewählt, dass die Lorentzkraft und die elektrostatische Kraft sich genau ausgleichen. Beim Durchlauf durch den Filter werden dann die Elektronen zwar nicht abgelenkt, aber der Elektronenspin erfährt eine Thomas-Präzession, die durch geeignete Wahl der magnetischen und elektrischen Feldstärke einen gewünschten Winkel zwischen −90◦ und +90◦ erreichen kann. Unter Berücksichtigung der weiteren Präzessionen entlang des Beschleunigers ist es möglich, die Spineinstellung 35 36 KAPITEL 3. A4-EXPERIMENT am Experimentort bei jeder Strahlenergie nach Wunsch einzustellen. Zuletzt muss eine weitere Halbwellenplatte erwähnt werden, die für das A4Experiment bedeutsam ist. Diese befindet sich vor der Pockelszelle und kann in den Laserstrahl hinein- und herausgefahren werden. Ihre Achse steht unter 45◦ zum Anfangspolarisator und dadurch wird die Linearpolarisation um 90◦ gedreht, was das Vorzeichen der Zirkularpolarisation nach der Pockelszelle ändert. Sie wird Generalvorzeichen-Wechsler (GVZ) genannt, denn das Vorzeichen der am Experiment gemessenen Asymmetrie muss sich umkehren, wenn sie hineingefahren wird. Der Betrag der Asymmetrie sollte jedoch unverändert bleiben. Die GVZ-Wellenplatte kann daher für die Untersuchung systematischer Effekte verwendet werden. Alle Besonderheiten bezüglich der polarisierten Quelle sowohl von der physikalischen als auch von der technischen Seite werden von Aulenbacher in [57] detailliert beschrieben. 3.1.2 Beschleuniger Der Lageplan des Beschleunigers ist in Abb. 3.4 aufgezeichnet. Der MAMIBeschleuniger [59] ist eine Elektronmaschine, die einen kontinuierlichen, polarisierten Strahl erzeugt. Die maximale Strahlenergie beträgt 1508 MeV mit einem Strahlstrom bis 100 µA. Die Beschleunigung erfolgt durch einen Injektor-Linearbeschleuniger, drei aufeinander folgende Rennbahn-Miktrotrone (RTM, racetrack microtron) und ein Harmonisches Doppelseitiges Mikrotron (HDSM), auch MAMIC benannt. Ein RTM besteht aus einem Linearbeschleuniger und zwei 180◦ -Ablenkmagneten. Die Elektronen werden mehrmals im Linac beschleunigt und bei jedem Umlauf folgen zwei Halbkreisbahnen in den Ablenkmagneten, die einen immer größeren Radius haben. Deswegen ist für jeden Rücklauf eine bestimmte Strahlführung vorhanden. Die maximale Energie, die erreicht werden kann, ist von den Dimensionen der Ablenkmagneten festgelegt. Beim größtmöglichen Rücklauf muss der Strahl extrahiert werden. Da bei jedem Umlauf denselben Linac benutzt wird, kann ein RTM nur funktionieren, wenn sich die Geschwindigkeit der Elektronen nach jeder Beschleunigung nur geringfügig ändert. Deshalb müssen die in einen RTM eingespeisten Elektronen schon ultrarelativistisch sein. Aus diesem Grund wird ein Injektor-Linearbeschleuniger gebraucht, der die Elektronen von der an der Photoquelle erreichten Extraktionsenergie von 100 keV auf die Injektionsenergie von 3.97 MeV des ersten RTMs beschleunigt. Die letzte Beschleunigungsstufe findet im HDSM MAMI-C statt [60]. Ein Doppelseitiges Mikrotron funktioniert sehr ähnlich wie ein normales Rennbahn-Miktrotron. Der Unterschied besteht darin, dass bei jedem Umlauf die Elektronen zweimal beschleunigt werden. Das HDSM besteht dann aus zwei Linacs und vier 90◦ Ablenkmagneten. Obwohl der Rest des Beschleunigers mit der Hochfrequenz von 3.1. ALLGEMEINE BESCHREIBUNG 37 Taggerhalle Ex−Halle 4 A4 HDSM RTM2 RTM1 Injektor−Linac A2 10 m Ex−Halle 3 RTM3 Polarisierte Elektronenquelle Spektrometerhalle A1 Abbildung 3.4: Lageplan der Beschleunigeranlage MAMI am Institut für Kernphysik der Universität Mainz. Das A4-Experiment befindet sich in den Experimentierhallen 3 und 4. In der Halle 3 ist das Compton-Rückstreupolarimeter sowie der Ausleseelektronikturm “Medusa” aufgebaut. In der Halle 4 sind Target, Kalorimeter und Transmissions-Compton-Polarimeter installiert. Das A1-Møller-Polarimeter befindet sich in der Spektrometerhalle. 38 KAPITEL 3. A4-EXPERIMENT Tabelle 3.1: Beschleunigerparameter RTM1 Eingangsenergie [MeV] Ausgangsenergie [MeV] Energiegewinn/Umlauf [MeV] Umläufe Magnetischer Fluss [T] Magnetgewicht [t] Größter Bahnumfang [m] RTM2 RTM3 HDSM 3.97 14.86 0.599 18 14.86 180.0 3.24 51 180.0 855.1 7.50 90 855.1 1508 16.64 - 13.9 43 0.1026 1.3 0.964 0.555 43 2.17 1.2842 450 4.43 1.53 - 0.95 250 9.20 0.80 1 2.45 3.55 2 2.45 8.87 5 2.45 8.57 - 10.10 4-5 2.45 - 4.90 Linaclänge [m] Anzahl der Klystrone Frequenz [GHz] 2.45 GHz betrieben wird, muss die Grundfrequenz von MAMI-C 4.90 GHz betragen, um die Bedingung dynamischer Stabilität bei der festgelegten Hallenlänge zu erfüllen. Doch für eine bessere longitudinale Strahlstabilität wird nur der erste Linac auf der doppelten Hochfrequenz eingestellt, während der zweite Linac auf 2.45 GHz läuft. Die wesentlichen Parameter des Beschleunigeraufbaus werden der Vollständigkeit halber in der Tabelle 3.1 angegeben. Sehr wichtig für das A4-Experiment sind die Überwachungs- und Regelungssysteme der Strahlparameter. Relevant sind dabei der Strahlstrom, die Energie, die Lage und die Einfallsrichtung am Targetort. Fluktuationen dieser Parameter können entweder helizitätskorreliert oder nicht helizitätskorreliert sein. Im ersten Fall führen solche Fluktuationen zu einer breiteren Verteilung der gemessenen Asymmetriewerte. Im zweiten Fall verursachen sie eine Verschiebung des zentralen Wertes dieser Verteilung, die korrigiert werden muss. Deswegen werden die Signale der Strahlmonitore im Laufe der Messung über die Zeitfenster von 20 ms zwischen sukzessiven Polarisationsumschaltungen gemittelt und gespeichert. 3.1.3 Polarisationsmessung Die im Experiment gemessene Asymmetrie Agemes ergibt sich als das Produkt der gesuchten, physikalischen Asymmetrie Aphys mit der Strahlpolarisation P : Agemes = P · Aphys . (3.1) Um Aphys aus der Messung zu extrahieren, muss die Polarisation möglichst genau gemessen werden, denn der Messfehler von P geht direkt in den systematischen Fehler von Aphys hinein. 3.1. ALLGEMEINE BESCHREIBUNG Aus diesem Grunde werden für die A4-Messung vier verschiedene Polarimeter verwendet. Jedes Polarimeter basiert auf einem unterschiedlichen Messprinzip und bietet einen gegenseitig systematischen Test der Polarisationsmessung. Im folgenden wird die Funktionsweise jedes Polarimeters kurz erläutert und die Besonderheiten der jeweiligen Messung betont. Mott-Polarimeter. Unter Mott-Streuung versteht man die elastische Streuung von Spin-1/2-Teilchen an einem Coulomb-Potential, wie z.B. die Streuung von Elektronen an einem schweren Spin-0-Kern. Dabei müssen die Elektronen einen genügend geringen Impuls tragen, damit die Kernstruktur nicht aufgelöst wird bzw. das Target einen vernachlässigbaren Rückstoß aufnimmt. Andererseits soll dieser Impuls genügend groß sein, damit die Abschirmung durch die atomaren Elektronenhüllen unbedeutend ist. Im Fall des MAMI-Mott-Polarimeters wird dieser Konzept dadurch realisiert, dass der Elektronenstrahl nach dem Injektor-Linac mit einer Energie von etwa 3.5 MeV auf eine Goldfolie geleitet wird. Aufgrund der Spin-BahnKopplung weist der differentielle Wirkungsquerschnitt eine azimutale Modulation auf, deren Amplitude proportional zur transversalen Komponente des Elektronspins ist und deren Extrempunkte auf der zur Impuls-Spin-Ebene senkrechten Richtung liegen. Bei Umklappen der Spinstellung ändert sich das Vorzeichen dieser Modulation. Das führt zu einer Einzelspin-Asymmetrie in den bei festem φ-Winkel gemessenen Zählraten, die wie der Wirkungsquerschnitt moduliert und proportional zur Strahlpolarisation ist. Die Raten der elastischen Streuereignisse werden mit einem magnetischen Spektrometer gemessen, das sich unter einem für die Analysierstärke optimalen Streuwinkel befindet. In wenigen Minuten kann bei 80% Strahlpolarisation eine Messgenauigkeit der Asymmetrie von 1% erreicht werden. Insgesamt kostet diese Messung als Zeitaufwand für das A4-Experiment knapp eine Stunde und kann mehrmals wöchentlich durchgeführt werden. Somit bietet sie eine systematische Überwachung der anderen Polarisationsmessungen [57]. Eventuell kann das Mott-Polarimeter auch eigenständig geeicht werden und eine absolute Polarisationsbestimmung ergeben. Der systematischer Fehler in der Analysierstärke beträgt aber zirka 4%, was für das A4-Experiment nicht optimal ist. Møller-Polarimeter. Das Messprinzip des A1-Møller-Polarimeters wurde vom Hall-C-Polarimeter am JLAB übernommen [61]. Es beruht auf der doppelt polarisierten Elektron-Elektron-Streuung (Møller-Streuung). Dabei wird der longitudinal polarisierte Elektronenstrahl an einem völlig magnetisierten Eisen-Target gestreut. Der Wirkungsquerschnitt der Møller-Streuung an den polarisierten EisenElektronen enthält einen Term, der proportional zum Produkt der Strahlpolarisation mit der Targetpolarisation ist. Diese ist sehr genau bekannt, denn das Target, eine 10 µm dicke Reineisenfolie, wird mit Hilfe eines 4 T-Supraleitungsmagneten zur Sättigung magnetisiert. Das Polarimeter ist in der A1-Spektrometerhalle aufgebaut 39 40 KAPITEL 3. A4-EXPERIMENT Abbildung 3.5: Schematischer Aufbau des Transissions-Comptonpolarimeters. und erreicht eine Messgenauigkeit von etwa 2% [62]. Diese Messung ist allerdings mit einer zeitaufwendigen Umstellung und Optimierung der Strahlführung verbunden und kann bis acht Stunden dauern. Deswegen kann sie nur einmal wöchentlich durchgeführt werden. Die notwendige Interpolation zwischen sukzessiven Messwerten wird durch das A4-Transmission-Comptonpolarimeter ermöglicht, führt aber trotzdem zu einem systematischen Fehler bis 4% [63]. Jedenfalls ist die Møller-Messung bis zur Inbetriebnahme des A4-ComptonRückstreupolarimeter für das A4-Experiment die präziseste zur Verfügung stehende absolute Polarisationsmessung gewesen. Transmissions-Compton-Polarimeter. In dieser Variante der Compton-Polarimetrie wird ein longitudinal polarisierter Elektronenstrahl durch Bremsstrahlung in einen zirkularpolarisierten γ-Strahl umgewandelt, dessen Polarisation dann bei der doppeltpolarisierten Compton-Streuung an den Elektronen eines Magneten gemessen wird. Das A4-Transmissions-Compton-Polarimeter (TCP) befindet sich im Strahlrohr vor dem Strahlfänger und ist im Betrieb seit 2002 [64]. Sein Aufbau ist in Abb. 3.5 schematisch dargestellt. In zwei Graphit-Streuern wird der γ-Strahl erzeugt und vom restlichen Elektronenstrahl gereinigt. Die Compton-Streuung findet in einem permanenten Sm2 Co17 -Magneten statt. Der daraus entstehende Elektronenfluss hängt von der Zirkularpolarisation der γ-Quanten ab und wird in einem Aluminium-Wandler vermessen. Aufgrund der Unkenntnis der Analysierstärke kann kein absoluter Wert der Polarisation bestimmt werden. Dafür können aber die Polarisationsschwankungen im Laufe der Messung “online” überwacht werden, denn das TCP misst eine signifikante Compton-Asymmetrie für jeden fünfminutigen Messlauf. Benutzt man die Messwerte der anderen Polarimeter als Eichung, so kann man den zeitlichen Verlauf der Polarisation nachvollziehen (s. Abb. 3.6). Eine weitere Anwendung des TCPs ist die Messung des Winkels der Spinrichtung zur Strahlachse am Experimentort. Die Compton-Asymmetrie ist proportional zur longitudinalen Strahlpolarisation. Wenn die Spinstellung mittels des Wien- 3.1. ALLGEMEINE BESCHREIBUNG 41 100 Polarisation [%] 80 60 GVZ OUT GVZ IN 40 20 0 42500 43000 43500 Messlaufnr. 44000 Abbildung 3.6: Interpolation zwischen absoluten Polarisationsmessungen mittels des TCPs. Die blauen Punkte sind Messwerte des Mott-Polarimeters, das helle Dreieck eine Møller-Polarimeter-Messung. Mit diesen wurde das TCP geeicht und rote und grüne Punkte (GVZ “in” und “out”) sind die Echtzeitmessungen des TCPs, die die Überwachung der Polarisationsänderungen ermöglichen. TCP-Asymmetrie [ppm] 120 100 80 60 40 20 0 −20 −40 −80 −60 −40 −20 0 20 40 60 ◦ Spinstellung nach Wien-Filter [ ] 80 Abbildung 3.7: Spindrehung durch den Wien-Filter und Bestimmung der Spinstellung am Experimentort. Die Kurve ist ein Cosinus-Fit. Der Hochpunkt entspricht einen longitudinalen Spin in der A4-Experimentierhalle. Die Phasenverschiebung entsteht durch die Spinpräzession entlang des Beschleunigers. 42 KAPITEL 3. A4-EXPERIMENT Filters zwischen −π/2 und π/2 gedreht wird, zeigt die vom TCP gemessene Asymmetrie ein cosinusförmigen Verlauf, aus dessen Phase man den genauen Spinwinkel ermitteln kann (s. Abb. 3.7). Compton-Rückstreupolarimeter. Bei diesem Polarimeter wird die ComptonStreuung eines zirkularpolarisierten Laserstrahls an den Strahlelektronen ausgenutzt. Das Polarimeter ist in der Experimentierhalle 3 aufgebaut (Abb. 3.8) und besteht aus folgenden Bestandteilen. Vier Dipolmagneten bilden eine magnetische Schikane, die den Elektronenstrahl für eine etwa 2.5 m lange Strecke parallel versetzt [65]. Ein Intra-Cavity-Lasersystem erzeugt entlang der versetzten Strahlachse einen zirkularpolarisierten Laserstrahl der Wellenlänge 514.5 nm (2.4 eV) [66]. Dieser überlappt sich mit dem Elektronenstrahl innerhalb der resonanten Laserkavität und erfährt Compton-Streuung. Die in die Richtung des Elektronenimpuls zurückgestreuten Photonen nehmen bei 855 MeV e-Strahlenergie bis 26 MeV auf und können in einem Lu1.8 Y0.2 SiO2 -Kalorimeter (LYSO) nachgewiesen werden [67]. Aufgrund des Impulsverlusts wird das streuende Elektron in den Ausgangsmagneten der Schikane aus der Strahlachse abgelenkt und von einem SzintillationsFaserdetektor in Koinzidenz mit dem γ-Photon detektiert. Das hilft, um den zum Großteil vom Strahlhalo verursachten Bremsstrahlungsuntergrund im Photondetektor um etwa ein Faktor 10 zu unterdrücken [68]. Im LYSO-Detektor wird die Spinasymmetrie in der Anzahl der Compton-Ereignisse gemessen. In Abb. 3.9 wird ein Beispiel solcher Messung gezeigt. Unter Umstellung der GVZ-Wellenplatte (s. Abs. 3.1.1) ändert sich nur das Vorzeichen der Asymmetrie, ihr Betrag nicht. Diese setzt sich als Produkt von beiden Strahlpolarisationen und von der Compton-Asymmetrie zusammen, und aus ihrem Wert kann die e-Strahlpolarisation absolut bestimmt werden. Die Genauigkeit der Messung ist bei kleinen Strahlenergien stark von der Statistik begrenzt. Bei 855 MeV oder 1.5 GeV kann hingegen eine statistische Unsicherheit von 1% in etwa einem Tag erreicht werden. Der systematische Fehler [68] ist vom Messfehler in der Laserpolarisation dominiert und wird zurzeit noch untersucht. Er wird voraussichtlich auch in der Größenordnung von 1% liegen. Der große Vorteil dieser Polarisationsmessung besteht darin, dass die Messung gleichzeitig und mit denselben Strahlbedingungen wie der A4-Experimentbetrieb durchgeführt werden kann. 3.1.4 Target und Luminositätsmonitore Target. Als Proton- bzw. Neutrontarget werden beim A4-Experiment entweder Flüssigwasserstoff oder Flüssigdeuterium verwendet. Um die Luminosität zu steigern, wird das Target in der flüssigen Phase gehalten, weshalb die Anwendung eines Kühlungssystems notwendig wird [69]. Dieses muss bei einem Strahlstrom von 20 µA in der Lage sein, Leistungen bis zu 100 W aufzunehmen. Außerdem ist es 3.1. ALLGEMEINE BESCHREIBUNG 43 Abbildung 3.8: Technische Zeichnung des Compton-Rückstreupolarimeters. Der Elektronenstrahl wird durch eine magnetische Schikane geführt und mit einem polarisierten Laserstrahl überlappt. Die Compton-rückgestreuten Photonen werden mittels eines Kalorimeters nachgewiesen. 1.5 Asymmetrie [%] 1 GVZ OUT 0.5 0 −0.5 GVZ IN −1 −1.5 56350 56400 56450 56500 56550 56600 Messlaufnr. Abbildung 3.9: Beispiel von gemessenen Compton-Asymmetrien gegen Messlaufnummer bei 855 MeV Strahlenergie. Die Polarisation des Laserstrahls beträgt etwa 80% [66], und unter Berücksichtigung der Analysierstärke [68] erhält man einen Wert für die Polarisation des Elektronenstrahls von (71±1)%, wobei nur der statistische Fehler enthalten ist, während der systematische noch abgeschätzt werden muss. 44 KAPITEL 3. A4-EXPERIMENT 234 mm 100 mm 66° 42° 40° Strahl 160 mm (a) (b) Abbildung 3.10: Schema der Targetzelle für (a) Rückwärtswinkel bzw. (b) Vorwärtswinkel. Die Wandstärken von Aluminium-Targethut und -Düse betragen jeweils 250 µm und 200 µm. Die von (a) Austritts- bzw. (b) Eintrittsfenster beträgt 50 µm. Bei (a) wurde die Wandstärke an der Targetspitze (Eintrittsfenster) auf 100 µm verkleinert. sehr wichtig, die Dichtenfluktuationen im Target möglichst zu unterdrücken. Insbesondere muss das Targetkochen vermieden werden, denn das führt zur Bildung von Blasen, die großes Signalrauschen verursachen [70]. Da die Energie vom Strahl sehr lokalisiert entlang der Strahlachse deponiert wird, muss in dieser Hinsicht die Targetflüssigkeit in einem turbulenten Zustand gehalten werden. Das wird geschafft, indem der Flüssigwasserstoff im Kreislauf mit einem Fluss von mehreren hunderten Gramm pro Sekunde fließt. Somit kann das Target auf einer Temperatur von etwa 14 K mit Fluktuationen im 10−3 -Bereich betrieben werden. Kühl- und Kreislaufsystem werden computergesteuert und alle Temperaturen und sonstige wichtige Parameter alle 60 Sekunden gespeichert und zur Datenerfassung zur Verfügung gestellt. Eine schematische Darstellung der Targetzelle ist in Abb. 3.10 gezeigt. Die Länge der Zelle beträgt 10 cm für die Messung unter Vorwärtswinkeln und 23.4 cm für Rückwärtswinkel. Diese Länge wird bei gegebener Messzeit durch die Optimierung des gesamten Asymmetriefehlers errechnet, bei dem außer der Statistik auch die aus der Targetausdehnung stammende Unsicherheit in Q2 berücksichtigt wird [63]. Die Targetzelle befindet sich innerhalb einer zylindrischen Aluminium-Vakuumkammer mit einem inneren Durchmesser von 84 cm und einer Wandstärke von 5 mm im Polarwinkelbereich der Kalorimeterakzeptanz, ansonsten 1 cm, um die mechanische Stabilität zu sichern. 3.2. CHERENKOV-KALORIMETER Luminositätsmonitore. Die Fluktuationen der Targetdichte werden mit Hilfe von Luminositätsmonitoren überwacht. Führt man die Messung der Luminosität mit der des Strahlstroms zusammen, so erhält man die Targetdichte. Schwankungen in diesem Wert können dieselben Auswirkungen auf die Asymmetrie haben wie schon für die Strahlparameter besprochen. Sie können helizitätskorreliert oder -unkorreliert sein und zum systematischen bzw. statistischen Fehler beitragen. Die Messung der Luminosität erfolgt durch acht Wasser-Cherenkov-Detektoren [71], die an der Querwand der Vakuumkammer aufgebaut sind. Sie sind symmetrisch um die Strahlachse gelegen und decken den Raumwinkel zwischen 4.4◦ und 10◦ in Polarrichtung ab (s. Abb. 3.12). Das Signal L der Luminositätsmonitore ist proportional zum Gesamtfluss der geladenen Teilchen, die in den abgedeckten Raumwinkel gestreut werden. Genauso wie die Signale der Strahlmonitore wird dieses Signal über Zeitfenster von 20 ms integriert und der Integrationswert nach jedem Zeitfenster (Polarisationsumschaltung) gespeichert. 3.2 Cherenkov-Kalorimeter Die Zählung der elastischen Streuereignisse erfolgt beim A4-Experiment durch den Einarmnachweis einzelner elastisch gestreuter Elektronen. Da die Kinematik der elastischen Streuung eine feste Beziehung zwischen Streuwinkel und Endenergie des Elektrons erzwingt, kann die Erkennung der elastischen Ereignisse durch die Energiemessung der gestreuten Teilchen erzielt werden. Wenn einzelne Ereignisse gezählt werden müssen, kann die Zählrate aufgrund der unvermeidlichen Totzeiten des Detektors nicht beliebig groß sein. Dies setzt für die anwendbare Luminosität eine Grenze, deren Wert kleiner als die technisch realisierbaren Werte ist. Wegen der erwünschten großen Statistik ist dann eine große Raumwinkelakzeptanz erforderlich, was die Anwendung eines magnetischen Spektrometers ausschließt. Daher entschloss sich die A4-Kollaboration für ein elektromagnetisches Kalorimeter [72]. 3.2.1 Anforderungen an das Kalorimeter Das elektromagnetische Kalorimeter soll folgende Anforderungen erfüllen: • Es soll großen Zählraten (in der Größenordnung von 100 MHz) bewältigen können; • Das Energieauflösungsvermögen soll gut genug sein, um die Trennung der elastischen Ereignisse von den inelastischen zu ermöglichen. Diese Bedingungen haben die folgenden entscheidenden Kriterien für die Wahl des Detektormaterials bestimmt: • Kurze Abklingzeiten der Lichtpulse. Der Signalpuls jedes Ereignisses muss eine möglichst kurze Zeitdauer haben, um die Totzeit zu verringern und das 45 46 KAPITEL 3. A4-EXPERIMENT Pile-up zu unterdrücken. Dadurch sind Cherenkov-Strahler favorisiert, denn dabei dauert der Lichtblitz genauso lang wie der elektromagnetische Schauer. • Hohe Lichtausbeute. Die Energieauflösung ist von der Photonenstatistik am Photomultiplierfenster dominiert und verbessert sich mit zunehmender einfallender Lichtintensität. Eine starke Lichterzeugung und eine gute Durchsichtigkeit (lange Absorptionlängen) im Wellenlängebereich der PhotomultiplierSensitivität sind optimal. Für Cherenkov-Strahler entspricht die Bedingung der Erzeugung einer großen Lichtmenge einem hohen Brechungsindex. • Strahlenfestigkeit. Um die nötige Statistik zu erreichen, muss man mit Messzeiten von mehreren tausend Stunden bei einem Strahlstrom von 20 µA rechnen, der eine Äquivalentdosisleistung in der Experimentierhalle im mSv/hBereich erzeugt. Das Detektormaterial darf unter diesen Bedingungen keine erheblichen Strahlenschäden aufweisen. • Hohe Dichte und kurze Strahlungslänge. Abgesehen von den technischen Schwierigkeiten, große Detektormodule herzustellen, soll der Detektor ausreichend segmentiert sein, damit der Nachweis weiterer Ereignisse nur in einen kleinen Bereich des Raumwinkels von der Totzeit eines Moduls gesperrt wird. Um andererseits Verminderungen der Energieauflösung durch Schauerverluste zu vermeiden, müssen die Signale von mehreren Kanälen summiert werden. Sind die Schauerausdehnungen viel größer als die Dimensionen eines Detektormoduls, so sprechen zu viele Module auf ein einzelnes Ereignis an, und das Problem der Totzeitverluste tritt wieder auf. Um die Ausdehnung des elektromagnetischen Schauers zu begrenzen, sollte das Detektormaterial eine hohe Dichte und eine kurze Strahlungslänge besitzen. Im Rahmen der Vorstudien zum Aufbau des A4-Experimentes wurden mehrere Materialien, sowohl Cherenkov-Strahler als auch Szintillatoren, in Betracht genommen. Untersucht durch experimentelle Tests wurden die Eigenschaften von: BaF, PbWO4 , Bleiglas SF5, flüssiges Xe und PbF2 [73, 74, 75, 76, 77]. Die letztendliche Entscheidung fiel auf Bleifluorid (PbF2 ) [78]. 3.2.2 Bleifluorid Ein Überblick der Grundideen der elektromagnetischen Kalorimetrie mittels Cherenkov-Strahler zusammen mit einer besonderen Betrachtung des Falles von PbF2 wird in Kapitel 6 angegeben. In diesem Abschnitt werden die zu dieser Arbeit relevanten Eigenschaften von PbF2 zusammengefasst. PbF2 kann als kubischer oder orthorombischer Ionenenkristall erscheinen. Allerdings können großvolumige PbF2 -Kristalle (auf der cm3 -Skala) nur in der kubischen Form hergestellt werden. Es handelt sich um einen reinen Cherenkov-Strahler, 3.2. CHERENKOV-KALORIMETER 47 (a) (b) 250 Absorptionslänge [cm] Brechungsindex 2.1 2.0 1.9 1.8 1.7 300 400 500 600 λ [nm] 700 800 200 150 100 50 0 300 400 500 600 λ [nm] Abbildung 3.11: Optische Eigenschaften von Bleifluorid als Funktion der Wellenlänge λ: (a) Brechungsindex, (b) Absorptionslänge nach Bestrahlung mit einer aufgenommenen Dosis von 100 Gy. Die Daten wurden von [76] genommen. der keine Szintillationskomponente im ausgestrahlten Licht aufweist. Daher betragen die Abklingzeiten der Lichtpulse von PbF2 nur wenige Nanosekunden, die im wesentlichen von der Ausbreitung des Lichtes entlang des Kristalles stammen, da die Lichterzeugung sich praktisch instantan ereignet (typische Dauer ∼ 0.1 ns). Die optischen Eigenschaften sind für ein Cherenkov-Material sehr wichtig, denn sie bestimmen die Lichtausbeute. Entscheidend sind dabei der Brechungsindex und die Absorptionlänge. Diese beiden Parameter von PbF2 sind in Abb. 3.11 aufgezeichnet. Die hohen Werte des Brechungsindex sorgen für eine gute Intensität (für einen Cherenkov-Strahler) des ausgestrahlten Lichts (s. Kapitel 6 für quantitative Abschätzungen). Außerdem ist PbF2 durchsichtig für Photonen im Wellenlängebereich, bei dem typischerweise die Sensitivität der Photomultiplier liegt (300600 nm). Diese Durchsichtigkeit nimmt zwar mit der aufgenommenen Strahlendosis ab, aber kann durch Ausbleichen mittels UV-Strahlung wieder erstellt werden. Alle diese Aspekte der Strahlenschäden von PbF2 wurden von Achenbach et al. [79] untersucht. Die für den Durchgang von Teilchen relevanten physikalischen Eigenschaften von Bleifluorid sind in der Tabelle 3.2 zusammengefasst. Der große Bleianteil (85% vom Gewicht) bestimmt wesentlich die kernphysikalischen Charakteristika. Die kurze Strahlungslänge und der kleine Molière-Radius ermöglichen die Absorption von großen Energiemengen in einem relativ kompakten Volumen. Die kritische Energie, oberhalb derer radiative Prozesse über Stoßvorgänge dominieren [40], ist bei hohem Z unvermeidlich klein. Das ist angesichts der Cherenkov-Lichtausbeute von Nachteil, weil die hochenergetische Schauerkomponente von γ-Quanten dominiert ist, aber dieser Effekt wird durch den hohen Brechungsindex ausgeglichen, bei dem schon niederenergetischen Elektronen und Positronen gut ober- 700 800 48 KAPITEL 3. A4-EXPERIMENT Tabelle 3.2: Physikalische Parameter von PbF2 (die Werte wurden von [77] genommen). Der Wert des mittleren Anregungspotentials wurde nach den Formeln von Seltzer und Berger [80] berechnet. Mit effektiver Strahlungslänge wird hier das Verhältnis der Strahlungslänge zur Dichte gemeint. Für die Definition des Cherenkov-”Molière-Radius” siehe Text. Die kinetische Energieschwelle der Cherenkov-Lichterzeugung für Elektronen und Positronen bezieht sich auf die Wellenlänge 450 nm (Brechungsindex ≃1.8). Dichte Molekulargewicht hZ/Ai Mittleres Anregungspotential Strahlungslänge Eff. Strahlungslänge Molière-Radius Cherenkov-“Molière-Radius” Cherenkov-Schwelle (e± ) Kritische Energie 7.77 g/cm3 245.21 g/mol 0.408 577.5 eV 7.22 g/cm2 0.93 cm 2.2 cm 1.8 cm ≃ 104 keV 9.04 MeV halb der Cherenkov-Schwelle liegen. Der Vorteil bei dieser Gestaltung liegt daran, dass die Lichtausbeute auch bei sehr kleinen Energien – vergleichbar mit der kritischen Energie – einen linearen Zusammenhang mit der deponierten Energie aufweist. Hierzu auch wird im Kapitel 6 eine ausführliche, quantitative Betrachtung präsentiert. 3.2.3 Geometrie des Kalorimeters In Abb. 3.12 ist eine technische Zeichnung des elektromagnetischen Kalorimeters gezeigt. Der Detektor ist zylindrisch und azimutal-symmetrisch. Zusammen mit der Streukammer und dem Target ist er auf einer drehbaren Plattform aufgebaut, um Messungen sowohl unter Vorwärts- als auch unter Rückwärtswinkel zu ermöglichen. Der abgedeckte Streupolarwinkelbereich ist 30◦ bis 40◦ unter Vorwärtswinkeln bzw. 140◦ bis 150◦ unter Rückwärtswinkeln. Das Kalorimeter besteht aus 1022 Bleifluorid-Kristallen, die in sieben Ringen angeordnet sind. Die Kristalle sind auf Aluminiumrahmen montiert (s. Abb. 3.12 oben), die wiederum mit zylindrischer Symmetrie um die Strahlachse aufgebaut sind. Die genaue Position, Orientierung sowie Abmessungen der Kristalle sind im Anhang A angegeben. Die Abmessungen der Kristalle waren von der technischen Machbarkeit ihrer Herstellung festgelegt. Die Länge der Kristalle beträgt je nach Ring zwischen 16 und 20 Strahlungslängen, was die vollständige Absorption der Energie der nachzuweisenden Teilchen gewährleistet. Da diese Energie mit dem Streuwinkel abnimmt, 3.2. CHERENKOV-KALORIMETER Abbildung 3.12: Technische Zeichnung des Kalorimeters zusammen mit dem Szintillationstagger, der Vakuumkammer und der rotierbaren Plattform. In der oberen Ausschnittsvergrößerung wird die Anordnung der Kristalle auf einem Aluminium-Trägerrahmen gezeigt. 49 KAPITEL 3. A4-EXPERIMENT Quanteneffizienz 50 10−1 10−2 10−3 200 300 400 500 λ [nm] 600 700 800 Abbildung 3.13: Quanteneffizienz der XP2900-Photomultiplier von Photonis als Funktion der Wellenlänge. Die Kurve wurde durch die Spectral-SensitivityCharacteristics berechnet, die von [81] genommen wurde. Die Werte enthalten die Effekte der Transmittanz durch das Glasfenster und die Photoeffizienz der Kathode. sind die Kristalle, die sich bei der Vorwärtsrichtung-Konfiguration unter größeren Winkeln befinden, kürzer. Bei der Rückwärtswinkel-Konfiguration sind die zu messenden Energien deutlich niedriger, so dass die Kristalllängen keine Limitierung bedeuten. Die transversale Ausdehnung der Kristalle ist ausreichend, damit bei zentralem Einschuss durchschnittlich 95% der bei einem elektromagnetischen Schauer entstehenden Cherenkov-Photonen innerhalb eines 3×3-Kristallenclusters ausgestrahlt werden. Der Querschnitt der Kristalle beträgt ungefähr 28 mm×28 mm. Dieser Wert muss mit dem in der Tabelle 3.2 mit Cherenkov-”Molière-Radius” bezeichnetem C Wert RM verglichen werden. Dieser entspricht für die Cherenkov-Lichterzeugung in einem elektromagnetischen Schauer dem gewöhnlichen Molière-Radius RM für C die Energiedeposition im Schauer. RM ist kleiner als RM , weil die geladenen Teilchen, die am Rand des Schauers Energie deponieren, im Mittel kinetische Energien unterhalb der Cherenkov-Schwelle besitzen. Um die Lichtsammeleffizienz zu steigern, sind die Kristalle in einer reflektierenden Papierhülle aus Immobilon-P eingewickelt. Die Dicke dieser Papierfolien beträgt ungefähr 120 µm, und der Reflektionskoeffizient hat für Wellenlängen größer als 280 nm einen nahezu konstanten Wert von etwa 95% [76, 77]. 3.2.4 Photomultiplier und Ausleseelektronik Das Cherenkov-Licht wird mittels konventioneller Photomultiplier-Röhren (PMT) nachgewiesen. Die von diesen erzeugten Strompulse werden dann vom elektronischen Datenerfassungssystem MEDUSA ausgelesen, verstärkt, integriert und 3.2. CHERENKOV-KALORIMETER digitalisiert. Im folgenden werden die für diese Arbeit relevanten Eigenschaften von PMTs und Ausleseelektronik zusammengefasst. Photomultiplier. Die für die Simulation der Detektorantwort wichtigste Eigenschaft der PMTs ist die Quanteneffizienz. Sie wird hier als die Anzahl der erzeugten Photoelektronen pro einfallendem Lichtquant definiert und beschreibt die gesamte Antwort des PMTs (nicht nur die der Photokathode). Die Effekte, die im Wesentlichen diesen Parameter bestimmen, sind die Transmission durch das Eintrittsfenster und die Lichtsensitivität der Kathode. Bei den kurzen Wellenlängen spielt das Glasfenster die entscheidende Rolle, denn unterhalb einer typischerweise im UV-Bereich liegenden Cutoff-Wellenlänge fällt die Transmittanz schnell auf Null. Oberhalb der Cutoff-Wellenlänge ist sie ziemlich konstant und beträgt in der Regel mehr als 90%. Bei großen Wellenlängen wird die Elektronemission an der Photokathode bestimmend und auch hier gibt es einen Grenzwert, oberhalb dessen keine Photoabsorption mehr möglich ist. Die Quanteneffizienz QE(λ) kann aus der radiant sensitivity S(λ) berechnet werden. Diese Größe gibt das Verhältnis des an der Anode gemessenen Stroms zur aufgestrahlten Lichtleistung an und hängt mit der Quanteneffizienz folgendermaßen zusammen [81]: W 124 · nm %. (3.2) × S(λ) QE(λ) ≃ λ mA Der Verlauf von S mit λ nennt sich Spectral-Sensitivity-Characteristics und wird normalerweise vom Hersteller gemessen. Im A4-Kalorimeter sind PMTs vom Typ XP2900 von Photonis aufgebaut [81]. Sie sind 98 mm lang und haben einen äußeren Durchmesser von 28.5 mm. Der Durchmesser der Photokathode beträgt 24 mm und das Fenster besteht aus einem Borosilikatglas, das eine Cutoff-Wellenlänge von 270 nm hat. Das Photokathodenmaterial ist ein Bialkalien-Antimonid aus SbKCs. Die Funktion QE(λ) ist in Abb. 3.13 aufgezeichnet. Ausleseelektronik. Die Ereignisrate im PbF2 -Kalorimeter liegt bei Vorwärtsstreuung in der Größenordnung von 100 MHz. Aufgrund dieser hohen Rate muss die Logik der Datenerfassung grundsätzlich auf dem Hardwareniveau implementiert sein, denn eine vereinfachte Datenaufnahme mit darauffolgender Offline-Analyse benötigte eine ungeheure Speicherkapazität, die jenseits der Möglichkeiten der A4Kollaboration steht. Die im elektronischen Datenaufnahmesystem implementierte Logik muss die Ereignis-Identifikation, die Energiemessung und die Unterdrückung von Vielfachereignissen (Pile-up) gewährleisten. Das Signal von jedem Detektormodul wird daher von einer Elektronikkarte verarbeitet, die folgende Algorithmen implementiert. 