4. Kommunikation von Umweltrisiken am Beispiel des Klimawandels

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4. Kommunikation von Umweltrisiken
am Beispiel des Klimawandels –
„Warum sage ich Klimawandel
und alle verstehen Ozonloch?“
Kai Niebert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Didaktik der Naturwissenschaften an der Leibniz Universität Hannover und
forscht über Kommunikationsstrategien zum Klimawandel.
»Um den Klimawandel zu stoppen,
nutze ich bleifreies Benzin.«
Sven, 19 Jahre
So lautet eine typische Äußerung junger
Menschen auf die Frage, was sie gegen den
Klimawandel tun können. Empirische Studien zeigen, dass Laien stark lebensweltlich
und medial geprägte Vorstellungen über
den Klimawandel äußern.
Die Komplexität von Umweltrisiken, wie der
globalen Erwärmung, übersteigt nicht nur
die Vorstellungskraft junger Menschen;
auch Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und
ganze Staaten sind überfordert mit der Beschreibung und Vorhersage dessen, was die
steigende Treibhausgaskonzentration mit
sich bringt und wie sie die Welt verändern
wird. Die Vermittlung der zugrunde liegenden Prozesse und der Gefahren des Klimawandels ist jedoch unabdingbar, um wirkungsvolle Strategien zu seiner Eindämmung zu entwickeln (UNCED 1992).
Der Klimawandel
Als Klimawandel bezeichnet der Weltklimarat (IPCC) der Vereinten Nationen die Veränderung des Klimas aufgrund menschlicher
Einflüsse. Hauptursache des Klimawandels
ist die globale Erwärmung, die auf den vermehrten Ausstoß von ➜ Treibhausgasen
zurückgeführt wird. Der Weltklimarat sagt
voraus, dass die vermehrte Freisetzung von
Treibhausgasen zu einem durchschnittlichen
Temperaturanstieg von 3 bis 6 °C führen
wird. Dies wird Einfluss auf unsere Umwelt
und unser Leben haben.
Der Klimawandel in der Gesellschaft
Doch was ist eigentlich das Problem des Klimawandels? Warum ist er so schwer zu verstehen? Und: Warum wird nur so zaghaft etwas gegen ihn unternommen?
Ich stelle folgende Thesen auf, die verstehen helfen, warum der Klimawandel ein
derart komplexes Thema ist:
Selbst WissenschaftlerInnen sind sich
nicht hundertprozentig einig über die
Auswirkungen unseres Handelns auf das
Klima der Erde.
Die Auswirkungen des Klimawandels werden weniger die reichen Industrienationen (und somit auch die LeserInnen dieses Artikels!), als vielmehr die unterentwickelten Schwellenländer treffen. Darüber hinaus werden die Auswirkungen
heutigen Misswirtschaftens erst in ferner
Zukunft eintreten. Dass unsere Generation längst tot sein wird, wenn der Klimawandel uns in ganzer Breite erwischt,
führt zu einer geringen Motivation, etwas gegen seine Folgen in einer fernen
Zukunft zu unternehmen.
Die Ursachen des ➜ anthropogen verursachten Klimawandels liegen in unser aller Lebensstilen begründet. Sie lassen
sich nicht an den Handlungen Einzelner
festmachen, sondern sind die Folge des
Handelns einer ganzen Gesellschaft. Somit kann kein Individuum allein zur Verantwortung gezogen werden.
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4. Kommunikation von Umweltrisiken
Die Schwierigkeit des Verstehens des anthropogen verursachten Klimawandels
besteht darin, dass direkte Erfahrungen
unmöglich sind. Niemand kann den Klimawandel anfassen, fühlen oder sehen.
Interessant ist jedoch ein verstärktes öffentliches Interesse am Klimawandel,
das sich auf »gefühlte Wahrnehmungen«
zurückführen lässt, die in Alltagskonzepten der Verwechslung von Wetter- und
Klimaphänomenen (warme Winter, heiße
Sommer) gründen.
