Liberalismus von Moritz Hanebeck Aufgabe 1: Allgemeiner Überblick Die Grundlagen der liberalen Ideen: Als Liberalismus bezeichnet man eine Staats- bzw. Gesellschaftsauffassung, hinter deren politisch- philosophischen Lehre die Emanzipation des Individuums steht. Der Liberalismus steht für den Versuch, sich von überlieferten Dogmen, staatlicher Bevormundung sowie anderen Einschränkungen, die der Entfaltung des Einzelnen im Wege standen, zu befreien. Im Zentrum dieser Anschauung steht die individuelle Freiheit. Sie ist die Grundnorm der menschlichen Gesellschaft und bezieht sich vor allem auf die politische sowie wirtschaftliche Ordnung. Dies verlangt einen Rückzug des Staats aus dem gesellschaftlichen Bereich. Lediglich die Freiheit des Einzelnen markiert die Schranken der öffentlichen Gewalt, sie endet jedoch dort, wo die Freiheit eines anderen beeinträchtigt würde. Die Entstehungsgeschichte: Die Wurzeln des Liberalismus finden sich im Individualismus der Renaissance sowie in der Philosophie der Aufklärung und des Idealismus. Demnach besitzt der Mensch angeborene, „natürliche“ Menschenrechte, die für den Staat unantastbar sind. Alle Formen von Herrschaft beruhen nicht auf göttlichem Ursprung, sondern auf einem von freien Menschen geschlossenen Gesellschaftsvertrag. Zu den Bekanntesten Vertretern des Liberalismus gehören die Engländer John Locke, Francis Hutchinson, Jeremy Benthan und John Stuart Mill, die Franzosen Montesquien, Emmanuel Joseph Sieyès sowie die Enzyklopädisten. Für Deutschland muß Immanuel Kant genannt werden. Die politischen Wurzeln führen auf die französische Revolution zurück. Dabei wurden die Hindernisse beseitigt, die der Entfaltung des Einzelnen im Weg standen: Leibeigenschaft, Frondienst, Zunft- und Gewerbeschranken, die rechtliche und wirtschaftliche Zersplitterung, die Zollschranken und die Monarchie mit ihren Privilegien. Zwar konnte das Großbürgertum diesen Prozeß 1794 unterbrechen und die Demokratie wieder abschaffen, die Resultate der Revolution aber nicht mehr aus der Welt schaffen. Der Begriff „Liberalismus“ selbst, geht auf die spanischen Befreiungskriege zurück. Nach wachsenden Erfolgen schlossen sich auch das Bürgertum und die liberale Intelligenz an. Diese setzten 1812 eine Verfassung durch, die schon nach französische, Vorbild die persönliche Freiheit, das Recht auf Eigentum, ein Ein-Kammer-System und die Abschaffung der staatlichen Inquisition festlegte. Staats- und Rechtsvorstellungen: Die Aussagen des Liberalismus zur Staatsgewalt erklären sich aus der Situation, in der sich das Bürgertum gegenüber dem absolutistischen System befand: Die Aufklärung hatte die Legitimitätsgrundlage des mittelalterlichen Staates, den Glauben, daß die Staatsgewalt im Auftrage und im Namen Gottes zu handeln befugt sei, zerstört. Der Staat gilt nun als eine menschliche Einrichtung, die ihre Legitimität vom Willen des Volkes ableite und für dessen irdisches Wohl zu sorgen hatte. Die Exekutive wurde der Volksvertretung unterworfen, was die Beseitigung der Monarchie zur Folge hatte. Um schließlich die Rechtstaatlichkeit einzuführen, eines der Hauptziele des Liberalismus, wurde das Parlament als zentrale Institution des liberalen Staates verwirklicht. Es sollte nicht Interessen und Wünsche, sondern die Vernunft repräsentieren. Wichtige Punkte dieses Parlamentarismus waren die Freiheit zur politischen Betätigung bei gleichzeitiger Verantwortung gegenüber der Volksvertretung. Auch wenn eine besondere Aufmerksamkeit auf die Abwehr der Freiheitsberaubung durch den Staat gelegt wurde, wurde nie die Notwendigkeit des Staates und sein Gewaltmonopol in Frage gestellt. Auch die Rechtsordnung mußte nach den Bedürfnissen der Bürger neu gestaltet werden. Justiz und Verwaltung mußten öffentlich und kalkulierbar sein, wenn die Wirtschaft nicht behindert werden