1. Ein von einem Streuereignis produzierter Strompuls wird erkannt und die Hardware-Datenerfassung getriggert. 51 52 KAPITEL 3. A4-EXPERIMENT ring 1 ring 2 R7 R6 R5 R4 R3 ring 3 R8 4 3 2 R2 ring 4 R9 5 0 1 R1 ring 5 R10 6 7 8 R16 ring 6 R11 R12 R13 R14 R15 ring 7 Abbildung 3.14: Schematische Zeichnung zur MEDUSA-Logik. Jeder Kasten stellt ein Detektormodul dar. Zeile und Spalten entsprechen Kristallringen bzw. Trägerrahmen (146 im ganzen Detektor). Die Kastenfarbe entspricht: Rot - Lokalmaximum, gelb - “Nachbarmodule”, blau - “Randmodule”. Jedes Ereignis wird zum Lokalmaximum zugeordnet und das Signal von allen Nachbarnmodulen wird analog aufsummiert. Zur Verwerfung von Pile-up-Ereignissen wird die Präsenz von Lokalmaxima im ganzen 5×5Modulencluster innerhalb der Randzone geprüft. Ein Beispiel eines zu verwerfenden Ereignisses ist rechts gezeigt. 2. Ein Ladungswert wird durch Integration des Pulses über ein Zeitfenster von 20 ns gemessen. 3. Nach den ersten 5 ns prüft ein Puls-Shaper, ob neue Pulse einkommen, um Doppeltreff-Ereignisse zu verwerfen (“zeitliches Pile-up”). 4. Der Ladungswert wird mit den Werten der direkten Nachbarnmodulen (Kasten 1, 3, 5, 7 in Abb. 3.14) verglichen, um das räumliche Maximum (“Lokalmaximum”) zu finden und das Ereignis zu einem bestimmten Modul zuzuordnen. 5. Die Anwesenheit mehrerer Lokalmaxima innerhalb eines 5×5-Modulenclusters (s. Abb. 3.14) wird geprüft, um räumlich auflösbare Doppeltreffer zu identifizieren. Somit wird das “räumliche Pil-up” unterdrückt. 6. Die Ladungswerte im 3×3-Modulencluster um das Lokalmaximum werden analog aufsummiert. Der Ladungswert vom Lokalmaximum und der Summenwert werden zur Histogrammiereinheit weitergeleitet. 7. Die Histogrammiereinheit ist mit einem 8-Bit-ADC für das Summensignal und einem 6-Bit-ADC für das Lokalmaximumsignal bestückt. Die beiden Werten werden damit digitalisiert und zweidimensional histogrammiert. 3.3. MESSUNG UNTER RÜCKWÄRTSWINKELN 3.3 Messung unter Rückwärtswinkeln Um die im Kapitel 2 besprochene rosenbluthartige Separation der StrangenessFormfaktoren zu erreichen, ist neben der Vorwärtswinkel-Messung auch eine Rückwärtswinkel-Messung nötig. Um die Messungen unter Rückwärtswinkeln zu ermöglichen, waren einige Modifikationen des Experimentaufbaus erforderlich. Hallenumbau. Für die Messung unter Rückwärtswinkeln musste der Detektor um 180◦ um die Targetposition gedreht werden. Eine Anforderung bei der Planung dieses Umbaus war, dass das Wiederumdrehen zu Vorwärtsrichtung mit minimalem Aufwand möglich sei. Deswegen wurde eine rotierbare Plattform entwickelt [82], auf der der Detektor montiert ist (Abb. 3.12). Die Plattform ist mit Öl-Gleitfüßen bestückt, mit denen sie auf einer Stahl-Bodenplatte ohne für das Kalorimeter schädliche mechanische Vibrationen gleiten kann. Die gesamte Vakuumkammer muss sich zusammen mit dem Detektor um das Target drehen. Das erforderte eine Verlängerung der Vakuumkammer, denn die Luminositätsmonitore sind auf dieser aufgebaut und müssen aber in der selben Position relativ zum Target bleiben, d.h. in Vorwärtsrichtung, weil sie für die MøllerStreuung optimiert sind. Detektorerweiterung. Unter Rückwärtswinkeln sind die Beiträge zum Energiespektrum im Bereich des Peak der elastischen Ereignisse von beim Zerfall ungeladener Pionen erzeugten γ-Quanten erheblich (s. Kapitel 5), und die Trennung der Signal- von den Untergrundereignissen ist allein durch die kalorimetrische Messung nicht möglich. Da der Untergrund hauptsächlich aus γ-Ereignisse besteht, bietet sich die Möglichkeit, einen zusätzlichen Detektor einzuführen, der geladene von ungeladenen Teilchen unterscheidet. Die Anforderung an einen solchen “Elektronentagger” sind folgende. • Die Messung mit hoher Zählrate muss möglich sein. Die erwartete Ereignisrate unter Rückwärtswinkeln ist zwar eine Größenordnung kleiner als unter Vorwärtswinkeln, aber zur Vereinfachung des Detektorbaus und -betriebs sollte jedes Taggermodul möglichst viele Kalorimetermodule abdecken, um die Anzahl der Kanäle zu vermindern. • Die kalorimetrische Energiemessung soll vom neuen Detektor möglichst wenig beeinflusst werden. Dafür müssen Energieverluste verringert werden, und somit sind Detektormaterialien mit kleinen Dichten bzw. großen Strahlungslängen bevorzugt. • Die Nachweiseffizienz für Elektronen soll natürlich maximal sein. D.h., ein gut messbares Signal muss beim Durchqueren von geladenen Teilchen erzeugt werden. 53 54 KAPITEL 3. A4-EXPERIMENT • Wie bei der Wahl des Kalorimetermaterials ist auch in diesem Fall eine gute Strahlenfestigkeit wichtig. Insgesamt wurden drei Prototypen verschiedener Detektorsorten entwickelt und getestet [83]. Zwei von diesen basierten auf Cherenkov-Strahlern, Aerogel und Gas, der dritte war ein Plastikszintillator. Der große Vorteil der betrachteten CherenkovMaterialien ist ihre sehr kleine Dichte, die sehr kleine Energieverluste gewährleistet. Andererseits ist die Lichtausbeute und somit die Signalstärke bei einem Plastikszintillator viel besser. Die Energieverluste sind in diesem Fall nicht vernachlässigbar und für dünne Schichten Landau-verteilt. Dafür entsteht aufgrund der starken Korrelation zwischen Lichtausbeute und Energiedeposition eine natürliche untere Grenze für das Signal minimal ionisierender Teilchen, was eine sehr hohe Nachweiseffizienz bietet. Darüber hinaus war die technische Realisierbarkeit eines Szintillationstaggers einfacher und ökonomisch günstiger. Aerogel ist ein sehr fragiles Material und ist teurer als Kunststoff, besonders bei ausgedehnten Stücken. Ein Gas-Detektor ist von der Strahlenfestigkeit her am geeignetsten, er erfordert aber die Entwicklung eines Gas-Leitungssystem, was für die Entwicklung und den Betrieb deutlich aufwendiger ist. Aus diesen Gründen wurde ein Szintillationszähler als Elektronentagger ausgewählt. 3.4 Szintillationszähler-Elektronentagger In diesem Abschnitt folgt eine Beschreibung des Elektronentaggers und eine kurze Erläuterung der elektronischen Logik zur Erstellung einer Koinzidenzmessung mit dem Kalorimeter. Schließlich wird eine Messung zur Bestimmung der Lichtabschwächlänge im Szintillationsmaterial präsentiert. Material und Geometrie. Das ausgewählte Szintillationsmaterial ist EJ-204 [84], das Polyvinyltoluene als polymerische Base hat. Seine Dichte beträgt 1.032 g/cm3 und seine Strahlungslänge 42.5 cm. Die für die späteren Rechnungen und Simulationen nötigen Materialparameter sind in der Tabelle 3.3 zusammengefasst. Die Lichtausbeute für Elektronen liegt über 10000 Photonen pro MeV mit der höchsten Intensität bei einer Wellenlänge von 408 nm. Die Lichtpulse haben eine Zeitbreite (FWHM) von ungefähr 2.2 ns, die den Nachweis von Ereignissen mit hohen Raten ermöglicht. In Abb. 3.15-(a) wird eine technische Zeichnung des Elektronentaggers (links) und dessen Installation in den Experimentaufbau (rechts) gezeigt. Insgesamt besteht der Detektor aus 72 Modulen, die auf einem ringförmigen Träger aus Edelstahl montiert sind. Jedes Modul besteht wiederum aus einem Szintillatorstab, der an 3.4. SZINTILLATIONSZÄHLER-ELEKTRONENTAGGER (a) (b) Abbildung 3.15: (a) Links: Technische Zeichnung des Elektronentaggers. Die 72 Module sind auf einem ringförmigen Aluminium-Träger aufgebaut. Rechts: Zeichnung des Gesamtaufbaus mit Elektronentagger und PbF2 Kalorimeter. Jedes Taggermodul deckt zwei Kalorimeterrahmen ab (Abb. 3.12), d.h. 14 Kristalle. Zwei Module sind breiter und decken drei Rahmen (21 Kristalle) ab. (b) Photo eines Taggermoduls. Es besteht aus einem stabförmigen Plastikszintillator, der an einem Photomultiplier angekoppelt ist. 55 56 KAPITEL 3. A4-EXPERIMENT Tabelle 3.3: Eigenschaften der polymerischen Base Polyvinyltoluene des für den Elektronentagger eingesetzten Szintillationsmaterials (die Daten wurden von [85] und vom Datenblatt des Herstellers genommen). Dichte H-C-Atomdichtenverhältnis Strahlungslänge Mittlere Anregungsenergie 1.032 g/cm3 11/10 43.90 g cm−2 64.7 eV einen Photomultiplier gekoppelt ist. Ein Photo eines Taggermoduls ist in Abb. 3.15(b) zu sehen. Um eine lückenlose Abdeckung der Raumwinkelakzeptanz des Kalorimeters zu sichern, sind die Szintillatoren abwechselnd auf zwei konzentrischen Ringen gelegen, damit benachbarte Module sich um einige Millimeter überlagern. Jedes Modul deckt zwei Kalorimeter-Kristallrahmen (14 Kristallen) ab. Da es insgesamt 146 Rahmen gibt und die Taggermodule auf zwei Ringe verteilt sind, müssten zwei Szintillatoren breiter geschnitten werden und decken somit drei Kalorimeterrahmen (21 Kristalle). Abmessungen der Szintillatoren und Details über ihre Platzierung werden im Anhang A angegeben. Signalauslese und Koinzidenzlogik. Die Ausleseelektronik des Elektronentaggers einschließlich Vorverstärkung, Signalverarbeitung, Schwellenvergleichs und Vetoerzeugung sowie die Einstellung der Koinzidenz mit dem Kalorimeter und sämtliche dazugehörige Kalibrationsmessungen werden in der Dissertation von R. Kothe [86] detailliert beschrieben. Hier sei nur die Grundidee der Koinzidenzlogik erwähnt. Die Ausleseelektronik eines Taggermoduls ist mit den Histogrammiereinheiten der vom betrachteten Modul abgedeckten Kalorimetermodule zusammengeschaltet. Wenn ein Ereignis ein Taggersignal innerhalb eines passend eingestellten CFD-Schwellenintervalls erzeugt, wird ein dediziertes Bit auf diesen Histogrammiereinheiten während eines Zeitfensters von etwa 20 ns auf eins gesetzt. Für den Rest der Zeit bleibt dieses Bit auf Null. Kalorimeter-Ereignisse werden mit diesem Bit-Wert histogrammiert, so dass die gespeicherte Datenmenge ein Faktor zwei größer im Vergleich zur Messung ohne Tagger ist. Bei der Auslese wird dann der Wert dieses Bits verwendet, um die Ereignisse in “Koinzidenz-” bzw. “Nichtkoinzidenz-”Spektren aufzuteilen, welche Energiespektren geladener bzw. neutraler Teilchen entsprechen. Messung der effektiven Abschwächlänge. Aufgrund der Lichtabschwächung im Material hängt die Stärke des Signals bei gegebener Energiedeposition vom Abstand zwischen Ausstrahllage und Photomultiplier ab. Für die Simulation der Detektorantwort (Kapitel 6) war eine Bestimmung der Signal-Abschwächeffekte 3.4. SZINTILLATIONSZÄHLER-ELEKTRONENTAGGER 60 57 Co HV d PMT dF F ADC Plastik-Szintillator ℓ Abbildung 3.16: Schematische Darstellung des Messverfahrens zur Untersuchung der Licht-Abschwächung im Szintillator (Erklärung im Text). nötig. Dazu wurde eine Messung durchgeführt, wie in Abb. 3.16 schematisch dargestellt. Ein 60 Co-Präparat wurde auf einer Höhe d = 3 cm zur Oberfläche eines Szintillatormoduls in unterschiedlichen Abständen ℓ vom Photomultiplier gehalten. Um die Zählrate zu optimieren, musste man auf einen Kollimator verzichten. Dadurch war eine Berechnung des mittleren Abstands ℓ̄ erforderlich. Näherungsweise wurde angenommen: Z dΩ(ℓ, d) 1 dF ℓ , (3.3) ℓ̄ = 4π F dF wobei die Fläche F den mittleren horizontalen Querschnitt des Szintillators darstellt, und dΩ(ℓ, d) den vom Flächenelement dF abgedeckten Raumwinkel (Abb. 3.16). Die größten Korrekturen |ℓ̄ − ℓ| hat man an den Rändern und betragen weniger als 3 mm (s. Tabelle 3.4). Um die Unsicherheit in der Vermessung von ℓ sowie in der Berechnung von ℓ̄ durch die Näherung (3.3) zu berücksichtigen, wurde ein Fehler von δ ℓ̄ = ±5 mm angenommen. Das Ausgangssignal des Photomultipliers wurde vorverstärkt und in einen ADC eingegeben. Somit wurde für jeden Abstand ein Energiespektrum gemessen. Diese Energiespektren sind in Abb. 3.17-(a) aufgezeichnet. Die Energieauflösung ist nicht hinreichend, um die beiden γ-Linien vom 60 Co-Präparat aufzulösen. Doch sieht man eine gemeinsame Struktur, deren Lage eine deutliche Abhängigkeit vom Abstand der Quelle zum Photomultiplier aufweist. Die Spektren lassen sich im Peakbereich mit einer Funktion gut anpassen, die aus der Summe einer Gaußkurve und eines Polynoms zweiten Grads besteht. Der Mittelwert der Gaußkurve kann allerdings nicht unmittelbar als Peak-Position verwendet werden, denn er zeigt eine deutliche Korrelation mit der unteren Grenze des Fitbereichs. Das liegt daran, dass die gewählte Fitfunktion nur phänomenologisch und nicht physikalisch begründbar ist. Deswegen wurde zur Bestimmung der Peak-Lage folgende Prozedur angewendet: Durch einen vorläufigen Fit wurde eine grobe Abschätzung von Mittelwert µ0 und Standardabweichung σ0 der Gaußkurve ermittelt. Die untere Grenze des Fit- 58 KAPITEL 3. A4-EXPERIMENT counts / 103 20 15 ℓ = 5.5 cm 10 5 ℓ = 37.5 cm 0 0 100 200 300 400 500 600 ADC channel 700 800 900 Abbildung 3.17: Mit dem Szintillator aufgenommene 60 Co-Energiespektren. Die Abhängigkeit der Peak-Position vom Abstand ℓ des Präparats zum Photomultiplier ist deutlich zu erkennen. Tabelle 3.4: Daten zur Messung der Abschwächeffekte. Der Abstand der Quelle zum Photomultiplier ist ℓ, und ℓ̄ ist der angenäherte mittlere Abstand der Ausstrahllage unter Berücksichtigung der Raumwinkel-Akzeptanz. Die angenommene Unsicherheit dieses Wertes ist ±5 mm. Die Werte der Peak-Position und ihre Fehler wurden durch die im Text beschriebene Fit-Prozedur bestimmt. ℓ [cm] ℓ̄ [cm] Peak-Pos. [ADC] 5.50 7.50 12.50 17.50 22.50 27.50 32.50 37.50 5.68 7.64 12.56 17.52 22.48 27.44 32.36 37.22 439.5 ± 0.9 435.1 ± 0.9 425.0 ± 0.8 412.9 ± 1.1 406.2 ± 1.4 396.7 ± 0.6 388.7 ± 1.1 384.2 ± 0.9 peak pos. [ADC channel] 3.4. SZINTILLATIONSZÄHLER-ELEKTRONENTAGGER 59 440 χ2 /ndf = 14.1/6 430 χ2 /ndf = 2.7/5 420 410 400 390 380 5 10 15 20 ℓ̄ [cm] 25 30 35 Abbildung 3.18: Anpassung der Abschwächfunktion des Szintillators. Die gestrichelte Kurve ist ein exponentieller Fit: A exp(−ℓ̄/λeff ). Die durchgezogene Kurve eine Fitfunktion der Form (3.4). bereichs wurde in Schritten von σ0 /10 von µ0 − 2σ0 bis µ0 − σ0 variiert, und für jeden Grenzwert wurde ein Fit durchgeführt. Mittelwert und Standardabweichung der Ergebnisse für den Parameter µ0 der Gaußkurve wurden als Peak-Position bzw. deren Fehler verwendet. Die so erhaltenen Werte sind in der Tabelle 3.4 angegeben. Die Abhängigkeit der Peak-Position von ℓ folgt aus einer effektiven Abschwächung im vorliegenden Detektor und kann in der Simulation benutzt werde. Aufgrund der Reflexion an den Szintillatorwänden entspricht sie jedoch nicht der charakteristischen Abschwächung im gegebenen Material, denn die Länge des Detektors (∼40 cm) ist deutlich kleiner als die für dieses Material typische Abschwächlänge (∼160 cm). Man erwartet also, eine längere effektive Abschwächlänge λeff zu messen, weil mit größerem Abstand zum Photomultiplier der Abstand zur hinteren Wand kleiner ist und daher die Reflexionskomponente des Lichtes stärker. Tatsächlich ergibt ein einfacher exponentieller Fit der Form A exp(−ℓ̄/λeff ) die Abschwächlänge λeff = 227 cm, und diese Anpassung ist nicht optimal, wie in Abb. 3.18 (gestrichelte Linie) gezeigt wird. Eine viel bessere Beschreibung erhält man mit dem Ansatz (durchgezogene Linie): A exp[−ℓ̄/λeff ] + B exp[−(2L − ℓ̄)/λeff ] , (3.4) wobei L die Länge des Szintillators ist, während A und B angepasst werden. Der zweite Term dieser Fitfunktion soll die reflektierte Lichtkomponente näherungsweise berücksichtigen. Hierbei nimmt λeff den Wert von 100 cm an, der aus zwei 60 KAPITEL 3. A4-EXPERIMENT Gründen kürzer als der nominelle Wert für die Abschwächlänge des Materials ist. Erstens berücksichtigt das Modell (3.4) nur die kürzesten Wege sowohl für die direkte als auch für die reflektierte Lichtkomponente. Durchschnittlich ist aber der zurückgelegte Weg länger, denn das Licht wird in alle Richtungen ausgestrahlt. Grob wird die Mittelung über alle mögliche Wege der “direkten” und der “reflektierten” Lichtkomponente durch die Konstanten A und B unabhängig voneinander parametrisiert. Das ist allerdings angesichts Abb. 3.18 hinreichend, um die Datenpunkte gut anzupassen. Zweitens wurde die Messung durchgeführt, nachdem der Detektor schon über 1000 Stunden im Experiment eingesetzt worden war, und somit muss das Material in gewissem Maße aufgrund der aufgenommenen Strahlungsdosis undurchsichtiger geworden sein. Dieser Effekt ist sichtbar, kann aber nur einen Teil der Differenz zwischen der nominellen und der nach dem Fit (3.4) gemessenen effektiven Absorptionslänge erklären. Das wird in Kap. 6 anhand einer Analyse deutlicher gemacht, bei der auch Simulationsergebnisse mitberücksichtigt werden. Wenn man die eine oder die andere Kurve in Abb. 3.18 verwendet, beträgt die Abweichung in der simulierten Abschwächung maximal etwa 3%, was für die Simulation der Koinzidenzbedingung völlig unbedeutsam ist, und zwar wird dieses Maximum erreicht, wenn die Ausstrahllage in der Nähe der Szintillatorränder liegt. Das betrifft dann nur die Nachweiseffizienz der in der Datenanalyse nicht miteinbezogenen Randringe des Kalorimeters. Kapitel 4 Extraktion der Asymmetrie In diesem Kapitel wird die Datenanalyse des A4-Experiments beschrieben. Insbesondere wird die Frage der Untergrundbeiträge angegangen. Zuerst folgt eine allgemeine Darstellung des “Standard”-Analyseverfahrens, das schon bei den A4-Vorwärtsmessungen entwickelt wurde und sich zu den Rückwärtsdaten unverändert übertragen lässt. Zweitens wird die Notwendigkeit eines systematischen Studiums der Untergrundbeiträge für die Rückwärtsmessungen anhand einer semiquantitativer Vorstudie geschildert und die verwendete Untergrundbehandlung beschrieben. Anschließend werden die Methoden zur Untersuchung des Untergrunds vorgestellt, die der Hauptbestandteil dieser Arbeit ist. 4.1 Allgemeine Beschreibung Zweck der Datenanalyse ist die Extraktion der im Kapitel 2 vorgestellten paritätsverletzenden Asymmetrie APV . Diese hängt mit der gemessenen Asymmetrie AMess in den Zählraten der mit entgegengerichteter Polarisation elastisch gestreuten Elektronen folgendermaßen zusammen: X AMess = P APV + ai ∆Xi . (4.1) i Hier ist P der Polarisationsgrad des Elektronenstrahls, und die ∆Xi -Terme in der Summe stellen zu korrigierenden apparativen Asymmetrien dar (siehe Par. 4.1.2). Bei gegebener Messzeit T ist die gemessene Zählrate der elastischen Ereignisse proportional zur Anzahl der nachgewiesenen Ereignisse N ± , wobei ± die Polarisationsrichtung darstellt. Diese Anzahl von Ereignissen ist wiederum proportional zum elastischen Wirkungsquerschnitt σ ± N ± = T L± σ ± , (4.2) und die Luminosität L± setzt sich als Produkt der Targetdichte ρ± mit dem Strahlelektronenfluss I ± und der Targetlänge zusammen. Mittels der im Kapitel 3 beschriebenen Luminositätsmonitore und der PIMO-Strahlstrommonitore kann die 61 62 KAPITEL 4. EXTRAKTION DER ASYMMETRIE über einen Messlauf1 gemittelte Targetdichte bestimmt, und eine dazu normierte Ereigniszahl N± Ñ ± = ± ρ definiert werden. Somit kann man für die gemessene Zählratenasymmetrie schreiben: Ñ + − Ñ − . (4.3) AMess = Ñ + + Ñ − Die in der Definition von Ñ ± nicht enthaltene Strahlstromasymmetrie wird bei (4.1) zusammen mit den apparativen ∆Xi -Beiträgen berücksichtigt. Für die Bestimmung von AMess und die Extraktion von APV müssen in der Datenanalyse zwei Hauptaufgaben bewältigt werden. • Die elastischen Ereignisse für beide Polarisationsrichtungen müssen anhand der gemessenen Energiespektren erkannt und gezählt werden. • Die Beiträge von apparativen Asymmetrien zur erhaltenen Rohasymmetrie müssen bestimmt und subtrahiert werden. Anschließend muss die so bestimmte Asymmetrie noch durch die Strahlpolarisation geteilt werden, um die gesuchte physikalische Asymmetrie zu ermitteln. Dieses Verfahren muss für alle Messläufe im Datensatz wiederholt werden. Histogrammiert man die so gemessenen Werte von APV , erhält man eine gaußförmige Verteilung, deren Mittelwert das endgültige Messresultat ist. Im folgenden wird kurz vorgestellt, wie die beiden erwähnten Aufgaben in der Datenanalyse bearbeitet werden. 4.1.1 Zählratenbestimmung Ein Beispiel für ein bei Vorwärtswinkeln mit einer Strahlenergie von 855 MeV gemessenes Energiespektrum ist in Abb. 4.1 dargestellt. Deutlich zu erkennen ist der Peak der elastischen Ereignisse, der bei dieser kinematischen Konfiguration nahezu untergrundfrei gemessen wird. Bei festem Streuwinkel ist die Energie der elastisch gestreuten Elektronen aufgrund des Energie-Impulserhaltungssatzes festgelegt (Anhang B.1) und der dazugehörige Peak kann für die Energieeichung des Spektrum verwendet werden. Um die Anzahl der Ereignisse N ± zu ermitteln, muss der elastische Peak von jedem Kalorimetermodul und für beide Polarisationsrichtungen identifiziert und integriert werden. Das Analyseverfahren, das zu diesem Zweck angewandt wird, ist in [63] detailliert beschrieben und wird hier nur kurz zusammengefasst. Um die Lage des Peaks zu bestimmen, wird den Spektren eine asymmetrische Gauß-Funktion angepasst. Durch die unterschiedlichen Breiten dieser Kurve wird 1 Die gewählte Dauer eines Messlaufs im A4-Experiment ist 5 min, d.h. 150 s je Polarisationsrichtung. 4.1. ALLGEMEINE BESCHREIBUNG 63 )-P ea k 32 ∆ (1 2 counts / 103 300 200 π0 -S c un hw te ell el re S e as ch tis n ch itt er gre ob Pe nz er ak e eS ch ni ttg re nz e 400 100 0 0 25 50 200 75 100 400 125 150 ADC-Kanal 600 E [MeV] 175 200 800 225 250 1000 Abbildung 4.1: Energiespektrum bei 855 MeV, Vorwärtswinkeln. Der Peak bei etwa 730 MeV entspricht den elastischen Ereignissen. Bei gegebenem Streuwinkel ist die Energie der nachgewiesenen Elektronen festgelegt und die Lage des Peaks kann zusammen mit dem ADC-Offset für die Energieeichung des Spektrums verwendet werden. Die Struktur bei etwa 450 MeV entspricht der Anregung der ∆(1232)-Resonanz, und die Ereignisse bei niedrigeren Energien sind hauptsächlich von γ-Quanten aus dem π 0 -Zerfall verursacht. der links vom Peak sichtbare Effekt des Strahlungsschwanz berücksichtigt. Aus der gefitteten Breite der rechten Peakseite wird zusätzlich auch die Energieauflösung des betrachteten Detektormoduls gemessen. Wenn die Peakposition und die Energieauflösung festliegen, können die Integrationsgrenzen für die Berechnung von N ± entschieden werden. Dafür werden folgende Kriterien verfolgt: Untere Integrationsgrenze: Wie schon erwähnt, entspricht die Lagebestimmung des Peaks elastischer Ereignisse einer Energieeichung des Spektrums. Anhand der so festgelegten Energieskala kann die Lage der Schwelle für inelastische Ereignisse Eπ′ 0 , d.h. für die Produktion eines ungeladenen Pions, ermittelt werden. Dabei haben die gestreuten Elektronen eine niedrigere Energie als die elastisch gestreuten, denn ein Teil der Energie muss für die Erzeugung eines Pions an das Targetnukleon übertragen werden (Anhang B.1). Darüber hinaus kann aus der mit dem Fit gemes- 64 KAPITEL 4. EXTRAKTION DER ASYMMETRIE ′ ′ senen Energieauflösung σ(Eelas ) bei der Peakenergie Eelas die Energieauflösung ′ σ(Eπ0 ) bei der Schwellenenergie bestimmt werden. Um sicherzustellen, dass inelastische Ereignisse nur sehr geringfügig zur gemessenen Ereignisanzahl beitragen, wird die untere Integrationsgrenze bei der Energie Eπ′ 0 + 1.6 · σ(Eπ′ 0 ) gelegt. Obere Integrationsgrenze: Die obere Grenze des Integrationsbereichs ist durchaus unkritisch, denn sie dient nur dazu, von der im Kapitel 3.2.4 vorgestellten elektronischen Logik unerkannte Pileup-Ereignisse, die allerdings sehr wenig beitragen [86], von der Ereignisanzahl N ± auszuschließen. Bei solchen Ereignissen überlagern sich die elektromagnetischen Schauer von zwei gestreuten Teilchen und ergeben Signale, die bis zu zweimal das Signal eines elastischen Ereignisses betragen. Daher liegen im Energiespektrum die Einträge dieser Ereignisse zum Großteil rechts vom elastischen Peak. Die obere Grenze wird anhand einer Formanalyse des Spektrums festgelegt. Bei der Energie, an der die Pileup-Ereignisse über die elastischen zu dominieren anfangen, weist das Spektrum eine relativ abrupte Steigungsänderung auf, die sich als eine Nullstelle oberhalb der Peaklage in der zweiten Ableitung des logarithmierten Spektrums erweist. Bei dieser Nullstelle wird die obere Integrationsgrenze gesetzt [63]. 4.1.2 Korrektur apparativer Asymmetrien Aufgrund des sehr kleinen Werts der zu messenden Asymmetrie ist der Messwert auf Schwankungen der Strahlparameter sehr empfindlich. Im Kapitel 3 wurde schon die Unterscheidung zwischen nicht helizitätskorrelierten und helizitätskorrelierten Schwankungen vorgestellt. Wie dort bereits erwähnt, verursachen erstere lediglich eine breitere Verteilung der gemessenen Asymmetriewerte, ohne den Mittelwert dieser Verteilung zu beeinflussen, zweitere hingegen führen zu einer Verschiebung des Mittelwerts. Diese Verschiebung ist in der Gl. (4.1) durch die Summe der ∆Xi Terme dargestellt. Hierbei ist Xi einer der in der Tabelle 4.1 aufgelisteten Strahlparameter, bzw. entspricht sein Messwert einer Abweichung vom jeweiligen Sollwert. Dank der eingesetzten Strahlregelungssysteme ist diese Abweichung dermaßen klein, dass für die mit ihnen verbundene Änderung der Detektorzählrate R± der lineare Ansatz gilt X ∂R ∂r ± R = R(0) ± r(0) + (0) ± (0) Xi , (4.4) ∂Xi ∂Xi i wobei R(Xi ) ≡ (R+ (Xi ) + R− (Xi ))/2 und r(Xi ) ≡ (R+ (Xi ) − R− (Xi ))/2. Für den polarisationsabhängigen Anteil kann auch der lineare Term in den Xi vernachlässigt werden, denn wegen des anzunehmenden stetigen Verhaltens der Funktionen R(Xi ) und r(Xi ) wird erwartet ∂r ∂R (0) Xi ≪ (0) Xi < r(0) ≪ R(0) . ∂Xi ∂Xi (4.5) 4.1. ALLGEMEINE BESCHREIBUNG 65 Tabelle 4.1: I. Differenzen ∆Xi zwischen den Mittelwerten der Strahlparameter bei verschiedenen Polarisationsrichtungen. Für den Strahlstrom ist die Stromasymmetrie angegeben. II. Durch den multilinearen Fit ermittelte apparative Asymmetrien. I. Differenzen Strahlparameter horiz. vert. horiz. vert. Lage [µm] Einfallswinkel [nrad] Energie [eV] Strom (Asymmetrie) [ppm] 854 MeV −0.03±0.01 +0.05±0.01 −3.57±0.68 +8.99±0.46 −8.13±0.37 −0.15±0.15 570 MeV −0.26±0.02 +0.13±0.01 −29.46±1.67 +12.47±1.05 +3.58±0.29 −1.08±0.16 315 MeV (−86.97±0.08)·10−3 (−23.84±0.02)·10−3 −8.53±0.08 −2.40±0.02 −0.41±0.02 −0.30±0.03 II. Apparative Asymmetrien [ppm] Strahlparameter Lage Einfallswinkel horiz. vert. horiz. vert. Energie Strom Gesamtkorrektur 854 MeV −0.05 +0.18 −0.01 +0.04 +0.02 −0.15 570 MeV −0.26 +0.42 −0.05 +0.04 +0.01 −1.08 315 MeV +0.61 −0.86 −0.09 +0.10 +0.16 −0.25 +0.14±0.39 Die zweite Ungleichheit entspricht der experimentellen Bedingung einer hinreichend guten Strahlqualität, während die dritte (und die erste) wegen der kleinen Größenordnung der paritätsverletztenden Asymmetrie gilt. Im folgenden werden die Terme der Art ∂r/∂Xi vernachlässigt, und infolgedessen gilt durch zeitliche Integration für die Ereigniszahl X N ± = N(0) ± n(0) + νi hXi i± , (4.6) i wobei N und n das Integral von R bzw. r darstellen und hXi i± den Mittelwert von Xi während der Messzeit mit ±-Polarisationsrichtung bezeichnet. Aus (4.5) folgt νi hXi i± ≪ N(0), und die Terme in der Summe in (4.6) können N(0) gegenüber ignoriert werden. Mit der Notation ∆Xi = hXi i+ − hXi i− (4.7) erhält man für die Asymmetrie N+ − N− n(0) X νi = + ∆Xi , N+ + N− N(0) 2N(0) i | {z } ≡ ai (4.8) 66 KAPITEL 4. EXTRAKTION DER ASYMMETRIE was in der Form (4.1) geschrieben ist. Die Differenzen zwischen den Mittelwerten der Strahlparameter bei beiden Polarisationsrichtungen werden mit Strahlmonitoren gemessen. Der lineare Ansatz (4.4) und die darauf folgenden Näherungen erlauben die Bestimmung der ai -Koeffizienten durch eine multilineare Regression [63]. 4.2 Untergrund Neben der elastischen Elektron-Proton-Streuung tragen auch andere Streuprozesse zu den vom Kalorimeter registrierten Ereignissen bei. Solche Ereignisse bilden einen Untergrund, der die Asymmetriemessung verfälschen kann, denn allgemein haben die Untergrundprozesse eine unterschiedliche Helizitätsasymmetrie. Das im letzten Abschnitt beschriebene Verfahren zur Bestimmung der Anzahl von Ereignissen erlaubt nur die energetische Trennung der elastischen Streuereignisse von den Untergrundereignissen. D.h., die nachgewiesenen Teilchen (Elektronen oder Photonen) aus Untergrundprozessen müssen eine Energie besitzen, die sich mit der von der kalorimetrischen Energiemessung gestattenen Energieauflösung von der Energie der elastisch gestreuten Elektronen unterscheiden lässt. Ist das nicht der Fall, so tragen die Untergrundereignisse zu den zwischen den Schnittgrenzen liegenden Einträgen im Energiespektrum bei. Hierzu muss man beachten, dass sowohl gestreute Elektronen als auch bei Streuprozessen ausgestrahlte γ-Quanten Beiträge geben können, denn das Kalorimeter erzeugt dasselbe Signal beim Einfall von Teilchen der beiden Sorten mit der gleichen Energie (s. Kapitel 6). 4.2.1 Untergrundquellen Mögliche Untergrundprozesse, die Elektronen oder hochenergetische γ-Quanten in die Detektor-Winkelakzeptanz hineinstreuen können, sind: • Inelastische Streuung am Proton. Bei den vorkommenden Energien erfolgt die inelastische Streuung durch die Elektroproduktion von einem oder mehreren Pionen. Da ein Teil der Strahlenergie für die Mesonenerzeugung an das Target übertragen werden muss, hat das gestreute Elektron eine niedrigere Energie als bei der elastischen Streuung. Die Energiedifferenz ist in der Regel größer als die Energieauflösung, und es bestehen keine relevanten Beiträge zum elastischen Peak. • Streuung an Aluminiumkernen in den Targetwänden. Wesentlich dabei ist die quasielastische Streuung an den Kernnukleonen sowie die inkohärente Pion-Elektroproduktion. Die quasielastische Streuung ergibt einen aufgrund des Fermimpulses der Nukleonen verbreiterten Peak im Energiespektrum. Dieser Peak liegt im selben Energiebereich wie der Peak der elastischen Streuung am Proton und kann nicht durch die Energiemessung unterschieden wer- 4.2. UNTERGRUND den. Die Beiträge sind wegen der kleinen Wandstärken gering, aber gleichwohl betrachtungsbedürftig. Dazu hat man einen Beitrag von kohärenten Prozessen wie die elastische Streuung am Kern, die aber bei den betrachteten Strahlenergien unbedeutsam sind. • Zerfall ungeladener Pionen. Die an Wasserstoff- sowie an Aluminiumkernen erzeugten π 0 -Teilchen zerfallen zu fast 99% in zwei γ-Quanten. Diese haben im Ruhesystem des Pions jeweils eine Energie von mπ0 /2 ≃ 70 MeV, aber im Laborsystem besitzen sie aufgrund des endlichen π 0 -Impulses Energien, die je nach kinematischer Konfiguration fast bis zur Energie der elastisch gestreuten Elektronen betragen können. Es wird im folgenden gezeigt, dass dieser Prozess bei Vorwärtswinkelmessungen keine große Rolle spielt, während er bei Rückwärtsmessungen sehr wichtig ist. • Andere Prozesse sind entweder aus kinematischen Gründen immer energetisch getrennt vom elastischen Peak, wie im Falle der Møller-Streuung an den atomaren Elektronen im Target, oder soviel unwahrscheinlicher als die elastische Streuung am Proton, dass ihre Beiträge unbedenklich sind, wie etwa bei Großwinkel-Bremsstrahlung. Die Wichtigkeit dieser Prozesse bei den verschiedenen Messkonfigurationen des A4-Experiments hängt von den kinematischen Bedingungen sowie vom Verlauf der Wirkungsquerschnitte ab. Vorwärtswinkel. Bei Vorwärtswinkeln kann man anhand von Rechnungen und Simulationen zeigen, dass die Untergrundbeiträge hauptsächlich von der Streuung am Aluminium kommen. Für die Strahlenergien von 570 MeV und 854 MeV sind die Beiträge vom π 0 -Zerfall klein und die von der inelastischen Streuung am Proton vernachlässigbar. Bei der zur Zeit laufenden Messung mit 1.5 GeV sind die Beiträge dieser beiden Prozesse im Bereich der elastischen Linie höher, und ihre Berücksichtigung bei der Datenanalyse ist erforderlich. Immerhin ist die Methode der Abschätzung eines Verdünnungsfaktors möglich (wie es für die A4-Messungen bei Vorwärtswinkeln gemacht wurde, s. [45, 87, 88]). Rückwärtswinkel. Der Zerfall ungeladener Pionen in γ-Quanten bei Rückwärtswinkeln ist sowohl mit der Strahlenergie von 315 MeV als auch für die Messung mit transversalem Spin bei 420 MeV viel wichtiger als bei Vorwärtswinkeln. Hier liegen die Beiträge vom π 0 -Zerfall in derselben Größenordnung wie die der elastischen Streuung. Deswegen war eine neue Behandlung des Untergrundes sowohl seitens des Detektorsystems als auch der Datenanalyse erforderlich. Im nächsten Abschnitt wird eine detailliertere Studie dieser Untergrundquelle präsentiert. Für die anderen Untergrundprozesse ist die Situation jedoch besser. Beiträge von am Proton inelastisch gestreuten Elektronen sind aufgrund der bei kleineren 67 68 KAPITEL 4. EXTRAKTION DER ASYMMETRIE Energien besseren absoluten Energieauflösung durch die kalorimetrische Messung einfacher zu separieren. Außerdem liegt für die Messung mit der Strahlenergie von 315 MeV die Elektronenergie, die der π 0 -Produktionsschwelle entspricht, knapp oberhalb der Energieakzeptanz des Detektors, und somit tragen die inelastischen Elektron-Streuereignisse zum Spektrum nur geringfügig bei. Im Vergleich zu den Vorwärtsmessungen trägt die Streuung an den Aluminiumkernen in den Targetwänden zum Signal-Untergrund-Verhältnis im elastischen Peakbereich auch weniger bei. Das liegt an der bei dem Rückwärtsaufbau im Einsatz gebrachten längeren Targetzelle, mit der 234 mm Flüssigwasserstoff gegenüber insgesamt 0.15 mm Aluminium auf der Strahlachse liegen. Mit der bei Vorwärtsmessungen eingesetzten Targetzelle sind es 100 mm Wasserstoff und 0.30 mm Aluminium. 