UND DIE WELT GESCHICHTE „Alle Menschen wurden erschaffen, eine ständig fortschreitende Kultur voran zu tragen.“ Auf Grundlage dieser Auffassung widmen sich die folgenden Seiten den Fragen, wie sich diese Kultur im Laufe der bisherigen Menschheitsgeschichte geäußert hat, welche Fortschritte und welche Rückschritte sie gemacht und wie das Verhältnis zwischen Gott und Menschen darauf einwirkt hat. Die Prämisse, also die Basisannahme hierbei ist die Existenz Gottes, von der sich alles Weitere ableitet. Auch wenn für diese Existenz schon viele Denker vielerlei Beweise angeführt (und andere mit Gegenbeweisen reagiert) haben, ist dies letztlich eine Glaubenssache. Trotz dieses Umstands versuche ich diese Abhandlung möglichst wissenschaftlich, sozusagen nach bestem Wissen und Gewissen, zu verfassen. Dabei bin ich mir durchaus bewusst, dass viele Leserinnen und Leser zu bestimmten Punkten abweichende Auffassungen haben. Trotzdem bemühe ich mich, in einer Weise zu schreiben, die sowohl Theisten aller Glaubensrichtungen als auch Agnostiker und Atheisten anspricht und einem hohen Maß an Sachlichkeit gerecht zu werden. Zugleich habe natürlich auch ich eine subjektive Sichtweise zur behandelten Thematik: Ich glaube an die Existenz Gottes und einen daraus abgeleiteten Sinn und Zweck unseres Daseins. Aufgewachsen bin ich in einem christlich-säkularen Umfeld mit einer gewissen Prägung durch eine sehr katholische Großmutter, einem Vater, der mir zwar die Zehn Gebote vermittelte, ansonsten aber ziemlich religionskritisch ist und einer eher traditionsbedingt evangelischen Mutter, die mich nach dem Motto erzog „Man braucht nicht unbedingt in die Kirche zu gehen. Gott weiß auch so, ob man ein guter Mensch ist“. Meine eigene Weltanschauung definierte ich lange Zeit als „gläubigen Agnostizismus“. Das heißt, ich glaubte zwar – ohne mir ganz sicher zu sein – intuitiv an die Existenz Gottes, beschäftigte mich aber nicht weitergehend mit der Frage nach Seinem Wesen und Willen, da man diese Dinge ohnehin nicht vollends verstehen könne. Für die Religionen der Welt interessierte ich dennoch, da ihr Einfluss auf das Weltgeschehen und die Art, wie unterschiedliche Glaubenseinstellungen die Haltung und das Verhalten von Milliarden von Menschen prägen, mich schon als jungen Jugendlichen faszinierten. Trotz oder gerade wegen meiner relativ eingehenden Beschäftigung mit den mir damals bekannten Weltreligionen fand ich überall gewisse Dinge, die mich störten. Meist hatten und haben diese Dinge mit der Institutionalisierung der Religion und den im Laufe der Zeit immer deutlicheren Abweichungen der jeweiligen Glaubenspraktiken von den ursprünglichen Lehren der Religionsstifter zu tun. Schon als Schulkind hatte ich einmal den Gedanken, dass sich Jesus, Moses, Muhammad und Buddha wahrscheinlich sogar gut miteinander verstanden hätten und sie sich gemeinsam dafür schämen würden, was viele ihrer selbsterklärten Anhänger im Laufe der Zeit aus ihren Lehren gemacht und im Namen der Religion begangen hatten. Ich fand also entscheidende Übereinstimmungen in allen Religionen (z.B. die Anbetung des Transzendenten und die Gebote der Nächstenliebe und Gerechtigkeit), aber ich konnte mich mit keiner der mir damals bekannten Religionen identifizieren – bis ich vor über einem Jahr (im Herbst 2010) den Bahá’í-Glauben kennenlernte. Da dieser neben der Einheit Gottes und der Einheit (in Vielfalt) der Menschheit auch die Einheit der Religionen als Hauptprinzipien postuliert, beschäftigte ich mich seitdem nicht nur mit den Schriften des Bahá’í-Religionsstifters namens Bahá’u’lláh, sondern erneut und intensiver als je zuvor mit der Thora, der Bibel, dem Koran (im folgenden „Qur’án“) und auch mit den fernöstlichen Religionen des Hinduismus und Buddhismus. Inzwischen bin ich zur Überzeugung gelangt, dass, wenn es nur einen einzigen Gott gibt, es im Grunde genommen auch nur eine einzige Religion Gottes geben kann und dass die vermeintlich verschiedenen Weltreligionen eigentlich nur (oft menschlich abgeänderte) Produkte einer fortschreitenden Offenbarung Gottes ist. Inwiefern die großen Religionsstifter als „Sprachrohre“ für dieselbe göttliche Botschaft zu verstehen sind, deren Lehren nur aufgrund räumlicher und zeitlicher Unterschiede ihres Auftretens den jeweiligen Bedürfnissen und Verständniskapazitäten der Menschen angepasst wurden, soll ich Folgenden erläutert werden. Dass vor allem die Darlegungen im letzten Kapitel viele Leserinnen und Leser überraschen und ihre Wahrheit von vielen instinktiv angezweifelt werden wird, ist mir durchaus bewusst. Die dortigen Darlegungen sind tatsächlich kühn, vielleicht die kühnsten aller Zeiten. Denn wir leben (von den meisten Menschen noch unbemerkt) in der wohl „besondersten“ aller Zeiten. Möge sich jeder Mensch möglichst unvoreingenommen und offen der selbstständigen Wahrheitserforschung widmen, um so die Chance zu haben, vielleicht die größte Erkenntnis seines Lebens zu gewinnen. Doch beginnen wir mit der Geschichte ganz am Anfang... Adam bis Abraham Gott schuf (dem hier zugrundeliegenden Verständnis nach) die Welt und darin neben Mineralien, Pflanzen und Tieren auch den Menschen bzw. die Menschen. Als erster Mensch gilt für schriftgläubige Juden, Christen und Muslime eine Person mit dem Namen Adam. Seine Lebenszeit wird entsprechend den Angaben im Buch Genesis (im Alten Testament der Bibel bzw. der jüdischen Thora) auf etwa das 4. Jahrtausend vor Christus, also rund 6000 Jahre vor unserer heutigen Zeit datiert wird. Schon diese Zeitangabe, verbunden mit dem Anspruch, Adam sei der allererste Mensch überhaupt, steht anscheinend in einem krassen Gegensatz zum vorherrschenden Stand archäologischer und paläoanthropologischer Wissenschaft. Denn diese datieren das Auftreten der Spezies „homo sapiens sapiens“, worunter gemeinhin die Gattung Mensch verstanden wird, auf eine Zeit vor mehr als 100.000 Jahren. Dieses vermeintliche Paradox löst sich jedoch auf, wenn man zwei Dinge bedenkt: Erstens ist der Begriff „Adam“ der Wortbedeutung nach nicht nur ein Personenname, sondern auch die hebräische Bezeichnung für „Mensch“ bzw. „Erdling“ an sich. Es ist also durchaus möglich, dass die Person Adam, deren Verhalten in der Genesisgeschichte beschrieben ist, nicht gleichzusetzen ist mit dem allerersten Vertreter der Gattung Mensch, d.h. Gattung „Adam“, deren göttliche Erschaffung an anderer Stelle der Genesisgeschichte erwähnt ist. Zweitens lässt sich (unter Deutung der Genesisgeschichte vom Gespräch mit Gott und dem Genuss der Frucht der Erkenntnis) die Person Adam nicht als erster Mensch der Gattung homo sapiens, sondern als erster sozusagen wahren Mensch einer besonderen Art verstehen. Nämlich als einen solchen, der nicht nur seinen körperlichen Gegebenheiten nach (weitgehend) dem heutigen Menschen entsprach, sondern auch (als erster seiner Art) die