*49-51IBOE II 06.11.2002 18:04 Uhr Seite 49 A B T E I L U N G R H I Z O S P H Ä R E N B I O L O G I E GENFORSCHUNG Den Pflanzen auf die Wurzeln geschaut Wurzeln Die Wechselwirkungen zwischen den Rhizosphärenbewohnern untereinander und der gastgebenden Pflanze sind bisher noch wenig bekannt. Anton Hartmann und sein Team in der Abteilung Rhizosphärenbiologie setzen nun molekularbiologische Methoden ein, um diese, auch für die landwirtschaftliche Praxis bedeutungsvollen Vorgänge in der Rhizosphäre aufzuklären. Auf Basis der Kenntnisse über das Genom von Pflanzen und von Rhizosphärenmikroorganismen gewinnen Untersuchungen zum Signalaustausch und zur Signalverarbeitung im Wurzelraum eine neue Qualität. D er Wurzelraum von Pflanzen (Rhizosphäre) stellt im Boden etwas ganz Besonderes dar. Durch die Nährstoffe, welche die Wurzeln bereitstellen, werden viele im Hungerzustand dahindämmernde Mikroorganismen aufgeweckt und aktiviert. Bakterien und Pilze besiedeln in großer Zahl diesen Wurzelraum, eine „Futteroase“ in ansonsten nährstoffarmen Böden. Darunter sind nicht nur willkommene und gutartige Organismen, sondern auch Erreger von Pflanzenkrankheiten, welche die Pflanze attackieren und befallen wollen. Und es gibt auch „Polizisten“ unter den Rhizosphärenbewohnern. Diese halten Nachbarn, die sich ungebührlich ausbreiten wollen und Pflanzen schädigen können, in Schach. Sie tragen so zur „biologischen Kontrolle“ von Pflanzenpathogenen bei. Nützliche Vertreter unter den Rhizosphärenbewohnern wiederum liefern durch Sti- http://www.gsf.de/iboe/arb/index.html mulierung der Wurzelentwicklung oder über spezielle Symbiosen wichtige Beiträge zur Pflanzenernährung. Zentrale Bedeutung hat in der Abteilung Rhizosphärenbiologie zunächst die Erfassung der Vielfalt und des genetischen Potenzials der Mikroflora. Bakterien im Wurzelraum mit Hilfe von Gensonden aufspüren Dabei leisten Anton Hartmann und seine Mitarbeiter echte Detektivarbeit, um die vielfältigen, aber morphologisch unscheinbaren und ein tausendstel Millimeter winzigen Bakterien zu erkennen und zu klassifizieren. Im Gegensatz zur Vergangenheit verfügen sie heute über erfolgreiche molekularbiologische Techniken. So hat gerade die Untersuchung verwandtschaftlicher Beziehungen durch vergleichende Analyse von Sequenzdaten phylogenetischer Nukleinsäuren große Bedeutung erlangt. Mittlerweile hat sich die RNA der Ribosomen (16S rRNA) als „Gold-Standard“ etabliert. „Die große Anzahl verfügbarer Sequenzdaten der 16S rDNA, zur Zeit ungefähr 16. 000 Vollsequenzen, erlaubt uns aber nicht nur eine taxonomische Einordnung der Bakterien“ erläutert Anton Hartmann die Technik. „Mit ihrer Hilfe entwickeln wir auch phylogenetische Sonden unterschiedlichster Spezifität als diagnostische Werkzeuge.“ Der phylogenetische Identifizierungsansatz eignet sich hervorragend dafür, unbekannte, bislang nicht kultivierte Bakterien zu klassifizieren. Diese Gruppe macht vermutlich 95% der Umweltbakterien aus. Im sog. „Zyklischen RNA Ansatz“ werden die Gesamtnukleinsäuren eines Habitats isoliert, darin befindliche Gene für die rRNA über PCR Techniken vervielfältigt, diese Gene durch Klonierung 49 *49-51IBOE II 06.11.2002 18:05 Uhr Seite 50 ABTEILUNG RHIZOSPHÄRENBIOLOGIE GENFORSCHUNG Mit FISH Bakterien sichtbar machen B ei diesen Sonden handelt es sich um kurze synthetische DNA-Stücke, sogenannte Oligonukleotide, die an diagnostisch bedeutende Zielregionen der rRNA selektiv binden und damit die entsprechenden Bakterienzellen identifizieren. Diese Sonden werden mit einem Fluores- A zenzfarbstoff gekoppelt und an fixiertem Probenmaterial eingesetzt. Die Bodenmikrobiologen sprechen von einer „fluoreszierenden in situ Hybridisierung“ (FISH). Durch diese Technik ist es möglich, Bakterien direkt in ihrem