Besonders die geringe Auswirkung eigenen
Handelns auf das Klimasystem spielt bei der
Motivation zur Entscheidung persönlich aktiv zu werden, eine große Rolle. Kritiker
merken wiederholt an, dass das Klimasystem so träge sei, dass es keinen Unterschied bedeutet, ob ich meinen Fernseher
ausschalte statt die Stand-by-Funktion aktiviert zu lassen oder aber den Bus anstatt
meines eigenen Pkw nutze. Die nur mikroskopischen Auswirkungen eigenen Handelns
sind tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Deutlich wird dies auch in den Vorstel-
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lungen junger Menschen, die Klimaschutz zu
90 % als eine Aufgabe des Staates sehen, indem er z.B. staatliche und internationale
Abkommen schließt und die Industrie zu
➜ nachhaltigerem Wirtschaften zwingt.
Eine Studie von Ann Bostrom (1994) belegte
sogar, dass viele Menschen zu einer Art
Ablasshandel mit dem Staat bereit sind: Für
leichte Steuererhöhungen wollen sie dem
Staat die Verantwortung für den Ausgleich
nicht-nachhaltigen Wirtschaftens durch
Interventionsmaßnahmen übergeben, um
selbst so weiter leben zu können wie bisher.
Dem können jedoch folgende Argumente
entgegengesetzt werden:
Durch eine effiziente und überlegte Energienutzung, die Nutzung ➜ regenerativer
Energien, die Nutzung von Wärme aus KraftWärme-Kopplung, ein ➜ nachhaltiges Mobilitätsverhalten (Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Radfahren...) und eine klimafreundliche Ernährung (weniger Fleisch)
— also Maßnahmen, die jeder selber umsetzen kann — können die Treibhausgasemissionen Deutschlands um 30% reduziert werden!
4. Kommunikation von Umweltrisiken
Nicht zu unterschätzen ist auch die Macht
der Konsumenten: Wenn ein Großteil der
Einkäufe aus einer Nachhaltigkeitsperspektive getätigt wird, werden die Marktmechanismen automatisch zu energieeffizienten
Geräten führen. Deutlich wird dies zurzeit
schon am steigenden Anteil von Bioprodukten in der Nahrungsmittelindustrie: Obwohl
die Anbauflächen in den letzten Jahren
stark zugenommen haben, konnte 2007 die
Nachfrage nicht mehr gedeckt werden, sodass die Flächen weiter ausgedehnt wurden.
Perspektiven auf die Natur
Die Sicht auf die Natur ist durch eine große
➜ Diversität geprägt: Je nach Weltanschauung wird die Natur religiös, spirituell, anthroposophisch, technisch, philosophisch…
betrachtet. Ebenso unterschiedlich wie die
Sichtweisen auf die Natur ist auch die Motivation, sich mit der Umwelt und ihrem
Schutz auseinander zu setzen. Der britische
Wissenschaftler Edgar Jenkins (2003) hat in
einer Studie folgende Motivationen zum Naturschutz ermitteln können:
a) Naturschutz als Risikovermeidung
»Ich esse Öko-Produkte, um meine Gesundheit zu schützen.«
b) Naturschutz, um eine wichtige zu nutzende Ressource zu bewahren
»Man darf den Regenwald nicht abholzen,
da dort viele noch zu entdeckende Tierund Pflanzenarten leben, die uns bei der
Herstellung von Medikamenten helfen können«
c) Naturschutz, um in einer lebensfreundlichen Umwelt zu leben
Der wichtigste Punkt berührt die politischen
Auswirkungen des eigenen Handelns und
Denkens. Regierungen demokratischer Gesellschaften sind immer auf einen Rückhalt
ihrer Politik in der Bevölkerung angewiesen.
Insofern sind Individuen, die durch eigenes
➜ umweltbewusstes Handeln für entsprechende politische Entscheidungen sensibilisiert sind und ihr Mitbestimmungs- und
Wahlverhalten auch danach ausrichten, der
wichtigste Faktor bei der Umsetzung einer
nachhaltigen Gesellschaft.