geistige Kapazität besaß, eine gottgegebene moralische Ordnung zu erkennen und sich daran auszurichten. Diese Erkenntnis, also das Unterscheidungsvermögen zwischen Gut und Böse, verbunden mit der Möglichkeit, entsprechend seines freien Willens sich für eine der beiden Optionen zu entscheiden, ist es nämlich, die den Menschen grundlegend vom rein instinktgetriebenen Tier abhebt und den Übergang vom homo sapiens als triebhaftes Säugetier zum (zumindest potenziellen) Vernunftwesen markiert. Dieser Erkenntnisgewinn ist ein ambivalenter Fortschritt für das Menschengeschlecht, da es die Befähigung zur Wahrnehmung und freien Entscheidung für oder gegen ein moralisch gutes Verhalten ermöglicht. Er eröffnet ihm jedoch bei tatsächlich gutem, also tugendhaftem und gottgefälligem Verhalten eine größere Anerkennung als bei Wesen, die sich aus Ermangelung an Erkenntnis und freiem Willen sozusagen automatisch „richtig“ verhalten. Trotzdem sind Adam und insbesondere seine Frau Eva im christlichen Glauben bzw. in der (west)kirchlichen Doktrin negativ behaftet, da mit ihrem rebellischen Ungehorsam der Sündenfall eingetreten sei, der den nachfolgenden Menschengenerationen Lasten aufgebürdet und den Tod in ihre Welt gebracht habe. Im Gegensatz dazu liegt im islamischen Glauben eine viel positivere Sichtweise zu Adam vor, der im Qur‘án als ein Prophet genannt ist. Zwar wird auch hier vom einem Fehltritt Adams und seiner Frau gesprochen, jedoch zudem darauf hingewiesen, dass Gott ihnen in Seiner Barmherzigkeit verziehen habe. Daher gibt es im islamischen wie auch im jüdischen Verständnis (und dem aller Weltreligionen mit Ausnahme der christlichen) zwar durchaus Schlechtes in der Welt, was mit menschlichem Fehlverhalten in Verbindung steht, aber keine Erbsünde, die alle Menschen durch Geburt grundsätzlich schlecht und verdorben mache. Ein entscheidender Satz in diesem Zusammenhang, der das Prinzip göttlich beeinflusster Menschheitsentwicklung betrifft, findet sich in Sure 2, Vers 38 des Qur‘án, wo Gott zu Adam als Repräsentant der Menschen spricht: „Wenn dann von mir eine Rechtleitung zu euch kommt, dann haben diejenigen, die meiner Rechtleitung folgen, nichts zu befürchten und sie werden nicht traurig sein.“ Dass im Christentum, beginnend mit der Auslegung des Apostels Paulus, die Vorstellung der Erbsünde etabliert wurde, hängt wohl damit zusammen, dass der Stellenwert Jesu Christi, der tatsächlich als ein Überbringer göttlicher Rechtleitung zu sehen ist, als der Erlöser dieser Sünden und Überwinder des Todes gesteigert werden sollte. Dass eine zu buchstabengetreue Lesart der Bibel zu einer inadäquaten und mit moderner Wissenschaft unvereinbaren Sichtweise führt, wird bereits bei der Schöpfungsgeschichte deutlich. Daher muss eine sinnvolle Betrachtung des Buches Genesis auch bezüglich der Paradiesgeschichte deren symbolischen Gehalt ergründen. So sieht Philo von Alexandria, ein Philosoph des hellenistischen Judentums, Adam als Symbol der Vernunft, Eva als Symbol der Sinnlichkeit und die Schlange als Symbol der Lust und Verführung. Ähnlich erklärt Abdu’l-Bahá, Sohn des Religionsstifters der Bahá’í und bevollmächtigter Ausleger Seiner Schriften, die Bedeutung von Adam als Symbol des Geistes und Eva als Symbol der Seele. Die Schlange stelle demnach die Bindung an die irdische Welt dar, welche menschlichen Geist und Seele von der himmlischen, reinen Welt des absolut Guten in eine Welt des Guten und Bösen führe (vgl. Beantwortete Fragen, Kapitel 30). Im Hinduismus finden sich übrigens mit Manu und Satarupa ähnliche Gestalten, womöglich nur andere Namen für Adam und Eva, von denen die späteren Menschengenerationen abstammen sollen. An etwas späterer Stelle (ab Genesis 6) ist von Noah die Rede, der als „gerechter, untadeliger Mann“ umgeben war von gewalttätigen, verdorbenen Menschen, die deshalb von Gott mit der Sintflut bestraft wurden. Nur Noah, mit dem Gott gesprochen und einen Bund geschlossen haben soll, habe in einer selbst gebauten Arche gemeinsam mit seiner Familie und einer Vielzahl von Tieren die gewaltige Flut überlebt. Auch der Qur‘án erzählt diese Geschichte in den gleichen Grundzügen (in den Suren 11 und 71) und betont zudem, dass Noah, dem ebenfalls die Stellung eines Propheten zukomme, die verderbten Menschen zunächst zu einem tugendhaften Leben aufgerufen und sie vor der strafenden Flut gewarnt haben soll. Darüber hinaus heißt es, dass neben Noahs Familie und den Tieren auch die Gläubigen Zuflucht in der Arche gefunden hätten. Von ihnen habe es jedoch nur wenige gegeben. Die Sintflut-Geschichte wird auch im sumerischen Gilgamesch-Epos mit erstaunlichen Übereinstimmungen zur biblischen und qur‘ánischen Version erzählt, nur dass der Gerechte und göttlich Gerettete hier mit einem anderen Namen bezeichnet und die verheerende Flutkatastrophe babylonischen Gottheiten zugeschrieben wird. Forschungen haben gezeigt, dass die Geschichtsüberlieferungen vieler Völker in unterschiedlichsten Erdteilen eine große Überschwemmung und die Errettung weniger Auserwählter erwähnen, sodass die Sintflut, wie sie in Bibel und Qur‘án erzählt wird, tatsächlich historisch passiert sein könnte. Womöglich besteht ein Zusammenhang mit massiven und abrupten Überschwemmungen infolge eines Gletscherabschmelzens am Ende der letzten Eiszeit oder mit besonders heftigen Erd- und Seebeben und den dadurch hervorgerufenen Tsunamis. Andererseits ist die Bibel wohl auch bei dieser Geschichte vor allem symbolisch zu deuten um eine moralische Lehre daraus zu ziehen. Das Wort Arche (abgeleitet vom lateinischen „arca“ für „Kasten“) lautet nämlich im Hebräischen „teba“, was neben „Kästchen“ auch „Wort“ bedeutet. Interessanterweise wird es auch im Buch Exodus für den Korb verwendet, in dem Mose als ausgesetztes Baby vor den Nilfluten Schutz findet. Nach dieser Lesart sind also der gerechte Noah und seine gläubigen Gefährten und auch später Mose durch das Wort Gottes vor ihrer bedrohlichen Umwelt gerettet worden. In diesem Zusammenhang sind auch die sogenannten „noachidischen Gebote“ erwähnenswert, die sich nach jüdischem Verständnis auf den Bund Gottes mit Noah und seinen Nachkommen (somit also der ganzen Menschheit) beziehen. Während sich eine Vielzahl von Geboten der Thora ihrem Verständnis nach nur auf Angehörige des Judentums beziehen, gelten die sieben noachidischen Gebote auch für alle anderen Menschen und wer sich daran (also an das Verbot von Mord, Diebstahl, Götzenanbetung, Unzucht, Brutalität gegen Tiere, Gotteslästerung und die Wahrung des Rechtsprinzips durch Gerichte) hält, gilt demnach als „zaddik“, als Gerechter, und darf auch ohne Jude zu sein berechtigterweise auf seine Anteilnahme an der kommenden Welt hoffen. Nach der kurzen Geschichte vom Turmbau zu Babel und der dadurch eintretenden Sprachenverwirrung und Zerstreuung der Menschen in alle Erdteile erzählt die