Zwangsstörungen und Essstörungen

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Zwangsstörungen und Essstörungen:
Häufigkeit, gemeinsame Ursachen, Behandlung
Bad Bramstedt, 26. September 2014
Ulrich Voderholzer, Simone Pfeuffer, Silke Naab, Markus Fumi
Schön Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee
Voderholer et al. Prien am Chiemsee
Zwangsstörungen und
Essstörungen
Warum so häufig
gemeinsam ?
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Voderholer et al. Prien am Chiemsee
Seite 2
Gliederung
1.
Häufigkeit und klinische
Überschneidungen
2.
Gemeinsame Ursachen
3.
Behandlung
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Seite 3
Zwangsspektrumsstörungen
Impulskontrollstörungen
z.B
Neuropsychiatrische
Störungen, z.B.
•TICS
•Tourette-Syndrom
•Chorea minor
Zwangsstörungen
•Zwangshandlungen
•Zwangsgedanken
Oft sehr früher Beginn
Schlechtere Response
auf Therapie
Pathologische Beschäftigung
mit dem Körper, z.B.
•Trichotillomanie
•Skin picking
•Kleptomanie
•Patholog. Kaufen
Leichte Formen sehr häufig
Zwanghafte Handlung führt
Zur Spannungsreduktion – im
Gegensatz zu typischen
Zwängen teilweise mit
Lustgefühl verbunden
•Körperdysmorphe Störung
•Hypochondrie
•Anorexia nervosa
Förstner, Külz, Voderholzer: Zwangsstörungen. Kohlhammer-Verlag 2011
American Psychiatric Association (APA): Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders DSM-5. Am Psychiatric Pub Inc.
2013
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Anorexia nervosa
• Prävalenz: ca. 0,4 %
• Ersterkrankungsalter: 15-19 Jahre
• Mortalität: ca. 10 %
• Verhältnis Frauen:Männer 10:1
• Signifikanter Gewichtsverlust selbst herbeigeführt
• Körperschemastörung mit Angst, zu dick zu werden
• Hormonelle Funktionsstörungen
• Verzögerung der pubertären Entwicklung
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Bulimia nervosa
• Prävalenz: ca. 1%
• Ersterkrankungsalter: 20 – 24 Jahre
• Mortalität: ca. 1,6%
• Verhältnis Frauen:Männer 20:1
• Andauernde Beschäftigung mit Essen,
Essanfälle
• Gegensteuernde Maßnahmen
• Krankhafte Furcht dick zu werden
Selbstbild einer 21-jährigen Patientin
mit Bulimia nervosa „Vielfraß“
• Häufig Anorexia nervosa in der Vorgeschichte
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Seite 6
Inzidenz von Ersthospitalisierung wegen Magersucht
Inzidenz pro 100.000 Personen-Jahre
Frauen zwischen 12 und 25 Jahren
19,7
16,5
16,4
6,8
4
Fichter (2010), ergänzt nach Milos et al. 2004; S3 Leitlinie, Essstörungen 2010
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Wie häufig sind
Zwangsstörungen bei
Essstörungen ?
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Symptomatik zwanghaften Verhaltens
bei Essstörungen
Zwanghafte Verhaltensweisen
bezogen auf Essen u. Gewicht
60 – 80 % der Patienten
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Zwangsstörung
unabhängig vom Essen
Ca. 10 – 15 %
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Die Zwanghafte Seite der Anorexia nervosa keine Diagnose Zwangsstörung
• Persistierende und durchdringende Gedanken über Essen und
repetitive Sorgen über Gewichtszunahme. Überzeugung, dick zu
sein trotz Untergewichts, nahezu wahnhaft (Bruch, 1962).
• Stereotype Rituale bezüglich des Essens, insbesondere bei
niedrigem Gewicht (z.B. Zerkleinern des Essens in bestimmte
Teile, Essen in einer bestimmten Reihenfolge, Kauen in einer
bestimmten Anzahl)
• Sportzwang, Bewegungszwang, ca. 40 – 80 % der Patienten
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Bewegungsdrang bei Essstörungen:
eine Zwangssymptomatik!
• Exzessive Bewegung liegt bei 40% bis 80% der anorektischen Patienten vor
(Davis et al., 1997). Unsicherheit, ob Bewegungsdrang neurobiologischer
Mechanismus oder psychologischer Faktor ist (Holtkamp et al., 2003).
