Endspurt Vorklinik: Anatomie 2 - ReadingSample - Beck-Shop

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Endspurt Vorklinik
Endspurt Vorklinik: Anatomie 2
Die Skripten fürs Physikum
1. Auflage
Thieme 2013
Verlag C.H. Beck im Internet:
www.beck.de
ISBN 978 3 13 153382 1
Zu Inhaltsverzeichnis
schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG
6
1 Brustsitus
Renate Stockinger
Lernpaket 5
1 Brustsitus
1.1 Entwicklung des Respirationstraktes
Zum Respirationstrakt zählen:
▪▪Luftröhre
▪▪Bronchialbaum
▪▪Lunge.
Zum Kehlkopf siehe Anatomie-Skript 3.
Die Entwicklung der entodermalen Strukturen des Respirationstraktes geht von der ventralen Zone des embryonalen Vorderdarms aus. Hier bildet sich die Laryngotrachealrinne, aus
der die epithelialen Anteile von Kehlkopf, Trachea und Lunge
entstehen. Die Laryngotrachealrinne verlängert sich und formt
ein Divertikel, aus dem die Lungenknospen hervorgehen. Zunächst steht das Lungendivertikel über seine ganze Längsausdehnung in offener Verbindung mit dem Vorderdarm. Diese
breite Verbindung wird bald durch das Septum oesophagotracheale eingeengt. Nur im Bereich der späteren Kehlkopföffnung
bleibt eine Verbindung zwischen der Anlage des Respirationstraktes und dem Vorderdarm erhalten. Vom primitiven Pharynx geht jetzt der Laryngotrachealschlauch ab.
Die knorpeligen Strukturen (z.B. die Knorpelspangen der
Luftröhre), das Bindegewebe (z.B. die Ligg. anularia) und die
Muskulatur (z.B. der M. trachealis) differenzieren sich aus dem
umgebenden Mesenchym.
Die auf die Ausbildung der primären Lungenknospen folgende Entwicklung der Lunge ist erst mit dem 8. Lebensjahr abgeschlossen und wird in vier Phasen eingeteilt:
▪▪pseudoglanduläre Phase (5–16. EW): Der Bronchialbaum
zweigt sich bis zu den Bronchioli terminales auf. Strukturen
zum Gasaustausch sind noch nicht vorhanden.
▪▪kanalikuläre Phase (16.–25. EW): Die Bronchioli terminales
zweigen sich in Bronchioli respiratorii auf, es entwickeln
sich außerdem die Ductus alveolares und die Alveolen.
▪▪terminale Phase (25. EW bis Geburt): Die Alveolen nehmen
Kontakt zu den Kapillaren auf, spezialisierte Alveolarepithelzellen Typ I und II bilden sich aus. Vor dem 7. Monat ist die
Lunge unreif, die Surfactantbildung ist erst wenige Wochen
vor der Geburt halbwegs ausreichend.
▪▪alveoläre Phase (Geburt bis 8. LJ): In dieser Zeit bilden sich
weitere Alveolen und die Blut-Luft-Schranke.
Die Lungen sind pränatal schlecht durchblutet und reifen daher
spät, weshalb Atmungsprobleme bei Frühgeborenen sehr häufig sind.
Apropos
Atemnotsyndrom Frühgeborener. E s stellt die häufigste Todesursache bei
Frühgeborenen dar. Wesentliche Ursache ist der Mangel an Surfactant,
in dessen Folge es zum Kollabieren von Alveolen (Atelektasebildung)
kommt. Nach Schädigung des Alveolarepithels und des Kapillarendothels
akkumulieren Plasmaproteine (hyaline Membranen), die wiederum die
Surfactantbildung beeinträchtigen. Die Therapie besteht vor allem im der
Gabe von Surfactant.
Fazit – Das müssen Sie wissen
–– ! Die Entwicklung der entodermalen Strukturen des Respi-
rationstraktes geht von der ventralen Zone des embryonalen
Vorderdarms aus.
–– ! In der pseudoglandulären Phase (5.–16. EW) zweigt sich der
Bronchialbaum bis zu den Bronchioli terminales auf. Strukturen
zum Gasaustausch sind noch nicht vorhanden.
1.2 Trachea (Luftröhre) und
Bronchialbaum
Die Trachea verbindet den Kehlkopf mit den Bronchien. Sie
dient dem Transport der Atemluft, die auf ihrem Weg durch die
Trachea angefeuchtet, angewärmt und gereinigt wird. In der
Luftröhre findet aber kein Gasaustausch statt, ihr Lumen gehört daher zum sog. Totraum, der bis zu den Terminalbronchien
reicht.
1.2.1 Aufbau
Die Trachea ist 10–12 cm lang und beginnt beim Erwachsenen
unterhalb des Kehlkopfes auf Höhe des 7. Halswirbels. Auf Höhe
des 4.–5. Brustwirbels teilt sie sich an der Bifurcatio tracheae
in die beiden Hauptbronchien (Stammbronchien) auf: Bronchus
principalis dexter und Bronchus principalis sinister. Da die Rippen am Thorax schräg von hinten oben nach vorn unten verlaufen, entspricht die Höhe von Th4 dem Ansatz der 3. Rippe am
Sternum. An der Gabelungsstelle ragt die Carina tracheae als
sagittaler Sporn in das Lumen und wirkt wie eine Trennwand,
die die eingeatmete Luft zwischen linkem und rechtem Hauptbronchus aufteilt. Die dabei entstehenden Turbulenzen kann
man als Atemgeräusch hören. Auf Höhe des 5. Brustwirbelkörpers ziehen die beiden Hauptbronchien dann gemeinsam mit
den begleitenden Gefäßen in das Lungenhilum (S. 8) hinein.
Die Bifurcatio tracheae gabelt sich in einem Winkel von ca.
60 °, wobei der rechte Hauptbronchus beinah senkrecht und
der linke Hauptbronchus bogenförmig nach links verläuft. Bei-
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1.3 Pulmo (Lunge)
7
V. brachiocephalica
dextra
V. cava
superior
C7
Ligg. anularia
hyaline
Knorpelspange
rechter
Hauptbronchus
Lappenbronchius
V. hemiazygos
accessoria
Bronchus
principalis sinister
Vv. bronchiales
mit Mündung
in die V. hemiazygos
accessoria
Vv. bronchiales
mit Mündung
in die V. azygos
Aorta
Th4
V. azygos
V. hemiazygos
Th5
Segmentbronchien
V. brachiocephalica sinistra
Segmentbronchien
(mit zugehöriger
Nummer)
Th5
linker
Hauptbronchus
Lappenbronchius
Segmentbronchien
Abb. 1.1 Bronchialbaum.
de gabeln sich in ihrem weiteren Verlauf in Lappenbronchien
(Bronchi lobares):
▪▪Bronchus principalis dexter: nach ca. 3 cm in 3 Lappenbronchien,
▪▪Bronchus principalis sinister: nach ca. 4–5 cm in 2 Lappenbronchien.