Bibel von den „Erzvätern“, also Abraham und seinen Söhnen und Enkeln. Es wird erzählt von einem Nachfahren Noahs und dessen Sohns Sem, nach dem die Semiten benannt sind, der wohl zu Beginn des 2. Jahrtausend v. Chr. lebte und mit seiner Familie aus Mesopotamien, genauer gesagt aus Ur in Chaldäa (im heutigen Irak) zunächst nach Harran (in der heutigen Türkei) und dann Gottes Aufforderung folgend nach Kanaan (im heutigen Israel) zieht. Dieser nomadische Viehbesitzer heißt zunächst Abram und erhält beim Bündnisschluss mit Gott den Namen Abraham, da er (der hebräischen Wortbedeutung entsprechend) der „Vater vieler Völker“ werden wird. Er gilt als Begründer der abrahamitischen, monotheistischen Religionen und Vorfahre der Juden über seinen Sohn Isaak und der Araber über seinen Sohn Ismael. Für Muslime gilt er als Prophet mit dem Namen Ibrahim und ist im Qur‘án als erster Muslim, d.h. Gottergebener bezeichnet. Über Abraham und seine Söhne sind somit Juden und Muslime verbunden, zugleich aber auch zerstritten über die Frage ob Ismael, der ältere Sohn, den die Magd Hagar Abraham gebar, weil Abrahams Ehefrau Sara zunächst unfruchtbar war, oder ob Isaak, den Sara im hohen Alter aufgrund göttlicher Gnade Abraham gebar, nun als rechtmäßiger Nachkomme Abrahams anzusehen ist. Von größerer Relevanz ist aber, dass Abraham, umgeben von Polytheisten und Götzenanbetern (auch gegen heftige Widerstände), an die Einheit Gottes glaubte und sie verkündete. Wie sehr er dabei auf Gott vertraute und sich Seinem Willen unterwarf verdeutlicht die Geschichte von der Bereitschaft Abrahams seinen Sohn für Gott zu opfern, als er von Ihm auf die Probe gestellt wird. Neben dieser Geschichte erzählt der Qur‘án (in Sure 21) eine weitere, die sich in der Bibel nicht findet. Sie handelt davon, dass Abraham eines Nachts alle Götzenfiguren in einem Raum bis auf die größte zerschlägt. Als die aufgebrachten Leute ihn zur Rede stellen, gibt er zunächst vor, nicht er, sondern die große Figur habe alle anderen zerstört und vermittelt ihnen so die Widersinnigkeit der Verehrung von materiellen, machtlosen Götzen als Götter. Abraham hat also für die im Orient entstandenen heutigen Weltreligionen eine zentrale Stellung und Bedeutung als früher Verfechter des reinen Monotheismus und Vorfahre späterer Religionsstifter und Gottesboten wie Mose, Jesus und Muhammad. Krishna bis Buddha Doch bereits bevor die drei eben genannten abrahamitischen Religionsstifter im vorderen Orient wirkten, war auf dem indischen Subkontinent ein Glaube verbreitet, der als Brahmanismus bezeichnet wird und aus dem sich der Hinduismus entwickelte, dem heute fast eine Milliarde Menschen angehören – wobei dies eher als Sammelbegriff für eine Vielzahl an Glaubensvarianten verstanden werden sollte. Die Zivilisation im Industal (was geographisch etwa dem heutigen Pakistan entspricht) gilt als eine der erste Hochkulturen der Menschheit und ist wohl aus der sozio-ökonomischen Vermischung der dort ansässigen Bevölkerung mit dem von Norden einfallenden Ariervolk (um 1500 v.Chr.) entstanden. In diese Zeit der Verschmelzung beider Glaubenstraditionen fällt die Entstehung bedeutsamer hinduistischer Schriften, genannt „Veden“ (was „Wissen“ bedeutet). Diese wurden jedoch nur von einer kleinen, privilegierten Priesterkaste von Generation zu Generation (bis heute) weitergegeben. Überhaupt war die frühe indische Gesellschaft von einem strikt segregierten Kastensystem, also einem diskriminierenden Mehrklassensystem sowie der rituellen Verehrung einer Vielzahl von Gottheiten geprägt. Hoffnung für die Angehörigen der niedrigsten Kasten, denen ein Aufstieg verwehrt war, boten die Lehren der Upanischaden. Diese grundlegenden Schriften des Hinduismus aus dem 5. Jahrhundert v.Chr. besagen nämlich, dass jeden Menschen entsprechend seines angesammelten Karmas, also der Summe guter und schlechter Taten, ein Auf- oder Abstieg im kommenden Leben erwartet. Dies hängt zusammen mit dem hinduistischen Glauben an einen Kreislauf zahlloser Wiedergeburten, dem man jedoch durch ein besonders Maß an guter Lebensführung und Erkenntnis entfliehen und so zu Brahma, dem schöpferischen Gottwesen gelangen kann. Neben Brahma (der Schöpferkraft), auch als Weltseele bezeichnet, existiert im Hinduismus der Glaube an zwei weitere Hauptgottheiten, nämlich an Vishnu (die bewahrende/beschützende Kraft) und an Shiva (die zerstörende Kraft), woraus sich die Hindu-Trinität und aus deren unterschiedlicher Betonung die Hauptströmungen des Hinduismus ergeben. Während die Veden nur der oberen geistlichen Kaste der Brahmanen zugänglich waren, wurden und werden die ethischen Lehren der Upanischaden auch der Masse der einfachen Bevölkerung durch epische Erzählungen verständlich gemacht. Das bedeutendste Epos hierunter ist das Mahabharata, welches wohl lange Zeit mündlich überliefert und ab etwa 400 v. Chr. niedergeschrieben wurde und etwa 100.000 Doppelverse umfasst. Hieraus wiederum ist die Bhagavad Gita („Gesang Gottes“) die bedeutendste. In Gedichtform erzählt sie von einer großen Schlacht, in der Krishna, eine zentrale Gestalt im Hinduismus, die Rolle eines geistigen Lehrers für den Hauptprotagonisten Arjuna einnimmt. Zwar wird Krishnas Historizität teilweise angezweifelt, seine Lebenszeit jedoch von Vielen im vierten Jahrtausend v.Chr. vermutet. Seine mythische Geschichten weisen viele Parallelen zur Lebensgeschichte Jesu Christi, aber auch zum Buddha u.a. auf. Dass ihm bis heute große Verehrung v.a. im hinduistischen Kulturkreis zukommt, ist im Glauben daran begründet, dass sich Vishnu, also Gott in Seiner Eigenschaft als Bewahrer in Krishna manifestiert und so zu den Menschen gesprochen hat. Seine Hauptbotschaft ist dabei die Aufforderung zu Loslösung von materiellen Dingen und von Aberglauben sowie zu tugendhaftem Verhalten (da das dementsprechend angesammelte Karma über die individuelle Stellung im nächsten Leben entscheidet). Das ewig währende Prinzip göttlicher Interaktion und Hilfe gegenüber der Menschheit verdeutlicht Krishna im Kapitel IV, 7-8 der Bhagavad Gita, in dem Er (verstanden als „Sprachrohr“ Gottes) sagt: „So oft ein Niedergang des Dharma (also der „Rechtschaffenheit, Tugend“) und ein Überhandnehmen von Ungerechtigkeit und Laster in der Welt eintritt, erschaffe Ich Mich selbst unter den Geschöpfen. So verkörpere Ich Mich von Periode zu Periode für die Bewahrung der Gerechten, die Zerstörung der Boshaften und die Aufrichtung des Dharma.