• Bewegung kann Angstsymptome bei gesunden Erwachsenen, ängstlichen
Frauen und psychiatrischen Patienten reduzieren (Breus & O´Connor, 1998;
Brooks et al., 1998; Hale & Raglin, 2002; ).
• Bei anorektischen und bulimischen Patienten mit Bewegungsdrang liegen
verstärkt ängstliche und depressive Symptome vor (Brewerton et al., 1995;
Penas-Lledo et al., 2002).
• Exzessive körperliche Aktivität bei anorektischen Patienten kann der Reduktion
von Angstsymptomen dienen (Markland & Ingledew, 1997; Rauch & Savage,
2000; Geller et al., 2000).
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Psychische Komorbidität im Verlauf der
Magersucht
Ca. 12 %
Zwang
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Komorbidität bei Patienten mit Anorexia
Nervosa, Schön Klinik Roseneck (N=2511)
72,4
Depressive Störungen
14
Persönlichkeitsstörungen
12,1
Angststörungen
9,5
Zwangsstörungen
8,4
PTSD/Anpassungsstörungen
6,4
Borderlinestörungen
3,9
Substanzmissbrauch
2,8
Sonstige
0
10
20
30
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40
50
60
70
80
Komorbidität bei Patienten mit Bulimia Nervosa,
Schön Klinik Roseneck
75,8
Depressive Störungen
Borderline
14,7
Angststörungen
13,7
PTSD und Anpassungsstörungen
13,1
7
Pyschische Verhaltensstörungen
Zwangsstörungen
4,8
Sonstige
3,8
0
10
20
30
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40
50
60
70
80
Umgekehrt:
Wie häufig sind
Essstörungen bei
Zwangsstörungen ?
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Komorbidität bei Zwangsstörungen in %
nach Angaben aus verschiedenen Studien (untere und obere Grenzen)
Persönlichkeitsst.
Assoziationen bzw. gehäuftes
Auftreten auch bei:
•Trennungsangst
• Autismus
• ADHS
• Schizophrenie
Ticstörungen
Essstörungen
Alkoholabhängigkeit
Angststörungen
Depressive Störungen
0
20
40
60
80
100
Übersichten bei Zaudig, Nervenarzt 2011 82, 294-296, Förstner, Külz, Voderholzer: Zwangsstörungen. Kohlhammer-Verlag 2011
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Verlauf bei
Essstörungen und
Zwangsstörungen
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Zwangsstörungen und Essstörungen
Lebenslanger Verlauf
100
61% chronischer Verlauf
50
< 25% chronischer Verlauf
nach dem 30. Lebensjahr
0
10
20
30
Zwangsstörungen
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40
50
60
Essstörungen
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Was unterscheidet Essstörungen und
Zwangsstörungen?
• Krankheitseinsicht: Bei Anorexia nervosa Wunsch nach
Dünnsein ich-synton, bleibt während der Erkrankung lange ichsynton.
• Ambivalenz bezüglich Veränderung oft Hauptmerkmal bei
Anorexia nervosa. Veränderungsmotivation sehr oft kritischer
Punkt in Therapie
• Psychosoziale und soziokulturelle Faktoren bei der Entwicklung
von Essstörungen eine größere Rolle als bei Zwangsstörungen.
• Krankheitsverlauf und Prognose: Bei Anorexia nervosa höchste
Mortalität
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Gliederung
1.
Häufigkeit und klinische Überschneidungen
2.
Gemeinsame Ursachen
3.
Behandlung
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Neurobiologie der Zwangsstörungen: State of the Art
Schädigung der
Basalganglien
prädisponieren zu
Zwängen
Beidseitige
Pallidumnekrosen
(Laplane et al. 1988)
„Zwänge“ bei Tieren
mit frontostriatalen
Schädigungen:
Hautschädigung
durch exzessives
Putzen
(Welch et al.2008)
Putzzeit
Hypermetabolismus in
Ruhe im Nucleus
caudatus und
Basalganglien
vielfach repliziert
(Baxter et al. 1988
Whiteside et al. 2004)
Karch und Pogarell, Nervenarzt 2011, 82, 299-307.
