Arbeitshilfe zur Zusammenarbeit von angestellten Hebammen und Beleghebammen Ein großes Interesse geburtshilflicher Abteilungen ist die Steigerung der Geburtenzahlen aus betriebswirtschaftlichen Gründen. Daneben sollen die Personalkosten so weit wie möglich gesenkt werden. Seit dem Ende der 1990iger Jahre beobachten wir als Berufsverband die Schließung und Fusionierung von geburtshilflichen Abteilungen oder deren Umstellung ins Belegsystem. Eine weitere Organisationsform geburtshilflicher Abteilungen ist die Aufnahme von Beleghebammen in ein bestehendes Kreißsaalteam mit angestellten Hebammen. Um für diese besondere Form der Kooperation eine für alle Beteiligten zufrieden stellende Ausgangsbasis zu schaffen, müssen die Bedingungen und Voraussetzungen im Vorfeld geklärt und vertraglich geregelt worden sein: Dieses Papier soll angestellten und freiberuflichen Hebammen helfen, den Veränderungsprozess konstruktiv und positiv zu gestalten. Ideale innerbetriebliche Voraussetzungen für die Einführung eines Mischsystems § Das Team der angestellten Hebammen wird frühzeitig über das Vorhaben informiert und beschließt gemeinsam mit der Geschäftsführung und anderen Entscheidungsträgern die Einführung oder Ablehnung eines Mischsystems. Die Entscheidung für die Zusammenarbeit mit Beleghebammen kann nicht alleine aus ökonomischen Gründen gefällt werden. § Die bereits am Krankenhaus beschäftigten Hebammen entscheiden über die Anzahl und die Auswahl der Beleghebammen. § Die Anstellung von Beleghebammen darf nicht mit Stelleneinsparungen bei den angestellten Hebammen einhergehen. Die Einführung eines Mischsystems bedeutet einen erheblichen organisatorischen Mehraufwand. Die zusätzliche Arbeitszeit für die leitende Hebamme muss im Stellenplan berücksichtigt werden. § Vertragsgestaltung Die Ausgestaltung des Belegvertrages zwischen Beleghebamme und Geschäftsführung sollte unter Mitwirkung der Leitenden Hebamme stattfinden. Bestandteile des Vertrages sind 1. Einarbeitung Da die Beleghebamme zwar zusätzlich zur anwesenden angestellten Hebamme, aber eigenverantwortlich arbeitet, muss eine angemessene Einarbeitung gewährleistet sein. Die Dauer der Einarbeitung ist so zu bemessen, dass die Beleghebamme selbständig arbeiten kann und insbesondere bei Notfällen sicher reagiert. Darüber hinaus ist sie mit den hausüblichen Laboranforderungen, Verwaltungsprogrammen und Nebenarbeiten vertraut. Sinnvoll ist die Entwicklung eines Leitfadens für den Einarbeitungsprozess. Die Beleghebamme erhält eine Checkliste zum Nachweis der Unterweisung. Die Verantwortung für 1 die Einarbeitung liegt bei der Beleghebamme. Da die Einarbeitungszeit nicht im Rahmen der Gebührenordnung vergütet wird, ist diese Tätigkeit Gegenstand der individuellen Vertragsverhandlungen. Darüber hinaus wird der Aufwand für die Einarbeitung im Stellenplan der angestellten Hebammen berücksichtigt. 2. Nicht-originäre Hebammentätigkeiten Neben den originären Hebammenleistungen gehören auch die Durchführung der im Krankenhaus üblichen Verwaltungs- und Dokumentationsarbeiten sowie Vor-, Nachbereitungs- und Aufräumarbeiten zu ihren Aufgaben. Die Beleghebamme beteiligt sich am hausinternen Qualitätsmanagement. Die Vergütung der Tätigkeiten außerhalb der Hebammengebührenordnung ist Bestandteil des Belegvertrages. 3. Übernahme und Betreuung der Gebärenden Im Idealfall kommt die Beleghebamme gemeinsam mit der Gebärenden in die Klinik. Ist die Beleghebamme bei der Aufnahme der Gebärenden nicht anwesend, sind Absprachen zu folgenden Punkten notwendig: • wann wird die Beleghebamme gerufen? • wer ruft die Beleghebamme (Gebärende oder angestellte Hebamme?)? • Festlegung innerhalb welcher Zeit die Beleghebamme nach dem Ruf im Kreißsaal anwesend ist • Übernimmt die Beleghebamme die Betreuung erst später, und die Frau wurde durch eine angestellte Hebamme begleitet, bedarf es einer vertraglichen Abklärung darüber, ab welcher Betreuungsdauer durch eine angestellte Hebamme die Geburt nicht mehr als Beleggeburt weitergeführt werden kann. • Regelung der Erreichbarkeit 4. Anzahl der Geburten pro Monat und Dauer der Betreuung Eine Regelung bezüglich der minimalen und maximalen Geburtenzahl pro Monat ist zu diskutieren, um die Arbeitsqualität zu sichern. Ebenso wird aus qualitätssichernden Gründen empfohlen, die Arbeitszeitdauer der Hebamme pro Anwesenheit zu begrenzen. Idealerweise besteht dafür eine Kooperation mit anderen Beleghebammen, so dass diese sich gegenseitig vertreten und ablösen können. 