Den Pflanzen auf die Wurzeln geschaut

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Den Pflanzen
auf die Wurzeln
geschaut
Wurzeln
Die Wechselwirkungen zwischen den Rhizosphärenbewohnern untereinander
und der gastgebenden Pflanze sind bisher noch wenig bekannt. Anton Hartmann
und sein Team in der Abteilung Rhizosphärenbiologie setzen nun molekularbiologische Methoden ein, um diese, auch für die landwirtschaftliche Praxis
bedeutungsvollen Vorgänge in der Rhizosphäre aufzuklären. Auf Basis der
Kenntnisse über das Genom von Pflanzen und von Rhizosphärenmikroorganismen gewinnen Untersuchungen zum Signalaustausch und zur Signalverarbeitung im Wurzelraum eine neue Qualität.
D
er Wurzelraum von Pflanzen
(Rhizosphäre) stellt im Boden
etwas ganz Besonderes dar. Durch die
Nährstoffe, welche die Wurzeln
bereitstellen, werden viele im Hungerzustand dahindämmernde Mikroorganismen aufgeweckt und aktiviert.
Bakterien und Pilze besiedeln in
großer Zahl diesen Wurzelraum, eine
„Futteroase“ in ansonsten nährstoffarmen Böden. Darunter sind nicht nur
willkommene und gutartige Organismen, sondern auch Erreger von Pflanzenkrankheiten, welche die Pflanze
attackieren und befallen wollen. Und
es gibt auch „Polizisten“ unter den
Rhizosphärenbewohnern. Diese halten Nachbarn, die sich ungebührlich
ausbreiten wollen und Pflanzen schädigen können, in Schach. Sie tragen
so zur „biologischen Kontrolle“ von
Pflanzenpathogenen bei. Nützliche
Vertreter unter den Rhizosphärenbewohnern wiederum liefern durch Sti-
http://www.gsf.de/iboe/arb/index.html
mulierung der Wurzelentwicklung
oder über spezielle Symbiosen wichtige Beiträge zur Pflanzenernährung.
Zentrale Bedeutung hat in der Abteilung Rhizosphärenbiologie zunächst
die Erfassung der Vielfalt und des
genetischen Potenzials der Mikroflora.
Bakterien im Wurzelraum mit
Hilfe von Gensonden aufspüren
Dabei leisten Anton Hartmann und
seine Mitarbeiter echte Detektivarbeit,
um die vielfältigen, aber morphologisch unscheinbaren und ein tausendstel Millimeter winzigen Bakterien zu
erkennen und zu klassifizieren. Im
Gegensatz zur Vergangenheit verfügen
sie heute über erfolgreiche molekularbiologische Techniken. So hat gerade
die Untersuchung verwandtschaftlicher Beziehungen durch vergleichende Analyse von Sequenzdaten phylogenetischer Nukleinsäuren große
Bedeutung erlangt. Mittlerweile hat
sich die RNA der Ribosomen (16S
rRNA) als „Gold-Standard“ etabliert.
„Die große Anzahl verfügbarer
Sequenzdaten der 16S rDNA, zur Zeit
ungefähr 16. 000 Vollsequenzen,
erlaubt uns aber nicht nur eine taxonomische Einordnung der Bakterien“
erläutert Anton Hartmann die Technik. „Mit ihrer Hilfe entwickeln wir
auch phylogenetische Sonden unterschiedlichster Spezifität als diagnostische Werkzeuge.“
Der phylogenetische Identifizierungsansatz eignet sich hervorragend
dafür, unbekannte, bislang nicht kultivierte Bakterien zu klassifizieren.
Diese Gruppe macht vermutlich 95%
der Umweltbakterien aus. Im sog.
„Zyklischen RNA Ansatz“ werden die
Gesamtnukleinsäuren eines Habitats
isoliert, darin befindliche Gene für die
rRNA über PCR Techniken vervielfältigt, diese Gene durch Klonierung
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ABTEILUNG RHIZOSPHÄRENBIOLOGIE
GENFORSCHUNG
Mit FISH Bakterien sichtbar machen
B
ei diesen Sonden handelt es sich um kurze
synthetische DNA-Stücke, sogenannte Oligonukleotide, die an diagnostisch bedeutende Zielregionen der rRNA selektiv binden und damit die
entsprechenden Bakterienzellen identifizieren.
Diese Sonden werden mit einem Fluores- A
zenzfarbstoff gekoppelt und an fixiertem
Probenmaterial eingesetzt. Die Bodenmikrobiologen sprechen von einer „fluoreszierenden in situ Hybridisierung“ (FISH).