Doch wie bekommt man nun junge Menschen dazu, sich für den Klimawandel zu interessieren, ihn zu verstehen und sich für
eine Bekämpfung des Klimawandels einzusetzen?
»Ich demonstriere gegen die Müllverbrennungsanlage, weil die Abgase den Wald in
meiner Nachbarschaft zerstören.«
d) Naturschutz, um der Natur selbst willen
»Die Natur ist ein kostbares Gut, das wir
nicht verletzen dürfen.«
Was folgt daraus?
Will man Menschen von bestimmten Naturund Umweltschutzmaßnahmen oder auch
ganz allgemein von ➜ nachhaltigem Verhalten überzeugen, ist es wichtig, ihre Einstellungen zu kennen. Dazu kann man die in
dieser Broschüre dargestellten Einstellungstypen aus der Milieuforschung nutzen.
Möglich ist es jedoch auch, im Gespräch
herauszufinden, warum jemand ein bestimmtes Thema als wichtig erachtet. Hat
man die Motivation seines Gegenübers erkannt, sollte man sie ernst nehmen. Ziel
sollte es nicht sein, den- oder diejenige davon zu überzeugen, dass diese Motivation
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4. Kommunikation von Umweltrisiken
moralisch verwerflich, naiv… sei und eine
andere (meist die eigene) richtiger wäre.
Vielmehr sollte man versuchen, die Motivation, die jemand mitbringt, zu nutzen, um
ihn zu einer bestimmten Handlung zu bewegen.
Ein Beispiel:
Alex findet, dass Holz eine wichtige Ressource ist, die man zum Bauen oder zur
Energiegewinnung nutzen sollte. Susi ist
hingegen der Überzeugung, dass die Natur
ein kostbares Gut sei, auf das niemand ein
alleiniges Anrecht hat und das man in seiner
ganzen Schönheit genießen und bewahren
sollte. Um Alex zu überzeugen, gegen die
Rodung von Regenwäldern zu demonstrieren, wird es Susi wenig helfen, wenn sie ihn
von der Schönheit des Regenwaldes überzeugen will. Zielführender wäre es, wenn
sie ihn auf die Gefahr des Artenverlustes
und damit den Verlust möglicher noch zu
entdeckender Medikamente etc. hinweist.
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Den Klimawandel verstehen –
Ergebnisse der Vorstellungsforschung
Im Folgenden sind Vorstellungen dargestellt, die WissenschaftlerInnen bei Laien
über den ➜ Klimawandel erhoben haben.
Warum ist es wichtig, diese Vorstellungen
zu kennen, wenn man Aspekte der globalen
Erwärmung vermitteln möchte?
Die Vorstellungen, mit denen wir durchs Leben gehen und mithilfe derer wir uns unsere
Umwelt erklären, bilden den Rahmen unseres Wissens. Dabei ist es egal, woher diese
Vorstellungen stammen oder wie stark der
Zusammenhang zwischen unseren Alltagsvorstellungen und den Vorstellungen von
WissenschaftlerInnen ist. Sie helfen uns zu
leben und geben eine Orientierung in unserer Umwelt. Immer wenn wir neue Erfahrungen machen, in Diskussionen oder beim
Lernen mit anderen Vorstellungen konfrontiert sind, stehen sie dem Geflecht unserer
bereits verinnerlichten »Vorstellungskonstrukte« gegenüber. Neu gewonnene Vorstellungen bauen also immer auf unserem
Vorwissen auf. Genau das ist auch ein Kernproblem bei der Vermittlung des Klimawandels:
4. Kommunikation von Umweltrisiken
Nur, wenn wir wissen, wie diejenigen, mit
denen wir reden, über ein Thema denken
und alles wissen, ist es uns möglich, so mit
ihnen zu reden, dass sie uns verstehen. Normalerweise finden wir die Vorstellungen unseres Gegenübers intuitiv im Gespräch heraus. Wir müssen nur wirklich zuhören!