4.2.2 Untergrund aus dem Zerfall ungeladener Pionen Um die Notwendigkeit einer ausführlichen Studie der γ-Untergrundbeiträge für die Messung bei Rückwärtswinkeln zu schildern, wird hier eine kurze Einführung in die zu erwartenden Energiespektren gegeben. Dafür werden lediglich die relevanten kinematischen Aspekte diskutiert, die Verläufe der differentiellen Wirkungsquerschnitte gezeichnet und eine grobe Berücksichtigung der Energieverluste von gestreuten Elektronen vorgestellt, weil dieser Effekt sehr stark das Signal-Untergrund-Verhältnis bei Rückwärtswinkeln beeinflusst. Auf alle anderen hier nicht betrachteten Details über Detektorgeometrie und -antwort wird in den folgenden Kapiteln über die Simulation des Energiespektrum eingegangen. Zum Vergleich zwischen Vor- und Rückwärtsstreuung werden die Wirkungsquerschnitte mit der Strahlenergie 854 MeV und dem Streuwinkel 35◦ bzw. 315 MeV und 145◦ betrachtet. Bei diesen kinematischen Konfigurationen hat man denselben |q 2 |-Wert von etwa 0.22 (GeV/c)2 , und sie wurden im Experiment für die Separation der Strangeness-Formfaktoren bei diesem q 2 ausgewählt. Kinematik. Erst wird gezeigt, wie beim Pionzerfall erzeugte Photonen Energien im Bereich der elastisch gestreuten Elektronen haben können. Die Photonenergie im Laborsystem hängt vom Impuls des zerfallenden Pions und dem Winkel θπγ zwischen diesem und dem Photonimpuls ab. Der erlaubte Bereich dieses Winkels ist immer von 0◦ bis 180◦ , weil sich das Photon mit Lichtgeschwindigkeit bewegt. Die maximale Photonenergie ergibt sich mit θπγ = 0 und kann bei gegebener Pionenergie durch Gl. (B.14) berechnet werden. D.h., um die größtmögliche Photonenergie unter einem bestimmten Ausstrahlwinkel zu ermitteln, muss der maximale Pionimpuls unter demselben Produktionswinkel gefunden werden. Diese kinematische Rechnung wird im Anhang B.1 erläutert. Die größte Photonenergie als Funktion des Ausstrahlwinkels im Laborsystem 4.2. UNTERGRUND 69 1000 Energie [MeV] 800 854 MeV, vorwärts 600 400 200 315 MeV, rückwärts 0 0 20 40 60 80 100 120 Winkel [◦ ] 140 160 180 Abbildung 4.2: Die schwarzen Kurven zeigen die maximale Energie der im Pionzerfall ausgestrahlten Photonen als Funktion des Ausstrahlwinkels im Laborsystem für die Strahlenergien 854 MeV (oben) und 315 MeV (unten). Die roten Bänder deuten für dieselben Strahlenergien die erwarteten Energiebereiche des elastischen Peakspbei einer angenommenen relativen Energieauflösung von σE /E = 4%/ E/GeV. Innen- und Außenband beziehen sich auf ein σE bzw. zwei σE ums Maximum. Die senkrechten Linien zeigen die Winkelakzeptanz für beide Detektorkonfigurationen (Vor- und Rückwärtswinkel). ist für beide betrachteten Strahlenergien in Abb. 4.2 zusammen mit den erwarteten Energiebereichen der elastisch gestreuten Elektronen gezeigt. Wie man erkennt, liegen die oberen Energiegrenzen des Zerfallspektrums in der Nähe des Peaks und sind mit dem vorliegenden Energieauflösungsvermögen von den elastischen Ereignissen nicht trennbar. Zählraten-Abschätzung – Elektroproduktion. Da rein kinematisch die Separation der elastischen Streuereignisse von den π 0 -Zerfällen allein durch die Energiemessung mit dem A4-Kalorimeter unmöglich ist, wird eine Abschätzung der erwarteten Zählraten für beide Ereignissorten benötigt, um das Signal-UntergrundVerhältnis bzw. die Kontamination der gemessenen Anzahl elastischer Ereignisse durch Pionzerfälle zu quantifizieren. Dafür muss das Zerfallspektrum unter einem beliebigen Streuwinkel in Form eines effektiven differentiellen Wirkungsquerschnitts für γ-Erzeugung der Art d3 σγ (E, ω1 , θ1 ) dΩ1 dω1 70 KAPITEL 4. EXTRAKTION DER ASYMMETRIE berechnet werden. Hierbei gelten für die kinematischen Variablen die Definitionen vom Anhang B.1. Zur Berechnung von dσγ wird folgendes benötigt: 1. Der differentielle Wirkungsquerschnitt für π 0 -Elektroproduktion d3 σπ (E, ωπ , θπ ) dΩπ dωπ muss berechnet werden. In dieser Arbeit (Kapitel 5) wird das an die Weltdaten angepasste phänomenologische Modell MAID [89] verwendet. Die Integration über den gesamten Raumwinkelbereich des Elektrons wird numerisch durchgeführt. 2. Die Winkelverteilung der Zerfallphotonen bei gegebenem Pionimpuls d2 ρ (θπγ ) dΩπγ ist im Anhang B.1.3 zusammen mit der Beziehung (B.13) zwischen Photonenergie und Ausstrahlwinkel ausgearbeitet. 3. Beide Einzelteile müssen mit folgendem Integral zusammengefaltet werden: Z dωπ dΩπ d2 ρ d3 σπ δ(ω1 − ω1 (ωπ , θπγ )) . dΩπ dωπ dΩπγ (4.9) Zählraten-Abschätzung – Photoproduktion. Eine wichtige Komponente des γ-Untergrunds aus dem π 0 -Zerfall kommt durch bremsstrahlungsinduzierte Photoproduktion zustande. Dabei strahlt ein Strahlelektron im Target durch Bremsstrahlung ein γ-Quant ab, das inkohärent von einem weiteren Targetproton absorbiert wird und ein Pion erzeugt. In anderen Worten wirkt das Targetmaterial sowohl als Radiator für die Erzeugung eines reellen γ-Strahls als auch als Target für π 0 -Photoproduktion. Insgesamt ähnelt die Dynamik dieses Doppelprozesses der der Elektroproduktion, und daher ist die Form des daraus resultierenden Energiespektrums in beiden Fällen ähnlich. Die absolute Stärke des PhotoproduktionsSpektrums, oder der totale effektive Wirkungsquerschnitt für den Doppelprozess, hängt aber sehr stark von der Dicke des Targets ab. In der Referenz [90] von Tsai findet sich die Aussage, dass der Beitrag zur Pionproduktion von direkter Elektroproduktion näherungsweise gleich dem Beitrag von einer reellen Bremsstrahlung ist, wenn die Dicke des erzeugenden Radiators ungefähr 1/50 Strahlungslängen beträgt. Die Länge von 234 mm des A4-Targets entspricht 2.7% der Strahlungslänge von Flüssigwasserstoff. Zur Berechnung der γ-Ausbeute wird gebraucht: 4.2. UNTERGRUND 71 1. Der differentielle Wirkungsquerschnitt für Photoproduktion d2 σπphoto (kγ , θπ ) dΩπ kann ebenfalls im Rahmen des MAID-Modells berechnet werden. Er ist nur zweifach differentiell, weil es sich bei der Photoproduktion um ein Zweikörperendzustand handelt. kγ ist die Energie des Bremsstrahlungsphoton und dazu besteht eine feste Beziehung ωπ (kγ , θπ ) zwischen Polarwinkel des Pionimpulses und Pionenergie. 2. Die Winkelverteilung der Zerfallphotonen bei gegebenem Pionimpuls ist dieselbe wie in der Elektroproduktion. 3. Der Photonenfluss Iγ (E, t, kγ ) gibt die Anzahl der Bremsstrahlungsphotonen pro Strahlelektron bei einer Targettiefe von t Strahlungslängen im Energiebereich zwischen kγ und kγ + dkγ an [90, 91, 92]: Iγ (E, t, kγ ) = 1 (1 − kγ /E)4/3 − exp[−(7/9)t] kγ 7/9 + (4/3) log(1 − kγ /E) (4.10) 4. Im Faltungsintegral gibt es wegen der Beziehung zwischen θπ und ωπ eine Integration weniger, dafür muss über die Anfangsenergie kγ integriert werden: Z dkγ dΩπ Iγ (E, t, kγ ) d2 σπphoto d2 ρ δ(ω1 − ω1 (θπγ )) . dΩπ dΩπγ (4.11) Der letzte Ausdruck hängt von der Ausstrahllage t ab, da der Photonenfluss mit der Targettiefe steigt. Für die Zählratenabschätzung wird hier diese Abhängigkeit nicht beachtet und als feste Erzeugungsposition die Mitte des Targets angenommen. Doch in der vollen Simulation wird der Effekt berücksichtigt. Energieverluste von Elektronen. Um den Detektor zu erreichen, müssen gestreute Elektronen und ausgestrahlte Photonen einige Materialschichten durchqueren, und dabei können ihre Impulse verändert werden, was zu einer Modifikation der gemessenen Spektrumsform führt. Die wichtigsten Materialschichten sind die Aluminiumwand der Vakuumkammer (5 mm Stärke) und die Aluminiumrahmen des Kalorimeters (10 mm). Die Summe dieser Materialdicken muss durch sin θ geteilt werden, um die effektive Weglänge im Aluminium zu ermitteln. Für θ = 35◦ oder 145◦ erhält man eine effektive Länge von etwa 26 mm (oder 0.29 AluminiumStrahlungslängen). Wegen der möglichen Wechselwirkungen der Photonen mit der Materie kann ein γ-Quant entweder absorbiert werden (durch Photoeffekt oder Paarbildung) oder 72 KAPITEL 4. EXTRAKTION DER ASYMMETRIE seinen Impuls stark verändern (durch Compton-Streuung) oder ungestört zum Detektor gelangen. Bei der betrachteten Materialdicke ist der letzte Fall der wahrscheinlichste. Die Elektronen hingegen verlieren immer durch Ionisation und Mehrfachstreuung eine gewisse Energie. Das führt zu einer relativen Verschiebung des gemessenen Elektron- zum γ-Energiespektrum. Um diesen Effekt zu quantifizieren, kann man den mittleren Energieverlust von Elektronen wegen Kollisionen nach der Formel von Seltzer und Berger [80] berechnen τ 2 (τ + 2) K Z dE log =− 2 (4.12) dx 2β A 2 1 + τ 2 /8 − (2τ + 1) log 2 I + − 2 log − δ(β) , γ2 m wobei K = 0.307 MeV g−1 cm2 , Z und A Atomzahl und Massenzahl des Mediums sind, β und γ die relativistischen Faktoren des Elektrons und τ = γ − 1. I ist die mittlere atomare Anregungsenergie (I = 166 eV für Aluminium [93]) und δ(β) die sogenannte Dichteeffekt-Korrektur, die mit den Formeln in [93, 94] berechnet werden kann. Bei den betrachteten Energien sind die radiativen Energieverluste von Elektronen auch sehr wichtig und durchschnittlich größer als die Kollisionsverluste. Die entstehenden γ-Quanten werden aber meistens unter sehr kleinen Winkeln zum Elektronimpuls ausgestrahlt, und daher sammelt sich zum Großteil ihre Energie im Kalorimeter, und trägt zur Signalstärke bei. Somit ist der zu erwartende mittlere Energieverlust wegen radiativer Prozesse kleiner als der, der aus Gl. (4.12) resultiert. Trotzdem werden aufgrund dieser Strahlungsprozesse vor dem Kalorimeter im Energiespektrum sichtbare Effekte erwartet, die mit der Verbreiterung des elektromagnetischen Schauers verbunden sind: Neben dem Beitrag zum mittleren Energieverlust muss auch ein Einfluss auf die effektive Energieauflösung folgen. Diese Effekte lassen sich nur anhand von detaillierten Simulationen berücksichtigen und quantifizieren. Für die vorläufige Betrachtung in diesem Kapitel werden sie nicht betrachtet. Die Resultate dieser vorläufigen Studie sind in Abb. 4.3 dargestellt. Die roten Kurven zeigen den Verlauf des effektiven differentiellen Wirkungsquerschnitts für γ-Ausstrahlung. Die gestrichelten Linien enthalten nur den Beitrag von direkter Elektroproduktion, während die durchgezogenen Linien sich aus der Summe von Elektro- und Photoproduktionsanteil ergeben. Zur Illustration ist einer Gaußkurve an der erwarteten Stelle des elastischen Peak gezeichnet (grün, gestrichelt). Ihre Fläche entspricht dem strahlungskorrigierten differentiellen Wirkungsquerschnitt der elastischen Streuungp und ihre Breite der erwarteten Energieauflösung unter der Annahme σE /E = 4%/ E/GeV. Die verschobenen blauen Gaußkurven berücksichtigen den Energieverlust der gestreuten Elektronen im Aluminium der Streukammer und des Detektorrahmens. Offensichtlich ist dieser Verschiebung bei der 4.2. UNTERGRUND 73 dσ/dΩdE ′ [nb sr−1 MeV−1 ] 4 E = 854 MeV, θ = 35◦ 3.5 3 2.5 2 1.5 1 0.5 0 0 200 400 600 ′ E [MeV] 800 1000 dσ/dΩdE ′ [nb sr−1 MeV−1 ] 1.2 E = 315 MeV, θ = 145◦ 1 0.8 0.6 0.4 0.2 0 0 50 100 150 200 ′ E [MeV] 250 300 350 Abbildung 4.3: Rote Kurven: Differentielle Wirkungsquerschnitte für γ-Erzeugung aus π 0 Zerfall durch Elektroproduktion allein (gestrichelt) und für die Summe aus Elektro- und bremsstrahlungsinduzierter Photoproduktion (durchgezogen). Die grünen und blauen Gaußkurven zeigen die Lage der elastischen Linie ohne bzw. mit Berücksichtigung der Energieverluste von Elektronen. Ihre Fläche entspricht dem Wirkungsquerschnitt für elastische Streuung und ihre Breite der erwarteten Energieauflösung (σE /E = 4% bei 1 GeV). Der Abfall der Photonenspektren bei kleinen Energien beruht auf der Kinematik der Reaktion. 74 KAPITEL 4. EXTRAKTION DER ASYMMETRIE Tabelle 4.2: Zusammenfassung zur Abschätzung des γ-Untergrundbeitrags zum elastischen Peak. Angegeben sind: die Energie der elastisch gestreuten Elektronen Eel , der mittlere Energieverlust ∆E im Aluminium der Vakuumkammerwand und des Kalorimeterrahmens, die erwartete Energieauflösung σE bei der Peakenergie (mit σE /E = 4% bei 1 GeV) und die maximale Energie der π 0 Zerfallsphotonen. Der untere Teil der Tabelle zeigt die zweifach differentiellen Wirkungsquerschnitte für: elastische Streuung unter Berücksichtigung der Strahlungskorrekturen (s. Kapitel 5), γ-Erzeugung durch π 0 -Zerfall, wobei der dreifach differentielle Wirkungsquerschnitt von Abb. 4.3 über die γ-Energie von Eel − ∆E − 2σE integriert wurde. Strahlenergie Streuwinkel Elastische Energie Energieverlust Energieauflösung Max γ-Energie d2 σelas [nb sr−1 ] dΩ d2 σγ [nb sr−1 ] dΩ 854 MeV 35◦ 315 MeV 145◦ 734.0 MeV 14.6 MeV 34.3 MeV 727.0 MeV 195.5 MeV 13.8 MeV 17.7 MeV 185.2 MeV 219.3 8.620 1.059 13.204 Messung unter Rückwärtswinkel für das Signal-Untergrund-Verhältnis relevant. Einige wichtige Größen sind in der Tabelle 4.2 zusammengefasst. In Abb. 4.4 werden unter Rückwärtswinkel mit einer Strahlenergie von 315 MeV gemessene Energiespektren gezeigt. Das Gesamtspektrum (oben) entspricht den Erwartungen der vorliegenden Zählratenabschätzungen, dass durch die kalorimetrische Messung keine Trennung der elastischen Streuereignisse möglich ist und dass das Signal-Untergrund-Verhältnis in der abgeschätzten Größenordnung liegt. Durch die Anwendung der Szintillationszähler als Tagger für gestreute geladene Teilchen, wie im Kapitel 3 beschrieben, wird das Elektronenspektrum vom Spektrum der ungeladenen Teilchen separiert. Beide Spektren sind unten in Abb. 4.4 aufgezeichnet. Hierbei wurde die Energieskala so geeicht, dass die Lage des Peaks im Elektronenspektrum der nominellen Energie elastisch gestreuter Elektronen unter dem gegebenen Streuwinkel entspricht, ohne die Energieverluste der Elektronen zu berücksichtigen. Konsequenterweise ist die Eichung für das Spektrum der ungeladenen Teilchen so, dass die Ereignisse zu größeren Energien zugeordnet werden. Ein qualitativer Vergleich mit Abb. 4.3 bestätigt die Erwartung, dass bei dieser Messung der bedeutendste Untergrundbeitrag aus dem Zerfall ungeladener Pionen stammt. Sowohl das Flächenverhältnis als auch die relative Lage der gemessenen Spektren entspricht in guter Näherung dem Verlauf der Wirkungsquerschnitte. Man beachte dabei, dass die Kurve des Wirkungsquerschnitts für γ-Abstrahlung keinen Effekt der Energieauflösung enthält und dass im gemessenen Spektrum der Abfall 4.2. UNTERGRUND 75 140 120 Gesamtspektrum counts / 103 100 80 60 40 20 0 0 50 100 150 200 ′ E [MeV] 250 300 350 300 350 120 counts / 103 100 γ-Spektrum e− -Spektrum 80 60 40 20 0 0 50 100 150 200 ′ E [MeV] 250 Abbildung 4.4: Unter Rückwärtswinkel mit einer Strahlenergie von 315 MeV gemessene Spektren. Oben: das Gesamtspektrum ohne Ereignistagging durch den Szintillationszähler. Unten: Trennung durch den Szintillatortagger der Ereignisse ungeladener Teilchen (γ-Quanten) von denen geladener Teilchen (Elektronen). Die Energieeichung der Spektren wurde durch die Zuweisung der nominellen Energie der elastisch gestreuten Elektronen (s. Tab. 4.2) zur Lage der Peak im Elektronenspektrum vorgenommen. 76 KAPITEL 4. EXTRAKTION DER ASYMMETRIE bei niedrigeren Energien durch die Akzeptanz des ADCs bestimmt wird, während er im Wirkungsquerschnitt kinematischer Natur ist. 4.2.3 Konversionsuntergrund Dank des Einsatzes des Szintillationstaggers ist die Messung der Asymmetrie in der elastischen Streuung unter Rückwärtswinkeln durchaus möglich. Wie man am Spektrum der geladenen Teilchen in Abb. 4.4 erkennt, ist das Signal-UntergrundVerhältnis im Bereich der elastischen Linie angemessen. Um dieses zu quantifizieren, müssen die restlichen Untergrundquellen untersucht werden. Die bedenklichsten Beiträge kommen von γ-Ereignissen, bei denen ein Signal im Plastikszintillator erzeugt wird und die daher im geladenen Teilchenspektrum gezählt werden. Der Hauptmechanismus dafür basiert auf den Wechselwirkungen der γ-Quanten in der Wand der Vakuumkammer, die sich zwischen Target und Szintillationszähler befindet, oder im Plastik-Szintillatormaterial selbst. Bei solchen Ereignissen werden geladene Teilchen erzeugt, die Energie im Szintillator deponieren. In diesem Sinne wird von Konversionsuntergrund gesprochen. Dazu ist die Elektron-Positron-Paarbildung am wichtigsten, aber die Beiträge von der Compton-Streuung sind auch relevant, während der Photoeffekt bei diesen Energien vernachlässigbar ist. Einen einfachen Ausdruck für den totalen Wirkungsquerschnitt für Paarbildung in der Näherung vollständiger Abschirmung (complete screening) des elektrischen Kernfeldes durch die Hüllenelektronen findet man in [40] CS σPaar = 7 A , 9 X0 NA (4.13) wobei NA die Avogadro-Zahl, A das Molargewicht und X0 die Strahlungslänge sind (26.98 g mol−1 bzw. 24.01 g cm−2 für Aluminium). Wie dort angegeben, ist diese Näherung für große γ-Energien verwendbar, und wenn das Konversionsmedium Elemente mit hohen Atomzahlen enthält. In dem betrachteten Fall von Photonen mit Energien bis 200 MeV auf Aluminium (Z=13) kann sie definitiv nicht benutzt werden, wie in Abb. 4.5 gezeigt wird. Für eine Abschätzung der Konversionswahrscheinlichkeit müssen die Effekte der unvollständiger Abschirmung des Kernfeldes berücksichtigt werden, und das wurde nach den Vorschriften von Tsai [90] vollbracht. Die dazugehörigen Formel sind allerdings zu länglich, um hier wiedergegeben zu werden. Es sei nur erwähnt, dass sie die Coulomb-Korrekturen zum Born-Term enthalten [95, 96] und die Abschirmung durch die Screening-Funktionen berücksichtigt werden, die sich sowohl aus den elastischen [97] als auch inelastischen [98, 99] Atom-Formfaktoren ergeben. Für das Aluminiumatom wurden die Formfaktoren der Thomas-Fermi-Molière-Theorie (TFM) [100] verwendet. Die gleiche Betrachtung muss für das Szintillationsmaterial Polyvinyltoluene angewandt werden, denn dieses besteht aus Elemente mit noch kleineren Atomzahlen, nämlich Kohlenstoff (Z=6) zu 91.5% des Gewichts und Wasserstoff (Z=1) zu 8.5%. Hierzu wurden die TFM-Atomformfaktoren für Kohlenstoff benutzt und 4.2. UNTERGRUND 77 2.5 σ/Atom [barn] 2 CS σPaar 1.5 ning γ → e± - incomplete scree 1 0.5 0 Compton 0 50 100 150 200 k [MeV] 250 300 350 Abbildung 4.5: Wirkungsquerschnitte pro Atom für Paarbildung und Compton-Streuung in Aluminium. Die Kurve der inkohärenten Compton-Streuung wurde durch Integration der Klein-Nishina-Formel [101, 102] berechnet, und die Paarbildung-Kurve nach den Formeln von Tsai [90]. Ein Vergleich mit dem CS im Fall vollständiger Abschirmung (Gl. (4.13)) Wirkungsquerschnitt σPaar zeigt, dass jene Näherung im betrachteten Fall nicht gültig ist. für Wasserstoff die sich aus der exakten Grundzustands-Wellenfunktion ergebenden Formfaktoren. Um die Wechselwirkungswahrscheinlichkeit in beiden Materialschichten zu ermitteln, muss der totale Wirkungsquerschnitt pro Atom mit der Volumendichte der Atome im Medium und der Dicke der Materialschicht multipliziert werden. Das Resultat dieser Rechnungen ist in Abb. 4.6 dargestellt. Die gezeichneten Werte sollten aus zwei folgenden Gründen als eine obere Grenze für die erwartete Wahrscheinlichkeit der Fehlerkennung von γ-Ereignissen angenommen werden, weil eine Wechselwirkung nur dann zum Auslösen eines Triggers führt, wenn im Szintillator genügend Licht erzeugt wird: 1. Die totalen Wirkungsquerschnitte sind als Integral über alle Energien der beteiligten geladenen Teilchen errechnet. Wenn diese Energien aber zu kleine Werte haben, können die geladenen Teilchen entweder vor dem Szintillationszähler absorbiert werden oder in diesem nicht genug Szintillationslicht erzeugen, um ein Trigger auszulösen. Ähnliche Überlegungen gelten für die Integration über die Entstehungswinkel der geladenen Teilchen. 2. Es wurde stets die gesamte effektive Dickea der Szintillator-Kunststoffschicht betrachtet, obwohl die von den entstandenen geladenen Teilchen zurückgelegte Strecke im Szintillator – und somit die Menge des ausgestrahlten Lichtes 78 KAPITEL 4. EXTRAKTION DER ASYMMETRIE Wahrscheinlichkeit [%] 10 9 8 7 Szintillator 6 Streukammer 5 4 0 50 100 150 200 ω [MeV] 250 300 350 Abbildung 4.6: Wechselwirkungswahrscheinlichkeiten im Aluminium der Streukammerwand und im Plastikszintillator als Funktion der Photonenergie ω. Die Kurven enthalten Beiträge von inkohärenter Compton-Streuung an Atomelektronen und von Paarbildung im atomaren elektrischen Feld. Element Streukammerwand Plastik-Szintillator a Al C H Volumendichte [cm−3 ] 6.03 · 1022 4.73 · 1022 5.23 · 1022 Effektive Dickea [cm] 0.87 3.49 Die effektive Dicke ergibt sich als Verhältnis der Materialdicke zum Sinus des Einfallwinkels θ. Hier wurde beispielhaft θ=145◦ angenommen. – von der Lage der Wechselwirkung im Szintillator abhängt. Mit diesen Überlegungen kann man die hier berechneten Wechselwirkungswahrscheinlichkeiten benutzten, um eine Abschätzung des zu erwartenden Konversionsuntergrunds zu gewinnen. Multipliziert man die Summe der Wahrscheinlichkeiten von Abb. 4.6 mit dem Wirkungsquerschnitt für γ-Erzeugung aus dem π 0 -Zerfall (Abb. 4.3), so erhält man die Wirkungsquerschnitte, die in der oberen Tafel in Abb. 4.7 gezeigt sind. Der für diese Diskussion interessante Energiebereich liegt zwischen ungefähr 100 MeV und 200 MeV, also im Peakbereich und wo die erwartete Untergrundrate nicht vernachlässigbar ist. Bei kleineren Energien ist der Vergleich nicht sehr brauchbar: Zum einen, weil die Absorption der geladenen Teilchen aus der Konversion vor dem Szintillationszähler wahrscheinlicher wird, hier aber nicht berücksichtigt wurde, und zum anderen, weil im gemessenen Spektrum 4.2. UNTERGRUND 79 dσ/dΩdE ′ [nb sr−1 MeV−1 ] 0.25 0.2 Elastisch Konversionsuntergrund 0.15 0.1 0.05 0 0 50 100 150 200 ′ E [MeV] 250 300 350 250 300 350 25 Gemessenes Koinzidenzspektrum counts / 103 20 15 10 5 0 0 50 100 150 200 ′ E [MeV] Abbildung 4.7: Abschätzung des Konversionsuntergrunds. Die rote Kurve oben ist das Produkt aus der Konversionswahrscheinlichkeit (Summe der beiden Funktionen in Abb. 4.6) mit dem in Abb. 4.3 aufgezeichneten differentiellen Wirkungsquerschnitt des γ-Untergrunds. Effekte der Energieauflösung sind bei der Berechnung dieser Kurve nicht enthalten. Die erwartete elastische Linie wird analog zu Abb. 4.3 als Gaußkurve in blau dargestellt. Zum qualitativen Vergleich wird unten ein gemessenen Spektrum gezeigt. 80 KAPITEL 4. EXTRAKTION DER ASYMMETRIE ADC-Schwelleneffekte auftreten. Darüber hinaus sollte beachtet werden, dass die Lage des elastischen Peaks nicht um den mittleren Energieverlust ∆E korrigiert wurde, da auch im gemessenen Spektrum die Energieeichung durch die nominelle elastische Streuenergie erfolgt. Im Gegenteil wurde als grobe Abschätzung für die Energieverluste bei Konversionsereignissen die Kurve des Untergrundes um ∆E zu kleineren Energien verschoben. Das liegt daran, dass im genannten Energiebereich der dominierende Konversionsmechanismus die Elektron-Positron-Paarbildung ist. Dabei werden meistens zwei minimal ionisierende Teilchen erzeugt, und daher erwartet man einen etwa doppelt so großen Energieverlust. Die Effekte der Energieauflösung sind in der gezeigten Kurve nicht enthalten. Das gesamte Energieauflösungsvermögen, das die Effekte der Schwankungen im elektromagnetischen Schauer beinhaltet, ist für die Konversionsuntergrundereignisse voraussichtlich anders als für nicht konvertierte γ-Ereignisse, denn für die ersten fängt der elektromagnetische Schauer früher an und entwickelt sich breiter im Kalorimeter, was zu größeren Fluktuationen in der Energiemessung führt. 4.3 Behandlung des Konversionsuntergrunds Im letzten Abschnitt wurde gezeigt, dass die Beiträge des Konversionsuntergrunds zum Peak der elastischen Ereignisse nicht vernachlässigbar sind. Deswegen ist eine Behandlung dieses Untergrunds bei der Datenanalyse erforderlich. D.h., der aus dem elastischen Peak extrahierten Asymmetrie muss eine Korrektur angebracht werden, die von folgenden Größen abhängt: 1. Der Anteil von Untergrundereignissen, die im Integrationsintervall enthalten sind; 2. Die Helizitätsasymmetrie, die diese Ereignisse besitzen. 4.3.1 Ein einfaches Verfahren zum Konversionsuntergrundabzug Da der Konversionsuntergrund aus dem π 0 -Zerfall stammt, können diese beiden Größen im Prinzip aus den Daten ermittelt werden, weil das mitgemessene Spektrum der ungeladenen Teilchen von den π 0 -Zerfallereignissen dominiert ist und daher eine direkte Messung des γ-Spektrums aus dem π 0 -Zerfall darstellt. Die Verteilung des Konversionsuntergrunds im Energiespektrum der geladenen Teilchen unterscheidet sich vom γ-Spektrum nur wegen der energieabhängigen Konversionswahrscheinlichkeit und der Energieverluste der sekundären geladenen Teilchen. Diese beiden Effekte können als Teil der Detektorantwort auf Streuereignisse angesehen werden, und wenn man sie kennt, kann der Konversionsuntergrund direkt aus dem γ-Spektrum erhalten werden. 4.3. BEHANDLUNG DES KONVERSIONSUNTERGRUNDS 81 90 80 γ-Spektrum Elektronenspektrum counts / 103 70 60 50 40 Konversionsuntergrund 30 20 10 0 0 50 100 150 200 Energy [MeV] 250 300 350 Abbildung 4.8: Abschätzung des Beitrags vom Konversionsuntergrund zum ElektronenSpektrum durch das gemessene γ-Spektrum. Das gefüllte blaue Spektrum wurde durch energieunabhängige Skalierung und Verschiebung des γSpektrums erhalten. Als Skalierungs- und Verschiebungs-Parameter wurden repräsentativ die Werte 0.12 bzw. 2×∆E=27.7 MeV verwendet, die sich aus der hier geschilderten vorläufigen Betrachtung ergeben. Man erkennt schon, dass die Konversionswahrscheinlichkeit überschätzt wird, denn links vom elastischen Peak werden Beiträge vom Strahlungsschwanz erwartet, und daher kann der Konversionsuntergrund nicht das gesamte Elektronenspektrum ausmachen. Dafür können einige Annahmen gemacht werden, um die Aufgabe zu vereinfachen. Zuerst kann die Energieabhängigkeit der Konversionswahrscheinlichkeit vernachlässigt werden, weil sie sich im Peak-Bereich (150-200 MeV) nur wenig ändert (siehe Abb. 4.6). Zweitens können aus demselben Grund auch die Energieverluste bei Konversionsereignissen als energieunabhängig angesehen werden. Letztlich werden die Unterschiede in der Energieauflösung von unkonvertierten und konvertierten γ-Ereignissen vernachlässigt. Diesen Annahmen folgt, dass die Verteilung der Konversionsereignisse näherungsweise dieselbe Form des γ-Spektrums besitzt, und kann von diesem durch Multiplikation mit einem konstanten Faktor und durch eine Verschiebung zu niedrigeren Energien erhalten werden. Ein Beispiel ist in Abb. 4.8 gegeben. Dabei ist das γSpektrum mit dem konstanten Faktor κ = 0.12 skaliert (siehe Abb. 4.6 bei ungefähr 200 MeV) und um s = 2 × ∆E = 27.7 MeV zu kleineren Energien verschoben worden. Es wird sich anhand von detaillierten Simulationen zeigen, dass diese einfache 82 KAPITEL 4. EXTRAKTION DER ASYMMETRIE Methode der Untergrundbestimmung praktikabel ist. Darüber hinaus müssen die beiden benötigten Parameter – Skalierungsfaktor κ und Verschiebung s – mittels solcher Simulationen bestimmt werden. Für die Korrektur der Asymmetrie wurden zwei unterschiedliche Verfahren angewandt [103, 104]. Im ersten Verfahren werden zwei Asymmetrien Aγ und Ae aus den beiden Spektren extrahiert. Ae wird durch das im Abschnitt 4.1 beschriebene Verfahren für die Festlegung der Integrationsgrenzen bestimmt. Aus diesen werden die entsprechenden Integrationsgrenzen für das γ-Spektrum durch Verschiebung zu höheren Energien berechnet. Mit den neuen Integrationsgrenzen werden Aγ und der Kontaminationsfaktor ǫ = κNγ /Ne bestimmt, wobei Nγ und Ne die Ereignisanzahl in den beiden Spektren zwischen den jeweiligen Integrationsgrenzen sind. Die korrigierte Asymmetrie ergibt sich dann als Akorr = Ae − ǫAγ . 1−ǫ Im zweiten Verfahren wird das Histogramm des γ-Spektrums für beide Polarisationseinstellungen skaliert und zu kleineren Energien verschoben, und dieses Histogramm wird vom Spektrum der geladenen Teilchen abgezogen. Aus diesen subtrahierten Histogrammen wird dann die korrigierte Asymmetrie extrahiert. Um die von der Untergrundverdünnung eingeführte systematische Unsicherheit zu berücksichtigen, wird die Asymmetrie für jedes Bin im Histogramm berechnet. Ein gewichteter Mittelwert wird dann gebildet, wobei die Bin-Gewichtung vom abgeschätzten Untergrundinhalt in jedem Bin abhängt. Beide Verfahren ergeben miteinander verträgliche Resultate, aber mit dem zweiten wird eine etwas bessere Unsicherheit erzielt, weil die in den Spektren enthaltene Information über die Verteilung des Untergrunds effektiver ausgenutzt wird. 4.3.2 Notwendigkeit einer systematischen Untergrunduntersuchung Wie gezeigt wurde, sind bei Messungen unter Rückwärtswinkeln Untergrundprozesse nicht vernachlässigbar. Insbesondere erfordert der Beitrag des sogenannten Konversionsuntergrunds zum Signal der elastischen Ereignisse eine Korrektur an der extrahierten Asymmetrie. Die im vorangegangenen Kapitel geschilderte vorläufige Behandlung des Konversionsuntergrunds basiert an verschiedenen Stellen auf Vereinfachungen. • Die endliche Ausdehnung des Targets wurde vernachlässigt und somit die Ablenkungen und die Energieverluste der Strahlelektronen in der Targetzelle. Da die Wirkungsquerschnitte der Streuprozesse vom Streuwinkel und von der Energie des einfallenden Elektrons abhängen, ergibt sich für jeden Ort im Target durch Mittelung über alle Strahlelektronen eine unterschiedliche 4.3. BEHANDLUNG DES KONVERSIONSUNTERGRUNDS effektive Raumwinkelabdeckung des Detektors und ein effektiver Wirkungsquerschnitt. Die gesamten Energieverteilungen der in jedes Detektormodul gestreuten Teilchen ergeben sich dann aus der Überlagerung der Beiträge aus allen Bereichen des Targets. Besonders wichtig wäre die Berücksichtigung der Targetausdehnung bei der Photoproduktion von Pionen, da diese von Bremsstrahlungsphotonen induziert wird, deren Fluss mit der Tiefe im Target wächst. • Die Energieverluste der Elektronen in den Materialschichten zwischen Target und Detektor wurden durch die mittleren Kollisionverluste angenähert. Schwankungen dieser Verluste und Ablenkungen der Elektronen in solchen Materialschichten tragen aber zur Energieauflösung bei. Die radiativen Verluste wurden gar nicht betrachtet. Man erwartet aber, dass sie die relative Verschiebung des Elektronenspektrums zum γ-Spektrum beeinflussen und auch einen Beitrag zur Energieauflösung ergeben. • Die Schauerverluste für falsch erkannte γ-Ereignisse (der sog. Konversionsuntergrund) wurden sehr grob mit dem zweifachen mittleren Kollisionsverlust der Elektronen abgeschätzt. Für die vorgeschlagene Untergrundbehandlung wird eine genauere Untersuchung der Verschiebung des Konversionsspektrums benötigt. • Die Abhängigkeit der Konversionswahrscheinlichkeit von der γ-Energie wurde nur durch die totalen Wirkungsquerschnitte der Paarbildung und der Compton-Streuung berücksichtigt, wobei über alle Energien der sekundären Teilchen integriert wurde. Wenn aber diese Energie klein ist, können die erzeugten geladenen Teilchen vor dem Szintillator absorbiert werden oder zu wenig Licht im Szintillator erzeugen, um ein Koinzidenzsignal auszulösen. Die effektive Triggerwahrscheinlichkeit des Szintillationstaggers bei diesen Prozessen wird dadurch beeinflusst. • Die gesamte Strecke im Szintillationszähler wurde für die Berechnung der Konversionsrate in Anspruch genommen. Doch wenn Konversionsprozesse kurz vor dem Austritt des γ-Quants aus dem Zähler stattfinden, ist die Triggerwahrscheinlichkeit gering. • Es wurde keine detaillierte Beschreibung der Detektorantwort unter Berücksichtigung der Schauerfluktuationen und -verluste verwendet. Wegen dieser Fluktuationen erwartet man aber Abweichungen von der Ladungsstatistik, und zwar könnten diese für die drei Fälle von Elektron-, γ- und Konversionsereignissen unterschiedlich sein. All diese Aspekte können mittels Monte-Carlo-Simulationen berücksichtigt werden. Anhand solcher Simulationen muss bewiesen werden, dass das vorgeschla- 83 84 KAPITEL 4. EXTRAKTION DER ASYMMETRIE gene Verfahren zur Untergrundsubtraktion praktikabel ist. D.h., dass der Konversionsuntergrund in guter Näherung aus dem γ-Spektrum durch einfache Skalierung und Verschiebung abgeschätzt werden kann, und dass die Unterschiede in der Energieauflösung vernachlässigbar sind. Zu diesen Zwecken werden folgende Resultate aus der Simulation benötigt. 