umschlag_v5 14.04.14 09:37 Seite 2 Band 01 ⁄ April 2014 jahf Journal für angeborene Herzfehler Deutsches Herzzentrum München des Freistaates Bayern Klinik an der Technischen Universität München inhalt_v3 14.04.14 14:51 Seite 2 Inhalt Vorwort Prof. Dr. med. Peter Ewert, Prof. Dr. Dr. med. Harald Kaemmerer 3 Ebstein’sche Anomalie der Trikuspidalklappe 4 Prof. Dr. med. Manfred Vogt, Dr. med. Christoph Röhlig, PD Dr. med. Nicole Nagdyman, Dr. med. Andreas Kühn Die Chirurgie der Ebstein’schen Anomalie 10 Prof. Dr. med. Rüdiger Lange, Prof. Dr. med. Christian Schreiber, PD Dr. med. Jürgen Hörer, Prof. Dr. med. Manfred Vogt Echokardiographie bei angeborenen Herzfehlern – der Shunt auf Vorhofebene 16 Dr. med. Andreas Kühn, Prof. Dr. med. Manfred Vogt Haemodynamik und invasive Diagnostik bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern 22 PD Dr. med. Andreas Eicken, Prof. Dr. Dr. med. Harald Kaemmerer Epidemiologie und Einteilung der pulmonal arteriellen Hypertonie bei angeborenen Herzfehlern 28 Prof. Dr. Dr. med. Harald Kaemmerer, Claudia Pujol Salvador (Fachärztin für Kardiologie) Meine Patientin hat einen angeborenen Herzfehler … und will schwanger werden 32 PD Dr. med. Nicole Nagdyman, Prof. Dr. med. KTM Schneider, Prof. Dr. Dr. med. Harald Kaemmerer Bedeutung von Registern 38 Prof. Dr. med. habil. David Pittrow, Prof. Dr. Dr. med. Harald Kaemmerer Impressum 2 42 vorwort_v2 14.04.14 14:52 Seite 3 Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Prof. Dr. med. Peter Ewert Prof. Dr. Dr. Harald Kaemmerer Die Klinik für angeborene Herzfehler und Kinderkardiologie des Deutschen Herzzentrums München ist nicht nur eine wichtige Anlaufstelle für Patienten, sondern auch ein Zentrum für Forschung und Lehre. Dabei ist für uns die interdisziplinäre Zusammenarbeit, eine fächerübergreifende Kommunikation sowie die Kooperation mit zuweisenden Ärzten von besonderer Bedeutung. Aus diesem Grunde haben wir uns entschlossen, allen Kollegen, die Interesse an angeborenen Herzfehlern – vom Säuglings- bis zum hohen Erwachsenenalter – haben, Wichtiges, Interessantes und Zukunftweisendes in Form einer Fachzeitschrift zu übermitteln. Zudem möchten wir auch dem Fortbildungsgedanken nachkommen und weniger erfahrenen, aber interessierten Kollegen eine Einstiegshilfe in die teilweise sehr komplexe Problematik bei angeborenen Herzfehlern geben. Das „Journal für Angeborene Herzfehler“ (JAHF) wird von nun an mehrfach pro Jahr erscheinen. In dem vorliegenden Heft finden Sie Beiträge @ zum Krankheitsbild der Ebstein’schen Anomalie @ zur Chirurgie der Ebstein’schen Anomalie @ zur Echokardiographie bei angeborenen Herzfehlern mit Shunt auf Vorhofebene @ zur Bestimmung des Herzzeitvolumens im Herzkatheterlabor (Qp, Qs) @ zur Epidemiologie und Einteilung der Pulmonalen Hypertonie bei angeborenen Herzfehlern @ zur Schwangerschaft bei Frauen mit angeborenen Herzfehler und @ zur Bedeutung von Registern in der klinischen Forschung. Ergänzend zu den erscheinenden Heften erhalten Sie einen Sammelordner, in dem Sie nach eigenem Geschmack und Bedarf die für Sie interessanten Artikel abheften können. Gerne würden wir unsere Zeitschrift „JAHF“ nach Ihren Wünschen und Vorstellungen ausrichten und wären Ihnen für Anregungen, Themen- oder Verbesserungsvorschläge sowie einen kollegialen Dialog dankbar. Wir wünschen Ihnen nun viel Freude beim Lesen unseres Journals und verbleiben mit herzlichen kollegialen Grüßen Prof. Dr. med. Peter Ewert Prof. Dr. Dr. Harald Kaemmerer 3 anomalie_der_trikuspidalklappe_v4 14.04.14 09:06 Seite 4 Ebstein’sche Anomalie der Trikuspidalklappe Prof. Dr. med. Manfred Vogt Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler, Deutsches Herzzentrum München Dr. med. Christoph Röhlig Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler, Deutsches Herzzentrum München PD Dr. med. Nicole Nagdyman Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler, Deutsches Herzzentrum München Dr. med. Andreas Kühn Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler, Deutsches Herzzentrum München Was ist neu – was ist wichtig? Patienten mit Ebstein’scher Anomalie der Trikuspidalklappe fühlen sich häufig subjektiv beschwerdefrei und gut belastbar, weisen aber im Belastungstest eine objektiv eingeschränkte Leistungsfähigkeit auf. Die Klärung der Morphologie ist mittels transthorakaler Echokardiografie sehr gut möglich, die Kernspintomografie gibt Einblicke in die Hämodynamik: durch den verminderten Vorwärtsfluß in der Pulmonalarterie reduziert sich die Vorlast des linken Ventrikels und der Cardiac output. So kann auch die verminderte Leistungsfähigkeit erklärt werden. Zur Abschätzung der Operationsindikation ist eine umfassende Untersuchung (TTE, Spiroergometrie, Kernspintomografie mit Fluss-/Volumenmessung) in einem spezialisierten Zentrum erforderlich. Bei der Autopsie eines 19-jährigen Arbeiters hat sich Wilhelm Ebstein nicht träumen lassen, dass die von ihm in seiner Breslauer Zeit beschriebene angeborene Missbildung der Tricuspidalklappe einmal seinen Namen tragen würde. 4 anomalie_der_trikuspidalklappe_v4 14.04.14 09:06 Seite 5 Abbildung 1: Klassifikation nach Carpentier in verschiedenen Schweregraden von mild bis ausgeprägt (A bis C). Quelle: Popelova J, Oechslin E, Kaemmerer H, John Sutton MG. CONGENITAL HEART DISEASE IN ADULTS. Informa Healthcare 2008. ISBN-13: 9781841845845, ISBN-10:1841845841 A Die Veröffentlichung erfolgte 1866 in einer deutschsprachigen wissenschaftlichen Zeitschrift „Archiv für Anatomie, Physiologie und Wissenschaftliche Medicin“ (1). Es sollte aber noch fast 100 Jahre – bis 1950 – dauern, bis der Schritt von der pathologischen post-mortem Diagnose zur Diagnostik zu Lebzeiten erfolgen konnte. Heute wird die Ebstein’sche Anomalie der Trikuspidalklappe als eine sehr seltene (0,3 % aller angeborenen Herzfehler, 24 Fälle auf eine Million Lebendgeborene) Rechtsherzerkrankung definiert. Mit Hilfe der modernen Ultraschalldiagnostik sind die Erkennung der Erkrankung und die Darstellung aller morphologischen Details heute sicher möglich. B Folgende Kriterien sind für die Diagnosestellung und Beurteilung der Klappe erforderlich: @ Verlagerung von septalem und posteriorem Trikuspidalklappensegel in Richtung Herzspitze (bei Erwachsenen > 8 mm ⁄ m2) @ Das anteriore TrikuspidalklappenSegel kommt am atrio-ventrikulären Sulcus in normaler Höhe frei, kann aber mehrfache abnorme Verbindungen zur Vorderwand aufweisen („Tethering“). @ Durch die Verlagerung des Klappenschlusses in den Ventrikel hinein entstehen zwei Kompartimente: › Ein atrialisierter Anteil des morphologischen rechten Ventrikels (aRV) und › der funktionelle echte RV-Pumpanteil (fRV) C @ Je ausgeprägter die Verlagerung der Trikuspidalklappe in den Ventrikel ist, desto mehr rotiert der Trikuspidalklappenschluss in Richtung Ausflusstrakt (RVOT). @ Das Ausmaß der TrikuspidalklappenUndichtigkeit ist variabel und nicht vom Ausmaß der Verlagerung des Klappenschlusses abhängig. @ Fast immer ist ein Shunt auf Vorhofebene assoziiert: als gespreiztes Foramen ovale oder als echter Vorhofseptumdefekt vom SecundumTyp Für die Einteilung der morphologischen Schweregrade gibt es mehrere Ansätze. @ Aus kardiochirurgischer Sicht ist die Einteilung nach Carpentier weit verbreitet (Abbildung 1) (2). 5 anomalie_der_trikuspidalklappe_v4 14.04.14 09:06 Seite 6 Abbildung 2: Transthorakale Echokardiographie bei M. Ebstein: Anatomisch milde Form des M. Ebstein mit nur geringer Verlagerung des Trikuspidalklappenschlusses nach apikal (hier 17 mm, entsprechend weniger als 30 % der Septumlänge). aRV = atrialisierter Anteil des rechten Ventrikels (RV). Abbildung 3: Transthorakale Echokardiographie bei M. Ebstein: Anatomisch mittelschwere Form mit einer Verlagerung des Trikuspidalklappenschlusses nach apikal um 38 mm, entsprechend ca. 50 % der Septumlänge. 65 mm 17 mm RV aRV aRV @ Aus echokardiografischer Sicht hat sich die Einteilung nach dem Ausmaß der Verlagerung des Trikuspidalklappen-Schlusses im apicalen 4-Kammer-Blick bewährt (siehe Abbildungen 2, 3 und 4); › Eine Verlagerung auf 30 % der Septumlänge entspricht nach morphologischen Kriterien einer geringen Schwere, › eine Verlagerung um 50 % ist als mittelgradig und › eine Verlagerung um mehr als 75 % als hochgradig zu bewerten. Typische Symptome im Verlauf des Lebens Generell gilt, dass die morphologisch schwerwiegenderen Formen früher im Leben und häufig bereits im Neugeborenenalter auffallen und dann auch eine schlechtere Prognose haben als 6 Formen, die erst im höheren Lebensalter symptomatisch werden. wird bei der Ebstein’schen Anomalie zwischen 0 und 44 % angegeben (4). Das Leitsymptom der Ebstein’schen Anomalie im Neugeborenenalter ist die kardiale Zyanose, die in ihrem Schweregrad oft wechselt und kaum durch Sauerstoff-Gabe zu beeinflussen ist. Kleinkinder werden in der Regel mit den Zeichen der dekompensierten Rechtsherzinsuffizienz auffällig, während bei Schulkindern die Diagnose häufig wegen eines uncharakteristischen Herzgeräusches erfolgt (3). Jugendliche und junge Erwachsene präsentieren sich meist erstmalig mit Arrhythmien. Tachykarde Herzrhythmusstörungen treten bei Kindern und Jugendlichen mit einer Ebstein’schen Anomalie im Vergleich zu anderen Herzfehlern deutlich häufiger auf. Die Prävalenz einer Präexzitation bzw. eines Wolff-Parkinson-White-Syndroms Eine häufig nicht beachtete Tatsache ist die Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit auch bei subjektiv symptomfreien Patienten (5). Mehrere Arbeiten konnten beweisen, dass die körperliche Belastbarkeit und die maximale Sauerstoffaufnahme nach erfolgreicher Operation wieder ansteigen (6). Welche Basisdiagnostik ist hilfreich? Neben den klinischen Untersuchungsbefunden gehört die Ableitung eines Oberflächen-EKG’s zur Basisdiagnostik. Dieses weist vor allem in den Brustwandableitungen V1 und V2 eine typische M-förmige Splitterung des QRS-Komplexes auf. Im 24-Stunden-EKG können häufig Rhythmusstörungen detektiert werden. anomalie_der_trikuspidalklappe_v4 14.04.14 09:06 Seite 7 Abbildung 4: Transthorakale Echokardiographie bei M. Ebstein: Anatomisch schwere Form mit einer Verlagerung des Trikuspidalklappenschlusses nach apikal um 65 mm und damit mehr als 75 % der Septumlänge. Abbildung 5: TEE: Aufsicht auf die Tricuspidaklappe bei 120°: Rot der Jet der hochgradigen Tricuspidalklappeninsuffizienz mit einer V. contracta von ca. 1,7 cm (MN). 38 mm RV aRV RV Eine ganz zentrale Stellung hat die Echokardiographie für Diagnosestellung und Schweregradeinschätzung. Folgende Punkte sollten dabei evaluiert werden: @ Nachweis der apicalen Verlagerung des septalen und posterioren Trikuspidalklappensegels im 4-Kammer-Blick @ Beurteilung der Mobilität des anterioren Segels und mögliches Tethering @ Quantifizierung der Trikuspidalklappeninsuffizienz im Farbdoppler (parasternale kurze Achse und 4-Kammer-Blick) @ Ausschluss oder Nachweis eines Vorhofseptumdefektes/Foramen ovale, möglicherweise im Kontrastecho @ Beurteilung von Größe/Funktion des rechten Ventrikels @ Ausschluss assoziierter Herzfehler (VSD, PDA, PS sehr selten) @ Beurteilung der LV-Größe und -Funktion Weiterführende Diagnostik verhältnisse. Sie zeigt z. B., dass bei hochgradiger Trikuspidalklappeninsuffizienz die Vorlast des linken Ventrikels vermindert ist und zu einem erniedrigten Cardiac Output führt. Eine spiroergometrische Untersuchung hilft, auch bei symptomarmen Patienten die Belastbarkeit zu objektivieren und lässt frühzeitig Leistungseinschränkungen erkennen. Dieses Untersuchungsverfahren ist auch im Krankheitsverlauf für die Festlegung eines Operationszeitpunktes wichtig. Eine chirurgische Verbesserung der Trikuspidalklappen-Kompetenz führt postoperativ zu einem besseren Vorwärtsfluss in die Lunge und zu einer erhöhten Vorlast des linken Ventrikels. Damit steigen postoperativ der Cardiac output und die körperliche Leistungsfähigkeit messbar an (8). @ Beurteilung der Mitral- und Aortenklappenfunktion Neue Einblicke in die hämodynamischen Veränderungen bieten die cardioMRT(cMRT)-Untersuchungen mit Volumetrie und Flussmessung. Sie liefert den Goldstandard zur Beurteilung von RV-Größe und -Funktion und gibt detaillierte Einblicke in die Kreislauf- Auch konnte mittels cMRT gezeigt werden, dass die Größe des fRV nicht so sehr von der Morphe der Trikuspidalklappe, sondern vom Ausmaß der Trikuspidalklappeninsuffizienz beeinflusst wird (9). 