“ Die Form, in der Gott (Vishnu) nach hinduistischem Verständnis menschliche Gestalt annimmt um die Ordnung in der Welt wiederherzustellen, wird von Hindus als „Avatar“ bezeichnet. Viele von ihnen glauben, dass der Buddha ein weiterer Avatar, also eine geistige Wiederkehr Vishnus bzw. Krishnas war und erwarten das baldige Erscheinen eines neuen Avatars, der die Menschheit aus dem dunklen in ein vollkommenes Zeitalter führen wird. In die Zeit zwischen Abraham und Mose sowie zwischen Krishna und Buddha fällt das Leben und Wirken eines weiteren geistigen und ethischen Lehrers namens Zoroaster oder Zarathustra. Er trat wahrscheinlich etwa 1000 v.Chr. im Gebiet des heutigen Afghanistan, Irak und Iran auf und begründete den Zoroastrismus, der als Staatsreligion dreier mächtiger Perserreiche diesen Erdteil über ein Jahrtausend maßgeblich prägte und dem heute noch etwa 200.000 Menschen angehören. In einer von Gewalt und Korruption geplagten Gesellschaft, die ähnlich zum früh-vedischen Brahmanismus des Industals eine Vielzahl von Naturgottheiten verehrte, etablierte Zarathustra durch Seine Lehren, die in der Avesta schriftlich fixiert wurden, einen monotheistischen Glauben an Gott, der hier den Namen Ahura Mazda trägt. Zugleich werden die Dualität zwischen guten, kreativen und bösen, destruktiven Kräften und die Wahlfreiheit der Menschen zwischen Beidem betont. Wie Krishna und die abrahamitischen Religionsstifter vermittelte auch Zarathustra den Menschen Seiner Zeit und Umgebung in einer für sie verständlichen Weise die göttliche Botschaft von der kosmischen Schöpfung, dem Bund Gottes mit den Menschen, der durch wiederkehrende Propheten/Gesandte erneuert wird und vom (geistigen) Leben nach dem Tod, dessen Ausgestaltung vom Grad der Tugendhaftigkeit im jetzigen Leben abhängt. Diese Tugendhaftigkeit wird in Seinen Lehren zusammengefasst als „gute Gedanken, gute Worte, gute Taten“. Einige Jahrhunderte später, als der Hinduismus schon in Indien verbreitet und die Geschichten Krishnas dort schon seit Generationen, teilweise jedoch mythisch verklärt, traditionalisiert waren und als die Israeliten durch Moses‘ Führung den Weg ins Gelobte Land gefunden hatten, aber noch lange bevor die großen Weltreligionen des Christentums und des Islams entstanden, hatte ein junger Mann eine Erleuchtung, in deren Folge sich der Buddhismus in Südostasien und in geringerem Maße auch in einigen Ländern der westlichen Welt verbreitete. Sein Name war Siddhartha Gautama – später der Buddha genannt – und er wuchs (im 5. Jahrhundert v.Chr.) als umsorgter Prinz in einem Palast auf. Im Alter von 29 Jahren verließ Siddhartha, der schon als Kind außergewöhnliche Begabungen aufgewiesen haben soll, die Isolation materiellen Wohlstands und erlebte einen gehörigen „Kulturschock“, als er auf einem Spaziergang durch einfache Wohngegenden zum ersten Mal in seinem Leben mit den Phänomenen Altern, Krankheit, Tod und Schmerz konfrontiert wurde. Unter diesem Eindruck ging er sechs Jahre lang auf Wanderschaft um den Sinn den Lebens zu ergründen. Nachdem er durch die verbreiteten Meditationspraktiken und schmerzhafte Askese keine befriedigenden Antworten auf seine Fragen gefunden hatte, überkam ihn schließlich, kontemplativ unter einem Baum sitzend, eine besondere Erkenntnis. Dieser Moment wurde rückblickend als Augenblick seines Erwachens oder Erleuchtung beschrieben, der mit den göttlich verursachten Inspirationsgeschehnissen Moses‘ am brennenden Busch, Jesu im Jordanfluss, Muhammads in der Höhle usw. verglichen werden kann. Aus dieser Erkenntnis heraus verbreitete der Buddha von nun an Seine Lehre (Sanskrit: „Dharma“), deren Grundlage vereinfacht durch die sogenannten Vier Edlen Wahrheiten und den Achtfachen Pfad beschrieben werden kann: (1.) Das Leben im (weltlichen) Daseinskreislauf ist leidvoll, frustrierend, unbefriedigend („Dukkha“); (2.) Die Ursachen hierfür sind Gier, Hass und Unwissenheit; (3.) Durch Erlöschen dieser Ursachen vergeht auch das Leiden; (4.) Der Weg hierzu ist der Achtfache Pfad. Dieser umfasst die richtige, rechtmäßige Ausgestaltung von Erkenntnis, Absicht, Rede, Tat, Lebensunterhalt, Streben, Bewusstsein und Konzentration (wobei das richtige Verständnis dieser Begriffe natürlich entscheidend ist). Somit lehrte der Buddha wie andere Religionsstifter vor und nach ihm tugendhaftes Verhalten, Loslösung, Liebe und geistige Erkenntnis. Zwar sprach er dabei nicht explizit von Gott, wohl um in seinem von Vielgötterglauben geprägten Umfeld nicht den Glauben an noch eine weitere Gottheit zu verursachen, aber letztlich sind Seine Erkenntnis/Erleuchtung sowie Seine Lehren mit einem transzendenten und omnipotenten Prinzip oder Wesen verbunden, das man als Gott bezeichnen kann. Mose bis Muhammad Eine Gestalt, die als Erretter der Israeliten aus der ägyptischen Knechtschaft, als Überbringer der Zehn Gebote, als Führer durch die Wüste ins Gelobte Land und einigen auch als Verfasser der Thora gilt, also der Heiligen Schrift des Judentums, die später durch Übersetzungen als Pentateuch, welcher einen erheblichen Teil des Alten Testaments bildet, in die christliche Bibel Eingang gefunden hat, ist Mose (oder auch Mosche, Moses oder Musa genannt). Als Angehöriger des Stammes Levi, einer der zwölf Söhne Israels (ein Name der Jakob, dem Sohn Isaaks als dem, „der mit Gott streitet“ verliehen wurde) und somit als Nachfahre des Patriarchen Abraham, kam Mose den genannten Schriften nach in Ägypten zur Welt. Dort wohnten die Israeliten (oder auch Hebräer) seit vielen Generationen als Minderheit, seit sie während einer Dürre in Kanaan ins Land am fruchtbaren Niltal gezogen waren – übrigens durch die Vermittlung des einst von seinen Brüdern verkauften und in Ägypten durch seine Traumdeutungen zum obersten Verwalter aufgestiegenen Josef. Später waren sie dort versklavt worden, sodass die Zeit für eine göttliche Errettung reif schien, als Mose auf den Plan trat. Er wurde nach seiner Geburt aus Schutz in der erwähnten „arca“ am Flussufer ausgesetzt und von der Tochter des Pharao gefunden und aufgezogen, sodass er am herrschaftlichen Hof aufwuchs und dessen Privilegien genießen konnte. Trotzdem solidarisierte er sich mit den unterdrückten Hebräern und tötete sogar einen ägyptischen Aufseher, nachdem dieser einen hebräischen Arbeiter geschlagen hatte – was zum einem Moses‘ vergeltenden Gerechtigkeitssinn, zum anderen aber auch den Ansehensverlust als zusätzliche Hürde seiner Mission zum Ausdruck bringt. Nach seiner Flucht nach Midian erhält Mose (nach Exodus 3,1) vor einem brennenden Busch stehend eine Offenbarung Gottes, der hier unter dem Namen JHWH, dem „Gott Abrahams, Issaks und Jakobs“, auftritt und ihm aufträgt, nach Ägypten zurückzukehren um die Israeliten zu befreien und ins Land der Kanaaniter zu führen. Der Pharao lehnt dies jedoch zunächst auch nach Vermittlungsversuchen Aarons, des Bruders Moses, und mehreren Plagen ab. Er lässt die Israeliten erst unter dem Schock der Tötung der erstgeborenen ägyptischen Söhne ziehen, verfolgt sie dann jedoch mit Reiterscharen bis er schließlich am Schilfmeer scheitert und die Geflohenen in die Wüste der Sinaihalbinsel gelangen, durch die sie 40 Jahre wandern. Körperlich geschwächt und geistig entmutigt erhalten sie dort zuerst das