160_185_BIOsp_0208.qxd:160_185 11.03.2008 13:06 Uhr Seite 171 171 PCR Identifizierung neuer Mutationen durch hochauflösende Schmelzkurvenanalyse ALEXANDRE EVRAND 1, 2 , CAROLINE RAYNAL 1, 2 , JEAN-CHRISTOPHE BOYER 2 , LIONEL LE GALLIC 2 , SERGE LUMBROSO 1, 2 1 INSTITUT DE GÉNOMIQUE FONCTIONELLE, DÉPARTEMENT D’ONCOLOGIE MOLÉCUL AIRE ET CELLUL AIRE, MONTPELLIER, FRANCE, 2 L ABORATOIRE DE BIOCHIMIE, HÔPTIAL CARÈMEAU, CHU NÎMES, FRANCE Das Ziel dieser Studie war es, bekannte und unbekannte Sequenzvariationen des Cytidin-Desaminase-Gens (cda) in Tumorproben zu erfassen. cda spielt eine zentrale Rolle bei der Regulierung von Gemcitabine, das bei der Behandlung solider Tumoren eingesetzt wird. The purpose of the study was to screen known and unknown sequence variations of the cytidine deaminase (cda) gene in tumor samples. cda plays a key role in the regulation of gemcitabine, which used extensively in chemotherapeutic treatment of solid tumors. ó Das Ziel der vorliegenden Studie war es, Sequenzvariationen des Cytidin-Desaminase-Gens (cda) in Tumorproben zu erfassen. Das cda-Gen spielt eine zentrale Rolle beim Abbau beziehungsweise der Inaktivierung des Nukleosidanalogons Gemcitabine in Tumoren und der Leber, das weiten Einsatz bei der chemotherapeutischen Behandlung solider Tumoren findet. Neuere Studien zeigen, dass das cda-Gen hochgradig polymorph ist und zahlreiche Einzelbasenaustausche (single nucleotide polymorphisms, SNPs) sowie eine Insertion bzw. Deletion in Individuen kaukasischen bzw. US-amerikanischen Ursprungs aufweist. Diese genetische Variabilität könnte die individuellen Unterschiede hinsichtlich des therapeutischen Ansprechens und der Nebenwirkungen (Toxizität) auf eine Gemcitabine-basierte Krebsbehandlung erklären. Wir untersuchten cdaSequenzvariationen mittels eines neuartigen Gen-Scanning-Verfahrens, das auf der Analyse hochaufgelöster Schmelzkurven nach der PCR-Amplifikation beruht. Diese HRM™Methode (high resolution melt) ist eine Weiterentwicklung traditioneller DNA-Dissozia- tions-Analysen, die wesentlich genauere Informationen als die konventionelle Charakterisierung von DNA-Amplifikationsprodukten mit toxischen Fluoreszenzfarbstoffen wie SYBR® Green I liefert. Sie nutzt die sättigende Konzentrationen wenig toxischer, DNA-interkalierender Fluoreszenzfarbstoffe, um das Aufschmelzen von PCR-Produkten zu detektieren, erfasst Sequenzvariationen auf der Basis von Unterschieden in der Form der Schmelzkurven und gestattet es, die DNA-Sequenzierung auf solche Proben zu beschränken, die tatsächlich ungewöhnliche Sequenzinformationen beinhalten. Der LightCycler® 480 ist ein Multiwell-Platten-basiertes PCR-System, mit dem sich diese Schmelzkurven auf derselben Geräteplattform hochaufgelöst erfassen und mittels einer integrierten Software analysieren lassen. Wir haben das LightCycler® 480-System (Roche Applied Science) getestet und mit dem LightScanner-Instrument (Idaho Technology) verglichen. Material & Methoden Der LightCycler® 480-High Resolution Melting Master Mix, der einen sättigenden HRMFarbstoff (ResoLight Dye) enthält, wurde entsprechend der Packungsbeilage eingesetzt. 