7 anomalie_der_trikuspidalklappe_v4 14.04.14 09:06 Seite 8 Abbildung 5: TEE: Aufsicht auf die Tricuspidaklappe bei 120°: Rot der Jet der hochgradigen Tricuspidalklappeninsuffizienz mit einer V. contracta von ca. 1,7 cm (MN). RV Neue kernspintomografische Daten zeigen im Langzeitverlauf – ähnlich wie bei der Fallot’-schen Tetralogie – einen linearen Zusammenhang zwischen QRS-Dauer und RV-Volumen (7). Welche Therapieoptionen gibt es? Die konservative medikamentöse Therapie ist symptomorientiert. Bei einer höhergradigen Trikuspidalklappeninsuffizienz mit Vergrößerung des RV ist der Einsatz von Diuretika zur Vorlastsenkung indiziert. Bei Vorliegen einer Rhythmusstörung mit symptomatischen Tachykardien kann – je nach zugrunde liegender Rhythmusstörung – eine medikamentöse Behandlung oder eine elektrophysiologische Untersuchung mit Katheterablation angezeigt sein. 8 Wann sollte die chirurgische Therapie gewählt werden? Patienten mit einer objektivierbaren Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit und erniedrigter maximaler Sauerstoffaufnahme profitieren von einer erfolgreichen chirurgischen Intervention (8). Zyanotische Patienten mit höhergradiger Trikuspidalinsuffizienz sollten frühzeitig angegangen werden, da die Zyanose bei Erwachsenen das kardiale Operationsrisiko mehr als verdreifacht (10). Eine im cMRT nachgewiesene Vergrößerung des RV mit Funktionseinschränkung und niedrigem cardiac output stellen ebenfalls eine Operationsindikation dar. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung sollte für die chirurgische Therapie ein Zentrum mit ausgewiesener Erfahrung hinsichtlich der TrikuspidalklappenRekonstruktion bei Ebstein’scher Anomalie gewählt werden. Literatur 1. Ebstein W.: Ober einen sehr seltenen Fall von Insufficienz der Valvula tricuspidalis, bedingt durch elne angeborene hochgradige Missbildung derslben. Arch Anat Physiol Wissensch Med 1866; 33: 238–254. 2. Carpentier A, Chauvaud S, Mace L, Relland J, Mihaileanu S, Marino JP, Abry B, Guibourt P. J A new reconstructive operation for Ebstein’s anomaly of the tricuspid valve. Thorac Cardiovas Curg 1988; 96: 92–101. 3. Celermajer D., Bull C., Till J.: Ebstein’s anomaly: Presentation and outcome from fetus to adult. J Am Coll Cardiol 1994; 23: 170–176. anomalie_der_trikuspidalklappe_v4 14.04.14 09:06 Seite 9 Indikationen zur Intervention bei Ebstein-Anomalie Empfehlungsgrad Evidenzgrad Eine chirurgische Behandlung sollte bei Patienten mit einer mehr als mittelgradigen TI und Symptomen (NYHAKlasse > II oder Arrhythmien) oder sich verschlechternder körperlicher Belastbarkeit, gemessen mittels Spiroergometrie, durch geführt werden. I C Wenn eine Indikation zur Trikuspidalklappenoperation gegeben ist, sollte ein ASD/PFO in der gleichen Operation verschlossen werden. I C Bei Patienten mit progredienter Dilatation des rechten Herzens oder Abnahme der systolischen Funktion des RV bzw. progredienter Kardiomegalie im Röntgen-Thorax sollte unabhängig von Symptomen eine chirurgische Behandlung in Betracht gezogen werden. IIa Indikation zur chirurgischen Behandlung C Indikation zur Herzkatheterintervention Patienten mit relevanten Arrhythmien sollten elektrophysiologisch getestet werden und, falls möglich, einer Katheterablation oder, im Fall einer geplanten Operation, einer gleichzeitigen chirurgischen Behandlung der Arrhythmie unterzogen werden. I C Bei dokumentierter Systemembolie, die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch eine paradoxe Embolie verursacht ist, sollte der interventionelle Verschluss eines ASD/PFO in Betracht gezogen werden. IIa C Wenn Zyanose (Sauerstoffsättigung in Ruhe < 90 %) das Hauptproblem darstellt, kann nach sorgfältiger Evaluierung ein interventioneller Verschluss des ASD/PFO in Betracht gezogen werden. IIb C 4. Delhaas T, Sarvaas GJ, Rijlaarsdam ME, Strengers JL, Eveleigh RM, Poulino SE, de Korte CL, Kapusta L (2010) A multicenter, long-term study on arrhythmias in children with Ebstein anomaly. Pediatr Cardiol 31:229–33. 5. Kipps AK, Graham DA, Lewis E, Marx GR, Banka P, Rhodes J. Natural history of exercise function in patients with Ebstein anomaly: A serial study. Am Heart J. 2012; 163: 486–91. 6. Müller J, Kühn A, Vogt M, Schreiber C, Hess J, Hager A. Improvements in exercise performance after surgery for Ebstein anomaly. J Thorac Cardiovasc Surg. 2011; 141: 1192–5. 7. Egidy Assenza G, Valente AM, Geva T, Graham D, Pluchinotta FR, Sanders SP, Autore C, Volpe M, Landzberg MJ, Cecchin F. QRS duration and QRS fractionation on surface electrocardiogram are markers of right ventricular dysfunction and atrialization in patients with Ebstein anomaly. Eur Heart J. 2013; 34(3): 191–200. 8. Kühn A, De Pasquale Meyer G, Müller J, Petzuch K, Fratz S, Röhlig C, Hager A, Schreiber C, Hess J, Vogt M. Tricuspid valve surgery improves cardiac output and exercise performance in patients with Ebstein’s anomaly. Int J Cardiol. 2013; 166(2): 494–8. Tabelle 1. Indikation zur Intervention bei EA gemäß den Guidelines der ESC und DGK (Adaptiert von den ESC Guidelines for the Management of Grown-up Congenital Heart Disease (new version 2010) [European Heart Journal 2010; 31:2915-57]) ASD = Vorhofseptumdefekt; NYHA = New York Heart Association; PFO = offenes Foramen ovale; RV = rechter Ventrikel; TI = Trikuspidalinsuffizienz. Tabelle 1. Indikation zur Intervention bei EA gemäß den Guidelines der ESC und DGK (Adaptiert von den ESC Guidelines for the Management of Grown-up Congenital Heart Disease (new version 2010) [European Heart Journal 2010; 31:2915-57]) ASD = Vorhofseptumdefekt; NYHA = New York Heart Association; PFO = offenes Foramen ovale; RV = rechter Ventrikel; TI = Trikuspidalinsuffizienz. 9. Fratz S, Janello C, Müller D, Seligmann M, Meierhofer C, Schuster T, Schreiber C, Martinoff S, Hess J, Kühn A, Vogt M, Stern H. The functional right ventricle and tricuspid regurgitation in Ebstein’s anomaly. Int J Cardiol. 2013; 167(1): 258–61. 10. Vogt MO, Hörer J, Grünewald S, Otto D, Kaemmerer H, Schreiber C, Hess J. Independent risk factors for cardiac operations in adults with congenital heart disease: a retrospective study of 543 operations for 500 patients. Pediatr Cardiol. 2012; 33(1): 75–82. 9 die_chirurgie_der_ebsteinschen_anomalie_v4 14.04.14 09:18 Seite 10 Die Chirurgie der Ebstein’schen Anomalie Prof. Dr. med. Rüdiger Lange Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie, Deutsches Herzzentrum München Prof. Dr. med. Christian Schreiber Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie, Deutsches Herzzentrum München PD Dr. med. Jürgen Hörer Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie, Deutsches Herzzentrum München Prof. Dr. med. Manfred Vogt Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler, Deutsches Herzzentrum München Was ist neu – was ist wichtig? Die Trikuspidalklappenplastik bei Patienten mit Ebstein-Anomalie ist technisch herausfordernd. Mit früheren Konzepten war es häufig nicht möglich, eine dauerhafte Reparatur zu erreichen. Die ersten Operationstechniken bestanden aus einer Kombination von Trikuspidalklappen und Ventrikelplastik durch Plikaturen. Historisch wurden im Deutschen Herzzentrum München die Mehrheit der Patienten durch eine Monokuspidalisierung der Klappe („Sebening stich“) behandelt. Dabei wurde der anteriore Pappillarmuskel am Septum fixiert und damit die Aufhängung der Klappe zur gegenüberliegenden Wand hingezogen. Alain Carpentier beschrieb erstmalig das extensive Lösen der Segel, und anschließend die Rekonstruktion einer neuen Klappe. Ab 2011 wurde im Deutschen Herzzentrum eine neue Methode eingeführt, welche von José Pedro Da Silva aus São Paulo entwickelt wurde, um die EbsteinKlappe noch spezifischer anzugehen. Auch hier werden die Segel von der Anheftungsstelle an der Ventrikelwand getrennt, was ein Lösen der Verwachsungen unterhalb der Klappe ermöglicht. Aus den Segeln wird dann eine trichterförmige Klappe rekonstruiert, welche am anatomischen Anulus reinseriert wird. 10 die_chirurgie_der_ebsteinschen_anomalie_v4 14.04.14 09:18 Seite 11 Der dilatierte atrialisierte Anteil des Ventrikels wird longitudinal plikiert. Im Deutschen Herzzentrum wurden bisher 20 Patienten mit der neuen Technik operiert. Die frühpostoperativen Resultate sind vielversprechend. Wir denken, dass die „Cone“-Methode nach Da Silva frühere Methoden zur Behandlung der Ebstein-Anomalie verdrängen wird. Die Ebstein’sche Anomalie ist pathologisch durch folgende Veränderungen gekennzeichnet (1): 1. Verlagerung des posterioren und des septalen Segels in den rechten Ventrikel (RV) 2. Dilatation des Tricuspidalanulus 3. Atrialisierung eines Teils des RV 4. Anomalien des anterioren Segels Seit der ersten Beschreibung des Morbus Ebstein durch Wilhelm Ebstein im Jahre 1866 vergingen fast 100 Jahre, bis erste Ansätze zu einer chirurgischen Korrektur entwickelt wurden. Da es Anfang der 50er Jahre noch nicht möglich war Klappenerkrankungen chirurgisch zu korrigieren, standen zunächst nur Palliativoperationen zur Verfügung, wie aorto-pulmonale Shuntverbindungen oder cavo-pulmonale Anastomosen und Verschluss des assoziierten persistierenden Foramen ovale bzw. des Vorhofseptumdefektes (2). 1958 wurde dann von Hunter und Lillehei in Minneapolis erstmals ein korrigierendes Verfahren zur kausalen Behandlung des M. Ebstein beschrieben. Dieser ersten Beschreibung folgten zahlreiche Entwicklungsschritte bis zu langfristig erfolgversprechenden Operationsverfahren zur Behandlung dieses komplizierten Herzfehlers. Hunter und Lillehei schlugen 1958 eine kombinierte Trikuspidal- und Ventrikelplasik vor. Ihre kleine, schwer erkrankte 10-jährige Patientin, bei der sie diese Operation durchführen wollten, verstarb unglücklicherweise bei der Einleitung der Narkose. Daraufhin beschrieben die beiden Chirugen am post mortem entnommenen Herzen die Abbildung 1: Der „Sebening Stich“: das anteriore Segel (a) wird am Ansatz des Pappillarmuskels (Punkt A) zur gegenüberliegenden Ventrikelwand (adhärentes septales Segel, Punkt B) gezogen. entsprechenden Operationsschritte. Die Autoren sahen die Herzinsuffizienz bei M. Ebstein aufgrund der eingeschränkten Ventrikelfunktion und des atrialisierten RV Anteils im Vordergrund. Daher führten sie eine horizontale Plikatur mit folgenden Zielen durch: 1. Exlusion des atrialisierten RV Anteils zur Verbesserung der RV Funktion. 2. Anhebung der Anheftungsebene des septalen und des posterioren Segels auf das Niveau des anterioren Segels zur Verbesserung der Klappenfunktion (3). Christian Barnard in Südafrika verfolgte einen anderen Ansatz, indem er den Schwerpunkt bei der chirurgischen Behandlung des M. Ebstein auf die Klappenfunktion und nicht auf die Ventrikelfuntkion legte. Er ersetzte 1961 erstmals die Tricuspidalklappe bei M. Ebstein durch eine Scheibenprothese (4). Dabei verzichtete er auf eine Plikatur und legte die Nähte zur Positionierung der Klappenprothese vor den Koronarsinus, um das Reizleitungssystem zu schützen. Cartwright und Lillehei in den USA führten 1963 jeweils den gleichen Eingriff mit einer eigens dafür entwickelten Kugelprothese durch. Die Letalität dieser Operationen war jedoch hoch, da viele Patienten mit konsekutivem AV Block nicht suffizient behandelt werden konnten (5, 6). Das ursprünglich von Hunter und Lillehei beschriebene Operationsverfahren wurde erstmalig 1964 von Hardy in modifizierter Form klinisch erfolgreich angewendet (7). Dabei wurde das septale und das posteriore Segel durch horizentale Plikatur in die Ebene des anatomischen Klappenrings verlagert. Dadurch wurde der atrialisierte Anteil des RV excludiert. Der Annulus der Tricuspidalklappe wurde gerafft. Diese Technik wurde dann im Wesentlichen nur geringfügig modifiziert von Danielson in der Mayo Clinic, Rochester, USA ab 1972 bei zahlreichen Patienten angewandt. Im Unterschied zu der von Hardy beschriebenen Technik führte Danielson keine Plikatur im Bereich des septalen Segels durch, um das Reiz-Leitungssystem nicht zu gefährden (8). Die eigentlich revolutionäre Verbesserung des Operationsverfahrens zur Behandlung des M. Ebstein erfolgte durch Carpentier 1980. Die horizontale Plikatur erzeugte eine erheblich Spannung im Bereich der atrio-ventrikuläre Konnektion des Herzens. Daher führte Carpentier eine longitudinale Plikatur durch. Darüber hinaus sind die Segel bei M. Ebstein häufig durch zahlreiche pathologische Anheftungen mit der Ventrikelwand verbunden, was eine normale, ungehinderte Segelbewegung verhindert. Aus diesem Grund trennte Carpentier das anterosuperiore und das posteriore Segel ab und hatte damit Zugang zu den zahlreichen Anheftungen zwischen den Segeln und dem RV. Dadurch konnten die Segel