sollte. Vorrechte und Benachteiligungen waren mit dem bürgerlichen Rechtsstaat nicht vereinbar. Einen besonderen Rang im Rechtsstaat nahmen die Grundrechte ein: Das waren z.B. Individualsphäre (persönliche Freiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung, Freiheit des Geistes), Meinungsfreiheit (freie Willensbildung, Pressefreiheit) etc. Diese Grundrechte sollten dazu führen, daß freie Individuen ihre Beziehungen untereinander durch frei vereinbare Verträge regeln. Der Staat hatte lediglich die Aufgabe, allgemeine Regeln aufzustellen. Wirtschaftliche Interessen: Die Grundidee der Liberalen Wirtschaft war die Theorie von der Selbstbestimmung der Wirtschaft. Die Wirtschaft würde sich zum Wohle aller entfalten, wenn man sie sich selbst überläßt. Der Staat solle alle Hindernisse beseitigen, die dieser natürlichen Ordnung entgegenstehen, sich aber größtenteils aus dem wirtschaftlichen Bereich heraushalten. Durch Einführung der Zollfreiheit- und des Freihandels wurde wesentlich zum Aufschwung der Ökonomie beigetragen. Die wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen beruht auf den Voraussetzungen, daß jeder Anbieter seine waren selber herstellt, und jeder Arbeiter seine Produktionsmittel selber besitzt. Aufgabe 2: Widersprüchlichkeiten und Auswirkungen Die liberalen Ideen enthielten von Anfang an eine Reihe von Inkonsequenzen und Widersprüchlichkeiten: Einschränkungen der Bürgerrechte: Wirtschaftlich Unselbständige blieben von den Grundrechten ausgeschlossen. Nur der Besitzende habe auf Grund seiner Unabhängigkeit und Steuerzahlungen, das Recht an Entscheidungen mitzuwirken. Zudem wurde verbreitet, nur der Gebildete hätte genug Einsicht, um mitzuregieren. Bildung war aber nur gegen Geld zu erlangen. Grundrecht und Volkssouveränität: Da Grundrechte übergesetzliches Recht darstellten, konnten sie vom Volk nicht geändert werden. Dieser Einschnitt in die Volkssouveränität brachte einige Probleme mit sich. So stritt man sich, ob zum Eigentum auch das eigene Leben dazugehöre. Denn, in der französischen Verfassung von 1793 hieß es, das jeder, der gegen das Wirtschaftseigentum sei, mit dem Tod zu bestrafen sei. Repräsentativsystem: Die Repräsentativverfassung reduziert den Zusammenhang zwischen Wähler und Gewähltem auf ein Minimum. Der Abgeordnete war an keine Weisungen und Aufträge seiner Wähler gebunden, sondern konnte frei nach seinem Belieben entscheiden. Zudem blieb unteren Schichten der Einzug in die Parlamente verwehrt, da sich, auf Grund nacht vorhandener Diäten nur Besitzende politische Mandate erlauben konnten. Freiheit und Gleichheit: Für untere Schichten was Freiheit nur schwer oder gar nicht zu erlangen, solange sie ökonomisch abhängig waren. Sie mußten die Arbeitsbedingungen der Besitzenden akzeptieren. Sie forderten die soziale Gleichheit als einzige Möglichkeit die reale persönliche Freiheit zu erreichen. Das besitzende Bürgertum sah in der Gleichheit dagegen eine Gefahr für seine Privilegien. Schließlich wurde verkündet, daß Freiheit und Gleichheit unüberbrückbar seien. Die Gleichheit wurde auf die „Gleichheit vor Gericht“ reduziert. Aus diesen Widersprüchen zwischen Anspruch und Wirklichkeit des Liberalismus im sozialökonomischen Bereich entwickelten sich letztendlich die Ideen des Sozialismus. Mit Einführung des Liberalismus verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen drastisch. Soziale Schutzmaßnahmen waren mit den Prinzipien der freien Entfaltung der Wirtschaft und der Nichteinmischung des Staates nicht vereinbar. Unter Berufung auf eben diese Parolen konnten die Kapitalisten eine Erhöhung der Arbeitszeit und die Einführung der Kinder- und Frauenarbeit durchsetzen. Durch Fortschritte in der Medizin war die Kindersterblichkeit zurückgegangen, was zu einem rapiden Wachstum der Bevölkerung führte. Somit standen immer