1 μl einer 20 ng/μl-Lösung jeder DNA-Probe (aus 46 Individuen) sowie je 3 mM MgCl2 und ˚ Abb. 1: Überblick über die genutzten PCR- und HRM-Temperaturprofile. Dieses Standard-Touch-down-PCR-Protokoll erwies sich als geeignet für alle Amplifikationen, die in dieser Studie durchgeführt wurden. BIOspektrum | 02.08 | 14. Jahrgang 160_185_BIOsp_0208.qxd:160_185 172 11.03.2008 13:06 Uhr Seite 172 MET H ODE N & AN WE N DU NGEN ¯ Abb. 2: Lokalisation der PCR-Primer und der variablen Positionen innerhalb des untersuchten cda-Gens. A B ¯ Abb. 3: HRM-Analyse eines 173 bpFragments des humanen cda-Gens. Wildtypproben sind in Blau, heterozygote Mutanten (SNP A nach C an Position +79) in Rot dargestellt. 0,5 μM jedes Primers wurden zu 9 μl PCRMix in 96-well-Platten pipettiert. Die PCR wurde nach einem Touch-down-Protokoll durchgeführt. Bei einer Touch-down-PCR wird durch die Wahl der Annealingtemperatur die Amplifikation nicht spezifischer Sequenzen verhindert. Beginnend mit einer hohen Temperatur (nahe an der Schmelztemperatur der Primersequenz), die eine spezifische Primerbindung ermöglicht, wird diese in den Folgezyklen schrittweise herabgesetzt. Die Annealingtemperaturen betrugen bei unseren Versuchen 70–60 °C. HRM-Daten wurden mit einer Akquisitionsrate von 25 Datenpunkten pro Grad Celsius erfasst (Abb. 1). Die Schmelzkurven wurden nach Fluoreszenz-Normalisierung, Temperaturverschiebung und Differenzanalyse (Vergleich mit einer Referenzkurve) graphisch dargestellt[1] und nachfolgend mittels einer automatischen Gruppierungsfunktion der Software des LightCycler® 480-Systems entsprechend ihrer Form geordnet. Amplifkate, die Sequenzvariationen aufwiesen, wurden anschließend sequenziert. Ergebnisse A B ¯ Abb. 4: Die HRMAnalyse eines 223bp-Fragments lieferte zusätzliche Informationen. Die Anwesenheit einer zusätzlichen Sequenzvariation innerhalb eines Introns in zwei Proben führte zu einer zusätzlichen durch das LightCycler 480® Gen Scanning-Modul identifizierte Gruppe (in Rot dargestellt, zwei Wiederholungen pro Probe). Abbildung 2 gibt einen Überblick des analysierten Fragments des cda-Gens. Die Feinanalyse der Schmelzkurven ergab, dass sich 22 der 46 analysierten DNA-Proben heterozygot hinsichtlich einer Sequenzänderung in dem 173 Basenpaar langen Fragment des Exons Nr. 1 befanden (Abb. 3). Die DNASequenzierung zeigte, dass die erfasste Sequenzänderung einen bekannten SNP (Lys27Gln) betraf. Alle anderen Proben hatten Wildtyp-Charakter, wobei die aus der Analyse der Schmelzkurven erhaltenen Daten zu 100 Prozent mit den Sequenzierungsdaten übereinstimmten. Bei der Analyse eines längeren Amplicons lieferte die Analyse der Schmelzkurven in zwei Fällen Informationen über eine weitere Sequenzvariation (grüne Kurven in Abb. 4). Die DNA-Sequenzierung bestätigte, dass diese beiden Variationen heterozygot für die SNPs A79C und IVS1+37G>A waren. Schlussfolgerungen Die HRM-basierte Genanalyse auf dem LightCycler 480®-System lieferte in kürzerer Zeit und mit weniger Arbeitsaufwand eine vergleichbare Sensitivität und Spezifität als bekannte konventionelle