Abstracts Verfahrensspezifische vs allgemeine Psychotherapie MICHAEL LINDEN, Charitè – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland Unter Psychotherapie-Verfahren (früher Psychotherapie-Schule) versteht man einen Kanon von psychotherapeutischen Störungstheorien und darauf aufbauenden Interventionen, die einer psychotherapeutischen Grundorientierung zuzurechnen sind (z.B. psychodynamisch, humanistisch, verhaltenstherapeutisch, systemisch). Die Ausbildung in einem Verfahren muss einen Psychotherapeuten befähigen unterschiedlichste Erkrankungen erfolgreich zu behandeln. Diesem Konzept einer Theorie- und Methodendifferenzierung steht das Postulat einer allgemeinen schulenübergreifenden Psychotherapie entgegen, das wesentlich von der klientenzentrierten, nicht-direktiven Gesprächspsychotherapie (GT) nach Rogers um 1940 ausging, wonach allgemeine Wirkfaktoren wie z.B. Empathie, Echtheit, komplementäre Beziehungsgestaltung oder Ressourcenaktivierung die eigentlichen Wirkfaktoren jeder Art von Psychotherapie seien. Dieses Unspezifitätspostulat ist wissenschaftlich nicht belegt, da die wiederholt berichteten Korrelationen zwischen derartigen Basisvariablen und dem Therapieergebnis weitgehend nur Partialkorrelation sind und andererseits bei kontrollierten Studien immer wieder deutliche Unterschiede in den Therapieergebnissen in Abhängigkeit vom Vorgehen gefunden werden. Dies gilt selbst innerhalb von Verfahren, die nicht transdiagnostisch homogen angewendet werden. So ist das Vorgehen in aller Regel z.B. bei Phobien anders als bei Depressionen oder Persönlichkeitsstörungen. Neben diesen empirischen Befunden gibt es auch theoretische, ausbildungstechnische und sozialrechtliche Gründe, die für eine Differenzierung von Psychotherapie auf Verfahrensebene sprechen. Wenn es nur um die Realisierung von Zuwendung ginge, dann könnte auf professionelle Psychotherapeuten zugunsten engagierter Laien verzichtet werden. Des Weiteren gilt, dass handlungsleitende theoretische Konstrukte nur innerhalb eines verfahrensbezogenen Theoriekontextes verstehbar sind. Schließlich erwartet das Gesundheitswesen, dass Therapeuten Interventionen zur Anwendung bringen, die überprüfbar sind, was nicht auf der Ebene allgemeiner Wirkfaktoren angesiedelt werden kann. Zusammenfassend gilt, dass es für die verfahrensbezogene Definition von Psychotherapie eine lange Erfahrung gibt, dass sie sich bewährt hat und dass für die Alternativansätze empirisch, praktisch und sozialrechtlich Vorteile nicht belegt werden konnten. Emotionen in der Therapie STEFAN G. HOFMANN, Boston University, Boston, USA Emotionen sind entscheidende Aspekte von mentaler Gesundheit/ psychischer Verfassung. Konventionelle psychologische Behandlungsformen wie kognitive Verhaltenstherapie stellen zwar generell sehr effektive Interventionsmaßnahmen für viele psychologische Probleme dar, trotzdem leiden viele Personen an verbleibender emotionaler Bedrängnis wie Angst, Depression, Impulskontrolle oder der Zornbewältigung. BEKANNTES NEU ENTDECKEN – DIE TRANSDIAGNOSTISCHE PERSPEKTIVE IN DER VERHALTENSTHERAPIE 13. BIS 16. M AI 2016 IN PÖRTSCHACH, KÄRNTEN, ÖSTERREICH 2 Darüber hinaus führen zeitgenössische Behandlungen, die ihren Fokus vorrangig auf negative Affekte richten, selten zu langfristigen Verbesserungen von positiven Affekten, Lebensqualität und Freude. Sowohl jüngste wissenschaftliche Evidenz als auch theoretische Modelle von Emotionen bereichern die therapeutischen Strategien bei der Behandlung emotionaler Störungen. Diese Strategien reichen von adaptiver und flexibler intra- und interpersoneller