Durch weitere Aufzweigung entstehen auf der rechten Seite
9–10, auf der linken Seite 9 Segmentbronchien (Bronchi segmentales). Da der rechte Hauptbronchus steiler als der linke
verläuft, gelangen sowohl aspirierte Fremdkörper als auch ein
zu tief vorgeschobener Beatmungstubus in der Regel in den
rechten Hauptbronchus und weiter in den rechten Unterlappenbronchus (Abb. 1.1).
Die weitere Aufzweigung erfolgt der Reihe nach in:
▪▪Läppchenbronchien (Bronchioli lobulares)
▪▪Terminalbronchien (Bronchioli terminales)
▪▪respiratorische Bronchien (Bronchioli respiratorii).
Da sich die respiratorischen Bronchien noch ca. dreimal teilen,
spricht man hier auch von Bronchioli respiratorii I.–III. Ordnung. Am Ende des Bronchialbaums befindet sich dann die Ductus alveolares mit den Sacculi alveolares und den Alveolen. Die
Gesamtoberfläche der Alveolen beträgt ca. 60–100 m2.
Als Azinus wird die Gesamtheit der einem Bronchiolus terminalis zugeordneten Alveolen bezeichnet. Die Azini sind nicht
bindegewebig voneinander abgegrenzt.
1.2.2 Lagebeziehungen
An ihrem Ursprung wird die Trachea ventral vom Isthmus der
Schilddrüse bedeckt, außerdem befindet sich der Thymusrestkörper ventral der Trachea. Dorsal begleitet der Ösophagus die
Trachea über ihre gesamte Länge. In der Rinne zwischen Tra-
Abb. 1.2 Lagebeziehungen der venösen Gefäße zu Trachea und
Bronchien.
chea und Ösophagus verläuft rechts und links der N. laryngeus
recurrens.
Im Halsbereich ziehen ventral der Truncus brachiocephalicus und die A . carotis communis sinistra über die Trachea
hinweg. Im Bereich der Bifurcatio tracheae kreuzt der Aortenbogen von vorne nach hinten über den linken Hauptbronchus
und grenzt somit von links lateral auch an die Trachea. Auch die
V. azygos hat eine enge Lagebeziehung zur Trachea: Sie kommt
von dorsal und verläuft direkt kranial des rechten Hauptbronchus zu ihrer Mündungsstelle an der V. cava. (Abb. 1.2).
1.2.3 Gefäßversorgung
Im Halsbereich wird die Trachea wie auch der Kehlkopf, die
Schilddrüse und die Pars cervicalis des Ösophagus von der
A. thyroidea inferior (aus dem Truncus thyrocervicalis, s. Anatomie-Skript 3) versorgt. Im Brustbereich sind zusätzlich Äste
der A. thoracica interna (ebenfalls ein Ast der A. subclavia) beteiligt.
Die Bronchien werden von den Rr. bronchiales der Aorta
thoracica und den Interkostalarterien (meist 3. und 4. Interkostalarterie) versorgt.
1.2.4 Innervation
Die Trachea wird vor allem durch den N. laryngeus recurrens
innerviert. Die sympathische Innervation erfolgt durch Äste
aus dem Grenzstrang und dem Ganglion cervicale inferius.
Wie alle inneren Organe wird auch der Bronchialbaum sympathisch (vom Grenzstrang) und parasympathisch (vom N. vagus) innerviert.
1.3 Pulmo (Lunge)
Die Lunge hat die Aufgabe, Sauerstoff aus der Atemluft aufzunehmen und im Austausch Kohlendioxid abzugeben.
1.3.1 Aufbau
▶▶Lungenflügel (Pulmo). Die Lunge besteht aus zwei Lungen-
flügeln (Pulmo dexter et sinister), deren Form von den jeweils
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L er n pa k et 5
V. thyroidea
inferior
Kehlkopf
nach Wurzinger et al., Duale Reihe Anatomie, Thieme, 2010
Trachea
8
1 Brustsitus
▪▪Fissura horizontalis: Sie trennt Ober- und Mittellappen auf
umgebenden Organen geprägt ist. Ein Lungenflügel hat ein Gewicht von ca. 400 g bei einem Volumen von 2 l. Die beiden Lungenflügel liegen jeweils in einer Pleurahöhle (Cavitas pleuralis),
sie werden von der Pleura pulmonalis (S. 10) umhüllt. Die
Pleurahöhle wird durch die Rippen, die Wirbelsäule, das Sternum, das Zwerchfell und das Mediastinum begrenzt.
Die Lungenflügel besitzen die Form eines Kegels mit einer
nach kranial weisenden Spitze (Apex pulmonis) und einer breiten Grundfläche (Basis pulmonis) mit dem Margo inferior. An
jedem Lungenflügel kann man drei Außenflächen unterscheiden (Tab. 1.1):
▪▪Facies diaphragmatica
▪▪Facies costalis
▪▪Facies mediastinalis.
der rechten Seite und verläuft parallel zur 4. Rippe.
Lerntipp ▶▶Fissura obliqua: obligatorisch für beide Lungenflügel
▶▶Fissura horizontalis: nur am rechten Lungenflügel.
Das IMPP zeigt im Physikum ab und zu schematische Abbildungen der Lungensegmente, auf denen Sie dann die Segmente
richtig zuordnen müssen. Lernen Sie am besten zunächst,
welcher Lungenlappen wie viele Segmente enthält, denn auch
danach wird gefragt.
▶▶Lungensegment (Segmentum bronchopulmonale). Ihnen
liegt die Aufteilung des Bronchialbaums in die Bronchi segmentales zugrunde. Die Lungensegmente unterteilen die Lungenflügel funktionell in Atmungseinheiten und können – im Gegensatz zu den Lungenlappen – makroskopisch nicht voneinander abgegrenzt werden. Pro Lungenflügel liegen normalerweise
zehn Segmente (S1–10) vor (Abb. 1.3), wobei auf der linken Seite
die Segmente S7 und S8 meist verschmolzen sind.
▶▶Lungenlappen (Lobus pulmonalis). Die Lungeflügel untertei-
len sich entsprechend dem Aufbau des Bronchialbaums (Bronchi lobares) weiter in Lungenlappen. Der linke Lungenflügel besitzt dabei zwei, der rechte Lungenflügel drei Lappen:
▪▪linke Lunge (Pulmo sinister):
1. linker Oberlappen (Lobus superior pulmonis sinistri)
2. linker Unterlappen (Lobus inferior pulmonis sinistri)
▪▪rechte Lunge (Pulmo dexter):
1. rechter Oberlappen (Lobus superior pulmonis dextri)
2. Mittellappen (Lobus medius pulmonis dextri)
3. rechter Unterlappen (Lobus inferior pulmonis sinistri)
Der Mittellappen ist nur von ventral auskultierbar!