ausgiebig mobilisiert werden und schließlich durch Rotation im Uhrzeigersinn am „wahren“ Klappenring angeheftet werden (9). Durch dieses Manöver wurde die Lücke zwischen posteriorem und anteriorem Segel, die durch das rudimentäre septale Segel entsteht, verkleinert. Bei Erwachsenen implantierte Carpentier zur langfristigen Stabilisierung zusätzlich einen Anuloplastiering. Am Deutschen Herzzentrum München wurde seit seiner 11 die_chirurgie_der_ebsteinschen_anomalie_v4 14.04.14 09:18 Seite 12 Patienten (n) 30-TagesMortalität (%) Plastik (%) Re-OP (%) OP Technik Watson (Int. study) 1974 (18) 57 54.5 0 0 Brown et al. 2008 (19) 539 5.6 34 9.8 Monocusp mit Plikation Renfu et al. 2001 (20) 139 8.6 80 9.0 Monocusp mit Plikation Chauvaud et al. 2003 (21) 210 9.0 98 9.0 Monocusp mit Plikation Multi-Center study (ECHSA) 2005 (22) 152 13.0 47 9.0 Monocusp mit Plikation Herzzentrum München 2012 156 2.6 85 21 (nach > 10 y) Sebening Monocusp, Wenige „Cone“ Tabelle 1: Ergebnisse großer chirurgischer Kollektive mit unterschiedlichen Ebstein-Operationsverfahren: Letalität, Re-Operationsrate, prozentualer Anteil der erfolgten Plastik der TK. Eröffnung 1974 die Korrektur des Morbus Ebstein zunächst nach Hardy durchgeführt, wobei in einigen Fällen eine Ringanuloplastie nach DeVega inkludiert wurde. Später entwickelte Sebening, der damalige Direktor der Klinik für Herzchirurgie eine Technik, bei der eine „Ein-Segel-Klappe“ konstruiert wurde. Diese Methode wurde aufgrund ihrer relativen Einfachheit als „single-stitch technique“ bekannt (10, 11, 12). Dabei wurde das meistens überdimensional große, anteriore Trikuspidalklappensegel am Ansatz des singulären Papillarmuskels mit einer Naht gefasst und nach antero-septal verlagert und am „wahren“ Klappenring durch eine teflonarmierte Naht fixiert. Dadurch wurde das posteriore Segel entweder excludiert oder mit dem anterioren Segel durch Nähte verbunden. So entstand eine MonocuspKlappe, deren Koaptation nicht mit 12 einem anderen Segel sondern mit dem „wahren“ Klappenring erfolgte. (Abbildung 1). Bei dieser Technik erfolgte keine Plikatur. Verglichen mit den Erfahrungen anderer Zentren zeigten die Münchner Ergebnisse eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Rekonstruktion bei vergleichsweise niedriger Letalität (Tabelle 1). Probleme der Operationstechnik sind jedoch einerseits die Spannung, die durch Zug an den Ventrikelstrukturen entsteht und die fehlende Möglichkeit, den Trikuspidalklappenring dauerhaft zu stabilisieren. Dies führte im Langzeitverlauf zu einer Reoperationsrate um 20 % nach 10 Jahren. Roland Hetzer in Berlin wählte einen noch pragmatischeren Ansatz. Er verwandte je nach Klappenmorphologie das „mobilste“ Segel für die Korrektur. Dabei reduzierte er den Klappenring durch verschiedene Plikaturnähte derart, dass das anteriore Segel mit einem anderen Segelanteil koaptieren konnte (13, 14). Funktionsuntesuchungen nach bisheriger Korrektur der Ebstein’schen Anomalie mit verschiedenen Verfahren zeigen, dass die Operation von großem Nutzen für die Patienten ist: die Körperliche Belastbarkeit verbessert sich, die maximale Sauerstoffaufnahme steigt und die Größe des RV geht zurück (15). Da Silva in São Paulo, Brasilien entwickelte die von Carpentier beschriebene Technik weiter. Dabei orientierte er sich mehr an der natürlichen Ausrichtung der Klappensegel, die im Fall des posterioren und des septalen Segels weit in Richtung der Ventrikel- die_chirurgie_der_ebsteinschen_anomalie_v4 14.04.14 09:18 Seite 13 Abbildung 2: Die „Cone“ Technik: Die Klappe wird von der Ventrikelwand getrennt und Verwachsungen unterhalb der Klappe werden gelöst (A). Aus den mobilisierten Segel wird eine Trichterförmige neue Klappe gebildet (B). Anschließend wird der Ventrikel plikiert (C) und die Klappe an den anatomischen Trikuspidalanulus reinseriert. spitze verlagert sind. Um auch das septale Segel in die Klappenrekonstruktion zu integrieren werden daher die Klappensegel nicht in der horizontalen Ebene, sondern in der longitudinalen Ebene rekonstruiert. Durch schrittweises Zusammenfassen der verschiedenen Segelanteile entsteht ein Kegel, englisch 'Cone', wobei die Spitze des Kegels den Auslass in den RV bildet. Durch teilweises Ablösen des anterioren Segels, und der ausgedehnten Mobilisation der septalen und posterioren Anteile, wird so ein Klappenapparat geschaffen der auf 360° aus patienteneigenem Segelmaterial besteht. Im Gegensatz zur Sebening Technik wird durch longitudinale Plikatur des rechten Ventrikels ein muskulärer Ring in seiner Größe vorbestimmt und darin die komplett neu formierten Segelan- teile an anatomischer Stelle eingenäht (16 ,17) (Abbildung 2). Erstmal kann bei der „Cone“-Technik auch das septale Segel in die Rekonstruktion integriert werden. Der Vorteil der „Cone“-Technik besteht in der Bildung eines langfristig spannungsfreien Klappenapparates, der weitgehenden Normalisierung der atrialen und ventrikulären Volumina, sowie eines Mitwachsens der neu geschaffenen Klappenstrukturen und damit einer möglichen Applikation bei jungen Patienten. Die Rekonstruktion einer Ebstein-Klappe ist aus chirurgischer Sicht eine hochkomplexe Operation, deren Erfolg noch mehr als andere Klappenoperationen von der persönlichen Erfahrung des Chirurgen abhängt. Nur wenige Zentren weltweit haben mehr als hundert Patienten mit der Ebstein-Anomalie behandelt, so dass bei dieser seltenen kongenitalen Anomalie eine Zentralisierung der Er- fahrung in wenigen Händen notwendig erscheint. Deutschlandweit hat dabei das Herzzentrum in München die größte Operationsserie publiziert. Langzeitergebnisse nach Anwendung der „Cone“-Technik zur Rekonstruktion der Ebstein’schen Anomalie sind bisher kaum vorhanden, da es sich um eine sehr neues Verfahren handelt und da nur an großen, spezialisierten Zentren genügend Patienten behandelt werden, um aussagekräftige Analysen durchzuführen. Die größte Erfahrung besitzt Da Silva in São Paulo, der ein Kollektiv von 122 Patienten mit einem mittleren Follow-up von 5,6 Jahren überblickt, die zwischen 1993 und 2012 operiert wurden. Die 30 Tage Letalität lag in seinem Kollektiv bei 3,2 % und die Reoperationsrate im Verlauf bei 3,3 %. Dies sind 13 die_chirurgie_der_ebsteinschen_anomalie_v4 14.04.14 09:18 Seite 14 Deutsches Herzzentrum München Mayo Clinic Rochester MN São Paulo Brasilien Childrens’s Hospital Boston Shanghai Medical Center Eigene Daten Dearani 2013 (23) Kongress Cap Town 2013 Vogel 2012 (24) Liu 2011 (25) Zeitraum 2010–2013 2007–2011 1993–2012 2006–2009 2004–2009 Patienten 20 89 122 19 30 34,2 (5.6–68.2) 19 (0,1–68) 18,4 20 (0,3–56,1) 5 (0,2–16) 1 (5 %) 21 (24 %) – 0 (0 %) 20 (66 %) 13.2 Month 19.7 Month 5.6 Years 6.5 Month 22.5 Month 1 0 Früh, 4 Follow-up (3,3 %) 3 0 (5 %) 12 Früh 0 Follow-up (13 %) (16 %) (0 %) 2 Früh, 0 Follow-up (10 %) 1 Früh, 0 Follow-up (1 %) 4 Früh, 5 Follow-up (7 %) 0 Früh, 2 Follow-up (11 %) 1 Früh, 0 Follow-up (3,3 %) Veröffentlichung Alter (Jahre) PCPC Follow up Reoperatiosrate Mortalität Tabelle 2: Veröffentlichungen über die „Cone“- Technik und eigene Daten exzellente Ergebnisse, die von anderen Autoren so bestätigt werden, allerdings sind die Kollektive der anderen wesentlich kleiner und die Follow-up Zahlen kürzer (Tabelle 2). Am Deutschen Herzzentrum München wurden zwischen 2010 und 2013 20 Patienten mit der „Cone“-Technik behandelt. Nach einem mittleren Followup von 13,2 Monaten war nur eine Reoperation notwendig. Die funktionellen Analysen zeigen einen signifikanten Rückgang des RV-Volumens im MRT und eine excellente Klappenfunktion. Die „Cone“-Technik ist ein vielversprechendes Operationsverfahren. Weitere Untersuchungen müssen zeigen, ob die Langzeitergebnisse die Überlegenheit dieser Methode gegenüber anderen Techniken bestätigen können. Weitere echokardiografische und MRT Analysen werden zeigen, ob es langfristig zu einem Remodeling des RV kommt, oder ob der RV durch die extensive Mobilisation der Segel mit Durchtrennung zahlreicher myokardialer Verbindungen Schaden nimmt. Auch der Wert und die Indikation zur zusätzlichen partiellen cavopulmonalen Anastomose muss definiert werden. Die vorläufigen Erfahrungen weisen außerdem darauf hin, dass die Operation eher im Kindes und frühen Erwachsenenalter durchgeführt werden sollte, bevor sekundäre Organschäden das Risiko erhöhen. 14 die_chirurgie_der_ebsteinschen_anomalie_v4 14.04.14 09:18 Seite 15 Literatur 1. Schreiber C, Cook A, Ho SY, Augustin N, Anderson RH. Morphologic spectrum of Ebstein's malformation: revisitation relative to surgical repair. J Thoracic Cardiovasc Surg 1999; 117: 148–55. 2. Glenn WWL. Circulatory bypass of the right side of the heart shunt between superior vena cava and distal right pulmonary artery – Report of clinical application. N Eng J Med. 1958; 259: 117–120. 3. Hunter SW, Lillehei CW. Ebstein’s malformation of the tricuspid valve. Study of a case together with suggestion of a new form of surgical therapy. Chest 1985; 33: 297–304. 4. Barnard CN, Schrire V. Surgical correction of Ebstein’s malformation with prosthetic tricuspid valve. Surgery 1963 ;54: 302–308. 5. 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Manfred Vogt Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler, Deutsches Herzzentrum München Was ist neu – was ist wichtig? @ Defekte auf Vorhofebene sind häufig und werden nicht selten erst im Erwachsenenalter entdeckt @ Shunt auf Vorhofebene kann an verschiedenen Stellen entstehen: ASD II, ASD I, Sinus venosus Defekt, Koronarsinusdefekt @ Die rechtsventrikuläre Volumenbelastung lässt sich in der Regel auch bei Erwachsenen in der transthorakalen Echokardiografie diagnostizieren @ Während sich der ASD II und ASD I auch beim Erwachsenen meist in der transthorakalen Echokardiografie nachweisen lassen, können der Sinus venosus und Koronarsinusdefekt hier häufig nicht sicher erkannt werden oberer Sinus venosus Defekt @ Lässt sich die Ursache der rechtsventrikulären Volumenbelastung in der transthorakalen Echokardiografie nicht eindeutig klären sollte eine transösophageale Echokardiografie zur Klärung der Diagnose erfolgen Ostium primum Defekt (partieller AVSD, ASD I) ASD von secundum Typ (ASD II) im Bereich der Fossa ovalis Abbildung 1: Lokalisation der verschiedenen Vorhofseptumdefekte (nach Anderson RH et al.: Ped. Cardiology Textbook 3rd ed. 2009,) unterer Sinus venosus Defekt Koronarsinusdefekt 16 echokardiographie_bei_angeborenen_herzfehlern_v4 14.04.14 09:28 Seite 17 Foramen ovale Septum secundum Fossa ovalis rechter Vorhof { Septum primum rechter Ventrikel Bei klinischem Verdacht auf einen Shunt auf Vorhofebene im Rahmen einer klinischen Basisdiagnostik (inkl. Auskultationsbefund, EKG mit inkomplettem Rechtsschenkelblock und Zeichen der rechtsventrikulären Volumenbelastung, Röntgenuntersuchung der Thoraxorgane) sollte zunächst immer eine transthorakale Echokardiographie (TTE) durchgeführt werden. Diese kann zuverlässig die hämodynamischen Auswirkungen eines Vitiums – vor allem die Volumenbelastung und damit verbundene Vergrößerung von rechtem Ventrikel (RV), rechtem Vorhof und Pulmonalarterie – aufzeigen. Bei Vorliegen einer Trikuspidalinsuffizienz kann indirekt auch der pulmonalarterielle Druck abgeschätzt werden. Typische echokardiographische Zeichen eines signifikanten Shunts auf Vorhofebene sind: @ Vergrößerung des RV-Diameter (parasternale lange Achse) Abbildung 2: Anatomie des Foramen ovale und dessen Beziehung zu Septum secundum und Septum primum, sowie Lage der Fossa ovalis (aus: From Keane JF, Lock, JE, Fyler DC {eds], Nadas' Pediatric Cardiology, 2nd ed. Philadelphia: Elsevier/Saunders, 2006) linker Vorhof linker Ventrikel @ Paradoxe Septumbewegung im M-Mode @ Diastolische Septumabflachung als Ausdruck der RV-Volumenbelastung (parasternale kurze Achse) @ Erhöhte Druckwerte in der Pulmonalarterie, abgeschätzt über eine Trikuspidal- und/oder Pulmonalklappeninsuffizienz. Bei Nachweis einer RV-Volumenbelastung durch Shunt auf Vorhofebene kommen folgende Differentialdiagnosen in Betracht (siehe Abbildung 1): @ Koronarsinusdefekt: das Ostium des Sinus coronarius stellt eine interatriale Kommunikation dar, wenn der Koronarsinus durch „unroofing“ eine zusätzlich Verbindung zum linken Vorhof hat. @ Ostium Primum Defekt (synonym: ASD vom Primum-Typ [ASD-I] oder „partieller atrioventrikulärer Septumdefekt“ [PAVSD]): Komplexe Fehlbildung mit Malformation der AV-Klappen im Sinne einer gemeinsamen Klappe für beide Ventrikel. @ ASD vom Secundum-Typ (ASD II): eine echte interatriale Kommunikation innerhalb