himmlische Manna und später die Gesetzestafeln, die Mose vom Berg Sinai herab seinem Volk überbringt, das zwischenzeitlich in seiner Abwesenheit in den Götzenkult um das „goldene Kalb“ zurückgefallen war. Diese Tafeln enthalten als göttliche Botschaft eine Gesetzgebung, deren wichtigster Bestandteil die „Zehn Worte“ (meist Zehn Gebote oder Dekalog genannt) sind, welche Folgendes zum Ausdruck bringen: Es gibt nur einen Gott. Neben Ihm soll man keine anderen Götter haben und sich vor niemand anderem niederwerfen, kein Bildnis von Ihm anfertigen und nicht Seinen Namen missbrauchen. Man soll des Sabbats gedenken und ihn heilig halten, d.h. nach sechs Arbeitstagen am siebten Tag ruhen, man soll Vater und Mutter ehren, nicht morden, nicht ehebrechen, nicht stehlen, nichts Falsches gegen seinen Nächsten aussagen und nicht dessen Frau, Haus oder weiteren Besitz begehren. Mit dem Blick über das verheißene, das Gelobte Land, welches die Folgegenerationen der einst Befreiten erobern und bevölkern sollten, aber ohne es selbst zu betreten verstarb Mose auf dem Berg Nebo. Dieses Land, zu dem Er Seine Anhänger geführt hatte, wurde in den folgenden Jahrtausenden zu einem als heilig geschätzten und bis heute heftig umkämpften Gebiet, um dessen Besitz Juden, Christen und Muslime (die alle Mose in ihren Heiligen Schriften als Gottesoffenbarer preisen) im Namen desselben Gottes unzähliges Blut vergossen. Die Frage, ob es dieses Stück Land wert war und ob sie damit Gottes Namen missbrauchten, sei dem Leser überlassen. Dem (später als jüdisch bezeichneten) Volk Israels, dem neben den Königen David und Salomon auch Propheten wie Jesaja, Jeremia, Hesekiel und Daniel angehörten, die davor warnten, die göttliche Gesetzesordnung zu vergessen, sollte nach deren Verheißungen auch der „Maschiach“ oder „Messias“ (zu Deutsch: der „Gesalbte“) angehören, der den Willen Gottes offenbaren und so Sein auserwähltes Volk erretten sollte. Zwar warten gläubige Juden bis heute auf das Erscheinen dieser Gestalt, doch das Christentum als die derzeit anhängerstärkste Weltreligion gründet auf dem Anspruch, dass dieser prophezeite Heilsbringer bereits vor rund 2000 Jahren in der Person des Jesus von Nazareth als Christus (vom griechischen „Christos“ für „Gesalbter“) erschienen ist – auch wenn durch seine Person und seinen Werdegang die Messias-Prophezeiungen nur teilweise wörtlich erfüllt wurden, denn andere (z.B. sein Platz auf dem Throne Davids) seien symbolisch zu sehen und ihrem tieferen Sinne nach erfüllt. Von Jesu Leben und Wirken berichten im Neuen Testament die Evangelien des Markus, Matthäus, Lukas und Johannes, die allesamt mehrere Jahrzehnte nach seiner (irdischen) Lebenszeit geschrieben wurden und wohl auf mündlichen Überlieferungen beruhen. Sie weichen in Einzelheiten voneinander ab, erzählen jedoch fast alle von wundersamen Geschehnissen bei seiner Geburt, seiner besonderen Wissensbegabung in religiösen Fragen schon in früher Kindheit, seiner Taufe im Jordan durch den Herold Johannes den Täufer, seiner einsamen Zeit in Wüste, der Gewinnung erster Anhänger, seinen heilenden Wundertaten, seiner Wanderschaft und Predigten, sowie von seiner Festnahme und Verurteilung durch die römische Staatsgewalt und die Verspottung durch einen Großteil des Volkes, seiner Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt. Seine Apostel gewannen durch Missionsreisen neue Anhänger Jesu nicht nur im jüdischen Volk, sondern vor allem unter den Heiden im griechisch-römischen Mittelmeerraum. Jesu göttliche Offenbarungslehre findet ihren Ausdruck vor allem in der Bergpredigt (Matthäusevangelium 5-7), in der Er die Zuhörer unterrichtet, dass Er nicht gekommen sei um das (zuvor von Mose offenbarte) Gesetz und die Propheten aufzuheben, sondern um zu erfüllen. Er verkündet, dass die Armen, die Trauernden, die Hungernden, die Barmherzigen, die, die reinen Herzens sind, die Frieden stiften, jene, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt und um Seinetwillen beschimpft und verleumdet werden, selig sind, denn sie empfingen großen Lohn im Himmel und würden Gott schauen – eine Botschaft, die den verfolgten Anhängern Jesu in den ersten Jahrhunderten des christlichen Glaubens Hoffnung spendete, aber wohl kaum für die in Prunk lebenden und Kriege entfesselnden Päpste späterer Jahrhunderte gelten dürfte. Vor Seinem Abschied sagte Jesus zu Seinen Jüngern: „Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht von sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkünden.“ (Johannes 16, 12-13) Diese Worte verdeutlichen, dass Gottes Offenbarung durch Jesu Wirken vor 2000 Jahren noch bei weitem nicht abgeschlossen war, sondern dass Er angepasst an die damalige Kapazität Seiner Zuhörer allenfalls einen Teil der Wahrheit offenbart hat und dass zu einem späteren Zeitpunkt für die reifer gewordenen Menschen (eine) weitere und umfangreichere göttliche Offenbarung(en) folgen würde(n) – vermittelt durch den „Geist der Wahrheit“ – eine Bezeichnung, die teilweise von christlichen Kirchen auf das Pfingstereignis und den Heiligen Geist bezogen wird, wobei die erwähnten Fähigkeiten zu hören, zu reden und zu verkünden viel eher auf eine tatsächliche Person, also etwa einen Propheten zutreffen. In Verbindung hiermit stehen die Verheißungen der Johannesoffenbarung (dem letzten Kapitel des Neuen Testaments), die von der Apokalypse, der Wiederkunft Christi, dem Weltgericht und der Errichtung des Königreichs Gottes auf Erden spricht und deren Zeichen nicht wörtlich, sondern ihrer symbolischen Bedeutung nach zu verstehen sind. Das vierte Jahrhundert n.Chr. prägte durch mehrere Ereignisse in besonderer Weise die Entwicklung des institutionellen Christentums: Zum einen wurde beim ersten Konzil von Nicäa (einer Bischofskonferenz) im Jahre 325 n.Chr. das trinitäre Glaubensbekenntnis an die Wesensgleichheit (strittige Übersetzung von „homoousios“) des göttlich „gezeugten, nicht geschaffenen“ Gottessohnes Jesus Christus mit Gott (Vater) selbst bzw. an Gott in Gestalt der drei Personen Gott Vater, Gott Sohn (Jesus) und Heiliger Geist zur Kirchendokrin erhoben, obwohl es eine Minderheitsmeinung auf dem Konzil gewesen war. Zum anderen endete die Verfolgung von Christen im römischen Reich (313) und das Christentum wurde im Zuge der sogenannten Konstantinischen Wende zur römischen Staatsreligion (380). Außerdem beanspruchten die Bischöfe von Rom ab dem 4. Jhdt. den Titel Papst und damit den Anspruch, die alleinigen führenden Vertreter Jesu und somit Gottes auf Erden zu sein. Dieses Papsttum versuchten sie durch zwei Dinge zu legitimieren: Zum einen durch ihre Interpretation des Ausspruchs Jesu gegenüber Petrus, auf ihn bzw. auf „diesen Felsen“ wolle Er seine Kirche (oder Gemeinde) bauen. Zum anderen durch die (inzwischen umstrittene) Annahme, Petrus sei als Märtyrer in Rom gestorben. Ein halbes Jahrtausend