Menschen aus unterschiedlichen Ländern,
Altersgruppen und sozialen Schichten haben
sehr ähnliche Vorstellungen vom Klimawandel (Henriksen & Jorde 2001). Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass der
Klimawandel bisher nicht Inhalt schulischen
Lernens ist. Den größten Teil unserer Informationen bekommen wir somit über die Medien. In letzter Zeit wird dies besonders
deutlich: Kaum ein Tag vergeht ohne eine
Nachrichtensendung, Talkshow oder eine
Zeitungsseite, die mal gut und mal weniger
gut über die Ursachen und Folgen des Klimawandels berichtet.
Treibhauseffekt und Ozonschicht
In nahezu allen Untersuchungen zum Klimawandel wird beschrieben, dass die meisten
Menschen nicht in der Lage sind, die Probleme des ➜ Treibhauseffekts von den Problemen des Ozonlochs zu unterscheiden. Auch
beim Einfluss des Menschen auf das Ozonloch und den Treibhauseffekt sehen viele
Menschen keinen Unterschied zwischen
dem Ausstoß von ➜ Treibhausgasen und
dem Ausstoß von Treibgasen (FluorChlorKohlenWasserstoffe, FCKW).
Das Ozon und das Ozonloch
Das »Ozonloch« ist eine Ausdünnung der
Ozonschicht, die in 10 bis 50 km Höhe vorkommt. Ozon (O3) filtert die für Lebewesen
schädliche UV-Strahlung weitgehend heraus.
Die UV-Strahlung ist so gefährlich, dass sich
das Leben im Laufe der Evolution erst aus
dem Meer aufs Land bewegen konnte, nachdem sich die Ozonschicht gebildet hatte.
Die Ozonschicht wird durch den Ausstoß der
FCKW geschädigt. Das stratosphärische
Ozon ist von dem bodennahen Ozon zu unterscheiden. Letzteres entsteht während
des Sommers oft in Ballungsgebieten infolge
des Ausstoßes von Stickoxiden (Autos, Industrie).
Über die Tatsache hinaus, dass auch FCKW
Treibhausgase darstellen, gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem Problem des
Ozonlochs und dem Klimawandel. — Ganz
im Gegenteil: Ozon selbst ist auch ein Treibhausgas. Und da Treibhausgase die Temperatur auf der Erde erhöhen, führt eine Abnahme der Ozonkonzentration theoretisch
sogar zu einer Abnahme der Temperatur auf
der Erde!
Vermutlich ist die Verwechslung der Ozonproblematik mit dem Treibhauseffekt u.a.
darauf zurückzuführen, dass die Ozonschicht durch Treibgase (FCKW) zerstört
wird und die globale Erwärmung aus einem
Anstieg der Treibhausgaskonzentration resultiert.
Was bedeutet das für die Vermittlung des
Klimawandels?
Bei der Vermittlung des Klimawandels sollte
man die Ozonproblematik außen vor lassen.
Die Probleme sind grundverschieden und
müssen auch so vermittelt werden.
Man sollte im Zusammenhang mit dem Klimawandel besser von ➜ »klimarelevanten
Gasen« (z.B. CO2, Methan, Lachgas) als von
»Treibhausgasen« sprechen, um die sprachliche Nähe zu den Treibgasen (wie z.B.
FCKW) zu vermeiden. Der Klimawandel ist
hauptsächlich durch die Energienutzung
und eine intensive Landwirtschaft bedingt,
während das Ozonproblem aus Spraydosen
(FCKW als Treibgas) und Kühlschränken
(FCKW als Kühlmittel) stammt.
Nebenbei: Die FCKW-Problematik ist ein
gutes Beispiel für internationalen Klimaschutz. Seit der Zusammenhang zwischen
FCKW-Ausstoß und dem Ozonloch erkannt
ist, wurde auf einer internationalen Konferenz in Montreal die Eindämmung des
FCKW-Ausstoßes beschlossen — und relativ
konsequent umgesetzt. Seitdem verschwinden FCKW immer mehr aus dem Alltag.
