Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit von Michael Zirpel, Version 19.12.2004 [email protected] Der Kern der Quantenmechanik wird als eine alternative Wahrscheinlichkeitstheorie präsentiert. Vorteile: è Leichterer Zugang für Nicht-Physiker, die mit Wahrscheinlichkeits- bzw. Maßtheorie vertraut sind è Manche Strukturen werden klarer und verständlicher è Es wird deutlicher, wie sehr die Quantenmechanik die “Fundamente” in Frage stellt: z.B. die Verwendung einer Mengenalgebra als Ereignisalgebra. Im 1. Abschnitt wird die Quantenwahrscheinlichkeitstheorie (QWT) eingeführt, im 2. Abschnitt werden die Grundpostulate der Quantenmechanik als Anwendung dieser QWT formuliert, sowie einige Folgerungen bzgl. der Kausalität formuliert. Literatur: D.W. Cohen, An Introduction to Hilbert Space and Quantum Logic, Springer Verlag, 1989 J.M. Jauch, Foundations of Quantum Mechanics, Addison-Wesley Publishing Company,1968 V.S. Varadarajan, Geometry of Quantum Theory, D. Van Nostrand Company, 1968 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit 1 Quantenwahrscheinlichkeit Ein Zufallsexperiment wird in der Wahrscheinlichkeitstheorie (WT) mit folgenden Hilfsmitteln beschrieben: è è è è Ergebnisraum W: Menge als Träger der Strukturen Ereignisalgebra : System von Teilmengen aus W, den Ereignissen, die bzgl. der Mengenoperationen abgeschlossen ist (eine s-Algebra bildet) Wahrscheinlichkeitsmaß: eine Funktion p : Ø @0, 1D, die jedem Ereignis eine Wahrscheinlichkeit zuordnet Zufallsvariablen: -meßbare Funktionen W Ø , die Meßgrößen im Zufallsexperiment repräsentieren. (Wir beschränken uns auf reellwertige Zufallsvariablen d.h. -()meßbare Funktionen W Ø ). Die Quantenwahrscheinlichkeitstheorie (QWT) verwendet folgende Hilfsmittel: è è è è Ergebnisraum : Hilbertraum als Träger der Strukturen Ereignisalgebra (): System der abgeschlossenen Teilräume von bzw. der Projektionsoperatoren auf diese Teilräume Wahrscheinlichkeitsmaß: eine Funktion p : HL Ø @0, 1D, die jedem Ereignis eine Wahrscheinlichkeit zuordnet. Zufallsvariablen, Funktionen von ()Ø(), sogenannte projektorwertige Maße, die Meßgrößen im Zufallsexperiment repräsentieren. 2 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit 1.1 Ergebnisraum Der Ergebnisraum der QWT ist ein komplexer, separabler êê Hilbertraum Y, X, \, +, 0, ÿ , ], also ein unitärer Vektorraum, der vollständig und separabel ist: Ein unitärer Vektorraum ist ein Vektorraum über den komplexen êê Zahlen Y, +, 0, ÿ , ], in dem ein Skalarprodukt (Sesquilinearform bzw. positiv definite hermitesche Form) definiert ist: X , \ : ä Ø , Hj, cL # Xj, c\ (1) mit folgenden Eigenschaften " a, b œ " j, c œ : Xj, c\ = X c, j\* Xj, c + y\ = Xj, c\ + Xj, y\ (2) êê Xj, j\ ¥ 0 ; Xj, j\ = 0 ñ j = 0 (4) Xj, a c\ = a Xj, c\ (3) (5) Durch das Skalarprodukt kann einerseits die Orthogonalität zwischen Vektoren definiert werden " j, c œ : j ¦ c : ñ Xj, c\ = 0 und andererseits eine Norm (Länge) " j œ è!!!!!!!!!!!! » j » := Xj, j\ (6) (7) d.h. es gilt " a, b œ " j, c œ : »j» ¥0 êê »j»=0 ñj= 0 »aj»= »a» »j» » j + c » § » j » + » c » HDreiecksungleichungL (8) (9) (10) (11) 3 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit » j - c » kann als Abstand zwischen den Vektoren j, c verstanden werden. Daher kann mittels der Norm die Konvergenz einer Folge Hji Liœ von Vektoren aus gegen einen Grenzwert j œ definiert werden: lim ji = j : ñ lim À ji - j À = 0 iض (12) iض Ein komplexer Hilbertraum ist ein unitärer Vektorraum, der bzgl. der Normkonvergenz vollständig ist, d.h. alle in sich konvergenten Folgen haben einen Grenzwert, " Hji œ Liœ : lim » ji - jk » = 0 fl $ j œ : lim ji = j i,kØ ¶ iض (13) Ein komplexer Hilbertraum ist separabel, wenn es eine Folge Hji Liœ von Vektoren aus gibt, die dicht in liegt $ Hji œ Liœ : " j œ " ¶ œ , ¶ > 0 : $ k œ : » j - jk » < ¶ (14) (ähnlich wie die abzählbare Menge der rationalen Zahlen dicht in liegt). Beispiele für Hilberträume: 1. n : Komplexe n-Tupel (für k Qubits ist n = 2k ) j = Hc1, c2, ... cn L, c = Hd1, d2, ... dn L Vektorraum: a j + b c := Ha c1 + b d1 , a c2 + b d2 , ..., a cn + b dn L Skalarprodukt: n X , \ : n µ n Ø , Hj, cL # Xj, c\ := ⁄i=1 ci * di 2. 