Lebensraum mit hochauflösenden mikroskopischen Techniken wie der konfokalen laser Scanning Mikroskopie zu identifizieren.Anton Hartmann und sein Team entwickel solche „Sonden“ für die in situ Detektion einer Reihe von Rhizosphärenbakterien, welche eine pflanzenwachstums-fördernde Wirkung haben. Die FISH mit mehreren unterschiedlich markierten Gensonden von unterschiedlicher Spezifität (von Gruppe bis zur Art) ermöglicht auch eine sichere Identifizierung von Bakterien in komplexen Umwelthabitaten wie der Rhizosphäre. In diesem Beispiel müssen alle drei verwendeten Gensonden mit hierarchischer Spezifität und unterschiedlicher Fluoreszenzmarkierung an die 16S rRNA der Zielzellen binden. Bei einer positiven Identifizierung von Azospirillum an der Wurzel erscheinen diese Zellen dann weiß. B A: Mischung aus Azospirillum C lipoferum (rot), A. brasilense (blau) und A. amazonense (grün). Ausschnitt nach FISH mit den Sonden Alila-1113-Cy3, Abras-1420Cy5, Aama-1250-Fluos. B: Simultane Hybridisierung einer Weizenwurzel mit den Sonden EUB-33-Fluos (grün, spezifisch für alle Bacteria), Alf-1b-Cy3 (rot, spezifisch für alle alpha-Proteobacteria) und Azo-440a-Cy5 (blau, spezifisch für alle Vertreter der Gattung Azospirillum). C: Farbkreis. PCR Umweltprobe 16S-rDNA Klonierung Gruppenspezifische Sonden FISH CLSM Spezifische Sonden Genbank Sequenzierung Sondendesign Phylogenie vergleichende Analyse 16S-rDNA Sequenzen vereinzelt und anschließend deren Nukleinsäuresequenz bestimmt. „Durch eine vergleichende Sequenzanalyse dieser Daten sind wir heute in der Lage, alle erhaltenen rRNA Gene phylogenetisch zu analysieren“, schwärmt Anton Hartmann. Die mikrobielle Vielfalt eines Habitats lässt sich somit erstmals vollständig aufklären. Konstruiert man nun 50 spezifische Gensonden, die spezifisch an Abschnitte der neu erhaltenen Sequenzen hybridisieren, kann man durch FISH (siehe Kasten) die mikrobielle Vielfalt und Häufigkeit bestimmter Organismen selbst in komplexen Habitaten untersuchen und der Zyklus ist damit geschlossen. Sprache und Dialekte von Bakterien verstehen lernen Neueste Ergebnisse aus der mikrobiellen Forschung zeigen, das Bakterien nicht nur erstaunliches bei vielen Stoffumsetzungen leisten, sondern sogar untereinander Kommunikation betreiben können. Ihre Sprache ist dabei chemischer Natur. Die benutzten Wörter besitzen bei vielen Bakterien die Grundstruktur eines N-AcylHomoserinlactons. Je nach „Dialekt“ weichen diese Signalmoleküle in der Länge und Art der Kohlenstoffseitenkette voneinander ab. Durch diese Signale können Bakterien z.B. die Ausprägung bestimmter Gene in Abhängigkeit der Dichte einer Bakterienpopulation „absprechen“ oder eine Antibiotikaproduktion zur Abwehr von ungeliebten Nachbarn (mit Potential für die „biologische Kontrolle“ von Pathogenen) steuern. In der Rhizosphäre vieler Pflanzen gibt es offensichtlich viele Bakterien, die diese chemische Sprache beherrschen und die oben erwähnten Signalmoleküle produzieren. Durch weitere gezielte genetische Manipulationen kann man nun Dolmetscher „ausbilden“, die in der Lage sind, die Unterhaltung der Mikroorganismen zu übersetzen. Fallen im Laufe eines „Gesprächs“ bestimmte Schlüsselwörter, können diese Reporterbakterien z.B. mit der Expression eines rot fluoreszierenden Proteins (rfp) reagieren. Mit ihrer Hilfe kann unmittelbar in der Wurzelzone die AHL-Sprache belauscht werden. „Wir wissen heute, dass Signalstoffe vom AHL- Typ sowohl in zahlreichen Rhizosphärenbakterien, aber überraschenderweise auch in humanpathogenen Bakterien weit verbreitet sind“, erläutert Anton Hartmann. Für die nahe Zukunft erhofft er sich damit auf dem Umweg über harmlose Rhizosphärenbakterien - Antworten auf drängende Fragen zur Verbreitung und Evolution von