MicroRNAs – mächtige Winzlinge, die Gene ausschalten

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Elisa Izaurralde | MicroRNAs – mächtige Winzlinge, die Gene ausschalten
Tätigkeitsbericht 2007
Struktur- und Zellbiologie
MicroRNAs – mächtige Winzlinge, die Gene ausschalten
Elisa Izaurralde;
Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie, Tübingen
Abteilung – Abt. 2: Biochemie (Izaurralde)
Korrespondierender Autor
Elisa Izaurralde
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
MicroRNAs (miRNAs) bestehen aus etwa 22 Nukleotiden, die im Erbgut kodiert sind. Sie blockieren
Genaktivität, indem sie sich an die 3’-nicht-translatierten Bereiche von Boten-RNA (mRNA) anlagern.
Der genaue Mechanismus, mit dem miRNAs Genaktivität in tierischen Zellen unterdrücken, ist nicht
bekannt. Ziel ist es, den Mechanismus miRNA-vermittelter Genregulation, die mit der so genannten
RNA-Interferenz nah verwandt ist, aufzuklären.
Abstract
MicroRNAs (miRNAs) are genome-encoded, about 22 nucleotide-long RNAs that silence gene expression post-transcriptionally by binding to 3’-untranslated regions of messenger RNAs. Although much
information has been obtained about miRNA biogenesis and biological functions, the mechanisms
allowing miRNAs to silence gene expression in animal cells remain controversial. Our goal is to understand the molecular mechanism of miRNA-mediated gene silencing.
Einführung
MicroRNAs (miRNAs) erfüllen eine wichtige Aufgabe bei der Steuerung grundlegender biologischer
Prozesse wie Entwicklung, Zelldifferenzierung, Proliferation und Apoptose. Neuere Daten weisen darauf hin, dass miRNAs auch an der Entstehung menschlicher Krankheiten wie Krebs oder Stoffwechselstörungen beteiligt sind. Somit bieten sie einen neuen Ansatzpunkt für Therapien. Damit die Rolle
der miRNAs bei der Krankheitsentstehung entschlüsselt und neue, zielgerichtete Behandlungsstrategien entwickelt werden können, müssen jedoch die Mechanismen der miRNA vermittelten Genkontrolle, die mit der so genannten RNA-Interferenz nah verwandt ist, detailliert bekannt sein.
Um ihre Funktion zu erfüllen, verbinden sich miRNAs mit Proteinen aus der so genannten ArgonautFamilie und bilden RNA induced silencing complexes (RISCs). Aufgabe der miRNAs dabei ist es, die
Argonaut-Proteine nachfolgend zu komplementären Zielsequenzen auf mRNAs zu dirigieren. Diese
werden dann blockiert. Obwohl viel über die Entstehung und die Funktion von miRNAs bekannt ist,
liegen die Mechanismen, mit denen sie die Genaktivität beeinflussen, noch weitgehend im Dunkeln. In
unterschiedlichen Studien sind Hinweise auf drei verschiedene Wege der RNA-Interferenz publiziert
worden. MicroRNAs könnten demnach i.) den Abbau von Proteinen beschleunigen; ii.) die Proteinsynthese blockieren oder iii.) den Abbau der mRNA fördern.
© 2007 Max-Planck-Gesellschaft
www.mpg.de
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MicroRNAs fördern den mRNA-Abbau
Anfänglich deuteten Studien darauf hin, dass miRNAs die Translation in tierischen Zellen unterdrücken,
ohne die Menge der dazugehörigen Ziel-mRNAs wesentlich zu verändern. Neuere Arbeiten, auch aus
unserem Labor, zeigten jedoch, dass in Tierzellen miRNAs zu einem signifikanten Abbau von mRNAs
führten. Im Einklang damit steht die Beobachtung, dass die Menge vieler Ziel-mRNAs in denjenigen
Zellen sogar ansteigt, in denen generell weniger miRNAs zur Verfügung stehen. Umgekehrte Ergebnisse erhielten wir wiederum, wenn wir eine bestimmte miRNA in Zellen aktivierten, in denen sie
normalerweise gar nicht vorkommt. In diesen Zellen sank dann die Menge derjenigen mRNAs, die
eine passende Bindungsstelle für die ausgewählte miRNA haben.
Weiterhin konnte gezeigt werden, dass miRNAs Informationsträger sind, über die die RNA-Degradationsmaschinerie der Zelle mRNAs letzten Endes erkennen kann. Aus unseren Versuchen geht nämlich
hervor, dass für den miRNA-vermittelten mRNA-Abbau neben den Argonaut-Proteinen auch ein als
GW182 bezeichnetes Protein sowie Deadenylasen und Entkappungsenzyme notwendig sind, die generell am mRNA-Abbau beteiligt sind.
