Hypoglykämie-Gegenregulation im schrittweise hypoglykämischen

Werbung
55
5. Zusammenfassung
GLP-1 [7-36 Amid] ist ein insulinotropes und glukagonostatisches Inkretinhormon,
welches in den Enteroglukagon-produzierenden L-Zellen des Ileums, des Colons und
des Rektums gebildet wird. Die Normalisierung der erhöhten Blut-GlucoseKonzentration bei Typ-2 Diabetikern lassen GLP-1 [7-36 Amid] möglicherweise als
Basis für ein neues Therapeutikum in der Therapie des Typ-2 Diabetes erscheinen. Da
die Senkung des Plasma-Glukagons zum Wirkspektrum des GLP-1 [7-36 Amid]
beiträgt ist nicht ausschließen, daß es unter dem Einfluß von GLP-1 [7-36 Amid] zu
Störungen der Hypoglykämie-Gegenregulation kommt. Das Glukagon nimmt in der
Hypoglykämie-Gegenregulation beim gesunden Menschen eine zentrale Rolle ein. Um
so wichtiger erscheint eine Klärung der Frage, ob GLP-1 [7-36 Amid] die
physiologische Gegenregulation negativ beeinflußt. In vorangegangenen Studien
ergaben sich zwar erste Hinweise darauf, daß auch die glukagonostatische Wirkung des
GLP-1 [7-36 Amid], wie die insulinotrope Wirkung, abhängig ist von der Blut-GlucoseKonzentration und nur bei über normale Nüchternwerte angehobenen Plasma-GlucoseKonzentrationen auftritt; bei tatsächlich hypoglykämischen Bedingungen ist dies jedoch
nie untersucht worden. Ein weiterer Aspekt der vorliegenden Studie war die
Untersuchung des Einfluß von GLP-1 [7-36 Amid] auf die kognitiven Leistungen bzw.
auf
die
hypoglykämischen Warnsymptome des menschlichen Körpers unter
hypoglykämischer Stoffwechsellage.In der Untersuchungsreihe wurden neun gesunde
Normalpersonen mit einem Alter von 28 ± 5 Jahren und einem Body-Mass-Index von
24.5 ± 1.1 kg/m2 in jeweils zwei Versuchen untersucht. Es wurden hierzu zwei
hyperinsulinämische, schrittweise hypoglykämische Experimente über 360 min
durchgeführt mit dem Ziel eine Serie von Plasma-Glucose-Plateaus (zunächst 78, dann
66, 54 und 42 mg/dl) über jeweils 45 min anzustreben und für weitere 45 min zu halten.
Zur Senkung der Plasma-Glucose-Konzentration wurde fortlaufend Insulin (Actrapid
HM, Novo Nordisk, Kopenhagen Dänemark) in einer Konzentration von 1 mU · kg-1·
min-1 intravenös appliziert. In randomisierter Reihenfolge wurde den Probanden an
einem Versuchstag kontinuierlich über 360 min GLP-1 [7-36 Amid] (Saxon
Biochemicals) in einer Konzentration von 1.2 pmol·kg-1·min-1 oder Placebo-Lösung
(0.9% Natriumchloridlösung mit 1% Humanalbumin) intravenös verabreicht. An beiden
Versuchtagen
wurde
während
der
Plasma-Glucose-Plateaus
die
kognitive
56
Leistungsfähigkeit anhand spezifischer Tests überprüft. Folgende Tests wurden
durchgeführt: Zahlen-Verbindungs-Test, Stroop-Test (Farbe-Wort-Interferenz-Test),
Phasische-Alertness,
Vigilanz-Test
und
der
„Verbal-Memory“–Test
(Wörter-
Repetition). Die Dauer für die Durchführung der gesamten Tests betrug annähernd 45
min. Von einem Zeitpunkt aus der 30 min vor dem eigentlichen Versuchsbeginn lag
wurden alle 15 min die autonomen- und neuroglukopenischen Symptome anhand einer
„Visuellen-Analog-Skala“ erfragt. Zur Überwachung der Vitalparameter (Puls,
Blutdruck
und
Sauerstoffsättigung)
wurden
die
Probanden
an
einen
Überwachungsmonitor angeschlossen und die gemessenen Werte alle 30 min
protokolliert. Um die Plasmakonzentration von GLP-1 [7-36 Amid], Insulin, C-Peptid,
Glukagon, Cortisol, Wachstumshormon, sowie Adrenalin und Noradrenalin zu
bestimmen, wurden den Probanden vom Zeitpunkt -30 min bis zum Zeitpunkt 360 min
alle 30 min Blutproben entnommen. Unter kontinuierlicher intravenöser GLP-1 [7-36
Amid]-Infusion kam es innerhalb des ersten Blutzucker-Plateaus (78 mg/dl) zu einem
signifikanten Anstieg sowohl der Insulinsekretion als auch der C-Peptidkonzentration (p
< 0.0001). Die Insulinsekretion fiel nach einem Maximum zum Zeitpunkt 15 min (4.9 ±
0.6 pmol ·kg-1· min-1) schnell wieder ab, war aber bis zum Ende des ersten BlutzuckerPlateau signifikant höher als während der Placebo-Versuche. Wahrscheinlich aufgrund
der längeren Halbwertszeit, blieb die Erhöhung der Plasma-C-Peptid-Konzentrationen
bis zum Zeitpunkt 240 min nachweisbar, wobei der Konzentration-Gipfel innerhalb der
ersten 30 min lag. Die Plasma-Glukagon-Konzentration zeigte unter GLP-1 [7-36
Amid]-Einfluß nur innerhalb der ersten 30 min eine leichte, aber signifikante Abnahme
(p = 0.012). Im weiteren Verlauf, mit Senkung der Plasma-Glucose-Konzentration in
hypoglykämische Bereiche, kam es aber sowohl unter GLP-1- [7-36 Amid], als auch
während der Placebo-Applikation zum erwarteten Anstieg der Glukagonkonzentration.