1. Das gemessene Energiespektrum muss reproduziert werden. 2. Das Antwortverhalten des Detektors zu den einzelnen Bestandteilen des Spektrums (Signal, γ-Quanten und Konversionsuntergrund) muss geklärt werden, um zu prüfen, ob die Annahmen für den Untergrundabzug erfüllt sind. 3. Der vom Spektrum der neutralen Teilchen abgeschätzte Konversionsuntergrund muss mit dem simulierten Konversionsspektrum übereinstimmen. Zusätzlich sollen als Resultat der Simulation die Parameter für Skalierung und Verschiebung bestimmt werden. Hierzu stellen sich zwei getrennte Hauptaufgaben: a) Ein theoretisches Energiespektrum muss durch Abtastung der Wirkungsquerschnitte oder durch Ereignisgewichtung berechnet werden. Dafür wurde ein Ereignisgenerator implementiert, der sowohl die endliche Targetlänge als auch die Verteilungen der gestreuten Teilchen berücksichtigt. b) Das Detektorantwortverhalten muss in allen Details unter Berücksichtigung der Geometrie des Apparats und der Wechselwirkungen der Teilchen mit den vorhandenen Materialien betrachtet werden. Ein geeignetes Werkzeug dafür ist die am CERN entwickelte Software-Bibliothek G EANT. Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Bibliothek mehrfach verwendet. Die Erarbeitung dieser beiden Aufgaben wird in den nächsten zwei Kapiteln vorgestellt. Kapitel 5 Simulation von Streuprozessen Voraussetzung zur erfolgreichen Analyse der Rückwärtswinkeldaten ist das quantitative Verständnis des Energiespektrums. Dieses Verständnis erhält man, wenn das gemessene Spektrum mit einer Monte-Carlo-Simulation vollständig reproduziert wird. Diese herausfordernde Aufgabe wurde in vorherigen Arbeiten ansatzweise [105, 106] unternommen, aber noch nicht geleistet. Für die vollständige Simulation des Energiespektrums benötigt man neben der Berücksichtigung der Detektorantwort die Kenntnis der Streuprozesse, denen die Strahlelektronen im Target unterliegen. Konkret müssen die Streuwahrscheinlichkeiten dieser Prozesse und die Winkel- und Energieverteilungen der gestreuten Teilchen bekannt sein. Mathematisch bedeutet dies, dass die totalen und differentiellen Wirkungsquerschnitte der betrachteten Prozesse numerisch berechnet werden müssen. Die differentiellen Wirkungsquerschnitte werden dann als Wahrscheinlichkeitsdichteverteilungen für die relevanten kinematischen Variablen der gestreuten Teilchen interpretiert, und von ihnen können die Endzustände der Streuprozesse abgetastet werden. Um diese numerischen Rechnungen durchzuführen, wurde ein Ereignisgenerator implementiert. Seine allgemeinen Eigenschaften werden im Abschnitt 5.1 vorgestellt. Im Rest des Kapitels werden dann die Rechnungen zu den Wirkungsquerschnitten besprochen. 5.1 Allgemeines zum Ereignisgenerator Im Rahmen des Ereignisgenerators müssen für jedes Streuereignis alle Variablen festgelegt werden, die den Anfangszustand für die auf die G EANT-Bibliothek basierte Simulation der Detektorantwort definieren. Unter Streuereignis versteht man hier jede Wechselwirkung zwischen einem Strahlelektron und einem Targetkern, bei der Teilchen ausgesendet werden, deren Impuls in der Energie- und Winkelakzeptanz des Detektors liegt. Der Endzustand dieser Wechselwirkung bestimmt dann den Anfangszustand der Detektorantwort-Simulation. 85 86 KAPITEL 5. SIMULATION VON STREUPROZESSEN Ein solcher Zustand wird durch folgende Informationen charakterisiert: • Lage des Wechselwirkungspunkts im Target. • Impuls der in die Detektorakzeptanz gestreuten Teilchen. • Wahrscheinlichkeit der Wechselwirkung, die zur Ereignisgewichtung beim Vergleich mit dem gemessenen Spektrum verwendet werden soll. Um diese Informationen zu erhalten, benötigt man neben der Kenntnis von differentiellen und totalen Wirkungsquerschnitten einen Anfangszustand für die zu simulierende Wechselwirkung und eine Methode, um die Endzustände aus den Wahrscheinlichkeitsverteilungen zu würfeln. Der Anfangszustand der Wechselwirkung ergibt sich aus Lage und Impuls eines Strahlelektrons. 5.1.1 Anfangszustand Um den Anfangszustand der Streuereignisse zu würfeln, müssen Ablenkungen und Energieverluste der Strahlelektronen in der Targetzelle bis zum Wechselwirkungspunkt berücksichtigt werden. In der Regel werden bei hohen Energien nur die radiativen Verluste berücksichtigt und die Impulsablenkungen vernachlässigt, wie nach [90]. Bei einer Strahlenergie von 315 MeV und mit einem 23 cm langen Target, was mehr als 2% der Strahlungslänge von Flüssigwasserstoff entspricht, sind die von Kollisionen verursachten Energieverluste nicht mehr vernachlässigbar, und die Ablenkungen der Impulsrichtung aufgrund der Mehrfachstreuung werden bedeutsam. All diese Effekte können mit Hilfe von G EANT berücksichtigt werden, da es ein dafür gut geeignetes Werkzeug darstellt. Die Grundidee ist, dass jedes einzelne Strahlelektron durch das Target bis zum Wechselwirkungspunkt verfolgt wird und die Tracking-Information von G EANT für den Impuls des zu bestimmenden Anfangszustands verwendet wird. Da aber die Wahrscheinlichkeit der zu simulierenden Streuprozesse sehr klein ist (der Größenordnung 10−8 ), wäre eine völlig kohärente Simulation dieser Prozesse, bei der Streuereignisse mit ihrer tatsächlichen Wahrscheinlichkeit generiert werden, zu ineffizient und die notwendigen Rechenzeiten, um eine hinreichende Statistik zu erhalten, zu lang. Eine sehr gute Effizienz kann hingegen erreicht werden, wenn man sich zunutze macht, dass viele Strahlelektronen sehr ähnliche Vorgänge während des Durchquerens des Targets erfahren. Daraus folgt, dass jede simulierte Spur wie eine Mittelung über viele Strahlelektronen angesehen werden kann. Aus derselben Spur können daher mehrere Anfangszustände erzeugt werden. Dafür werden “weiche” Prozesse, die sehr wahrscheinlich sind und in der Regel nur kleine Ablenkungen und Energieverluste verursachen, von den abzutastenden “harten” Streuprozessen unterschieden, die viel unwahrscheinlicher sind, doch ein Signal im Detektor auslösen. Die 5.1. ALLGEMEINES ZUM EREIGNISGENERATOR ersten werden durch die in G EANT enthaltenen Verschmierungsprozesse (Bremsstrahlung, Ionisation und Mehrfachstreuung) in einer kohärenten Simulation betrachtet, in der die Strahlelektronen durch das ganze Target verfolgt werden. Aus dieser Simulation erhält man für jedes Elektron eine Reihe von durch Lage und Impuls charakterisierten Anfangszuständen, die für die Abtastung der harten Prozesse verwendet werden. Das geschieht jedoch, ohne die G EANT-Simulation der weichen Prozesse zu beeinflussen. Auf zwei Aspekte sollte allerdings geachtet werden. Einerseits muss die Normierung der gesamten Simulation beim Vergleich mit dem gemessenen Spektrum konsistent berechnet werden. Andererseits soll die mittlere Anzahl der generierten Ereignisse pro verfolgtem Strahlelektron, oder die Anzahl der verfolgten Elektronen bei gegebener Anzahl von generierten Ereignissen, so gewählt werden, dass der resultierende Satz von Anfangszuständen nicht zu stark von der spezifischen Stichprobe der simulierten Spuren beeinflusst wird. Enthält die Stichprobe aus Zufall eine sehr unwahrscheinliche Spur, z.B. wenn ein Elektron am Anfang des Targets ein hochenergetisches γ-Quant ausstrahlt, und ist die Anzahl der Abtastungen aus dieser Spur sehr hoch im Vergleich mit der Gesamtzahl der simulierten Detektorereignisse, so wird der unwahrscheinliche Vorgang im Ereignissatz unnatürlich stark vertreten. Die Anzahl der Abtastungen pro verfolgtem Strahlelektron wurde gesteuert, indem die Schrittlänge des G EANT-Trackings auf ein Maximum von 1 mm begrenzt wurde und nach jedem Tracking-Schritt das Verhältnis der Schrittlänge zu einer festgelegten Referenzlänge lref als Wahrscheinlichkeit für das Auslösen einer Endzustandsabtastung benutzt wurde. Für die Prozesse, bei denen keine Gewichtung durch den differentiellen Wirkungsquerschnitt angewandt wurde (s. nächsten Abschnitt), wurde dieser Wahrscheinlichkeitswert noch mit dem Verhältnis des totalen Wirkungsquerschnitts zu einem prozessbezogenen Referenzquerschnitt multipliziert (typischerweise dem maximalen totalen Wirkungsquerschnitt im betrachteten Energiebereich). In der vorliegenden Simulation wurden für jede Art von Streuprozessen Stichproben in der Größenordnung von 105 Strahlelektronspuren erzeugt, und die Referenzlänge wurde so gewählt, dass aus jeder Spur ungefähr zehn Mal abgetastet wurde. Somit erhielt man für jeden Streuprozess etwa eine Million Ereignisse, die zur Detektorsimulation übergeben wurden. In Abb. 5.1 werden Beispiele für durch das hier beschriebene Verfahren erhaltene Verteilungen von Lage der Wechselwirkung, Energie und Impulsrichtung des Strahlelektrons vor der Streuung gezeigt. Dabei ist die Strahlenergie 315 MeV, und Strahl- und z-Richtung sind parallel zueinander. Wie man von der oberen Tafel in der Abbildung erkennt, liegt die Verbreiterung entlang des Targets eines anfangsweise kleinen Strahlflecks in der Größenordnung von einem Millimeter. Im mittleren Bild wird gezeigt, dass die Energieverluste der Strahlelektronen der für minimal ionisierende Teilchen durch dünne Materialschichten typischen Landau-Verteilung folgen, deren Maximum ungefähr linear mit der durchquerten Targettiefe zunimmt. Unten in der Abbildung sieht man schließlich, wie sich die Verteilung der Impuls- 87 88 KAPITEL 5. SIMULATION VON STREUPROZESSEN 4 3 x [mm] 2 1 0 −1 −2 −3 −4 0 Ereigniszahl 104 50 100 z [mm] 150 200 z < 1 cm 10 cm < z < 11 cm 20 cm < z < 21 cm 103 102 101 300 305 310 315 E0 [MeV] 10000 Ereigniszahl 8000 z < 1 cm 10 cm < z < 11 cm 20 cm < z < 21 cm 6000 4000 2000 0 0 0.2 0.4 0.6 0.8 θ0 [◦ ] 1 1.2 1.4 Abbildung 5.1: Oben: Auf die zx-Ebene projizierte Verteilung der Wechselwirkungspunkte. Ihre Streuung kommt wegen der Ablenkungen der Strahlelektronen zustande. Mitte: Verteilung der Energie der Strahlelektronen bei unterschiedlichen Tiefen im Target. Unten: Verteilung der Impuls-Polarwinkel der Strahlelektronen bei unterschiedlichen Tiefen im Target 5.1. ALLGEMEINES ZUM EREIGNISGENERATOR richtungen entlang des Targets ausbreitet. 5.1.2 Abtastung von Endzuständen Sobald der Impuls des Strahlelektrons unmittelbar vor dem Streuprozess festliegt, ist der Wirkungsquerschnitt für den Prozess im Prinzip berechenbar und die Abtastung von einem Endzustand möglich. Die Abtastung eines Endzustands soll die Impulse der in der DetektorantwortSimulation zu verfolgenden Teilchen ergeben. Im Wesentlichen müssen für jedes Endzustandsteilchen zwei Variable nach dem jeweiligen differentiellen Wirkungsquerschnitt gewürfelt werden: Die Energie und der polare Streuwinkel, wobei die z-Achse für jedes Ereignis entlang des Impulses des Anfangselektrons liegt. Der azimutale Streuwinkel wird im Allgemeinen für alle Prozesse, die nur ein Teilchen im Endzustand enthalten, gleichverteilt gewürfelt. Bei Prozessen mit mehr als einem Endzustandsteilchen ist jedoch der ϕ-Winkel von nur einem Teilchen frei wählbar, für die anderen Teilchen muss der mehrfach differentielle Wirkungsquerschnitt berücksichtigt werden. Wie dies bei jedem einzelnen Prozess realisiert ist, wird, wo es nötig ist, in den nächsten Abschnitten beschrieben. Zur Abtastung der Endzustände wurden zwei verschiedene Methoden angewandt. 1. Gleichförmige Verteilungen der Variablen werden angenommen, und der differentielle Wirkungsquerschnitt für die Ereignisgewichtung wird verwendet. 2. Die Variablen werden nach der vom differentiellen Wirkungsquerschnitt gegebenen Verteilung gewürfelt. Im ersten Verfahren wird jedes Ereignis mit folgendem Faktor gewichtet: dσ VΦ , dΦ wobei I, ρV und T der experimentelle Strahlstrom, die Volumendichte des Targets und die Messzeit sind, dσ/dΦ der nach dem passenden Phasenraumelement abgeleitete differentielle Wirkungsquerschnitt und VΦ das Phasenraumvolumen, in dem die kinematischen Variablen gleichförmig gewürfelt worden sind. Die Vorteile dieses Verfahrens sind, dass der entsprechende Algorithmus einfacher zu implementieren ist und dass derselbe Satz von simulierten Detektorantwortereignissen für mehrere Prozesse verwendet werden kann. Das ist für die Entwicklungs-, Test- und Auswertungsphase der Gesamtsimulation sehr praktisch, denn die Simulation der Detektorantwort stellt den zeitaufwendigsten Teil des Simulationsverfahrens dar. Die Gewichtungsmethode ist allerdings nur für Prozesse anwendbar, die ein kontinuierliches Energiespektrum ergeben. Ist das Spektrum diskret, wie z.B. im Fall der elastischen Streuung am Proton, wo bei gegebenem Streuwinkel die Energie festgelegt ist, oder ist es sehr scharf um eine bestimmte Energie gepikt, so ist die Methode nicht anwendbar. IρV T lref 89 90 KAPITEL 5. SIMULATION VON STREUPROZESSEN In solchen Fällen wurde dann die 2. Methode (direkte Abtastung der Wahrscheinlichkeitsverteilungen) verwendet. Dabei muss der differentielle Wirkungsquerschnitt über den ausgewählten kinematischen Bereich integriert, normiert und die so erhaltene Stammfunktion invertiert werden. Wie schon im letzten Abschnitt erwähnt, wird in diesem Fall die Wahrscheinlichkeit für die Auslösung der Abtastung nach jedem Tracking-Schritt in der Strahlelektron-Simulation mit dem Faktor σ(E0 )/σmax multipliziert, wobei σ(E0 ) der totale Wirkungsquerschnitt mit der von G EANT berechneten Anfangsenergie E0 ist, und σmax ein Referenzquerschnitt, der größer als der maximale Wert von σ(E0 ) im betrachteten Energiebereich sein muss, damit σ(E0 )/σmax immer kleiner als eins ist. Somit werden die simulierten Ereignisse beim Vergleich mit dem gemessenen Spektrum für jeden Prozess mit dem gemeinsamen Gewichtsfaktor histogrammiert: IρV T lref σmax . Wahl der kinematischen Bereiche. Um alle Beiträge von Streuprozessen zum gemessenen Spektrum zu berücksichtigen, müssen Energie und Impulsrichtung der Endzustandsteilchen in einem Phasenraumvolumen erzeugt werden, das die gesamte Akzeptanz des Detektors abdeckt. Für die Energie besteht immer eine kinematische obere Grenze. Nur eine untere Grenze muss festgelegt werden. Obwohl diese sehr unkritisch ist, weil den Niederenergiebereich des Spektrums weit entfernt vom Peak der elastischen Ereignisse liegt und für diese Arbeit uninteressant ist, wurde festgestellt, dass Elektronen mit Energien unterhalb etwa 20 MeV fast komplett vor dem Kalorimeter absorbiert werden und zum Spektrum nicht beitragen. Energien in dieser Größenordnung wurden dann je nach Prozess als untere Grenze gewählt. Der zu simulierende Winkelbereich muss jedoch sorgfältig ausgewählt werden, denn bei den betrachteten Energien sind die Ablenkungen der gestreuten Teilchen dermaßen, dass zum Spektrum jedes Detektormoduls auch solche Teilchen beitragen, die in einen deutlich größeren als in den vom Detektormodul geometrisch abgedeckten Winkelbereich gestreut werden. Für den Polarwinkel θ wurde anhand von Versuchsimulationen ein Optimum gefunden, das eine noch gute Effizienz erlaubt, aber auch die vollständige Abdeckung der Detektorakzeptanz gewährleistet. Der gewählte Winkelbereich ist 130◦ < θ < 157◦ . In Abb. 5.2 (oben) wird die Wahl dieses Winkelbereichs begründet. Dabei wurde ein Histogramm des Polarwinkels bei den in der Simulation nachgewiesenen Ereignissen erzeugt und auf alle simulierten Ereignisse normiert. Die so erhaltene Nachweiswahrscheinlichkeit als Funktion von θ wird Null an den Bereichsrändern. In blau ist dasselbe Resultat für die nur in den inneren fünf Ringen nachgewiesenen Ereignisse gezeigt, d.h. für die Detektormodule, die in der Datenanalyse tatsächlich verwendet werden. Für den Azimutwinkel ϕ kann eine Optimierung der Simulationseffizienz durch folgende Überlegung erzielt werden: Die Kalorimetermodule sind in sieben Ringen zu je 146 Kristallen angeordnet. Dafür sind die Kristalle auf Aluminiumrahmen 5.1. ALLGEMEINES ZUM EREIGNISGENERATOR 91 Nachweiswahrscheinlichkeit 1 0.8 0.6 0.4 0.2 0 125 130 135 140 145 150 155 160 ◦ θ[ ] ×103 16 14 Ereigniszahl 12 10 8 6 4 2 0 −15 −10 −5 0 ϕ [◦ ] 5 10 15 Abbildung 5.2: Oben: Simulierte Nachweiseffizienzen als Funktion des Polarwinkels θ für das gesamte Kalorimeter (rot) bzw. für die inneren fünf Ringe (blau). Unten: Verteilung des Azimutwinkels ϕ (s. Erklärung im Text) der zu einem Modul beitragenden Ereignisse. Der vom betrachteten Modul abgedeckte ϕ-Winkelbereich wird von den gestrichelten Linien eingeschlossen. Anhand dieser Plots werden die passenden Abtastungsbereiche für die beiden Variablen θ und ϕ verifiziert. 92 KAPITEL 5. SIMULATION VON STREUPROZESSEN montiert, und jeder Rahmen trägt sieben Kristalle. Im Prinzip sollte den ϕ-Bereich so gewählt werden, dass alle zu einen bestimmten Detektorrahmen beitragenden Ereignisse simuliert werden. Insbesondere sollen auch die beitragenden Teilchen generiert werden, die direkt nach dem Streuprozess auf einen anderen Rahmen gerichtet sind und wegen Ablenkungen vor dem Detektor oder Schauerfluktuationen im Kalorimeter von einem Modul des betrachteten Rahmens registriert werden. Aufgrund der ϕ-Symmetrie des Detektors erwartet man, dass auf den ausgewählten Rahmen gerichteten Teilchen, die in einem Nachbarrahmen histogrammiert werden, dieselbe Antwort ergeben wie die auf den Nachbarrahmen gerichteten Teilchen, die in dem ausgewählten Rahmen registriert werden. Anstatt einen breiten ϕ-Bereich zu wählen, können daher die Teilchenimpulse nur in den vom betrachteten Modul geometrisch abgedeckten ϕ-Bereich erzeugt werden, wenn man alle Ereignisse mithistogrammiert, die zu allen Modulen im selben Ring beitragen. Um alle Beiträge zu berücksichtigen, müssen dann genügend Kalorimeterrahmen in der Geometriedefinition der G EANT-Simulation der Detektorantwort enthalten sein. Mit acht Rahmen konnte das Histogramm in Abb. 5.2 (unten) erzeugt werden. Dabei wurden die Einträge, die zu Nachbarrahmen gehören, entlang der ϕ-Achse entsprechend verschoben. Der vom Zentralmodul abgedeckten ϕ-Winkelbereich wird in der Abbildung von den gestrichelten Linien gezeigt. Bei ungefähr 34% der zum Modul beitragenden Ereignisse liegt der ϕ-Winkel außerhalb dieses Bereichs. 5.2 Streuprozesse Der nachzuweisende Prozess im A4-Experiment ist die elastische Elektronstreuung am Proton. Um diesen Prozess zu simulieren, müssen Strahlungskorrekturen und der dazugehörige Strahlungsschwanz berücksichtigt werden. Die anderen zum Spektrum beitragenden Prozesse stellen mögliche Untergrundquellen dar. Hier wurden die inelastische Streuung von Elektronen sowie Erzeugung und Zerfall von ungeladenen Pionen betrachtet. 5.2.1 Elastische Streuung Im Gegenteil zu den anderen Prozessen ist die elastische Elektron-Proton-Streuung diskret. D.h., bei gegebenem Streuwinkel ist die Elektronenergie vom Viererimpuls-Erhaltungsprinzip festgelegt. Das schließt die Möglichkeit eines Gewichtungsverfahren für die Simulation dieses Prozesses aus. Die Streuamplitude ergibt sich zur niedrigsten Ordnung in der Kopplungskonstante α durch das Diagramm (a) in Abb. 5.3. Die Kopplung am Nukleonvertex wurde schon in der Gleichung 2.3 angegeben. Der daraus entstehende Wirkungsquerschnitt lässt sich durch die Rosenbluth-Formel schreiben [107, 108]: Æ 5.2. STREUPROZESSE (a) (b) (c) (d) (e) (f) 93 Abbildung 5.3: Virtuelle Beiträge zur elastischen Streuamplitude. Das Diagramm (a) gibt einen Beitrag der Ordnung α2 zum Wirkungsquerschnitt. Die Interferenz zwischen (a) und allen anderen angezeigten Termen trägt zur Ordnung α3 bei. (b) und (c) stellen die Vakuumpolarisation bzw. die Elektronvertexkorrektur dar. Die Born-Beiträge zur Zwei-Photonaustausch-Amplitude werden von den Diagrammen (d) und (e) gezeichnet. (f) ist die Born-Korrektur zum Nukleonvertex. wobei 2 2 d2 σ GE (q ) + τ G2M (q 2 ) d2 σ 2 2 2 θ , + 2τ GM (q ) tan = dΩ Ros dΩ Mott 1+τ 2 d2 σ E′ α2 · cos2 (θ/2) = dΩ Mott 4E 2 sin4 (θ/2) E (5.1) (5.2) der Wirkungsquerschnitt für die Elektronenstreuung an einem spinlosen Target endlicher Masse ist. Strahlungskorrekturen zur elastischen Streuung Bei den im A4-Experiment vorkommenden Strahlenergien ist die Größe der Quantenfluktuationen dermaßen bedeutsam, dass Einschleifenkorrekturen zur nächsten Ordnung in der Kopplungskonstante berücksichtigt werden müssen. Solche Korrekturen zur elastischen Streuung erhält man durch die Interferenz zwischen dem Beitrag (a) zur Streuamplitude von Abb. 5.3 und den Diagrammen (b) bis (f). Die wichtigsten Beiträge zu diesen Diagrammen (mit der Ausnahme des Vakuumpolarisationsdiagramms (b)) sind die niederenergetischen Anteile der jeweiligen Schleifenintegrale [109]. Deswegen können bei den Amplitudentermen (d), (e) und (f) die hadronischen Zwischenzustände durch Dirac-Propagatoren beschrieben werden und die Beiträge von angeregten Zuständen vernachlässigt werden. Darüber hinaus wird die Nukleonkopplung am Photon mit den beiden Onshell-Formfaktoren beschrieben. 94 KAPITEL 5. SIMULATION VON STREUPROZESSEN (i) (ii) (iii) (iv) Abbildung 5.4: Beiträge niedrigster Ordnung zum reellen Strahlungsprozess. Das Integral über die Photonenergie von Null bis ∆r des daraus resultierenden Wirkungsquerschnitts hebt die Infrarotdivergenzen der virtuellen Korrekturen von Abb. 5.3 auf. Für größere Photonenergien beschreibt dieser Wirkungsquerschnitt den Strahlungsschwanz vom Peak elastischer Ereignisse. Bei der Kinematik des A4-Experiments dominieren die Bethe-HeitlerAmplituden (i) und (ii) über die Protonabstrahlungsbeiträge. Für die Subtraktion der Infrarotdivergenzen der Amplituden (d), (e) und (f) in Abb. 5.3 werden die sogenannten Born-Beiträge (iii) und (iv) gebraucht. Bei diesen wird die pγ-Kopplung durch die Onshell-Dirac- und -Pauli-Formfaktoren beschrieben und die hadronischen Zwischenzustände werden durch Diracpropagatoren ersetzt. Angeregte Zwischenzustände spielen dabei keine wesentliche Rolle. Die Diagramme (c) bis (f) sind alle infrarotdivergent. Wie es in Quantenfeldtheorie-Lehrbüchern (z.B. [102, 110]) erklärt wird, heben sich die in QED-Schleifendiagrammen vorkommenden Infrarotdivergenzen zu jeder Ordnung in der Störungsreihe exakt auf, wenn reelle Korrekturen miteinbezogen werden. Diese Korrekturen berücksichtigen die Abstrahlung von niederenergetischen Gammaquanten (Soft-Photonen), deren Gesamtenergie so niedrig ist, dass der Strahlungsprozess nicht vom eigentlichen – in diesem Fall elastischen – Prozess experimentell unterschieden werden kann. Die Amplitude für die Abstrahlung eines Gammaquants zur Ordnung α3 setzt sich aus den in Abb. 5.4 gezeigten Beiträgen zusammen. Aufgrund des DreikörperEndzustands ist der Wirkungsquerschnitt fünffach differentiell, und die Integration über den Photonraumwinkel ergibt den semiinklusiven Querschnitt: Z d5 σγ d3 σγ = dΩ . (5.3) γ dΩdω ′ dΩdΩγ dω ′ Für die Korrektur des elastischen Wirkungsquerschnitts muss d3 σγ noch über die Photonenergie ω ′ von Null bis zu einem willkürlichen Schnitt ∆r integriert werden. Der Wert von ∆r muss kleiner als die Energieauflösung des Detektors sein. 5.2. STREUPROZESSE Dieses Integral hat eine Infrarotdivergenz, die die Divergenz der virtuellen Korrekturen exakt aufhebt. Der daraus folgende strahlungskorrigierte Wirkungsquerschnitt lässt sich folgendermaßen schreiben, Z ∆r 3 d2 σ d2 σ d2 σ ′ d σγ ≡ (1 + δ(∆r )) dω = + , (5.4) dΩ korr dΩ virt dΩdω ′ dΩ Ros 0 wobei d2 σ/dΩ|virt die virtuellen Korrekturen enthält. Die Korrektur δ(∆r ) wurde in [109] berechnet, und ein korrekter Ausdruck ist in [111] zu finden. Das Resultat ist im Anhang B, Gl. (B.19) wiedergegeben. Da der Ausdruck allgemein für ein Kerntarget der Ladung Z gilt, werden die Terme in (B.19) nach der Z-Potenz sortiert, damit sich leicht erkennen lässt, zu welchen Amplituden sie zurückzuführen sind. Alle Terme mit einem Faktor Z auszulassen, ist äquivalent, die Diagramme mit mehr als einem Protonvertex zu vernachlässigen, wie schon in [106] und [112] gemacht wurde. Diese sind (d), (e) und (f) in Abb. 5.3 bzw. (iii) und (iv) in Abb. 5.4. Dadurch erhält man die kürzere Formel α 28 13 −q 2 δ(∆r ) = − − log 2 (5.5) π 9 6 m 2 ) E′ E 1 −q 2 log , 2 log − 3 log η + + log 2 − 1 m ∆r 2 E die sich numerisch viel einfacher evaluieren lässt. Die aus den beiden Ausdrücken resultierenden Korrekturen δ(∆r ) werden für die kinematischen Konfigurationen des A4-Experimentes in der Tabelle 5.1 zusammengefasst. Man sieht, dass die Korrekturen des Wirkungsquerschnitts aufgrund der Soft-Photonen im Bereich von etwa 7% (bei 315 MeV) bis etwa 15% (bei 1508 MeV) liegen. Der Unterschied zwischen (B.19) und (5.5) beträgt in jeden Fall weniger als 2%, daher kann die vereinfachte Formel (5.5) für die Simulation der elastischen Streuung verwendet werden. 5.2.2 Innere Bremsstrahlung Für Photonenergien ω ′ > ∆r versteht sich d3 σγ /dΩdω ′ als der Wirkungsquerschnitt für den Strahlungsschwanz aus dem Peak der elastischen Ereignisse. Die Konsistenz der Betrachtung erfordet, dass die Summe Z 3 d2 σ ′ d σγ (1 + δ(∆r )) dω + , dΩ Ros dΩdω ′ ∆r nicht vom zu wählenden Wert von ∆r abhängt. Da die Formel für die Korrektur δ(∆r ) durch Vernachlässigung der nichtinfraroten Terme in den jeweiligen Amplituden bzw. Integralen erhalten wurde, stimmt sie am besten, wenn ∆r sehr klein ist, eventuell viel kleiner als die Energieauflösung 95 96 KAPITEL 5. SIMULATION VON STREUPROZESSEN Tabelle 5.1: δ(∆r ) evaluiert nach Gl. (B.19) (mit Z-Termen) und Gl. (5.5) (ohne Z-Terme). Alle Korrekturen sind negativ, bei den tabellierten Werten wird das MinusVorzeichen ausgelassen. Der Schnittwert ∆r beträgt jeweils eine aufgrund der Energieauflösung erwartete Standardabweichung bei der Energie E ′ . Als rep ′ ′ präsentativer Wert wurde ∆r /E = 4%/ (E /GeV) angenommen Kinematik 145 , 315 MeV ◦ 145 , 420 MeV . 35◦ , 570 MeV ◦ 35 , 855 MeV 35◦ , 1508 MeV ◦ mit Z-Termen 0.079 0.086 0.103 0.120 0.146 ohne Z-Terme 0.066 0.070 0.099 0.114 0.135 Diff. 0.013 0.016 0.004 0.006 0.011 des Experiments. Um alle Beiträge zum elastischen Peak zu simulieren, muss dann der Strahlungsschwanz betrachtet werden. Darüber hinaus möchte man das Energiespektrum auch unterhalb der elastischen Linie quantitativ verstehen. Das invariante Matrixelement für die Amplituden in Abb. 5.4 hängt vom Polarisationsvektor ǫµr des ausgestrahlten Photons ab, Mγr = ǫµr Mµ , (5.6) und die Summe von |Mγr |2 über alle Polarisationen kann anhand der Beziehung [102] X µν ǫµr ǫ∗,ν (5.7) r = −g r als |M|2 = X r |Mγr |2 = −M∗µ Mµ (5.8) geschrieben werden. Durch Anwendung der QED-Feynman-Regeln nehmen die Bethe-Heitler-Beiträge (i) und (ii) (Abb. 5.4) folgende Gestalt an (die kinematischen Größen sind in Anhang B.1 definiert): ie3 lµν hBH,ν (P ′ − P )2 BH /′ + /q′ + m ν / − /q′ + m µ µk ′ ′ νk γ +γ γ e(k, s) , (5.9) = ē(k , s ) γ −2k · q ′ 2k ′ · q ′ MµBH = µν lBH hνBH = N̄(P ′, S ′ ) Γν (P ′ − P ) N(P, S) mit Γν (q) = F1 (q 2 )γν + i F2 (q 2 ) σνσ q σ . 2MN 5.2. STREUPROZESSE 97 104 103 BH BH+Born 102 101 100 ′ d5 σ [pb MeV−1 sr−2 ] dE dΩdΩ∗γ 105 10−1 −180 −120 −60 0 60 120 180 θγ∗ [◦ ] Abbildung 5.5: Differentieller Wirkungsquerschnitt für die Abstrahlung eines γ-Quants. Die Strahlenergie ist E = 315 MeV und die Energie des gestreuten Elektrons E ′ = 150 MeV, sein Streuwinkel im Laborsystem θ = 145◦ . Aufgetragen ist der fünffach differentielle Wirkungsquerschnitt als Funktion des polaren γ-Ausstrahlwinkels θγ∗ im CM-System (im Anhang B.1 definiert). Der Azimutwinkel ist φ∗γ = 0. Für die elastischen Formfaktoren wurde die Dipolparametrisierung verwendet. Die Born-Beiträge (iii) und (iv) ergeben MµB = − ie3 lB,ν hµν B (k − k ′ )2 lBν = ē(k ′ , s′ ) γ ν e(k, s) P / − /q′ + M µ µν ′ ′ Γ (−q ′ ) hB = N̄(P , S ) Γν (k − k ′ ) −2P · q ′ / ′+ /q′ + m ν µ ′ P ′ +Γ (−q ) Γ (k − k ) N(P, S) . 2P ′ · q ′ Nach Quadrierung dieser Amplituden wie in Gl. (5.8) und Summierung über Proton- und Elektronspin mittels der Standardmethode der Dirac-Matrizenspurbildung erhält man durch die Anwendung von (B.18) den differentiellen Wirkungsquerschnitt, dessen Ausdruck zu lang ist, um hier wiedergegeben zu werden. Die dazu notwendige algebraische Rechnung wurde im Rahmen dieser Arbeit mit Hilfe der Computer-Bibliothek GiNaC [113] durchgeführt. Ein Beispiel für die A4Kinematik bei Rückwärtswinkeln ist in Abb. 5.5 angegeben. An dem Plot erkennt 98 KAPITEL 5. SIMULATION VON STREUPROZESSEN man, dass in diesem kinematischen Regime die Beiträge der Born-Amplituden (iii) und (iv) in Abb. 5.4 vernachlässigbar sind. Die Abb. 5.5 zeigt, dass die größten Beiträge zum Wirkungsquerschnitt für die Elektronstreuung mit Ausstrahlung eines hochenergetischen γ-Quants aus zwei sehr begrenzten Raumwinkelbereichen des γ-Impulses zustande kommen. Diese befinden sich nah an der Impulsrichtung des einlaufenden oder auslaufenden Elektrons, weil in diesen Gebieten jeweils k · q ′ oder k ′ · q ′ sehr klein werden (der Größenordnung m2 ). Da die Invarianten k · q ′ bzw. k ′ · q ′ in Gl. (5.9) im Nenner stehen, ergeben sich bei solchen Winkelkonfigurationen große Beiträge zur Streuamplitude. Aus diesem Grund wird in der Literatur [111, 112] zur Integration über dΩγ des fünffach differentiellen Wirkungsquerschnitts häufig die sogenannte PeakingApproximation verwendet. Bei dieser Näherung werden nur die γ-Winkelbereiche um die scharfen Peaks in Abb. 5.5 berücksichtigt, und der kleine Winkel zwischen Elektron (einlaufendem oder auslaufendem) und γ-Quant wird für die Integration über diese Winkelbereiche als Null betrachtet. Für den Strahlungsschwanz von der elastischen Streuung ergibt sich dann ein dreifach differentieller Wirkungsquerschnitt, der wie die inkohärente Überlagerung zwei Beiträge gestaltet ist: d3 σ d3 σ d3 σ = + . (5.10) dΩdE ′ tail dΩdE ′ in dΩdE ′ fin Formeln für diese beiden Beiträge werden im Anhang B.4 angegeben. Für die Simulation des Strahlungsschwanzes muss allerdings beachtet werden, dass die Antwort des Detektors auf hochenergetische γ-Quanten sehr ähnlich zur Antwort auf Elektronen derselben Energie ist. In dieser Hinsicht müssen die bei der inneren Bremsstrahlung in die Detektorakzeptanz hineingestrahlten γ-Quanten für die Simulation des Spektrums berücksichtigt werden. Da diese γ-Quanten hauptsächlich in die Richtung des Strahls oder des gestreuten Elektrons ausgestrahlt werden, können sie wichtige Beiträge zum Spektrum ergeben, wenn das Elektron in Richtung des Detektors gestreut wird. In diesem Fall hat das Elektron eine kleinere Energie als die elastisch gestreuten Elektronen, wird aber von einem γ-Quant ins Kalorimeter begleitet, so dass das gemessene Signal der Summe beider Energien entspricht. Es ist dann notwendig, Winkel und Energieverteilung der beiden Teilchen mit einer gewissen Genauigkeit zu betrachten. Das kann nicht im Rahmen der PeakingApproximation geschehen, da diese nur den inklusiven Wirkungsquerschnitt des Strahlungsschwanzes d3 σ/dE ′ dΩ in der Nähe des elastischen Peaks gut beschreibt. Um die Beiträge zum Wirkungsquerschnitt von γ-Quanten in Strahlrichtung bzw. in Richtung des Detektors zu unterscheiden, dürfen jedoch die einzelnen Terme in (5.10) nicht verwendet werden, wie man anhand der Abb. 5.6 erkennen kann. Dabei wurde eine explizite Integration des fünffach differentiellen Wirkungsquerschnitts durchgeführt, bei der der Raumwinkel des γ-Impulses in zwei Bereiche unterteilt δ [%] d3 σ [nb MeV−1 sr−2 ] dE ′ dΩ 5.2. STREUPROZESSE 99 100 AZS 10−1 10−2 EZS 10 −3 10 1 0.1 0 20 40 60 80 100 120 E [MeV] 140 160 180 200 ′ Abbildung 5.6: Vergleich der Peaking-Approximation (PA) mit der expliziten Integration des Bethe-Heitler-Wirkungsquerschnitt (BH). Die Strahlenergie ist hier 315 MeV, die Energie des gestreuten Elektrons 150 MeV und sein Streuwinkel 145◦ . Oben: Die Beiträge von Anfangszustandsstrahlung (AZS) und Endzustandsstrahlung (EZS) aus der PA sind jeweils in rot bzw. blau gestrichelt aufgezeichnet. Die gleichen Beiträge in der BH-Rechnung Integration des Bethe-Heitler-Wirkungsquerschnitt sind durchgezogen dargestellt und wurden durch Trennung der γ-Raumwinkelintegration berechnet. Für die EZS wurde über ein Kegel mit einem Öffnungswinkel von 20◦ um die Impulsrichtung des gestreuten Elektrons integriert. Die AZS enthält die restlichen Beiträge. Unten: Relative Abweichung der beiden Rechnungen. Rot entspricht der AZS, blau der EZS und schwarz der Summe von beiden. 