Physikalische Therapie ausgewählter

Werbung
Übersichtsarbeit 81
Physikalische Therapie ausgewählter Erkrankungen
aus der Rheumatologie mit Funktionsstörungen der
Muskulatur
Autoren
A. Reißhauer, N. Elmer, M. E. Liebl
Institut
Arbeitsbereich Physikalische Medizin und Rehabilitation, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin
Schlüsselwörter
▶ Physikalische Therapie
●
▶ Rheumatische Muskelerkran●
kungen
▶ Polymyalgia rheumatica
●
▶Myositis
●
▶Fibromyalgiesyndrom
●
Zusammenfassung
Abstract
Die physikalische Therapie muskulärer Erkrankungen und Funktionsstörungen in der Rheumatologie erfordert eine besonders ausgewogene und
befundorientierte Behandlungsstrategie und individuelle Therapieplanung. Art, Intensität und Dauer der Anwendung physikalischer Therapeutika
bei diesen Krankheitsbildern sind zum Teil nicht
ausreichend geklärt. Die Arbeit gibt einen Überblick zu evidenzbasierten Anwendungen und
Empfehlungen im Rahmen klinischer Erfahrungen.
Physical therapy of muscular dysfunctions in
rheumatic diseases requires a well-balanced
strategy based on individual findings. Type, intensity and length of therapeutic interventions
have not been sufficiently evaluated in these disorders. The authors provide an overview of evidence-based interventions and recommendations based on clinical experience.
Key words
▶ physical therapy
●
▶ rheumatic muscle disease
●
▶ polymyalgia rheumatica
●
▶myositis
●
▶ fibromyalgia
●
▼
Einleitung
▼
Bibliografie
DOI http://dx.doi.org/
10.1055/s-0042-100615
Akt Rheumatol 2016; 41:
81–85 © Georg Thieme
Verlag KG Stuttgart · New York
ISSN 0341-051X
Korrespondenzadresse
Dr. Anett Reißhauer
Charité – Universitätsmedizin
Arbeitsbereich Physikalische
Medizin und
Rehabilitation
Charitéplatz 1
10117 Berlin
[email protected]
Physikalische Therapie umfasst die Gesamtheit
körperorientierter, nicht invasiver Therapieverfahren mit thermischen, mechanischen, elektrischen und zuwendungsbasierten Maßnahmen
[1].
In der Behandlung rheumatologischer Erkrankungen, die mit Störungen von Morphologie und
Funktion der Muskulatur einhergehen, finden
zahlreiche Teilgebiete der physikalischen Therapie ihre Anwendung. Hervorzuheben sind hier
die Krankengymnastik, Ergotherapie, Medikomechanik, sowie auch Thermotherapie und Hy­
drotherapie. Innerhalb der Teilgebiete werden
unterschiedliche Methoden und Therapiemittel
differenziert [1–3].
Ziel der Physikalischen Therapie ist ganz allgemein die Herstellung einer bestmöglichen Funktionsfähigkeit nach dem Motto „treat to participation“ [4]. Am häufigsten genannte Teilziele
sind hierbei die Reduktion von Schmerzen, eine
Verbesserung von Muskelkraft und Beweglichkeit und die Prävention von Kontrakturen und
Osteoporose durch Inaktivität und Therapie mit
Glukokortikoiden. Aber durchaus auch zur Einsparung höherer Medikamentendosierungen
kann eine intensivere Physikalische Therapie eingesetzt werden [5].
▼
Die Auswahl der Methoden und Therapiemittel
orientiert sich vor allem an den morphologischen und funktionellen Befunden, wie z. B. Paresen und Atrophie der Muskulatur, Ruhe- und Belastungsschmerz, muskuläre Dysbalancen mit
verminderter Verlängerungsfähigkeit, muskuläre
Triggerpunkte, Tonusveränderungen und Ödeme.
Flankierend zur medikamentösen Therapie mit
Glukokortikoiden ist in vielen Fällen eine Osteoporoseprophylaxe erforderlich, bei der die körperliche Aktivität eine wichtige Rolle spielt. Eine
differenzierte Hilfsmittelversorgung ergänzt bei
Störungen der Funktionsfähigkeit das rehabilitative Konzept.