Darüber hinaus konnte nachgewiesen werden, dass GW182 ein essenzieller Bestandteil des RNAInterferenz Apparates tierischer Zellen ist. Dieses Protein ist in diskreten zytoplasmatischen Bereichen
lokalisiert, den so genannten mRNA-Prozessierungskörperchen oder P-bodies (Abb. 1). Für die Funktion von miRNAs ist GW182 unverzichtbar. Unsere Ergebnisse sprechen für ein Modell, nach dem
GW182 direkt mit den Argonaut-Proteinen interagiert, mit ihnen zu den Zielsequenzen der miRNAs
gebracht wird und dort die Proteinsynthese unterdrückt. Gleichzeitig markiert GW182 die mRNA für
den Abbau durch die „normalen“ mRNA-degradierenden Enzyme der Zelle (Abb. 2).
Abb. 1: P-bodies in Zellen der Fruchtfliege. P-bodies sind diskrete zytoplasmatische Bereiche, in denen mRNAdegradierende und an der RNA-Interferenz beteiligte Proteine ko-lokalisiert sind. Die Abbildung zeigt die
Ko-Lokalisation des mRNA-Entkappungsproteins DCP1 (grün) mit dem GW182-Protein (rot): In der Überlagerung (Merge) erscheinen die P-bodies, in denen DCP1 und GW182 gemeinsam auftreten, als gelbe Punkte.
Der Zellkern ist blau gefärbt.
Urheber: Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie/Eulalio
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Abb. 2: MicroRNA-vermittelter Abbau von mRNA. MicroRNAs führen zu Deadenylierung und anschließender
Entkappung (Decapping von mRNA. Die für diesen Vorgang benötigten Proteine sind farblich skizziert, darunter
auch die Bestandteile des major deadenylase complex (CAF1, CCR4 und der NOT-Komplex) sowie das Entkappungsenzym DCP2 und mehrere Entkappungs-Aktivatoren (dunkelblauer Kreis). Die miRNA ist im doppelsträngigen Bereich der RNA als rote Linie dargestellt. Der RISC-Komplex (RNA induced silencing complex) ist
als Verbindung von mindestens einem Argonaut-Protein (gelb) mit einem GW182-Molekül (grün) dargestellt.
Die mRNA ist in einer closed loop-Konfiguration gezeigt; die Cap-Struktur ist mit einem türkisfarbenen Punkt
markiert.
Urheber: Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie/Eulalio
Auch wenn es inzwischen eine allgemein akzeptierte Meinung ist, dass miRNAs den Abbau von
mRNAs auslösen, ist eine kritische Frage nach wie vor offen geblieben: Ist dieser Abbau ein eigenständiger Mechanismus der Genregulation oder ist er nur eine indirekte Folge der Hemmung der
Proteinsynthese? Ohne Zweifel werden etliche weitere Studien erforderlich sein, um den genauen
Mechanismus der miRNA-vermittelten Genregulation aufzuklären. Solche Untersuchungen werden
bedauerlicherweise dadurch erschwert, dass miRNAs sich nicht gegen „nackte“ mRNA-Strukturen
richten, sondern gegen Ribonuklein-Partikel oder mit Proteinen verbundene mRNAs. Es ist anzunehmen, dass sich diese Proteine von mRNA zu mRNA unterscheiden. Möglicherweise beeinflusst dies
auch den Wirkmechanismus der miRNAs.
Zusammenfassung
Die Arbeit mit miRNAs steht an der vordersten Front der biomedizinischen Forschung. Seit ihrer Entdeckung im Jahr 1993 wurde ein beachtliches Wissen über miRNAs zusammengetragen: Ihre Bio-genese wurde aufgeklärt, die an der RNA-Interferenz beteiligten Komponenten wurden identifiziert, und
nicht zuletzt hat man Einblick in die therapeutische Bedeutung der miRNAs gewonnen – sowohl als
Wirkstoffe als auch als Angriffspunkte neuer Therapien. Weitere, intensive Forschung wird dazu beitragen, die wichtigsten molekularen Mitspieler auf diesem miRNA vermittelten Signalweg zu identifizieren und ihre Funktion zu verstehen. Dazu werden beispielsweise Strategien entwickelt, die Aktivität
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dieser Proteine zu beeinflussen, um nachfolgend Rückschlüsse aus diesen Experimenten auf ihre
jeweilige Funktion zu ziehen. Dies wird mit Sicherheit dazu beitragen, neue Therapieansätze für die
Behandlung menschlicher Krankheiten zu entwickeln, welche auf Fehlfunktionen von RNA Interferenz zurückgeführt werden können.
Literaturhinweise
[1] A. Eulalio, E. Huntzinger, E. Izaurralde:
Getting to the root of miRNA-mediated gene silencing.
Cell 132, 9–14 (2008).
[2] A. Eulalio, J. Rehwinkel, M. Stricker, E. Huntzinger, S. F. Yang, T. Doerks, S. Dorner, P. Bork,
M. Boutros, E. Izaurralde:
Target-specific requirements for enhancers of decapping in miRNA-mediated gene silencing.
Genes and Development 21, 2558–2570 (2007).
[3] I. Behm-Ansmant, J. Rehwinkel, T. Doerks, A. Stark, P. Bork, E. Izaurralde:
mRNA degradation by miRNAs and GW182 requires both CCR4:NOT deadenylase and
DCP1:DCP2 decapping complexes.
Genes and Development 20, 1885–1898 (2006).
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