Apropos
Muss ein Teil einer Lunge entfernt werden, so richtet man sich bei der
Resektion nach den einzelnen Lungensegmenten. Die Grenzen werden durch
die Venen markiert, die Arterien verlaufen zentral in den Segmenten. Beim
Abklemmen der Segmentarterie erblasst das entsprechende Segment.
▶▶Lungenläppchen (Lobulus pulmonalis). Die Segmente teilen
sich analog den Bronchioli lobulares weiter in Lungenläppchen,
die unvollständig durch bindegewebige Septen getrennt werden.
Lerntipp Rechter Lungenflügel: drei Lappen
Die Lappen werden durch Fissuren voneinander getrennt:
▪▪Fissura obliqua: Sie trennt an der rechten Lunge den Mittelvom Unterlappen, an der linken Lunge den Ober- vom Unterlappen (da dort ja der Mittellappen fehlt). Sie beginnt dorsal
auf Höhe der 4. Rippe und endet ventral am Margo inferior
auf Höhe der 6. Rippe.
1
▶▶Hilum pulmonalis. Auf Höhe von Th5 an der Facies mediasti-
nalis befindet sich das Lungenhilum, an dem folgende Strukturen ein- und austreten (Abb. 1.3):
▪▪eintretende Strukturen: Hauptbronchus, A. pulmonalis, Rr.
bronchiales (aus der Aorta thoracica), Nerven
▪▪austretende Strukturen: Vv. pulmonales, venöse Rr. bronchiales (zur V. azygos bzw. V. hemiazygos), Lymphgefäße.
1
1
1
2
3
4
4
4
5
7
5
a
5
3
6
6
6
6
8
2
3
3
9
2
2
8
8
9
9
10
10
5
9
(7)8
b
Abb. 1.3 Lungensegmente. a Ventralansicht der rechten und der linken Lunge. b Medialansicht der rechten und der linken Lunge.
Rechte Lunge: 1 Segmentum apicale, 2 Segmentum posterius, 3 Segmentum anterius (1–3 Lobus superior); 4 Segmentum laterale, 5 Segmentum
mediale (4 + 5 Lobus medius); 6 Segmentum superius, 7 Segmentum basale mediale, 8 Segmentum basale anterius, 9 Segmentum basale laterale,
10 Segmentum basale posterius (6–10 Lobus inferior).
Linke Lunge: 1 + 2 Segmentum apicoposterius, 3 Segmentum anterius, 4 Segmentum lingulare superius, 5 Segmentum lingulare inferius (1–5 Lobus superior); 6 Segmentum superius, 7 Segmentum basale mediale, 8 Segmentum basale anterius, 9 Segmentum basale laterale, 10 Segmentum
basale posterius (6–10 Lobus inferior).
aus: Endspurt Vorklinik – Anatomie 2 (ISBN 9783131533821) © 2013 Georg Thieme Verlag KG
1.3 Pulmo (Lunge)
Lerntipp Am Hilum folgen die Strukturen sozusagen dem Alphabet:
Arterie – Bronchus – Venen.
Da die Leber die rechte Zwerchfellkuppel und damit auch die
rechte Lunge etwas nach kranial verschiebt, können auch die
Strukturen am rechten Hilum etwas verschoben sein.
Lerntipp Wenn ein Patient nach einer Messerstecherei mit einer Einstichverletzung im Thoraxbereich eingeliefert wird, ist es hilfreich zu
wissen, auf welche Höhe sich Lunge und Pleura bei Inspiration
und Expiration projizieren. Das IMPP fragt auch gelegentlich
danach. Natürlich muss man auch bei kleinen, von außen
harmlos aussehenden Stichverletzungen von Organverletzungen
ausgehen, da man die genaue Stichrichtung und die Tiefe der
Verletzung von außen nicht beurteilen kann.
Apropos
Befindet sich im Bereich der Lungenspitze ein Tumor (sog. Pancoast-Tumor),
kann er auf die benachbarten Leitungsbahnen übergreifen. So kann es z.B.
zu einer Beeinträchtigung des Plexus brachialis kommen.
1.3.2 Lagebeziehungen
1.3.3 Gefäßversorgung
▶▶Angrenzende Strukturen. Kaudal liegt die Lunge dem Zwerch-
Innerhalb der Lunge verlaufen alle Arterien (sowohl die Vasa
privata als auch die Vasa publica) mit den Bronchien, alle Venen
dagegen zwischen den einzelnen Segmenten.
fell auf, seitlich wird sie durch die Rippen begrenzt (Tab. 1.1).
Nach medial grenzt die Lunge an das Mediastinum (S. 25).
Der linke Lungenflügel grenzt zusätzlich an:
▪▪linke Herzkammer
▪▪linkes Herzohr
▪▪Ösophagus
▪▪Aortenbogen
▪▪linke A. subclavia
▪▪Truncus pulmonalis.
Der rechte Lungenflügel grenzt zusätzlich an:
▪▪rechten Vorhof des Herzens
▪▪Ösophagus
▪▪V. cava superior
▪▪V. azygos
▪▪rechte V. subclavia.
Da sich die Lunge ihrer Umgebung anpasst, hinterlassen die angrenzenden Organe in der Regel Abdrücke auf der Lunge.
Die Lungenspitzen ragen ca. 2 cm über die obere Thorax­
apertur hinaus. Sie haben u.a. Beziehung zu:
▪▪Plexus brachialis
▪▪N. laryngeus recurrens
▪▪Ganglion cervicothoracicum
▪▪N. phrenicus.
▶▶Projektionen. In Tab. 1.2 ist die Projektion von Lunge und
▶▶Vasa privata (Versorgungsgefäße). Die Versorgung von Lun-
gegewebe und Bronchien erfolgt über Rr. bronchiales. Die für
die linke Lunge entspringen aus der Aorta thoracica, die für die
rechte Lunge kommen zusätzlich oder allein aus der 3. oder 4.
Interkostalarterie. Sie verlaufen im peribronchialen Bindegewebe zusammen mit den Ästen der Aa. pulmonales. Der Abfluss
erfolgt bei den hilusnahen Vv. bronchiales rechts in die V. azygos, links in die V. hemiazygos. Die Vv. bronchiales aus der Lungenperipherie münden in die Lungenvenen.
▶▶Vasa publica (Arbeitsgefäße). Sie kommen vom bzw. ziehen
zum Herzen und sind für die Sauerstoffversorgung des Körpers
zuständig. Es gibt die arteriellen (Aa. pulmonales) und die venösen (Vv. pulmonales) Vasa publica:
▪▪Aa. pulmonales: Sie stammen aus dem Truncus pulmonalis.
Obwohl sie sauerstoffarmes Blut führen, werden sie als arteriell bezeichnet, da sie vom Herzen kommen. Sie verzweigen
sich gemeinsam mit den Bronchien und werden an den Alveolen mit Sauerstoff gesättigt.
▪▪Vv. pulmonales: Ihr Blut ist sauerstoffreich und soll möglichst schnell dem Körper zur Verfügung stehen. Daher verlaufen sie „auf schnellstem Wege“ zwischen den einzelnen
Segmenten.