Eine Auswertung der eigenen ärztlichen Konsultationstätigkeit der Autoren hinsichtlich physikalischer Therapie zeigt, dass Patienten in der
Rheumatologie in nahezu allen Fällen manualtherapeutisch untersucht wurden und daraus ein individuelles kurz- und mittelfristiges
Behandlungsprogramm resultierte [eigene Daten]. Manualtherapeutische Untersuchungstechniken können sich demnach auch bei der ärztlichen klinischen Untersuchung von Patienten mit
Muskelerkrankungen als wertvoll erweisen.
In der Literatur zur Therapie muskulärer Erkrankungen und Funktionsstörungen in der Rheumatologie werden physikalische Therapieansätze meist nicht berücksichtigt oder stark verallge-
Reißhauer A et al. Physikalische Therapie ausgewählter Erkrankungen … Akt Rheumatol 2016; 41: 81–85
Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
Physical Therapy of Selected Rheumatic Diseases with Muscular Dysfunction
meinert. Ursächlich ist die Vielfalt und individuelle Ausprägung
der Symptomatik dieser Krankheitsentitäten, woraus sich die
Notwendigkeit einer individuellen Therapieplanung ergibt.
Ferner gibt es zum Teil nur wenige studienbelegte Therapieverfahren. Intensität und Dauer der Anwendung physikalischer
Therapeutika sind ebenfalls häufig individuell und schwer in
Studienkonzepte zu fassen. Im klinischen Alltag führt dieser
Umstand oft zu Unsicherheiten in der Verordnung physikalischer und funktionsübender Therapie. Im Folgenden soll daher
ein Überblick zu evidenzbasierten Anwendungen und Empfehlungen im Rahmen klinischer Erfahrungen gegeben werden.
Thematisiert werden ausgewählte Krankheitsbilder aus dem
rheumatologischen Spektrum, die mit Muskelpathologien oder
–funktionsstörungen einhergehen.
Physikalische Therapie bei Polymyalgia rheumatica
(PMR)
▼
Die Polymyalgia rheumatica ist eine chronisch entzündliche Erkrankung unklarer Ursache. Klinisch imponiert eine sehr
schmerzhafte Muskelerkrankung, die regelmäßig die Schulterregion, in etwa 70 % der Fälle auch den Beckengürtelbereich betrifft [6]. Sie tritt vor allem nach dem 50. Lebensjahr auf und
betrifft doppelt so häufig Frauen wie Männer [7]. Anhaltende
Morgensteifigkeit, ein erhebliches Krankheitsgefühl und Symptome wie Fieber, Gewichtsabnahme und Appetitlosigkeit sind
typisch [8, 9]. Im Gegensatz zu anderen entzündlichen Muskel­
erkrankungen ist eine permanente Schädigung von Muskeln und
Gelenken meist nicht gegeben.
2012 wurden neue vorläufige Klassifikationskriterien der
­European League Against Rheumatism (EULAR) und des American
College of Rheumatology (ACR) veröffentlicht [10].
Da es sich um eine langjährige Erkrankung handelt, steht die
Symptomkontrolle bei gleichzeitiger Wiedererlangung bzw. Erhaltung von körperlichen Funktionen im Fokus. Die häufigsten
Therapieziele sind die Reduktion von Schmerz und Steifigkeit,
Steigerung von Muskelkraft und Kraftausdauer sowie die Verbesserung des Bewegungsumfanges der betroffenen Gelenkregionen.
Während der Akutphase steht das pharmakologische Management im Vordergrund. Physikalische Therapiemaßnahmen sollten immer erst nach initialisierter medikamentöser Therapie
begonnen werden. Insbesondere bei länger dauernder Diagnosefindung oder schwerem Krankheitsverlauf können sich jedoch
bereits schnell immobilitätsbedingte Einschränkungen und
Komplikationen ergeben. Atrophie und Kraftverlust der Muskulatur, deren funktionelle Verkürzung und beginnende Kontrakturen sind oft ebenso physikalisch-therapeutisch zugänglich
wie begleitende Synovitiden.
In der Regel kann bereits nach 48 Stunden nach begonnener medikamentöser Therapie, insbesondere im stationären oder teilstationären Setting, mit passiv-assistiven Übungen oder auch Krankengymnastik im Wasser (Wassertemperatur um 34 °) begonnen
werden. Überbrückend hat sich eine manuelle Lymphdrainage
insbesondere hinsichtlich der Schmerzlinderung als sehr hilfreich
erwiesen. Im weiteren Verlauf stehen isometrische Spannungsübungen sowie Übungen zur Verbesserung bzw. zum Erhalt der
Tiefenstabilität im Vordergrund. Frühzeitig sollte ein einfaches
Hausübungsprogramm mit dem Patienten erarbeitet werden, das
regelmäßig selbstständig fortgeführt werden kann. Übungstagebücher fördern hierbei die Adhärenz. Bei entsprechenden Gegebenheiten kann zusätzlich eine Angehörigenschulung durchge-
führt werden. Angehörige sind in der Regel meist ebenso verunsichert und unterstützen eher passive Therapieansätze.