100 KAPITEL 5. SIMULATION VON STREUPROZESSEN 10000 9000 10000 Zä hlereignisse 8000 7500 7000 6000 5000 5000 2500 4000 0 3000 0 0.5 1 1.5 2 2000 1000 0 0 2 4 6 8 10 12 θeγ [◦ ] 14 16 18 20 Abbildung 5.7: Verteilung vom Winkel θeγ zwischen dem γ-Impuls und dem Impuls des gestreuten Elektrons bei den erzeugten Ereignissen der EZS. Im angezeigten Winkelbereich wurden bei der Detektorantwort-Simulation beide Teilchen (Elektron und γ-Quant) verfolgt. Die Winkelverteilung weist den bei der Bremsstrahlung typischen Peak bei m/E ′ auf. wurde: d3 σγ = dΩdE ′ "Z θeγ >20◦ dΩγ + Z θeγ <20◦ dΩγ # d5 σγ , dΩdΩγ dE ′ (5.11) wobei θeγ der Winkel zwischen γ- und Elektronimpuls ist. Der Grenzwert von 20◦ wurde so ausgewählt, damit im zweiten Term alle möglichen Konfigurationen enthalten sind, bei denen ein γ-Quant und ein Elektron gleichzeitig ins Kalorimeter gestreut werden. Bei diesem Verfahren ist es sinnvoll, zwischen Anfangs- und Endzustandsstrahlung zu unterscheiden (AZS bzw. EZS). In Abb. 5.6 wird gezeigt, dass bei den hier betrachteten kinematischen Konfigurationen die AZS- bzw. EZS-Beiträge zum Strahlungsschwanz durch die jeweiligen Terme in der Formel (5.10) nicht richtig abgeschätzt werden. Obwohl die Summe im Peakbereich (ab etwa 160 MeV) besser als ein Prozent berechnet wird, betragen die Abweichungen der jeweiligen Anfangs- und Endzustandsbeiträge zwischen 20% und 50%. Beim Ereignisgenerator wurden AZS und EZS als zwei unterschiedliche Prozesse betrachtet. Während für die AZS nur der Elektronimpuls gewürfelt wurde, das erste Integral in Gl. (5.11) also als ein dreifach differentieller Wirkungsquerschnitt betrachtet wird, wurde für die EZS der fünffach differentielle Wirkungsquerschnitt der Bethe-Heitler-Diagramme für die Abtastung von vier unabhängigen Variablen 5.2. STREUPROZESSE 101 eingesetzt. Diese sind die Energie und der polare Streuwinkel des Elektronimpulses und Polar- und Azimutwinkel des γ-Impulses. In der Detektorantwort-Simulation wurden dann für jedes Ereignis beide Teilchen verfolgt. In Abb. 5.7 wird die Verteilung der erzeugten Winkel zwischen den Impulsen beider Quanten gezeigt. Da es sich um einen Bremsstrahlungsprozess handelt, weist die Winkelverteilung einen scharfen Peak bei θeγ =m/E ′ auf. Da die Inversion der Stammfunktionen für die Abtastung der Elektronenergie und -polarwinkel eingesetzt wurde, war es aus Effizienzgründen nötig, eine Rejection-Prozedur für die Winkel des γ-Impulses anzuwenden. Dabei muss die Abtastung der θeγ -Variable aufgrund des scharfen Peaks ihrer Verteilung sehr vorsichtig durch ImportanceSampling vollbracht werden. 5.2.3 Inelastische Streuung Die Strahlenergie von 315 MeV liegt oberhalb der Schwelle für die Erzeugung von π-Mesonen, welche in der Elektron-Proton-Streuung der inelastische Kanal niedrigster Energie ist. Inelastisch gestreute Elektronen haben eine kleinere Energie als die elastisch gestreuten und tragen zum Energiespektrum links vom elastischen Peak bei. Um mögliche Beiträge zur Messung von diesem Prozess zu untersuchen, muss er in der Simulation des Spektrums in Betracht gezogen werden. Man wird allerdings feststellen, dass diese Ereignisse energetisch sehr gut vom zu integrierenden Peak getrennt sind und schon im Schwellenbereich der Energieakzeptanz des Detektors liegen, so dass sie nur sehr eingeschränkt überhaupt beitragen. Zu diesem Prozess muss im Ereignisgenerator nur der Impuls des Elektrons abgetastet werden. Dafür wird der dreifach differentielle inklusive Wirkungsquerschnitt für die Pion-Elektroproduktion Z d5 σ d3 σ = dΩ (5.12) π dE ′ dΩ dE ′ dΩdΩπ gebraucht. Da es sich um einen Dreikörperendzustand handelt, hat man insgesamt fünf unabhängige kinematische Variablen und d3 σ/dE ′dΩ muss durch die Integration vom exklusiven fünffach differentiellen Wirkungsquerschnitt über alle Richtungen des Pionimpulses berechnet werden. Für das invariante Matrixelement wird das phänomenologische Modell MAID [89] verwendet, dessen Parameter an die Weltdaten zur Pionproduktion angepasst sind. Das Modell betrachtet die Streuamplitude durch die Einphotonaustausch-Näherung: M = = ē(k ′ , s′ ) ieγ µ e(k, s) i hP ′ , kπ | Jˆµ |P i , ′ 2 {z } (k − k ) | = Jµ wobei die Definitionen der kinematischen Variablen von Anhang B.1 gelten. 102 KAPITEL 5. SIMULATION VON STREUPROZESSEN Die Form der Stromfunktion Jµ ist von Lorentzinvarianz, Paritäts- und Stromerhaltung bedingt und enthält maximal sechs unabhängige Strukturfunktionen dreier unabhängiger kinematischer Variablen. Betrachtet man den Fall unpolarisierter Streuung, so reduziert sich die Anzahl der notwendigen Strukturfunktionen auf vier. In dieser Arbeit werden die kinematischen Variablen q 2 = (k − k ′ )2 , die Schwerp punktenergie des hadronischen Systems W = (P + q)2 und der Polarwinkel des Pionimpulses im selben Bezugsystem θπ∗ verwendet. In der Regel wird der differentielle Wirkungsquerschnitt folgendermaßen faktorisiert [114]: d5 σ d2 σv α E′ W 2 − M 2 1 =Γ Γ= 2 , (5.13) dE ′ dΩdΩπ dΩπ 2π E −2Mq 2 1 − ǫ wobei Γ als Fluss von bei der Elektronstreuung erzeugten virtuellen Photonen angesehen werden kann und dσv /dΩπ als der Wirkungsquerschnitt für die Erzeugung eines Pions durch Absorption eines virtuellen Photons. Die Definition des Polarisationsparameters ǫ der virtuellen Photonen wurde schon im Kapitel 2 angegeben. Die Formel für Γ entsteht durch Vernachlässigung der Elektronmasse und kann an dieser Stelle so verwendet werden, denn nachweisbare Elektronen sind immer ultrarelativistisch und ihre Streuwinkel immer groß. Der Absorptionquerschnitt dσv /dΩπ wird in [114] für den unpolarisierten Fall als Kombination von vier Antwortfunktionen RT , RL , RT T und RT L geschrieben, die der Antwort auf die verschiedenen Polarisationszustände des virtuellen Photons entsprechen. Diese Antwortfunktionen hängen von den drei obengenannten kinematischen Variablen ab und können mit Hilfe des MAID-Computerprogramms [115] berechnet werden. Die Effekte der elektromagnetischen Strahlungskorrekturen zu diesem Prozess wurden schon in [106] untersucht und sind bei den vorliegenden kinematischen Bedingungen vernachlässigbar. 5.2.4 Erzeugung und Zerfall ungeladener Pionen Für die Beiträge vom π 0 -Zerfall muss erst die Winkel- und Energieverteilung der erzeugten ungeladenen Pionen berechnet werden. Anhand dieser Verteilungen sollen dann die Impulse der Zerfallsphotonen abgetastet werden, die schließlich der Detektorantwortsimulation übergeben werden. Da das π 0 zu fast 99% in zwei γQuanten zerfällt [40], wurden die anderen Zerfallsarten vernachlässigt. Für die Abtastung der γ-Impulse wurden zur Mehrfachprüfung drei unterschiedliche Methoden angewendet. Alle drei Methoden ergeben statistisch kompatible Resultate. 1. Der π 0 -Impuls wurde aus den differentiellen Wirkungsquerschnitten für Elektro- und Photoproduktion abgetastet, die γ-Impulse isotrop im Ruhesystem des Pions gewürfelt und ins Laborsystem transformiert. Schließlich wurden nur die Ereignisse behalten, bei denen es einen γ-Impuls in dem bei Abs. 5.1.2 festgelegten Raumwinkelbereich gibt. 5.2. STREUPROZESSE 2. Ein γ-Impuls wurde gleichmäßig in den kinematischen Bereiche von Abs. 5.1.2 gewürfelt, ein π 0 -Impuls wurde innerhalb der kinematisch erlaubten Grenzen ebenfalls gleichmäßig gewürfelt und eine Ereignisgewichtung berechnet. 3. Die im Kapitel 4 vorgestellten effektiven Wirkungsquerschnitte (4.9) und (4.11) für die Ausstrahlung von Zerfallsphotonen wurden verwendet, entweder um die γ-Impulse direkt abzutasten oder um gleichförmig verteilte γImpulse zu gewichten. Wie schon im Kapitel 4 gezeigt, kommen wichtige Beiträge sowohl aus der Elektro- als auch aus der bremsstrahlungsinduzierten Photoproduktion des π 0 zustande. Elektroproduktion Die Energie- und Winkelverteilung der π 0 -Impulse aus der Elektroproduktion kann durch Integration des exklusiven fünffach differentiellen Wirkungsquerschnitts bestimmt werden. Hierzu muss bei der Integration der Viererimpulserhaltungs-δ-Funktion im Phasenraumfaktor von (B.18) die Elektronenergie (statt der Pionenergie, wie bei (5.14)) eliminiert werden. Dann wird über alle Impulsrichtungen des Elektrons integriert: Z d5 σ d3 σ = dΩ , (5.14) dωπ dΩπ dωπ dΩπ dΩ inklusive die Stelle θ = 0, d.h. Elektronvorwärtsstreuung. Vernachlässigt man die Elektronmasse, so wird an dieser Stelle q 2 = 0 und der Wirkungsquerschnitt divergiert, denn der Photonpropagator ist proportional zu 1/q 2 . Deswegen kann hier die Faktorisierung (5.13) mit dem angegebenen Flussfaktor Γ nicht verwendet werden. Um dieses Problem zu umgehen, wurde ein alternativer Rechenweg gefunden, bei dem die Elektronmasse immer berücksichtigt wird. Die Summe des Betragquadrats der Streuamplitude über alle Anfangs- und Endspinzustände lässt sich als Kontraktion eines leptonischen mit einem hadronischen Tensor schreiben: 2 1 4πW 2 |M| = 2 2 ηµν W µν , (5.15) (q ) M wobei der hadronische Tensor nach der Konvention von [114] als 2 M Jµ Jν∗ Wµν = 4πW definiert ist, und für den leptonischen Tensor ergibt sich 1 2 1 e2 α β . 2Kµ Kν + q gµν − qµ qν + ihǫµναβ q K ηµν = 2m2 2 2 103 104 KAPITEL 5. SIMULATION VON STREUPROZESSEN Hier ist K = (k + k ′ )/2 und h die Helizität des einfallenden Elektrons, die sich in der unpolarisierten Streuung zu Null mittelt. Somit hat man ηµν = ηνµ . Dank dieser Eigenschaft und wegen der Definition von Wµν reduziert sich die Kontraktion in (5.15) zu (i, j = 1, 2, 3) X X X ηµν W µν = η00 W00 − η0i 2ReW0i + ηii Wii + ηij 2ReWij . (5.16) i i i<j Betrachtet man alle Tensorelemente im pπ 0 -Schwerpunktsystem mit dem im Anhang B.1 definierten Koordinatensystem, so gibt es feste Beziehungen zwischen den Wij und den mit MAID berechenbaren Antwortfunktionen. Wenn man dazu die Stromerhaltungsgleichungen ηµν q µ = ηµν q ν = 0 Wµν q µ = Wµν q ν = 0 (5.17) (5.18) beachtet, kommt man zur geschlossenen Form 2 " 2 2 2 1 |q| 4πW |q| 2 |M| = − 1 ηzz RL + 2 − 1 ηxz RT L cos ϕπ (q 2 )2 Mp ω2 ω2 # + (ηxx + ηyy )RT + (ηxx − ηyy )RT T cos 2ϕπ (5.19) für das Betragquadrat der Streuamplitude, wobei alle kinematischen Variablen im pπ 0 -Schwerpunktsystem ausgewertet werden. Die Ableitung der Gl. (5.19) befindet sich im Anhang B.5. Photoproduktion Die Erzeugung von Ereignissen mit Photoproduktion ist etwas komplexer als mit den bisher besprochenen Prozessen, denn es handelt sich hier um einen Doppelprozess, wobei zwei “harte” Vorgänge nacheinander erfolgen. Im Ereignisgenerator soll in diesem Fall Folgendes simuliert werden: • Die Abstrahlung hochenergetischer γ-Quanten von Strahlelektronen durch Bremsstrahlung; • Die Propagation dieser Photonen durch das Target bis zum Wechselwirkungspunkt; • Die Photoproduktion des π 0 -Mesons und sein Zerfall. Die ersten beiden Punkte werden mit Hilfe einer G EANT-Simulation erledigt. Diese ist ähnlich zur im Abs. 5.1.1 beschriebenen Simulation des Anfangszustands der 5.2. STREUPROZESSE “harten” Streuprozesse. Der Unterschied zu jener Simulation ist, dass hier der Anfangszustand aus einem Bremsstrahlungsphoton anstatt eines Strahlelektrons besteht. Deswegen müssen hier neben den Strahlelektronen auch die von G EANT erzeugten Bremsstrahlungsphotonen mit einer Energie oberhalb der π 0 -Produktionsschwelle verfolgt werden. Für die ersten kann die innerhalb G EANTs festgelegte Schrittlänge1 fürs Tracking verwendet werden. Für die zweiten wird analog zur Simulation von Abs. 5.1.1 eine Begrenzung der Schrittlänge von 1 mm eingeführt und dann dasselbe Verfahren zur Auslösung der Abtastung von Endzuständen benutzt, die früher für die Strahlelektronspuren angewendet wurde. Dabei konnte man aber annehmen, dass die Strahlelektronen, die anfangsweise sehr ähnliche Impulse haben, auch ähnlichen Vorgängen beim Durchqueren des Targets unterliegen, so dass von der selben Spur mehrere Endzustände abgetastet werden konnten. Das gilt nicht für die Bremsstrahlungsphotonen, weil sie nach einem kontinuierlichen Energiespektrum (s. Abb. 5.8) abgestrahlt werden. Deswegen wurde in diesem Fall die Referenzlänge lref (s. Abs. 5.1.1) so ausgewählt, dass die mittlere Anzahl der abgetasteten Endzustände pro simulierter γ-Spur um die eins liegt. Somit erhält man einen Satz von Anfangszuständen mit γ-Quanten, und die Abtastung der Endzustände der Photoproduktion kann aus dem differentiellen Wirkungsquerschnitt analog zur Elektroproduktion durchgeführt werden. Zur Illustration ist die Energieverteilung der beim Abtasten verwendeten Bremsstrahlungsphotonen in Abb. 5.8 dargestellt. Für die Normierung wurde die Anzahl der simulierten Strahlelektronen verwendet. Die Y-Achse zeigt also die Wahrscheinlichkeitsdichte pro Strahlelektron. Zum Vergleich wird eine Rechnung nach Olsen und Maximon [116] für eine feste Strahlenergie von 315 MeV gezeigt. Die Unterschiede ergeben sich aus den Energieverlusten der Elektronen entlang der Targetzelle. Diese und ihre Abhängigkeit von der Abstrahllage sowie die Ablenkungen der Elektronimpulse von der Anfangsrichtung werden in der G EANT-Simulation berücksichtigt. Schließlich wird der differentielle Wirkungsquerschnitt für die Photoproduktion gebraucht. Dieser ist allerdings einfacher als bei der Elektroproduktion, denn man hat hier ein Zweikörperendzustand. Es gibt also nur zwei unabhängige kinematische Variablen, von denen eine (der Azimutwinkel) nicht bedeutsam ist. Die Abtastung von Endzuständen ist daher auch einfacher. Die Formel des differentiellen Wirkungsquerschnitts im Schwerpunktsystem für unpolarisierte Photonen ist nach [114]: |k∗π | d2 σ = RT , (5.20) dΩ∗π |q∗ | 1 Diese Schrittlänge wird für jeden Schritt anhand der mittleren Freiweglänge berechnet, die ihrerseits vom Impuls des verfolgten Teilchens und den Wirkungsquerschnitten der zu simulierenden Prozesse abhängt. 105 106 KAPITEL 5. SIMULATION VON STREUPROZESSEN Wahrscheinlichkeitsdichte [MeV−1 ] ×10−3 0.20 0.18 0.16 0.14 0.12 0.10 0.08 0.06 0.04 0.02 0.00 140 160 180 200 220 240 Eγ [MeV] 260 280 300 320 Abbildung 5.8: Im Target erzeugtes Bremsstrahlungsspektrum. Enthalten sind die Beiträge sowohl vom Flüssigwasserstoff als auch von den Aluminiumfenstern. Die Normierung entspricht der Wahrscheinlichkeitsdichte pro Strahlelektron. Das Histogramm (rot) stammt aus der im Text beschriebenen G EANTSimulation der Anfangszustände für die Photoproduktion von Pionen. Die Kurve (blau) wurde nach [116] berechnet, wobei die unvollständige Abschirmung berücksichtigt wurde. Dabei wurden für Wasserstoff die exakten Atomformfaktoren von [90] und für Aluminium die Fermi-ThomasFormfaktoren [90, 116] eingesetzt. wobei jetzt q = (ω, q) der Viererimpuls des reellen Photons ist. Diese Formel erhält man, indem man den Photonfluss in Gl. (5.13) gleich eins setzt und alle Terme in 5.19 weglässt, die longitudinalen Polarisationszuständen des Photons entsprechen (RL und RT L ). Diese würden allein kinematisch verschwinden, weil der Faktor |q|2 /ω 2 − 1 für ein reelles Photon Null ist. Der Term mit RT T cos 2ϕπ bleibt im Fall der Photoproduktion proportional zum Linearpolarisationsgrad der Photonen und soll nicht in (5.20) berücksichtigt werden, denn die Bremsstrahlung weist keine Linearpolarisation auf, wenn man über alle Impulsrichtungen der abstrahlenden Elektronen mittelt [116]. Kapitel 6 Detektorantwortverhalten Eine Studie der Detektorantwort ist erforderlich, um einen Vergleich zwischen dem theoretisch erwarteten und dem gemessenen Spektrum zu ermöglichen. Ein im Target gestreutes oder erzeugtes Teilchen wird im Detektor ein Signal geben, das sowohl vom Anfangszustand des Teilchens als auch von dessen Wechselwirkungen mit den Materialien auf seinem Weg zum Detektor und im Detektor selbst abhängt. Im vorigen Kapitel wurde ein Ereignisgenerator präsentiert, der den Anfangszustand zur Simulation der Detektorantwort erzeugt. Dieser Anfangszustand wird durch Position und Impuls eines primären Teilchens charakterisiert. Um die Detektorantwort zu solchen Anfangszuständen zu berücksichtigen, wurde die Programmbibliothek G EANT verwendet, die die Verfolgung der Teilchen durch die Materie unter Berücksichtigung ihrer wichtigsten Wechselwirkungen mit dem Medium erlaubt. G EANT3-Simulationen zur Detektorantwort wurden zuerst in [76, 77] vorgenommen, allerdings war dabei der Zweck, die intrinsische Energieauflösung des Detektormaterials (PbF2 ) zu untersuchen. In [106] wurde dann die Geometrie des gesamten Detektoraufbaus in einer G EANT4-Simulation definiert, um den Einfluss der zwischen Target und Kalorimeterkristallen liegenden Materialschichten auf die Detektorantwort zu berücksichtigen. Somit ist man in der Lage, die Antwort des Detektors auf eine beliebige Verteilung von Anfangsteilchen zu simulieren. In dieser Arbeit wurde die Simulation von [106] auf diversen Ebenen erweitert: • Die Effekte der Cherenkov-Photonstatistik wurden weiter untersucht und systematisiert, was zur Entwicklung eines Algorithmus zur Simulation der Lichtsammlung ohne Verfolgung aller Cherenkov-Photonen führte. Die Methode wurde dann geprüft, indem Testmessungen zum Energieauflösungsvermögen reproduziert werden konnten. • Die Plastikszintillatoren zur Koinzidenzmessung unter Rückwärtswinkeln wurden in die Definition des Detektoraufbaus eingeführt, und ihr Antwortverhalten wurde u.a. durch Vergleich mit Testmessungen untersucht. Das war nötig, 107 108 KAPITEL 6. DETEKTORANTWORTVERHALTEN um die Separation der Streuereignisse in zwei Spektren durch das Szintillatortriggersignal quantitativ zu verstehen und somit auch die Konversionsuntergrundbeiträge zum Spektrum der geladenen Teilchen zu quantifizieren. • Das Antwortverhalten mit primären γ-Quanten wurde studiert, um die im Kap. 4 vorgestellte Methode zum Untergrundabzug zu motivieren und die dazu notwendigen Parameter abzuschätzen. Zuerst folgt eine einführende allgemeine Betrachtung der physikalischen Prinzipien der elektromagnetischen Kalorimetrie mit Cherenkov-Detektoren, bei der die theoretisch zu erwartenden Eigenschaften von Bleifluorid vereinfacht berechnet werden. Diese Rechnungen stellen einen weiteren Test der Simulationsresultate dar. 6.1 Elektromagnetische Cherenkov-Kalorimetrie Die Anwendung des Cherenkov-Effekts gehört zu den Standardmethoden in der Physik der Teilchendetektoren. Cherenkov-Detektoren werden aufgrund ihrer Eigenschaften meistens zur Teilchenidentifikation oder für Zählexperimenten bei hohen Zählraten verwendet. Vorteilhaft ist dabei: • Die sehr kurze Zeitdauer der erzeugten Lichtpulse, die sehr kurzen Totzeiten entspricht und den Nachweis von Teilchen bei hohen Raten erlaubt; • Die Empfindlichkeit auf die Geschwindigkeit der Teilchen, die in der Regel in Verbindung mit anderen Detektoren zur Identifikation der Teilchensorte dient; • Die Charakteristika des ausgestrahlten Lichts, wie z.B. die Ausstrahlrichtung, die ausgenutzt werden kann, um die Geschwindigkeit des Teilchens zu messen oder seine Spur zu rekonstruieren. 6.1.1 Linearität Der Cherenkov-Detektor des A4-Experiments soll allerdings, außer der Aufzählung von Elektronen bei hohen Zählraten, auch die kalorimetrische Messung der Elektronenergie gewährleisten. Um mit einem Cherenkov-Detektor Kalorimetrie zu betreiben, muss es einen linearen Zusammenhang zwischen der Energie des einfallenden Teilchens und der Lichtausbeute vom Radiator geben. Dieser lineare Zusammenhang besteht erst aus dem Zusammenspiel des Cherenkov-Effekts mit dem Phänomen der elektromagnetischen Schauerbildung. Im folgenden wird die Entstehung dieses linearen Zusammenhangs insbesondere bei Bleifluorid erläutert. 6.1. CHERENKOV-KALORIMETRIE 109 Cherenkov-Effekt. Die Cherenkov-Strahlung entsteht, wenn ein geladenes Teilchen sich in einem optisch dichten Medium mit einer Geschwindigkeit bewegt, die größer als die Lichtgeschwindigkeit im selben Medium ist. Hat das Medium einen Brechungsindex n, so beträgt die Gruppengeschwindigkeit des Lichtes im Medium c/n, und die Bedingung für die Ausstrahlung von Cherenkov-Licht von einem Teilchen der Geschwindigkeit v = βc ist β> 1 . n Die Anzahl Nph der ausgestrahlten Photonen pro Weglängen- und Wellenlängeneinheit ist durch 1 2παz 2 d2 Nph (6.1) 1− 2 2 = dxdλ λ2 β n (λ) gegeben. Hierbei ist x die vom geladenen Teilchen zurückgelegte Weglänge, z seine auf die Fundamentalladung normierte elektrische Ladung, λ die Wellenlänge des ausgestrahlten Lichts und α die Feinstrukturkonstante. Wenn man von keiner starken Abhängigkeit des Brechungsindex von der Wellenlänge ausgeht, kann man Gl. (6.1) über λ integrieren zu dNph = dx 1 d2 Nph 1 1 2 , dλ ≃ 2παz 1 − 2 2 − dxdλ β n λmin λmax λmin Z λmax (6.2) was die Anzahl der pro Weglänge im Wellenlängebereich zwischen λmin und λmax ausgestrahlten Cherenkov-Photonen angibt. In Abb. 6.1 ist das Integral von Gl. (6.1) als Funktion der kinetischen Energie η eines Elektrons dargestellt Prinzipiell hängt dann die Lichtausbeute eines Cherenkov-Radiators, und dadurch die Stärke des gemessenen Signals, nur von der Geschwindigkeit und der im Detektor zurückgelegten Weglänge der nachzuweisenden Teilchen ab, jedoch nicht von ihrer Energie. Elektromagnetische Schauerbildung. Wenn ein hochenergetisches Elektron, Positron oder γ-Quant sich in einem dichten Medium bewegt, entstehen aufgrund der elektromagnetischen Wechselwirkung des Teilchens mit den Materialatomen neue Quanten (sekundäre Teilchen), die dann weiter mit dem Medium wechselwirken, und weitere Quanten erzeugen. Die Kaskade von Teilchen, die sich so entwickelt, wird elektromagnetischer Schauer genannt, und die Energie der sekundären Quanten reduziert sich im Lauf des Prozesses, bis die gesamte Energie des Anfangsquants (primäres Teilchen) sich auf atomare Anregungs- oder Ionisationsenergie auflöst. Wenn das betrachtete Medium ein Cherenkov-Radiator ist, können alle geladene Teilchen des Schauers (Elektronen und Positronen), die eine Geschwindigkeit oberhalb der Cherenkov-Schwelle haben, zur Lichtausstrahlung beitragen. Um die Anzahl der entstehenden Cherenkov-Photonen abzuschätzen, muss man die gesamte 110 KAPITEL 6. DETEKTORANTWORTVERHALTEN 70 dN/dx [mm−1] 60 50 40 30 PbF2 H2 O 20 10 0 0.1 1 η [MeV] 10 Abbildung 6.1: Anzahl der von Elektronen ausgestrahlten Cherenkov-Photonen im Wellenlängebereich zwischen λmin = 300 nm und λmax = 800 nm pro Weglänge als Funktion der kinetischen Energie. Für PbF2 wurde Gl. (6.1) numerisch integriert, um die Abhängigkeit des Brechungsindex von der Wellenlänge zu berücksichtigen. Zum Vergleich wird dieselbe Kurve für Wasser gezeigt, wobei der Brechungsindex als konstant und gleich 1.33 [85] angenommen wird. Spurlänge (track length) kennen, die geladene Schauerteilchen mit allen Geschwindigkeiten zurücklegen. In der sogenannten “Approximation B” von Rossi [117] hängt die Gesamtspurlänge T von allen Schauerelektronen und -positronen mit der Energie E0 des primären Teilchens folgendermaßen zusammen: E0 X0 . (6.3) ǫ Hier ist X0 die Strahlungslänge des Materials [40] und ǫ seine kritische Energie. Diese wird von manchen Autoren als die Energie definiert, bei der das radiative Bremsvermögen (stopping power) |dE/dx|Brems gleich dem Kollisionsbremsvermögen |dE/dx|Koll ist [40]. Nach der Definition von Rossi [117] ist ǫ die Energie, bei der der mittlere Kollisionen-Energieverlust eines Elektrons in einer Strahlungslänge genauso groß wie seine Energie ist: dE = ǫ. (6.4) X0 · (ǫ) dx T = Koll Mit der Hochenergienäherung |dE/dx|Brems = E/X0 sind beide Definitionen äquivalent. 6.1. CHERENKOV-KALORIMETRIE 111 t(η)/T [MeV−1 ] 1 PbF2 H2 O 0.1 0.01 0.001 2 4 6 8 10 12 η [MeV] 14 16 18 20 Abbildung 6.2: Verlauf der durch T dividierten Funktion von Gl. (6.7). Zum Vergleich sind die Kurven für Bleifluorid und für Wasser aufgetragen. Der einzige Unterschied stammt aus den unterschiedlichen Werten von ǫ. Für Bleifluorid hat man ǫ = 9.04 MeV, für Wasser ǫ = 78.72 MeV [85]. Bei kleinerem ǫ ist die Energieverteilung der zur Gesamtspurlänge beitragenden geladenen Teilchen zu kleineren Energien verschoben. Der Wert von ǫ fällt wie Z −1 ab, wobei Z die Atomzahl des Mediums ist, da bei hohem Z die Bremsstrahlung schon bei niedrigeren Energien über die Kollisionsprozesse dominiert. Im Bezug auf elektromagnetische Schauer hat der Wert von ǫ mit der Energieverteilung der geladenen Teilchen zu tun, die zur Gesamtspurlänge T beitragen. Qualitativ liegt der größte Anteil dieser Energieverteilung unterhalb von ǫ, während die Teilchen im Schauer, die eine größere Energie als ǫ haben, meistens γ-Quanten sind. Das kann man quantitativer verstehen, wenn man die Spurlänge Tη der geladenen Teilchen betrachtet, die eine Energie größer als η besitzen. Mit der Notation von Fabjan [118] modifiziert sich Gl. (6.3) zu (ξ = 2.29 η/ǫ): Tη = F (ξ) E0 X0 (= F (ξ) T ). ǫ (6.5) In der Theorie von Rossi [117] lässt sich F (ξ) durch die folgende Formel berechnen (Ei(x) ist die sogenannte Integralexponentialfunktion) [118, 119]: F (ξ) = 1 + ξ e ξ Ei(−ξ) . (6.6) Die Spurlänge t(η)dη der geladenen Teilchen mit kinetischer Energie zwischen η 112 KAPITEL 6. DETEKTORANTWORTVERHALTEN und η + dη ist dann gegeben durch t(η) = − E0 F ′ (ξ) dξ 1 dTη = − X0 , A0 dη ǫ A0 dη (6.7) wobei die Konstante A0 = 1−F (ξ(E0 )) aus Normierungsgrunden eingeführt wird1 . Bezüglich der Scaling-Variablen ξ ist die Form dieser Funktion bis auf konstante Faktoren vom Medium und von der Anfangsenergie E0 unabhängig. In Abb. 6.2 ist der Verlauf der auf die Gesamtspurlänge T normierten Funktion von Gl. (6.7) aufgezeichnet. Wie man aus dem Vergleich von Kurven verschiedener kritischer Energien erkennt, sind bei kleinerem ǫ die Energien der zu T beitragenden Teilchen um kleinere Werte verteilt. Die Approximation von Gl. (6.5), und somit Gl. (6.7), gilt streng genommen nur in dem Bereich η ≪ E0 . Der genaue Abfall der Kurven in Abb. 6.2 bei η ≃ E0 ist aber für die Abschätzung der Cherenkov-Lichtausbeute im folgenden uninteressant, sofern der Fall E0 > ǫ betrachtet wird. Cherenkov-Kalorimetrie. Im letzten Abschnitt wurde gezeigt, dass bei elektromagnetischen Schauern tatsächlich ein linearer Zusammenhang zwischen Spurlänge der geladenen Schauerteilchen und Energie der Einfallteilchen besteht, wie sich aus den Gleichungen (6.3) und (6.5) schließen lässt. Allerdings sollte man, um eine Abschätzung der erwarteten Lichtausbeute zu ermitteln, die Formeln der Spurlänge mit denen der Cherenkov-Strahlung kombinieren. Unter Berücksichtigung des Zusammenhangs zwischen Geschwindigkeit und kinetischer Energie eines Teilchens der Masse m: s 1 β(η) = 1 − (6.8) (η/m + 1)2 kann die Anzahl der Cherenkov-Photonen, die von im Energiebereich zwischen η und η + dη Schauerteilchen abgestrahlt werden, durch das Produkt von Gl. (6.2) mit Gl. (6.7) ausgedrückt werden: dNph dNph = t(η) · (β(η)) . dη dx (6.9) Der Verlauf dieser Funktion ist in Abb. 6.3 dargestellt. Um den Vergleich zwischen max verschiedenen Medien zu vereinfachen, wurden die Kurven durch den Faktor Nph dividiert: dNph max (β = 1) · Tη thr , (6.10) Nph = dx 1 Durch die Normierungskonstante A0 gibt Gl. (6.7) im Gültigkeitsbereich der betrachteten Näherung, E0 ≫ ǫ, die Beziehung (6.5) wieder, denn in dem Fall gilt A0 ≃ 1. Durch die Einführung von A0 RE gilt Gl. (6.3) für die Gesamtspurlänge T = 0 0 dη(dT /dη) für alle Werte von E0 . 6.1. CHERENKOV-KALORIMETRIE 113 max dNph /dη / Nph [MeV−1 ] 0.3 0.25 PbF2 H2 O 0.2 0.15 0.1 0.05 0 0.1 1 10 η [MeV] 100 Abbildung 6.3: Anzahl der abgestrahlten Cherenkov-Photonen pro Energieeinheit als Funktion der kinetischen Energie des abstrahlenden Schauerteilchens. Die Energie E0 des einfallenden Teilchens ist 500 MeV. Die Kurven sind durch max dividiert (Erklärung im Text). Die linke Flanke der Kurden Wert Nph ven wird meistens von der Energieabhängigkeit der Cherenkov-Strahlung bestimmt (siehe Abb. 6.1), der rechte Abfall hingegen von der Energieverteilung der Schauerteilchen (Abb. 6.2), da bei hohen Energien die Anzahl der abgestrahlten Cherenkov-Photonen in der Weglängeneinheit konstant ist. Tabelle 6.1: Vergleich der wichtigen Parameter für die Abschätzung der CherenkovLichtausbeute in verschiedenen Medien. Von links nach rechts geben die Spalten der Tabelle folgende Parameter an: 1. Brechungsindex n bei der Welmax lenlänge λ = 300 nm; 2. Kritische Energie; 3. Strahlungslänge; 4. Nph (siehe Text) dividiert durch die Energie E0 des einfallenden Teilchens; 5. Abschätzung der Lichtausbeute pro MeV im linearen Bereich, d.h. die 4. Spalte multipliziert mit dem asymptotischen Wert der jeweiligen Kurve in Abb. 6.4. n @ 300 nm PbF2 H2 0 Luft 1.94 1.33 1+1.72E-4 ǫ [MeV] 9.04 78.72 87.92 X0 max Nph /E0 [MeV−1 ] Alim [MeV−1 ] 9.3 mm 360.8 mm 30.39 m 63.4 183.4 53.6 57.5 177.8 42.1 114 KAPITEL 6. DETEKTORANTWORTVERHALTEN 1 0.9 tot max Nph (E0 ) / Nph 0.8 0.7 0.6 0.5 0.4 PbF2 H2 O Luft 0.3 0.2 0.1 0 0 100 200 300 E0 [MeV] 400 500 Abbildung 6.4: Abschätzung der gesamten Lichtausbeute von verschiedenen CherenkovStrahlern als Funktion der Energie des einfallenden Primärteilchens. Die Kurven wurden durch Gl. (6.11) errechnet. Als Beispiel eines Mediums mit kleinem Brechungsindex wird auch das Ergebnis für Luft gezeigt (n = 1 + 1.72 · 10−4 , ǫ = 87.92 MeV [85]). Wegen der Normierung max gilt, dass ein konstanter Verlauf einem linearen Zusammenhang auf Nph zwischen Energieeintrag und Lichtausbeute entspricht. Die Gültigkeit der dargestellten Kurven wird im Text diskutiert. wobei ηthr die Schwellenenergie für die Produktion von Cherenkov-Photonen und somit Tη thr die sogenannte “sichtbare” Spurlänge [119] ist. Um eine Abschätzung der Lichtausbeute zu bekommen, muss das Integral Z E0 dNph tot Nph (E0 ) = dη (6.11) dη η thr max durchgeführt werden. In Abb. 6.4 ist dieses Integral dividiert durch Nph als Funktion von E0 dargestellt. Als Beispiel für ein Medium mit kleinem Brechungsindex wird auch die Kurve für Luft gezeichnet. In dem Fall E0 > ǫ liegt fast die Gesamtfläche unter den Kurven in Abb. 6.3 bei η-Werten, die viel kleiner als E0 sind, und Gl. (6.7) ist für die Berechnung von t(η) anwendbar. Wenn allerdings E0 ≃ ǫ oder kleinere Werte annimmt, ist der Verlauf der Kurven von Abb. 6.4 nicht sehr genau. Darüber hinaus ist in diesem Energiebereich die gesamte Näherung von Rossi nicht gültig, da dann Compton-Streuung und hochenergetische Ionisation nicht vernachlässigt werden können. Der Verlauf der Kurven bei sehr kleinen E0 -Werte ist jedoch von der Cherenkov-Lichterzeugung bestimmt (s. Abb. 6.1) und die Werte von t(η) spielen keine große Rolle. 