der Fossa ovalis @ Sinus venosus Defekt (oberer oder unterer): eine abnorme Kommunikation zwischen der oberen, seltener auch der unteren Hohlvene, und dem linken Vorhof. Diese Anomalie ist häufig mit einer Fehlmündung der rechten oberen, seltener auch der rechten unteren Lungenvene vergesellschaftet. Der häufigste Defekt auf Vorhofebene ist der ASD II (60 %), gefolgt vom PAVSD (20 %) und dem oberen Sinus venosus Defekt (15 %). Ohne hämodynamische Relevanz, aber klinisch relevanter Co-Faktor bei paradoxen Embolien ist das: @ Offene Foramen ovale (PFO): eine tunnelförmige Lücke zwischen dem oberen Rand des Septum secundum 17 echokardiographie_bei_angeborenen_herzfehlern_v4 14.04.14 09:28 Seite 18 Abbildung 3: Transthorakale Darstellung eines ASD I im apikalen 4-Kammer-Blick. Der Defekt reicht bis an die AV-Klappenebene, wobei die AV-Klappen in fibröser Kontinuität ineinander übergehen (N). auf der rechtsatrialen und dem Septum primum auf der linksatrialen Seite (Abbildung 2). Bei etwa 25–30% aller Menschen bleibt ein kompletter anatomischer Verschluss des PFO aus. Während das PFO im Neugeborenenalter häufig in der transthorakalen Echokardiographie zu erkennen ist, ist es im Erwachsenenalter nur mit Hilfe der transösophagealen Echokardiographie (TEE) sicher zu erkennen. Echokardiographie des Vorhofseptums Nach Defekten im Bereich des Vorhofseptums kann mit Hilfe der zweiund ggf. auch der dreidimensionalen Echokardiographie gesucht werden. Dabei sollten zur Beurteilung des interatrialen Septums alle verfügbaren Schnittebenen genutzt werden, inklusive: 18 Abbildung 4: Farbdopplersonographie eines ASD I im apikalen 4-Kammer-Blick. Deutliche Insuffizienz der linksseitigen AV-Klappe im Bereich des „Clefts“ (N). @ parasternal kurze Achse @ apikale und subcostale Schnittebenen, @ hohe rechtsparasternale Schnitte. Ein echter Defekt lässt sich im Regelfall in mehr als einer Ebene darstellen. Typischerweise zeigen die DefektRänder eine gewisse Schallverstärkung (T-Phänomen). Zur sicheren Unterscheidung von „drop-out“-Artefakten durch Schallauslöschungsphänomene muss im Bereich des vermuteten Defektes farbdopplersonographisch ein Blutfluss nachgewiesen werden. Insbesondere der apikale Blick ist anfällig für derartige „drop-out“-Phänomene. In der Kontrastechokardiographie, die in der Regel mit Injektion von agitierter Kochsalzlösung (NaCl 0,9 %) in eine größere periphere Vene an der oberen Extremität (bevorzugt rechte Ellen- beuge) durchgeführt werden kann, zeigt sich bei einem Defekt auf Vorhofebene aufgrund des Links-RechtsShunts ein Auswaschphänomen im Bereich des rechten Vorhofs (Negativkontrast). Sofern ein Rechts-LinksShunt besteht oder sich z. B. durch ein Valsava-Manöver provozieren lässt, erkennt man den Übertritt von Bläschen in den linken Vorhof (Positivkontrast). Dies ist insbesondere bei der TEE-Untersuchung zur Diagnostik des offenen Foramen bei Z.n. paradoxer Embolie von Bedeutung. Zu beachten ist, dass ein Auswaschphänomen im Bereich des rechten Vorhofs auch durch einströmendes Blut aus der unteren Hohlvene und dem Koronarsinus verursacht sein kann. Das Kontrastecho spielt deshalb in unseren Augen in der Diagnostik von Vorhofseptumdefekten (anders als beim PFO) eine untergeordnete Rolle. echokardiographie_bei_angeborenen_herzfehlern_v4 14.04.14 09:28 Seite 19 Abbildung 5: Oberer Sinus venosus Defekt (MN) in einer sagitalen Darstellung von subcostal. LA=linker Vorhof, RA= rechter Vorhof, IVC=untere Hohlvene, SVC=obere Hohlvene, =quer angeschnittene rechte Pulmonalarterie. * Abbildung 6: TEE bei 0°: Deutlicher LRS (blaukodiert) über größeren ASD II ( ). RA=rechter Vorhof, LA=linker Vorhof, RV=rechter Ventrikel, LV=linker Ventrikel. * LA IVC * RA LV RA LA * RV SVC Ziele der echokardiographischen Untersuchung bei Shunt auf Vorhofebene sind: @ Größenbestimmung des Defekts: kleine Defekte liegen zumeist bei 3 – 5 mm Durchmesser, mittelgroße bei 5 – 8 mm und große bei > 8 mm. @ Genaue Lokalisation des Defekts @ Beurteilung der Lagebeziehung des Defekts zu benachbarten Strukturen (AV-Klappen, Aorta, Hohl- und Lungenvenen) @ Messung der Defektränder (insbesondere in Hinblick auf einen katheterinterventionellen Verschluss beim ASD II oder PFO): › nach anterior-superior zur Aorta › nach anterior-inferior zu den AV-Klappen › nach superior zur oberen Hohlvene › nach posterior-inferior zur unteren Hohlvene › nach posterior-superior in Richtung Lungenvenen @ Beurteilung der Hämodynamik: › Bestimmung der Shuntrichtung auf Vorhofebene mittels Farbdoppler (reiner Links-Rechts Shunt, bidirektionaler Shunt, Rechts-Links-Shunt) › Messung des interatrialen Druckgradienten mit Hilfe des pw-Dopplers (bei kleineren Defekten und erhöhten linksatrialen Drucken). Ein Druckgradient von mehr als 2–3 mmHg ist selten. › Nachweis einer rechtsventrikulären Volumenbelastung › Berechnung des Shuntvolumens durch Bestimmung des pulmonalen und aortalen Blutflusses. Hierfür wird das Geschwindigkeitzeitintegral (VTI) in der Pulmonalarterie und der Aorta sowie der Pulmonalarterien und der Aortendiameter gemessen. Damit kann dann der Blutfluss (= VTI x (d/2)2 x π x Herzfrequenz) und das Shuntvolumen (= Pulmonaler Blutfluss – Herzzeitvolumen) berechnet werden. Dieses Verfahren ist fehleranfällig, da insbesondere die Bestimmung des Pulmonalarteriendurchmessers oft ungenau ist. › Abschätzen des rechtsventrikulären Druckes über eine Trikuspidalklappeninsuffizienz und/oder die systolische Konfiguration des interventrikulären Septums. Von besonderer Bedeutung ist eine Vergrößerung des rechten Ventrikels und des rechten Vorhofes, die eine hämodynamische Relevanz des Vorhofseptumdefekts beweisen. Umgekehrt lässt sich bei einem normal großen rechten Ventrikel ein hämodynamisch bedeutsamer Shunt auf Vorhofebene nahezu sicher ausschließen. Damit ist dieses Kriterium der Volumenbelastung des rechten Herzens zur Entscheidung über eine Behandlungsindikation wichtiger als die reine Größe des Defekts. Es ist in unseren Augen auch zuverlässiger als andere Formen der Shuntquantifizierung. 19 echokardiographie_bei_angeborenen_herzfehlern_v4 14.04.14 09:28 Seite 20 Abbildung 7: TEE nach interventionellem Verschluss zeigt den ASD Occluder (MN) in regelrechter Position. Abbildung 8: TEE eines oberen Sinus venosus Defekts bei ca. 90° zeigt die Kommunikation zwischen beiden Vorhöfen ( ) und die Beziehung der oberen Hohlvene (SVC) zu rechtem (RA) und linkem Vorhof (LA). * LA * LA SVC Besonderheiten im TTE beim ASD I Besonderheiten im TTE beim Sinus venosus Defekt Vorhof über die SVC in den rechten Vorhof geht. Der ASD-I lässt sich am besten im apikalen 4-Kammer-Blick beurteilen. Beim partiellen AVSD reicht der Defekt direkt an die AV-Klappenebene. Der rechtsseitige AV-Klappenanteil ist nicht apikal verlagert. Die septalen Segel der gemeinsamen AV-Klappe setzen auf gleicher (!) Höhe am Ventrikelseptum an und gehen in fibröser Kontinuität ineinander über (Abbildung 3). Der Sinus venosus Defekt lässt sich in vielen Fällen am besten von subcostal in einer kurzen oder auch sagittalen Achse darstellen (Abbildung 5), er präsentiert sich hier als Verbindung im superior-posterioren Vorhofbereich in der Region, in der die rechte obere Lungenvene und die obere Hohlvene einmünden. Typischerweise „überreitet“ diese den Defekt etwas. Die eigentliche Fehlbildung ist ein Defekt in der gemeinsamen Wand zwischen der oberen Hohlvene und den rechten Lungenvenen, durch die es zu einer Verbindung zwischen beiden Vorhöfen kommt, die anatomisch außerhalb des Vorhofseptums liegt. Üblicherweise kommt es hierdurch zu einer Fehlmündung einer oder mehrerer Lungenvenen in den rechten Vorhof (seltener zusätzlich auch weiter kranial in die SVC). Farbdopplersonographisch erkennt man den Shuntfluss, der vom linken Insbesondere bei älteren Kindern und Erwachsenen ist eine gute Darstellung des Sinus venosus Defekts in der TTE nicht möglich. Hier ist die Durchführung einer transösophagealen Echokardiographie (TEE) indiziert. Generell gilt, dass gerade im Erwachsenenalter die Ursache einer RV-Volumenbelastung im transthorakalen Echo häufig nicht zweifelsfrei zu klären ist, so dass sich eine TEE zur Sicherung der Diagnose anschließen sollte. Der linksseitige AV-Klappenanteil besitzt in der Regel drei Segel und dadurch eine zusätzliche Kommissur zwischen dem anterior-superioren und dem posterior-inferioren Anteil, welche auch als „Cleft“ bezeichnet wird. In diesem Bereich findet sich meist eine mehr oder weniger ausgeprägte AV-Klappeninsuffizienz (Abbildung 4). 20 Stellenwert der TEE beim Shunt auf Vorhofebene: @ Nachweis bzw. auch Ausschluss eines Shunts auf Vorhofebene bei Rechtsherzvergrößerung und eingeschränkter transthorakaler Schallbarkeit @ Genaue anatomische Beurteilung eines Defekts in Hinblick auf eine mögliche Intervention (Lage, echokardiographie_bei_angeborenen_herzfehlern_v4 14.04.14 09:28 Seite 21 Abbildung 9: TEE ca. 90° bei oberem Sinus venosus Defekt (Farbdopplersonografie): Man erkennt den Links-Rechts-Shunt über den Sinus venosus Defekt (*), sowie die begleitende Fehlmündung der rechten oberen Lungenvene (PV). LA * RA PV @ @ @ @ Ränder des Defekts, zusätzliche bzw. multiple Defekte Nachweis bzw. Ausschluss eines offenen Foramen ovale Kontrolle nach interventionellem ASD-/PFO-Verschluss. Insbesondere nach PFO-Verschluss auch mit Kontrastecho unter Valsalva-Manöver, um einen möglichen residuellen Rechts-Links-Shunt auszuschließen Steuerung des katheterinterventionellen Verschlusses (im Großteil der Fälle ist ein katheterinterventioneller ASD-Verschluss inzwischen unter reiner TEE-Führung ohne Durchleuchtung durchführbar) Intraoperative Beurteilung (u. a. Ausschluss von Restdefekten oder einer akzidentellen Fixation der Valvula Eustacchii) Typische TEE-Befunde bei Shunt auf Vorhofebene: Abbildung 6 zeigt einen typischen ASD II im TEE vor und nach katheterinterventionellem Verschluss (Abbildung 7). Die morphologischen Verhältnisse beim oberen Sinus venosus Defekt sind mittels TEE in der Regel eindeutig zu klären. In einer vertikalen Anlotung zwischen 90° und 120° kommt die Verbindung zwischen dem Dach des linken Vorhofs und der oberen Hohlvene (Abbildung 8) klar zur Darstellung. Mittels Farbdoppler lässt sich ein Links-Rechts-Shunt in die SVC beweisen (Abbildung 9). Die fehlmündende rechte obere Lungenvene mit ihrer Mündung auf den Defekt bzw. in die SVC kann vom geübten Untersucher im horizontalen und vertikalen Blick nachgewiesen werden. Literatur 1. Campbell M. Natural history of atrial septal defect. Br Heart J. 1970; 32(6): 820–6. 2. Ewert P, Söderberg B, Dähnert I, Hess O, Schuler G, Bussmann C, Bernhard J, Sick P. ASD and PFO closure with the Solysafe septal occluder - results of a prospective multicenter pilot study. Catheter Cardiovasc Interv. 2008 Feb 15; 71(3): 398–402 3. Schubert S, Kainz S, Peters B, Berger F, Ewert P. Interventional closure of atrial septal defects without fluoroscopy in adult and pediatric patients. Clin Res Cardiol. 2012 Sep; 101(9): 691–700. 4. Hörer J, Eicken A, Müller S, Schreiber C, Cleuziou J, Prodan Z, Holper K, Lange R. Risk factors for prolonged intensive care treatment following atrial septal defect closure in adults. Int J Cardiol. 2008 Mar 28; 125(1): 57–61. 5. 