Förstner, Külz, Voderholzer: Zwangsstörungen. Kohlhammer-Verlag 2011
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Wildtyp
Knockout
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Ursachen – Prädisponierende Faktoren
Zwangsstörungen
Essstörungen (AN, BN)
 Genetischer Faktor 30 – 40 %
 Genetischer Faktor bei AN ca. 50 %
 Serotonerge Dysfunktion ? (SSRI
 Serotonerge Dysf. (Fluoxetin bei BN
wirksam)
wirks., bei AN keine Studien)
 Leichte kognitive Dysfunktion
 Leichte kognitive Dysfunktion
 Selbstunsicherheit, Ängstlichkeit,
 Perfektionsmus, hohe
Perfektionismus
Leistungsorient., Selbstunsicherheit
 Belastende Lebensereignisse,
Traumata
 Belastende Lebensereignisse,
Traumata
 Gesellschaftliche Faktoren ?
 Schädigungen der Basalganglien
 Gesellschaftliche Faktoren:
Schlankheitsideal, Nahrungsüberfluss
Külz, Förstner, Voderholzer; Voderholzer et al. 2012; Kappel et al, KJP 2014; 42
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Symptomatik bei Zwangsstörungen
Angst, Erregung, Anspannung
100%
Zwangsverhalten:
Händewaschen
Kurzfristiger negativer Verstärker
Angst und Spannungsabfall
Hält Symptomatik aufrecht
Berührung
Türklinke
Gedanke:
ich bin
Schmutzig
Stimulus
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Symptomatik bei Essstörungen
Angst, Erregung, Anspannung
100%
Gegensteuernde Maßnahmen:
Exzessiver Sport, Erbrechen,
Abführmittel
Vermeiden weiterer Mahlzeiten
Nahrungsaufnahme
Völlegefühl
Gedanke: ich werde 2
Kilo zunehmen
Gefühl, die Kontrolle
Zu verlieren
Negativer Verstärker
Angst und Spannungsabfall
Hält Symptomatik aufrecht
Stimulus
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Funktion von Verhaltensweisen bei
Essstörungen und Zwangsstörungen
• Angst- und Spannungsreduktion, unmittelbare Minderung
negativer Gefühle, negative Verstärkung – analog zu
Suchterkrankungen
• Emotionsregulation, Selbstwertstabilisierung, Gefühl, sich unter
Kontrolle zu haben
• Interpersonelle Funktionen, z.B. Autonomie, Abgrenzung,
Kontrolle des Umfelds, vermehrte Aufmerksamkeit
Külz et al. 2010, Kulla et al. 2014 im Druck
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Gliederung
1.
Häufigkeit und klinische Überschneidungen
2.
Gemeinsame Ursachen
3.
Behandlung
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Therapie
• Gründliche Diagnostik wichtig: Hohe Verheimlichungstendenz !
• Therapie jeweils der im Vordergrund stehenden Störung,
Motivation berücksichtigen!
• Expositionsverfahren spielen bei beiden Störungen eine große
Rolle
• Bearbeitung der Funktionalitäten, Erlernen vom
Emotionsregulationsstrategien von großer Bedeutung
• Mangel in der ambulanten Versorgungssituation
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Achtsamkeitsbasierte Verfahren
Patienten mit Essstörungen
• Probleme in Emotionserkennung
• Hohe emotionaler Dysregulation und
niedrige Achtsamkeit
Akzeptanz und Commitmenttherapie
(ACT)
• Wirksamkeit belegt
• Mögliche Erhöhung der Symptomreduktion
im Vergleich zu Standardtherapie
Wanden-Berghe, Sanz-Valero & Wanden-Berghe, 2011; Butryn, et al., 2013; Timko, Eifert, Harres, 2013
Butryn et al., 2013; Lavender, Gratz & Tull, 2011
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Zwangsstörungen und Essstörungen
Warum so häufig gemeinsam ?
• Gemeinsame prädisponierende Faktoren: Perfektionismus,
Ängstlichkeit und Unsicherheit
• Ähnliche Funktionen im Leben: Emotionsregulation, Sicherheit
und Kontrolle,
• Suchtartiger Charakter – Negative Verstärkung Ähnlichkeiten zu
Verhaltenssüchten
• Gemeinsame Biologische Ursachen: Störungen im
Serotoninsystem?
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