Durch diese Technik ist es möglich, Bakterien direkt in ihrem Lebensraum mit hochauflösenden mikroskopischen Techniken wie der
konfokalen laser Scanning Mikroskopie zu identifizieren.Anton Hartmann und sein Team entwickel
solche „Sonden“ für die in situ Detektion einer
Reihe von Rhizosphärenbakterien, welche eine
pflanzenwachstums-fördernde Wirkung haben.
Die FISH mit mehreren unterschiedlich markierten
Gensonden von unterschiedlicher Spezifität (von
Gruppe bis zur Art) ermöglicht auch eine sichere
Identifizierung von Bakterien in komplexen
Umwelthabitaten wie der Rhizosphäre.
In diesem Beispiel müssen alle drei verwendeten
Gensonden mit hierarchischer Spezifität und
unterschiedlicher Fluoreszenzmarkierung an die
16S rRNA der Zielzellen binden. Bei einer positiven Identifizierung von Azospirillum an der Wurzel erscheinen diese Zellen dann weiß.
B
A: Mischung aus Azospirillum C
lipoferum (rot), A. brasilense
(blau) und A. amazonense
(grün). Ausschnitt nach FISH
mit den Sonden Alila-1113-Cy3, Abras-1420Cy5, Aama-1250-Fluos.
B: Simultane Hybridisierung einer Weizenwurzel
mit den Sonden EUB-33-Fluos (grün, spezifisch
für alle Bacteria), Alf-1b-Cy3 (rot, spezifisch für
alle alpha-Proteobacteria) und Azo-440a-Cy5
(blau, spezifisch für alle Vertreter der Gattung
Azospirillum). C: Farbkreis.
PCR
Umweltprobe
16S-rDNA
Klonierung
Gruppenspezifische
Sonden
FISH
CLSM
Spezifische
Sonden
Genbank
Sequenzierung
Sondendesign
Phylogenie
vergleichende
Analyse
16S-rDNA
Sequenzen
vereinzelt und anschließend deren
Nukleinsäuresequenz
bestimmt.
„Durch eine vergleichende Sequenzanalyse dieser Daten sind wir heute
in der Lage, alle erhaltenen rRNA
Gene phylogenetisch zu analysieren“,
schwärmt Anton Hartmann.
Die mikrobielle Vielfalt eines Habitats lässt sich somit erstmals vollständig aufklären. Konstruiert man nun
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spezifische Gensonden, die spezifisch
an Abschnitte der neu erhaltenen
Sequenzen hybridisieren, kann man
durch FISH (siehe Kasten) die mikrobielle Vielfalt und Häufigkeit
bestimmter Organismen selbst in
komplexen Habitaten untersuchen
und der Zyklus ist damit geschlossen.
Sprache und Dialekte von
Bakterien verstehen lernen
Neueste Ergebnisse aus der mikrobiellen Forschung zeigen, das Bakterien nicht nur erstaunliches bei vielen
Stoffumsetzungen leisten, sondern
sogar untereinander Kommunikation
betreiben können. Ihre Sprache ist
dabei chemischer Natur. Die benutzten Wörter besitzen bei vielen Bakterien die Grundstruktur eines N-AcylHomoserinlactons. Je nach „Dialekt“
weichen diese Signalmoleküle in der
Länge und Art der Kohlenstoffseitenkette voneinander ab.
Durch diese Signale können Bakterien z.B. die Ausprägung bestimmter
Gene in Abhängigkeit der Dichte einer
Bakterienpopulation „absprechen“
oder eine Antibiotikaproduktion zur
Abwehr von ungeliebten Nachbarn
(mit Potential für die „biologische Kontrolle“ von Pathogenen) steuern. In
der Rhizosphäre vieler Pflanzen gibt es
offensichtlich viele Bakterien, die diese
chemische Sprache beherrschen und
die oben erwähnten Signalmoleküle
produzieren.
Durch weitere gezielte genetische
Manipulationen kann man nun Dolmetscher „ausbilden“, die in der Lage
sind, die Unterhaltung der Mikroorganismen zu übersetzen. Fallen im
Laufe eines „Gesprächs“ bestimmte
Schlüsselwörter, können diese Reporterbakterien z.B. mit der Expression
eines rot fluoreszierenden Proteins
(rfp) reagieren. Mit ihrer Hilfe kann
unmittelbar in der Wurzelzone die
AHL-Sprache belauscht werden.
„Wir wissen heute, dass Signalstoffe
vom AHL- Typ sowohl in zahlreichen
Rhizosphärenbakterien, aber überraschenderweise auch in humanpathogenen Bakterien weit verbreitet sind“,
erläutert Anton Hartmann. Für die
nahe Zukunft erhofft er sich damit auf dem Umweg über harmlose Rhizosphärenbakterien - Antworten auf
drängende Fragen zur Verbreitung und
Evolution von Pathogenitätsfaktoren.