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Harald Kaemmerer Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler, Deutsches Herzzentrum München Was ist wichtig Herz-Zeit-Volumen (HZV) HZV (l/min) = Sauerstoffaufnahme (ml/min) Arteriovenöse Sauerstoffdifferenz (ml/dl) x 10 Systemblutfluss (Qs) Qs (l/min) = Sauerstoffaufnahme (ml/min) (systemarterieller Sauerstoffgehalt – mischvenöser Sauerstoffgehalt) x 10 Lungenblutfluss (Qp) Qp (l/min) = 22 Sauerstoffaufnahme (ml/min) (pulmonalvenöser Sauerstoffgehalt – pulmonalarterieller Sauerstoffgehalt) x 10 haemodynamik_und_invasive_diagnostik_v2 14.04.14 09:35 Seite 23 Tabelle 1. Sauerstoffaufnahme (VO2) (in ml/min) für Männer und Frauen bezogen auf die Körperoberfläche (KOF) Viele Berechnungen zur Haemodynamik sind einfach und können während einer Herzkatheter-Untersuchung „im Kopf“ durchgeführt werden. Andere sind komplexer und bedürfen der Nachbearbeitung. Häufig werden durch die augenblicklich verfügbaren Katheteranlagen halb automatisierte Berechnungsalgorithmen für die Haemodynamik angeboten. Diese Daten ohne Überlegung und Nachprüfung auf Fehlermöglichkeiten zu übernehmen, wäre fahrlässig. Gerade bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern kann in klinischen Grenzsituationen eine falsche Dateninterpretation für den betroffenen Patienten deletär sein, z.B. bei der Klärung der Operabilität von Shuntvitien mit erhöhtem Lungengefäßwiderstand oder der Klärung, ob eine Operation nach dem Fontan-Prinzip noch möglich ist. Dieser Artikel beschreibt die verschiedenen Rechenschritte und weist auf Fehlermöglichkeiten hin. Detaillierte Darstellungen der Berechnung finden sich in Lehrbüchern und Abhandlungen zur Kinderkardiologie und Congenitalen Kardiologie (1–3, 4). Bestimmung des Herzminutenvolumens (HMV) nach dem Fickschen Prinzip Der erste Schritt in der Beurteilung der Haemodynamik bei Patienten mit AHF ist die Bestimmung des Herzzeitvolumens. Normalerweise ist das Herzzeitvolumen des kleinen Kreislaufs (Qp) und des großen Kreislaufs (Qs) weitgehend identisch. Bei Shuntvitien unterscheiden sie sich allerdings und müssen getrennt berechnet werden. Die Ermittlung des HZV erfolgt entweder mit Hilfe der Thermodilutionsmethode oder der Indikatorverdünnungsmethode (nach dem Fick’schen Prinzip). Letztere findet bei der Beurteilung angeborener Herzfehler vorwiegend Anwendung, da bei diesen Vitien häufig eine Shuntverbindung vorhanden ist. Die Thermodilutionskurve kann bei Links-Rechts-Shunts wegen der Rezirkulation des Indikators zu Fehlbeurteilungen mit Unterschätzung von Qp führen. Die Indikatorverdünnungsmethode zur HZV-Bestimmung beruht auf dem 1870 von Adolf Fick eingeführten Fick’schen Prinzip, bei dem Sauerstoff als Indikator dient. Alter männlich weiblich 3 188 4 208 200 5 195 183 6 187 179 7 180 173 8 173 167 9 166 160 10 161 153 11 156 146 12 152 140 13 148 135 14 145 131 15 142 127 16 139 124 17 137 122 18 136 121 19 134 119 20 133 118 25 128 118 30 126 118 35 124 116 40 123 113 45 118 111 50 117 110 55 115 109 60 114 108 65 113 107 70 112 106 186 23 haemodynamik_und_invasive_diagnostik_v2 14.04.14 09:35 Seite 24 VO2 (Männer) =KOF x (161 – Alter x 0,54) VO2 (Frauen) = KOF x (147,5 – Alter x 0,47) Tabelle 2. Berechnung der Sauerstoffaufnahme (VO2) (in ml/min) für Männer und Frauen bezogen auf die Körperoberfläche (KOF) (Krakau I. Das Herzkatheterbuch, Thieme Verlag) Nach der Lungenpassage ist das arterielle Blut zu etwa 96 % mit Sauerstoff gesättigt. Das aus der Körperperipherie zum rechten Herzen zurückkehrende venöse Blut hat nur noch eine Sauerstoffsättigung von etwa 70 %. Nun läßt sich aus der aufgenommenen Sauerstoffmenge und der arteriovenösen Sauerstoffdifferenz das Herzzeitvolumen nach dem Fick’schen Prinzip berechnen. Dabei ist die Sauerstoffdifferenz zwischen arteriellem und venösem Blut direkt proportional der Sauerstoffaufnahme in der Lunge (bzw. der Sauerstoffabgabe im peripheren Kapillargebiet) und indirekt proportional dem Blutvolumen, das die Lunge (bzw. die Systemkreislauf) passiert: Folgende Begriffe sind bei der Berechnung wichtig: • HZV: das Herzzeitvolumen (in l/min), • VO2: die aufgenommen Sauerstoffmenge pro Zeit (in ml/min) und • avDO2: die arteriovenöse Sauerstoffdifferenz (in ml/dl). HZV (l/min) = Sauerstoffaufnahme (ml/min) Arteriovenöse Sauerstoffdifferenz (ml/dl) x 10 Schritt 1: Bestimmung der Sauerstoffaufnahme (VO2) Unter Ruhebedingungen nimmt der Mensch ungefähr 250 ml O2/min auf. Genauer kann die Sauerstoffaufnahme (VO2), unter Berücksichtigung von Geschlecht und Alter, aus einer Tabelle entnommen (Tabelle 1) oder berechnet (Tabelle 2) werden. Die Verwendung von Formeln, Tabellen oder auch Nomogrammen zur Sauerstoffaufnahme ist fehlerbehaftet, weil Gesunde einen anderen Sauerstoffverbrauch haben als Patienten mit angeborenen Herzfehlern. Wird eine genauere Quantifizierung benötigt, so muss die Sauerstoffaufnahme spirometrisch bestimmt werden (= gemessene Sauerstoffaufnahme). Beim beatmeten Patienten wird hierfür häufig ein geschlossenes System verwendet. Bei Spontanatmung ist die Messung der Sauerstoffaufnahme mittels Haube möglich (11). Für die meisten klinischen Entscheidungen reicht die Verwendung der angenommenen Sauerstoffaufnahme aus, zumal die Messung der Sauerstoffaufnahme aufwendiger, fehleranfällig und zeitaufwendig ist. Zudem müssen Patienten mit pulmonalbedingten Sauerstoffdiffusionsstörungen ausgeschlossen werden. Schritt 2: Bestimmung der arteriovenösen Sauerstoffdifferenz Schritt 2.1: Oxymetrische Bestimmung der Sauerstoffsättigungen in den verschiedenen Herzabschnitten Mit Hilfe der Oxymetrie wird die Sauerstoffsättigung in den verschiedenen Herzabschnitten bestimmt. Die Sauerstoffsättigung gibt dabei an, wieviel Prozent des Hämoglobins mit Sauerstoff beladen sind. 24 haemodynamik_und_invasive_diagnostik_v2 14.04.14 09:35 Seite 25 Die Sauerstoffsättigungen unter Normalbedingungen beim Herzgesunden sind in Tabelle 3 aufgeführt. Die arterielle Sättigung liegt bei ca. 96 %, die Hohlvenensättigung um 70 %. Die später vorzunehmende getrennte Beurteilung des Lungenblutflusses (Qp) und des Systemblutflusses (Qs) erfordert die Bestimmung der arterio-venösen Sauerstoffdifferenz mit Blutentnahme und oxymetrischer Bestimmung der Sauerstoffsättigungen in der oberen und unterer Hohlvene, der Pulmonalarterie, dem linken Vorhof oder einer Lungenvene (PV) sowie aus der Aorta oder einer Systemarterie. Die arteriellen, pulmonalvenösen und pulmonalarteriellen Sättigungen können direkt abgenommen und bestimmt werden. Ist eine Oxymetrie aus der PV nicht verfügbar, kann – in Abwesenheit eines Rechts-Links-Shunts – ein Wert von 96 % angenommen werden. Die gemischtvenöse Sättigung muss berechnet werden. Meist die folgende Formel verwendet (5): Gemischtvenöse Sättigung = (3 x Sättigung obere Hohlvene+Sättigung untere Hohlvene) 4 oder kurz SatMV = (3 x SatSVC + 1 x SatIVC) / 4 SatMV = gemischtvenöse Sauerstoffsättigung, SatSVC = Sauerstoffsättigung obere Hohlvene, SatIVC = Sauerstoffsättigung untere Hohlvene Aus den Sauerstoffsättigungen kann der Sauerstoffgehalt des Blutes berechnet werden. Schritt 2.2: Berechnung des Sauerstoffgehaltes Von 1 g Hämoglobin können maximal 1,39 ml Sauerstoff gebunden werden. In vivo ist dieser Wert etwas niedriger, sodass man für die Berechnungen häufig 1,36 ml/g verwendet (Hüfner’sche Zahl) (8). Mit Hilfe dieses Wertes läßt sich die Sauerstofftransportkapazität (oxygen capacity) theoretisch ermitteln. Hierzu wird der Hämoglobinanteil (in g/dl) mit 1,36 multipliziert: Sauerstofftransportkapazität (ml O2 /l) = Hb (g/dl) x 1,36 (ml O2 /g Hb) x 10 Hieraus wiederum errechnet sich der tatsächliche Wert als Sauerstoffgehalt (oxygen content) durch Multiplikation mit der Sauerstoffsättigung: Sauerstoffgehalt = Hb (g/dl) x 1,36 (ml O2 /g Hb) x Sat Üblicherweise wird der Sauerstoffgehalt des Blutes in ml/dl angegeben. Der Normalwert im arteriellen Blut liegt bei 18 – 20 ml O2/dl Blut, entsprechend 180 – 200 ml O2/l Blut. Venöses Blut enthält etwa 15 ml/dl. Der Sauerstoffgehalt bezeichnet eigentlich den gesamten Sauerstoffanteil in einer Blutprobe. 25 haemodynamik_und_invasive_diagnostik_v2 14.04.14 09:35 Seite 26 Dieser setzt sich zusammen aus dem an Hämoglobin chemisch gebundenen Sauerstoff sowie dem im Blutplasma physikalisch gelösten Sauerstoff. Unter Raumluftbedingungen kann der gelöste Anteil des Sauerstoffs vernachlässigt werden, da dieser nur etwa 1 % des an Hämoglobin gebundenen Sauerstoffs ausmacht (0.03 ml O2/l/mmHg). Atmet der Patient jedoch reinen Sauerstoff, steigt der gelöste Sauerstoffanteil im Blut signifikant an und muss mitberücksichtigt werden. @ Unter Raumluftbedingungen (Sauerstoff < 30% in der Einatmungsluft) und bei einem pCO2 < 45 Torr wird die Sauerstoffsättigung der Blutprobe spektrophotometrisch bestimmt und kann so einfach in der Berechnung verwendet werden. @ Bei > 30% Sauerstoff in der Einatemluft muss der gelöste Sauerstoffanteil mitberücksichtig werden (zusätzliche Bestimmung des pO2). Die entsprechende Formel zur Berechnung lautet: O2 -Gehalt [in ml O2 /dl Blut] = (Hb x 1,36) x Sat + (PO2 x 0,003) PO2 in mmHg Schritt 2.3: Bestimmung der arterio-venösen Sauerstoffdifferenz Wie erwähnt, errechnet sich das HZV nach folgender Formel: HZV (l/min) = Sauerstoffaufnahme (ml/min) Arteriovenöse Sauerstoffdifferenz (ml/dl) Sollen Systemblutfluss (Qs) und Lungenblutfluss (Qp) getrennt berechnet werden, so lauten die entsprechenden Formeln: Systemblutfluss (Qs) Qs (l/min) = Sauerstoffaufnahme (ml/min) (systemarterieller Sauerstoffgehalt – mischvenöser Sauerstoffgehalt) x 10 Lungenblutfluss (Qp) Qp (l/min) = Sauerstoffaufnahme (ml/min) (pulmonalvenöser Sauerstoffgehalt – pulmonalarterieller Sauerstoffgehalt) x 10 Der Sauerstoffgehalt wird in ml/dl angegeben. Da die AVDO2 pro Deziliter (= ml O2/dl) ermittelt wird, muss die AVDO2 mit dem Faktor 10 multipliziert werden, um l/min zu erhalten: Nach Festlegung des Lungen- und Systemflusses (Qp und Qs) hat es sich bewährt, die ermittelten Werte auf die Körperoberfläche zu indizieren. Hierfür teilt man die Flußwerte durch die Köperoberfläche. Die ermittelte Einheit ist dann l/min/m2. 26 haemodynamik_und_invasive_diagnostik_v2 14.04.14 09:35 Seite 27 Literatur 1. Schumacher G, Hess J, Bühlmeyer K. Klinische Kinderkardiologie. 2007 4.Auflage; Springer Berlin; ISBN/EAN:978-3-540-71900-7. 2. Vargo TA. Cardiac catheterization: Hemodynamic measurements. In: A G, ed. The science and practise of pediatric cardiology. Williams&Wilkins; 2005. 3. Lock JC KJ, Perry SP. Diagnostic and interventional catheterization in congenital heart disease. Boston/Dordrecht’/London: Kluwer Academic Publishers; 2000. Tabelle 3: Normalwerte für Sauerstoffsättigung Beispielrechnung Abnahmeort Sauerstoffsättigung in % Hb = 13 g/dl V. cava superior 55 – 70 Sauerstoffsättigung (Sat) = 99 % = 0,99 V. cava inferior 55 – 70 Rechter Vorhof 75 Rechter Ventrikel 75 O2-Gehalt [in ml O2/100 ml Blut] A. pulmonalis 75 = (Hb x 1,36) x Sat + (PO2 x 0,003) = (13 x 1,36) x 0,99 + (100 x 0,003) = (17,68) x 0,99 + (0,3) = 17.5 + (0,3) = 17.8 ml O2 /100 ml Blut Pulmonal-kapillär 97 Linker Vorhof > 95 Linker Ventrikel > 95 Aorta > 95 PO2 = 100 mmHg Beispielrechnung 2 Körperoberfläche = 1,7 m Sauerstoffaufnahme = 250 ml O2/min Hb = 13 g/dl Sauerstoffsättigung arteriell = 96 % Sauerstoffsättigung zentralvenös = 70 % Arterieller Sauerstoffgehalt = 13 x 1,36 x 96 = 16,97 (ml O2 /dl) 100 Zentralvenöser Sauerstoffgehalt = 13 x 1,36 x 70 = 12,38 (ml O2 /dl) 100 Differenz (AVDO2 ) = 16,97-12,38 = 4,59 (ml O2 /dl) HZV (l/min) = HZV (l/min) = Sauerstoffaufnahme (ml/min) Arteriovenöse Sauerstoffdifferenz (ml/dl) VO2 (ml/min) AVDO2 x 10 Cardiac Index = HZV KOF = 250 (ml/min) 4,59 x 10 = 3,2 (l/min) = 5,4 (l/min) 4. Wilkinson JL. Haemodynamic calculations in the catheter laboratory. Heart 2001; 85: 113–120. 5. Miller HC et al. Comparison of formulae used to estimate oxygen saturation of mixed venous blood from caval samples. Br Heart J 1974; 36: 446-51. 6. Van Slyke DD NJ. The determinantion of gases in blood and other solutions by vacuum extraction and manometric measurements. J Biol Chem. 1924; 61: 523–573. 7. Van Slyke DD, Neill JM. The determination of gases in blood and other solutions by vacuum extraction and manometric measurement. I. J Biol Chem. 2002 Jul 5; 277(27): e16. 8. Bernhart FW SL. The iron contennt of crystalline human hemoglobin. J Biol Chem. 1943; 147: 19–22. 9. LaFarge CG, Miettinen OS. The estimation of oxygen consumption. Cardiovasc Res. 1970; 4: 23–30. 10. Tissot S, Delafosse B, Bertrand O et al. Clinical validation of the Deltatrac monitoring system in mechanically ventilated patients. Intensive Care Med 1995; 21: 149–53. 11. Lundell BPW, Casa ML, Wallgren CG. Oxygen consumption in infants and children during heart catheterization. Pediatr Cardiol 1996; 17: 207–13. 12. Fakler U, Pauli C, Hennig M, Sebening W, Hess J. Assumed oxygen consumption frequently results in large errors in the determination of cardiac output. J Thorac Cardiovasc Surg. 2005 Aug; 130(2): 272–6. 27 epidemiologie_und_einteilung_der_pah_v6 14.04.14 09:32 Seite 28 Epidemiologie und Einteilung der pulmonalarteriellen Hypertonie bei angeborenen Herzfehlern Prof. Dr. Dr. med. Harald Kaemmerer Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler, Deutsches Herzzentrum München Claudia Pujol Salvador (Fachärztin für Kardiologie) Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler, Deutsches Herzzentrum München Was ist wichtig? Inzidenz und Prävalenz • Fehlbildungen des Herzens und der herznahen Gefäße (AHF) gehören zu den häufigsten angeborenen Anomalien. Aufgrund des verbesserten medizinischen Managements erreichen etwa 90 % von ihnen das Erwachsenenalter. • Bis zu 10 % dieser Patienten haben oder entwickeln eine pulmonalarterielle Hypertonie (PAH), die Belastungsfähigkeit und Prognose entscheidend beeinträchtigt. • Gemäß der 4. PH-Weltkonferenz von 2008 in Dana Point wird die PAH bei AHF der Gruppe 1 der pulmonalarteriellen Hypertonie zugeordnet. • Änderungen der Klassifizierung wurden auf der Weltkonferenz in Nizza 2013 vorgeschlagen, aber noch nicht umgesetzt. Während weltweit pro Jahr etwa 1,5 Millionen Patienten mit angeborenen Herzfehlern (AHF) geboren werden, kommen in Deutschland jährlich etwa 5.000–6.000 Kinder mit angeborenen Herz- oder Gefäßfehlbildung zur (1). Damit stellen AHF die häufigste isolierte Organanomalie dar (2, 3, 4). 