ausreichend Arbeitskräfte zur Verfügung, was die Löhne niedrig hielt. Durch strenge gesetzt war es den Arbeitern streng verboten sich zur Wehr zu setzten. Für die unterste Schicht waren die Errungenschaften des Liberalismus bedeutungslose Phrasen. Dieser Widerspruch wurde zusätzlich durch steigende Produktion bei gleichzeitiger Verelendung der Massen verschärft. Das liberale System konnte ein menschliches Dasein aller nicht gewährleisten. Da die Arbeiterklasse keine reale Chance hatte ihre soziale Lage zu verbessern, war die einzige Möglichkeit die Überwindung des Liberalismus. Nach harten Kämpfen erhielten die Arbeiter vor allem in England zunehmend mehr Rechte. All diese Widersprüche führten zur Widerlegung und schließlich Abschaffung des Liberalismus in Europa. In den Vereinigten Staaten wurde noch lange an den liberalen Theorien, allen voran der Aufstieg des Tüchtigen, festgehalten. Aufgabe 3: Heutige politische und wirtschaftliche Wirklichkeit Wenn man den Liberalismus aus heutiger Sicht betrachtet, wird klar warum er in seiner damaligen Form scheitern mußte. Der Liberalismus war eine rein auf wirtschaftliche und kapitalistische Interessen ausgerichtete Staatsform. Der freien und vom Staat unkontrollierten Entfaltung wurde alle anderen Bereiche untergeordnet. Vor allem den unteren Schichten wurde aus Angst vor wirtschaftlichen Einbußen keine Beachtung geschenkt. Sie wurden sogar die Möglichkeit genommen, direkt am politischen Leben teilzunehmen. Letzten Endes brachte der Liberalismus zwar wirtschaftlichen Aufschwung und zum Ersten mal politische Freiheit und Rechtstaatlichkeit. Diese Entwicklung wurde aber auf Kosten der ärmeren Schichten, für die sich die z.B. die Arbeitsbedingungen sogar noch verschlechterten, vollzogen. Das scheitern war vorprogrammiert, da sich der liberale Staat weigerte in die Sozialökonomie einzugreifen, um der Wirtschaft nicht zu schaden. Damit war das liberale Staatssystem für die Mehrheit des Volkes nicht mehr tragbar. Von einem grundsätzlichen Scheitern der Theorien des Liberalismus möchte ich aber nicht sprechen. Der Liberalismus war ein wichtiger Schritt hin zu unseren heutigen Staatsformen und Wirtschaftssystemen (soziale Marktwirtschaft). Dank des Liberalismus wurde die absolutistische Monarchie endlich beseitigt. Aufklärerische Ideen fanden den weg in die Öffentlichkeit und die Politik. Der Liberalismus war die Geburtsstunde heutiger Demokratien aber auch die des Kapitalismus. 4. Aufgabe: Vergleich Kühnel – Schulbuch Kühnels Darstellung des Liberalismus ist im Vergleich zu denen in unseren Schulbüchern wesentlich kritischer. Sie geht weit über die Ansammlung historischer Ereignisse hinaus. Kühnel zeigt deutlich den Widerspruch zwischen Theorie und Praxis. Es werden nicht nur politische Fakten wiedergegeben, sondern auch auf die Lage der normalen Bevölkerung eingegangen. So findet man nichts bzw. sehr wenig über die Lebensbedingungen der Arbeiter. Das sich die Arbeitsbedingungen gegenüber dem absolutistischen System sogar verschlechtert hatten war mir neu. Besonders positiv ist zu erwähnen, daß Kühnel auch nicht davor zurückschreckt, die menschenverachtenden Äußerungen, die Armut als „unumstößliches Naturgesetz“ darstellten und jegliche Verbesserungen ablehnten, anzuführen! Nur durch diese kritische Zusammenfassung aller den Liberalismus betreffenden Ereignisse, Ergebnisse und Ziitate, wird deutlich, warum der Liberalismus letzten Endes untergehen mußte. Meiner Meinung nach kann man sogar von einer Verfälschung der historischen Tatsachen sprechen, wenn in unseren Schulbüchern nicht auch hinter die Fassade des Liberalismus geschaut wird! Quellenangaben: Reinhard Kühnel: „Formen bürgerlicher Herrschaft“ S.21-51 Hellmuth Rössler „Deutsche Geschichte“ „Zeiten und Menschen“ Band 3 „Zwischen Beharrung und Aufbruch“ Microsoft „Encarta 97“