nach der Kreuzigung Christi hatte sich der Glaube an Ihn also im erweiterten Mittelmeerraum als dominant durchgesetzt und Millionen von Menschen in Gottes Bund gebracht. Allerdings war das Christentum inzwischen in sich mehrfach gespalten, sein monotheistischer Charakter hatte durch das Trinitätsdogma deutlich an Klarheit verloren und mit dem Papsttum hatte sich eine Institution gebildet, die in späteren Zeiten die Lehren Christi durch Prunk und Prasserei, Intoleranz und Inquisition sowie Kreuzzüge und Kriege diskreditierten sollte. Die Zeit schien also erneut reif, die göttliche Kernlehre durch eine weitere Offenbarung in Erinnerung zu rufen und ihren Geltungsbereich zu erweitern. Dies geschah durch das Wirken des Gottesgesandten Muhammad auf der arabischen Halbinsel im 7. Jhdt. n.Chr. Die dortigen Stämme legten barbarische Sitten an den Tag und verehrten eine Vielzahl von Götzen, vor allem in der Kaaba im Handelszentrum Mekka, als der wohl 570 n.Chr. geborene Muhammad dort begann den Islam, also die Unterwerfung unter den einen Gott (arabisch: Allah) zu lehren. Der des Lesens und Schreibens unkundige Karawanenführer, der mit 25 Jahren die vermögende Kaufmannswitwe Chadidscha (auf deren Antrag hin) geheiratete hatte, begann ab 610 nach einem Inspirationserlebnis, das er als Begegnung mit dem Erzengel Gabriel (arabisch: Dschibril) und dessen Aufforderung „Trag vor, im Namen deines Herrn, der den Menschen erschaffen hat (…)“ beschreibt, Verse zu offenbaren. Diese wurden später gesammelt und als das Heilige Buch namens Qur’án publiziert und prägen bis heute über eine Milliarde Menschen in ihrem Glauben und Handeln. Dieses Offenbarungswerk, der Qur’án, umfasst 114 Suren, die ab der zweiten Sure ihrer Länge nach absteigend angeordnet sind und alle entweder in Muhammads Geburtsort Mekka oder in Medina (zuvor Yathrib genannt) offenbart wurden. Die erste Sure (Die Eröffnung „Al-Fatiha“) wird bis heute von gläubigen Muslimen mehrfach täglich beim Gebet rezitiert und lautet in deutscher Übersetzung: „Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen. Lob sei Gott, dem Herrn der Welten, dem Erbarmer, dem Barmherzigen, der Verfügungsgewalt besitzt über den Tag des Gerichtes. Dir dienen wir und Dich bitten wir um Hilfe. Führe uns den geraden Weg, den Weg derer, die Du begnadet hast, die nicht dem Zorn verfallen und nicht irregehen.“ Diese Zeilen ähneln in erstaunlicher Weise dem von Jesus offenbarten (und auf jüdische Überlieferung zurückgehenden) „Vater unser“-Gebet, in dem ebenfalls von Gottes Autorität, Erbarmen, Führung und Schutz vor Bösem und der Ankündigung einer besonderen Zeit (also dem „Tag des Gerichts“, der das Kommen des Reiches Gottes auf Erden einleitet) die Rede ist. Auch ihrer Glaubenspraxis entsprechend der fünf „Säulen“ des Islam nach sind gläubige Muslime ihren Glaubensgenossen des Juden- und des Christentums gar nicht so unähnlich: ihre Grundpflichten umfassen das (mehrfache) tägliche Gebet, eine Fastenzeit (im Islam während des Ramadan-Monats), die Almosensteuer („Zakat“), die Pilgerfahrt nach Mekka („Haddsch“, sofern finanziell möglich) sowie das muslimische Glaubensbekenntnis (die „Schahada“), welche besagt: „Es gibt keinen Gott außer Gott („Allah“) – und Muhammad ist Gottes Gesandter“. Zudem umfasst der durch (Vermittlung) Muhammad(s) offenbarte Qur’án eine Wiedergabe und Erweiterung vieler biblischer Geschichten und nennt u.a. ausdrücklich Adam, Abraham (Ibrahim), Noah, Moses (Musa) und Jesus (Isa) als Propheten und bezeichnet Muhammad als „Siegel der Propheten“. Daher erkennen gläubige Muslime auch die jüdische Thora und das christliche Evangelium als Heilige Schriften an, die Gottes Wort (allerdings nachträglich menschlich verfälscht) enthalten, und glauben zudem, dass Muhammad der letzte Prophet sei, aber auch dass ein Gericht Gottes zur apokalyptischen Endzeit geschehen wird beim Erscheinen des „Mahdi“ und der Wiederkunft Christi. Muhammads Mission und Offenbarung war also im Grunde genommen die gleiche wie diejenige Jesu Christi (und vorheriger Gottesboten), nur war sie deutlich umfangreicher und angepasst an die Nöte und geistige Kapazität der Menschen seiner Umgebung zu jener Zeit. Durch Muhammad wurde im Vergleich zu Jesu Evangelium in einer längeren Zeit eine größere Menge an Versen offenbart und Er nahm nicht nur die Rolle eines Predigers ein, sondern übernahm zugleich die Verantwortung eines Regenten und Feldherrn – wobei auch der Nächstenliebe-predigende Jesus keine rein pazifistische Botschaft gebracht hatte, sondern sagte, Er sei „nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert“ (Matthäus 10, 34). Spezifisch islamische Gebote wie das Tragen des Kopftuches für Frauen, Verbote wie dasjenige bezüglich Alkohol und die ausführliche und anschauliche Beschreibung von Höllenqualen für Sünder entsprechen wie erwähnt den Bedürfnissen und dem Fassungsvermögen der Adressaten der qur’ánischen Lehre Muhammads, also vornehmlich den zuvor sehr unzivilisierten Arabern jener Zeit, die ihren Frauen bis dahin gar keine Rechte zugestanden hatten und in einem heißen Wüstenklima lebten, in dem z.B. Alkoholkonsum schnell die Sinne vernebelt und deren ungehorsames Temperament wohl eher abschreckende Strafankündigungen Gottes (wie auch in der Thora bzw. dem Alten Testament) erforderte als gegenüber zivilisiert-aufgeklärten Menschen der Moderne. Hatte sich die Lehre Muhammads, also der Islam, zu dessen Hinscheiden im Jahre 632 n.Chr. bereits weitestgehend auf der arabischen Halbinsel ausgebreitet – übrigens markiert das Jahr 622 n.Chr. als Jahr der Hedschra, also Auswanderung Muhammads und einiger Anhänger nach Medina den Startpunkt der islamischen Zeitrechnung – erweiterten die nachfolgenden Anführer der islamischen Gemeinde(n) deren Einflussbereich auf die benachbarten Weltregionen und der Islam etablierte sich als Mehrheitsglaube und oft als Staatsreligion in Ländern von Nordwestafrika bis Südostasien und beherrschte zeitweise auch Teile des südlichen Europas. Außerdem blühten in der islamischen Welt für mehrere Jahrhunderte (auch durch Interaktion mit Juden und Christen) die Künste und Wissenschaften auf. Zu jener Zeit versank das abendländische Europa durch kirchendogmatische Wissenschaftsfeindlichkeit sowie durch volkstümlichen Aberglauben im finsteren Mittelalter und bekämpfte sogar die neue Offenbarung Gottes in Form des qur’ánischen Islam durch blutige Kreuzzüge, verfolgte und ermordete angebliche Hexen und Ketzer sowie Juden und schmähte so das Andenken Jesu. Doch auch der Islam, der bereits wenige Jahre nach seiner Entstehung begonnen hatte sich zu spalten (in Sunniten, Schiiten und viele weitere Untergruppierungen) überschritt nach einigen Jahrhunderten seinen zivilisatorischen Zenit, wurde durch Fehlauslegungen machtversessener Geistlicher teilweise entstellt und islamische Länder konnten