2 : Komplexwertige Zahlenfolgen j = Hc1, c2, ... L = Hci Liœ , c = Hd1, d2, ... L = Hdi Liœ 4 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit deren Reihe der Betragsquadrate konvergiert: ¶ » ci »2 < ¶ ⁄i=1 Vektorraum: a j + b c := Ha c1 + b d1 , a c2 + b d2 , ...L = Ha ci + b di Liœ Skalarprodukt: X , \ : µ Ø , Hj, cL # Xj, c\ := ‚ ci * di ¶ 2 2 (15) i=1 3. 2Hn L: Komplexwertige, quadratintegrierbare Funktionen auf n ("Wellenfunktionen” für mechanische Systeme mit n Freiheitsgraden): j : n Ø , Hx1 , ..., xn L # jHx1, ..., xn L deren Betragsquadrat integrierbar ist, d.h. n 2 Ÿ » j Hx1, ..., xn L » dx < ¶ n Vektorraum: a j + b c : n Ø , Hx1 , ..., xn L # Ha j + b cL Hx1 , ..., xnL := a jHx1 , ..., xn L + b cHx1 , ..., xn L œ 2Hn L (16) Skalarprodukt: X , \ : 2Hn L µ 2 HnL Ø , Hj, cL # Xj, c\ := n * ‡ j Hx1, ..., xn L cHx1 , ..., xn L dx (17) n Da es Funktionen gibt, deren Betragsquadratintegral 0 ergibt und damit (5) verletzen, führt erst eine Äquivalenzklassenbildung zum Hilbertraum: j ~ j£ : ñ : Ÿ » j - j£ »2 dxn = 0 n 5 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit Der Hilbertraum 2 Hn L ist isomorph zum Hilbertraum 2 . Heisenbergs Matrizenmechanik benutzte implizit den Raum 2 , Schrödingers Wellenmechanik dagegen 2 Hn L. Die Äquivalenz beider Darstellungen wurde allerdings bald erkannt. Ein Vektor j œ mit der Norm » j » = 1 heißt Einheitsvektor. Ein n-Tupel oder eine Folge Hji LiœIŒ von paarweise orthogonalen Einheitsvektoren, d.h. " i œ I : Xji , j j \ = di j , aus heißt Orthonormalsystem. Ein Orthonormalsystem heißt vollständig oder Orthonormalbasis von wenn " j œ : ‚ Xj, ji \ ji = j (18) iœI wobei für unendliche I die Summe als Grenzwert im Sinne der Normkonvergenz aufzufassen ist. Die Kardinalität » I » von I ist für alle vollständigen Orthonormalsysteme gleich und wird als Dimension von bezeichnet. Die Räume 2 und 2 HnL haben abzählbar unendliche Dimension, n hat die Dimension n. 1.2 Ereignisalgebra Im folgenden ist “Hilbertraum” immer als Abkürzung für “komplexer, separabler Hilbertraum” gemeint. 1.2.1 Teilräume des Hilbertraums Ein abgeschlossener Teilraum T eines Hilbertraums ist eine Teilmenge T Œ , die selbst wieder ein Hilbertraum ist: " j, c œ T " a, b œ : a j + b c œ T " Hji œ TLiœ : lim à ji - jk à = 0 fl lim ji œ T i,kØ ¶ iض (19) (20) 6 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit Mit () bezeichnen wir die Menge aller abgeschlossenen Teilräume von . Die Mengeninklusion Œ definiert eine Inklusion (und damit eine partielle Ordnung) zwischen den Teilräumen. Wegen (19) ist der êê êê Nullvektor 0 in jedem Teilraum enthalten, 80< ist daher der kleinste Teilraum in HL, der größte. Der Durchschnitt zweier Teilräume ist wieder ein Teilraum " A, B œ HL : A › B œ HL Die Vereinigungsmenge zweier Teilräume A, B œ HL ist selbst kein Teilraum, aber der kleinste Teilraum aus () der A ‹ B enthält, kann zur Definition einer “Teilraumvereinigung” verwendet werden " A, B œ HL : A ü B := Ë 8C œ HL » A ‹ B Œ C< (21) (22) A ü B enthält neben allen Vektoren aus A und B auch alle Linearkombinationen dieser Vektoren. Ein Komplement zu einem Teilraum A kann durch die Menge aller Vektoren, die zu allen Vektoren aus A orthogonal sind, definiert werden " A œ HL : A¦ := 8j œ » " c œ A : Xj, c\ = 0< Wir definieren noch die Orthogonalität für zwei Teilräume A, B œ HL: A ¦ B : ñ " j œ A : " c œ B : Xj, c\ = 0 Es gilt natürlich " A, B œ HL : (23) A ¦ A¦ (24) A ¦ B ñ A¦ Œ B (25) 7 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit Man kann sich diese Operationen und Relationen gut im dreidimensionalen Raum veranschaulichen: die Vektoren sind Pfeile die vom Nullpunkt ausgehen, die Teilräume sind dann Nullpunkt (Nullraum), Geraden und Ebenen durch den Nullpunkt, sowie der gesamte Raum. D B 0 C A Im Bild ist A ü B die von den Geraden A und B aufgespannte Ebene. Es gilt A ü B = A ü C = A ü C. Der Durchschnitt aus der Ebene A ü B und der Gerade C ist C: HA ü BL › C = C. Im 3dimensionalen Raum ist die Ebene A ü B das Komplement der Gerade D: D¦ = A ü B, und umgekehrt HA ü BL¦ = D. Die Ebene B ü D ist übrigends nicht orthogonal zur Ebene A ü B, denn HA ü BL › HB ü DL =B. Es gibt also Vektoren in B ü D die nicht orthogonal zu allen Vektoren aus A ü B sind. 1.2.2 Orthomodularer Verband êê Y HL, Œ , › , ü , 80<, , ¦ ] ist ein vollständiger, orthomodularer êê Verband mit [0 ] als 0-Element und als 1-Element. Das bedeutet: Verband: " A, B, C œ HL : AüB=BüA A › B = B › A HKommutativitätL (26) 8 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit HA ü BL ü C = A ü HB ü CL HA › BL › C = A › HB › CL HAssoziativitätL AüA=A A › A = A HIdempotenzL A › HA ü BL = A A ü HA › BL = A HAbsorptionL AŒBñ A›B= A (27) (28) (29) (30) Vollständigkeit: " F Œ T : $ üAœF A, ›AœF A Beschränktheit (0- und 1-Element): êê " A œ HL : 80< Œ A Œ (31) Orthokomplementarität: ¦ : HL Ø HL : A # A¦ ist eine bijektive Abbildung und es gilt " A, B œ HL : HA¦ L¦ = A êê A ü A¦ = , A › A¦ = 80< A Œ B fl B¦ Œ A¦ (32) (33) (34) Orthomodularität: " A, B œ HL : A Œ B fl B = A ü HA¦ › BL Folgerungen " A, B œ HL : A › 1 = A, A ü 0 = A A ü 1 = 1, A › 0 = 0 HA ü BL¦ = A¦ › B¦ , HA › BL¦ = A¦ ü B¦ Hde MorganL (35) (36) (37) 9 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit 1.2.3 Distributivität Auch eine s-Algebra über W bildet mit den Mengenoperationen einen orthomodularen Verband X, Œ , › , ‹ , «, W , £ \, allerdings gilt dort zusätzlich das Distributivgesetz " A, B, C œ : HA ‹ BL › C = HA › CL ‹ HB › CL HA › BL ‹ C = HA ‹ CL › HB ‹ CL (38) Einen orthokomplementären Verband, in dem das Distributivgesetz gilt, nennt man auch boolesche Algebra. Er ist dann automatisch auch orthomodular. Jede boolesche Algebra ist isomorph zu einer Mengenalgebra, also einem System aus Teilmengen einer Menge mit den üblichen Mengenoperationen als Verknüpfungen. In () gilt das Distributivgesetz i.A. nicht. Im folgenden Bild liegen z.B. die Geraden A, B, C alle in der Ebene A ü B und es gilt HA ü BL › C = C, aber A › C = 0 und B › C = 0 und somit HA › CL ü HB › CL = 0. B 0 C A Ein Teilverband eines orthokomplementären Verbandes ist eine Teilmenge, die 0- und 1-Element beinhaltet und bezüglich der Verbandsoperationen abgeschlossen ist. In jedem orthokomplementären Verband gibt Teilverbände, in denen das Distributivgesetz gilt, z.B. in HL mit einem beliebigen Element A der aus 10 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit 8 0, A, A¦ , 1< bestehende Verband. Einen Teilverband, in dem das Distributivgesetz gilt, nennt man distributiv oder boolesch, er bildet eine boolesche Algebra. 1.2.4 Kompatibilität Durch die fehlende Distributivität werden paradoxe Situationen “verursacht”: Seien wie im letzten Bild A, B œ HL mit A ¦ B. Dann gibt es ein C wie im Bild mit C Œ A ü B und C › A = 0 und C › B = 0. Interpretieren wir HL als Ereignisalgebra, dann bedeutet das: Tritt das Ereignis C ein, so tritt das Ereignis A ü B ebenfalls ein, obwohl weder das Ereignis C › A noch das Ereignis C › B eintritt. Beispielsweise im Doppelspaltexperiment: A, B werden interpretiert als die Ereignisse “Das Teilchen geht durch Spalt 1”, “Das Teilchen geht durch Spalt 2”. Tritt das Ereignis C ein, so tritt auch das Ereignis “Das Teilchen geht durch Spalt 1 ODER das Teilchen geht durch Spalt 2” ein, aber weder “Das Teilchen geht durch Spalt 1” noch “Das Teilchen geht durch Spalt 2”. C ist durch eine sogenannte Superposition von A und B gegeben, d.h. eine Linearkombination von Vektoren aus A und B. Im Beispiel ist C der eindimensionale Teilraum, der von der Superposition j + c zweier Einheitsvektoren j œ A, c œ B erzeugt wird, C = 8c Hj + cL » c œ <. Eine weitere Quelle von Paradoxien: A › B = 0 “trennt” A und B nicht stark genug. Wir würden erwarten, daß A › B = 0 fl B Œ A¦ aber es gibt durchaus Fälle, in denen A › B = 0 und A › B¦ = 0, obwohl A › HB ü B¦ L = A. 11 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit Im letzten Beispiel würden wir wegen A › C = « erwarten, daß auch C Œ A¦ gilt, daß also das Eintreten vom Ereignis C das Eintreten vom Ereignis A¦ impliziert. Wenn also im Doppelspaltexperiment C eintritt, sollte “das Teilchen NICHT durch den Spalt 1 gehen" (und auch nicht durch den Spalt 2, wegen B › C = «). Aber dies ist nicht der Fall. Die Ereignisse, “das Teilchen geht NICHT durch Spalt 1”, “das Teilchen geht NICHT durch Spalt 2” treten ebenfalls nicht ein. Wir können also weder sagen das “Teilchen geht durch einen der Spalte” noch sagen “das Teilchen geht NICHT durch einen der Spalte". Die Orthogonalität liefert eine stärkere Trennung im Sinne eines entweder-oder: A ¦ B ñ A Œ B¦ A¦Bfl A›B=0 A › B = 0 ñ A Œ B¦ (39) (40) In einer Booleschen Algebra gilt (41) Da alle diese Paradoxien mit der fehlenden Distributivität zusammenhängen, kann man sie vermeiden, wenn man sich auf distributive Teilverbände beschränkt. Zwei Teilräume A, B œ HL werden als