In der chronischen Phase kann es während der Dosisreduktion
der Pharmakotherapie zu rekurrierenden Symptomen kommen,
die eine Anpassung der Medikation und auch der Dosierung der
physikalischen Therapie erfordern. Eine Kombination aus aktiven und passiven therapeutischen Behandlungen wird hier
empfohlen. Patienten mit der Diagnose Polymyalgia rheumatica
können von Dehnung und Kräftigung der Muskulatur profitieren, auch Gymnastikprogramme werden empfohlen [11, 12].
Therapeutische Ansätze sind ferner Warmanwendungen und
schmerzadaptierte Bewegungsübungen [13, 14]. Auch Ergotherapie kann für die Funktionalität und die Aktivitäten des täglichen Lebens erforderlich sein.
Die Studienlage zur physikalischen Therapie bei PMR ist jedoch
insgesamt dürftig, randomisiert-kontrollierte Studien zu Wirkung einzelner Verfahren und deren Dosisfindung existieren
nach Kenntnis der Autoren nicht.
Physikalische Therapie bei autoimmunen Myositiden
▼
Zu den autoimmunen Myositiden gehören die Dermatomyositis
(DM), die Polymyositis (PM) und die Einschlusskörperchenmyositis (engl. „inclusion body myositis“, IBM). Auch erregerbedingt
und im Rahmen von Kollagenosen treten Myositiden auf [15, 16].
Als Standardtherapie gelten nach wie vor Glukokortikoide oder
alternativ Methotrexat [17]. Man unterscheidet akute und chronische Verlaufsformen und es gibt unterschiedliche Befallsmuster. Die Muskelschwäche kann die Extremitäten betreffen kann,
jedoch auch Kopfheber- oder Atemmuskulatur, sodass verschiedene Therapiekonzepte notwendig sein können. Krankheitsbedingte Schmerzen betreffen eher die oberen Extremitäten und
führen zu Kraftverlust und sekundär Bewegungseinschränkung
in den Gelenken der betroffenen Regionen.
Physiotherapeutische Maßnahmen sind in jedem Stadium der
Myositiden relevant, um einerseits Kontrakturen vorzubeugen
und andererseits Muskelkraft und Kraftausdauer zu verbessern
[15]. Intensives körperliches Training erwies sich bei Myositis-Patienten als äußerst tolerabel und sehr effektiv bezüglich
der Verbesserung von Ausdauer und Muskelkraft. Untersuchungen konnten zeigen, dass Patienten mit stabilisiertem Krankheitsverlauf gegenüber Patienten ohne Training eine signifikante Zunahme von Kraft und Ausdauer durch Fahrradergometer,
Step-Training oder ein häusliches Übungsprogramm erzielten
[17–22]. In einem 12-wöchigen Ausdauer- und Krafttrainingsprogramm wurde eine Übungsgruppe mit einer Nicht-Übungsgruppe verglichen, wobei die Übungsgruppe sich in Muskelkraft,
Lebensqualität und den Aktivitäten des täglichen Lebens deutlich verbesserte [21, 23].
Zudem gelingt es durch physiotherapeutische Maßnahmen auch
bei aktiver und bereits lange bestehender Myositis sowohl die
isometrische Muskelkraft als auch die aerobe Sauerstoffaufnahme zu verbessern, ohne die Grunderkrankung zu verschlechtern
[24]. Einige Studien belegen die Sicherheit von Bewegung und
körperlichem Training auch bei neu aufgetretener, aktiv entzündlicher PM/DM [25–27]. Im Follow-up zeigte sich ebenfalls
bei den Übungsgruppen eine deutlich verbesserte Muskelkraft
und aerobe Kapazität der Muskeln sowie eine höhere körperliche Aktivität der Patienten [28]. Auch bei Patienten mit aktiver
Polymyositis, anhaltender Muskelschwäche und erhöhten Muskelenzymen trotz pharmakologischer Behandlung, verbesserte
Reißhauer A et al. Physikalische Therapie ausgewählter Erkrankungen … Akt Rheumatol 2016; 41: 81–85
Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
82 Übersichtsarbeit
eine Kombination aus Kräftigung und Bewegung das Outcome
der Patienten deutlich [29, 30]. Es zeigt sich auch eine Reduktion
der Entzündung bei Myositis-Patienten durch Krafttraining [19].
