3213 – St. Bartholomäus – 24.8.2013 – Oberursel – Johannes 1,45

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3213 – St. Bartholomäus – 24.8.2013 – Oberursel – Johannes 1,45-51 - Armin Wenz
Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von dem Mose im
Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth. Und Nathanael
sprach zu ihm: Was kann aus Nazareth Gutes kommen! Philippus spricht zu ihm: Komm und
sieh es! Jesus sah Nathanael kommen und sagt von ihm: Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein
Falsch ist. Nathanael spricht zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete und sprach zu
ihm: Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich. Nathanael
antwortete ihm: Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel! Jesus antwortete und
sprach zu ihm: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, dass ich dich gesehen habe unter dem
Feigenbaum. Du wirst noch Größeres als das sehen. Und er spricht zu ihm: Wahrlich, wahrlich,
ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren
über dem Menschensohn.
Liebe Gemeinde,
sehr vieles spricht dafür, dass es sich bei Nathanael, dem Jünger, von dessen Berufung durch
Jesus wir in unserm Wort hören, um den Bartholomäus handelt, den die drei anderen
Evangelisten unter den zwölf Jüngern Jesu aufführen. Nathanael heißt so viel wie Gottesgabe;
Bartholomäus deutet auf seine Herkunft hin und bedeutet Sohn des Tholmai.
Im Johannnesevangelium wird er nicht nur hier im ersten Kapitel erwähnt, sondern noch einmal
in Kapitel 21, als Jesus seinen Jüngern Petrus, Thomas, Johannes, Jakobus und auch dem
Nathanael als auferstandener Herr erscheint. Nathanael stammte aus Kana in Galiläa (21,2),
jenem Ort, an dem Jesus zuerst seine Herrlichkeit offenbarte, als er bei der Hochzeit das Wasser
des Gesetzes in den Freudenwein des Evangeliums verwandelte.
Dieser Ort Kana war damals so unbedeutend wie Nazareth. Der Nabel der Welt lag definitiv
woanders. Von weltbewegender Bedeutung aber wurden diese Orte dadurch, dass das ewige
Gotteswort durch seine Menschwerdung gerade hier sein Zelt aufschlagen und seine Herrlichkeit
offenbaren sollte.
Es mögen ganz unbedeutende Menschen gewesen sein, die Jesus zu seinen Jüngern berufen
hatte. Und doch waren diese Menschen nicht völlig unvorbereitet. Das Gespräch zwischen
Philippus und Nathanael zeigt, dass diese beiden im Alten Testament zuhause waren. Sie
drücken sich aus wie Rabbinen, solche, denen die Lektüre und Auslegung der alttestamentlichen
Schriften nicht fremd war.
Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und Propheten geschrieben haben, das ist
eine rabbinische Umschreibung des Messias. Sie waren also Wartende, solche, die belehrt durch
die Verheißungen des Alten Testaments nach dem Heiland Israels Ausschau hielten. Wenn Jesus
wiederum zu Nathanael sagt: Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, sah
ich dich, ist auch dies ein Hinweis auf das Alte Testament. Denn die frommen Rabbinen Israels
pflegten im Schatten des Feigenbaums den Geheimnissen Gottes in der Schrift nachzusinnen
(Schmidt, 53).
Das Wort Jesu sagt also nichts anders als: Nathanael, als du unter dem Feigenbaum in der Schrift
studiertest, da habe ich dich schon erkannt, da sind wir uns bereits begegnet, da habe ich zu dir
gesprochen, dich erwählt, da sah ich dich.
Dieses Wort des Herrn ruft in Nathanael das Bekenntnis hervor: Rabbi, du bist Gottes Sohn, du
bist der König von Israel! Die Skepsis, die durch die Auskunft hervorgerufen wurde, Jesus aus
Nazareth sei der in den Schriften Verheißene, ist wie weggeblasen.
Wie und warum dieser Jesus doch aus Nazareth und damit aus unmittelbarer Nähe von Kana, der
Heimat des Nathanael kommen konnte, das spielt keine Rolle. Entscheidend ist: Er ist derjenige,
der die Seinen erkennt, wenn diese in den Schriften Moses und der Propheten lesen. Er ist
derjenige, von dem Mose und die Propheten künden.
Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin; und sie ist’s, die von mir
zeugt. So sagt er später im Johannesevangelium (5,39). Der Verheißene ist da. Und sogleich
erkennen seine Jünger, dass er nicht nur Davids Sohn, sondern auch Gottes Sohn ist, der Sohn
des Vaters, der ihn im Alten Testament bezeugt, verheißt, ankündigt.