Rhizosphärenforschung in der
Genom-Ära
Die Untersuchungen zur molekularen Wechselwirkung von Rhizosphärenbakterien mit Pflanzenwurzeln
gewinnen im Zeitalter der Genomforschung eine besondere Qualität. Im
Rahmen der funktionellen Genomik
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kann nun die Reaktion der Pflanze auf
Reiz- oder Signalstoffe aus der Rhizosphäre gezielt untersucht werden.
Während schon länger bekannt ist,
dass pathogene Bakterien eine Pflanzenabwehr hervorrufen, ist dies für
„harmlose“ Rhizosphärenbesiedler
bisher nicht bekannt. Zusammen mit
Christian Langebartels vom Institut
für Biochemische Pflanzenpathologie
wurde die Reaktion von Tomatenpflanzen auf das Signalstoff-produzierende Bakterium Serratia liquefacies
getestet. Die Pflanzen zeigten tatsächlich eine spezifische Genexpression,
die in Defektmutanten der Signalproduktion dieser Bakterien fehlte.
Die mikrobiologische Genomforschung machte ebenfalls große Fortschritte in den letzten Jahren. Als
erstes symbiontisches Rhizosphärenbakterium wurde 2001 das Genom
von Sinorhizobium leguminosarum,
welches N2-fixierende Knöllchen bei
Leguminosen ausbildet, komplettiert.
Damit sind bereits eine Fülle neuer
genomischer Informationen über die
molekulare Interaktion von Bakterien
und höheren Organismen wie
Mensch und Pflanze verfügbar.
Verwandtschaften
zu Humanpathogenen?
Besonders interessant ist nun, dass
zahlreiche Rhizosphärenbakterien
mit humanpathogenen Bakterien
(z.B. Burkholderia cepacia) eng verwandt sind. Was haben „harmlose“
Rhizosphärenbakterien mit Erzfeinden der menschlichen Gesundheit
gemeinsam? Aus der Rhizosphäre von
Reis- und Tomatenpflanzen wurden
in der Abteilung von Anton Hartmann Bakterien der Gattungen Burkholderia und Herbaspirillum isoliert,
die phylogenetisch eng verwandt mit
klinisch auffälligen oder gar echt
pathogenen Bakterien sind. Mit den
Mitteln der Bioinformatik ist es nun
möglich, die inzwischen bekannten
Genome pathogener BurkholderiaArten mit denen von Rhizosphärenisolaten zu vergleichen. Man weiß
bereits, dass die Anwesenheit von
Signalstoffen vom AHL-Typ in beiden
Formen weit verbreitet ist. In nächster Zeit ist zu erwarten, dass drängende Fragen zur Verbreitung und
Evolution von Pathogenitätsfaktoren
beantwortbar sind.
■
Minitom-Pflanze (A)
und die Kolonisierung der Wurzel durch das gfp-markierte Bakterium Serratia liquefaciens
(intensiv grün fluoreszierend). An den Wurzeln der Tomatenpflanze siedeln Bakterien wie Serratia
liquefaciens. Sie können durch gentechnische Verfahren mit einem grün-fluoreszierenden Protein
(gfp) markiert und damit im Wurzelbereich sichtbar gemacht werden.
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A
Mikroskopische Aufnahme
einer Winterrapswurzel nach FISH.
Mit Hilfe des zyklischen RNA-Ansatzes konnten
Bakterien der Hauptentwicklungslinie
Holophaga/Acidobacterium in der
Wurzelhaarzone von Winterraps nachgewiesen
werden. Für die in situ Hybridisierung wurden
hier zwei Sonden eingesetzt: Eine universelle
Sonde für alle Bakterien (blau markiert) und eine
Sonde, die Vertreter der Holophaga Linie
detektiert (grün markiert). Da beide Sonden
an die Zielzellen hybridisieren, erscheinen
Holophaga Zellen durch Überlagerung der beiden
Fluoreszenzkanäle türkis.
Signalmoleküle vom
N-Acyl-Homoserinlactone-Typ
R = Rest = C-4 - C-14. Links: N-Acyl-Homoserinlacton,
Mitte: N-(3-Oxo-Acyl)-Homoserinlacton
Rechts: N-(3-Hydroxy-Acyl)-Homoserinlacton
Reporterbakterien in der Rhizosphäre einer Tomatenpflanze, in der offensichtlich gerade eine Unterhaltung
von Bakterien stattgefunden hat.
Die Ausprägung des rot fluoreszierenden Proteins zeigt
die Anwesenheit von bestimmten AHL-Signalstoffen an.
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