Weitere Studien beschäftigen sich mit der Wirksamkeit und Sicherheit von Krafttraining, dabei zeigen insbesondere Übungen
gegen Widerstand einen positiven Effekt auf die Greifkraft bei
PM/DM-Patienten [25, 31–36].
Eine deutliche Steigerung der Muskelkraft konnte bei IBM-Pa­
tienten durch kontrollierte Widerstandsübungen sowie durch
aerobes Training erzielt werden [37, 38]. Sicher ist, dass die
pharmakologische Therapie allein nicht ausreicht, um die Muskelkraft, Ausdauer und Leistung im täglichen Leben zu rehabilitieren. Besser scheint die Kombination aus pharmakologischer
Behandlung und physikalischer Therapie zu sein.
Außer in den initialen Krankheitstagen wird keine Ruhigstellung
von Myositis-Patienten mehr empfohlen. Regelmäßige Physiotherapie, bei Befall der Atemmuskulatur auch Atemtherapie,
sollten ein essentieller Bestandteil der Therapie sein [15]. Muskel- und Bänderrisse können durch Widerstandstraining mit geringen Gewichten und dabei häufigen Wiederholungen verhindert werden.
Physikalische Therapie bei Fibromyalgiesyndrom
▼
Patienten, die sich aufgrund chronischer Schmerzen in mehreren
Körperregionen (chronic widespread pain [CWP]) in Behandlung
begeben, haben häufig einen erheblichen Leidensdruck sowie
Einschränkungen ihrer Lebensqualität und verursachen erhebliche direkte und indirekte Krankheitskosten [39, 40, 44, 45].
Klassifika­tion und Therapie dieses Beschwerdekomplexes einschließlich des Fibromyalgiesyndroms sind umstritten und uneinheitlich [41]. Das Fibromyalgiesyndrom ist ein chronisches
Schmerzsyndrom, das typischerweise mit Zusatzsymptomen
wie Fatigue, Schlafstörungen und depressiver Verstimmung einhergeht und nahezu ausschließlich weibliche Patienten betrifft
[42].
In einer S3-Leitlinie werden leichtes bis moderates aerobes Ausdauertraining, Funktionstraining (auch im Wasser) sowie meditative Bewegungsübungen (wie Tai-Chi und Qi-Gong) im Rahmen multimodaler Therapiekonzepte empfohlen. Massagen
werden als Therapie explizit nicht empfohlen [43]. Sogenannte
passive Therapieverfahren haben bei Patientinnen eine hohe
Akzeptanz, eine Evidenz besteht aber nicht. Im Rahmen der Therapieplanung ist es dennoch sinnvoll, bei vorwiegend aktiven
und aktivierenden Therapiekomponenten Elemente der manuellen Medizin, wie Triggerpunkt- und Faszientechniken zur befundorientierten Behandlung initial und befristet einzusetzen.
Eine dauerhafte Anwendung ist nicht zielführend.
Unter medizinischer Trainingstherapie werden aerobes Ausdauertraining (z. B. Fahrradergometer, Walking, Aqua-Jogging) sowie Muskeltraining und Flexibilitätstraining zusammengefasst.
Beim aeroben Ausdauertraining klingen die positiven Wirkungen beim Aussetzen des Trainings nach einiger Zeit ab, bei kontinuierlicher Ausübung bleiben sie jedoch erhalten [39, 40]. Studien mit niedrig dosiertem aerobem Ausdauertraining (50 % der
maximalen Herzfrequenz) erzielten bessere Ergebnisse (Symptomreduktion, Compliance) als Trainingsprogramme mit höherer Intensität [46]. Die klinische Erfahrung hat gezeigt, dass in
einigen Fällen einem Symptomanstieg zu Trainingsbeginn mit
physikalischen Maßnahmen (z. B. Infrarotwärmekabine, Balneo-
therapie) entgegengewirkt werden kann [41]. FMS-Patienten sollen aerobes Ausdauertraining durchführen, das an das individuelle Leistungsniveau angepasst ist [47]. Als evidenzbasierte Empfehlung gilt ein dauerhaftes Ausdauertraining 2–3 × /Woche mit
geringer bis mittlerer Intensität über mindestens 30 min [43].