kompatibel bezeichnet, Kurzschreibweise A ÑB, wenn es einen booleschen Teilverband Œ HL mit A, B œ . Die Kompatibilitätsrelation ist symmetrisch und reflexiv, aber i.A. nicht transitiv. A ¦ B fl A ÑB A ÑB fl HA › B = 0 ñ A Œ B¦ L A ÑB, B ÑC, A ÑC fl HA ‹ BL › C = HA › CL ‹ HB › CL HA › BL ‹ C = HA ‹ CL › HB ‹ CL (42) (43) (44) 12 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit 1.2.5 Projektionsoperatoren Die lineare Struktur des Hilbertraums ermöglicht die Algebra der linearen Operatoren. Zunächst einige Begriffe zu linearen Operatoren: Ein linearer Operator L in ist eine Abbildung von einer Teilmenge DHLL Œ , dem Definitionsbereich von L, nach L : DHLL Ø , j # LHjL mit der Eigenschaft " a, b œ " j, c œ : LHa j + b cL = a LHjL + b L H cL (45) Man verwendet die Operatorschreibweise L j anstelle der Funktionenschreibweise LHjL. Die Menge der linearen Operatoren in sei mit () bezeichnet. Wir betrachten im folgenden nur sogenannte beschränkte lineare Operatoren, deren Definitionsbereich ganz ist, und bezeichnen sie mit (). Jede Linearkombination zweier linearer Operatoren L, M œ HL definiert wieder einen linearen Operator " a, b œ " j œ : a L + b M : Ø , j # Ha L + b ML HjL = a L j + b M j (46) Die Verkettung linearer Operatoren definiert ein Produkt. Seien L, M œ HL lineare Operatoren in , dann ist durch L M : Ø , j # HL ML HjL = LHMHjLL = L M j (47) ein Produkt definiert. Dieses Produkt ist aber im allgemeinen nicht kommutativ, M L ∫ L M . Der 1-Operator ist die identische Abbildung: 1 : Ø , j # 1 j = j (48) 13 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit Mittels Linearkombinationen und Produkten können z.B. Polynome von Operatoren definiert werden, wie: a L2 + b L + c 1 : Ø , j # a LHLHjLL + b LHjL + c j Seien L, M œ HL lineare Operatoren auf . Gilt für alle j, c œ Xj, L c\ = XM j, c\ (49) so bezeichnet man M als adjungierten Operator zu L und schreibt M = L* (50) Ein Operator L heißt selbstadjungiert, wenn gilt: L = L* Ein Operator U heißt unitär, wenn gilt: ` U U* = U* U = 1 (51) (52) Projektionsoperatoren: Sei T œ HL ein abgeschlossener Teilraum von . Dann existiert für jeden Vektor j œ eine eindeutige Zerlegung in zwei Vektoren c, c£ œ , so daß gilt: j = c + c£ mit c œ T und c£ œ T ¦ (53) ET j = c mit c œ T und j - c = c£ œ T ¦ (54) Jedem abgeschlossenen Teilraum T œ HL kann deshalb ein linearer Operator ET zugeordnet werden, der den Anteil eines Vektors liefert, der im Teilraum T liegt: wobei natürlich ET c = c und daher für " j, c œ ET ET j = ET j ñ ET 2 = ET XET j, c\ = Xj, ET c\ ñ ET * = ET (55) (56) 14 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit Einen solchermaßen definierten Operator ET bezeichnet man als Projektionsoperator oder kürzer Projektor. Die Menge der Projektoren in bezeichnen wir mit (). Ein linearer Operator E œ HL ist genau dann ein Projektor, wenn gilt: E 2 = E und E = E * Wir bezeichnen den zum Projektor E gehörigen Teilraum mit @ED: (57) Für jeden Vektor j œ @ED gilt E j = j, d.h. j ist Eigenvektor von E zum Eigenwert 1. Es gilt sogar " j œ : (58) @ED = E = 8E j » j œ < E j = 1 j = j ñ j œ @ED êê E j = 0 j = 0 ñ j œ @ED¦ (59) Ein Projektor hat keine anderen Eigenwerte als 0 und 1. Zwischen den Projektoren aus () und den vollständigen Teilräumen aus () besteht eine umkehrbar eindeutige Beziehung: T = @ET D und E@ED = E . Wir können daher die Verknüpfungen, Funktionen und Relationen, die wir für () definiert haben, auch für () definieren: E1 › E2 := E@E1 D›@E2 D E1 ü E2 := E@E1 Dü@E2 D E ¦ := E@ED¦ E1 Œ E2 : ñ @E1 D Œ @E2 D E1 ¦ E2 : ñ @E1 D ¦ @E2 D E1 ÑE2 : ñ @E1 D Ñ@E2 D ` ` 0, 1 sind die Projektionsoperatoren auf [0] und . ` ` Damit ist ZHL, Œ , Ë , Ø , 0, 1, ¦ ^ ebenfalls ein vollständiger, orthomodularer Verband, und bildet die Ereignisalgebra der QWT. 15 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit Neben den verbandstheoretischen Beziehungen gilt für die Projektoren eine Reihe von algebraischen Beziehungen: E1 Œ E2 ñ E1 E2 = E1 ` E¦ = 1 - E ` E1 ¦ E2 ñ E1 E2 = 0 E1 á E2 ñ E1 E2 = E2 E1 (60) (61) (62) (63) Wenn Projektoren kommutieren, gehören die zugehörigen Teilräume einer booleschen Teilalgebra an und es gelten folgende Beziehungen: E1 E2 = E2 E1 fl E1 › E2 = E1 E2 E1 E2 = E2 E1 fl E1 ü E2 = E1 + E2 - E1 E2 (64) (65) die Summe von orthogonalen Projektoren ist wieder ein Projektor, und zwar