Pleura auf die Thoraxwand dargestellt (vgl. auch Abb. 1.4). Die
Lungenspitzen befinden sich in Höhe des 1. Brustwirbels, die
Pleurakuppeln projizieren also ca. 2 cm oberhalb der Clavicula
auf die Thoraxwand.
Tab. 1.2 Projektion von Lunge und Pleura.
Tab. 1.1 Lagebeziehungen der Lungenflügel.
Abschnitt
zugewandte Seite
angrenzende Organe
Facies diaphragmatica
Zwerchfell (Diaphrag- links: Magen, Milz
ma)
rechts: Leber
Facies costalis
Rippen (Costae)
–
Facies mediastinalis
Mediastinum
Mediastinum, Wirbelsäule
Medioklavikularlinie
Lunge
Pleura
6. Rippe
7. Rippe
vordere Axillarlinie
7. Rippe
7.–8. Rippe
mittlere Axillarlinie
8. Rippe
9.–10. Rippe
hintere Axillarlinie
9. Rippe
10. Rippe
Skapularlinie
10. Rippe
11. Rippe
Die Höhe ist ein Richtwert in der Atemruhelage. Bei Inspiration verschiebt
sich die Lunge nach kaudal, bei Exspiration nach kranial.
aus: Endspurt Vorklinik – Anatomie 2 (ISBN 9783131533821) © 2013 Georg Thieme Verlag KG
L er n pa k et 5
Die Lagebeziehungen von Arterie, Bronchus und Vene sind prinzipiell:
▪▪A. pulmonalis: eher kranial
▪▪Bronchus principalis: eher dorsal
▪▪Vv. pulmonales: eher kaudoventral.
9
10
1 Brustsitus
Lerntipp –– ! Lungenembolien werden meist durch Gerinnsel aus einer
Die Vasa privata sind die Versorgungsgefäße für die „private“
Eigenversorgung der Lunge. Sie heißen Rr. bronchiales. Die Vasa
publica des Lungenkreislaufs sind für die „öffentliche“ Sauerstoffversorgung des Körpers zuständig. Dies sind die Aa. und Vv.
pulmonales.
tiefen Bein- oder Beckenvenenthrombose verursacht, auch
Gerinnsel aus dem rechten Herzohr können eine Ursache sein.
–– ! Die sensorischen Fasern aus den unteren Teilen der Atemwege verlaufen v.a. im N. vagus.
Eine Lungenembolie entsteht, wenn Blutgerinnsel, die andernorts entstanden sind, in eine Lungenarterie geschwemmt werden und diese verlegen. Besonders häufig geschieht dies infolge
einer tiefen Bein- oder Beckenvenenthrombose, auch Gerinnsel aus dem rechten Vorhof (oder rechten Herzohr) können die
Ursache sein.
1.3.4 Innervation
Der N. vagus und der Truncus sympathicus bilden mit ihren Ästen und Ausläufern auf den Hauptbronchien ein Geflecht, den
Plexus pulmonalis.
Die efferenten Fasern des Sympathikus bewirken in der
Lunge eine Bronchodilatation. Die parasympathischen Fasern
wirken auch hier antagonistisch zum Sympathikus. Die sensorischen Fasern aus den unteren Teilen der Atemwege verlaufen
v.a. im N. vagus.
1.3.5 Lymphabfluss
Die Lymphe fließt an der Lunge von der Außenfläche durch das
Organ zum Hilum. An jedem Abschnitt des Bronchialbaums
sind regionäre Lymphknoten zwischengeschaltet. Der Abfluss
der Lymphe erfolgt dann entweder links in den Ductus thoracicus oder rechts in den Ductus lymphaticus dexter und schließlich in den rechten oder linken Venenwinkel.
Fazit – Das müssen Sie wissen
1.4 Pleura (Lungen- und Brustfell)
Die Pleura ist eine seröse Haut und besteht aus zwei Blättern:
▪▪Pleura visceralis (Pleura pulmonalis): Sie liegt der Lunge
direkt auf (Lungenfell).
▪▪Pleura parietalis: Sie kleidet die Innenwand des Thorax aus
(Brustfell).
Am Hilum gehen beide Blätter ineinander über. Die dabei entstehende Umschlagfalte zieht vom Hilum zum Margo inferior
der Lunge und wird als Lig. pulmonale bezeichnet.
Zwischen den beiden Pleurablättern befinden sich unter
physiologischen Bedingungen ca. 5 ml einer serösen Flüssigkeit.
Die Pleuraflüssigkeit ist ein Transsudat, d. h. ein Ultrafiltrat des
Blutes. Sie ermöglicht es der Lunge, reibungsarm zu gleiten,
während diese sich ausdehnt oder zusammenzieht.
Lerntipp Das Prinzip der Pleura kann man sich auch anhand von Saugnäpfen, z. B. zum Befestigen von Haken im Bad, verdeutlichen:
Feuchtet man den Saugnapf an und drückt ihn dann auf eine
glatte Fläche, entsteht in der Mitte ein Flüssigkeitsfilm. Die
Fläche auf der einen Seite ist starr, das Gummi auf der anderen
Seite hat die Tendenz, sich zusammenzuziehen. Der Unterdruck
hält dann den Haken (jedenfalls meistens) an Ort und Stelle.
Gelangt Luft unter das Gummi, geht der Unterdruck verloren und
der Haken fällt herunter. Ebenso ist es mit der Pleura: Kommt
z.B. aufgrund einer Stichverletzung Luft in den Pleuraspalt,
entsteht ein Pneumothorax – die Lunge kollabiert.
–– ! Aspirierte Fremdkörper gelangen in der Regel in den
rechten Unterlappenbronchus.
–– !! Die V. azygos hat eine enge Lagebeziehung zur Trachea:
Sie kommt von dorsal und verläuft direkt kranial des rechten
Stammbronchus zu ihrer Mündungsstelle an der V. cava.
–– ! Der Lungenmittellappen kann nur rechts ventral auskultiert
werden.
–– !! Die Fissura obliqua trennt rechts den Lungenmittellappen
vom Lungenunterlappen und endet ventral am Margo inferior
auf Höhe der 6. Rippe.
–– ! Die Vv. pulmonales verlassen das Lungenhilum von kaudoventral.
–– ! Der rechte Lungenflügel hat engen topografischen Bezug
zum rechten Vorhof des Herzens.
–– ! Die Lungenspitzen haben u.a. zu folgenden Strukturen
Kontakt: Plexus brachialis, N. laryngeus recurrens, Ganglion
cervicothoracicum, N. phrenicus.
–– ! Die Pleurakuppeln projizieren ca. 2 cm oberhalb der
Clavicula auf die Thoraxwand.
–– ! Die mittlere Axillarlinie schneidet die Lungengrenze in
Höhe der 8. Rippe.
–– ! Die Rr. bronchiales (Vasa privata) verlaufen im peribronchialen Bindegewebe.
1.4.1 Aufbau
Während das viszerale Blatt nicht weiter unterteilt wird, kann
man an der Pleura parietalis drei Anteile unterschieden:
▪▪Pars costalis: Sie überzieht die Rippen.
▪▪Pars diaphragmatica: Sie überzieht den zum Thorax hingewandten Teil des Zwerchfells und ist teilweise mit ihm
verwachsen.
▪▪Pars mediastinalis: Sie überzieht das Mediastinum.
Die Pleura parietalis bildet außerdem durch Umschlagfalten
Reserveräume (Recessus), in die sich die Lunge während der
Inspiration ausdehnen kann (Abb. 1.4). Die Recessus costomediastinales begrenzen dabei ein pleurafreies Dreieck vor dem
Herzen. Im Recessus costodiaphragmaticus lässt sich bei einem Pleuraerguss am stehenden Patienten die Ergussflüssigkeit mittels Röntgen oder Sonografie nachweisen.
1.4.2 Lagebeziehungen
Die parietale Pleura hat Beziehung zu folgenden Strukturen:
▪▪A. und V. subclavia: Die A. subclavia verläuft über den
höchsten Punkt der von der Pars costalis gebildeten
Pleurakuppel.
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1.4 Pleura (Lungen- und Brustfell)
ten Lunge
▪▪Aortenbogen: medial, an der Pars mediastinalis der linken
Lunge
▪▪V. azygos: dorsal, an der Pars costalis bzw. Pars mediastina-
lis der rechten Lunge
▪▪A. und V. thoracica interna: ventral, an der Pars costalis
▪▪Ductus thoracicus: dorsal, an der Pars costalis bzw. der Pars
mediastinalis der linken Lunge
▪▪Herz/Herzbeutel: medial, Pars mediastinalis
▪▪Plexus brachialis: ventral
▪▪Ggl. stellatum und Ansa subclavia (Schlinge von Nervenfasern des Truncus sympathicus um die A. subclavia): dorsal.
Zur Projektion der Pleura- und Lungengrenzen s. Abb. 1.4 und
Tab. 1.2.
1.4.3 Gefäßversorgung
Die Gefäßversorgung erfolgt lediglich per Diffusion aus den benachbarten Gefäßen (z. B. Interkostalarterien).
1.4.4 Innervation
Die viszerale Pleura wird von den Nerven mitversorgt, die die
Lunge innervieren. Sie ist nicht somatosensibel innerviert.
Die parietale Pleura ist sensibel innerviert und sehr
schmerzempfindlich. Sie wird von Nerven mitversorgt, die eine
enge topografische Beziehung zur Pleura haben: Im Bereich der
Pars costalis sind dies die Interkostalnerven, im Bereich der
Pars diaphragmatica und der Pars mediastinalis ist es der N.
phrenicus.
Wie alle inneren Organe wird auch die Pleura sympathisch
(Plexus pulmonalis) und parasympathisch (N. vagus) innerviert.
b
a
6.
a
7.
Medioklavikularlinie
7
8 9
8. 9.
10.
vordere, mittlere,
hintere Axillarlinie
a
9.–10.
11.
Skapularlinie
Abb. 1.4 Pleura- und Lungengrenzen und Recessus. Die Nummern geben die Rippen an. a = Recessus costodiaphragmaticus. b = Recessus costomediastinalis.
Tab. 1.3 Atemmechanik.
Phase
Ausprägung
beteiligte Strukturen
Inspiration
normal (Ruheatmung)
–– Kontraktion des Zwerchfells, dadurch Erweiterung des Recessus costodiaphragmaticus (Bauchatmung)
vertieft (bei leichter körperlicher –– Kontraktion der Mm. intercostales externi (Brustatmung)
oder auch seelischer Anspannung)
tief (bei Anstrengung) mit Atem- –– M. sternocleidomastoideus: Thoraxhebung
hilfsmuskulatur
–– Mm. scaleni: heben 1. u. 2. Rippe
–– M. serratus posterior superior: hebt 2.–5. Rippe
–– M. serratus posterior inferior: fixiert die unteren 4 Rippen
–– Mm. pectorales major et minor: Brustkorbhebung
–– M. erector spinae: streckt den Thorax
Exspiration
normal
–– passiv durch Erschlaffung der inspiratorisch tätigen Muskeln und durch das Zusammenziehen der Lunge
vertieft
–– Atemhilfsmuskeln (s. Anatomie-Skript 1): Mm. intercostales interni, Mm. intercostales intimi, M. transversus thoracis
–– weitere Hilfsmuskeln (Bauchmuskeln, die durch Erhöhung des intraabdominellen
Drucks den intrathorakalen Druck erhöhen): M. transversus abdominis, Mm. obliqui externi et interni abdominis, M. rectus abdominis, M. iliocostalis lumborum
aus: Endspurt Vorklinik – Anatomie 2 (ISBN 9783131533821) © 2013 Georg Thieme Verlag KG
L er n pa k et 5
▪▪N. phrenicus: medial, an der Pars mediastinalis
▪▪V. cava superior: medial, an der Pars mediastinalis der rech-
11
12
1 Brustsitus
1.5 Atemmechanik
Da die Lunge durch ihre elastischen Rückstellkräfte permanent
versucht, sich zusammenzuziehen, der Thorax aber relativ starr
ist, entsteht zwischen den beiden Pleurablättern ein Unterdruck. Dieser verhindert, dass die Lunge in sich zusammenfällt,
und bewirkt eine Ausdehnung der Lunge bei Erweiterung des
Brustkorbs. Da die Lunge also Volumenänderungen nur passiv
folgen kann kann, sind die Veränderungen der Zwerchfell- und
Thoraxstellung bei der Atmung wichtig (Tab. 1.3).
Fazit – Das müssen Sie wissen
Das Herz wiegt beim Erwachsenen 250 ± 50 g und hat ein
Volumen von 700 ± 200 ml bei einer Größe von ungefähr 10 ×
12 cm.
1.6.1 Entwicklung
Lerntipp Das Wichtigste in diesem Zusammenhang – womit Sie auch im
schriftlichen Examen punkten können – ist die Umstellung vom
fetalen auf den postnatalen Kreislauf. Einzelne Fragen beziehen
sich aber auch auf Herzentwicklung, Fehlbildungen und Kiemenbogenarterien/Aortenbögen.
–– ! Die Umschlagfalte am Übergang der Pleura pulmonalis zur
Pleura parietalis (Lig. pulmonale) zieht vom Hilus zum Margo
inferior der Lunge.
–– ! Die physiologische Menge an Pleuralflüssigkeit beträgt pro
Seite ca. 5 ml.
–– ! Das pleurafreie Dreieck vor dem Herzen wird von den
Recessus costomediastinales begrenzt.
–– ! Bei einem Pleuraerguss lässt sich Ergussflüssigkeit beim
stehenden Patienten mittels Röntgen oder Sonografie im
Recessus costodiaphragmaticus nachweisen.
–– !! Die Pars costalis der parietalen Pleura wird sensibel durch
die Interkostalnerven innerviert.
–– ! Die Inspiration in Ruhe erfolgt durch die Kontraktion des
Zwerchfells.
–– ! An einer vertieften Exspiration sind die Mm. intercostales
interni beteiligt.
Während seiner Entwicklung verlagert sich das Herz aus der
Halsregion in den Thoraxraum (Descensus cordis). Dabei werden auch Nerven „mitgezogen“, z. B. der N. laryngeus recurrens
des N. vagus. Beim Erwachsenen verläuft deshalb der N. laryngeus recurrens links um den Aortenbogen und rechts um die
A. subclavia dextra.
Herzschlauch und Herzschleife
1.6 Cor (Herz)
Das Herz (Cor) ist ein muskuläres Hohlorgan und als Pumpe in
den Blutkreislauf eingeschaltet. Das linke Herz hat die Aufgabe,
das sauerstoffreiche Blut im gesamten Körper zu verteilen (großer Kreislauf ), das rechte Herz pumpt das sauerstoffarme Blut
zur Lunge (kleiner Kreislauf ).
Die Herzanlage entsteht in der Nähe der Prächordalplatte (s.
Anatomie-Skript 1), also am kranialen Ende des Embryos. Dort
bilden sich aus primitiven Blutzellen und Endothelzellen die
beiden Endokardröhren, die während der lateralen Abfaltung
zum Herzschlauch verschmelzen. Gleichzeitig entsteht aus dem
Mesoderm die Perikardhöhle. Bereits am 22. Tag beginnt das
Myokard des Herzschlauches, das aus dem umgebenden Mesoderm entsteht, mit rhythmischen Kontraktionen (einer wellenförmig fortschreitenden Wandbewegung). Im Ultraschall ist die
embryonale Herztätigkeit aber erst ab der 6. Schwangerschaftswoche sichtbar.
Der Herzschlauch wächst in die Länge, und durch mehrere
Drehungen und Verlagerungen der ursprünglichen Strukturen
wird bis zum Ende des 1. Monats die S-förmige Herzschleife
gebildet (Abb. 1.5), an der bereits funktionell unterschiedliche
Regionen erkennbar sind (Truncus arteriosus, Bulbus cordis,
Ventriculus communis, Atrium commune und Sinus venosus).
Ausstromseite
Ventriculus
communis
aus Ulfig, Kurzlehrbuch Embryologie, Thieme, 2009
Bulbus cordis
Bulbus cordis
Truncus arteriosus
Perikardhöhle
linker Vorhof
Atrium
commune
Sinus
venosus
linker
Ventrikel
Einstromseite
a
b
c
Abb. 1.5 Entwicklung der Herzschleife. a 21. Tag. b 22. Tag. c 25. Tag.
aus: Endspurt Vorklinik – Anatomie 2 (ISBN 9783131533821) © 2013 Georg Thieme Verlag KG
Aus der Herzschleife entsteht in der 5.–7. Woche durch Septierungs- und Umlagerungsvorgänge das vierkammerige Herz.
Dabei lassen sich folgende Prozesse unterscheiden:
▪▪Unterteilung in Vorhof und Kammer
▪▪Umgestaltung des Sinus venosus
▪▪Septierung der Vorhöfe
▪▪Septierung der Ventrikel
▪▪Septierung der Ausströmungsbahn (Conus und Truncus
arteriosus).
Unterteilung in Vorhof und Kammer
Der primitive Vorhof (Atrium commune, auch Atrium primitivum) wird mit dem primitiven Ventrikel (Ventriculus communis, auch Ventriculus primitivus) über den Atrioventrikularkanal (AV-Kanal, Abb. 1.6) verbunden. Hier bilden sich insgesamt
vier Endokardkissen aus, die das Lumen des AV-Kanals H-förmig einengen. Die beiden großen Endokardkissen, nämlich das
obere und das untere, wachsen aufeinander zu und verschmelzen miteinander. Dadurch wird der AV-Kanal in einen rechten
und linken Abschnitt unterteilt. Der rechte Abschnitt ist das
Trikuspidalostium; hier entstehen die drei Segel der Trikuspidalklappe. Im linken Abschnitt (Bikuspidalostium) entwickeln
sich die zwei Segel der Bikuspidalklappe (S. 17).
Sinus venosus und Umgestaltung der Vorhöfe
In der 4. Woche besitzt der Sinus venosus ein rechtes und ein
linkes Horn, die zunächst beide etwa gleich groß sind. In jedes
Sinushorn münden drei Venen:
▪▪Dottervene (V. vitellina)
▪▪Nabelvene (V. umbilicalis)
▪▪gemeinsamer Stamm der oberen und der unteren Kardinal-
vene.
▶▶1. Links-rechts-Shunt. Während bis zur ca. 4. Woche der Blut-
strom zum linken und rechten Sinushorn gleich groß ist, verlagert er sich ab der 4. Woche zunehmend nach rechts: Das Blut
aus der linken Nabelvene fließt nicht mehr direkt in das linke
Sinushorn, sondern über den Ductus venosus (Verbindung, über
die das maternale sauerstoffreiche Blut an der Leber vorbei zum
Herzen fließt) in die rechte Dottervene und damit in das rechte
Sinushorn. Zudem obliteriert die linke Dottervene.
▶▶2. Links-rechts-Shunt. Zwischen den beiden oberen Kardinal-
venen entsteht eine Anastomose, der sinuswärts davon gelegene Abschnitt der linken oberen Kardinalvene verschließt. Damit
fließt das gesamte Blut aus dem Körperkreislauf in das rechte
Sinushorn.
▶▶Weiterentwicklung des linken Sinushorns. Wegen des ver-
minderten Zuflusses verkleinert sich das linke Sinushorn. Aus
ihm entwickelt sich der Sinus coronarius, der auch nach der Geburt ein Leben lang über seine gesamte Strecke geöffnet bleibt.
▶▶Weiterentwicklung des rechten Sinushorns. Der erhöhte
Blutzustrom führt zum Wachstum des rechten Sinushorns.
Bei diesen Umbauvorgängen wird das rechte Sinushorn in den
Septum primum
Septum secundum
Foramen secundum
rechter Vorhof
Foramen primum
a 30. Tag
linker Vorhof
b 33. Tag
dorsales Endokardkissen
Lungenvenen
aus Wurzinger et al., Duale Reihe Anatomie, Thieme, 2010
Foramen
ovale
Foramen
interventriculare
Septum interventriculare,
Pars muscularis
c 37. Tag
d 7. Woche
Septum interventriculare,
Pars membranacea
Abb. 1.6 Vorhofseptierung mit Bildung des Foramen ovale.
aus: Endspurt Vorklinik – Anatomie 2 (ISBN 9783131533821) © 2013 Georg Thieme Verlag KG
13
L er n pa k et 5
1.6 Cor (Herz)
14
1 Brustsitus
rechten Vorhof integriert. Der aus dem rechten Sinushorn entstandene Vorhofteil ist glattwandig, während der aus dem Atrium primitivum entstandene Teil rauwandig trabekulär ist.
Der rauwandig trabekuläre Teil, der im späteren rechten Herz­
ohr liegt, ist durch parallele Muskelbälkchen (Mm. pectinati)
gekennzeichnet. Die Grenze zwischen dem aus dem Sinushorn
und dem aus dem primitiven Atrium entstandenen Bereich des
rechten Vorhofs bildet die Crista terminalis, die eine Vorwölbung dorsal im rechten Vorhof darstellt.
Die rechte V. cardinalis communis und ihre V. cardinalis superior werden zur V. cava superior. Die rechte V. cardinalis inferior wird zur V. azygos. Aus dem promimalen Teil der rechten
Dottervene entsteht die V. cava inferior. Die rechte Nabelvene
obliteriert.
▶▶Umgestaltung im linken Vorhof. Auch im linken Vorhof sind
ein glattwandiger und ein trabekulärer Teil zu unterscheiden. Der raue Anteil entstammt wie auf der rechten Seite dem
Atrium primitivum und ist im linken Herzohr lokalisiert. Der
glattwandige Teil entsteht durch Einbeziehung der primitiven
Pulmonalvenen in den Vorhof. Zunächst tritt eine V. pulmonalis communis in den Vorhof ein, die zunehmend in die Wand
des Vorhofes integriert wird. Dann werden auch die ersten Äste
(Verzweigungen) in den Vorhof aufgenommen, sodass zuerst
zwei und dann schließlich vier Pulmonalvenen getrennt in den
Vorhof münden.
Septierung der Vorhöfe
▶▶Septum primum. Von dorsokranial wächst aus der Wand des
primitiven Vorhofs eine dünne, halbmondförmige Membran
in Richtung des Atrioventrikularkanals (Septum primum). Zunächst bleibt zwischen dem oberen und unteren Endokardkissen und dem Unterrand des Septum primum eine relativ große
Öffnung (Foramen primum oder Ostium primum). Durch Annäherung des Septum primum und Wachstum der Endokardkissen wird das Foramen primum immer kleiner und schließlich
verschlossen.
Noch vor dem Verschluss des Foramen primum treten im
oberen Teil des Septum primum Perforationen auf, die schnell
zu einer größeren Öffnung (Foramen secundum oder Ostium
secundum) zusammenfließen.
▶▶Septum secundum. Rechts vom Septum primum entwickelt
sich zum Ende des 2. Monats als feine Einfaltungen des Vorhofdachs und -bodens ein zweites Septum (Septum secundum). Es
bedeckt das Foramen secundum, bildet aber eine nur unvollständige Trennwand, da in seinem mittleren Abschnitt eine Öffnung bleibt (Foramen ovale) (Abb. 1.6). Der nicht vom Septum
secundum bedeckte Teil des Septum primum im Foramen ovale
hat somit Kontakt zum rechten Vorhof.
Vor der Geburt wird das Blut aus der V. cava inferior im rechten Vorhof auf das Foramen ovale gelenkt und gelangt dann
zwischen Septum primum und Septum secundum in den linken
Vorhof. Die beiden Septen bilden ein Ventil, d. h. sie lassen das
Blut nur in eine Richtung durch, nämlich von rechts nach links.
Es bildet sich also ein Rechts-links-Shunt auf Vorhofebene: Das
Blut aus der V. cava inferior (Bluthauptstrom) wird dadurch am
Lungenkreislauf vorbei direkt in den linken Vorhof geleitet.
Lerntipp Das Foramen ovale kann zeitlebens sondendurchgängig
bleiben.
▶▶Defekte des Vorhofseptums. Wächst das Septum primum
nicht bis auf das Endokardkissen herab, kommt es zu einem
persistierenden Foramen primum (Ostium-primum-Defekt).
Der untere Teil des Foramen ovale ist dabei komplett offen.
Wenn die Perforationen im Septum primum an falscher
Stelle erfolgen oder zu groß sind, können sie nicht oder nicht
vollständig vom Septum secundum abgedeckt werden. Der so
entstehende Ostium-secundum-Defekt hat zur Folge, dass das
Foramen ovale auch nach der Geburt offen bleibt.
Bei Defekten des Vorhofseptums kommt es postnatal zu
einem Links-rechts-Shunt durch die fortbestehende Öffnung.
Dadurch besteht eine Volumenbelastung des rechten Herzens
(→ Hypertrophie des rechten Herzens) und eine Hypertonie im
Lungenkreislauf.
Septierung des Ventrikels und der Ausflussbahn
▶▶Bildung der Ventrikel. Aus dem Ventriculus communis ent-
steht der linke und aus dem proximalen Abschnitt des Bulbus
cordis der rechte Ventrikel. Gegen Ende der 4. Entwicklungswoche kommt es zu einem starken Wachstum des Myokards
an den Außenflächen des Ventriculus communis und des Bulbus cordis. Gleichzeitig wird die Innenfläche ausgehöhlt. Diese
Aushöhlung erfolgt nicht gleichmäßig, sodass die Innenfläche
der Herzkammern später netzförmig verbundene Muskelbälkchen aufweist (Trabeculae carneae). Am Boden des primitiven
Ventrikels bildet sich eine muskuläre Leiste aus (Abb. 1.6). Sie
verlängert sich als muskulärer Teils des Septum interventriculare nach oben, wobei zwischen ihrem Oberrand und den verschmolzenen (oberen und unteren) Endokardkissen zunächst
eine Öffnung bestehen bleibt (Foramen interventriculare).
▶▶Bildung von Aorta ascendens und Truncus pulmonalis. Aus
dem distalen Abschnitt des Bulbus cordis (Conus cordis) entsteht die glattwandige gemeinsame Ausstrombahn von rechtem und linkem Ventrikel. Der Conus cordis und der Truncus
arteriosus werden durch drei Wulstsysteme septiert, wodurch
insgesamt eine spiralig angeordnete Scheidewand entsteht:
▪▪Septum aorticopulmonale (unpaar)
▪▪Truncuswülste (vorderer und hinterer Wulst)
▪▪Konuswülste (rechter und linker Wulst).
Aus der dorsalen Wand des Saccus aorticus wächst das Septum
aorticopulmonale aus, darunter vereinigen sich die Truncusund Konuswülste. Insgesamt werden dadurch Aorta ascendens
(aus dem linken Ventrikel kommend) und Truncus pulmonalis
(aus dem rechten Ventrikel kommend) voneinander getrennt.
Durch den spiraligen Verlauf des Septums in der Ausflussbahn
ergibt sich, dass sich Aorta ascendens und Truncus pulmonalis
umeinander winden: Der Truncus pulmonalis überkreuzt den
Ursprung der Aorta.