Krafttraining kann im Rahmen der Therapie der Fibromyalgie
empfohlen werden und sollte nach Möglichkeit Bestandteil von
Selbstübungsprogrammen sein. Es zeigt sich ein positiver Effekt
eines reinen Krafttrainings auf Schmerz, Gesamtwohlbefinden,
physische Leistung, Druckpunkte und Depression [48].
Durch die Kombination von Wirbelsäulenmanipulation, Bindegewebemassage und passiver Dehnung konnte eine verbesserte
Beweglichkeit und Schmerzreduktion in einer kanadischen
Crossover Studie belegt werden. Eine valide Beurteilung zur
Wirksamkeit gibt es jedoch nicht [49]. In einer randomisiert-kontrollierten Studie mit 24 Patienten war eine osteopathische Behandlung (nach US-amerikanischen Maßstäben) bezüglich der Reduktion von Schmerz, Beeinträchtigungserleben
und Depressivität wirksam [50]. Die Aussagekraft der Studie ist
jedoch eingeschränkt [47].
Balneo- und Thalassotherapie weisen eine gute Studienlage auf.
Es konnte eine positive Wirkung von Meeres- bzw. Thermalwassertherapie unterschiedlicher Dauer auf Schmerzen, Anzahl der
Tenderpoints sowie Lebensqualität in Ergänzung zur medizinischen Standardtherapie am Therapieende bzw. 1–6 Monate
nach Beendigung der Therapie nachgewiesen werden [51–53].
Ermittelt wurde auch der Nutzen einer medizinischen Trainingstherapie über 12 Wochen im Wasser im Vergleich zur Badetherapie bzgl. Schlafqualität und Morgensteifigkeit 24 Wochen nach Therapieende [54]. Beide therapeutischen Verfahren
führten zu einer signifikanten Schmerzreduktion. Eine weitere
Studie wies die Überlegenheit der Balneotherapie bzgl. der Verbesserung der Schlafqualität gegenüber einer physiotherapeutischen Behandlung nach. Unterschiede bzgl. Verbesserung der
gesundheitsbezogenen Lebensqualität wurden nicht ermittelt
[55]. Patienten sollten zeitlich befristet mit Balneotherapie im
Rahmen eines multimodalen Behandlungskonzepts behandelt
werden [47]. Insbesondere stationäre Rehabilitationsaufenthalte sollten hierzu genutzt werden.
Eine moderate Hydrotherapie kann kurzfristig positive Effekte
auf den Schmerz und die gesundheitsbezogene Lebensqualität
bei FMS-Patienten haben [46].
Eine kurzfristige Wirksamkeit hinsichtlich der subjektiven
Schmerzempfindung und der objektiven Schmerzschwelle
konnte auch mit wassergefilterter Ganzkörper-Infrarot A-Therapie erreicht werden. Problematisch sind jedoch die eingeschränkte Anwendbarkeit und die fehlenden Nachweise einer
langfristigen Wirkung durch serielle Anwendung [56].
Osteoporoseprophylaxe bei Glukokortikoidtherapie
▼
Unter langfristiger Glukokortikoidtherapie besteht die Gefahr
einer Osteoporoseentwicklung mit erhöhtem Frakturrisiko.
Ebenso kann eine Muskelatrophie Folge der Therapie sein. Verbesserung der Muskelkraft und Koordination sowie die Minimierung von Sturzrisiken sollten deshalb Teil der Prophylaxestrategie sein. Bei Vorliegen einer schmerzhaften Muskelerkrankung ist davon auszugehen, dass die alleinige Empfehlung regelmäßiger körperlicher Aktivität für viele Patienten nicht ausreicht. In diesen Fällen sollte eine an die individuellen Befunden
Reißhauer A et al. Physikalische Therapie ausgewählter Erkrankungen … Akt Rheumatol 2016; 41: 81–85
Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
Übersichtsarbeit 83
und Risiken angepasste Bewegungstherapie erfolgen [57]. Im
Rahmen der physikalischen Therapie sollten auch Scherkräfte
vermieden werden, die zu Verletzungen der durch die Glukokortikoidtherapie veränderten Haut führen können.