auf den Teilraum der durch die Teilraumvereinigung erzeugt wird: E1 ¦ E2 fl E1 ü E2 = E1 + E2 1.3 1.3.1 (66) Wahrscheinlichkeitsmaße Q-Wahrscheinlichkeitsmaß Ein Q-Wahrscheinlichkeitsmaß (QW-Maß) ist eine Abbildung der Ereignisalgebra HL in die reellen Zahlen p : HL Ø , p # pHEL die folgende, an die Kolmogorov-Axiome der WT angelehnte Bedingungen erfüllt: " E œ HL : 0 § pHEL (67) 16 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit ` pH1L = 1 für jede Folge HEi L paarweise orthogonaler Projektoren Ei œ HL (d.h. Ei ¦ Ek für i ∫ k ) gilt p H üi Ei L = ‚ pHEi L i (68) (69) Wie in der WT folgt: " E œ HL : pHEL § 1 ` pH0L = 0 E1 Œ E2 fl pHE1 L § pHE2 L pHE ¦ L = 1 - pHEL pHE1 ü E2 L π pHE1 L + pHE2L - pHE1 › E2 L (70) (71) (72) (73) Es gilt aber im allgemeinen im Gegensatz zur WT (74) Für kompatible E1 , E2 in einem distributiven Teilverband tritt jedoch Gleichheit ein. Ein boolescher Teilverband von HL ist isomorph zu einer Mengenalgebra. Reduziert auf einen solchen Teilverband verhält sich ein QW-Maß wie ein Wahrscheinlichkeitsmaß der WT, denn in einer booleschen Algebra gilt E1 › E2 = 0 ñ E1 ¦ E2 (75) (67)-(69) sind dann äquivalent zu den Kolmogorov-Axiomen. 1.3.2 Durch Einheitsvektoren induzierte QW-Maße Wir bezeichnen die Menge aller Einheitsvektoren j œ mit (): HL := 8j œ » Xj, j\ = 1<. Durch jeden Einheitsvektor j œ HL wird ein QWahrscheinlichkeitsmaß pj folgendermaßen definiert: 17 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit pj : HL Ø , pj # pj HEL := Xj, E j\ (76) Denn für alle j œ gilt: Xj, E j\ = Yj, E 2 j] = XE j, E j\ = » E j »2 ¥ 0. ` Für alle Einheitsvektoren j œ HL gilt Yj, 1 j] = Xj, j\ = 1. Weiterhin gilt wegen der paarweisen Orthogonalität der HEi L, daß üi Ei = ⁄i Ei . Damit und aus der Linearität des Skalarprodukts folgt pj H üi Ei L = Xj, ⁄i Ei j\ = ⁄i Xj, Ei j\ = ⁄i pj HEi L. Auch die Wahrscheinlichkeiten kann man sich gut geometrisch veranschaulichen, wenn man in E j als Projektion des Einheitsvektors j in den Teilraum E begreift, und das Skalarprodukt als das Quadrat der resultierenden Länge (§1), denn es gilt Xj, E j\ = XE j, E j\ = » E j »2 . E1 E2 χ 0 ϕ Man sieht im Bild, daß die Projektion des Einheitsvektors j auf die Geraden E1 , E2 eine relativ kleine Länge ergibt, je näher E1 , E2 der Senkrechten zu j sind, desto näher liegt die Länge der Projektion bei 0. Dann gilt mit dem Maß j: pj HE1 L º 0, pj HE2 L º 0, pj HE1 › E2 L = 0 aber pj HE1 ü E2 L = 1 (denn j liegt in der Ebene), d.h. es gilt 1 = pj HE1 ü E2 L π pj HE1 L + pj HE2 L - pj HE1 › E2 L º 0. Die Projektion des Einheitsvektors c auf die Geraden E1 , E2 behält fast die Länge von c, der Wert liegt umso dichter bei 1, je dichter E1 , E2 an der Senkrechten zu j sind. Dann gilt mit dem Maß c: p c HE1 L º 1, p c HE2 L º 1, p c HE1 › E2 L = 0 aber p c HE1 ü E2 L = 1 (denn c liegt in der Ebene), d.h. es gilt 1 = p c HE1 ü E2 L π p c HE1 L + p c HE2 L - p c HE1 › E2 L º 2. 18 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit Die konvexe Mischung mehrerer Wahrscheinlichkeitsmaße ist sowohl in der WT als auch in der QWT wieder ein Wahrscheinlichkeitsmaß: li > 0, , Hpi : HL Ø L œ Wahrscheinlichkeitsmaß fl p : HL Ø , E # pHEL := ⁄i li pi HEL œ Wahrscheinlichkeitsmaß Der Satz von Gleason lehrt, dass alle Q-Wahrscheinlichkeitsmaße, von Einheitsvektoren erzeugt werden (also die Form (76) haben) oder als konvexe Mischung aus solchen entstehen. In der Terminologie der Quantenmechanik bezeichnet man erstere als rein, letztere als gemischt. Wir werden im folgenden die gemischten Q-Wahrscheinlichkeitsmaße außer Acht lassen. 1.3.3 Einige Resultate Ist j œ HL Eigenvektor von E œ HL, so gilt nach (59) : E j = j fl pjHEL = Xj, E j\ = 1, pj HE ¦ L = 1 - pj HEL = 0 êê E j = 0 fl pj HEL = Xj, E j\ = 0, pj HE ¦ L = 1 - pj HEL = 1 d.h. die Ereignisse E, E ¦ treten mit Sicherheit ein bzw. mit Sicherheit nicht ein. Ist j œ HL kein Eigenvektor von E œ HL, so besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für beide Ereignisse E und E ¦ : êê E j ∫ j, E j ∫ 0 fl 0 < pjHEL < 1 0 < pj HE ¦ L = 1 - pj HEL < 1 (77) (78) Für kompatible Ereignisse E1, E2 œ HL mit E1 E2 = E2 E1 gibt es stets Einheitsvektoren j œ HL, die Eigenvektoren von E1 und E2 sind. Für jeden booleschen Teilverband Œ HL gibt es sogar ein vollständiges Orthonormalsystem Œ HL, sodaß gilt: " j œ : " E œ : pj HEL = 0 Í