ab Beginn der Neuzeit (um das Jahr 1500) kaum mehr mit der sozio-ökonomischen Innovation und der technologisch-militärischen Überlegenheit der abendländischen Völker mithalten. Diese konnte zwar durch die humanistische Aufklärung die kirchliche Verklärung teilweise abschütteln und materiellen Reichtum generieren, büßten aber auch durch übertriebene Wissenschaftsgläubigkeit und Materialismus in weiten Teilen ihren Gottesglauben ein. Báb und Bahá’u‘lláh Als Beginn einer neuen Epoche der Menschheitsgeschichte wird von Historikern oft das frühe 16. Jahrhundert genannt, da in diesem mit der europäischen Entdeckung des amerikanischen Kontinents, der Entwicklung des Buchdrucks und der christlichen Reformation bedeutende Einschnitte stattfanden. Doch der tatsächliche Wendepunkt hin zur Moderne geschah erst im 19. Jahrhundert mit der industriellen Revolution inklusive transport- und telekommunikationstechnischer Erfindungen wie der Eisenbahn und der Telegraphie, der Nationalstaatenbildung und teilweiser Demokratisierung, aber auch intensiviertem Imperialismus, verstärkter Gesellschafts-, Wirtschafts- und Religionskritik (durch Marx, Feuerbach, Nietzsche u.a.) und dem Startpunkt zunehmender globaler Verflechtung und der „Weltbevölkerungsexplosion“. Es war eine Zeit, in der alle bisherigen Weltreligionen inklusive Christentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus sich in ihrer institutionellen Ausgestaltung und ihrer volkstümlichen Glaubenspraxis weit von den ursprünglichen Kernlehren der jeweiligen Stifter entfernt hatten. Zunehmend gerieten sie in Bedrängnis, den von den genannten gesellschaftlichen Umwälzungen betroffenen Menschenmassen befriedigende Antworten zu geben, weswegen zum einen der Atheismus und Materialismus und zum anderen Aberglaube und apokalyptische Ängste, aber auch Hoffnungen Auftrieb bekamen. Wieder schien die Zeit reif für einen Erneuerer des göttlichen Bundes mit den Menschen, für das Erscheinen einer richtenden und rettenden Gestalt, durch deren Wirken die Krisen eines endenden Zeitalters (Endzeit) überwunden und ein vollkommenes, „himmlisches“ Zeitalter auf Erden eingeläutet werden würde – zumal wahrhaft gläubige und gelehrte Anhänger aller Religionen mit zunehmender Sehnsucht das Kommen ihres Verheißenen erwart(et)en, da immer mehr prophezeite Zeichen erkennbar wurden. Bemerkenswert ist, das Jesus Christus selbst an mehreren Stellen Hinweise auf den Zeitpunkt des endzeitlichen „Tages des Herrn“, der in Verbindung mit Seiner Wiederkunft und der Errichtung des Gottesreiches auf Erden steht, gibt: es müsse zuvor das Evangelium „in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker“ gepredigt werden (Matthäus 24: 13/14; Markus 13: 10) – was nach Erschließung der zuvor unerforschten Gebiete Afrikas, Lateinamerikas und Asiens und der dortigen Verkündigung der Botschaft Christi Untersuchungen zufolge spätestens in den 1840er Jahren erfüllt war. Zweitens müsse in Jerusalem „der Heiden Zeit erfüllt“ sein (Lukas 21: 24-27), d.h. die Zeit, in der die Heilige Stadt von Nichtjuden (Heiden in diesem Kontext) besetzt sei, welche den Juden eine Rückkehr aus der Diaspora verwehrten, fände ihr Ende – was faktisch durch ein Toleranzedikt im osmanischen Reich im Jahre 1844 geschah. Drittens verweist Jesus (in Matthäus 24: 15) auf die Prophezeiung Daniels (in Daniel 9: 27 & 11: 31), der davon spricht, dass vom Wiederaufbau Jerusalems – durch Erlass von 457 v.Chr. – bis zur Reinigung des Heiligtums „zweitausenddreihundert Abende und Morgen“ vergehen würden – wobei man unter Beachtung der biblischen Entsprechung von Tag = Jahr also 2300 Jahre addieren muss und somit ebenfalls auf das Jahr 1843/1844 gelangt. Auch Juden und Muslime warten auf das (Wieder)Kommen des Messias und islamischen Hadithen (Muhammads außer-qur’ánische Überlieferungen) ist zu entnehmen, dass dieser, der Mahdi, ein Nachfahre Muhammads sein und dessen Namen tragen werde, er werde das moralische Gesetz erneuern und Gottes Religion weltweit verbreiten. Wie erwähnt wird auch im Hinduismus die spirituelle Wiederkunft Krishnas, im Zoroastrismus ein zukünftiger Retter und im Buddhismus ein weiterer Erleuchteter als großer Weltlehrer erwartetet. Jesus kündigt Seine Wiederkunft an als Kommen des Menschensohnes in einer Wolke (Lukas 21: 27) und zudem heißt es: „Der Tag des Herrn wird kommen wie ein Dieb in der Nacht“ (Thessalonicher 5: 2) – beides symbolische Hinweise darauf, dass dieses großartige Ereignis verschleiert, sozusagen heimlich geschehen und zunächst nur von wenigen erkannt werden wird – wie bisher immer in der Religionsgeschichte. Im Jahre 1844 n.Chr. (und 1260 d.H., also islamischer Zeitrechnung) erhob ein junger Kaufmann namens Siyyid Alí Muhammad aus Schiraz in Persien (dem heutigen Iran) den Anspruch, der im schiitischen Islam erwartete Qá’im, also die (spirituelle) Rückkehr des seit Jahrhunderten verborgenen zwölften Imams zu sein, was nach sunnitischer Tradition dem Mahdi entspricht. In der Nacht zum 23. Mai 1844 verfasste Er (übrigens ein Nachfahre des Propheten Muhammad), der fortan den Titel Báb (zu Deutsch: „Tor“) trug, unter Anwesenheit Seines ersten Gläubigen namens Mulla Husayn das erste Kapitel des „Qayyumu’l-Asma“, eines Kommentars zur Sure Josef des Qur’án. Dies war die erste Schrift des Báb in einer Reihe von umfangreichen Offenbarungswerken, von denen der „persische Bayán“ als Hauptwerk gilt und in denen Er den Menschen Seinen Anspruch als Verheißener und das baldige Kommen eines noch viel bedeutenderen Gottesoffenbarers verkündet. Wie schon zuvor in der Religionsgeschichte nahmen auch der Báb und Seine rasch wachsende Glaubensgemeinschaft (genannt Báb’i) enorme Leiden auf sich, da die Behörden und der Klerus deren Einfluss fürchteten und ihn durch brutale Verfolgung im Keim zu ersticken versuchten. Im Zuge dessen wurde auf Befehl des persischen Schahs der Báb 1847 festgenommen und in den Nordwesten des Landes verbannt, wo Er drei Jahre in Gefangenschaft lebte (dort auch den Bayán offenbarte) und schließlich nach einem Verhör, bei dem Er Seinen Anspruch, der erwartete Verheißene zu sein, bekräftigte, zum Tode verurteilt wurde. Nach einem wundersamen Ereignis auf dem Gefängnishof von Tabriz wurde dort am 9. Juli 1850 die Hinrichtung durch Erschießung aus 750 Gewehren vollstreckt und der Báb starb für die Sache Gottes den Märtyrertod – wie es auch schon Christus bei Seinem ersten Kommen am Kreuz getan hatte. Die Sache des Báb hatte in den sechs Jahren Seines irdischen Wirkens Zehntausende von Anhängern gefunden, die für ihren Glauben schwerste Unterdrückung erduldeten und Er hatte in dieser Zeit ein weit umfangreicheres Offenbarungswerk als seinerzeit Muhammad mit den Qur’án der Welt hinterlassen – nur mit einem Ziel: die Menschen auf das baldige Erscheinen dessen vorzubereiten, „den Gott offenbaren wird“. Insofern