6.1. CHERENKOV-KALORIMETRIE 115 Wenn man das für das A4-Experiment interessante Energieregime (E0 größer als 50 MeV) betrachtet, das innerhalb des Gültigkeitsbereichs der verwendeten Näherungen liegt, kann man schließen, dass man für Bleifluorid eine gute Linearität zwischen erzeugter Lichtmenge und zu messender Energie erwartet. Im Fall von Wasser ist hingegen die erwartete Linearität unterhalb etwa 200 MeV deutlich schlechter, während man für Luft mit gar keiner linearen Antwort rechnen kann. In der Tabelle 6.1 werden die für die Lichtausbeute entscheidenden Parameter für verschiedene Materialien angegeben. Von großer Bedeutung ist, neben dem Brechungsindex und der kritischen Energie, die Strahlungslänge X0 . Diese legt die Skala für die typische Gesamtspurlänge fest, bei großen Strahlungslängen legen die Teilchen durchschnittlich längere Wege zurück, und dadurch erhöht sich die Lichtausstrahlung. Proportional zu X0 sind aber auch die Dimensionen des elektromagnetischen Schauers, die die Größe des Detektors bestimmen. Diese ist wiederum aus zwei Gründen wichtig: Erstens muss man mit limitiertem Platz rechnen, und zweitens muss außer der Lichterzeugung auch der Lichtnachweis berücksichtigt werden. Wenn das Licht über großen Abständen propagieren muss, um den Photomultiplier zu erreichen, wird die Abschwächung aufgrund der Absorption bedeutsam. Diese Argumente schließen beispielsweise die Verwendung von Wasser als Kalorimetermaterial aus. Insgesamt ist für das A4-Experiment ein Material wie PbF2 ideal. Eine ausführliche Untersuchung von verschiedenen Cherenkov-Materialien hat zur Entscheidung für PbF2 geführt [76, 77]. 6.1.2 Energieauflösung Außer einer linearen Antwort ist für eine kalorimetrische Messung auch das Energieauflösungsvermögen wichtig. Alle im letzten Abschnitt angegebenen Formeln gelten für durchschnittliche Schauerverhalten und bieten keine Vorhersage über die wegen statistischer Fluktuationen erwarteten Abweichungen von diesem Verhalten. Betrachtet man eine monoenergetische Quelle der Energie E0 , so führen diese Fluktuationen dazu, dass das erhaltene Signal s um einen Wert s0 mit einer Standardabweichung σs verteilt ist. In der Regel [119] geht man von einer gaußförmigen Antwortfunktion aus und σs wird folgendermaßen ausgedrückt: a0 σs a1 =√ ⊕ ⊕b s0 E0 E0 (6.12) Da s0 linear mit√E0 zusammenhängt, ergibt der a0 -Term einen Beitrag zu σs , der proportional zu E0 ist. Er beruht darauf, dass die Fluktuationen in der Anzahl der Ladungsträger der Poissonstatistik folgen. Der a1 -Term in Gl. (6.12) hängt nicht von der Energie ab und stammt aus elektronischem Rauschen. Er kann für jeden Detektor gemessen werden. Schließlich ist der b-Term linear in E0 und enthält die Effekte von Schauerleckagen, Fluktuationen in der Gesamtspurlänge sowie Verlusten bei Lichtsammlung und -nachweis. 116 KAPITEL 6. DETEKTORANTWORTVERHALTEN Eine Abschätzung der Energieauflösung durch einfache Formeln ist nicht möglich. Um ihren Einfluss auf ein gemessenes Spektrum zu betrachten, müssen daher detaillierte Simulationen des Detektors durchgeführt werden. 6.2 Simulation der Kalorimeterantwort Die in Abschnitt 6.1 gegebene allgemeine Betrachtung der Cherenkov-Kalorimetrie ist aus verschiedenen Gründen nicht hinreichend, um die Detektorantwort zu verstehen: • Die angewandte Näherung ist im Falle von Medien mit großem Z nicht optimal, denn viele Schauerteilchen haben eine zu kleine Energie, um ComptonStreuung und hochenergetische Ionisation zu vernachlässigen. • Alle angegebenen Formeln gelten für durchschnittliche Schauerverhalten und bieten keine Vorhersage über die wegen statistischer Fluktuationen erwarteten Abweichungen von diesem Verhalten. • Geometrische Details des konkreten Detektoraufbaus müssen berücksichtigt werden, weil die endliche Ausdehnung des Detektors zu Verlusten der Energiedeposition im elektromagnetischen Schauer führt. • Neben der Lichterzeugung spielen auch die Lichtausbreitung durch die Kristalle sowie Lichtsammlung und -nachweis eine entscheidende Rolle für die Energieauflösung. Um all diese Aspekte zu berücksichtigen, ist es nötig, eine ausführliche G EANTSimulation des elektromagnetischen Schauers durchzuführen, bei der die Geometrie des Detektors detailliert eingegeben und auch jedes Cherenkov-Photon verfolgt werden muss. Eine solche G EANT4-Simulation des A4-Detektors wurde implementiert und ist in Ref. [106] beschrieben. Es muss allerdings in Betracht gezogen werden, dass G EANT zwar dafür geeignet ist, die Entwicklung von elektromagnetischen Schauern zu simulieren, wobei das Ergebnis der Simulation die Verteilung der Energiedeposition in den Materialien ist. Hierbei bezeichnet man als deponiert die Energie, die von Schauerteilchen an Atome als Anregungs- und Ionisationsenergie oder an sekundäre Teilchen übertragen wird, deren kinetische Energie unter einer festgelegten Schwelle liegt. Die Entwicklung von elektromagnetischen Schauern kann gut reproduziert werden, denn die zu simulierenden Prozesse hängen in guter Näherung nicht von den Charakteristika der einzelnen Detektormodule, sondern nur von wenigen Materialienparametern wie etwa Dichte, Strahlungslänge, Atomzahl usw. ab. Der Effekt der Photonstatistik auf die Energieauflösung kann hingegen durch eine G EANT-Simulation nicht vollständig reproduziert werden, weil verschiedene 6.2. SIMULATION DER KALORIMETERANTWORT Aspekte von den spezifischen Eigenschaften der einzelnen Detektormodule abhängen und daher nicht berücksichtigt werden können. Hierfür hat man beispielsweise: • Die Lichtpropagation durch einen Kristall wird von mehreren Faktoren beeinflusst, die sehr charakteristisch für jeden einzelnen Kristall sind, wie z.B. die Anwesenheit von Streuzentren oder optischen Defekten. • Die Reflexion des Lichtes an den Oberflächen zwischen Kristall und reflektierender Papierhülle ist, da letztere in Handarbeit gefertigt wurde, nicht in allen Einzelheiten bekannt. • Die Durchsichtigkeit der Kristalle hängt deutlich von der Bestrahlungszeit ab und ändert sich daher auch zwischen unterschiedlichen Messläufen. • Die Details der einzelnen optischen Kopplung zwischen Kristall und Photomultiplierfenster beeinflussen die Lichtsammlung. • Die Quanteneffizienz der Photomultiplier kann nur durch die vom Hersteller angegebenen nominellen Werte berücksichtigt werden. Beim einzelnen Photomultiplier können sich aber Abweichungen von diesen Werten ergeben. Durch eine G EANT-Simulation kann jedoch die Einwirkung der Photonstatistik auf das Antwortverhalten eines idealen Detektors untersucht werden. Damit ist gemeint, dass eine Simulation des Cherenkov-Schauers, die Lichterzeugung, -ausbreitung und -nachweis miteinbezieht, durch Verfolgung aller Cherenkov-Photonen durchgeführt werden kann und als Resultat die Anzahl Npe der in jedem Photomultiplier erzeugten Photoelektronen ausgibt. Für eine solche Simulation werden nur folgende Parameter benötigt, deren Werte stichprobenartig gemessen werden können: Brechungsindex und Absorptionlänge von PbF2 , Reflexions- und Rauheitskoeffizient der Papierhülle, Quanteneffizienz des Photomultipliers. Obwohl es trotz dieser Einschränkungen möglich ist, eine ausführliche Simulation des Cherenkov-Lichtschauers zu realisieren, kann eine solche Simulation aufgrund der großen Anzahl der zu verfolgenden Cherenkov-Photonen und der damit verbundenen Rechenzeiten nicht für die Simulation des Energiespektrums mit hinreichender Statistik verwendet werden. Die Simulation des elektromagnetischen Schauers hingegen ist auch für eine große Anzahl von Ereignisse (∼ 106 ) praktikabel. Wie schon in [76] vorgeschlagen, kann allerdings die Sammelwahrscheinlichkeit des Lichtes, d.h. die Wahrscheinlichkeit, dass ein in einem Kristall ausgestrahltes Photon das Photomultiplierfenster trifft, einmalig durch Verfolgung der Lichtquanten in einer Simulation bestimmt werden. Nachher werden nur die Anfangszustände der Photonen benötigt (Lage und Impuls) und nicht mehr ihre Verfolgung durch die Kristalle, um die vollständige Detektorantwort zu beschreiben. Dieses Verfahren wird im nächsten Abschnitt vorgestellt. 117 118 KAPITEL 6. DETEKTORANTWORTVERHALTEN 6.2.1 Simulation der Lichtsammeleffizienz Obwohl die Lichtausbeute von PbF2 im betrachteten Energiebereich einen linearen Zusammenhang mit der deponierten Energie aufweist, ist die Ausstrahlrichtung der erzeugten Photonen nicht isotrop, sondern stark mit der Entwicklungsrichtung des elektromagnetischen Schauers korreliert. Dies kommt zustande, weil der Winkel θc zwischen dem Impuls des ausstrahlenden Teilchens und der Ausstrahlrichtung bei Cherenkov-Strahlung festgelegt ist: cos θc = 1 . nβ (6.13) Die Lichtsammeleffizienz – und somit die Nachweiswahrscheinlichkeit der Lichtquanten – hängt stark von der Ausstrahllage und -richtung ab. Bei Schauern, die sich ungefähr entlang der Kristallachse entwickeln, wird das Licht immer mit ähnlichen Richtungsverteilungen erzeugt, was dazu führt, dass die Sammeleffizienz ungefähr konstant bleibt und die Signalstärke in guter Näherung proportional zur Lichtausbeute ist. Die Entwicklung der elektromagnetischen Schauer weist allerdings statistische Fluktuationen auf, die im Kalorimeter noch stärker werden, wenn man bedenkt, dass die Schauer schon in den Materialschichten vor den PbF2 -Kristalle anfangen. Besonders bei Ereignissen, die zum Konversionsuntergrund beitragen, bei denen also ein γ-Quant vor dem Szintillationszähler wechselwirkt, sind diese Fluktuationen sorgsam zu betrachten. Da die für die Verfolgung aller Cherenkov-Photonen notwendige Rechenzeiten allerdings viel zu lang sind, um genügend Statistik zu erreichen, muss eine Parametrisierung der Lichtsammeleffizienz verschafft werden. Solche Parametrisierung soll das ermöglichen, anhand von Ausstrahllage und -richtung bezüglich der Kristallachse und Wellenlänge des Lichtquantes die Wahrscheinlichkeit zu berechnen, dass das betrachtete Photon zum Photomultiplierfenster kommt. Zu diesem Zweck wurde eine G EANT-Simulation implementiert, in der optische Photonen unterschiedlicher Wellenlängen aus verschiedenen Anfangspositionen im Kristall und mit verschiedenen Anfangsrichtungen verfolgt werden. Diese Photonen können entweder absorbiert werden oder den Kristall verlassen2 oder das Photomultiplierfenster erreichen. Durch Aufzählen der zum Fenster gesammelten Photonen wurde eine statistische Häufigkeit bestimmt und somit die Sammelwahrscheinlichkeit als Funktion der Anfangsvariablen abgeschätzt. Es gäbe im Prinzip sechs Anfangsvariablen: drei Ortskoordinaten und drei Impulskomponenten. Dieser sechsdimensionale Raum sollte in Bins (Klassen) unterteilt werden, die aufgrund der großen Dimensionalität sehr zahlreich wären und für die Abschätzung der Sammelwahrscheinlichkeit ungenügende Einträge enthielten. 2 In diesem Fall könnte das Photon zum Signal eines Nachbarkristalls beitragen. Aufgrund der hohen Reflektivität der Papierhülle ist diese Möglichkeit jedoch sehr unwahrscheinlich und der Effekt kann vernachlässigt werden. 6.2. SIMULATION DER KALORIMETERANTWORT 119 0.90 0.7 0.75 0.6 0.5 0.60 prob. 0.4 0.45 0.3 0.30 0.2 0.1 0.15 180 150 120 z [mm] 90 60 30 0 −1 −0.5 0 0.5 1 cos θ Abbildung 6.5: Beispiel für die statistisch ermittelte Sammeleffizienz. Die betrachtete Wellenlänge ist 450 nm. Es ist deswegen notwendig, die Anzahl der betrachteten Dimensionen zu reduzieren. Hier wurde den Ansatz gewählt, die Abhängigkeit der Sammelwahrscheinlichkeit von den transversalen Ortskoordinaten und vom Azimutwinkel zu vernachlässigen. Hierbei und im Folgenden muss man verstehen, dass die z-Achse entlang der Kristallachse ausgewählt wurde. Darüber hinaus gibt der Wert von z den Abstand zum Photomultiplierfenster an und cos θ=0 entspricht einem Impuls in Richtung des Photomultipliers. In Abb. 6.5 ist ein Beispiel für die so bestimmte Sammeleffizienz bei einer bestimmten Wellenlänge λ abgebildet. Wie man erwartet, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Photon den Photomultiplier trifft, am größten, wenn das Photon mit θ = 0 ausgestrahlt wird. Diese nimmt dann mit dem Abstand ab. Für θ → π wächst die Wahrscheinlichkeit wieder, weil das Photon durch eine einzige Reflexion zum Photomultiplier gelangen kann. In diesem Fall ergeben sich die größten Werte bei großen Abständen z, denn so ist der zurückzulegende Weg am kürzesten. Es wurde ein Gitter im dreidimensionalen (λ,z,θ)-Raum erzeugt, und die statistische Häufigkeit der gesammelten Photonen an jedem Gitterknoten wurde durch gleichförmige Abtastung der drei Variablen x, y, und φ als Mittelwert über alle 120 KAPITEL 6. DETEKTORANTWORTVERHALTEN 2000 1800 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 500 450 400 350 300 250 200 150 100 50 0 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 200 300 400 500 600 700 800 900 λ [nm] 200 300 400 500 600 700 800 900 λ [nm] Abbildung 6.6: Gültigkeitsprüfung der parametrisierten Sammeleffizienz. Die Histogramme stellen das Wellenlängespektrum der Photonen dar, die das Photomultiplierfenster erreichen. Die roten Punkte sind das Ergebnis einer vollständigen Simulation von 106 Ereignissen mit gleichförmig verteilten Anfangszuständen. Dabei wurden die Photonen mit G EANT durch den Kristall verfolgt. Die grünen Linien wurden aus den Anfangszuständen durch die Anwendung der Parametrisierung der Sammeleffizienz erhalten. Bei den vier Plots wurden verschiedenen Schnitte in der Transversalkoordinaten x, y und im φ-Winkel angewendet. Diese Schnitte werden in den obenlinks abgebildete Diagramme schematisch dargestellt. Das Quadrat gibt den (x,y)-Schnitt an und der Kreis den φ-Schnitt. Weitere Schnitte wurden verwendet und ergeben dieselbe Verträglichkeit wie die aufgezeichneten Beispiele. 6.2. SIMULATION DER KALORIMETERANTWORT mögliche Transversalpositionen und φ-Winkeln bestimmt. Solche dreidimensionalen Gitter wurden für alle sieben Kristalllängen (je Kalorimeterring) erzeugt, und im Rahmen der Detektorantwortsimulation wurde zwischen den Werten an den Gitterknoten linear interpoliert. Als Validierung für die Annahme, dass die Abhängigkeit von den transversalen Ortskoordinaten und vom φ-Winkel vernachlässigbar ist, wurde ein weiteres Sample von einer Million Ereignissen simuliert. Dieses Mal wurden auch λ, θ und z gewürfelt. Spektren der gesammelten Photonen wurden für die beiden Fälle erzeugt: a) mit vollständiger Verfolgung der Photonen und b) nur durch die Anwendung der Parametrisierung der Sammeleffizienz und die Kenntnis des Anfangszustands. Solche Spektren wurden unter der Anwendung von verschiedenen Schnitten in Transversalpositionen und φ-Winkeln erzeugt und verglichen. Beispiele dieser Resultate sind in Abb. 6.6 dargestellt. Eine gute Verträglichkeit der beiden Verfahren wird dabei bewiesen. Im nächsten Abschnitt wird noch gezeigt, dass die Mittelung über transversale Ortskoordinaten und φ-Winkel auch keine erheblichen Unterschiede in der simulierten Detektorantwort verursacht. 6.2.2 Simulation des Energieauflösungsvermögens Hier wird explizit die relative Energieauflösung des Kalorimeters in der Standardform (6.12) aus Simulationsergebnissen extrahiert, d.h. die Parameter a0 und b werden aus den Simulationsresultaten bestimmt. Dies hat zwei Zwecke: Erstens wird der direkte Vergleich mit den Messungen der Energieauflösung möglich, und somit kann das Simulationsverfahren geprüft werden. Zweitens können die Energieauflösungsparameter sowohl aus einer Simulation mit Verfolgung aller CherenkovPhotonen als aus durch die parametrisierte Lichtsammeleffizienz bestimmt werden, was einen Test der Anwendung einer solchen Parametrisierung bietet. Simulationsdaten. Es wurden 10000 elektroninduzierte Schauern simuliert. Die Anfangsenergie E0 der Elektronen wurde zwischen 10 MeV und 1200 MeV zufällig ausgewählt, die Richtung des primären Teilchens war senkrecht zur Kristallfrontfläche und zielte auf den Mittelpunkt dieser Oberfläche. Diese Konfiguration entspricht der 1998 durchgeführten Testmessungen zur Bestimmung des Energieauflösungsvermögens [77]. Bei diesen Messungen wurden Energiespektren mit einem 3×3-Kristallcluster vermessen, der direkt in der MAMI-Strahlrichtung unter zentralen Einschuss gestellt war. Neben der Anfangsenergie E0 wurden von jedem Schauer für jedes Detektormodul k folgende Variablen gespeichert: • Deponierte Energie Edk ; k • Anzahl der ausgestrahlten Cherenkov-Photonen Nph ; 121 122 KAPITEL 6. DETEKTORANTWORTVERHALTEN 100 Nph vs E0 Nph vs Ed Nph / 103 80 60 40 20 0 0 200 400 600 E [MeV] 800 1000 1200 Abbildung 6.7: Beispiel für Ergebnisse der G EANT-Simulation von Cherenkov-Schauern mit festen Einschussrichtungen und Eintrittspunkten. Für jedes Ereignis ist die Anzahl der ausgestrahlten Photonen gegen die deponierte Energie Ed (rot) oder die gesamte Energie E0 (grün) aufgetragen. Die Differenz zwischen E0 und Ed entspricht dem Energieverlust aufgrund der Schauerleckagen. Diese Differenz ergibt eine Verschiebung nach links der roten bezüglich der grünen Punkte. k • Anzahl der im Photomultiplier erzeugten Photoelektronen Npe . Die Gesamtwertvariablen Ed , Nph und Npe bezeichnen jeweils die Summe der entk sprechenden Variablen über den 3×3-Modulencluster um das Maximum von Npe . Als Beispiel betrachte man die in Abb. 6.7 gezeigten Simulationsresultate. Die Anzahl der Cherenkov-Photonen Nph ist sowohl gegen die Anfangsenergie E0 (grün) als auch gegen die deponierte Energie Ed (rot) aufgetragen. Wie man schon von diesem Bild qualitativ erkennen kann, sind Ed und Nph viel stärker korreliert als E0 und Nph , und zwar weichen die beiden Datensätze mit steigender Einschussenergie immer mehr voneinander ab, denn die Schauerverluste werden aufgrund der endlichen Ausdehnung des Kristallenclusters größer. Die sehr starke lineare Abhängigkeit der Lichtausbeute mit der deponierten Energie bestätigt die Erwartungen von Abs. 6.1 Analyse der Simulationsergebnisse. Zweck dieser Analyse ist die Untersuchung der Korrelationen zwischen den Variablen E0 , Ed , Nph und Npe . Ansatzweise wer- 6.2. SIMULATION DER KALORIMETERANTWORT 123 den E0 und Ed als Inputparameter betrachtet, Nph und Npe als Signal oder Output. Allgemein kann man dann die Indizen weglassen. Gesucht wird eine Funktion f (N|E; pi), welche die Wahrscheinlichkeitsverteilung von N bei gegebenem E angibt und von den zu definierenden Parametern pi abhängt. Aufgrund der im Abschnitt 6.1.2 beschriebenen allgemeinen Betrachtung der Energieauflösung wird für f (N|E; pi ) eine gaußsche Form angenommen (N − N̄(E))2 1 exp − f (N|E) = p , (6.14) 2σN (E)2 2πσN (E) und somit reduziert sich das Problem auf die Suche nach zwei Funktionen von E, die jeweils den Mittelwert N̄ (E) und die Standardabweichung σN (E) von f (N|E) angeben. Für den Mittelwert N̄(E) wird folgender Zusammenhang vorausgesetzt: N̄ (E) = m E − q [1 − exp(−E/λ)] . (6.15) Da eine starke lineare Korrelation zwischen den N- und den E-Variablen besteht, kommt der wesentliche Beitrag zu diesem Ausdruck vom ersten Term. Der zweite Term wird eingeführt, um die bei kleinen Energien erwarteten Abweichungen vom linearen Verhalten zu berücksichtigen. Im Fall von Nph ist dieser Term vernachlässigbar klein, was die Erwartung bestätigt, dass die Cherenkov-Lichterzeugung in Bleifluorid bis auf sehr kleine Energien linear ist. Betrachtet man aber die Anzahl der Photoelektronen Npe , so stellt man fest, dass der zweite Term in (6.15), obwohl nicht entscheidend, eine bessere Beschreibung der Daten ermöglicht. Das liegt daran, dass sich bei kleineren Energien der elektromagnetische Schauer im vorderen Teil des Kristalls entwickelt und somit die Cherenkov-Photonen einen längeren Weg durch den Kristall zurücklegen müssen, um den Photomultiplier zu erreichen. Diese leichte Abhängigkeit der Nachweiswahrscheinlichkeit von der Ausstrahllage entlang der Kristallachse wurde schon in [76] untersucht. Die Form von σN (E) wird durch den empirischen Ansatz (6.12) festgelegt: r σN (E) c = +d. (6.16) E E Hier entspricht der c-Term unter der Quadratwurzel dem von der LadungsträgerStatistik abhängenden a0 -Term in Gl. (6.12) und der d-Term dem auf den Schauerfluktuationen beruhenden b-Term. Der in der empirischen Formel enthaltene a1 Term ist vom elektronischen Rauschen verursacht und wird in der Simulation nicht betrachtet. Insgesamt hängt f (N|E; pi ) von fünf Parametern ab, {pi } = {m, q, λ, c, d} , (6.17) 124 KAPITEL 6. DETEKTORANTWORTVERHALTEN deren Werte aus den Simulationsdaten durch eine bedingte Anpassung (conditional fit) der Wahrscheinlichkeitsverteilung f (N|E) an die (E, N)-Datensätze extrahiert werden können. Um eine bessere Konvergenz des Fits zu erreichen, wurde die reduzierte Variable ν = N/E eingeführt, deren bedingte Wahrscheinlichkeitsverteilung φ(ν|E) auch gaußförmig ist und von denselben Parametern (6.17) abhängt. Der Mittelwert ν̄(E) wird durch (6.15) definiert, ν̄(E) = m − q [1 − exp(−E/λ)] , E (6.18) und die Standardabweichung σν (E) = σN (E)/E ist in Gl. (6.16) schon in der richtigen Form angegeben. Zwei Beispiele für (E, ν)-Datensätze sind in Abb. 6.8 gezeigt. Verwendet werden die Variablen Npe zusammen mit jeweils E0 (oben) bzw. Ed (unten). Die Fitresultate für den Mittelwert ν̄(E) sind ebenfalls eingezeichnet. Um die Güte der Anpassung zu ermitteln, wurde ein χ2 -Wert folgendermaßen errechnet: Der E-Bereich (E0 oder Ed ) wurde in Intervalle der Breite von 100 MeV unterteilt. Für jedes Intervall wurde durch Projektion auf die ν-Achse ein Histogramm erzeugt. Beispiele für solche Histogramme sind in Abb. 6.9 dargestellt. Da die bedingte Anpassung keine Aussage über die Verteilung der Variablen E ermöglicht, wird diese berücksichtigt, indem die Werte Ei der einzelnen Ereignisse betrachtet werden. Jeder dieser Werte definiert eine φ(ν|Ei )-Verteilung, und die Überlagerung aller dieser Verteilungen wurde gebildet. Die so erhaltenen Kurven sind ebenfalls in Abb. 6.9 gezeigt. Mit diesen Kurven und Histogrammen wurde der χ2 -Wert berechnet. Dieser hat streng genommen nicht die übliche statistische Bedeutung, die man aus der χ2 -Verteilung erwartet, da die Fits an die ungebinnten Daten über Maximum-Likelihood erfolgt sind. Trotzdem kann dieser χ2 -Wert als ein Maßstab für die Verträglichkeit der Fitresultate mit den angefitteten Daten angesehen werden. Durch dieses Fitverfahren wurden alle Kombinationen der N- und E-Variablen sowohl für die vollständige Simulation (Verfolgung der Cherenkov-Photonen) als auch mit der parametrisierten Sammeleffizienz analysiert. Die Resultate der Fits an die Simulationsdaten sind in der Tabelle 6.2 angegeben. Bei den Fits mit der Anzahl der erzeugten Cherenkov-Photonen (N = Nph ) wurden die Parameter q und λ von Gl. (6.15) nicht angepasst und somit wurde ein reiner linearer Zusammenhang N̄ph (E) = m E vorausgesetzt. Zusätzlich wurde der Fit mit ν = Nph /Ed ohne den d-Parameter ausgeführt, da er mit Null verträglich war und die Konvergenz des Fits nur verschlechterte. Im Kapitel 3 wurde die Absorptionslänge von Bleifluorid als Funktion der Lichtwellenlänge angegeben, die an Kristallen gemessen wurde, die eine Strahlendosis von 100 Gy aufgenommen hatten. Es hat sich gezeigt, dass diese Werte die Energieauflösung bei den Messungen unter Rückwärtswinkeln gut reproduzieren können, da sie nach mehreren Jahren Betrieb am Strahl stattfanden. Zum Vergleich mit 6.2. SIMULATION DER KALORIMETERANTWORT 125 3.5 Npe /E0 [MeV−1 ] 3 2.5 2 1.5 1 0.5 0 0 200 400 600 E0 [MeV] 800 1000 1200 800 1000 1200 (a) 3.5 Npe /Ed [MeV−1 ] 3 2.5 2 1.5 1 0.5 0 0 200 400 600 Ed [MeV] (b) Abbildung 6.8: (E, ν)-Datensätze mit Verfolgung der Cherenkov-Photonen. Aufgetragen ist die Anzahl der Photoelektronen in einem 3×3-Modulencluster pro MeV (νpe = Npe /E) in Abhängigkeit von der Energie E0 des einfallenden Elektrons (a) bzw. der im Kristallcluster deponierten Energie Ed (b). Die Ergebnisse der bedingten Fits für den Mittelwert ν̄(E) der φ(ν|E)-Verteilung werden als Kurven gezeigt. 126 KAPITEL 6. DETEKTORANTWORTVERHALTEN 120 0-100 MeV 100-200 MeV 200-300 MeV 300-400 MeV 400-500 MeV 500-600 MeV 600-700 MeV 700-800 MeV 800-900 MeV 900-1000 MeV 1000-1100 MeV 1100-1200 MeV 100 80 60 40 20 0 120 100 80 60 40 20 0 120 100 80 60 40 20 0 120 100 80 60 40 20 0 1 1.5 2 2.5 1 1.5 2 Npe /Ed [MeV−1 ] 2.5 1 1.5 2 2.5 Abbildung 6.9: Die Histogramme wurden durch Intervallbildung aus der Abb. 6.8-(b) erhalten. Hier sind allerdings die Daten der Simulation mit Parametrisierung der Lichtsammeleffizienz aufgetragen. Der gesamte Datensatz wurde in Ed -Bereiche der Breite von 100 MeV unterteilt und diese Untermengen wurden auf die ν-Achse projiziert. Die Kurven sind keine direkten Fits an diese Histogramme, sondern gewichtete Projektionen der aus dem Fit erhaltenen bedingten Verteilung φ(ν|Ed ) (s. Text). 6.2. SIMULATION DER KALORIMETERANTWORT 127 Tabelle 6.2: Fitergebnisse für verschiedene Kombinationen der N - und E-Parameter. Die Bezeichnungen “voll.”, “param.” und “unbestr.” beziehen sich jeweils auf die Simulation mit vollständiger Verfolgung der Cherenkov-Photonen, mit parametrisierter Lichtsammeleffizienz bzw. mit der Absorptionslänge von unbestrahlten PbF2 -Kristallen. Angegeben sind die Werte der Fitparameter, die jeweils angepasst wurden. ν(E) voll. Nph /Ed Nph /E0 Npe /Ed Npe /E0 m [MeV−1 ] 73.07 ± 0.01 69.14 ± 0.02 q λ [MeV] c [MeV] d · 103 χ2 /ndof 1174 ± 17 2395 ± 71 500 ± 100 4.3 ± 0.3 3.7 ± 0.2 1.34 1.05 1.91 ± 0.01 1.79 ± 0.01 67 ± 14 345 ± 58 51 ± 8 271 ± 42 2.17 ± 0.09 3.01 ± 0.11 0.66 1.26 param. Npe /Ed Npe /E0 1.86 ± 0.01 1.75 ± 0.01 55 ± 9 44 ± 5 296 ± 43 235 ± 33 2.11 ± 0.08 2.88 ± 0.11 4.3 ± 0.2 3.0 ± 0.2 1.34 0.98 unbestr. Npe /Ed Npe /E0 3.10 ± 0.01 2.92 ± 0.01 37 ± 7 23 ± 4 236 ± 45 147 ± 32 4.73 ± 0.16 6.95 ± 0.21 3.3 ± 0.3 1.9 ± 0.3 0.98 0.89 den Testmessungen für die direkte Bestimmung des Energieauflösungsvermögens werden allerdings die Werte der Absorptionslänge verwendet, die mit neuen (unbestrahlten) Kristallen gemessen wurden. Mit solchen Werten wurde dann eine zweite Simulation ausgeführt, deren Resultate ebenfalls in der Tabelle 6.2 angegeben sind. Bemerkenswert an der Tabelle ist Folgendes: • Die Anzahl der ausgestrahlten Cherenkov-Photonen pro MeV deponierter Energie liegt in der Größenordnung der im Abschnitt 6.1 angegebenen Abschätzung. Der Wert ist hier allerdings erwartungsgemäß etwas größer, denn bei der Approximation von Rossi [117] werden nicht alle Schauerkomponenten berücksichtigt, die zur gesamte Spurlänge beitragen. • Die Fits an die Simulationsdaten mit parametrisierter Lichtsammeleffizienz weichen nur sehr wenig von den Resultaten der vollständigen Simulation ab, was für die Anwendbarkeit der Parametrisierung spricht. Die Anzahl der Photoelektronen pro Energieeinheit ist dabei leicht kleiner, vermutlich wegen der Mittelung über die transversalen Koordinaten, da man bei zentralem Treffer der Kristalloberfläche erwartet, dass die Photonen meistens in der Nähe der Kristallachse ausgestrahlt werden. Bei der Simulation des Spektrums, wobei die Einschusspunkte über die ganze Kristalloberfläche verteilt sind, wird dieser Effekt unwesentlicher. • Die Fitfunktion ν̄(E) aus Gl. (6.18) wurde heuristisch erfunden, um ν̄pe (E0 ) zu beschreiben, damit die Anpassungen mit den Messungen verglichen wer- 128 KAPITEL 6. DETEKTORANTWORTVERHALTEN 10 ∆E/E [%] 8 6 4 2 0 0.2 0.4 0.6 0.8 E [GeV] 1 1.2 Abbildung 6.10: Vergleich der Simulationergebnisse mit direkten Messungen des relativen Energieauflösungsvermögens. Die Punkte wurden 1998 mit einem Testkalorimeter am Strahl gemessen [77]. Die rote Kurve ist ein Zweiparameterfit der Form (6.12), wobei der Rauschterm a1 am Pedestal gemessen wurde. Die grünen Kurven sind Simulationsergebnisse mit PbF2 Abschwächlänge für unbestrahlte Kristalle (durchgezogen) bzw. nach einer Strahlendosis von 100 Gy (gestrichelt). Die Funktion ist ebenso von der Form (6.12), wobei die Parameter a0 und b ausschließlich durch die Simulation bestimmt wurden, während a1 derselbe gemessene Wert wie bei der Fitkurve zugewiesen wurde. den können. Sie ist jedoch weniger für ν̄pe (Ed ) geeignet, wie man auch an den χ2 -Werten erkennt. 6.2.3 Messungen des Energieauflösungsvermögens Testmessungen zur Bestimmung des Energieauflösungsvermögens wurden 1998 durchgeführt [77]. Bei diesen Messungen wurden Energiespektren mit einem 3×3Kristallcluster vermessen, der direkt in der MAMI-Strahlrichtung unter zentralem Einschuss gestellt war. Aus den so aufgenommenen Spektren konnte man die in Gl. (6.12) definierte relative Energieauflösung R ≡ σs /s0 messen. Insgesamt wurde mit drei verschiedenen Strahlenergien gemessen. Durch eine Anpassung an den Verlauf von R(E0 ) wurden die Parameter a0 und b von Gl. (6.12) bestimmt, während der Wert von a1 mit der Messung der Breite am Nullpunkt fest- 6.3. SIMULATION DER SZINTILLATIONSZÄHLER 129 gelegt wurde. Zusammengefasst sind die Ergebnisse: a0 = (2.75 ± 0.01)% GeV1/2 a1 = (0.60 ± 0.05)% GeV b = (1.66 ± 0.01)% (6.19) Der Fitverlauf ist in Abb. 6.10 als rote Kurve dargestellt. Auf demselben Plot ist in grün die Kurve aufgetragen, die man aus den Simulationsresultaten vom letzten Abschnitt erhält. Dabei wurde der Wert von a1 aus der Messung der Pedestalbreite übernommen. Simulationsergebnisse und Fit an die Messwerte sind miteinander verträglich. Dieses Resultat zeigt, dass das hier vorgestellte Simulationsverfahren in der Lage ist, die Energieauflösung des A4-Kalorimeters zu reproduzieren. Der Effekt der aufgenommenen Strahlendosis, die in der Simulation durch die Werte der Absorptionslänge vom Bleifluorid berücksichtigt wird, ist in der Abbildung durch die gestrichelte Kurve deutlich zu sehen. Es sei hier betont, dass die Formel (6.12) nicht ausreicht, um das im normalen Experimentbetrieb gemessene Energiespektrum zu simulieren. Insbesondere, da der Parameter b unter anderem von den Schauerleckagen abhängt, ist sein Wert auf die Einschussrichtung und -position auf der Kristalloberfläche sehr empfindlich. Beim normalen Experimentbetrieb werden die nachzuweisenden Teilchen an verschiedenen Stellen im Target und unter unterschiedlichen Winkeln gestreut. Außerdem können sie von den Materialschichten abgelenkt werden, die sich auf ihrem Weg zum Detektor befinden. Deswegen wird die Kristalloberfläche an verschiedenen Stellen und mit unterschiedlichen Einfallswinkeln getroffen, was im vorgestellten Messverfahren nicht der Fall war. Der in (6.19) gegebene Wert von b kann deswegen für die effektive Energieauflösung beim normalen Experimentbetrieb nicht verwendet werden. Um die Detektorantwort in einer Simulation des Energiespektrums zu berücksichtigen, bleibt es daher notwendig, die im Target gestreuten oder erzeugten Teilchen in einer G EANT-Simulation bis zum Kalorimeter zu verfolgen und den elektromagnetischen Schauer im Kalorimeter vollständig zu simulieren. 