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4. Kommunikation von Umweltrisiken
Klimawandel und Wetter
Ann Bostrom (1994) konnte zeigen, dass die
meisten Menschen keine Unterscheidung
zwischen Wetter- und Klimaphänomenen
treffen: Häufig werden die Begriffe ➜ synonym verwendet. Der Klimawandel wird
dabei meistens mit einer Abweichung von
der gefühlten Norm beschrieben: Ein warmer Winter, ein langer oder mehrere
trockene, heiße Sommer werden als Folgen
des Klimawandels gedeutet. Doch leider ist
die Welt mal wieder nicht so einfach, wie
sie erscheint: Warme Winter hat es immer
gegeben. Auch heiße Sommer sind nichts
Neues. Nun sind also alle für den Klimawandel sensibilisiert, nachdem der Winter
warm und der Sommer noch wärmer war.
Doch was ist, wenn der nächste Winter kalt
und der darauf folgende Sommer kühl und
regnerisch wird? Dann ist die Gefahr überstanden und wir können endlich wieder
mehr Auto fahren? Leider nicht!
Man kann den Einfluss des Menschen auf das
➜ Klima mit einem gezinkten Kartenspiel
vergleichen. Das Zinken des Klimas besteht
darin, dass wir die Temperatur der Erde infolge des Ausstoßes bestimmter klimarelevanter Gase erhöhen. Dies führt zu mehr
Wetterextremen, so wie ein Kartenspiel mit
acht anstatt vier Assen mehr Trümpfe hervorbringt. Wir können nicht vorhersagen,
wann das nächste Ass gezogen wird, denn
die Reihenfolge der Karten im Stapel bleibt
zufällig. Ähnlich verhält es sich mit den
Wetterextremen (warme Winter, heiße
Sommer): Wir können zwar berechnen, dass
sie sich infolge der globalen Erwärmung
häufen werden, wir wissen aber nicht, wann
genau die Wetterextreme eintreten.
Doch was ist nun der Unterschied zwischen
Klima und ➜ Wetter? Als Klima bezeichnen
WissenschaftlerInnen das durchschnittliche
Wetter einer Region über längere Zeit (mindestens 30 Jahre), während Wetter das ist,
was an einem Ort zu einer bestimmten Zeit
passiert.
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Dabei stellt sich natürlich die Frage, wie
man das Klima vorhersagen kann, wo doch
Wettervorhersagen nur wenige Tage in die
Zukunft möglich sind (und das Wetter doch
oft anders wird, als es in den Tagesthemen
präsentiert wurde). Die Klimavorhersage ist
jedoch mittlerweile einigermaßen gut möglich: Aus Erfahrung und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen kann vorausgesagt werden, dass es im Winter kälter ist als im Sommer. Und es kann auch gesagt werden, dass
es unwahrscheinlich ist, dass es im Juni
schneit. Man liegt also ziemlich sicher auf
der richtigen Seite, wenn man sagt, dass es
im Januar 2014 kälter ist als in diesem Sommer. Es ist jedoch nicht möglich vorherzusagen, ob es am 21. Januar 2014 schneit oder
nicht. Anders gesagt: Klima ist das, was wir
erwarten, Wetter ist das, was wir bekommen!
Der Treibhauseffekt
Beschrieben wird die Ursache des Treibhauseffekts zum Beispiel mit »Löchern in einer
Treibhausgasschicht«, die dazu führen, dass
eine größere Menge an Sonnenstrahlung zur
Erde durchdringt (Bostrom et al. 1994, Boyes & Stanisstreet 1996).
4. Kommunikation von Umweltrisiken
Der Treibhauseffekt
Wissenschaftlich betrachtet entsteht der
Treibhauseffekt dadurch, dass die Sonne
Licht und Wärme ausstrahlt. Ein Teil dieser
Strahlung trifft auf die Erde und wird von ihrer Oberfläche reflektiert. Bei dieser Reflektion wird Lichtstrahlung in Wärmestrahlung umgewandelt. Diese entweicht aber
nicht einfach ins Weltall, sondern wird unterwegs in der Atmosphäre von den Treibhausgasen absorbiert. Die wichtigsten dieser Gase sind Wasserdampf, Kohlendioxid
und Methan. Diese Gase strahlen die absorbierte Wärme wiederum in alle Richtungen
gleichmäßig ab — einen Teil also auch zurück
zur Erdoberfläche. Dadurch kommt auf der
Oberfläche mehr Strahlung an als ohne
Treibhausgase: nämlich nicht nur die direkte
Sonnen(wärme)strahlung, sondern zusätzlich die von den Treibhausgasen abgestrahlte Wärmestrahlung.