Und selbst noch als Jesus von dem Größeren spricht, das Nathanael zusammen mit den anderen
Jüngern sehen wird, tut er das unter Hinweis auf eine alttestamentliche Geschichte: Wahrlich,
wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und
herabfahren über dem Menschensohn. (51)
Das ist eine Erinnerung an die Geschichte von Jakobs Traum von der Himmelsleiter aus 1. Mose
28. Dort hatte Jakob ausgerufen, als er die Engel Gottes geschaut hatte, die auf der Himmelsleiter
herab- und hinaufsteigen, an deren oberster Spitze Gott selbst war: Fürwahr, der HERR ist an
dieser Stätte, und ich wusste es nicht! ... wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels.
So wie Jakob nicht ahnte, dass Gott sich eben dort niederlassen wollte, wo er selbst sein Haupt
hingelegt hatte, so ahnte Nathanael nichts davon, dass Nazareth die Heimat des Heilandes und
gar sein eigener Heimatort Kana der Ort sein sollte, wo Jesus durch ein Wunder zum ersten Mal
seine göttliche Herrlichkeit offenbarte.
Liebe Gemeinde! Nathanael Bartholomäus ist ein Gottesgeschenk, wie es sein Name selber sagt.
Denn weil Gott selbst in Christus sich ihm offenbarte und sich ihm verschenkte, weil er zum
Zeugen der Predigt, des Leidens und Sterbens sowie der Auferstehung Jesu Christi wurde, gehört
er zu denen, auf deren apostolisches Wort- und Lebenszeugnis die Kirche von ihrem Herrn
gebaut ist.
Die Berichte aus der Zeit der frühen Christenheit wissen davon, dass dieser Bartholomäus das
Evangelium bis hin ins Zweistromland Mesopotamien und über Persien hinaus bis nach Indien
gebracht hat. Auch in Armenien soll er gepredigt und schließlich das Martyrium erlitten haben.
Dieser Jesusjünger und Apostel hatte die Erfahrung gemacht, dass der Heiland und Gottessohn
sich ihm völlig überraschend offenbarte, obwohl er sich selbst sozusagen an einem
unbedeutenden Ort der Welt wähnte, an einem Ort, wo es niemals zu erwarten war, dass Gottes
Offenbarung ausgerechnet hier sich niederlassen würde.
So ging er dann nach Ostern auch selbst an die entlegensten Orte, um sozusagen auch am letzten
Weltende noch die frohe Botschaft zu verkünden, um den Menschen in der Fremde zu erklären,
dass sein Heiland, von dem die Schriften Israels zeugen, auch ihr Heiland sein wollte, dass sein
Heiland auch sie erkennen würde, wenn sie die Schriften Moses und der Propheten lesen würden.
So zog das Evangelium um die Welt zu den Persern, Indern und Armeniern und schließlich auch
zu uns Deutschen. Und mit dem Evangelium kehrte die Bildung ein, denn wo Christus verkündet
wurde, da brachte man den Menschen auch das Lesen bei.
Weil sie selbst in den Schriften Moses und der Propheten und im Zeugnis der Apostel das
Angesicht des Heilandes Jesus Christus entdeckt hatten, haben die Reformatoren diese Schriften
ins Deutsche übersetzt, damit auch hierzulande Christus seine Gemeinde sammeln kann, damit er
Menschen begegnen, berufen und seligmachen kann.
Dieses Werk der Verkündigung des Evangeliums wird weitergehen bis ans Ende der Zeiten.
Auch die Gleichgültigkeit unserer Zeit, auch der militante Atheismus, auch der Widerstand und
die Wut des radikalen Islam werden nicht verhindern können, dass das Evangelium läuft. Es läuft
heute wieder im Iran, in zahlreichen Hausgemeinden trotz aller Unterdrückung. Und es wird
auch weiterlaufen, wenn in Europa die Gesellschaften sich immer noch weiter von den
Fundamenten der göttlichen Gebote entfernen werden.
Wo Menschen sich wie einst Nathanael Bartholomäus im Stillen über die Schrift beugen und sie
im Lichte des gekreuzigten und auferstandenen Herrn lesen, da leuchtet dessen Angesicht auf, da
werden Menschen von Gottes Sohn selbst beim Namen gerufen, da werden auch wir mit
hineingenommen in die Schar der rechten Israeliten, die die Engel Gottes über dem
Menschensohn hinauf- und herabfahren sehen, bis sie einmal selber von diesen Himmelsboten
des Heilandes in Abrahams Schoß getragen werden. Amen.
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