Emotionsregulation über verschiedene aufmerksamkeitsbasierte Verfahren einschließlich loving kindness meditation. Diese Methoden sind trotz ihrer Vereinbarkeit mit kognitiver Verhaltenstherapie transdiagnostischer und transtheoretischer Natur. Expositionsverfahren als transdiagnostischer Ansatz PETER NEUDECK, Akademie für Verhaltenstherapie, Köln, Deutschland Exposition ist eine wirksame Behandlung bei Angststörungen. Ausgehend von einem transdiagnostischen Ansatz beschreiben moderne Konzepte Exposition als strukturiertes Programm innerhalb eines Behandlungspakets, in dessen Mittelpunkt die Überprüfung individueller angstbezogener Befürchtungen steht. Im Zentrum des Vortrags stehen die Implikationen eines transdiagnostischen Konzepts im Hinblick auf die Überprüfung dysfunktionaler ängstlicher Annahmen, Sicherheitsstrategien und der Entwicklung verbesserter Bedingungen zur Erreichung optimaler Lernerfolge. Defizite in der Emotionsregulation – Ein transdiagnostischer Ansatzpunkt in Prävention und Therapie psychischer Störungen MATTHIAS BERKING, Friedrich-AlexanderUniversität, Erlangen-Nürnberg, Deutschland Patienten in psychotherapeutischen Behandlungen haben häufig Schwierigkeiten, unerwünschte Emotionen wahrzunehmen, zu verstehen, zu akzeptieren und/oder zu verändern. Vermutlich tragen diese Schwierigkeiten oft zur Entstehung und zur Aufrechterhaltung psychischer Störungen bei – und dies vergleichsweise unabhängig von der spezifischen Art der Störung. Aber wie sieht ein adaptiver Umgang mit belastenden Gefühlen überhaupt aus und wie lässt sich ein adaptiver Umgang mit diesen Gefühlen effektiv fördern? Diese Fragen sollen im Vortrag mit Hilfe der aktuell verfügbaren empirischen Befunde beantwortet und mit dem Auditorium diskutiert werden. Metakognitives Training für Psychosen (MKT). Durchführung und neue Studienergebnisse STEFFEN MORITZ, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Deutschland Patienten mit Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis weisen eine Reihe kognitiver Verzerrungen auf (z.B. voreiliges Schlussfolgern; übermäßige Urteilssicherheit bei Fehlentscheidungen), die an der Entstehung und Aufrechterhaltung der Wahnsymptomatik beteiligt zu sein scheinen. Das Metakognitive Training für Psychose (MKT) wurde entwickelt, um mit den Patienten diese kognitiven Verzerrungen zu bearbeiten. In spielerischer und entpathologisierender Weise sollen starre Überzeugungen über das „Säen von Zweifel“ hinterfragt werden. Der Ansatz steht sowohl in der Tradition kognitiv-verhaltenstherapeutischer Ansätze als auch experimentell-psychologischer Grundlagenforschung, die Urteilssicherheit/Zweifel als wichtige metakognitive Aspekte betont. Der Vortrag stellt das modular aufgebaute Trainingsprogramm vor und berichtet neuere eigene sowie unabhängige empirische Ergebnisse (für eine Übersicht siehe Moritz et al., 2014a). Eine aktuelle Meta-Analyse (Eichner & Berna, in press) zeigt, dass das Training signifikante Effekte auf Wahn (g = .41) Positivsymptomatik allgemein (Hedges‘ g = .34) ausübt. Die Akzeptanz bei den Patienten erreicht sogar eine hohe Effektstärke (g = .84). Neuere Studien lassen darauf schließen, dass der Ansatz auch über den Interventionszeitraum hinaus psychotische Symptome reduziert (ca. mittlere Effektstärke). Es konnte zudem gezeigt werden, dass neben der Wahnsymptomatik auch das Wohlbefinden des Patienten positiv beeinflusst wird (Moritz et al., 2014b). Für schwer psychotische Patienten erscheinen dagegen individualisierte Behandlungsstrategien wie KVT oder MKT+ (www.uke.de/mkt_plus) angezeigt. BEKANNTES NEU ENTDECKEN – DIE