WissenschaftlerInnen
beschreiben
den
Treibhauseffekt als Grundvoraussetzung unseres Lebens: Ohne ihn läge die globale
Durchschnittstemperatur bei -18°C statt bei
+15°C.
Problematisch hingegen ist der Beitrag des
Menschen zum Treibhauseffekt: Durch den
Ausstoß von Treibhausgasen heben wir die
globale Durchschnittstemperatur immer
weiter an. Der Weltklimarat sagt mittlerweile einen Anstieg von bis zu 6°C für die
nächsten 100 Jahre voraus.
In unseren Alltagsvorstellungen sieht der
Treibhauseffekt anders aus: 75 % aller Menschen halten den Treibhauseffekt für generell schädlich (Bostrom et al. 1994). Dies resultiert aus einer Verwechslung des
➜ »natürlichen Treibhauseffekts« mit dem
➜ »menschlichen (anthropogenen) Treibhauseffekt«. — Dabei folgt der anthropogene Treibhauseffekt keinem anderen Mechanismus, sondern verstärkt den natürlichen
Effekt nur. Für die Vermittlung des Treibhauseffekts heißt das:
Der Treibhauseffekt ist nichts Künstliches,
vom Menschen Geschaffenes. Es gibt ihn,
seitdem die Erde eine ➜ Atmosphäre hat —
also seit Milliarden von Jahren. Eine einfache Formel lautet dazu: kein Treibhauseffekt — kein flüssiges Wasser (bei -18°C
gibt’s nur Eisblöcke auf der Erde) — keine
Menschen!
Problematisch ist einzig die Verstärkung des
Treibhauseffekts durch den Menschen, indem er übermäßig Treibhausgase ausstößt
und die Temperaturschraube damit nach
oben dreht.
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4. Kommunikation von Umweltrisiken
Folgen des Klimawandels
Schaut man in die Medien, wird als deutlichste Folge des Klimawandels immer wieder
der Anstieg des Meeresspiegels benannt.
Dies findet sich auch in den Vorstellungen
vieler Menschen wieder und ist auch nicht
abwegig, weil es jeder aus seinen eigenen
Erfahrungen nachvollziehen kann: Eis
schmilzt, wenn es wärmer wird. Doch woher
kommt dieses Abschmelzen? Während für
viele Menschen klar ist, dass das Wasser
steigt, weil die Polkappen abschmelzen
(Hansen 2003), ist dies für WissenschaftlerInnen nicht ganz so eindeutig:
Anstieg des Meerespiegels
Für den Anstieg des Meeresspiegels sind vor
allem die thermische Ausdehnung des Wassers (wärmeres Wasser nimmt mehr Volumen ein) und das Abschmelzen von Festlandeis verantwortlich.
Die folgende Tabelle zeigt die Beiträge der
verschiedenen Komponenten zum geschätzten Meeresspiegelanstieg bis 2300 bei einer
auf 3°C begrenzten Erwärmung:
Thermische Ausdehnung
Gebirgsgletscher
Grönland
West-Antarktis
Summe
Anstieg in Metern
0,3 - 0,8 m
0,4 m
0,9 - 1,8 m
1-2m
2,6 - 5 m
Die Arktis, also das Gebiet um den Nordpol,
trägt nicht zum Anstieg des Meeresspiegels
bei, da keine Landmassen unter ihr zu finden sind.
Die Arktis gleicht einem gigantischen Eiswürfel in einem Glas Wasser. Beobachtet
den Wasserstand in einem Glas, während
der Eiswürfel langsam schmilzt. Was passiert? Nichts! Genauso wenig hat das
Schmelzen der Arktis Einfluss auf den Wasserstand der Meere. Ein Abschmelzen der
Eisflächen auf dem Land hingegen und die
thermische Ausdehnung des Wassers durch
seine Erwärmung haben großen Einfluss auf
den Meeresspiegel (siehe Infokasten).
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Über den Anstieg des Meeresspiegels hinaus
wird es jedoch auch weitere Folgen für den
Menschen haben, wenn sich die globale
Temperatur um 3 bis 6 °C erhöht: Die Wüsten werden sich weiter ausbreiten, Lebensräume werden sich verschieben (Die
ersten Palmen sind schon in den Alpen gesichtet worden!), Krankheiten werden sich
ausbreiten, das Süßwasser wird zunehmend
knapp werden und Wetterextreme (Starkregen, Stürme, Hochwasser...) werden zunehmen. Dabei fragt man sich natürlich:
3°C wärmer — und gleich solche Folgen?
Dass es im Durchschnitt drei Grad wärmer
werden soll, heißt nicht, dass es tatsächlich irgendwo drei Grad wärmer wird: Stellt
euch eine WG vor, in der Thomas um 5 Uhr
aufsteht, weil er früh arbeiten muss und
Susi und Friederike bis 11 Uhr schlafen,
weil sie auf einer Party waren. Im Durchschnitt schläft die WG bis 9 Uhr, obwohl um
die Zeit kein Wecker klingeln wird.
4. Kommunikation von Umweltrisiken
Genauso verhält es sich auch mit der Temperatur: Es wird Orte auf der Erde geben,
in dem die Temperatur gleich bleibt, vielleicht teilweise sogar kälter wird. Entsprechend wird es an anderen Orten – besonders im Norden und in den Tropen – erheblich wärmer werden.
Treibhausgase
Durch ihre starke Medienpräsenz sind die
Treibhausgase den meisten Menschen
durchaus ein Begriff. Auch fällt es den meisten nicht schwer, Treibhausgase aufzuzählen: Nach ihnen bekannten Treibhausgasen gefragt, werden Ozon (O3), Kohlendioxid (CO2) und Kohlenmonoxid (CO) genannt
(Bostrom et al 1994). Treibhausgase wie
Wasserdampf und Methan – kommen in den
Vorstellungen vieler Menschen nicht vor.
Die überproportional starke Nennung von
CO2 wird auf seine Rolle bei der Energieproduktion zurückgeführt.
Die Nicht-Nennung von Wasserdampf als
dem stärksten Treibhausgas liegt wahrscheinlich daran, dass es sich um ein natürliches Treibhausgas handelt, das in den Medien so gut wie gar nicht genannt wird. Hinzu kommen die komplexen Wirkungen des
Wasserdampfs, der auch einen kühlenden
Effekt haben kann.
Anthropogene Treibhausgase
Die wichtigsten vom Menschen produzierten
Treibhausgase sind
zu 60 % Kohlendioxid (CO2), das aus der Nutzung fossiler Energieträger zur Energieerzeugung entsteht,
zu 15 % Methan (CH4), das hauptsächlich aus
der Rinderzucht und dem Nassreisanbau
entsteht und
zu 15 % Lachgas (N2O), das bei übermäßig
starker Düngung in der Landwirtschaft entsteht.
Die restlichen 10 % verteilen sich auf andere
— meist industrielle — Gase, wie FCKW.
Strategien zur Verlangsamung
des Klimawandels
Man kann sich natürlich fragen, was man alles über den ➜ Klimawandel wissen muss,
um ihm entgegenwirken zu können. Reicht
es nicht, wenn man einfach weiß, wie man
sich „richtig“ verhält? Muss man wirklich
alles verstanden haben, bevor man zum/r
„KlimaretterIn“ werden kann?
Mehrere WissenschaftlerInnen um die Forscherin Ann Bostrom haben 1994 versucht,
herauszufinden, welcher Zusammenhang
zwischen dem Wissen über den Klimawandel und dem Wissen über Strategien zur
Vermeidung eines übermäßigen Treibhausgasausstoßes besteht. Dabei konnten sie
zeigen, dass jemand, der die Hintergründe
des Klimawandels verstanden hat, zwar
weiß, was man gegen den Klimawandel tun
kann. Leider wird dieses Wissen jedoch
nicht automatisch zum Klimaschutz eingesetzt.