5. Standards, Rechte, Pflichten Die Beleghebamme kennt und akzeptiert die vereinbarten geburtshilflichen Standards sowie ihre Rechte und Pflichten als Mitglied des Hebammenteams. 6. Regelung bei Abwesenheit Die Beleghebamme regelt ihre Vertretung bei Urlaub, Krankheit, Elternzeit, etc. 7. Verpflichtungserklärung In dem Belegvertrag verpflichtet sich die Beleghebamme, die Organisationsstatuten und die Hausordnung des Krankenhauses anzuerkennen und in ihre Arbeit einzubeziehen. Für den Kreißsaalbereich werden diese durch den Chefarzt und die Leitende Hebamme definiert. 8. Kündigung, Befristung, Probezeit Der Vertrag regelt die Kündigungsfristen beider Parteien sowie eine mögliche Befristung des Vertrags und Probezeit. 9. Versicherung Die Beleghebamme schließt eine Berufshaftpflichtversicherung ab. 2 Der Krankenhausträger ist für einen ausreichenden Versicherungsschutz der angestellten. Hebamme verantwortlich. Die Beleghebamme haftet für die angestellte Hebamme, wenn diese als Erfüllungsgehilfin in ihrem Auftrag in eine Geburt involviert ist. 10. Ausbildung Die Bereitschaft der Beleghebamme Hebammenschülerinnen auszubilden, muss vorab geklärt werden. 11. Supervision Die Einführung eines Mischsystems sollte durch eine Supervision begleitet werden. Daran nehmen neben den angestellten Hebammen und den Beleghebammen ebenso die Ärztinnen und Ärzte, sowie die Gesundheits- und Krankenpflegenden und Kinderkrankenpflegenden der geburtshilflichen Stationen teil. Vor- und Nachteile eines Mischsystems Die Krankenhausträger erhoffen sich durch das Angebot, Geburten von Beleghebammen begleiten zu lassen eine Steigerung der Geburtenzahlen, um damit ihre territoriale Marktführerschaft zu sichern. Häufig lässt sich eine Steigerung der Geburtenzahlen durch die Beschäftigung von Beleghebammen allein allerdings kaum erreichen. Die erhoffte „ Kundenbindung“ erfährt die Beleghebamme, weniger das Haus. In anderen Fällen bleibt die Geburtenzahl gleich, jedoch findet eine Verschiebung der Geburten zu Gunsten der Beleghebamme statt und führt damit durch die niedrigere DRG zu einer Mindereinnahme für die Abteilung. Die Implementierung eines Mischsystems ist eine hochsensible Angelegenheit, die gut begleitet werden muss. Zunächst entstehen Zusatzkosten im Verwaltungsbereich durch die wirtschaftliche und juristische Vorabklärung, sowie durch die Erstellung von Verträgen. Die Einarbeitung der Beleghebammen erfordert Mehrarbeit seitens der Leitenden Hebamme und der Hebammen des Teams. Eine die Einführung begleitende Supervision dient der Akzeptanz des neuen Systems und trägt zur Konfliktlösung bei. Beleghebammen sind, im Gegensatz zu angestellten Hebammen, seitens des Arbeitgebers nicht flexibel einsetzbar. So kann eine Pflegedienstleitung bei personellen Engpässen auf der Wochenstation eine Beleghebamme nicht zum Dienst dort verpflichten, eine angestellte Hebamme hingegen schon. Die Anbindung von Beleghebammen an ein Krankenhaus kann positive Auswirkungen auf die Ausbildung von Hebammenschülerinnen haben, weil sich dadurch das Ausbildungsspektrum erweitert. Ebenso kann die klinische Geburtshilfe, auch durch den Austausch der Kolleginnen untereinander, eine Erneuerung erfahren. Die Einführung eines Mischsystems wird zunächst für große Unruhe im bestehenden Hebammenteam sorgen, weil damit Befürchtungen eines Arbeitsplatzverlustes verbunden sind. Sinnvoll ist die Beschäftigung von Beleghebammen in einem Kreißsaalteam dann, wenn die Beleghebammen als Kooperationspartnerinnen der angestellten Kolleginnen agieren und nicht als deren Konkurrentinnen. Werden Beleggeburten als Zusatzangebot einer geburtshilflichen Klinik ausgewiesen, profitieren alle Beteiligten vom neuen System. Kommission angestellte Hebammen Helga Albrecht, Andrea Bosch, Rosi Eisenmann, Susanne Hotz, Martina Klenk, Doris Knorr, Yvonne Knuth, Angela Wehr im Mai 2008 3