Pathogenitätsfaktoren. Rhizosphärenforschung in der Genom-Ära Die Untersuchungen zur molekularen Wechselwirkung von Rhizosphärenbakterien mit Pflanzenwurzeln gewinnen im Zeitalter der Genomforschung eine besondere Qualität. Im Rahmen der funktionellen Genomik http://www.gsf.de/iboe/arb/index.html *49-51IBOE II 06.11.2002 18:05 Uhr Seite 51 A B T E I L U N G R H I Z O S P H Ä R E N B I O L O G I E GENFORSCHUNG kann nun die Reaktion der Pflanze auf Reiz- oder Signalstoffe aus der Rhizosphäre gezielt untersucht werden. Während schon länger bekannt ist, dass pathogene Bakterien eine Pflanzenabwehr hervorrufen, ist dies für „harmlose“ Rhizosphärenbesiedler bisher nicht bekannt. Zusammen mit Christian Langebartels vom Institut für Biochemische Pflanzenpathologie wurde die Reaktion von Tomatenpflanzen auf das Signalstoff-produzierende Bakterium Serratia liquefacies getestet. Die Pflanzen zeigten tatsächlich eine spezifische Genexpression, die in Defektmutanten der Signalproduktion dieser Bakterien fehlte. Die mikrobiologische Genomforschung machte ebenfalls große Fortschritte in den letzten Jahren. Als erstes symbiontisches Rhizosphärenbakterium wurde 2001 das Genom von Sinorhizobium leguminosarum, welches N2-fixierende Knöllchen bei Leguminosen ausbildet, komplettiert. Damit sind bereits eine Fülle neuer genomischer Informationen über die molekulare Interaktion von Bakterien und höheren Organismen wie Mensch und Pflanze verfügbar. Verwandtschaften zu Humanpathogenen? Besonders interessant ist nun, dass zahlreiche Rhizosphärenbakterien mit humanpathogenen Bakterien (z.B. Burkholderia cepacia) eng verwandt sind. Was haben „harmlose“ Rhizosphärenbakterien mit Erzfeinden der menschlichen Gesundheit gemeinsam? Aus der Rhizosphäre von Reis- und Tomatenpflanzen wurden in der Abteilung von Anton Hartmann Bakterien der Gattungen Burkholderia und Herbaspirillum isoliert, die phylogenetisch eng verwandt mit klinisch auffälligen oder gar echt pathogenen Bakterien sind. Mit den Mitteln der Bioinformatik ist es nun möglich, die inzwischen bekannten Genome pathogener BurkholderiaArten mit denen von Rhizosphärenisolaten zu vergleichen. Man weiß bereits, dass die Anwesenheit von Signalstoffen vom AHL-Typ in beiden Formen weit verbreitet ist. In nächster Zeit ist zu erwarten, dass drängende Fragen zur Verbreitung und Evolution von Pathogenitätsfaktoren beantwortbar sind. ■ Minitom-Pflanze (A) und die Kolonisierung der Wurzel durch das gfp-markierte Bakterium Serratia liquefaciens (intensiv grün fluoreszierend). An den Wurzeln der Tomatenpflanze siedeln Bakterien wie Serratia liquefaciens. Sie können durch gentechnische Verfahren mit einem grün-fluoreszierenden Protein (gfp) markiert und damit im Wurzelbereich sichtbar gemacht werden. http://www.gsf.de/iboe/arb/index.html A Mikroskopische Aufnahme einer Winterrapswurzel nach FISH. Mit Hilfe des zyklischen RNA-Ansatzes konnten Bakterien der Hauptentwicklungslinie Holophaga/Acidobacterium in der Wurzelhaarzone von Winterraps nachgewiesen werden. Für die in situ Hybridisierung wurden hier zwei Sonden eingesetzt: Eine universelle Sonde für alle Bakterien (blau markiert) und eine Sonde, die Vertreter der Holophaga Linie detektiert (grün markiert). Da beide Sonden an die Zielzellen hybridisieren, erscheinen Holophaga Zellen durch Überlagerung der beiden Fluoreszenzkanäle türkis. Signalmoleküle vom N-Acyl-Homoserinlactone-Typ R = Rest = C-4 - C-14. Links: N-Acyl-Homoserinlacton, Mitte: N-(3-Oxo-Acyl)-Homoserinlacton Rechts: N-(3-Hydroxy-Acyl)-Homoserinlacton Reporterbakterien in der Rhizosphäre einer Tomatenpflanze, in der offensichtlich gerade eine Unterhaltung von Bakterien stattgefunden hat. Die Ausprägung des rot fluoreszierenden Proteins zeigt die Anwesenheit von bestimmten AHL-Signalstoffen an. 51