Sie konnten jedoch auch zeigen, dass jemand, der keine grundlegenden Informationen zum Klimawandel hat, ihm mangels
sinnvoller Ideen auch nicht wirksam entgegenwirken kann!
Boyes & Stanisstreet (1992) und Ekborg &
Areskoug (2006) fanden die Vorstellung,
dass die »Nutzung von Kernenergie« den
➜ Treibhauseffekt vermindere, genauso
wie »Die Nutzung von Kernenergie verstärkt den Klimawandel«. Diese gegensätzlichen Konzepte sind nicht verwunderlich,
da es sich sowohl beim Klimawandel als
auch bei der Atomkraft um kontroverse
Umweltthemen handelt, über die nur
schwer ein Überblick zu erlangen ist. Über
die Hälfte aller Menschen geben an, dass
die »Nutzung bleifreien Benzins« den Treibhauseffekt verringere.
Es wird somit deutlich, dass es vielen Menschen nicht möglich zu sein scheint, verschiedene Umweltprobleme auseinander
zu halten und somit auch angepasste Strategien zu deren Bekämpfung zu entwickeln. Die Risiken, die uns in unserer Umwelt begegnen, scheinen zu komplex, als
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4. Kommunikation von Umweltrisiken
dass wir sie alle geordnet aufnehmen und
ihnen in unserem Alltag strukturiert entgegenwirken können.
Auch wenn in der Bildung für eine ➜ nachhaltige Entwicklung und in einer globalisierten Welt irgendwie immer alles mit allem
zusammen hängt: Kommuniziert immer nur
ein Umweltproblem! Gebt eurem Gegenüber die Möglichkeit, einzelne Probleme getrennt voneinander nachzuvollziehen. Man
kann nicht gleich die ganze Welt verstehen.
Es reicht, wenn man zunächst einmal einen
Teil von ihr versteht! Später kann man dann
Vorstellungen zu unterschiedlichen Bereichen wie ein Puzzle zusammen fügen. Wenn
die Teile jedoch unvollständig sind, wird das
Puzzle nie vollständig werden.
Daniel et al. (2003) konnten folgende Konzepte zur Verminderung des anthropogenen
Treibhauseffekts finden: »Nutzung ➜ regenerativer Energien«, »Anpflanzen von Bäumen« und »verringerte Autonutzung«. Die
Nutzung ➜ fossiler Energieträger als Verursacher des ➜ anthropogenen Treibhauseffekts wurde nur von wenigen genannt,
während die Abholzung von Wäldern als
Hauptproblem erkannt wurde. Daraus folgt
schließlich auch das Verständnis für Maßnahmen zur Verminderung des anthropogenen Treibhauseffekts: nur 1/3 der Befragten
sieht die Einsparung von Energie, die Verminderung der Nutzung fossiler Energieträger und die Nutzung regenerativer Energiequellen als sinnvolle Strategie an. Andersson et al. (2002) fand heraus, dass die Menschen die Nutzung fossiler Energieträger
massiv unterschätzen und der Atomenergie
eine zu große Bedeutung zukommen lassen.
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Schlussbemerkung
Wer den Klimawandel verstehen will, muss
die verhängnisvolle Kopplung von Energienutzung und CO2-Ausstoß verstehen. Und
wer das Klimaproblem lösen möchte, muss
die Energiegewinnung vom CO2-Ausstoß
lösen. Solange Kohlenstoff verbrannt wird,
um Energie zu produzieren, wird das immer
ein Klimaproblem produzieren.
Will man nicht gleichzeitig anderen Problemen, wie z.B. denen der Atommüllentsorgung, aufsitzen, bleibt nur die Nutzung regenerativer Energien — und die massive
Einsparung verschwendeter Energie. Die
Frage ist nur: Werden wir schnell und entschieden genug handeln?
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