Die
Messung
der
Plasma-Cortisol-Konzentration
ergab
keinen
signifikanten
Unterschied der beiden Experimente (Placebo vs. GLP-1 [7-36 Amid]; p = 0.55). Es ließ
sich ein nahezu identischer Verlauf der Cortisol-Konzentrationen beobachten mit einer
allmählichen Konzentrationsabnahme bis zum Zeitpunkt 210 min und einem sich daran
anschließenden Anstieg der Cortisol-Konzentration (p < 0.0001). In beiden
Experimenten (Placebo vs. GLP-1) zeigten die Wachstumshormon-Konzentrationen im
Zeitverlauf
insgesamt
eine
Zunahme
(p
<0.0001),
mit
einem
deutlichen
Konzentrationsanstieg in den letzten beiden Blutzucker-Plateaus (54 und 42 mg/dl). Die
57
Infusion mit GLP-1 [7-36 Amid] führte aber innerhalb dieses Zeitraums zu einer
insgesamt signifikanten Reduzierung des Konzentrationsanstiegs (p = 0.037).
Die Kataecholamine Adrenalin und Noradrenalin zeigten insgesamt keine signifikanten
Unterschiede im Vergleich der beiden Experimente Placebo vs. GLP-1 (p = 0.82 bzw. p
= 0.70). Unterschiede waren aber im Vergleich der Konzentrationsverläufe zwischen
den Katecholaminen zu erkennen. Während die Adrenalinkonzentration im Zeitverlauf
angestiegen ist (p < 0.0001), mit einer deutlichen Zunahme innerhalb der letzten beiden
Blutzucker-Plateaus (54 und 42 mg/dl), blieb die Noradrenalinkonzentration ohne einen
meßbaren Konzentrationsanstieg (p = 0.51). Bei der Überprüfung der kognitiven
Leistungen der Probanden waren keine GLP-1 bedingten Einflüsse auf die
Hirnleistungen festzustellen. Die zunehmende Hypoglykämie führte unabhänig von der
Infusion der Placebo- bzw. GLP-1-Lösung zu einer Verschlechterung der kognitiven
Leistungsfähigkeit, wobei vor allem die Schnelligkeitskomponente der kognitiven
Fähigkeiten betroffen war. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Betrachtung der
autonomen
bzw.
der
neuroglukopenischen
Symptome.
Mit
fortschreitender
Hypoglykämie kam es auch bei den hypoglykämischen Symptomen zu einer Zunahme
der Ausprägung (p < 0.0001). Der beginnende Zuwachs der autonomen Symptome läßt
sich zeitlich etwas früher, als die Zunahme der neuroglukopenischen Symptome
beobachten. Signifikante Unterschiede zwischen den Placebo-bzw. GLP-1 [7-36 Amid]Versuchen ließen sich nicht feststellen (p = 0.99 bzw. p = 0.97). Die Ergebnisse der
überwachten Vitalparameter Puls, Blutdruck und Sauerstoffsättigung ergaben keine
signifikanten Veränderungen zwischen den durchgeführten Experimenten (Placebo vs.
GLP-1, p = 0.70, p = 0.86 und 0.41{systolischer und diastolischer Blutdruck} bzw. p =
0.74). Im Zeitverlauf hingegen kam es zu einem Anstieg der Herzfrequenz (p = 0.003),
der systolische Blutdruck stieg an (p = 0.03 bzw. p < 0.0001), während der diastolische
Blutdruck signifikant abnahm. Aus diesen Ergebnissen kann gefolgert werden, daß
sowohl die insulintrope, als auch die glukagonostatische Aktivität des GLP-1 [7-36
Amid] abhängig von der Plasma-Glucose-Konzentration sind. Beide Aktivitäten waren
nicht mehr nachzuweisen, sobald hypoglykämische Plasma-Glucose-Konzentrationen
erreicht wurden. Weiterhin konnte verdeutlicht werden, daß eine kontinuierliche
Infusion mit GLP-1 [7-36 Amid] unter hypoglykämischen Versuchsbedingungen zu
keiner Störung der hormonellen Hypoglykämie-Gegenregulation, insbesondere der
Glukagonantwort führt. Auffällig war lediglich ein verminderter WachstumshormonAnstieg unter GLP-1 bei Hypoglykämie. Die kognitive Leistungsfähigkeit und die
58
hypoglykämischen Warnsymptome wurden durch die GLP-1 [7-36 Amid]-Applikation
in keiner Weise beeinflußt. Diese Ergebnisse unterstreichen die mögliche therapeutische
Bedeutung des GLP-1 [7-36 Amid] bei der Behandlung des Typ-2 Diabetes, da es unter
GLP-1 [7-36 Amid] offensichlich nicht zu Hypoglykämien bzw. nicht zu einer Störung
der Hypoglykämie-Gegenregulation kommen kann.
Herunterladen