6.3 Simulation der Szintillationszähler Die Szintillatorzähler müssen aus zwei Gründen in die Simulation eingebaut werden: Erstens muss für jedes Ereignis die Koinzidenzbedingung simuliert werden, um die Beiträge der verschiedenen Streuprozesse zum Spektrum der geladenen Teilchen von denen zum Spektrum der neutralen Teilchen zu unterscheiden. Zweitens sollen die Unterschiede im Antwortverhalten der Apparatur zu γ-Ereignissen im Spektrum der ungeladenen Teilchen und zu γ-Konversionsereignissen untersucht werden, um die Parameter für den Untergrundabzug zu bestimmen. Die entscheidende Bedingung für die Auslösung eines Koinzidenzereignisses in der Elektronik ist, dass die Pulshöhe des Szintillatorsignals innerhalb eines gegebenen Schwellenbereichs liegt [86]. Im folgenden wird gezeigt, dass eine solche 130 KAPITEL 6. DETEKTORANTWORTVERHALTEN Bedingung in der Simulation durch den Vergleich der simulierten Energiedeposition im Szintillationsmaterial mit Schwellenscan-Daten berücksichtigt werden kann. Daraus resultiert eine Eichung der Spannungswerte der elektronischen Schwellen, die dadurch in entsprechende Energiewerte übersetzt werden. Simulation des Antwortverhaltens der Szintillatoren. Um die Koinzidenz zwischen Szintillatoren und Kalorimeter in der Detektorantwort zu berücksichtigen, wurden zuerst Positionen und Maße der Szintillatoren (s. Anhang A) sowie die Eigenschaften des Szintillationsmaterial Polyvinyltoluene (Tab. 3.3) in die Definition der Aufbaugeometrie für die G EANT-Simulation eingefügt. Im Unterschied zur Cherenkov-Strahlung wird das Szintillationslicht isotrop ausgestrahlt. Deswegen ist die Simulation der Energiedeposition eines Ereignisses im Szintillatormaterial ausreichend, um die Antwort der Szintillationsdetektoren zu reproduzieren. Die Effekte der Geometrie auf die Lichtpropagation können dann vernachlässigt werden. Hier wurden allerdings die Effekte der Lichtabsorption untersucht (s. auch Kapitel 3.4), und es wurde festgestellt, dass diese von der aufgenommenen Strahlendosis abhängen, jedoch für die Bestimmung der Schwellenwerte keine bedeutsame Rolle spielen. Zur Eichung der Szintillatoren muss die simulierte Energiedeposition mit den gemessenen Signalen verglichen werden. Die deponierte Energie für ein minimal ionisierendes Elektron in einer dünnen Materialschicht folgt der Landauverteilung mit einem wahrscheinlichsten Wert (Peaklage der Landaukurve), der von der Dicke der Materialschicht abhängt. Wie in Abb. 6.11 schematisch dargestellt wird, hängt die mittlere Weglänge im Szintillatormaterial vom Streuwinkel ab, und somit von dem Kalorimeterring, in dem das Ereignis registriert wird. Formal betrachtet man hier den Abstand z des Schwerpunkts der Energiedeposition zum Photomultiplier. Aus einfachen geometrischen Überlegungen kann die Abhängigkeit der mittleren Weglänge l(z) von z im Szintillator und somit eine naive Erwartung für die Abhängigkeit von z der deponierten Energie Ed (z) folgendermaßen geschrieben werden (Abb. 6.11): Ed (z) = k · l(z) = k · h hp 2 =k· H + (z0 − z)2 . sin α H (6.20) Aus der Simulation von elastischen Elektron-Proton-Streuereignissen werden die Variablen z und Ed ermittelt. Sortiert man die Ereignisse nach dem Kalorimeterring, zu dessen Spektrum sie beitragen, so erhält man die Verteilungen von z und Ed , die jeweils in Abb. 6.12 bzw. Abb. 6.13 gezeigt werden. Die z-Verteilungen lassen sich durch Gauß-Funktionen anpassen (mit der Ausnahme der Ringe 1 und 7, wo die Effekte der Szintillatorränder sichtbar sind). Die Ed -Verteilungen können, wie erwartet, durch Landaukurven beschrieben Werden. Wenn man nun die Peaklagen der Ed -Landaukurven gegen die Mittelwerte der Gaußfits zu den z-Verteilungen aufträgt, erhält man eine ziemlich deutlich lineare Abhängigkeit, wie man in Abb. 6.14 sehen kann, wobei ein Geradenfit an die Punkte 6.3. SIMULATION DER SZINTILLATIONSZÄHLER 131 n Ri n Ri g g 7 1 h PMT Szintillator H z Target α z0 Abbildung 6.11: Abhängigkeit der mittleren Weglänge im Szintillator vom Streuwinkel α. Streuereignisse mit unterschiedlichen Streuwinkeln werden in unterschiedlichen Kalorimeterringen registriert. Die mittlere Weglänge im Szintillator ist für zum Spektrum verschiedener Ringe beitragende Ereignisse unterschiedlich. Daher erwartet man nach Gl. (6.20) auch unterschiedliche deponierte Energien. Darüber hinaus ist die mittlere Lage der Energiedeposition vom Ring abhängig. Diese mittlere Lage wird hier durch den Abstand z vom Photomultiplier gekennzeichnet. gezeigt ist. Zusätzlich wird dabei zum Vergleich die naive Erwartung für Ed (z) aus Gl. (6.20) aufgezeichnet, wobei die Konstante k angepasst wurde. Daten aus Schwellenscans und Eichung der Szintillatoren. Zur Eichung der Szintillatorpulse und somit der Schwellenwerte für die Koinzidenzbedingung sollen die im letzten Abschnitt gezeigten Simulationsergebnisse mit einer Messung der Pulshöhenverteilung bei elastischen Streuereignissen verglichen werden. Hierzu beschränkt man sich aus verschiedenen Gründen auf die elastischen Streuereignisse: • Sie stellen eine nahezu monoenergetische Elektronenquelle dar, und somit ist die deponierte Energie im Szintillator in sehr guter Näherung landauverteilt3. 3 Bei den hier betrachteten Energien ist die Abhängigkeit der Energiedeposition von der Einfallsteilichenenergie sehr schwach. Trotzdem würde ein kontinuierliches Spektrum der einfallenden Teilchen zu eine Überlagerung vieler nebeneinanderliegenden Landauverteilungen führen, die sich schwieriger als bei einer monoenergetischen Quelle durch eine einfache Landaukurve anfitten ließe. Zä hlereinisse 132 KAPITEL 6. DETEKTORANTWORTVERHALTEN 700 600 500 400 300 200 100 0 Ring 1 0 700 600 500 400 300 200 100 0 150 Ring 2 300 450 0 Ring 5 0 150 150 Ring 3 300 450 0 Ring 6 300 450 0 150 150 Ring 4 300 450 0 300 450 150 300 Ring 7 300 450 0 150 z [mm] Abbildung 6.12: Abstand zum Photomultiplier des Schwerpunkts der bei elastischen Ereignissen im Szintillator deponierten Energie. Simulierte elastische Ereignisse wurden nach dem Kalorimeterring, zu dessen Spektrum sie beitragen, sortiert. Zu jedem Ereignis wurde die mittlere Lage der im Szintillator deponierten Energie berechnet und als Abstand zum Photomultiplier in einen der hier gezeichneten Histogramme (in rot) eingetragen. Gaußfunktionen wurden diesen Histogrammen angepasst und sind als blaue Kurven dargestellt. Bei den Ringen 1 und 7 sind die Effekte der Szintillatorränder sichtbar, und die Fits wurden nur innerhalb des gaußförmigen Bereichs durchgeführt. • Sie können am einfachsten simuliert werden, und ihr differentieller Wirkungsquerschnitt (und somit ihre Winkelverteilung) ist am besten bekannt. • Sie sind im Experiment deutlich durch ein Peak im Spektrum der geladenen Teilchen identifizierbar und aufzählbar. Die Grundidee der Messung stammt von R. Kothe [86] und basiert darauf, dass man das Kalorimeter als “Tagger” für die Szintillatorereignisse verwendet. Ein gewisser Schwellenbereich für die Szintillatorpulse wird eingestellt, und die vom Kalorimeter in Koinzidenz registrierten Ereignisse werden gezählt. Um sich auf die elastischen Streuereignisse zu beschränken, integriert man dazu die obere Hälfte des elastischen Peaks, denn diese ist in guter Näherung untergrundfrei, wie man a posteriori erkennt (s. Kap. 7). Stabilere Resultate für einen schmalen Schwellenbe- 450 6.3. SIMULATION DER SZINTILLATIONSZÄHLER 133 400 Ring 1 200 0 400 Ring 2 200 0 400 Ring 3 Zä hlereignisse 200 0 400 Ring 4 200 0 400 Ring 5 200 0 400 Ring 6 200 0 400 Ring 7 200 0 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 Ed [MeV] Abbildung 6.13: Verteilung der im Szintillator deponierten Energie bei elastischen Ereignissen. Aus der selben Simulation von Abb. 6.12 werden hier die Werte der bei jedem Ereignis im Szintillator deponierten Energie histogrammiert. Die Ereignisse werden nach Kalorimeterring sortiert, und an jedem Spektrum wird eine Landauverteilung angepasst. 134 KAPITEL 6. DETEKTORANTWORTVERHALTEN 7.2 7 6.8 Ed [MeV] 6.6 6.4 6.2 6 5.8 5.6 5.4 100 150 200 250 z [mm] 300 350 Abbildung 6.14: Mittlere im Szintillator deponierte Energie (simuliert) für elastische Streuereignisse als Funktion der Schwerpunktlage z der deponierten Energie (als Abstand von Photomultiplier dargestellt). Jeder Datenpunkt entspricht einem Kalorimeterring. Die durchgezogene Linie ist ein linearer Fit, während die gestrichelte Linie durch die mittlere Weglänge im Szintillator als Funktion der Koordinate z nach Gl. (6.20) berechnet wurde, wobei die Konstante k angepasst ist. reich (4 mV) werden erreicht, wenn man die obere CFD-Schwelle ausschaltet, die untere Schwelle in zwei sukzessiven Messungen auf die ausgewählten Grenzwerte einstellt und die Resultate der beiden Messungen (Anzahl der elastischen Ereignisse) von einander abzieht. Fährt man nun die untere CFD-Schwelle von 14 mV in Schritten von 4 mV bis 78 mV hoch, und wiederholt man das beschriebene Verfahren für alle Paare von aufeinanderfolgenden Schwellenwerten, so erhält man die Spektren der im Szintillator deponierten Energie, siehe Abb. 6.15. Die Unterteilung der Ereignisse in Kalorimeterringe erfolgt dabei automatisch. Diese Spektren lassen sich mit folgender Funktion anfitten: ′ Z ∞ (x − x′ )2 x − xMPV ′ F (x) = A exp − 2 ′ dx Land , (6.21) ∆x 2c · x 0 die die Faltung einer Landau- (Land) mit einer √ Gaußverteilung zur Berücksichtigung einer Energieauflösung der Form σE = c E darstellt. Dabei werden folgende Parameter angepasst: eine globale Amplitude A, die Peakposition der Landaukurve xMPV , eine Breite der Landaukurve ∆x und die Konstante c für die Energieauf- 6.3. SIMULATION DER SZINTILLATIONSZÄHLER 135 6000 Ring 1 4000 2000 0 6000 Ring 2 4000 2000 0 6000 Ring 3 Zä hlereignisdichte [mV−1 ] 4000 2000 0 6000 Ring 4 4000 2000 0 6000 Ring 5 4000 2000 0 6000 Ring 6 4000 2000 0 6000 Ring 7 4000 2000 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Signal [mV] Abbildung 6.15: Verteilung der Szintillator-Signalhöhen bei elastisch gestreuten Elektronen als Spektrum der im Szintillator deponierten Energie. Die Fitfunktion ist die Faltung einer Landaukurve mit einer Gaußverteilung zur Berücksichtigung des Energieauflösungsvermögens (Gl. (6.21)). 136 KAPITEL 6. DETEKTORANTWORTVERHALTEN lösung. Im folgenden werden die durch diesen Fit an die gemessenen Daten ermittelten Werte für die Peakposition und Breite der Landauverteilung mit den entsprechenden Werten dieser Parameter, die sich aus dem Fit an die Simulationsdaten ergeben, verglichen. Dazu wurden diese beiden Parameter für die jeweiligen Kalorimeterringe als Funktion der z-Koordinate, deren Werte aus der Simulation stammen, aufgetragen (Abb. 6.16). Hierzu werden zwei verschiedene Datensätze verwendet. Die erste Messung (rote Punkte in Abb. 6.16) wurde 2006 durchgeführt, als die Szintillatoren fast neu und unbestrahlt waren. Zum Zeitpunkt der zweiten Messung (schwarze Punkte in Abb. 6.16) waren die Szintillatoren schon seit über zwei Jahren im Einsatz und hatten eine große, aber leider schwierig zu quantifizierende Strahlendosis aufgenommen, die eine schlechtere Durchsichtigkeit des Szintillationsmaterial zu Folge hatte. Das zeigt sich in der deutlichen Steigungsänderung zwischen den beiden Datensätzen. Die absoluten Werte der Signale sind dabei unbedeutsam, denn die Hochspannungsversorgung der Photomultiplier wurde im Laufe der Zeit stetig hochgefahren, um diesen Effekt der Strahlenschäden zu kompensieren. Die Datenpunkte ohne Bestrahlung lassen sich ohne Berücksichtigung der Lichtabschwächung beschreiben4 . Dazu wurde dann die Funktion xMPV (z) = aMPV · Ed (z) + bMPV (6.22) angefittet, wobei Ed (z) der Geradenfit zu den Simulationsdaten ist, aMPV die gesuchte Eichkonstante und bMPV ein Offset. Es wird ein relativ großer Offset von (8.4 ± 0.9) mV gebraucht, um die Daten anzupassen. Die Natur dieses Offsets wird noch untersucht [83]. Die Abhängigkeit von jeglichem Offset fällt heraus, wenn man die Breiten der Landaukurven betrachtet ∆x (z) = a∆ · ∆E (z) + b∆ , (6.23) wobei ∆E (z) aus der Simulation stammt. Tatsächlich erhält man bei diesem Fit einen mit Null verträglichen Offset, b∆ = (0.3 ± 0.3) mV. Die Steigungen, die man aus den beiden Anpassungen erhält, sind miteinander kompatibel und betragen: aMPV = (4.04 ± 0.15) mV/MeV a∆ = (4.09 ± 0.61) mV/MeV . Für die Datenpunkte nach der Bestrahlung muss die Lichtabschwächung berücksichtigt werden. Das wurde realisiert, indem die Fitfunktionen (6.22) und (6.23) mit den Funktionen ergänzt wurden, die in Kap. 3.4 zur Bestimmung der effektiven 4 Verschiedene Versuche, eine Abschwächlänge aus diesen Daten zu ermitteln, führten zu großen Werten mit großen Unsicherheiten. Die Vernachlässigung der Abschwächung ist allerdings kompatibel mit den Daten. 6.3. SIMULATION DER SZINTILLATIONSZÄHLER 137 41 40 39 Signal [mV] 38 37 36 35 34 33 32 31 30 100 150 200 250 z [mm] (a) 300 350 250 z [mm] (b) 300 350 3.2 3 Signal [mV] 2.8 2.6 2.4 2.2 2 1.8 100 150 200 Abbildung 6.16: (a) Peaklage xMPV der gemessenen Landaukurve (Abb. 6.15) gegen den Abstand zum Szintillator z. (b) Breite ∆x der Landaukurve gegen z. Die roten Punkte wurden 2006 (mit fast neuen Szintillatoren) genommen, die schwarzen Punkte stammen aus Messungen zwei Jahre später. Die roten Funktionen sind Geradenfits (s. Text), und die fast ununterscheidbaren blauen und grünen Kurven sind Fits von der Form (6.24) bzw. (6.25). 138 KAPITEL 6. DETEKTORANTWORTVERHALTEN Abschwächlänge verwendet wurden. Man hat dann die zwei Fälle: xMPV,1 (z) = aMPV,1 · Ed (z) · exp[−z/λ1 ] + bMPV,1 (6.24) xMPV,2 (z) = aMPV,2 · Ed (z) · exp[−z/λ2 ] (1 − q exp[2(z − L)/λ2 ]) +bMPV,2 , (6.25) wobei λ1 und λ2 die entsprechenden effektiven Absorptionslängen sind, L die Länge des Szintillators und q ein neuer Parameter, der dem Verhältnis B/A zwischen den Parametern in der Formel (3.4) entspricht. Beide Funktionen enthalten zu viele Parameter für die vorhandenen Daten. Da aber der Offset ein elektronischer Effekt ist und daher nicht sehr stark von der aufgenommenen Strahlendosis abhängen sollte, kann man den Wert von bMPV aus dem Fit (6.22) nehmen. Für den Fit (6.24) werden dann nur die Parameter aMPV,1 und λ1 angepasst (Abb. 6.16 (a), grüne Kurve). Man erhält dadurch eine effektive Abschwächlänge von λ1 = (294 ± 29) cm, die im Einklang mit dem Wert von 227 cm ist, den man bei der im Kapitel 3.4 beschriebenen Messung erhalten hat. Sei hierzu erwähnt, dass die Messung der Abschwächlänge mit dem 60 Co-Präparat erst Ende 2008 durchgeführt wurde, nachdem die Szintillationsdetektoren weitere hunderte Stunden im Einsatz am Strahl gewesen waren. Für den Fit mit (6.25) musste außer dem Offset auch der Parameter q festgelegt werden. Da sein Wert hauptsächlich von der Geometrie des Szintillatormoduls und nur wenig von der Absorptionslänge abhängen sollte, wurde er vom Fit an die Messungen mit dem Präparat genommen. Das Resultat ist als blaue Kurve in der oberen Tafel von Abb. 6.16 aufgezeichnet. Die beiden Fits (6.24) und (6.25) überlagern sich fast vollständig und sind in der Abbildung kaum zu unterscheiden. Dies bestätigt die schon in Kap. 3.4 angegebene Behauptung, dass die Anwendung der einen oder der anderen Funktionsform in der Simulation gleiche Resultate ergibt. Die erhaltene Abschwächlänge beträgt in diesem Fall λ2 = (117 ± 12) cm, also auch etwas länger, und somit verträglich, mit dem Wert von 100 cm aus der Präparatmessung. Zuletzt können die Breiten der Landaukurven aus den Daten nach der Bestrahlung (schwarze Punkte in Abb. 6.16 (b)) durch die Funktionen (6.24) und (6.25) angefittet werden. Leider sind dabei die Fehlerbalken so groß5 , dass diese Daten nur als Kompatibilitätsprüfung dienen. Insofern wurde nur a∆ angepasst, und die Abschwächlängen wurden vom vorherigen Fit übernommen. Die Verträglichkeit der Abschwächlängen aus den Fits der Landau-Peaklagen mit den Daten der Landaubreiten ist durch die grüne und die blaue Kurve in Abb. 6.16 (b) sichtbar gemacht. Man erhält somit ein ziemlich konsistentes Gesamtbild, was die Überzeugung erweckt, dass die hier ermittelte Werte der Parameter aMPV und bMPV für die Um5 Das liegt daran, dass der Schwellenscan bei viel niedrigeren Werte abgebrochen wurde. Daher ist die Form der Landaukurve nicht sehr eindeutig bestimmt, und ihre Breite bekommt eine sehr starke Korrelation mit dem Energieauflösungsparameter. 6.4. UNTERSUCHUNGEN ZUM UNTERGRUNDABZUG rechnung der im Experiment eingestellten Schwellenwerte in Energiewerte verwendet werden können. 6.4 Untersuchungen zum Untergrundabzug Zur Behandlung des Konversionsuntergrunds und zur entsprechenden Korrektur der Asymmetrie wird das in Kap. 4 beschriebene Verfahren angewendet. Dieses beruht darauf, dass die im Spektrum der geladenen Teilchen enthaltenen Konversionsereignisse physikalisch die gleichen γ-Ereignisse sind, die das Spektrum der ungeladenen Teilchen dominieren. Der Ansatz zur Subtraktion des Konversionsuntergrund ist daher, dass die Form seines Spektrums aus dem Spektrum der ungeladenen Teilchen durch eine Verschiebung und eine Skalierung erhalten werden kann. Die Verschiebung berücksichtigt die Energieverluste der Konversionsteilchen vor dem Kalorimeter, während die Skalierung der Wahrscheinlichkeit der Konversionsprozesse entspricht. Um die Anwendung des Subtraktionsverfahrens an den gesamten Datensatz zu ermöglichen, müssen allerdings zwei vereinfachende Annahmen gemacht werden: 1. Der Unterschied in der effektiven Energieauflösung für die beiden Fälle von konvertierten bzw. nicht konvertierten γ-Ereignissen wird nicht berücksichtigt. Das würde zu einer Verformung des abzuziehenden Untergrundspektrums im Vergleich zum gemessenen Spektrum der ungeladenen Teilchen führen. Solche Unterschiede in der effektiven Energieauflösung werden erwartet, weil bei Konversionsereignissen der elektromagnetische Schauer schon vor dem Kalorimeter anfängt, was zu stärkeren Schwankungen der im Kalorimeter deponierten Energie führt. 2. Die Abhängigkeit der Energieverluste sowie der Konversionswahrscheinlichkeit von der Energie des γ-Quants wird vernachlässigt. Verschiebungs- und Skalierungsparameter werden dann als konstant angenommen. Anhand der Detektorantwortsimulation muss bewiesen werden, dass diese Annahmen in guter Näherung gelten, und die Verschiebungs- und Skalierungsparameter müssen abgeschätzt werden. Hierfür wurde eine G EANT-Simulation des Detektoraufbaus durchgeführt, bei der mit γ-Quanten im Target angefangen wurde. Die Anfangslage wurde entlang der Strahlachse über der gesamten Targetlänge gleichförmig verteilt gewürfelt. Die Anfangsrichtung und -energie der Teilchen wurde ebenso gleichförmig verteilt erzeugt. Für den Polar- bzw. Azimutwinkel wurden die in Kap. 5 festgelegten Bereiche verwendet, während der Energiebereich von 10 bis 300 MeV betrug. Ähnlich wie bei der Studie des Energieauflösungsvermögens (Abschnitt 6.2) wurden für jedes Ereignis Anfangsenergie und Anzahl der in jedem Photomultiplier 139 140 KAPITEL 6. DETEKTORANTWORTVERHALTEN nachgewiesenen Cherenkov-Photonen gespeichert. Zudem wurde hier noch die deponierte Energie im Szintillatormaterial vermerkt. Nach diesem Wert konnten dann die Events in “Koinzidenz-” und “Nichtkoinzidenz-Ereignisse” unterteilt werden, denn durch das im Abschnitt 6.3 beschriebene Verfahren zur Eichung der Szintillatorsignale können Schwellenwerte der deponierten Energie für die Auslösung eines Triggersignals festgelegt werden. Abb. 6.17 sind (Eγ ,Npe )-Scatterplots für (a) Nichtkoinzidenz- und (b) Koinzidenzereignisse in gezeigt, wobei Eγ die Energie des γ-Quants ist. Bedingte Anpassungen wie in Abs. 6.2 wurden mit der reduzierten Variable ν = Npe /Eγ durchgeführt. Da man nur an dem Energiebereich in der Nähe des elastischen Peaks interessiert ist, wurde den Eγ -Fitbereich auf 100 bis 250 MeV eingeschränkt, um vor allem die Komplikationen zu vermeiden, die bei kleinen Energien entstehen, denn bei diesen werden die Teilchen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vor dem Kalorimeter gestoppt. Unterschiede in der Energieauflösung. Aus dem Vergleich der resultierenden Standardabweichungen σν (Eγ ) kann die Änderung der effektiven Energieauflösung zwischen Koinzidenz- und Nichtkoinzidenzereignisse abgeschätzt werden. Da der betrachtete Energiebereich hier relativ klein ist, spielt die genaue Energieabhängigkeit von σν keine große Rolle. Deswegen wurde für eine bessere Konvergenz des Fits der d-Term in Gl. (6.16) vernachlässigt. Dadurch erhält man für die Änderung der Energieauflösung r cKoinz. σνKoinz. = = 1.20 σνNichtk. cNichtk. Wie man anhand der vollen Simulation des Spektrums im folgenden Kapitel gezeigt wird, kann diese Zunahme um 20% von σν bei Koinzidenzereignissen vernachlässigt werden. Veschiebungsparameter. Zur Bestimmung des Verschiebungsparameters muss lediglich der Unterschied des Mittelwertes N̄pe (Eγ ) zwischen Nichtkoinzidenz- und Koinzidenzereignissen bei der passenden Energie berechnet werden. Aufgrund des ausgewählten Fitbereichs reicht hier ein linearer Ansatz für N̄pe (Eγ ), denn die bei kleinen Energien auftretenden Abweichungen vom linearen Verlauf, die im Abschnitt 6.2 durch den kleinen Exponentialterm in Gl. (6.15) berücksichtigt wurden, sind hier ausgeschlossen. In Abb. 6.17 sind die Resultate der bedingten Anpassung für N̄pe (Eγ ) aufgezeichnet. Das relevante Eγ -Intervall für die Bestimmung des Verschiebungsparameters entspricht dem Peakbereich der elastisch gestreuten Elektronen. Berücksichtigt man ein ±2σ-Intervall um die Peakmitte, so bekommt man den Energiebereich zwischen 126 und 209 MeV für Eγ bei Nichtkoinzidenzereignissen. Des Weiteren soll beachtet werden, dass die maximale Energie der ausgestrahlten γ-Quanten aus kinematischen Gründen bei etwa 180 MeV liegt, was den relevanten Eγ -Bereich von oben 6.4. UNTERSUCHUNGEN ZUM UNTERGRUNDABZUG 141 500 400 Npe 300 200 100 0 100 120 140 160 180 Eγ [MeV] (a) 200 220 240 120 140 160 180 Eγ [MeV] (b) 200 220 240 500 400 Npe 300 200 100 0 100 Abbildung 6.17: (Eγ ,Npe )-Scatterplots aus der Simulation zum Antwortverhalten des Detektors auf γ-Quanten: (a) Nichtkoinzidenz- und (b) Koinzidenzereignisse. Die Geraden sind die Resultate des conditional Fits für N̄pe (Eγ ). In der unteren Tafel ist zum Vergleich zusätzlich das Ergebnis von (a) als gestrichelte Linie eingezeichnet. 142 KAPITEL 6. DETEKTORANTWORTVERHALTEN Konversionswahrscheinlichkeit 0.2 0.15 0.1 0.05 0 0 50 100 150 Eγ [MeV] 200 250 300 Abbildung 6.18: Simulierte Konversionswahrscheinlichkeit als Funktion der γ-Energie. In blau über dem entsprechenden Fitbereich ist ein linearer Fit gezeigt. beschränkt. Als Verschiebungsparameter wird dann der Mittelwert des Unterschieds zwischen den beiden in Abb. 6.17 gezeigten Geraden im Energiebereich zwischen 126 und 180 MeV ausgewählt, nähmlich etwa 65 Photoelektronen. Aufgrund der leichten Steigungsdifferenz zwischen den beiden Geraden hat man Abweichungen von diesem Wert, die an den Rändern des Intervalls nur ±5.7% betragen, was die Annahme einer konstanten Verschiebung rechtfertigt. Es sei allerdings angemerkt, dass der Effekt der Vernachlässigung dieser Energieabhängigkeit der Energieverluste die Zunahme der Signalschwankungen bei Koinzidenz- im Vergleich zu Nichtkoinzidenzereignissen teilweise konpensiert. Eine quantitativere Betrachtung dieser Kompensation erfolgt in Kap. 7. Skalierungsparameter. Um den Wert des Skalierungsparameters zu bestimmen, wurden die Koinzidenzereignisse nach Eγ histogrammiert. Die Einträge in jedem Bin wurden dann auf die gesamte Anzahl der simulierten Ereignisse in dem Bin normiert. Das so erhaltene Histogramm stellt eine Abschätzung der Konversionswahrscheinlichkeit als Funktion der γ-Energie dar und ist in Abb. 6.18 gezeigt. Im selben Energiebereich, in dem die bedingte Anpassung zur Bestimmung der Antwortfunktion durchgeführt wurde (100-250 MeV), wurde hier ein linearer Fit angebracht. Betrachtet man nun den Eγ -Bereich, der dem elastischen Peak entspricht, so hat man durchschnittlich eine Konversionswahrscheinlichkeit von 10.6%, und die Abweichungen von diesem Wert im betrachteten Bereich betragen etwa ±0.25%. 6.4. UNTERSUCHUNGEN ZUM UNTERGRUNDABZUG Somit ist die Annahme einer energieunabhängigen Konversionswahrscheinlichkeit in guter Näherung bestätigt. 143 144 KAPITEL 6. DETEKTORANTWORTVERHALTEN Kapitel 7 Resultate und Schlussfolgerungen Die in den vorangegangenen Kapiteln erarbeiteten Kenntnisse zu den physikalischen Prozessen, die im A4-Experiment wirksam sind, und zur Detektorantwort des PbF2 -Kalorimeters und des Plastikszintillator-Elektronentaggers können für die Behandlung des Untergrunds aus fehlerkannten γ-Ereignissen bei der Asymmetriemessung angewandt werden. Zuerst muss hier gezeigt werden, dass die Simulation des Energiespektrums eine quantitativ gute Beschreibung der Daten ergibt. Somit kann man sich überzeugen, dass die entscheidenden Beiträge zum Energiespektrum verstanden sind. Zweitens muss die Anwendbarkeit des im Kap. 4 vorgestellten Subtraktionsverfahrens des Konversionsuntergrunds geprüft werden. Angesichts dieser Resultate wurde das Subtraktionsverfahren an die Messung der paritätsverletzenden Asymmetrie aus einem Datensatz von etwa 1000 Stunden mit der Strahlenergie von 315 MeV an Wasserstoff unter Rückwärtswinkeln angewandt. Diese Messergebnisse werden hier vorgestellt und der Einfluss des Untergrundabzugs diskutiert. Abschließend wird das Resultat der Asymmetriemessung mit der A4-Vorwärtsmessung bei der Strahlenergie von 855 MeV kombiniert, um die Strangeness-Vektorformfaktoren bei einem q 2 von −0.22 (GeV/c)2 zu separieren. Anhand eines gemeinsamen Fits dieser Ergebnisse mit den Weltdaten bei q 2 = −0.1 (GeV/c)2 werden dann Rückschlüsse über die Beiträge der Strangeness zum magnetischen Moment und zum Ladungsradius des Protons gezogen. 7.1 Simuliertes Gesamtspektrum Kombiniert man die Streuprozesse, die mit dem in Kapitel 5 beschriebenen Ereignisgenerator simuliert wurden, mit der Detektorantwort auf ihre Endzustandteilchen, die mit der Detektorsimulation in Kap. 6 bestimmt wurde, so erhält man ein simuliertes Energiespektrum des Bleifluoridkalorimeters, das mit Messdaten verglichen werden kann. Folgende Aspekte müssen betrachtet werden: 145 146 KAPITEL 7. RESULTATE UND SCHLUSSFOLGERUNGEN Gemessenes Spektrum. Über die Energiespektren aus allen Kalorimetermodulen, die zum selben Ring (gleicher polarer Streuwinkel) gehören, wurde gemittelt, um eine mittlere Detektorantwort zu erhalten, die nicht von einem einzelnen Detektormodul bestimmt ist, sondern repräsentativ für den ganzen Detektor ist. Energieintervall. Der quantitative Vergleich zwischen Messung und Simulation kann nur innerhalb eines geeignet ausgewählten Energieintervalls stattfinden, der für die Zwecke der Analyse signifikant ist, in dem aber keine Effekte, die in der Simulation nicht berücksichtigt werden können, eine Rolle spielen. Hier wird das Intervall zwischen 100 und 300 MeV gewählt, weil es den ganzen Peakbereich enthält und die typischen Integrationsgrenzen für die Extraktion der Asymmetrie deutlich innerhalb dieses Bereichs liegen. Bei niedrigeren Energien kann der Vergleich wegen Schwelleneffekten nicht erfolgen. Hier hat man erstens die CFD-Schwelle des Summensignals eines 3×3Kristallclusters, die wegen elektronischen Rauschens die untere Kante des Spektrums verschmiert. Dies kann in der Simulation nicht berücksichtigt werden. Zweitens wird der Effekt der LM-Schwelle (Lokalmaximum, s. Kap. 3.2.4) in der Simulation idealerweise berücksichtigt. Betrachtet man aber ein über viele Kanäle gemitteltes Spektrum, so kann dieser Effekt auch nicht vollkommen reproduziert werden, weil für jeden Kanal die effektive Lage dieser Schwelle auf der Energieskala wegen Toleranzen der beteiligten elektronischen Bauteile unterschiedlich ist. Gesamtnormierung. Die im Kapitel 5 beschriebene Gewichtung der Ereignisse in der Simulation enthält die nominelle Luminosität und die Messdauer. Allerdings muss mit Abweichungen der tatsächlichen Luminosität von der nominellen gerechnet werden. Einerseits ändert sich der Strahlstrom um einige Prozente nach jeder Strahlabschaltung, andererseits ist der Wert der Targetdichte nur ein Literaturwert und wurde nicht absolut gemessen. Letztendlich sind die relativen Änderungen der Luminosität zwischen den beiden Polarisationseinstellungen für die Bestimmung der Asymmetrie wichtig, jedoch ist der absolute Luminositätswert unwesentlich, denn er fällt in der Berechnung der Asymmetrie weg. Darüber hinaus sind auch die berechneten Wirkungsquerschnitte fehlerbehaftet. Beispielweise basiert die Berechnung der Pionproduktionsquerschnitt auf dem phänomenologischen Fit MAID [89], während bei der elastischen Streuung Formfaktoren miteinbezogen werden müssen. Diese Bestandteile der Wirkungsquerschnitte führen durchaus zu Unsicherheiten der Größenordnung von einigen Prozent. Um den Vergleich mit dem gemessenen Spektrum zu ermöglichen, wird die Simulation mit einem gesamten Normierungsfaktor skaliert. Dieser Normierungsfaktor wird bestimmt, indem man das Integral des gemessenen Spektrums über das für den Vergleich festgelegte Intervall durch das Integral des simulierten Spektrums teilt. Durch dieses Verfahren ergibt sich je nach betrachtetem Spektrum eine Korrektur zwischen 4 und 5%. 