pjHEL = 1 (79) 19 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit 1.4 1.4.1 Zufallsvariable Projektorwertige Maße Betrachten wir die WT. Eine reelle Zufallsvariable X auf einem Maßraum HW, L ist eine Funktion X : W Ø , w # X HwL, die -meßbar ist: " B œ HL : X -1HBL œ In einem Wahrscheinlichkeitsraum HW, , pL ist X -1 HBL das Ereignis, daß der Wert der Zufallsvariablen X in B liegt. Die entsprechende Wahrscheinlichkeit ist dann: pHBL = pIX -1 HBLM Eine Zufallsvariable X wird durch die Urbildfunktion X -1 : HL Ø eindeutig bestimmt. In der QWT erweist es sich als zweckmäßig, von einer analog zur Urbildfunktion definierten Funktion auszugehen, um eine Zufallsvariable zu definieren: Eine Q-Zufallsvariable X soll jeder Borelmenge B œ HL ein Ereignis EHBL œ HL zuordnen, eben das Ereignis, daß der Wert der Q-Zufallsvariablen X in B liegt, Xj, HEHBL j\ ergibt dann die entsprechende Wahrscheinlichkeit. Dazu wird jeder Q-Zufallsvariable umkehrbar eindeutig ein projektorwertiges Maß (projection valued measure, PVM bzw. Spektralmaß) zugeordnet, nämlich eine Abbildung EX : HL Ø HL, B # EX HBL mit folgenden Eigenschaften: ` (80) EX H«L = 0 20 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit ` EX HL = 1 für jede paarweise disjunkte Folge HBi Liœ von Mengen aus HL gilt: ij yz EX jjjÊ Bi zzz = ‚ EX HBi L k i { i (81) (82) Jedes projektorwertiges Maß EX : HL Ø HL hat folgende Eigenschaften: " B, B1 , B2 œ HL B1 › B2 = 0 fl EX HB1 L ¦ EX HB2 L EX HB1 L EX HB2 L = EX HB2 L EX HB1 L ñ EX HB1 L Ñ EX HB2L Wegen (84) ist Bild EX HHLL von HL ein boolescher Teilverband von HL. Dieser ist in folgender Weise homomorph zu (): " B, B1 , B2 œ HL B1 Œ B2 fl EX HB1L Œ EX HB2 L (83) (84) EHB1 › B2L = EHB1 L › EHB2 L (85) EX HB£ L = EX HBL¦ (87) EHB1 ‹ B2L = EHB1 L ü EHB2 L ` Die kleinste abgeschlossene Menge S œ HL, für die EX HSL = 1 ist, heißt Spektrum der Zufallsvariablen X , wir schreiben SpHX L. Es gilt also ` EX HSpHX LL = 1 ` EX HSpHX L£ L = 0 Ein Zufallsvariable X heißt diskret, wenn SpHX L abzählbar ist: SpHX L = 8xi » i œ , xi œ < (86) (88) (89) (90) (91) 21 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit Es gilt dann ‚ EX H8xi <L = 1 EX H8xi <L EX H8xk <L = di k EH8xi <L (92) i (93) Eine abzählbare Menge von Projektoren, die die letzten beiden Bedingungen erfüllt, nennt man auch Zerlegung der Einheit. 1.4.2 Induziertes Wahrscheinlichkeitsmaß: Wahrscheinlichkeitsraum Für jedes B œ HL errechnet sich die Wahrscheinlichkeit pj HBL beim durch den Einheitsvektor j induziertem QWahrscheinlichkeitsmaß wie gewünscht zu: pjHEX HBL = Xj, EX HBL j\ Die Abbildung pEj X : HL Ø , B # pEj X HBL := Xj, EX HBL j\ = pj HEX HBLL definiert ein Wahrscheinlichkeitsmaß (im Sinne der WT) auf dem Meßraum H, HLL, denn es gilt: 0 § pjHEX HBLL § 1 pEj X HL = pj HEX HLL = pj HL = 1 und für jede disjunkte Folge HBi L aus HL gilt pEj X H‹i Bi L = pj HEX H‹i Bi LL = pjH⁄i EX HBi LL = Xj, ⁄i EX HBi L j\ = ⁄i Xj, EX HBi L j\ = ⁄i pEj X HBi L Das Spektrum von X kann als Wertebereich der Zufallsvariablen X aufgefaßt werden, denn nur Werte bzw. Intervalle aus dem Spektrum werden mit Wahrscheinlichkeiten belegt, die (abhängig vom Wahrscheinlichkeitsmaß) größer als Null sein können. Für alle Teilmengen aus dem Komplement des Spektrums gilt, daß sie immer die Wahrscheinlichkeit 0 haben, denn für B Œ SpHX L£ gilt 22 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit ` EX HBL = 0 fl " j œ HL : pj HEX HBLL = 0 1.4.3 (94) Anwendung der Begriffe der Wahrscheinlichkeitstheorie Die Abbildung pEj X : HL Ø , B # pEj X HBL := Xj, EX HBL j\ definiert einen Wahrscheinlichkeitsraum Y, HL, pEj X ] und man kann die Begriffe der WT wie Erwartungswert, Varianz, Streuung, Verteilungsfunktion etc. anwenden: Erwartungswert von X : XX \ = ‡ x dpEj X (95) (96) Erwartungswert einer borelmeßbaren Funktion f : Ø von X : Xf HX L\ = ‡ f HxL dpEj X (97) Varianz von X: YHX - XX \L2 ] = YX 2 ] - XX \2 = ‡ x 2 dpEj X - XX \2 (98) "################ ######## XX 2 \ - XX \2 Streuung von X: sHX L = (99) Verteilungsfunktion von X: FHxL = pEj X H@-¶, xDL (100) Wahrscheinlichkeitsdichte f(x) mit FHxL = ‡ x -¶ f HxL dx (101) 23 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit 1.4.4 Projektorwertige Maße und selbstadjungierte Operatoren Betrachten wir die Erwartungswertberechnung für eine diskrete QZufallsvariable X. Es gilt ` ⁄i