Version: 14. Oktober 2005 W20 W20 Spezifische Wärmekapazität fester Körper Stichworte Wärmemenge, spezifische Wärme, Schmelzwärme, Wärmekapazität, Wasserwert, Siedepunkt, innere Energie, Energiesatz, Hauptsätze der Wärmelehre. Grundlagen 1. Die Wärmemenge ∆Q Der erste Hauptsatz der Thermodynamik lautet: dU = dQ + dW (W20- 1) Die innere Energie eines Mediums kann durch Änderungen der Wärmemenge ∆Q bzw. durch Verrichten von Arbeit geändert werden. ∆Q ist also eine Übertragungsform der Energie. Betrachtet man Stoffe außerhalb der für sie typischen Gebiete der Phasenumwandlung (wie z.B. Änderungen des Aggregatzustands), so stellt man einen Zusammenhang zwischen übertragener Wärmemenge ∆Q und der Temperaturänderung ∆T fest: ∆Q = C · ∆T, (W20- 2) wobei C eine stoffabhängige Proportionalitätskonstante, die Wärmekapazität, ist. Diese Definition für C gilt für kleine Temperaturintervalle, in denen C praktisch konstant ist. Anschaulich ist klar, dass C von der Stoffmenge abhängt. So gelangt man zur spezifischen Wärmekapazität c, [c] = J/kgK: c · m · ∆T = ∆Q (W20- 3) Was passiert nun aber in Phasenumwandlungs-Gebieten? Geht z.B. ein fester Körper bei seiner spezifischen Schmelztemperatur in den flüssigen Zustand über, resultiert die zugeführte Wärmemenge nicht in einer Temperaturerhöhung. Vielmehr wird die zugeführte Umwandlungsenergie ∆Q benötigt, die Bindung der Atome im festen Zustand aufzubrechen und attraktive Wechselwirkungen zu kompensieren. Die spezifische Schmelzwärme χ gibt an, wieviel thermische Energie notwendig ist, um die Masse m eines Stoffes zu schmelzen. χ = ∆Q/m [J/kg] (W20- 4) ∆Q wird in diesem Fall latente Wärme genannt. 161 Wärmelehre Version: 14. Oktober 2005 2. Grundprinzip der Mischungskalorimetrie Gesucht seien die spezifischen Wärmekapazitäten (oder Schmelzwärmen) verschiedener Körper. Man kann sie u.a. über einen Mischungsversuch in einem Kalorimeter, das eine Flüssigkeit bekannter spezifischer Wärmekapazität enthält, bestimmen. Die Medien unterschiedlicher Temperatur werden zusammengebracht, das Zeitverhalten des Temperaturangleiches beobachtet und daraus die gesuchten Größen c (bzw. χ) bestimmt. In Abb. (W20- 1) ist ein idealisierter Zeitverlauf des Mischungsexperiments dargestellt: T[°C] T1 Ausgangstemperatur T1 des Kalorimeters TM Mischungstemperatur TM tM t[sec] Abb. W20- 1: Idealer Temperatur-Zeitverlauf beim Mischen zweier Medien unterschiedlicher Temperatur Berechnung der spezifischen Wärmekapazität im idealen Fall: Das Medium 1 des Mischungsversuchs besitze die spezifische Wärme c1 , die Masse m1 und die Starttemperatur T1 . Nach dem Mischen hat das Medium 1 die Mischungstemperatur TM . Für Medium 2, das das Kalorimeter samt Flüssigkeit beschreiben soll, gilt das Analoge: c2 , T2 und TM charakterisieren seinen Zustand. Da die innere Energie des Gesamtsystems sich bei einem Mischungsversuch nicht ändert und keine Arbeit geleistet wird, bleibt die Wärmemenge konstant: dQ1v + dQ2v = dQ1n + dQ2n (W20- 5) Dabei bedeuten die Indizes v vor und n nach der Durchmischung. Mit Hilfe von Gleichung (W20- 3) und Gleichung (W20- 5) erhält man daraus: c1 · m1 · (T1 − TM ) = −C2 · (T2 − TM ) 162 (W20- 6) Version: 14. Oktober 2005 W20 Die Wärmekapazität C2 setzt sich aus der des Kalorimetergefäßes (Wasserwert W) und der des Füllstoffes, in diesem Fall Wasser (Index W), zusammen, so dass sich weiterhin ergibt: c1 · m1 · (T1 − TM ) = −(cw · mw2 · (T2 − TM ) + W · (T2 − TM )) (W20- 7) Die gesuchte spez. Wärmekapazität c1 beträgt damit: c1 = W · (TM − T2 ) + cw · mw2 · (TM − T2 ) m1 · (T1 − TM ) (W20- 8) