Skript zur Vorlesung „Molekulare Biotechnologie der Prokaryoten“ 1. Einführung Vorteile der Biotechnologie für die Chemieproduktion - Spezifität und Selektivität - Lieferung des gewünschten Endprodukts ohne - Weiterverarbeitung aus einer Vorstufe - Stereoselektive Synthese chiraler Substanzen: • Keine Racemate • Keine aufwändigen Trennungsverfahren • Keine Verunreinigungen des Endprodukts Vorteile rekombinanter Medikamente Meilensteine der Molekularen Biotechnologie 2. Thermophile Bakterien Eigenschaften thermostabiler Enzyme Beispiele für technische Anwendungen thermophiler und hyperthermophiler Enzyme 3. Psychrophile Bakterien Wie werden psychrophile Organismen definiert? Psychrophile Organismen wachsen optimal unter 15°C. Deren oberstes Temperaturlimit ist 20°C. Psychrotolerante Organismen tolerieren Temperaturen bis 0°C oder darunter. Optimales Wachstum zeigen sie bei 20-25°C. Das obere Temperaturlimit liegt bei etwa 30°C. Anpassungsstrategien psychrophiler Bakterien: 1. Durch die Synthese von RNA-Chaperone können RNA-Sekundärstrukturen aufgelöst und so mRNAs für die Translation zugänglich gemacht werden. 2. Durch den Einbau langkettiger, vielfach ungesättigter Fettsäuren kann die Fluidität der Membranstrukturen aufrechterhalten werden. Eicosapentaensäure (EPA) Docosahexaensäure (DHA) 3. Durch eine erhöhte Flexibilität der Proteinstruktur können kälteangepasste Enzyme psychrophiler Organismen auch noch bei Temperaturen um den Gefrierpunkt effizient arbeiten. Eigenschaften kälteangepaßter Enzyme Niedrigtemperaturexpressionssysteme zur Produktion kälteaktiver Enzyme z.B. E. coli cspA-Promotersystem oder Pseudoalteromonas haloplanktis 4. Acidophile Bakterien z.B. Picrophilus torridus (Fütterer, O. et al. (2004) Proc. Natl. Acad. Sci. USA 101, 9091-9096) Technisch interessante Enzyme: - Protein- oder Polysaccharid-abbauende Enzyme in der Getränkeindustrie z.B. Glucoamylase, ein Stärke abbauendes Enzym, das optimal bei pH 2 arbeitet und zudem bei hohen Temperaturen stabil sein sollte. - Fett-spaltende Enzyme Bakterielles Leaching (mikrobielle Erzlaugung): Die Gewinnung von Schwermetallen (Kupfer, Zink, Cobalt, Nickel, Gold und Uran) aus ihren Erzen durch Umwandlung von unlöslichen Erzmineralen zu wasserlöslichen Salzen durch Mikroorganismen. Die unlöslichen Metallsulfide werden durch eisenoxidierende Bakterien (z.B. Acidithiobacillus ferrooxidans, pH = 2) in lösliche Sulfate umgewandelt und damit in Lösung gebracht. - -- HS + 2O --> S0 + H 2 + 4 -- S° + H 0 + 1½O --> S0 2 2 4 + +2H 5. Alkaliphile Bakterien Nutzung von Enzymen alkaliphiler Bakterien in Detergenzien; viele Detergenzien arbeiten im alkalischen Milieu: Einsatz von z.B. alkaliphilen Proteasen, Lipasen und Amylasen Single-Cell-Protein-Produktion mithilfe alkaliphiler Bakterien z.B. Spirulina platensis 6. Halophile Bakterien Klassische biotechnologische Nutzung halotoleranter Bakterien: - Leuconostoc mesenteroides zur Sauerkraut-Herstellung (2,5 % Salz) - Lactobacillus lactis zur Herstellung von Sojasauce (12-27 % Salz) Wie haben sich halophile Organismen an hohe Salzkonzentrationen angepaßt? - bilden hohe Konzentrationen an osmoprotektiven Substanzen (compatible solutes): z.B. Ectoin (1,4,5,6-Tetrahydro-2-Methyl-4-Pyrimidincarboxylat), Glycinbetain, Dimethylsufoniopropionat, Trehalose und Glyzerin Was entsteht aus dem Abbau von Dimethylsulfoniopropionat (DMSP)? Wirkmechanismus osmoprotektiver Substanzen? Wie funktioniert die technische Produktion von Ectoin in Halomonas elongata? Bacterial Milking 7. Strahlen-resistente Bakterien Anpassungsstrategien von Deinococcus radiodurans 8. Magnetotaktische Bakterien Beispiel: Magnetospirillum gryphiswaldense ein magnetotaktisches Bakterium aus dem Ryck Magnetotaktische Bakterien enthalten Magnetosomen mit denen sie sich entsprechend des magnetischen Erdfeldes ausrichten können. In den Magnetosomen befinden sich Magentitpartikel aus Fe3O4. 9. Klonierung und Screening von Enzym-kodierenden Genen aus kultivierbaren Organismen bzw. Umweltproben Alternative Methoden zur Erschließung der bisher nicht kultivierbaren mikrobiellen Diversität? Prinzip der 454-Pyrosequenzierung? BAC (Bacterial Artificial Chromosome) ist ein künstliches Chromosom, das auf dem single-copy F-Plasmid von E. coli beruht. Screening von (Meta)Genombibliotheken 1. Sequenz-basiertes Screening über PCR-Techniken (z.B. Inverse- oder Vektoretten-PCR) oder Koloniehybridisierungen 2. Aktivitäts-basiertes Screening 10. Expressionssysteme Genetische Optimierung von E. coli Sicherheitsstämmen 1. Ausschaltung von DNA-Restriktions-/Modifikationssystemen 2. Ausschaltung von DNA-Rekombinationssystemen 3. Ausschaltung der periplasmatischen Endonuklease I, spaltet Duplex-DNASequenzen, dadurch verbesserte Plasmid-Preparation Beispiele für gentechnisch genutzte Plasmidvektoren? Stabilisierung von plasmidhaltigen Zellen durch: 1. Resistenz-Marker 2. Auxotrophie-Marker 3. Verhinderung der Bildung von Plasmid-Multimeren 4. aktive Verteilung der Plasmide auf die Tochterzellen 5. Suizidsysteme hok/sok Suizidsystem? Regulation des lac-Promotors? Optimierung des Codon usage rekombinanter Gene: 1. Co-Expression der seltenen tRNAs 2. Austausch der seltenen Codons durch gezielte Mutagenese 3. Austausch der seltenen Codons durch Gensynthese Einsatz von Fusiontags/Proteinfusionen: 1. Förderung der Translationseffizienz 2. Unterstützung der korrekten Proteinfaltung 3. Proteinisolation z.B. Thioredoxin, GST-tag (GST = Glutathione-S-Transferase), Maltosebindeprotein (MBP), His-tag und Strep-tag Protein A als Affinitäts-tag: Protein A ist ein bakterielles Zellwandprotein von Staphylococcus aureus mit einer spezifischen Affinität zur Fc-Region von Immunglobulinen der G-Klasse (IgG). Die Affinitätschromatographie an Protein A-Sepharose ist eine der verbreitesten Methoden zur Antikörperreinigung. Anwendung von Intein-Sequenzen zur Freisetzung von Fusions-tags ohne Nutzung einer externen Protease: Inteine sind interne Proteinsequenzen die autokatalytisch herausgeschnitten werden, um das reife Protein zu erhalten. Dabei werden mindestens zwei Exteine generiert, die wieder miteinander verbunden werden müssen. Dieser Vorgang wird auch als Protein-Splicing bezeichnet. = autokatalytisches Ausschneiden einer Peptidsequenz (das INTEIN) aus einer Proteinvorstufe und die Ligation der flankierenden Peptidfragmente (die EXTEINE) unter Ausbildung des reifen Proteins. Kriterien für die Auswahl eines industriell genutzten Expressionssystems 1. in Abhängigkeit von der Patentsituation 2. in Abhängigkeit von notwendigen Proteinmodifizierungen: z.B. Proteinglykosylierungen, Proteinprozessierungen (N-terminales Methionin), Kofaktor-Regenerierung, Proteinfaltung 3. in Abhängigkeit von der gewünschten Lokalisation des Proteins 4. in Abhängigkeit vom erzielten Expressionsniveau (Ausbeute) 11. Proteinsekretion Die drei Hauptstrategien der bakteriellen Proteinsekretion: 1. Sec-Weg, sekretiert Polypeptide post-translational 2. Signal Recognition Particle (SRP) Pathway, sekretiert Polypeptide cotranslational 3. Tat Pathway Signalpeptide zeigen eine dreiteilige Struktur: (N) positiv-geladene N-Domäne mit vor allem Lysin und/oder Arginin), (H) hydrophobe H-Domäne, (C) C-Domäne mit spezifischer SPase-Schnittstelle Bottlenecks der Proteinsekretion in B. subtilis? 12. Synthetische Biologie - Designer-Bugs 1. Schritt: Definition „Essential genome“ (Minimalgenom) 2. Schritt: Synthese und Fusion großer DNA Fragmente Das „Venter-Experiment“: Gibson et al. Creation of a Bacterial Cell Controlled by a Chemically Synthesized Genome Science (2010) 13. Industrielle Fermentationsprozesse Das Scale-up (Maßstabsvergrößerung) Problem: In großen Bioreaktoren können Nährstoff-, pH- sowie Sauerstoff-Gradienten entstehen. Des Weiteren erfahren die Zellen einen erheblichen physikalischen Streß. Solche Imbalanzen im Bioreaktor können die Physiologie und Produktivität der Wirtszellen negativ beeinflussen. Bioprozeß-relevante Markergene - Gene, die streng reguliert sind und deren Expression spezifisch durch definierte Änderungen in den physikalischen bzw. Nährstoff-Bedingungen eines Bioprozesses induziert wird. Wie kann während einer Fermentation die Expression prozesskritischer Markergene bestimmt werden? 14. Patente Ein Patent sichert eine Erfindung die 1. neu und damit nicht Stand der Technik ist 2. nicht nahe-liegend ist und 3. gewerblich anwendbar ist.