Scanverfahren wie etwa dHPLC. Die Leistung war mit der der LightScanner-Plattform vergleichbar. Allerdings erlaubte das LightCycler 480®-System BIOspektrum | 02.08 | 14. Jahrgang 160_185_BIOsp_0208.qxd:160_185 11.03.2008 als integrierte PCR-/HRM-Plattform zugleich eine online-Überwachung der Amplifikationseffizienz und lieferte zudem Informationen über das Erreichen der Plateauphase. Im Gegensatz zur Analyse mit dem LightScanner war eine Ölüberschichtung der Platten nicht erforderlich. Zugleich erwies sich die Software des LightCycler 480®-Systems als bedienungsfreundlich. Es konnten heterozygot auftretende Einzelbasentausche in PCR-Produkten (in unseren Experimenten bis zu einer Länge von 622 Basenpaaren) mit optimaler Sensitivität und Spezifität identifiziert werden (Daten nicht gezeigt). Die Differenzierung des homozygoten Wildtyps von Mutationen erwies sich als hochgradig abhängig von diversen Target-spezifischen Faktoren, darunter etwa die Länge des Amplikons sowie das GC-Verhältnis. Die Amplifikation von Wildtyp-DNA (Spike), die allen Proben beigemischt wurde, und ihr Vergleich mit nicht gespikten PCR-Reaktionen hat sich hier, wie von anderen gezeigt wurde, als wertvoller Ansatz erwiesen, diesen Einfluss zu klären. Unsere Gen-Scanning-Resultate erwiesen sich als optimal, wenn die Ausgangsmenge der DNA soweit möglich standardisiert wurde. Dies war nicht immer einfach, weil die Blutproben aus unterschiedlichen Quellen stammten und daher ihre DNA-Qualität variierte. Das von Roche empfohlene Schmelz-Protokoll erwies sich für die meisten unserer Experimente als geeignet. Ebenso war der LightCycler® 480-High Resolution Melting Master Mix gut zu handhaben, weil alle Komponenten einschließlich des neuen ReBurZie120203soLight-HRMFarbstoffs in einem Röhrchen angeboten werden. Dass MgCl2 separat angeboten wird, gestattete es uns, die Konzentrationen an ein zuvor optimiertes PCR-Protokoll anzupassen. Zusammengefasst zeigen unsere Ergebnisse, dass das LightCyBIOspektrum | 02.08 | 14. Jahrgang 13:06 Uhr Seite 173 cler® 480-System eine innovative, integrierte Lösung ist, um Genvariationen mithilfe der hochaufgelösten Schmelzkurvenanalyse nach PCR in Genfragmenten aufzuspüren. ó Literatur [1] Hoffmann, M., Hurlebaus, J. Weilke, C. (2007): Novel Methods for High-Performance Melting Curve Analysis Using the LightCycler® 480 System. Biochemica 1: 17– 19. [2] Mercier, C., Raynal, C., Dahan, L., Ortiz, A., Evrard, A., Dupuis, C., Blesius, A., Duluc, M., Franceschini Fleur, Giacometti, S., Salas, S., Milano, G., Favre, R., Seitz, J.-F., Ciccolini, J. (2007): Toxic death case in a patient undergoing gemcitabine-based chemotherapy in relation with cytidine deaminase downregulation. Pharmacogenet. Genomics. 17: 841– 844 Korrespondenzadresse: Dr. Alexandre Evrard Institut de Génomique Fonctionnelle CNRS UMR5203 – INSERM U661 – Universités Montpellier I et II Département d’Oncologie Cellulaire et Moléculaire Faculté de Médecine de Montpellier – Nîmes Site de Nîmes Avenue due Président Kennedy F-30908 Nîmes cedex 2 Tel.: +33-(0) 467548618 Fax: +33-(0) 467668188 [email protected]