übernahm der Báb die Rolle eines Herolds und kann als geistige Wiederkunft Elias (des Herolds Moses‘) und Johannes des Täufers (des Herolds Christi) verstanden werden – jedoch mit einer weit bedeutenderen Stellung, nämlich der eines Gottesoffenbarers selbst und zwar desjenigen, der das prophetische Zeitalter seit Adam bis Muhammad abschloss und zugleich das seit Jahrtausenden in allen Religionen verheißene (goldene) Zeitalter der Erfüllung einläutete. Zwei Jahre nach dem Tod des Báb war unter den vielen politischen Gefangenen, die aufgrund ihres Glaubens an Ihn eingekerkert wurden, auch ein Mann namens Mirza Husayn Alí Nuri unter denen, die (ohne Prozess) ins Verließ „Siyah Chál“ („Schwarzes Loch“) in Teheran geworfen wurden. Er, der schon in jungen Jahren durch besonderes Wissen aufgefallen war, hatte sich als Sohn eines adeligen Ministers gegen die Übernahme eines prestigeträchtigen politischen Amtes entschieden und stattdessen für soziales Engagement als „Vater der Armen“. Nun erlitt er als Anhänger des Báb vier Monate Kerkerhaft, während der Er ein besonderes Inspirationserlebnis bezüglich Seiner zukünftigen Mission hatte, und wurde anschließend aus Persien nach Bagdad im benachbarten osmanischen Reich verbannt. Dort verweilte Er bis 1863 (unterbrochen von einem zweijährigen Einsiedlertum in den Bergen Kurdistans) und stärkte die Einheit und Zuversicht der dortigen zuvor demoralisierten Báb’í-Gemeinde, bevor Er von den Behörden erneut verbannt wurde, dieses Mal nach Konstantinopel (dem heutigen Istanbul). In den Tagen vor Seiner Abreise verkündete Er einer kleinen Gruppe Seiner Anhänger, dass tatsächlich Er, der fortan als Bahá’u’lláh (arabisch für: „Herrlichkeit Gottes“) bezeichnet wurde, der zuvor vom Báb und den Heiligen Schriften aller Weltreligionen Verheißene sei. Nach mühsamer Wanderschaft in Konstantinopel angelangt, verbrachten Er und Seine Familie und Freunde nur wenige Monate dort, bevor sie weiter nach Adrianopel (dem heutigen Edirne im europäischen Teil der Türkei) verbannt wurden – wo Bahá’u’lláh viele Sendschreiben an die Herrscher der damals mächtigsten Nationen der Welt verfasste und weitere Schriften offenbarte. Im Jahr 1868 wurde die Gruppe übers Mittelmeer weiter verbannt und schließlich in der berüchtigten Festung von Akká (dem heutigen Akkon nahe Haifa in Israel) inhaftiert. Dort und in umliegenden Orten verbrachte Er über zwei Jahrzehnte in Gefangenschaft und unter Hausarrest und begeisterte wie schon an den vorherigen Verbannungsorten neben Seinen Anhängern auch viele weitere Menschen Seiner näheren Umgebung und offenbarte neben tausenden(!) weiterer Schriften auch das „Kitáb-iAqdas“, das Heiligste Buch der Bahá’i, wie Seine Anhänger von nun an genannt wurden und werden, bevor Er im Jahre 1892 in Seinem Landhaus Bahjí verschied – nun neben dem Schrein des Báb in Haifa eine der wichtigsten Pilgerstätten der Bahá’í. Seine ehrfurchtgebietende Aura, Seine aufopfernde Leidensbereitschaft und die Essenz Seiner Botschaft an die Menschheit klingen an im Bericht des britischen Orientalisten Edward G. Browne, der Bahá’u’lláh im Jahre 1890 begegnete: „Das Antlitz, in das ich nun blickte, kann ich nie vergessen, obgleich ich nicht imstande bin, es zu beschreiben. Diese durchdringenden Augen schienen auf dem Grunde der Seele zu lesen. Macht und Würde lagen über diesen breiten Augenbrauen; die tiefen Falten auf Seiner Stirne und Seinem Gesicht verrieten ein Alter, das Sein tiefschwarzes Haar und der in üppiger Fülle bis zur Leibesmitte herabwallende Bart Lügen zu strafen schienen. Unnötig zu fragen, in wessen Gegenwart ich stand, als ich mich vor Dem verneigte, Der das Ziel einer Verehrung und Liebe ist, um die Ihn Könige beneiden könnten und nach der sich Kaiser vergeblich sehnen.“ (E.G. Browne: A Traveller’s Narrative) – woraufhin Bahá’u’lláh mit milder, würdevoller Stimme sprach: „Gelobt sei Gott, daß du es erreicht hast! Du bist gekommen, um einen Gefangenen und Verbannten zu sehen. Wir wünschen nur das Wohl der Welt und das Glück der Völker; dennoch hält man Uns für Anstifter von Streit und Aufruhr, die Gefangenschaft und Verbannung verdienen. Wir wünschen, daß alle Völker in einem Glauben vereint und alle Menschen Brüder werden; daß das Band der Liebe und Einigkeit zwischen den Menschenkindern gestärkt werde; daß Religionsverschiedenheit aufhöre und die Unterschiede, welche zwischen den Rassen gemacht werden, aufhören - was ist nun Schlimmes hieran? Aber trotz all dem wird es dahin kommen; diese fruchtlosen Kämpfe, diese zerstörenden Kriege werden aufhören und der ‚Größte Friede‘ wird kommen. Habt ihr dies in Europa nicht auch nötig? Ist dies nicht das, was Christus verhieß? Aber dennoch sehen Wir eure Könige und Regenten die Schätze ihrer Länder mehr auf die Zerstörung der menschlichen Rasse verschwenden als darauf, was zum Glück der Menschheit führen würde. Die Kämpfe, dieses Blutvergießen und diese Zwietracht müssen aufhören, alle Menschen müssen sein, als ob sie einem Geschlecht und einer Familie angehörten. Es rühme sich kein Mensch dessen, daß er sein Land liebt, sondern eher dessen, daß er das ganze Menschgeschlecht liebt.“ Der Glaube an die göttliche Botschaft Bahá’u’lláhs verbreite sich weiter unter der Führung von Abdu’l-Bahá („Diener Bahás“), dem Sohn Bahá’u‘lláhs und von Ihm testamentarisch als Nachfolger und autorisierter Ausleger Seiner Schriften ernannt, etablierte sich in allen Erdteilen unter dem Hütertum der Glaubensgemeinde durch dessen Enkel Shoghi Effendi und wird heute durch eine Institution namens Universales Haus der Gerechtigkeit (mit Sitz in Haifa) als administrativer Rat verwaltet und gefördert – wie es bereits in Seinen Schriften vorgesehen war. Heute, keine zweihundert Jahre nach Bahá’u’lláhs Verkündigung bekennen sich mehrere Millionen Menschen aus über 2000 Volksgruppen in fast allen Ländern der Erde als Bahá’í. Entsprechend der Lehren Gottes glauben sie an die Einheit Gottes, die Einheit der Religionen (im Sinne der sozial-räumlich angepassten, fortschreitenden Offenbarung) und die Einheit der Menschheit (als unausweichliches Zukunftsziel). Sie lesen in allen Heiligen Schriften, beten, fasten, sind bemüht sich übler Nachrede zu enthalten, Loslösung von Egoismus und Materialismus zu praktizieren und die Gleichwertigkeit von Mann und Frau und das harmonische Miteinander (auch von Religion und Wissenschaft) tatsächlich zu etablieren. „O Du gütiger Herr! Vereinige alle. Gib, dass die Religionen in Einklang kommen und vereinige die Völker, auf dass sie einander ansehen wie eine Familie und die ganze Erde wie eine Heimat.“ Weiterführende Literatur: - Manfred Hutter: Die Weltreligionen - William Sears: Dieb in der Nacht - Abdu’l-Bahá: Beantwortete Fragen - Harold Rosen: Founders of Faith … u.v.m. Raoul Keller – 20.11.2011 (leicht überarbeitete, zweite Ausgabe 02.04.2013)