TRANSDIAGNOSTISCHE PERSPEKTIVE IN DER VERHALTENSTHERAPIE 13. BIS 16. M AI 2016 IN PÖRTSCHACH, KÄRNTEN, ÖSTERREICH 3 Vor dem Hintergrund, dass viele Patienten emotionalen Problemen eine höhere Behandlungspriorität zuweisen als psychotischen Symptomen haben wir das MKT um Module zu Selbstwert und Anti-Stigma ergänzt, die ebenfalls vorgestellt werden. Literatur: Eicher, C. & Berna, F. (in press). Acceptance and efficacy of metacognitive training (MCT) on positive symptoms and delusions in patients with schizophrenia: A meta-analysis taking into account important moderators. Schizophrenia Bulletin Moritz S, Andreou C, Schneider BC, Wittekind CE, Menon M, Balzan RP, Woodward TS. (2014a). Sowing the seeds of doubt: a narrative review on metacognitive training in schizophrenia. Clinical Psychology Review, 34, 358-366. Moritz S, Veckenstedt R, Andreou C, Bohn F, Hottenrott B, Leighton L, Köther U, Woodward TS, Treszl A, Menon M, Schneider BC, Pfueller U, Roesch-Ely D. (2014b). Sustained and "sleeper" effects of group metacognitive training for schizophrenia: a randomized clinical trial. JAMA Psychiatry, 71, 1103-1111. WORKSHOP: Expositionsverfahren: Tools zur patientengerechten Anwendung PETER NEUDECK, Akademie für Verhaltenstherapie, Köln, Deutschland Expositionsübungen können durch eine Vielzahl von Faktoren variiert und spezifiziert werden. Damit wird durch die Individualisierung einer Standardmethode die Effektivität für den einzelnen Patienten erhöht. Eine große Rolle spielt dabei eine patientenbezogene Vorbereitung der Übungen sowie eine den jeweiligen Problemen angepasste, maßgeschneiderte Durchführung. Strategien, um dieses zu erreichen, werden im Workshop vorgestellt. WORKSHOP: Behandlung der Sozialen Angststörung STEFAN G. HOFMANN, Boston University, Boston, USA Ebene: Intermediär Soziale Angststörung zählt zu den häufigsten mentalen Problemen in der Bevölkerung und im klinischen Rahmen. Traditionelle kognitive Verhaltensverfahren haben nur moderate Effekte gezeigt. Jüngere Forschung hat zu einem besseren Verständnis der aufrechterhaltenden Faktoren dieser Funktionsstörung geführt. Basierend auf diesem Wissen wurde ein neues Behandlungsmodell formuliert, das mit erheblich größerer Wirksamkeit assoziiert werden kann als vorherige Entwicklungen. Diese Behandlungsform konzentriert sich auf Erwartungen von sozialen Normen, Strategien der Zielsetzung, selbstfokussierter Aufmerksamkeit, Selbstwahrnehmung und Emotionskontrolle. Manche dieser Behandlungsmethoden beinhalten Video Rückmeldung, Modifikation der Aufmerksamkeit, Spiegel- Expositionen und in vivo Expositionen sozialer Missgeschicke. Teilnehmer dieses Workshops werden mit der theoretischen Basis dieser Interventionen vertraut werden und die spezifischen therapeutischen Verfahren erlernen, die notwendig sind, um eine effektive Behandlung dieser weitverbreiteten und schwächenden Funktionsstörung zu gewährleisten. Sie werden lernen: 1. Empirische Literatur, die Faktoren sozialer Angst beinhaltet. 2. Wie diese Faktoren bei individuellen Patienten identifiziert werden. 3. Wie diese Verfahren in der Praxis realisiert werden. Recommended readings: Hofmann S. G. & Otto, M. W. (2008). Cognitivebehavior therapy of social anxiety disorder: Evidence-based and disorder specific treatment techniques. New York, NY: Routledge. A-1090 Wien • Kolingasse 11/9 • Tel.: + 43 1 319 70 22 • Fax: + 43 1 319 70 22/95 • E-Mail: [email protected] • Homepage: www.oegvt.at • BEKANNTES NEU ENTDECKEN – DIE TRANSDIAGNOSTISCHE PERSPEKTIVE IN DER VERHALTENSTHERAPIE 13. BIS 16. M AI 2016 IN PÖRTSCHACH, KÄRNTEN, ÖSTERREICH