Apropos
Transposition der großen Gefäße.Erfolgt die Septierung von Conus cordis
und Truncus arteriosus nicht spiralig, sind Truncus pulmonalis und Aorta
hinsichtlich ihrer Lage vertauscht. Das heißt, die Aorta entspringt dem
rechten Ventrikel und liegt ventral vom Truncus pulmonalis, der dem linken
Ventrikel entspringt. Nur wenn zusätzliche Fehlbildungen eine Verbindung
zwischen beiden Kreisläufen herstellen, ist die Transposition mit dem Leben
vereinbar.
aus: Endspurt Vorklinik – Anatomie 2 (ISBN 9783131533821) © 2013 Georg Thieme Verlag KG
1.6 Cor (Herz)
▶▶Verschluss des Ventrikelseptums. Als Letztes wird das Fora-
Apropos
Die häufigsten Ventrikelseptumdefekte sind die hoch sitzenden Defekte
im Bereich der Pars membranacea. Es besteht ein Links-rechts-Shunt, d. h.
Blut aus dem linken Ventrikel fließt durch den Septumdefekt in den rechten
Ventrikel (und dann weiter in die Lungenstrombahn). Schließlich kann es
zu einer Volumenbelastung des linken Ventrikels und einer Druckbelastung
des rechten Ventrikels kommen. Symptome bei einem großen Ventrikelseptumdefekt sind Trinkschwäche, Gedeihstörungen, Dyspnoe (Atemnot),
Schwitzen.
Bei der Fallot-Tetralogie handelt es sich um einen Herzfehlerkomplex, bei
dem vier Veränderungen vorliegen:
▶Pulmonalstenose
▶
▶Ventrikelseptumdefekt
▶
▶Dextroposition
▶
und Überreiten der Aorta (über Ventrikelseptumdefekt)
▶Hypertrophie
▶
des rechten Ventrikels.
Die Pulmonalstenose, eine Verengung der Ausflussbahn, führt dazu, dass
venöses Blut aus dem rechten Ventrikel über den Ventrikelseptumdefekt in
den linken Ventrikel und damit in die Aorta gelangt. Aufgrund der Pulmonalstenose sind die Pulmonalgefäße unterentwickelt. Die Kinder sind zyanotisch (bläuliche Verfärbung der Haut und Schleimhäute). Dabei arbeitet der
rechte Ventrikel gegen einen erhöhten Druck an (Hypertrophie). Symptome
wie Dyspnoe, rasche Ermüdbarkeit und Gedeihstörung treten auf. Ferner
kann es zu Anfällen von Bewusstlosigkeit und Krämpfen kommen.
1.6.2 Fetalkreislauf und postnataler Kreislauf
Lerntipp Achten Sie beim Aufbau des Fetalkreislaufs darauf, wie er einerseits die Bedingungen des Fetallebens (keine Lungenatmung)
erfüllt und andererseits eine rasche Umstellung auf den postnatalen Kreislauf ermöglicht (Schließen von Septen, Gefäßen und
„Kurzschlüssen“).
Fetalkreislauf
Das sauerstoffreiche Blut der Plazenta fließt über die V. umbilicalis in Richtung Leber (Abb. 1.7). Etwa die Hälfte des Blutes
fließt durch das Venengeflecht der Leber in die V. cava inferior. Die andere Hälfte gelangt von der V. umbilicalis über den
Ductus venosus direkt in die V. cava inferior. Nach einer kurzen Strecke erreicht das Blut den rechten Vorhof. An der Einmündungsstelle der V. cava befindet sich eine Klappe, die Valva
venae cava inferioris, die das Blut zum offenen Foramen ovale
(1. Kurzschluss) leitet. Damit gelangt das Blut vom rechten direkt in den linken Vorhof und von dort über die linke Kammer
in die Aorta ascendens.
Aus der Aorta gehen die Aa. carotis communis und subclavia
beidseits zu Kopf, Hals und Arm ab. Nach der Passage der Kapillargebiete gelangt das venöse Blut aus diesen Regionen in die
V. cava superior, die in den rechten Vorhof mündet. Jetzt fließt
das Blut weiter durch die Trikuspidalklappe in die rechte Kammer und von dort wird es in den Truncus pulmonalis ausgeworfen. Über einen zweiten Kurzschluss, den Ductus arteriosus Botalli, der von der Teilungsstelle des Truncus pulmonalis abgeht,
fließt das Blut in den Aortenbogen (Umgehung des Lungenkreislaufs). Über die Aorta descendens gelangt das sauerstoffarme
Blut in die A. iliaca communis, dann in die Aa. iliacae communae internae, von denen die Aa. umbilicales abgehen. Die Aa.
fetale Lunge
Aorta
Ductus arteriosus Botalli
A. pulmonalis dextra
A. pulmonalis sinistra
V. cava superior
linker
Vorhof
Truncus pulmonalis
Foramen ovale
rechte
Herzkammer
Leber
Ductus venosus
Aorta
V. cava
inferior
Nabelvene
Plazenta
V. iliae
interna
Nabelarterien
Abb. 1.7 Fetaler Kreislauf.
umbilicales transportieren das Blut in die Plazenta zurück (zum
Gasaustausch). Die V. iliaca interna, die Blut aus den unteren
Extremitäten des Fetus aufnimmt und zur V. cava inferior leitet,
führt im fetalen Kreislauf das sauerstoffärmste Blut (Abb. 1.7).
Umstellung auf den postnatalen Kreislauf
Mit der Geburt kommt es zur Unterbrechung des Plazentakreislaufs und zum Einsetzen der Lungenatmung mit vermehrter
Durchblutung der Lunge. Der Rechts-links-Kurzschluss zwischen Truncus pulmonalis und Aorta (Ductus arteriosus Botalli) muss verschlossen werden. Ebenso müssen sich das Foramen
ovale, die Nabelgefäße und der Ductus venosus schließen. Die
obliterierten Gefäße bleiben als Bänder erhalten (Tab. 1.4).
▶▶Verschluss des Ductus arteriosus Botalli. Aufgrund der ver-
änderten Druckverhältnisse nach der Geburt kehrt sich die
Blutflussrichtung im Ductus arteriosus um. Es fließt sauerstoffreiches Blut aus der Aorta in die Pulmonalgefäße. Der erhöhte
Tab. 1.4 Beziehung zwischen adultem und fetalem Kreislauf.
Struktur des Fetalkreislaufs
adulter Organismus
V. umbilicalis
Lig. teres hepatis
Ductus venosus
Lig. venosum
Septum primum
Fossa ovalis
Rand des Septum secundum
Limbus fossae ovalis
Ductus arteriosus (Botalli)
Lig. arteriosum
Aa. umbilicales (distal)
Ligg. umbilicales mediales
Aa. umbilicales (proximal)
Aa. vesicales superiores
aus: Endspurt Vorklinik – Anatomie 2 (ISBN 9783131533821) © 2013 Georg Thieme Verlag KG
L er n pa k et 5
men interventriculare verschlossen. Dieser Verschluss erfolgt
durch Wachstum und Vereinigung der Ränder des Septum interventriculare und der verschmolzenen Konuswülste. Der Verschluss ist bindegewebig und wird als Pars membranacea des
Ventrikelseptums bezeichnet.
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