EX H8xi <L = 1 Das Wahrscheinlichkeitsmaß pEj X ist in den Punkten 8xi < konzentriert. Die Wahrscheinlichkeit für den Wert xi beim QWMaß j beträgt pEj X H8xi <L = Xj, EX H8xi <L j\. Der Erwartungswert ergibt sich dann als Summe: XX \ = ‚ xi pEj X H8xi <L = ‚ xi Xj, EX H8xi <L j\ = i [j, ‚ xi EX H8xi <L j_ i (102) Durch X = ⁄i xi EX H8xi <L wird aber ein linearer, selbstadjungierter Operator definiert: i X : Ø , j # X j := ‚ xi EX H8xi <L j (103) i XX \ = Xj, X j\ Für den Erwartungswert kann man dann auch schreiben: (104) Dies ist dann die übliche Formel für Erwartungswerte aus dem Lehrbuch. Für jede borelmeßbare Funktion f : Ø von X wird durch Xf HX L\ = ‚ f Hxi L pEj X H8xi <L (105) i der Operator FX = ‚ f Hxi L EX H8xi <L (106) i definiert, sodaß wieder gilt: 24 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit Xf HX L\ = Xj, FX j\ (107) Ist f : Ø ein Polynom, f : Ø , x # f HxL = a0 + a1 x + ... an x n (108) FX = ‚ f Hxi L EX H8xi <L = a0 1 + a1 X + ... an X n (109) mit a0 , a1 , ... an œ , so gilt mit X = ⁄i xi EX H8xi <L Da EX H8xi <L EX H8x j <L = EX H8xi <L di j sieht man leicht, daß X X n-1 = H⁄i xi EX H8xi <LL I⁄ j x j n-1 EX H8x j <LM = ⁄i xi n EX H8xi <L = X n . i Daß Polynome (und Potenzreihen) von selbstadjungierten Operatoren mit den entsprechenden reellen Funktionen auf dem Spektrum übereinstimmen, ist ein wichtiges Resultat. Wir betrachten noch kurz diskrete Zufallsvariable, die nur 2 Werte annehmen, nämlich 0 und 1, SpHX L = 80, 1<. Eine solche Zufallsvariable definiert den Operator X = 0 EX H80<L + 1 EX H81<L = EX H81<L (110) wobei ` EX H80<L = EX H1L¦ = 1 - EX H1L Jede Zufallsvariable mit dem Spektrum 80, 1< definiert also einen Projektor bzw. ein Ereignis der Ereignisalgebra. (111) Zu jeder Borelmenge B œ HL kann man die sogenannte Diskriminatorfunktion (charakteristische Funktion) auf definieren, die den Wert 1 für x genau dann annimmt, wenn x œ B und sonst den Werte 0. 1B ist trivialerweise borelmeßbar. Zu jeder Zufallsvariable X mit dem projektorwertigen Maß EX : HL Ø HL, B # EX HBL können die Diskriminatorfunktionen 1B für beliebige Borelmengen B œ HL definiert werden und es gilt 1B HX L = EX HBL (112) 25 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit Das Spektraltheorem liefert einen allgemeinen Zusammenhang zwischen projektorwertigen Maßen und selbstadjungierten Operatoren: Jedem projektorwertigen Maß EX : HL Ø HL ist umkehrbar eindeutig ein selbstadjungierter Operator X œ HL zugeordnet, der für alle Einheitsvektoren j aus dem Definitionsbereich DHX L den gleichen Erwartungswert liefert: XX \ = Xj, X j\ = ‡ x dpEj X (113) 1.4.5 Kompatibilität und Kommutativität Zwei Q-Zufallsvariable X , Y sind genau dann kompatibel, wenn für die zugehörigen projektorwertigen Maße EX : HL Ø HL, EY : HL Ø HL gilt " B, B£ œ HL: EX HBL EY HB£ L = EY HB£ L EX HBL (114) d.h. alle Projektoren aus dem Wertebereich kommutieren und sind daher kompatibel. Es gibt daher einen booleschen Teilverband Œ HL, der beide Wertebereiche umfaßt EX HHLL ‹ EX HHLL Œ . Zwei Q-Zufallsvariable X , Y sind kompatibel genau, dann wenn die zugehörigen selbstadjungierten Operatoren X , Y œ HL kommutieren: XY =Y X 26 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit 2 Quantenmechanik 2.1 2.1.1 Postulate Quantenwahrscheinlichkeit Jedem quantenmechanischen System ist ein komplexer, separabler Hilbertraum zugeordnet. Die Zustände des Systems werden durch die QWahrscheinlichkeitsmaße repräsentiert, d.h. die Menge der Einheitsvektoren des Hilbertraums HL = 8j œ » Xj, j\ = 1< Die Observablen werden durch Q-Zufallsvariablen in , d.h. projektorwertige Maße HL Ø HL bzw. die dadurch definierten selbstadjungierten Operatoren, repräsentiert. Bei der Messung einer Observablen mit dem selbstadjungierten Operator X und dem zugehörigen projektorwertigen Maß EX : HL Ø HL im Zustand j ergibt sich die Wahrscheinlichkeit pj HBL, einen Wert in B œ HL zu messen, zu: pj HBL = Xj, EX HBL j\ oder damit gleichbedeutend der Erwartungswert XX \ von X zu XX \ = Xj, X j\ 2.1.2 (115) (116) Dynamik Sei T Œ ein offenes Zeitintervall. Zu jedem Zeitpunkt t œ T ist ein Zustand jHtL des Systems definiert: j : T Ø HL, t # jHtL 27 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit wobei die Funktion j : T Ø HL folgende Differentialgleichung erfüllt " t œ T : ∑jHtL i Ñ ÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅ = H jHtL HSchrödingergleichungL ∑t (117) mit einem selbstadjungierten Operator H œ (), dem è!!!!!!! Hamiltonoperator, Ñ = 1.0545 ÿ 10-34 J s und i = -1 . Durch (117) werden unitäre Operatoren U : T µ T Ø HL bestimmt, U : T µ T Ø HL, Ht, t £ L # UHt, t £ L (118) sodaß " t, t £ œ T : jHtL = UHt, t £ L jHt £ L (119) Ist der Hamiltonoperator H selbst nicht zeitabhängig, so hängt è UHt, t £ L nur von der Zeitdifferenz t - t £ ab: UHt, t £ L = U Ht - t £ L. 2.1.3 Projektionspostulat (Kollaps) Wird bei einer Messung der Observablen X mit dem projektorwertigen Maß EX : HL Ø HL im Zustand j ein Wert in B œ HL gemessen, so befindet sich das System direkt nach der Messung in einem Zustand jm , der Eigenvektor zum Projektor EX HBL ist und es gilt: 1 jm = ÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅÅ EX HBL j » EX HBL j » (120) 28 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit 2.2 2.2.1 Folgerungen bzgl. der Kausalität Bideterministische Dynamik In der Terminologie des Kausalitätsskripts beschreibt die Schrödingergleichung ein bideterministisches System, was der folgende Satz zum Ausdruck bringt: Sei W = ≈tœT und Zt HyL = yHtL für alle y œ W und alle t œ T . Ferner sei W* Œ W die Menge aller Pfade durch den Hilbertraum, die die Schrödingergleichung erfüllen. Dann gilt HZt LtœT ist ein bideterministischer Prozeß in W* . Das Problem: Der Zustand y(t) bestimmt nur einen Teil der Meßergebnisse, nämlich nur solche, die auf solche Ereignisse aus () zurückgeführt werden können, für die yHtL Eigenvektor ist. Für alle anderen Ereignisse wird durch yHtL nur eine Wahrscheinlichkeit angegeben, das tatsächliche Meßergebnis bleibt unbestimmt. In diesem Sinne ist die QM indeterministisch. 2.2.2 Probleme bei der Verwendung der Ereignisalgebra Die Definitionen des Kausalitätsskripts können nur mit Vorsicht übernommen werden, denn schon auf der Stufe der Ereignisse führt die Verwendung von Mengen statt Teilräumen (s-Algebra statt Verband) zu Problemen: Das Vorliegen einer Vereinigungsmenge von Zuständen wie z.B. 8j1< ‹ 8j2 < ist kein Ereignis, das allein durch Messungen festgestellt werden kann, das Vorliegen des Ereignisses 8j1< ü 8j2 < dagegen schon. 29 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit Betrachten wir ein System, in dem mit gleicher Häufigkeit zwei Zustände j1 , j2 œ HL mit j1 ¦ j2 präpariert werden. Dann gilt " E œ H L: 1 pHEL = ÅÅÅÅÅ ‚ Xji , E ji \ 2 i=1 2 (121) Seien c1, c2 œ @j1 , j2D zwei weitere Zustände aus dem von j1 , j2 aufgespannten Teilraum mit c1 ¦ c2 . Dann kann man die ji nach den c j entwickeln und es gilt: 1 pHEL = ÅÅÅÅÅ ‚ Xji , c j \ X c j, E ck \ X ck, ji \ 2 i, j,k=1 2 (122) Nun gilt: ‚ X ck, ji \ Xji , c j \ = X ck, c j \ = dk j 2 (123) i=1 Daraus folgt aber: 1 1 pHEL = ÅÅÅÅÅ ‚ X c j, E ck \ d j k = ÅÅÅÅÅ ‚ X c j, E c j \ 2 j,k=1 2 j=1 2 2 (124) was wiederum einem System entspricht, in dem mit gleicher Häufigkeit die beiden Zustände c1 , c2 œ HL mit c1 ¦ c2 präpariert werden. Durch keine Messung können solche Mischungen unterschieden werden, denn alle Observablen haben die gleichen Erwartungswerte. Die “feinste” experimentell feststellbare Tatsache ist das Vorliegen des Ereignisses Ej1 ü Ej2 = E c1 ü E c2 . 30 Quantenmechanik und Quantenwahrscheinlichkeit 2.2.3 Kausalität für Q-Ereignisse Aber auch im Rahmen der Ereignisalgebra HL läßt sich Kausalität formulieren. Der Grundgedanke dabei ist es, sich auf Ereignisse zu beschränken, die in Abhängigkeit vom Zustand yHtL mit Sicherheit eintreten. Sei W = ≈tœT . Für jedes Ereignis A œ HL sei At = 8y œ W » A yHtL = yHtL< Mit anderen Worten At ist die Gesamtheit aller Pfade durch W die zur Zeit t durch den Teilraum @At D führen. W* Œ ≈tœT ist die Gesamtheit aller Pfade durch den Hilbertraum , die der Schrödingergleichung entsprechen. Damit kann man für beliebige At , Bt £ Œ W mit t < t £ folgende Definition anwenden: At <* Bt £ : ñ " y œ W* : y œ At Ø y œ Bt £ Es gilt dann der Satz: Sei W* Œ ≈tœT die Gesamtheit aller Pfade durch den Hilbertraum , die der Schrödingergleichung entsprechen. Dann gilt für alle Zeitpunkte t, t £ œ T mit t < t £ und alle Ereignisse A, B œ HL At <* Bt £ ñ UHt £ - tL A UHt £ - tL* Œ B, wobei UHt, t £ L durch die Schrödingergleichung eindeutig bestimmt ist und die zeitliche Entwicklung des Systems beschreibt: jHt £ L = UHt £ - tL jHtL 31