Schlussfolgerung
▼
Physikalische Therapien sind bei Muskelerkrankungen und –
funktionsstörungen aus dem rheumatischen Formenkreis vielfältig einsetzbar. Mit befundorientierten Therapieplänen lassen
sich gute Effekte erzielen. Dieses Potenzial wird häufig nicht
­genügend ausgeschöpft.
Die Studienlage kann bei den verschiedenen rheumatologischen
Muskelerkrankungen unterschiedlich bewertet werden. Während keine evidenzbasierten Empfehlungen zu physikalischer
Therapie bei Polymyalgia rheumatica außer der Osteoporoseprophylaxe existieren, gibt es für autoimmune Myositiden Studien zu Sicherheit und Wirksamkeit physikalischer Therapien.
In Bezug auf das Fibromyalgiesyndrom existieren zahlreiche
Studien zu physikalischen Therapien. Sie empfehlen fast durchgängig die aktiven und aktivierenden Therapien und raten zur
Vermeidung rein passiver Therapiemodalitäten.
Weitere safety studies sowie Wirksamkeits- und Dosisfindungsstudien in Bezug auf physikalische Therapien sind bei diesen
komplexen Krankheitsbildern wünschenswert. Ebenso wie in
vielen anderen Bereichen der Rheumatologie fehlen Studien zu
möglichen medikamentösen Dosiseinsparungen durch intensivierte physikalische Maßnahmen, um Patienten bestmöglich
und zu behandeln.
Interessenkonflikt: Nein
Literatur
1 Smolenski UC, Seidel EJ.(editing and revision) Physical and rehabilitative medicine – terms and definitions – results of the consensus
conference 2013/2014. Phys Rehab Kur Med 2014; 24 (S 01): e1–e15
2 Reißhauer A, Liebl ME. Minimalstandards in einer physikalisch-medizinischen Abteilung im akutstationären Bereich in der Rheumatologie.
Z Rheumatol 2012; 71: 364–368
3 Lange U. Physiotherapie in der Rheumatologie. Z Rheumatol 2015;
74: 701–710
4 Meier FM, Müller-Ladner U, Lange U. Efficacy of intensive physiotherapy in combination with low-dose etanercept in active spondyloarthritis: a monocentric pilot study. J Rheumatol 2014; 41: 1897–1898
5 Mau W, Beyer W, Ehlebracht-König I et al. für die Kommission Rehabilitation, Physikalische Medizin und Sozialmedizin der DGRh. Treat to
Participation – DGRh-Positionspapier zur nachhaltigen Verbesserung
des funktionalen Gesundheitszustandes von Rheumakranken. Z Rheumatol 2015; 74: 553–557
6 Soriano A, Landolfi R, Manna R. Polymyalgia rheumatica in 2011. Best
Pract Res Clin Rheumatol 2012; 26: 91–104
7 Pipitone N, Salvarani C. Update on Polymyalgia rheumatica. Eur J Intern
Med 2013; 24: 583–589
8 Talke M, Schmidt A. Polymyalgia rheumatica in der täglichen Praxis.
Z Rheumatol 2014; 73: 408–414
9 Seitz M. Polymyalgia rheumatica. Z Rheumatol 2015; 74: 507–510
10 Dasgupta B, Cimmino M, Maradit- Kremers H et al. 2012 provisional
classification criteria for polymyalgia rheumatica: a European League
Against Rheumatism/American College of Rheumatology collaborative
initiative. Ann Rheum Dis 2012; 71: 484–492
11 Frearson R, Cassidy T, Newton J. Polymyalgia rheumatica and temporal
arteritis: evidence and guidelines for diagnosis and management in
older people. Age Ageing 2003; 32: 370–374
12 Li C, Dasgupta B. Corticosteroids in polymyalgia rheumatic – a review
of different treatment schedules. Clin Exp Rheumatol 2002; 18 (Suppl
20): 56–57
13 Ettlinger R, Hunder G, Emmerson L et al. Polymyalgia and giant cell
arteritis. Ann Rev Med 1978; 29: 15–22
14 Hennell S, Busteed S, George E. Evidence-based management for polymyalgia rheumatica for rheumatology practitioners, nurses and
physiotherapists. Musculoskele Care 2007; 5: 65–71
15 Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF). S3 Leitlinie Myositissyndrome. Im Internet
www.awmf.org Stand: 26.05.2015
16 Rösler K, Scheidegger O. Myositiden. Z Rheumatol 2015; 74: 496–506
17 Alexanderson H. Exercise: an important component of treatment in
the idiopathic inflammatory myopathies. Curr Rheumatol Rep 2005;
7: 115–124
18 Alexanderson H, Lundberg I. The role of exercise in the rehabilitation
of idiopathic inflammatory myopathies. Curr Opin Rheumatol 2005;
17: 164–171
19 Alexanderson H, Lundberg I. Exercise as a therapeutic modality in
pa­tients with idiopathic inflammatory myopathies. Curr Opin Rheumatol 2012; 24: 201–207
20 Wiesinger G, Quittan M, Aringer M et al. Improvement of physical fitness and muscle strength in polymyositis/dermatomyositis patients
by a training programme. Br J Rheumatol 1998; 37: 196–200
21 Wiesinger G, Quittan M, Graninger M et al. Benefit of 6-months longterm physical training in polymyositis/dermatomyostiis patients. Br J
Rheumatol 1998; 37: 1338–1342
22 Lundberg I, Vencovsky J, Alexanderson H. Therapy of myositis: biological and physical. Curr Opin Rheumatol 2014; 26: 704–711
23 Munters L, Dastmalchi M, Andgren V et al. Improvement in health
and possible reduction in disease activity using endurance exercise in
patients with established polymyositis and dermatomyositis: a multicenter randomized controlled trial with a 1-year open extension
followup. Arthritis Care Res 2013; 65: 1959–1968
24 Habers G, Takken T. Safety and efficacy of exercise training in patients
with an idiopathic inflammatory myopathy – a systematic review.
Rheumatology (Oxford) 2011; 50: 2113–2124
25 Alexanderson H, Stenstrom C, Jenner G et al. The safety of a resistive
home exercise program in patients with recent onset active polymyositis or dermatomyositis. Scand J Rheumatol 2000; 29: 295–301
26 Varju C, Petho E, Kutas R et al. The effect of physical exercise following
acute disease exacerbation in patients with dermato/polymyositis.
Clin Rehabil 2003; 17: 83–87
27 Escalante A, Miller L, Beardmore TD. Resistive exercise in the rehabilitation of polymyositis/dermatomyositis. J Rheumatol 1993; 20:
1340–1344
28 Alexanderson H, Munters L, Dastmalchi M et al. Resistive home exercise
in patients with recent-onset polymyositis and dermatomyositis: a
randomized controlled single-blinded study with a 2-year followup.
J Rheumatol 2014; 41: 1124–1132
29 Mattar M, Gualano B, Roschel H et al. Exercise as an adjuvant treatment
inpersistent active polymyositis. J Clin Rheumatol 2014; 20: 11–15
30 Hejazi S, Engkasan J, Qomi M. Intensive exercise and a patient in
acute phase of polymyositis. J Back Musculoskelet Rehabil 2012; 25:
231–234
31 Hicks J, Miller F, Plotz P et al. Isometric exercise increases strength
and does not produce sustained creatinine phosphokinase increases
in a patient with polymyositis. J Rheumatol 1993; 20: 1399–1401
32 Heikkila S, Viitanen J, Kautiainen H et al. Rehabilitation in myositis:
preliminary study. Physiotherapy 2001; 87: 301–309
33 Harris-Love M. Safety and efficacy of submaximal eccentric strength
training for a subject with polymyositis. Arthritis Rheum 2005; 53:
471–474
34 Alexanderson H, Dastmalchi M, Esbjörnsson-Liljedahl M et al. Benefits
of intensive resistance training in patients with chronic polymyositis
or dermatomyositis. Arthritis Rheum 2007; 57: 768–777
35 Chung Y, Alexanderson H, Pipitone N et al. Creatine supplements in
patients with idiopathic inflammatory myopathies who are clinically
weak after conventional pharmacologic treatment: six-month, double-blind, randomized, placebo-controlled trial. Arthritis Rheum 2007;
57: 694–702
36 Regardt M, Schult M, Axelsson Y et al. Hand exercise intervention
in patients with polymyositis and dermatomyositis: a pilot study.