28 Da durch die Fortschritte der modernen Medizin heutzutage mehr als 90 % der Betroffenen das Erwachsenenalter erreichen (4, 5), leben in Europa leben etwa 4,2 Mio Patienten mit AHF, von denen mittlerweile 1,2 bis 2,7 Mio. erwachsen sind (6). In Deutschland betrifft dies etwa 300.000 Patienten in allen Altersklassen, von denen wiederum etwa 180.000 inzwischen erwachsen sind (4, 7). Der Gesamtanteil von Patienten, die im Rahmen eines AHF eine PAH entwickeln, ist nicht bekannt. Wenn schätzungsweise 5 – 10% aller Erwachsenen mit AHF im Laufe ihres Lebens eine PAH entwickeln (8), so kann man in Deutschland mit bis zu 30.000 Patienten mit PAHAHF rechnen, von denen bis zu 20.000 erwachsen sind (9). epidemiologie_und_einteilung_der_pah_v6 14.04.14 09:32 Seite 29 EINTEILUNG DER PAH Tabelle 1. Einteilung der pulmonalen Hypertonie nach der Dana Point-Klassifikation 1. Pulmonal arterielle Hypertonie (PAH) 1.1 Idiopathisch (IPAH) 1.2 Hereditär (HPAH) – BMPR2, ALK1 1.3 Medikamenten-/Drogen-induziert 1.4 Assoziiert mit (APAH): (a) Kollagenose (b) HIV-Infektion (c) Portale Hypertension (d) Kongenitale Vitien mit Li-Re-Shunt (e) Schistosomiasis (f) Hämolytische Anämie 1.5 Persistierende PH des Neugeborenen 1' Pulmonale venookklusive Erkrankung (PVOD) und pulmonale kapilläre Hämangiomatose (PCH) 2. 2.1 2.2 2.3 Klassifikation Potentiell sind es vier Gruppen von AHF, die durch eine pulmonale Hypertonie gefährdet sind: @ Shuntvitien (z. B. Vorhofseptumdefekt, Ventrikelseptumdefekt, atrioventrikulärer Septumdefekt, Ductus arteriosus Botalli, aorto-pulmonales Fenster), @ angeborene Obstruktionen des linken Herzens (z. B. Cor triatriatum sin., Mitralstenose, Aortenstenose, Aortenisthmusstenose), @ zyanotische Herzfehler mit vermehrtem Lungenfluss (z. B. Truncus arteriosus communis, Transposition der großen Gefäße) und @ Anomalien der Pulmonalarterie (z. B. Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt und aortopulmonalen Kollateralen) (10). Gemäß den Vorgaben auf dem 4. PHWeltkonferenz in Dana Point (USA) 2008 wird die Pulmonale Hypertonie in fünf Klassen eingeteilt, die sich nach zugrunde liegenden pathologischen Mustern und Pathomechanismen, prognostischen Eigenschaften sowie Therapien unterscheiden. Dabei finden sich die AHF vorwiegend in der Gruppe 1, d. h. in der Gruppe „Pulmonal arterielle Hypertonie“ und dort in der Untergruppe 1.4, d.h. „Pulmonal arterielle Hypertonie, assoziiert mit AHF“. Im Jahr 2013 wurde im Rahmen des Weltsymposiums in Nizza eine Modifikation dieser Klassifizierung empfohlen, die allerdings noch nicht umgesetzt ist. Künftig sollen die AHF in den Gruppen 1, 2 und evtl. auch 5 erscheinen: @ Gruppe 1: unter 1.4, d. h. „assoziiert mit“ und dort in der Untergruppe 1.4.4, d. h. „Congenitale Herzkrankheit“ PH bei Linksherzerkrankungen Systolische Herzinsuffizienz Diastolische Herzinsuffizienz valvuläre Erkrankungen 3. PH bei Lungenerkrankungen/ Hypoxie 3.1 Chronisch obstruktive Lungenerkrankung 3.2 Interstitielle Lungenerkrankung 3.3 Andere Lungenerkrankungen mit gemischt-restriktivem/obstruktivem Muster 3.4 Schlafbezogene Atemstörungen 3.5 Erkrankungen mit alveolärer Hypoventilation 3.6 Chronischer Aufenthalt in großer Höhe 3.7 Bronchopulmonale Dysplasie (BPD) 3.8 Pulmonale Fehlentwicklungen 4. Chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) 5. PH bei unklarer/multifaktorieller Ursache 5.1 Hämatologische Erkrankungen 5.2 Systemerkrankungen 5.3 Metabolische Erkrankungen 5.4 Kongenitale Vitien (andere als Li-Re-Shunt) 5.5 Sonstige 29 epidemiologie_und_einteilung_der_pah_v6 14.04.14 09:32 Seite 30 Tabelle 2. Einteilung der pulmonalen Hypertonie bei angeborenen Herzfehlern in Abhängigkeit von Typ, Dimension, Shuntrichtung, assoziierten Anomalien und Behandlungsstatus (11, 12) 1. Typ 1.1. Einfache prä-trikuspidale Shuntverbindungen 1.1.1. Vorhofseptumdefekt (ASD) 1.1.1.1. Ostium secundum-Typ 1.1.1.2. Sinus venosus-Typ 1.1.1.3. Ostium primum-Typ 1.1.2. Totale oder partielle, nicht obstruierte Fehlmundung der Lungenvenen 1.2. Einfache post-trikuspidale Shuntverbindungen 1.2.1. Ventrikelseptumdefekt (VSD) 1.2.2. Offener Ductus arteriosus 1.3. Kombinierte Shuntverbindungen (beschreibe die Kombination und definiere den hämodynamisch fuhrenden Defekt) 1.4. Komplexe angeborene kardiale Fehlbildung 1.4.1. Kompletter atrioventrikulärer Septumdefekt 1.4.2. Truncus arteriosus 1.4.3. Univentrikuläre Kreislaufphysiologie mit nicht-obstruiertem pulmonalen Blutfluss 1.4.4. Transposition der großen Arterien mit VSD (ohne Pulmonalstenose) und/oder offenen Ductus arteriosus 1.4.5. Andere @ Gruppe 2 („PH bei Linksherzerkrankungen“): dort unter 2.4. „Congenitale Herzerkrankung mit linksventrikulärer Einfluss- oder Ausflusstrakt-Obstruktion“ @ Gruppe 5: möglicherweise können hier einzelne Formen der „segmentalen PH“ zugeordnet werden. Im Jahre 2009 wurden unter Federführung von Gérald Simonneau, Frankreich, die „Updated Clinical Classification of Pulmonary Hypertension” im Journal of the American College of Cardiology und unter Federführung von N. Galiè, Italien, die „Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension“ im European Heart Journal veröffentlicht. Dort findet sich auch eine Einteilung der AHF nach anatomisch-pathophysiologischen Kriterien, die einer modifizierten Form der 2003 auf der Weltkonferenz in Venedig vorgeschlagenen Zuordnung entspricht. Demnach kann eine detailliertere Unterteilung der PH bei AHF in Abhängigkeit von Typ, Dimension, Shuntrichtung, assoziierten Anomalien und Behandlungsstatus vorgenommen werden (Tabelle 1). 30 2. Dimension (spezifiziere jeden Defekt einzeln wenn mehr als ein Defekt vorhanden) 2.1. Hämodynamik (spezifiziere die Ratio Qp/Qs) 2.1.1. Restriktiv (Druckgradient uber den Defekt) 2.1.2. Nicht–Restriktiv 3. Richtung des Shunts 3.1 Hauptsächlich von systemisch nach pulmonal 3.2 Hauptsächlich von pulmonal nach systemisch 3.3 Bidirektional 2.2. Anatomisch 2.2.1. Klein bis mäßig (ASD ≤ 2,0 cm und VSD ≤ 1,0 cm) 2.2.2. Groß (ASD > 2,0 cm und VSD > 1,0 cm) 4. Assoziierte kardiale und extrakardiale Fehlbildungen 5. Status bzgl. einer Korrektur 5.1. Nicht-operiert 5.2. Palliiert (spezifiziere die Art der Operation(en), das Alter bei Chirurgie) 5.3. Korrigiert (spezifiziere die Art der durchgeführten Operationen, und das Alter bei Chirurgie) Von besonderer klinischer und prognostischer Bedeutung ist die klinische Zuordnung der pulmonalen Hypertonie in Verbindung mit angeborenen Links-Rechts-Shuntvitien zu einer von fünf Untergruppen (Tabelle 2). Eine Einteilung nach Schweregraden wäre prinzipiell möglich, allerdings existieren keine verbindlichen Definitionen des Schweregrads einer PAH bei AHF. Orientierung bieten die Schweregradeinteilungen der PAH nach der funktionellen NYHA-Klassifi- kation entsprechend der WHO (1998). Eine Schweregradeinteilung in Abhängigkeit von haemodynamischen Parametern existiert für AHF nicht. Von Maria Jesus del Cerro et al. wurde, zumindest für die pädiatrische Kardiologie, ein detaillierterer Klassifikationsversuch der mit einem angeborenen und erworbenen Herzfehler assoziierbaren PH vorgenommen, welcher der Komplexität deutlich gerechter wird (13). epidemiologie_und_einteilung_der_pah_v6 14.04.14 09:32 Seite 31 A Eisenmenger-Syndrom Alle Links-Rechts-Shuntvitien mit großem Defekt, der zu einem Anstieg des pulmonal-vaskulären Widerstands führt, so dass es zu einer Shuntumkehr mit bidirektionalem oder Rechts-Links-Shunt kommt. Die betroffenen Patienten sind zyanotisch und haben eine Erythrocytose. B Pulmonale arterielle Hypertonie assoziiert mit Links-Rechts-Shuntvitien Patienten mit moderatem bis großem Links-Rechts-Shunt mit pulmonaler Hypertonie, aber noch ohne Shuntumkehr, so dass zumindest in Ruhe keine Zyanose vorhanden ist. C Pulmonale arterielle Hypertonie mit kleinen Defekten Bei kleinem Defekt (meist Ventrikelseptumdefekt < 1 cm oder Vorhofseptumdefekt < 2 cm effektivem Durchmesser in der Echokardiographie) entspricht das klinische Bild im Wesentlichen dem einer idiopathischen pulmonal arteriellen Hypertonie. D Pulmonale arterielle Hypertonie nach reparativer Herzchirurgie Pulmonale Hypertonie unmittelbar oder Monate bis Jahre nach operativer Reparatur, ohne dass signifikante residuale Vitien nachweisbar sind. Tabelle 3: Klinische Klassifikation der pulmonalen Hypertonie bei angeborenen Links-Rechts-Shuntvitien (11, 12) W H O - K LASSI F I K AT I O N Klasse 1: Patienten mit pulmonaler Hypertonie ohne Einschränkungen der körperlichen Aktivität. Normale körperliche Belastungen führen nicht zu vermehrter Dsypnoe oder Müdigkeit, thorakalen Schmerzen oder Schwächeanfällen. Klasse 2: Patienten mit pulmonaler Hypertonie mit einer leichten Einschränkung der körperlichen Aktivität. Keine Beschwerden in Ruhe. Normale körperliche Aktivität führt zu vermehrter Dyspnoe oder Müdigkeit, thorakalen Schmerzen oder Schwächeanfällen. Klasse 3: Patienten mit pulmonaler Hypertonie mit deutlicher Einschränkung der körperlichen Aktivität. Keine Beschwerden in Ruhe. Bereits leichtere als normale Belastungen führen zu Dyspnoe oder Müdigkeit, thorakalen Schmerzen oder Schwächeanfällen. Klasse 4: Patienten mit pulmonaler Hypertonie mit Unfähigkeit, irgendwelche körperliche Belastung ohne Beschwerden auszuführen. Zeichen der manifesten Rechtsherzinsuffizienz. Dispnoe und/oder Müdigkeit können bereits in Ruhe vorhanden sein. Bei geringster Aktivität werden die Beschwerden verstärkt. Tabelle 4: Klassifikation der pulmonalen Hypertonie nach Schweregraden (WHO) (aus: Pocket Leitlinien der DKG zu Diagnostik und Therapie der pulmonalen Hypertonie) Literatur 1. Schmaltz A (Hrsg.). Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) - S2-Leitlinie der DGK, DGPK und DGTHG zur Diagnostik und Therapie in Klinik und Praxis: Steinkopff Verlag, 2008. 2. Schoetzau A, van Santen F, Sauer U, Irl C. Kardiovaskuläre Fehlbildungen in Bayern 1984–1991. Z Kardiol 1997; 86: 496–504. 3. Wren C, O'Sullivan JJ. Survival with congenital heart disease and need for follow up in adult life. Heart 2001; 85(4): 438–43. 4. Kaemmerer H, Hess J. [Congenital heart disease. Transition from adolescence to adulthood]. Der Internist 2009; 50(10): 1221–2, 24–7. 5. Grabitz RG, Kaemmerer H, Mohr FW. [Adult patients with congenital heart disease]. Der Internist 2013; 54(1): 18, 20–7. 6. Engelfriet P, Boersma E, Oechslin E, Tijssen J, Gatzoulis MA, Thilen U, et al. The spectrum of adult congenital heart disease in Europe: morbidity and mortality in a 5 year follow-up period. The Euro Heart Survey on adult congenital heart disease. Eur Heart J 2005; 26(21): 2325–33. 7. Kaemmerer H et al. Pulmonary Arterial Hypertension in Congenital Heart Disease: Uni-Med Bremen, Boston, London, 2013. 8. Diller GP, Gatzoulis MA. Pulmonary vascular disease in adults with congenital heart disease. Circulation 2007; 115(8): 1039–50. 9. Duffels MG, Engelfriet PM, Berger RM, van Loon RL, Hoendermis E, Vriend JW, et al. Pulmonary arterial hypertension in congenital heart disease: an epidemiologic perspective from a Dutch registry. International journal of cardiology 2007; 120(2): 198–204. 10. Mulder BJ. Changing demographics of pulmonary arterial hypertension in congenital heart disease. Eur Respir Rev 2010; 19(118): 308–13. 11. Simonneau G, Robbins IM, Beghetti M, Channick RN, Delcroix M, Denton CP, et al. Updated clinical classification of pulmonary hypertension. 