7.1. SIMULIERTES GESAMTSPEKTRUM Aluminium-Beiträge. Die Streuung der Strahlelektronen sowie die Erzeugung von Teilchen an den Aluminiumwänden der Targetzelle tragen zum Energiespektrum bei. Diese Beiträge sind nicht in der Simulation enthalten und werden von einer Messung mit leerem Target übernommen. Dabei müssen folgende Umstände berücksichtigt werden. Erstens wurde die Messung mit leerem Target bei einem niedrigen Strahlstrom (0.5 µA) durchgeführt, deswegen müssen die entsprechenden Spektren durch das Verhältnis der nominellen Stromwerte skaliert werden. Zweitens muss man darauf achten, dass sich bei vollem Target Beiträge zur π 0 Erzeugung durch Photoproduktion am Austrittfenster der Targetzelle ergeben, die in der Messung mit leerem Target vernachlässigbar sind, denn dabei ist nur das AlEintrittsfenster (∼ 10−3 Strahlungslängen) als Radiator für die Bremsstrahlungserzeugung vorhanden. Dieser Unterschied zwischen den beiden Messungen wurde durch folgende Überlegung korrigiert: Die Form der π 0 -Zerfallsspektren von der Elektro- und der Photoproduktion sind aufgrund der darunterliegenden kinematischen Verhältnisse sehr ähnlich, wie man auch an der Simulation des Wasserstoffspektrums erkennt. Zusätzlich kann auch für die Beiträge zum Spektrum von Eintrittund Austrittfenster die gleiche Form angenommen werden, wenn man die leichten Unterschiede im Streuwinkel vernachlässigt. Der einzige Unterschied zwischen diesen beiden Beiträgen ist dann ein Gesamtfaktor zwei, weil die Wandstärke des Austrittfensters nur die Hälfte der Wandstärke des Eintrittfensters beträgt. Da alle Beiträge dieselbe Form besitzen, kann die Photoproduktion am Austrittfenster durch eine gesamte Skalierung des mit leerem Target gemessenen γ-Spektrums berücksichtigt werden. Der Skalierungsfaktor wurde folgendermaßen festgelegt: Da einerseits das volle Target einem Radiator von ungefähr 1/50 Strahlungslängen entspricht, erwartet man am Austrittfenster schätzungsweise gleiche Beiträge von der Photo- wie von der Elektroproduktion [90] (Abschätzung A). Andererseits kann das Verhältnis dieser Beiträge näherungsweise durch die für die Simulation berechnete Pionausbeute am Wasserstoff abgeschätzt werden. Aus der Rechnung ergibt sich, dass die Photoproduktion am Wasserstoff – mit vollem Target – fast genauso wahrscheinlich wie die Elektroproduktion ist. Doch im Gegensatz zum Al-Austrittfenster, worauf der Bremsstrahlungsfluss aus dem ganzen Target auftrifft, dient der Wasserstoff gleichzeitig als Radiator und als Target für die Pionerzeugung, und die Bremsstrahlungsintensität wächst nahezu linear mit der Tiefe im Target. Das Verhältnis Photozu Elektroproduktion sollte dann am Austrittfenster ungefähr doppelt so groß wie am Wasserstoff sein (Abschätzung B). Hier wird davon ausgegangen, dass dieses Verhältnis zwischen den beiden Abschätzungen A und B liegt, und der Wert 1.5 wird angenommen. Beträgt die Photoproduktion 3/2 der Elektroproduktion am Austrittfenster und diese wiederum wegen des Verhältnisses der Wandstärken 1/3 des gesamten gemessenen Aluminiumspektrums, so lässt sich der Beitrag der Photoproduktion durch den Skalierungsfaktor 1.5 berücksichtigen. Diese grobe Abschätzung kann durchaus Fehler in der Größenordnung von 20% 147 148 KAPITEL 7. RESULTATE UND SCHLUSSFOLGERUNGEN oder mehr tragen. Da aber die Aluminiumbeiträge nur wenige Prozente des gesamten Spektrums (mit vollem Target) darstellen, ist der dazugehörige Fehler akzeptabel. Dieses Verfahren gilt für das Spektrum der ungeladenen Teilchen. Für die Korrektur des Spektrums der geladenen Teilchen müssen die Beiträge der Photoproduktion am Austrittfenster zum Konversionsuntergrund abgeschätzt werden. Dazu wird erst das gemessene Spektrum der ungeladenen Teilchen mit dem Faktor 0.5 multipliziert, um eine Abschätzung der Photoproduktionsbeiträge allein zu bekommen. Dann wird die Methode der Skalierung und Verschiebung, die man für den Untergrundabzug einsetzt, angewendet, um das gesuchte Konversionsspektrum der Photoproduktion am Austrittfester abzuschätzen. Dieses Spektrum wird dann zum Spektrum der geladenen Teilchen addiert. Das beschriebene Verfahren enthält nun weitere Fehler wegen der Skalierung und Verschiebung, die aber insgesamt sehr unbedenklich sind, weil das so abgeschätzte Konversionsspektrum nur einen kleinen Bruchteil des Beitrags der Al-Ereignisse zum Spektrum der geladenen Teilchen darstellt. Die Al-Ereignisse tragen wiederum insgesamt nur bis höchstens 5% (im Peakbereich) zum gesamten Spektrum bei vollem Target bei. Anpassung der Energieauflösung. An verschiedenen Stellen in der Arbeit wurde erwähnt, dass die Simulation des Detektorantwortverhaltens das Energieauflösungsvermögens des Kalorimeters nicht in allen Einzelheiten reproduzieren kann. Deswegen werden Abweichungen der simulierten Energieauflösung von der gemessenen erwartet. Um diese zu quantifizieren, wird eine Korrektur der Simulationsergebnisse durch einen Fit an das experimentelle Spektrum bestimmt. Diese Korrektur sollte möglichst klein sein, da auf der Simulation die Rechtfertigung des Untergrundabzugsverfahrens basiert. Das simulierte Antwortverhalten des Detektors sollte also möglichst bestätigt und die entscheidenden Effekte für die Energieauflösung identifiziert werden. Sehr wichtig sind z.B. dabei die Strahlenschäden, die die Lichtabsorption in den PbF2 -Kristallen stark beeinflussen. Es wurde festgestellt, dass man die beste Beschreibung der hier betrachteten Daten erhält, wenn man bei der Detektorsimulation die gemessenen Absorptionslängen nach einer aufgenommenen Strahlendosis von etwa 100 Gy berücksichtigt. Für die Korrektur der aus der Simulation resultierenden Energieauflösung wurde folgendes Fitverfahren angewendet. Zu jedem simulierten Ereignis gehört ein gewisses Signal s (Anzahl der nachgewiesenen Cherenkov-Photonen), das histogrammiert wird, um ein simuliertes Energiespektrum zu erhalten. Bevor diese √ Signale histogrammiert werden, werden sie durch eine Gaußverteilung der Breite c s gestreut, wobei c eine anzupassende Konstante ist. Aus dem so korrigierten Simulationsspektrum und dem gemessenen Spektrum berechnet man dann die zu minimierende χ2 -Funktion: b1 X (Nb − Xb )2 2 , χ = 2 N b + Wb b=b 0 7.2. SIMULIERTER KONVERSIONSUNTERGRUND wobei Xb = X wi , i Wb2 = X wi2 , i wi die Ereignisgewichte der Simulation sind und die i-Summe über alle Ereignisse läuft, die beim gegebenen Wert von c in den Bin b fallen. Die Binnummern b0,1 entsprechen dem zum Vergleich ausgewählten Intervall, und Nb sind die Einträge im Bin b des gemessenen Spektrums. Um die durch dieses Fitverfahren angebrachte Änderung der simulierten Energieauflösung am Peak der elastischen Ereignisse zu quantifizieren, wurden die Breiten des Peaks mit und ohne Korrektur verglichen. Der relative Unterschied zwischen den beiden beträgt nur 2.2%, was eine Bestätigung der Simulation der Detektorantwort darstellt. Verträglichkeit mit den Messungen. In Abb. 7.1 sind Beispiele von simulierten Energiespektren zusammen mit den entsprechenden gemessenen Spektren gezeigt. Die verschiedenen Beiträge werden durch unterschiedliche Farben sichtbar gemacht. Um die Verträglichkeit der beiden Spektren im ausgewählten Vergleichsintervall zu quantifizieren, wurden die relativen Abweichungen (Nb − Xb )/Nb in jedem Bin quadratisch und gewichtet gemittelt. Als Gewicht P wurde die Anzahl der Ereignis1 se Nb dividiert durch das Integral des Spektrums bb=b Nb angenommen. Die er0 haltenen Werte liegen für die Spektren der ungeladenen Teilchen je nach Kalorimeterring1 zwischen 4 und 6%, während für die Spektren der geladenen Teilchen zwischen 2.5 und 5%. Diese Ergebnisse zeigen, dass einerseits die entscheidenden Beiträge von Streuprozessen zum Energiespektrum richtig identifiziert und quantitativ genau abgeschätzt wurden. Andererseits ist die Simulation der Detektorantwort vertrauenswürdig und kann für die Bestimmung des Konversionsuntergrunds und der Parameter zu dessen Behandlung verwendet werden. 7.2 Simulierter Konversionsuntergrund Hier soll geprüft werden, inwieweit das in Kapitel 4 beschriebene Verfahren zur Bestimmung der Konversionsuntergrundbeiträge zum Spektrum der geladenen Teilchen anwendbar ist. Das bedeutet, dass das skalierte und verschobene Spektrum 1 Hierbei werden nur die fünf inneren Ringe betrachtet, die in der Asymmetriemessung verwendet werden. 149 150 KAPITEL 7. RESULTATE UND SCHLUSSFOLGERUNGEN 150 Zählereignisse / 103 125 100 75 50 25 0 0 50 100 150 200 250 E [MeV] 300 350 400 0 50 100 150 200 250 E [MeV] 300 350 400 30 Zählereignisse / 103 25 20 15 10 5 Abbildung 7.1: Vergleich zwischen simuliertem und gemessenem Energiespektrum der ungeladenen (oben) bzw. geladenen (unten) Teilchen. Das gemessene Spektrum ist in rot dargestellt, die Simulation als gefülltes Histogramm. Die Beiträge dazu sind: elastische Streuung und dazugehöriger Strahlungsschwanz (grün), inelastische Streuung (blau), Zerfall von elektro- (gelb) und photoproduzierten (orange) π 0 -Mesonen. Zusätzlich werden die gemessenen Beiträge von den Aluminiumfenstern der Targetzelle zur Simulation addiert und sind in grau dargestellt. 7.3. KORREKTUR DER ASYMMETRIE der ungeladenen Teilchen in guter Näherung die Verteilung der Konversionsuntergrundereignisse wiedergeben soll. Um dieses zu beweisen, wird das gemessene Spektrum der ungeladenen Teilchen skaliert und verschoben. Dabei werden die Parameter verwendet, die sich aus der im Kapitel 6.4 vorgestellten Studie ergaben. Das so verschobene und skalierte Spektrum wird dann mit dem simulierten Spektrum des Konversionsuntergrunds verglichen. Der simulierte Konversionsuntergrund enthält die π 0 -Zerfallsereignisse, die in der Simulation als Koinzidenzereignisse anerkannt wurden, wobei die durch Elektrosowie Photoproduktion erzeugten π 0 -Mesonen betrachtet werden. Die Beiträge der Aluminiumfenster zum Konversionsuntergrund können anhand der Messung mit leerem Target abgeschätzt werden. Oben in Abb. 7.2 sind zum Vergleich das simulierte Konversionsspektrum und das verschobene und skalierte gemessene Spektrum der ungeladenen Teilchen eingezeichnet. Um einen besseren Vergleich zu ermöglichen, ist unten in Abb. 7.2 ein Quantil-Quantil-Plot der beiden Histogramme gezeigt. Dabei wurde das Quantil zu einer gewissen Energie E durch Integration des Spektrums von E bis 220 MeV berechnet und dann auf das Integral von 100 bis 220 MeV des gemessenen Spektrums (verschoben und skaliert) normiert. Die den Quantilen entsprechende Energieskala ist auf der oberen horizontalen Achse aufgetragen. Ein Vergleich der Punkte mit der Identitätsgeraden (blau in der Abbildung) zeigt, dass die Verträglichkeit der beiden Spektren im für die Asymmetriebestimmung wichtigen Energiebereich gut ist, denn typische untere Integrationsgrenze liegen zwischen 160 und 180 MeV. Oberhalb von 160 MeV weicht der Quantil-Quantil-Plot höchstens um 5% von der Identitätsgeraden ab. Für den Punkt bei 157.5 MeV ist die Abweichung zirka 7%. Für kleinere Energien wird dann die Übereinstimmung erwartungsgemäß schlechter, weil vor allem die Annahme einer konstanten Konversionswahrscheinlichkeit ungültig wird. Das ist allerdings für die Untergrundabschätzung im Integrationsbereich des elastischen Peaks unbedeutsam. 7.3 Korrektur der Asymmetrie Der Einbau in die Datenanalyse des A4-Experiments der hier untersuchten Methode zur Korrektur der Asymmetrie vom Konversionsuntergrund ist nicht Bestandteil dieser Arbeit. Eine Beschreibung der dazugehörigen technischen Details wird daher hier nicht gegeben, sie werden in der sich noch in Vorbereitung befindenden Arbeit [104] enthalten sein. Der Vollständigkeit halber werden jedoch die Resultate des Korrekturverfahrens für die Daten bei der Strahlenergie von 315 MeV präsentiert. Diese Resultate wurden von [120] genommen und für die Veröffentlichung [121] der Rückwärtsmessung zu diesem q 2 -Wert verwendet. In Abb. 7.3 ist die Änderung des extrahierten Asymmetriewerts bei Variation 151 152 KAPITEL 7. RESULTATE UND SCHLUSSFOLGERUNGEN 25 counts / 103 20 15 10 5 0 50 100 150 E [MeV] E [MeV] 157.5 220.0 177.5 167.5 200 250 300 147.5 0.25 Q-Sim 0.20 0.15 0.10 0.05 0.00 0.00 0.05 0.10 0.15 Q-Exp 0.20 0.25 Abbildung 7.2: Oben: Vergleich zwischen verschobenem und skaliertem γ-Spektrum (schwarz) und simuliertem Untergrundspektrum (gefüllt). Die Farben der Beiträge zum Simulationsspektrum sind dieselben wie in Abb. 7.1. Zur Orientierung ist auch das gemessene Gesamtspektrum der geladenen Teilchen in rot gezeigt. Unten: Quantil-Quantil-Plot der beiden zu vergleichenden Spektren (im Text erklärt). 7.3. KORREKTUR DER ASYMMETRIE 153 21 Konversionswahrscheinlichkeit: 20 9% 10% 11% A [ppm] 19 18 17 16 15 32 34 36 38 40 42 Energieverschiebung [MeV] 44 Abbildung 7.3: Empfindlichkeit der Asymmetrie auf die Simulationsparameter. Aufgetragen ist der Wert der aus den Daten extrahierten Asymmetrie für verschiedene Werte der zur Untergrundkorrektur verwendeten Parameter. Die Werte der Energieverschiebung entsprechen jeweils einer ganzen Zahl von Bins im gemessenen Spektrum. Die Fehlerbalken enthalten nur die statistische Unsicherheit. der Energieverschiebung und der Konversionswahrscheinlichkeit zu sehen. Aus den Differenzen der Asymmetriewerte wurde der mit dem Korrekturverfahren verbundene systematische Fehler zu 0.28 ppm abgeschätzt, was bei dem gegebenen Zentralwert der Asymmetrie einem relativen Fehler von 1.6% entspricht. Der gesamte systematische Fehler erhöht sich durch diesen Beitrag um 0.05 ppm auf 0.89 ppm. Eine Prüfung des Korrekturverfahrens ist in Abb. 7.4 dargestellt, wobei die Abhängigkeit der Asymmetrie von der Lage der untere Integrationsgrenze sowohl für die unkorrigierten als auch für die korrigierten Asymmetriewerte aufgetragen ist. Während die unkorrigierten Asymmetriewerte aufgrund der zu niedrigeren Energien zunehmenden Untergrundkontamination eine stärkere Abhängigkeit mit dem Schnittwert aufweisen, ändern sich die korrigierten Werte viel weniger, was für die Gültigkeit der Korrekturmethode spricht. Das Endresultat für die Helizitätsasymmetrie unter Rückwärtswinkeln bei der Strahlenergie von 315 MeV und q 2 = −0.22(GeV/c)2 ist ARL = (−17.23 ± 0.82stat. ± 0.89syst. ) ppm, 154 KAPITEL 7. RESULTATE UND SCHLUSSFOLGERUNGEN 19 unsubtr. subtr. A [ppm] 18 17 16 15 14 100 150 200 E [MeV] 250 300 Abbildung 7.4: Abhängigkeit der Asymmetrie von der unteren Integrationsgrenze. Die roten Punkte sind die ohne Anwendung des Korrekturverfahrens extrahierten Asymmetrien als Funktion der Lage der untere Integrationsgrenze. Die blauen Punkte entsprechen den korrigierten Asymmetriewerten. Nur die statistische Unsicherheit ist in den Fehlerbalken enthalten. Zur Orientierung wurden das Spektrum der geladenen Teilchen und das abgeschätzte Konversionsuntergrundspektrum verblasst aufgetragen. das mit dem theoretischen Asymmetriewert verglichen werden soll A0 = (−15.87 ± 1.22) ppm, der unter der Annahme, dass die Strangeness-Vektorformfaktoren Null sind, berechnet wird. Dabei stammt der Fehler hauptsächlich von der Unsicherheit im Axialformfaktor GA und in den elektromagnetischen Formfaktoren des Protons und des Neutrons. 7.4 Messung der Strangeness-Formfaktoren Aus der Differenz zwischen der gemessenen Helizitätsasymmetrie ARL und der Erwartung ohne Berücksichtigung der Strangeness-Vektorformfaktoren A0 erhält man die Linearkombination [121] GsM + 0.26GsE = −0.12 ± 0.11exp ± 0.11theo . 7.4. MESSUNG DER STRANGENESS-FORMFAKTOREN 155 0.3 0.2 GsE 0.1 0.0 −0.1 −0.2 −0.3 −1.0 −0.5 0.0 GsM 0.5 1.0 Abbildung 7.5: Strangeness-Vektorformfaktoren bei q 2 = −0.22 (GeV/c)2 . Die Standardfehlerbänder entsprechen den A4-Messungen unter Vorwärts- (rot) bzw. Rückwärtswinkeln (blau) bei diesem q 2 . Die Ellipsen stellen die Vertrauensregionen auf der GsM -GsE -Ebene für Wahrscheinlichkeiten von jeweils 68.3% und 95.5% dar. Diese kann mit der Linearkombination aus der Asymmetriemessung von der A4Kollaboration unter Vorwärtswinkeln bei der Strahlenergie von 855 MeV und demselben q 2 [87] GsE + 0.224GsM = 0.020 ± 0.029exp ± 0.016theo kombiniert werden, um die beiden Strangeness-Formfaktoren voneinander zu separieren. Man erhält GsM = −0.14 ± 0.11exp ± 0.11theo , GsE = 0.050 ± 0.038exp ± 0.019theo . (7.1) (7.2) In Abb. 7.5 sind die Standardfehlerbänder der beiden Linearkombinationen zusammen mit den 68.3%- und 95.5%-Vertrauensellipsen für die Separation von GsM und GsE aufgetragen. Dieses Resultat stellt die erste Separation von GsM und GsE durch direkte Messungen bei diesem q 2 dar. Die A4-Messungen bei q 2 = −0.22(GeV/c)2 können mit den schon im Kapitel 2 vorgestellten Weltdaten bei q 2 = −0.1(GeV/c)2 zusammengefügt werden, um den q 2 -Verlauf der beiden Formfaktoren zu untersuchen und somit Rückschlüsse 156 KAPITEL 7. RESULTATE UND SCHLUSSFOLGERUNGEN über die statischen elektromagnetischen Protoneigenschaften zu ziehen, die mit der Strangeness verbunden sind, nämlich über den mittleren quadratischen Strangenessradius rs2 und den Strangenessbeitrag µs zum anomalen magnetischen Moment. Dafür werden die Daten durch zwei verschiedene Ansätze gemeinsam angepasst. In beiden Fällen nimmt man für den q 2 -Verlauf von GsE eine lineare Form an: 1 GsE (q 2 ) = rs2 q 2 . 6 s 2 Dabei wird die Analytizität von GE (q ) ausgenutzt, zusammen mit der Tatsache, dass das Proton keinen Strangeness-Nettoinhalt hat, und somit GsE (0) = 0. Damit man sich auf die erste Ordnung in der Reihenentwicklung um q 2 = 0 beschränken kann, dürfen nur die Messdaten bei kleinen q 2 -Werten in die Anpassung miteinbezogen werden. Deswegen werden hier die Messungen bei höheren Impulsüberträgen von HAPPEx [46, 47] und G0 [51] nicht verwendet. Für GsM (q 2 ) wird beim ersten Ansatz ein konstanter Wert angenommen GsM (q 2 ) = µs , was auch der Berücksichtigung nur der führenden Ordnung in q 2 entspricht. Dieser Ansatz wird schon in der Referenz [122] verwendet, wobei ein ähnlicher Fit an die Paritätsverletzungs-Weltdaten durchgeführt wird, allerdings aus zeitlichen Gründen ohne Berücksichtigung der hier besprochenen A4-Messung [121]. Im zweiten Fit wird die in Ref. [21] angegebene q 2 -Abhängigkeit von GsM verwendet, die zu Ordnung O(p3 ) in HBχPT hergeleitet wurde und nur GsM (0) = µs als freies Parameter enthält: πmN MK 2 GsM (q 2 ) = µs + 5D 2 − 6F D + 9F 2 f (q 2 ) 2 (4πFπ ) 3 ! p 2 2 2 −q 1 4 − q /M K , f (q 2 ) = − + p arctan 2 4 −q 2 /MK2 2MK wobei mN und MK jeweils die Nukleon- und die Kaonmasse sind, Fπ ≃ 102 MeV der Mittelwert zwischen Pion- und Kaonzerfallskonstanten, während D ≃ 3/4 und F ≃ 1/2 die axialen SU(3)-Kopplungen im chiralen Limes darstellen. Unter beiden Ansätzen für GsM (q 2 ) ist die Notwendigkeit, sich auf die Messungen bei niedrigem q 2 zu beschränken, offensichtlich. In beiden Fällen werden die Parameter rs2 und µs gemeinsam an die gemessenen Linearkombinationen von GsM und GsE angepasst. Die resultierenden q 2 -Verläufe von GsM und GsE werden in Abb. 7.6 gezeigt, während in Abb. 7.7 die Vertrauensellipsen auf der µs -rs2 -Ebene zu sehen sind. Dabei sind auch einige theoretische Abschätzungen für diese beiden Größen aufgetragen. Obwohl diese Fitverfahren nur näherungsweise gültig sind, können aus diesen Resultaten schon definitive Schlussfolgerungen gezogen werden. Am wichtigsten ist, dass die Strangeness-Beiträge zu den elektromagnetischen Eigenschaften des Protons kleiner sind als durch gewisse theoretische Ansätze erwartet. Die 7.4. MESSUNG DER STRANGENESS-FORMFAKTOREN 157 0.10 0.08 0.40 0.20 0.04 GsM GsE 0.06 0.02 0.00 −0.20 −0.02 −0.04 0.00 0 0.1 0.2 0.3 2 2 |q | [(GeV/c) ] 0.4 −0.40 0 0.1 0.2 0.3 2 2 |q | [(GeV/c) ] Abbildung 7.6: Abhängigkeit der Strangeness-Formfaktoren von q 2 . Der Datenpunkt bei 0.1 (GeV/c)2 enthält alle in Abb. 2.3 gezeigten Messungen. Der Punkt bei 0.22 (GeV/c)2 stammt aus den beiden A4-Messungen bei diesem q 2 . Die Kurven wurden erzeugt durch die im Text beschriebenen gemeinsamen Fits, wobei die blaue Kurve durch den ersten bzw. die rote durch den zweiten Ansatz für GsM (q 2 ) zustande kommt. auf Vektormesondominanz basierten Abschätzungen von rs2 und µs (wie in Ref. [17] und [19]) galten, zur Zeit als sie entstanden, als sehr plausibel. Anhand dieser Abschätzungen wurden die Messungen der Paritätsverletzung in Elektronstreuexperimenten geplant, und die Helizitätsasymmetrien wurden mit der geplanten Genauigkeit gemessen. Die Messungen zeigen, dass diese Strangeness-Effekte kleiner als erwartet sind, und somit sind die entsprechenden theoretischen Ansätze zumindest in der Form, in der sie angewandt wurden, ausgeschlossen. Um diese Observablen signifikant zu bestimmen, müssen offensichtlich Messungen mit einer höheren Präzision entworfen werden. Das wäre technisch durchaus möglich, und tatsächlich werden zurzeit Messungen von Helizitätsasymmetrien in der Größenordnung 10−7 mit einer relativen Genauigkeit von wenigen Prozenten geplant [123], die allerdings der Bestimmung der schwachen Ladung des Protons gewidmet sind. Um die Erforschung der Hadronstruktur und der starken Kraft durch Messungen der Paritätsverletzung in der Elektronenstreuung weiter zu verfolgen, hätte man aber die Schwierigkeit, dass die theoretische Interpretation der Resultate unsicher wäre, wie man an den theoretischen Fehlern z.B. der Strangeness-Formfaktoren bei q 2 = −0.22(GeV/c)2 in den Gl. (7.1) und (7.2) erkennt. Diese theoretischen Fehler kommen hauptsächlich wegen der Unsicherheit des axialen und der elektromagnetischen Formfaktoren von Proton und Neutron zustande, die für die Bestimmung der Strangeness-Formfaktoren aus der gemessenen Helizitätsasymmetrie gebraucht werden. 0.4 158 KAPITEL 7. RESULTATE UND SCHLUSSFOLGERUNGEN 0.4 VMD [17] VMD [19] Skyrme [28] χQSM (Mπ ) [31] χQSM (MK ) [31] q-Gitter [33] q-Gitter [34] 0.3 0.2 rs2 [fm2 ] 0.1 0.0 −0.1 −0.2 −0.3 −0.4 −0.4 −0.2 0.0 µs [n.m.] 0.2 0.4 Abbildung 7.7: Extrahierte statische Strangeness-Eigenschaften des Protons. In blau und rot sind die Resultate des ersten bzw. zweitens Fits (Beschreibung im Text) aufgezeichnet, wobei die Ellipsen den 68.3%- und 95.5%Vertrauensbereichen entsprechen. Die aufgetragenen theoretischen Rechnungen wurden in Kapitel 1 besprochen. Die Genauigkeit, mit der die elektromagnetischen Formfaktoren bekannt sind, wird sich allerdings in der nächsten Zukunft verbessern, denn sehr präzise Daten sowohl von der MAMI-Anlage [124] als auch vom Jefferson-Lab. (TJNAF) [125] werden demnächst veröffentlicht werden. Die Unsicherheit des axialen Formfaktors GA könnte sich dank Fortschritten seitens der Theorie verbessern, und experimentell werden die A4-Messungen unter Rückwärtswinkeln mit Deuterium-Target dazu beitragen. Hierzu befinden sich schon Messdaten bei |q 2 | = 0.2 (GeV/c)2 in der Auswertung [104], und eine neue Messung bei 0.1 (GeV/c)2 ist geplant. Es wird interessant sein, zu sehen, wie sich die Bestimmung des StrangenessBeitrags zur Vektorkopplung des Nukleons durch diese neuen Kenntnisse verbessert. [...] Tutte le stelle già de l’altro polo vedea la notte, e ’l nostro tanto basso, che non surgëa fuor del marin suolo. Cinque volte racceso e tante casso lo lume era di sotto da la luna, poi che ’ntrati eravam ne l’alto passo, quando n’apparve una montagna, bruna per la distanza, e parvemi alta tanto quanto veduta non avëa alcuna. Noi ci allegrammo, e tosto tornò in pianto; ché de la nova terra un turbo nacque e percosse del legno il primo canto. Tre volte il fé girar con tutte l’acque; a la quarta levar la poppa in suso e la prora ire in giù, com’ altrui piacque, infin che ’l mar fu sovra noi richiuso≫. DANTE A LIGHIERI, La Divina Commedia, Inferno, Canto XXVI, 90-142 Anhang A Geometrische Details Tabelle A.1: Position und Ausrichtung der Kristalle. Definitionen siehe Abb. A.1 - (a) Ring-Nr. 1 2 3 4 5 6 7 α (◦ ) 39.22 37.69 36.20 34.77 33.39 32.06 30.77 Di (mm) 737.8 779.5 822.6 867.2 913.5 961.4 1011.2 D0 (mm) 854.0 902.2 952.1 1003.8 1057.4 1112.9 1170.5 Ri (mm) 602.1 602.1 602.1 602.1 602.1 602.1 602.1 R0 (mm) 697.0 697.0 697.0 697.0 697.0 697.0 697.0 L (mm) 952.3 984.9 1019.4 1055.8 1094.1 1134.4 1176.9 Tabelle A.2: Abmessungen der Kristalle. Definitionen siehe Abb. A.1 - (b) Ring-Nr. 1 2 3 4 5 6 7 l (mm) 150.0 155.1 160.6 166.3 172.3 178.7 185.4 Xi (mm) 25.9 25.9 25.9 25.9 25.9 25.9 25.9 X (mm) 30.0 30.0 30.0 30.0 30.0 30.0 30.0 Yil (mm) 25.5 25.5 25.5 25.5 25.5 25.4 25.4 161 Yl (mm) 29.5 29.5 29.5 29.5 29.5 29.5 29.4 Yiu (mm) 26.4 26.4 26.4 26.4 26.4 26.4 26.4 Yu (mm) 30.5 30.5 30.5 30.5 30.5 30.5 30.6 162 ANHANG A. GEOMETRISCHE DETAILS l X Kristall L Xi R0 Ri α Strahlachse Target Di D0 (a) Yu Yiu Xi Yil l Yl (b) Abbildung A.1: (a) Definition der Ausrichtungs- und Positionsparameter der Kristalle. (b) Definition der Kristallenabmessungen. X 163 Tabelle A.3: Angabe der Abmessungen und Positionen der Szintillationszähler. Typ I: innere Module; Typ II: äußere Module; Typ III: breitere Module. Definitionen, siehe Abb. A.2. Typ I II III Anzahl L [mm] B [mm] H [mm] R [mm] z [mm] 34 36 2 400 409 400 50 50 68 20 20 20 472 520 472 739.5 784.5 739.5 (a) B H L (b) H/2 Szintillator L/2 R Target e− C z Abbildung A.2: (a) Definitionen der Szintillatoren-Abmessungen. (b) Definition der Positionkoordinaten (C ist der Mittelpunk des Targets). 164 ANHANG A. GEOMETRISCHE DETAILS Anhang B Wertvolle Formeln B.1 Kinematische Größen B.1.1 Elastische Streuung Die Massen von Elektron und Nukleon (Proton) werden mit m und M angedeutet. Die Viererimpulse von ein- und auslaufendem Elektron werden als1 Lab k = (E, k) = (E, 0, 0, |k|) (B.1) Lab k ′ = (E ′ , k′ ) = (E ′ , |k′ | sin θ, 0, |k′| cos θ) E Lab ≡ E/η E′ = 1 + E/M(1 − cos θ) (B.2) für m = 0 (B.3) bezeichnet, der Viererimpulsübertrag als q = k − k ′ = (ω, q) 2 Q = −q 2 Lab (B.4) ′ = 2EE (1 − cos θ) für m = 0. (B.5) Die Viererimpulse von ein- und auslaufendem Nukleon sind: Lab P = (E1 , P) = (M, 0, 0, 0) P ′ = (E2 , P′) β2 = |P′ |/E2 (B.6) (B.7) B.1.2 Inelastische Streuung Wenn der Endzustand nicht (nur) dieselbe Teilchen wie der Anfangszustand enthält, redet man von inelastischer Streuung. In dieser Arbeit ist der Endzustand typischerweise ein Dreikörper-Zustand, wobei neben dem gestreuten Elektron ein 1 Es wird immer c = 1 angenommen. 165 166 ANHANG B. WERTVOLLE FORMELN Nukleon und ein drittes Teilchen X entstehen. Für Elektron und Nukleon werden die im letzten Abschnitt gegebenen Definitionen der kinematischen Größen übernommen. Die invariante Masse oder Schwerpunktenergie des Nukleon-X-Systems wird mit W bezeichnet, W 2 = M 2 + q 2 + 2P · q Lab M 2 + q 2 + 2Mω m=0 M 2 − 2EE ′ (1 − cos θ) + 2Mω . = = (B.8) Somit kann man die Energie des gestreuten Elektron schreiben als: E′ = M 2 + 2ME − W 2 . 2(M + E(1 − cos θ)) (B.9) Bei verschiedenen Rechnungen wird vom Schwerpunktsystem von Nukleon und X Gebrauch gemacht. Kinematische Größen in diesem Bezugsystem werden mit einem Stern gekennzeichnet. Das Koordinatensystem wird so gewählt, dass die zAchse in die q∗ -Richtung zeigt, die x-Achse auf der Elektron-Streuebene liegt und die y-Achse senkrecht dazu steht: q∗ , |q∗ | k∗ × k′∗ , = |k∗ × k′∗ | = ẑ ∗ × ŷ ∗ . ẑ ∗ = ŷ ∗ x̂∗ Im folgenden werden kinematische Notationen für spezifische inelastische Kanäle angegeben. ep → epγ: Der Viererimpuls des ausgestrahlten γ-Quants ist q ′ = (ω ′ , q′ ) . ep → eNπ: Der Viererimpuls des Pions ist kπ = (ωπ , kπ ) , und seine Masse mπ . Für den geladenen bzw. ungeladenen Kanal versteht sich: ep → enπ + : ep → epπ 0 : M = Mn , mπ = mπ+ bzw. M = Mp , mπ = mπ0 . B.1. KINEMATISCHE GRÖSSEN 167 B.1.3 Zerfall ungeladener Pionen Die durch Elektro- oder Photoproduktion erzeugten ungeladenen Pionen zerfallen zu 98.8% [40] in zwei γ-Quanten. Die Viererimpulse der beiden Photonen werden k1 und k2 benannt, ihre Energien ω1 und ω2 und die Richtung ihre Impulsen durch die Einheitsvektoren k̂1 und k̂2 . Die Energie- und Impulserhaltung heißt kπ = k1 + k2 . (B.10) Im Ruhesystem des Pions beträgt die Energie beider Photonen die Hälfte der Ruhemasse des Mesons und ihre Impulse stehen unter 180◦ zueinander. Bezeichnet man die kinematischen Variablen in diesem Bezugssystem mit einem Stern, so hat man kπ∗ = (mπ0 , 0) mπ0 ω1∗ = ω2∗ = 2 k̂1∗ = −k̂2∗ . Da das Pion ein spinloses Teilchen ist, erfolgt der Zerfall in seinem Ruhesystem isotrop, und für die Wahrscheinlichkeitsdichte-Verteilung dρ der z.B. k̂1 -Richtung gilt d2 ρ 1 , (B.11) = ∗ dΩ1 4π wobei die z-Richtung entlang des Pionimpulses im Laborsystem gewählt wurde. Quadriert man (B.10), bekommt man m2π0 − 2ωπ ω1 + 2ω1 |kπ | cos θπγ = 0 (B.12) m2π0 2(ωπ − |kπ | cos θπγ ) (B.13) ω1 (ωπ , θπγ ) = Daraus ergibt sich für die größte bzw. kleinste Photonenergie ωπ + |kπ | 2 ωπ − |kπ | . = 2 θπγ = 0 ⇒ ω1max = θπγ = π ⇒ ω1min und (B.14) (B.15) Eine Beziehung zwischen dem Ruhesystem-Winkel θ1∗ und dem Laborwinkel θπγ kann anhand der dazugehörigen Lorentz-Transformation (mit γ = ωπ /mπ0 und β = |kπ |/ωπ ) verschafft werden: |kπ | ωπ ∗ 1+ ω1 = cos θ1 2 ωπ ωπ |kπ | ∗ ω1 cos θπγ = cos θ1 + 2 ωπ 168 ANHANG B. WERTVOLLE FORMELN Fügt man beide Gleichungen zusammen und berücksichtigt man (B.13), kommt man auf ωπ cos θ1∗ + |kπ | cos θπγ = , ωπ + |kπ | cos θ1∗ m2π0 ∂ cos θπγ ωπ (ωπ + |kπ | cos θ1∗ ) − |kπ |(ωπ cos θ1∗ + |kπ |) = = . (B.16) ∂ cos θ1∗ (ωπ + |kπ | cos θ1∗ )2 4ω12 Mit (B.16) wieder zusammen mit (B.13) erhält man für die Winkelverteilung im Laborsystem m2π0 d2 ρ ω12 d2 ρ ∂ cos θ1∗ = = = . (B.17) dΩπγ dΩ∗ ∂ cos θπγ πm2 0 4π(ωπ − |kπ | cos θπγ )2 1 π B.2 Wirkungsquerschnitte Zur Berechnung von differentiellen Wirkungsquerschnitten für Streuprozesse wurden die Standard-Formeln verwendet, die lorentz-invariante Streuamplituden mit den in einem beliebigen Bezugsystem evaluierten relevanten kinematischen Größen verknüpfen. Wichtig dabei ist die Normierung der Spinoren, die in der Berechnung der Streuamplituden verwendet wird. In dieser Arbeit wurde die Konvention von Bjorken und Drell [126] angewandt: ū(p, s) u(p, s) = 1 , v̄(p, s) v(p, s) = −1 . Diese führt für den allgemeinen Prozess a + b → 1 + 2 + 3 + ... mit invarianter Streuamplitude M und Anfangs- und Endzustand-Viererimpulsen pa , pb bzw. ki (i = 1, 2, 3, ...) zum Wirkungsquerschnitt Y 1 d3 ki dσ = Ka Kb S Ki |M̄|2 (B.18) 3 |va − vb | (2π) i=1,2,... ! X ki . ×(2π)4 δ (4) pa + pb − i=1,2,... Hierbei sind va,b die Geschwindigkeiten der Teilchen a und b. Wenn Ex und mx Energie und Masse des Teilchens x sind, gilt dann für Bosonen: 1 Kx = 2Ex für Fermionen: mx Kx = Ex B.3. STRAHLUNGSKORREKTUREN 169 Mit |M̄|2 ist gemeint, dass |M|2 über die Spinrichtungen der Anfangszustandsteilchen gemittelt und über die Spinrichtungen der Endzustandsteilchen summiert wird. Gibt es im Endzustand ni Teilchen der Sorte i, so hat man den statistischen Faktor Y 1 S= . ni ! i B.3 Strahlungskorrekturen Der Ausdruck für die Korrektur δ(∆r ) zur elastischen Elektron-Proton-Streuung wurde von Mo und Tsai [111] gegeben und lautet: α 28 13 −q 2 δ(∆r ) = − − log 2 (B.19) π 9 6 m E E E′ −q 2 − 3 log η − Φ 1 − ′ − Φ 1 − 2 log + log 2 − 1 m ∆r E E ′ M(M − E ′ ) M −E E −Φ − 3 log η + Φ − +Z 2 log η 2 log ∆r E 2E ′ E2 − ME ′ ′ 2E ′ E2 − ME 2E (M − E ′ ) M E − E 2 log +Φ + log −Φ − 2E ′ E2 − ME E(M − 2E ′ ) 2E ′ E′ 2EE2 − ME ′ 2E(E2 − E ′ ) M(E2 − E ′ ) log M −Φ − log ′ +Φ ′ ′ ′ 2E E2 − ME 2EE2 − ME E (M − 2E) 2E M M −E M −E 2(M − E) log M −Φ − +Φ −Φ − log E E M 2E − M 2E ′ ′ ′ M M −E M M −E 2(M − E ) +Φ − + log ′ log −Φ +Φ E′ E′ M 2E − M 2E ′ 1 1 1 1 + β2 E2 + M M 1 + β2 E2 log −2 + log + log log +Z 2 − log M η∆r β2 1 − β2 β2 2 1 − β2 2M s s ! ! ! r E2 − M 1 + β2 E2 − M 1 − β2 E2 − M −Φ − +Φ −Φ E2 + M 1 − β2 E2 + M 1 + β2 E2 + M !!#) r E2 − M +Φ − . E2 + M Hierbei ist Z die Ladung des Targets, die im Ausdruck (B.19) beibehalten wird, weil dieser für ein allgemeines Kerntarget gilt. Hier ist es nützlich die Z-Abhängigkeit zu zeigen, denn die Z- und Z 2 -Terme stammen aus den Diagrammen in Abb. 5.3 und 5.4, die mehr als ein Protonvertex enthalten. Wenn man solche Diagramme vernachlässigen will, müssen diese Terme ausgelassen werden. Die Spence-Funktion 170 ANHANG B. WERTVOLLE FORMELN Φ (Dilogarithmus Li2 ) ist folgendermaßen definiert: Z x − log |1 − y| Φ(x) = dy = Re Li2 (x) y 0 (B.20) Da Im Li2 (x) = 0 für x < 1, kann die Eigenschaft 1 Li2 (1 − x) + Li2 (1 − x−1 ) = − (log x)2 2 für folgende Umformung ausgenutzt werden: 2 E 1 E′ E′ −Φ 1 − ′ − Φ 1 − = log . E E 2 E (B.21) (B.22) B.4 Peaking-Approximation zum Strahlungsschwanz Der differentiellen Wirkungsquerschnitt in der Peaking-Approximation lässt sich wie in Gl. (5.10) als Summe von zwei Beiträgen schreiben, die der Ausstrahlung vom Anfangszustands- bzw. Endzustandselektron entsprechen. Die Ausdrücke für diese beiden Beiträge wurden von [111] und [112] genommen: ts M + (E − ωs )(1 − cos θ) d2 σ d3 σ ′ (E − ωs , θ) , (E, E , θ) = dΩdE ′ in ωs M − E ′ (1 − cos θ) dΩ Ros tp d2 σ d3 σ ′ (E, θ) . (E, E , θ) = dΩdE ′ fin ωp dΩ Ros Hierbei sind ωs und ωp unter Vernachlässigung der Elektronmasse m die Energie des im Anfangs- bzw. Endzustand ausgestrahlten γ-Quants: q 2 + 2M(E − E ′ ) , 2[M − E ′ (1 − cos θ)] q 2 + 2M(E − E ′ ) , = 2[M + E(1 − cos θ)] ωs = ωp und ts tp α 1 + x2s Xs = ln 2 − xs , π 2 m 2 α 1 + xp Xp = ln 2 − xp , π 2 m wobei xs und xp der vom einfallenden bzw. auslaufenden Elektron bei der Ausstrahlung verlorene Energieanteil ist, E − ωs , E E′ = , E ′ + ωp xs = xp B.5. MATRIXELEMENTE FÜR DIE PIONPRODUKTION 171 und Xs = 2(E − ωs )E ′ (1 − cos θ) , Xp = 2EE ′ (1 − cos θ) . B.5 Matrixelemente für die Pionproduktion Hier soll die Gleichung (5.19) hergeleitet werden. Alle kinematischen Variablen sollen im Schwerpunktsystem nach der Definition vom Abs. B.1 ausgewertet werden, und daher wird die dazugehörige Gekennzeichnung mit ∗ ausgelassen. Die Stromerhaltungsbeziehungen (5.17) und (5.18) lauten explizit |q|2 ηzz , ω2 |q|2 = 2 Wzz , ω |q| ηzi , ω |q| W0i = Wzi . ω η00 = W00 η0i = Mit diesen können die Tensorelemente in Gl. (5.16) mit 0-Indizen eliminiert werden: η00 W00 − 2η0z ReW0z + ηzz Wzz −2η0x ReW0x + 2ηxz ReWxz 2 |q|2 − 1 ηzz Wzz , = ω2 2 |q| = − − 1 2ηxz ReWxz . ω2 Die Elemente des Leptontensors sind ausdrücklich: ηxx = ηxy = ηxz = ηyy = ηyz = ηzz = e2 4m2e 0 e2 4m2e e2 4m2e 0 e2 4m2e (kix + kf x )2 − q 2 (kix + kf x )(kiz + kf z ) −q 2 (kiz + kf z )2 −q 2 − |q|2 | {z } −ω 2 i . Der einzige von Null verschiedene nichtdiagonale Term ist im gewählten Koordinatensystem ηxz . Die Hadrontensorelemente als Funktion der MAID-Antwortfunk- 172 ANHANG B. WERTVOLLE FORMELN tionen sind laut Gl. (23) von [114]: 1 (Wxx + Wyy ) 2 = Wzz 1 = (Wxx − Wyy ) 2 = −ReWxz RT = RL RT T cos 2ϕπ RT L cos ϕπ Fügt man alles zusammen, bekommt man die Gl. (5.19). (B.23) Literaturverzeichnis [1] S. W EINBERG, A Model of Leptons, Phys. Rev. Lett. 19 (1967), 1264-1266 [2] D.J. G ROSS , F. W ILCZEK, Ultraviolet Behavior of Non-Abelian Gauge Theories, Phys. Rev. Lett. 30 (1973), 1343–1346 [3] H.D. P OLITZER, Reliable Perturbative Results for Strong Interactions?, Phys. Rev. Lett. 30 (1973), 1346-1349 [4] D.J. G ROSS , F. W ILCZEK, Asymptotically Free Gauge Theories. I-II, Phys. Rev. D 8 (1973), 3633-3652, Phys. Rev. D 9 (1974), 980-993 [5] S. C OLEMAN , J. W ESS , B. Z UMINO, Structure of phenomenological lagrangians. I,II, Phys. Rev. 177 (1969), 2239-2247, 2247-2250 [6] S. W EINBERG, Phenomenological Lagrangians, Physica 96A (1979), 327-340 [7] J. G ASSER , H. L EUTWYLER, Chiral perturbation theory to one loop, Annals of Physics 158 (1984), 142-210 [8] A. M ANOHAR , H. 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