­Musculoskele Care 2014; 12: 160–172
37 Spector S, Lemmer J, Koffmann B et al. Safety and efficacy of strength
training in patients with sporadic inclusion body myositis. Muscle
Nerve 1997; 20: 1242–1248
38 Johnson L, Collier K, Edwards D et al. Improvement in aerobic capacity
after an exercise program in sporadic inclusion bodymyositis. J Clin
Neuromuscul Dis 2009; 10: 178–184
Reißhauer A et al. Physikalische Therapie ausgewählter Erkrankungen … Akt Rheumatol 2016; 41: 81–85
Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
84 Übersichtsarbeit
39 Boonen A, van den Heuvel R, van Tubergen A et al. Large differences
in cost of illness and wellbeing between patients with fibromyalgia,
chronic low back pain, or ankylosing spondylitis. Ann Rheum Dis
2005; 64: 396–402
40 Wolfe F, Anderson J, Harkness D et al. Work and disability status of
persons with fibromyalgia. J Rheumatol 1997; 24: 1171–1178
41 Köllner V, Bernardy K, Sommer C et al. Diagnostik und Therapie des Fibromyalgiesyndroms. Dtsch Med Wochenschr 2009; 134: 1163–1174
42 Eich W, Häuser W, Friedel E et al. Definition, Klassifikation und Diagnose des Fibromyalgiesyndroms. Schmerz 2008; 22: 255–266
43 Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF). S3 Leitlinie Fibromyalgiesyndrom. Im Internet
www.awmf.org Stand: 26.05.2015
44 Tomas-Carus P, Häkkinen A, Gusi N et al. Aquatic training and detrain­
ing on fitness and quality of life in fibromyalgia. Med Sci Sports Exerc
2007; 39: 1044–1050
45 Tomas-Carus P, Gusi N, Häkkinen A et al. Eight months of physical training in warm water improves physical and mental health in ­women
with fibromyalgia: A randomized controlled trial. J Rehabil Med 2008;
40: 248–252
46 Langhorst J, Musial F, Klose P et al. Efficacy of hydrotherapy in fibromyalgia syndrome-a meta-analysis of randomized controlled clinical trials. Rheumatology (Oxford) 2009; 48: 1155–1159
47 Schiltenwolf M, Häuser W, Felde E et al. Physiotherapie, medizinische
Trainingstherapie und physikalische Therapie beim Fibromyalgiesyndrom. Schmerz 2008; 22: 303–312
48 Jones K, Adams D, Winters-Stone K et al. A comprehensive review of 46
exercise treatment studies in fibromyalgia (1988–2005). Health Qual
Life Outcomes 2006; 4: 67–72
49 Blunt K, Rajwani M, Guerriero R. The effectiveness of chiropractic
management of fibromyalgia patients: a pilot study. J Manipulative
Physiol Ther 1997; 20: 389–399
50 Gamber R, Shores J, Russo D et al. Osteopathic manipulative treatment in conjunction with medication relieves pain associated with
fibromyalgia syndrome: results of a randomized clinical pilot project.
J Am Osteopath Assoc 2002; 102: 321–325
51 Buskila D, Abu-Shakra M, Neumann L et al. Balneotherapy for fibromyalgia at the Dead Sea. Rheumatol Int 2002; 20: 105–108
52 Dönmez A, Karagulle M, Dinler M et al. SPA therapy in fibromyalgia: a
randomised controlled clinic study. Rheumatol Int 2005; 26: 168–172
53 Evcik D, Kizilay B, Gokcen E. The effects of balneotherapy on fibromyalgia patients. Rheumatol Int 2002; 22: 56–59
54 Altan L, Bingöl U, Aykac M et al. Investigation of the effects of pool-­
based exercise on fibromyalgia syndrome. Rheumatol Int 2004; 24:
272–277
55 Vitorino D, Carvalho L, Prado G. Hydrotherapy and conventional physiotherapy improve total sleep time and quality of life of fibromyalgia
patients: randomized clinical trial. Sleep Med 2006; 7: 293–296
56 Schwedtke C, Kujath KRiemekasten et al. Infrarot A – Eine neue Therapiemöglichkeit des Fibromyalgiesyndroms? Poster, 33. Kongress der
Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, Dresden, 14.–17. September 2005
57 Dachverband Osteologie e. V. (DVO). DVO Leitlinie Osteoporose 2014.
Im Internet www.dv-osteologie.org/dvo_leitlinien/osteoporose-leitlinie-2014 Stand: 20.08.2015
Reißhauer A et al. Physikalische Therapie ausgewählter Erkrankungen … Akt Rheumatol 2016; 41: 81–85
Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
Übersichtsarbeit 85
Herunterladen