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Harald Kaemmerer Abteilung für Perinatalmedizin Klinik für Kinderkardiologie der Technischen Universität München und angeborene Herzfehler, im Klinikum rechts der Isar, München Deutsches Herzzentrum München Was ist wichtig? • Die meisten Frauen mit angeborenen Herzfehlern können unter adäquater geburtshilflicher und kardiologischer Führung eine oder mehrere Schwangerschaften und Geburten tolerieren. • Sowohl bei Frauen mit nativen angeborenen Herzfehlern (AHF), aber auch bei Patientinnen, die bereits operativ oder interventionell behandelt wurden, ist eine frühzeitige Schwangerschaftsplanung essentiell. • Schon präpartal sollten Rest- und Folgezustände einer Behandlung bekannt sein, um potenzielle schwangerschaftsbedingte Risiken besser einschätzen zu können. • Es gibt auch heutzutage noch Herzfehler, bei denen eine Schwangerschaft ein überproportional hohes Risiko darstellt, so dass unter Umständen sogar von einer Schwangerschaft abgeraten werden muss. • Bei der Führung von Frauen mit AHF stellt die interdisziplinäre Absprache zwischen Geburtshelfern und Kardiologen einen der wichtigsten Punkte dar. • Inhalt dieser Absprache ist ein Konsens über medikamentöse Therapien, Entbindungsmodus sowie eine adäquate peripartale Überwachung. 32 Bei einer stetig wachsenden Zahl von Frauen mit angeborenen Herzfehlern (AHF), die bei guter Lebensqualität schwanger werden möchten, ergibt sich ein zunehmender Informationsbedarf hinsichtlich Beratung und Betreuung. Da Spektrum und Schweregrad der AHF breit und unterschiedlich sind, sind allgemeingültige Aussagen nur bedingt möglich und die Beratung und Betreuung dieser Patienten ist nicht immer einfach. Für die Führung solcher Patienten ist es wichtig, dass der betreuende Arzt angeborener_herzfehler_und_schwangerschaft_v4 14.04.14 09:41 Seite 33 Niedriges Risikoa WHO-Risikoklasse I Zustand nach biologischem Herzklappenersatz bei regelrechter Klappenund Ventrikelfuktion Mittleres Risiko WHO-Risikoklasse II Zustand nach Reparatur einer ISTA ohne Aneurysma oder Restenose Leichte Pulmonalklappenstenose Univentriküläres Herz Univentrikuläres Herz (z. B. Fontan-Hämodynamik) mit (z. B. Fontan-Hämodynamik) regelrechter Ventrikelfunktion mit eingeschränkter Ventrikelfunktion Aortendilatation (> 50 mm) bei bikuspidaler Aortenklappe Asymptomatische Aorten- und Mitralklappeninsuffizienz bei regelrechter Ventrikelfunktion Höhergradige Pulmonalklappenstenose Marfan-Syndrom mit Erweiterung der Aortenwurzel Eisenmenger-Syndrom (Re-)ISTA Marfan-Syndrom ohne Erweiterung der Aortenwurzel Sonstige komplexe Herzfehler Zyanotischer Herzfehler ohne PAH Schwere, native ISTA Eingeschränkte Ventrikelfunktion bei Herzfehler (NYHA III–IV bzw. linksventrikuläre Ejektionsfraktion < 30 %) Hohes Risiko WHO-Risikoklasse III Systemischer rechter Ventrikel (ccTGA, TGA nach Vorhofumkehr) mit eingeschränkter Funktion Sehr hohes Risikob WHO-Risikoklasse IV Hochgradige, symptomatische Aorten- oder Mitralstenose Tabelle 1: Schwangerschaftsrisiken entsprechend der WHO-Klassifikation (1) Reparierte Fallot-Teralogie ohne Residuen (z. B. relevante Pulmonalklappeninsuffizienz) oder rechtsventrikuläre Dysfunktion Links-Rechts-Shunt ohne PAH (z. B. VSD, ASD) Systemischer rechter Ventrikel (ccTGA, TGA nach Vorhofumkehr) mit regelrechter Funktion a Erhöhtes Morbiditätsrisiko, kein erhöhtes Mortalitätsrisiko. Schwangerschaft kontraindiziert. ASD Vorhofseptumdefekt; ccTGA kongenital korrigierte Transposition der großen Gefäße; ISTA Aortenisthmusstenose; NYHA New York Heart Association; PAH pulmonalarterielle Hypertonie; TGA Transposition der großen Gefäße; VSD Ventrikelseptumdefekt; WHO Weltgesundheitsorganisation. b sich genauestens mit allen Problemen des jeweiligen Herzfehlers und der vorausgegangenen Behandlung oder Operation auskennt. Günstig ist es, wenn eine Schwangerschaft zusammen mit den Patientinnen geplant wird und sie sich vor der Schwangerschaft noch einmal gründlich untersuchen lässt. Dabei sollte auch angesprochen werden, dass das Kind einen höheren Gefährdungsgrad hat, auch einen Herzfehler zu bekommen. Das Risiko hängt von der familiären Belastung sowie der Art des Herzfehlers ab. Bei Frauen mit hohem Wiederholungsrisiko (z. B. Marfan-Syndrom, Syndrome usw.), sollte eine genetische Beratung angeboten werden. Folgt man der WHO-Klassifikation, so kann man allerdings grob orientierend den Herzfehler in eine von vier Risikoklassen zuordnen (Tabelle 1). Entscheidend für die Schwangerschaftsführung ist, @ welcher Herzfehler vorliegt, @ ob es sich um einen nativen oder vorbehandelten Herzfehler handelt, @ welche Residualzustände bestehen, @ wie die aktuelle gesundheitliche Situation und Belastbarkeit zum Zeitpunkt des Kinderwunsches ist, und @ wie die klinischen Befunde vor dem Hintergrund einer geplanten Schwangerschaft zu gewichten sind. wichtig, die schwangerschaftsbedingten Umstellungsreaktionen des mütterlichen Kreislaufsystems zu kennen (Tabelle 2). Unmittelbar mit der Konzeption beginnen die Umstellungsreaktionen, die vor allem Blutvolumen, Herzzeitvolumen, Herzfrequenz, Blutdruck sowie den peripheren Gefäßwiderstand betreffen (2). Umstellungsreaktionen und Geburt. Für die Risikostratifizierung ist es Mit Wehenbeginn wird Blut in die Gefäßperipherie freigesetzt und Zwerchfellhochstand, Konfigurationsänderungen des Thorax und veränderte Lungenfunktionsparameter beeinflussen zusätzlich die Hämodynamik. Der Grad der Veränderungen ändert sich in jedem Stadien der Schwangerschaft. 33 angeborener_herzfehler_und_schwangerschaft_v4 14.04.14 09:41 Seite 34 Tabelle 2: Physiologische Veränderungen während der Schwangerschaft. (SSW: Schwangerschaftswoche) Parameter Veränderungen Beginn (SSW) Maximum (SSW) Ausmaß [%] Herzzeitvolumen O ± 10 20 – 30 30 – 50 Herzfrequenz O 10 –14 40 15 – 30 Blutvolumen O 6 –10 32 – 36 25 – 50 Plasmavolumen O 6 –10 32 40 – 50 Erythrozytenmasse O 6 –10 40 20 – 40 Blutdruck Anfangs P später O 1. Trimenon 3. Trimenon 20 40 Ø Widerstand der peripheren Gefäße P 6 –10 20 – 24 40 – 50 Atemfrequenz O 6 –10 40 40 – 50 das Herzzeitvolumen (HZV) erhöht. Blutdruck und Herzfrequenz steigen an, und der Sauerstoffverbrauch ist auf ein Mehrfaches erhöht (3). Während und nach der Entbindung wird dem Gefäßsystem durch Uteruskontraktionen und durch Dekompression der V. cava inferior innerhalb kurzer Zeit eine große Blutmenge zugeführt, die ebenfalls zu einer Steigerung des HZV beitragen. Nach der Entbindung sinken Herzfrequenz und HZV, und erst nach mehreren Wochen oder Monaten werden bestenfalls die vor der Konzeption vorhandenen Ausgangswerte wieder erreicht. Diese Umstellungsreaktionen werden von Herzgesunden weitgehend toleriert, können aber bei Frauen mit AHF zu mütterlicher sowie zu kindlicher Beeinträchtigung führen. Die beschriebenen schwangerschaftsphysiologischen Veränderungen der 34 Hämodynamik beeinflussen sowohl das klinische Bild als auch die Untersuchungsbefunde, so dass Symptome einer bereits bestehenden organischen Herzerkrankung gegenüber schwangerschaftsbedingten Beschwerden oder Befundveränderungen abgegrenzt werden müssen. Dies kann bei uncharakteristischen Beschwerden wie Leistungsabnahme, Dyspnoe, Schwindel sowie Palpitationen, die auch bei herzgesunden schwangeren Frauen häufig auftreten, durchaus schwierig sein. Verallgemeinert gilt, je besser das Ausgangsstadium der Patientin vor Eintritt einer Schwangerschaft ist, desto besser verläuft diese zumeist auch. Startet die Schwangerschaft aus einem relativ schlechten Status heraus, ergeben sich eher Komplikationen und die Schwangerschaft kann auch durchaus eine Bedrohung für das Leben von Mutter und Kind darstellen. Schwangerschaftsverlauf bei einigen angeborenen Herzfehlern Prinzipiell bestimmt die Art des Herzfehlers, seine Ausprägung und sein Behandlungszustand bzw. seine Residuen mit den damit assozierten Problemen den individuellen Schwangerschaftsverlauf. Die Datenlage zum Schwangerschaftsverlauf bei AHF ist spärlich und nur wenige aktuelle prospektive Studien (5, 12) bieten eine Grundlage für die Beratung. Bei komplexen Herzfehlern existieren sogar nur kasuistische Berichte. So macht es aus Sicht der Autoren Sinn, anhand sogenannter Prädiktoren (z. B. Herzrhythmusstörungen in der Anamnese, zyanotischer Herzfehler, Kunstklappe, höhere Funktionsklasse-Klasse etc.) eine Risikoabschätzung für kardiale Komplikationen während einer Schwangerschaft durchzuführen (13). Tabelle 3 soll einen ersten Überblick über typische Probleme in der angeborener_herzfehler_und_schwangerschaft_v4 14.04.14 09:41 Seite 35 Schwangerschaft bei einigen häufigen nativen oder vorbehandelten angeborenen Herzfehlern geben (4–11, 14). Wenngleich viele Patienten mit AHF eine Schwangerschaft gut tolerieren, so gibt es aber durchaus auch solche, bei denen klar von einer Schwangerschaft abgeraten werden sollte (7). Hierzu gehören Patientinnen mit höhergradiger pulmonaler Hypertonie, insbesondere solche mit fixiertem pulmonalem Gefäßwiderstand im Sinne eines Eisenmenger-Syndroms. Patientinnen mit schwerer Obstruktion der Aortenklappe, Pulmonalklappe oder im Isthmusbereich sowie Frauen mit Marfan-Syndrom und AortenwurzelEktasie sollte vor einer Schwangerschaft zu einer Therapie ihres Vitiums geraten werden. Zudem sind Patientinnen, die – unabhängig von der Art des zugrunde liegenden Vitium – eine fortgeschrittene Herzinsuffizienz aufweisen, gefährdet im Rahmen eine Schwangerschaft eine Progression ihrer Herzinsuffizienz zu entwickeln. Praktische Hinweise zur Schwangerschaftsführung und Entbindung Allgemein sollte schwangeren Patientinnen von sehr anstrengender körperlicher Belastung abgeraten werden. Aber auch Inaktivität sollte vermieden werden. Damit kein Vena-cava-Syndrom auftritt, sollte die Patientin vorzugsweise in Linksseitenlage ruhen. Eine Anämie sollte ggf. ausgeglichen werden, da eine Herzfrequenzerhöhung zu einer Verschlechterung der Hämodynamik führen kann. Die Entbindung sollte, insbesondere bei Risikopatientinnen, in einer Klinik geplant und durchgeführt werden, die über eine geburtshilfliche, kar- diologische sowie neonatologische Abteilung verfügt, in der intensivmedizinische und in Einzelfällen auch kardiochirurgische Behandlungsmöglichkeiten vorgehalten werden (ideal: Level-1-/Level-2-Zentrum). Der Planung der Entbindung kommt besonders zum Ende der Schwangerschaft eine zentrale Bedeutung zu. Schmerzen und Angstzustände sollten so weit wie möglich vermieden werden. Daher ist eine großzügige Schmerzbehandlung mit Lokalanästhetika oder eine systemische Analgesie wichtig. Bei kontinuierlicher rückenmarksnaher Anästhesie müssen potenzielle Gefährdungen durch eine periphere Vasodilatation mit konsekutiven, hypovolämie-bedingten Blutdruckabfällen Beachtung finden. Die Frage, wie die Patientin entbinden soll, ist häufiger Diskussionsgegenstand. 35 angeborener_herzfehler_und_schwangerschaft_v4 14.04.14 09:41 Seite 36 Tabelle 3. Schwangerschaftsverlauf bei einigen angeborenen Herzfehlern Typische Gefahren Herzfehler Vor Therapie Nach Therapie Risikoeinschätzung und Empfehlungen Shuntvitien Vorhofseptumdefekt vom Sekundumtyp Volumenbelastung des rechten Herzens durch Zunahme des LRS bei Absinken des Rs, Rechtsherzversagen, HRST, paradoxe Embolien HRST, Rest-Shunts, Störungen der Ventrikelfunktion Native, unkomplizierte Formen meist unproblematisch, größte Gefährdung nach der 12. SSW Ventrikelseptumdefekt Größere Defekte: Herzinsuffizienz, paradoxe Embolien, HRST, bei RR-Abfall und bei PH Shuntumkehr mit RLS Normalerweise keine Schwierigkeiten, wenn postoperativ keine PH besteht und VSD verschlossen ist, HRST Verlauf abhängig von Defektgröße sowie den pulmonalen Druck- und Widerstandsverhältnissen, größte Gefährdung nach der 12. SSW Kleiner Defekt ohne PH: keine Probleme Persistierendes Ductus arteriosus Herzinsuffizienz, Shuntumkehr Linksherzobstruktionen Aortenklappenstenose Synkope, plötzlicher Herztod, HRST, Endokarditis, Herzinsuffizienz, Spontanaborte oder Mangelgeburten Endokarditis, Thromboembolien nach Klappenersatz Bei KÖF > 1,0 cm2 wird SS meist toleriert, Bei KÖF < 1,0 cm2 von SS abraten bis zur BVP bzw. Operation, größte Gefährdung in der Spät-SS, während Entbindung und im Puerperium Aortenisthmusstenose Aortendissektion, Aortenruptur, Ruptur zerebraler Aneurysmen, Endokarditis, Linksherzinsuffizienz Aneurysmabildungen im Bereich der ehemaligen CoA oder in der Aorta ascendens Größte Gefährdung nach der 12. SSW kindliche Letalität bei herabgesetztem uterinem Blutfluss Besonders bei persistierender arterieller Hypertonie: Aortendissektion, Aortenruptur, Ruptur eines Aneurysmas im OP-/Interventionsbereich, Ruptur eines zerebralen Aneurysmas bei kleinem PDA keine Gefährdung Kein Risiko nach komplettem Verschluss Bei geringem Shunt, leicht erhöhtem Pulmonalisdruck und normaler Ventrikelfunktion kaum Probleme, größte Gefährdung nach der 12. SSW Mütterliche Todesfälle evtl. schon vor der Entbindung im 3. Trimenon Bei Normotonie: geringes Risiko Zyanotischer Herzfehler ohne pulmonale Hypertonie (z.B. TOF) Zunahme des RLS, Blutungen, HRST, Endokarditis Geringer, wenn systolischer Druck RV < 50 % des DruckesLV. Frühgeburten, Mangelgeburten, Spontanaborte Bei bedeutsamen postoperativen Residuen: Rest-VSD, rechtsventrikuläre Ein plötzlicher Abfall des Rs kann bei Ausflußbahnobstruktion, PI: Gefahr der unoperiertem Vitium über den vermehrRechtsherzinsuffizienz, HRST ten RLS zum Tod der Mutter führen! Abortrate bei Hämatokrit > 65 % und arterieller O2 -Sättigung < 80 % Eisenmenger-Reaktion Häufige mütterliche Todesursachen: Hypovolämie, therapierefraktärer Schock bei Blutungen während oder nach der Entbindung, Ruptur der Pulmonalarterien, Hirnabszesse Größte Gefährdung in Spät-SS, Entbindung, Puerperium u.a. durch zunehmende HRST Kontraindikation für eine SS wegen hoher mütterlicher und kindlicher Letalität Frühzeitig SS-Abbruch zu empfehlen, allerdings ebenfalls mit Risiko Die meisten Todesfälle ereignen sich während oder in der 1. Woche nach der Entbindung! Gefahr postpartal durch hormonell-vermittelten Anstieg des Rp bzw. Abfall des Rs Transposition der großen Gefäße Vorhofumkehroperation (nach Mustard oder Senning) Erhöhtes Risiko für HRST, Eingeschränkte Funktion des morphologisch rechten Systemventrikels, Obstruktion im Vorhofbaffle-Bereich Arterielle Switch Opertion nach Jatene Bisher kaum Daten – Ektasie der Neo-Aorta, Koronarstenosen? Komplexe Herfehler mit univentrikulärer Zirkulation: Fontan-Operation oder deren Modifikationen Wenig Möglichkeiten, das Herzzeitvolumen zu steigern, Flüssigkeitsretention, hoher Venendruck, HRST, Thromboembolien KÖF Klappenöffnungsfläche, SS Schwangerschaft, SSW Schwangerschaftswoche, HRST Herzrhythmusstörungen, p Drücke in mmHg, PH pulmonale Hypertonie, Rs Systemwiderstand, Rp Lungengefäßwiderstand, RR Blutdruck, LRS/RLS Links-Rechts-/Rechts-Links-Shunt, VSD Ventrikelseptumdefekt, PI Pulmonalklappeninsuffizienz, BVP Ballonvalvuloplastie. 36 angeborener_herzfehler_und_schwangerschaft_v4 14.04.14 09:41 Seite 37 Literatur Natürlich spielen dabei geburtshilfliche Aspekte, wie beispielsweise Lage und Größe des Kindes, eine entscheidene Rolle. Die Ansicht, dass eine Sectio caesarea für herzkranke Patientinnen schonender sei als eine vaginale Entbindung, ist immer noch weit verbreitet. Aus Sicht der Autoren sollte jedoch eher eine vaginale Entbindung angestrebt werden, wenn dies aus geburtshilflicher Sicht vereinbar ist. Eine Sectio caesarea bringt meist keine Vorteile, da sie mit einem höheren Blutverlust verbunden ist, einer Narkose/Anaesthesie für den abdominalchirurgischen Eingriff bedarf, eine höhere Rate thrombembolischer Komplikationen mit sich bringt und jede Folgeschwangerschaft zur Risikoschwangerschaft wird (2). Zu Hochrisiko-Patientinnen, die schon primär einer Sectio caesarea zugeführt werden sollten, zählen insbesondere: @ kardial erheblich beeinträchtigte Patientinnen, @ Patientinnen mit Marfan-Syndrom und weiter Aortenwurzel, @ hochgradige Stenosen im Bereich der Aorten- oder Pulmonalklappenklappe, der Aorta ascendens sowie hochgradige Aortenisthmusstenosen. Wichtig ist, dass sich eine Frau mit Schwangerschaftswunsch schon im Vorfeld vergegenwärtigt, dass sie mit einer Schwangerschaft lebenslange Verpflichtungen für ihr Kind übernimmt, denen sie gewachsen sein sollte. Die werdende Mutter muss zusammen mit ihrem Kardiologen versuchen, schon vorher abzuschätzen, ob sie auch noch nach Jahren in der Lage sein wird, ein Kind adäquat zu versorgen. Für einen komplikationsarmen Verlauf einer Schwangerschaft bei AHF ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Kardiologen und Geburtshelfern, die über spezielle Erfahrung in der Betreuung von angeborenen Herzfehlern im Erwachsenenalter verfügen, unabdingbar. 1. Grabitz RG, Kaemmerer H, Mohr FW (2013) Angeborene Herzfehler im Erwachsenenalter. Internist 54: 18–27. 2. Perloff JK (2009) Pregnancy in congenital heart disease: the mother and the fetus. In: Perloff JK, Child JS (Hrsg) Congenital heart disease in adults. 3.Aufl. WB saunders, Philadelphia, S.194–220. 3. 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Harald Kaemmerer Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler, Deutsches Herzzentrum München Die Anzahl und Bedeutung von Registern in der Medizin haben in den letzten Jahren zugenommen. Ihr Stellenwert als Ergänzung zu randomisierten, klinischen Studien (RCT) ist mittlerweile unbestritten. Dies kommt u. a. in aktuellen Leitlinien verschiedener Fachgesellschaften und Behörden zu Registern zum Ausdruck. Offene, nicht-randomisierte Studien weisen inhärente methodische Einschränkungen auf (eingeschränkte Kontrolle von Bias) und werden in Leitlinien mit mittleren Evidenzgraden bewertet, ihre Ergebnisse sind jedoch für die Praxis sehr relevant. Register sind bei seltenen Erkrankungen, zu denen auch die PAH zählt, oft die einzige Möglichkeit, robuste Daten zu Charakteristika, Behandlung und Langzeitergebnissen zu erhalten: Die Anforderungen an die Registerqualität und an die statistischen Auswertungen sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Register können – im Gegensatz zu RCT mit ihren meist starken Einschränkungen hinsichtlich Patientenauswahl (Ausschluss von zahlreichen Begleiterkrankungen und Begleitmedikationen), Behandlungsoptionen und Studiendauer – Daten von großen unselektierten Patientengruppen über lange Zeit dokumentieren. Somit sind Register geeignet, mehrere Zielsetzungen in einem Projekt zu verfolgen und Daten vorzulegen zur Inzidenz/Prävalenz, zum Erkrankungsbild und Verlauf, zu Behandlungsmustern, klinischen Ergebnissen, Lebensqualität, Sicherheitsaspekten von Medikamenten und Kostenaspekten. Gerade in Hinblick auf die inzwischen verfügbaren Mono- und Kombinationstherapien bei Patienten mit pulmonal (arterieller) Hypertonie (PAH, PH) können sie Evidenz liefern, die aus kontrollierten klinischen Studien (noch) nicht vorliegt. Auf dem Gebiet der Pulmonalen Hypertonie, auch bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern, ist die 38 bedeutung_von_registern_v3 14.04.14 09:45 Seite 39 Verfügbarkeit von Registerdaten im Vergleich zu anderen seltenen Erkrankungen ausgesprochen gut. Große landesweite Register werden unter anderem in den USA (REVEAL), Großbritannien, Spanien (REHAB) und Frankreich (ItinerAIR-HTAP) geführt. „Comparative, Prospective Registry of Newly Initiated Therapies for Pulmonary Hypertension (COMPERA, NCT01347216)“ ist das größte internationale PH-Register. COMPERA wurde 2007 durch mehrere deutsche PH-Zentren initiiert (investigator initiated). Principal Investigator ist Prof. Marius Hoeper (MHH Hannover), und die Gesellschaft für Wissenschaftstransfer der TU Dresden (GWT-TUD) ist Projektträger und Sponsor im rechtlichen Sinne. Die AHF-Zentren werden durch Prof. Harald Kaemmerer, Deutsches Herzzentrum München, im Steering Board der Studie repräsentiert. Um die dringend erforderlichen Daten zur Behandlung der Erkrankung unter Bedingungen der klinischen Praxis zu erfassen, dokumentieren inzwischen Zentren in mehreren Ländern im COMPERA-Register prospektiv Daten zur Versorgung und zum klinischen Management von Patienten mit PAH und PH unter klinischen Alltagsbedingungen. Mittlerweile sind über 4.800 (Stand Dez 2013) Patienten mit Pulmonaler Hypertonie aller Dana-Point-Gruppen dokumentiert. Die durchschnittliche Beobachtungszeit der Patienten im Register liegt bei 30 Monaten, insgesamt liegen Daten von nahezu 10.000 Patientenjahren vor. COMPERA eignet sich aufgrund der Fallzahl und Detailtiefe für differenzierte Analysen. Verschiedene Maßnahmen (Plausibilitäts- und Vollständigkeitsprüfungen, Queries, Monitoring) gewährleisten eine hohe Datenqualität. Unter anderem liegt die Rate der lost-to-follow-up Patienten ständig unter 3 %. Eine Besonderheit von COMPERA besteht darin, dass nicht nur Patienten mit PAH (Dana Point Gruppe 1) eingeschlossen werden, sondern auch alle anderen PH-Gruppen (Dana Point Gruppen 2 bis 5) dokumentiert werden. Während für alle Patienten ein gemeinsamer Datensatz erhoben wird, werden in definierten Gruppen (Angeborene Herzfehler, Sarkoidose etc.) zusätzliche Informationen gesammelt. Für Patienten mit PAH im Rahmen eines angeborenen Herzfehlers existiert in COMPERA ein erweiterter Erfassungsbogen. Die Eingabemaske für AHF-Zentren umfasst Zusatzmodule zur detaillierten Erfassung struktureller Herzfehler und der Hämodynamik. Dies ist von besonderer Bedeutung, da in nahezu allen bisher publizierten Studien zur Therapie der PAH-AHFPatienten fast immer zusammen mit anderen Formen der PAH und anderen Krankheitsentitäten dargestellt werden. 39 bedeutung_von_registern_v3 14.04.14 09:45 Seite 40 Dies ist irreführend, da es weder der zu Grunde liegenden Ätiologie noch der speziellen Hämodynamik der angeborenen Herzfehler gerecht wird. Im COMPERA-Modul für angeborene Herzfehler werden Patienten prospektiv dokumentiert, sofern sie neu oder – bei stabiler Hämodynamik – seit längerem mit PAH-spezifischen Medikamenten behandelt werden. Außerdem können seit Anfang 2012 auch Patienten mit Eisenmenger-Syndrom eingeschlossen werden, wenn sie (noch) keine PAHspezifischen Medikamente erhalten. Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass auch die Option besteht, Patienten mit „pulmonal-vaskulärer Dysfunktion“ und „relativer PAH“, z. B. nach cavo-pulmonaler Anastomose (PCPC, modifizierte Fontan-Operation, TCPC, Ebstein‘scher Anomalie) zu erfassen, sofern sie mit spezifischen pulmonal-vasoaktiven oder -antiproliferativ wirkenden Medikamenten behandelt werden. 40 Seit Juni 2013 können auch Kinder aller Altersstufen eingeschlossen werden (COMPERA-KIDS). Mit Stand vom Juli 2013 hatten von den insgesamt 4.317 PAH/PH-Patienten in der COMPERA-Datenbank 356 eine PAH-AHF (8 % aller Patienten). Diese CHD-Patienten wurden von 45 Zentren in 9 Ländern dokumentiert. @ Endothelin-Rezeptor-Antagonisten und PDE-5-Hemmer werden sehr viel häufiger als Prostazykline eingesetzt @ bei Eisenmenger-Patienten wesentlich seltener eine orale Antikoagulation erfolgt als bei IPAH-Patienten; @ die Überlebensrate der PAH-AHFPatienten (erwartungsgemäß) deutlich höher als die der IPAH-Patienten ist. Bezogen auf Patienten mit angeborenen Herzfehlern zeigen die bisher verfügbaren Daten aus COMPERA, dass @ PAH-AHF-Patienten jünger und belastungsfähiger sind und sich seltener in der niedrigsten Funktionsklasse befinden als IPAH-Patienten @ sie jedoch eine vergleichbar eingeschränkte Lebensqualität wie IPAHPatienten haben @ im Gegensatz zur IPAH die meisten Patienten mit PAH-AHF eine Monotherapie mit PAH-spezifischen Medikamenten erhalten, selten eine Kombinationstherapie Es ist zu erwarten, dass das Register COMPERA zu einer Optimierung der gegenwärtigen PAH-/PH-Therapie in Deutschland und weiteren Ländern beiträgt. Hierfür werden die Daten aus COMPERA ständig aktualisiert und in Berichten an die teilnehmenden Zentren und in Publikationen regelmäßig veröffentlicht. Das Register wird durch „Unrestricted Educational Grants“ der Firmen Actelion, Bayer, GSK, Novartis und Pfizer gefördert. Der aktuelle Registerplan und weitere Informationen können unter www.compera.org nach Anmeldung eingesehen werden. bedeutung_von_registern_v3 14.04.14 09:45 Seite 41 Literatur • Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ). Registries for Evaluating Patient Outcomes: A User's Guide. Senior Editors: RE Gliklich, NA Dreyer. AHRQ Publication No.10-EHC049. Rockville, MD, USA. Second edition, September 2010. Internet: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK494 44/. Zugriff am 4. August 2013. • Benza RL, Gomberg-Maitland M, Miller DP, et al. The REVEAL Registry risk score calculator in patients newly diagnosed with pulmonary arterial hypertension. Chest 2012; 141(2): 354–62. • Condliffe R, Kiely DG, Peacock AJ, et al. Connective tissue disease-associated pulmonary arterial hypertension in the modern treatment era. Am J Respir Crit Care Med 2009; 179(2): 151–7. • European Epidemiology Federation. Good Epidemiological Practice (GEP): Proper Conduct in Epidemiologic Research. Updated 2007. 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Peter Ewert Feedback, Fragen, Kritik und Anregungen richten Sie bitte an [email protected] Layout, Satz & Druck Jungbluth Digital+Print, Freiburg Nachdruck nur unter genauer Quellenangabe und mit ausdrücklicher Genehmigung des Herausgebers/ der Autoren gestattet. umschlag_v5 14.04.14 09:37 Seite 1 Mit freundlicher Unterstützung: Anregungen richten Sie bitte an: [email protected] ISSN 2198-8811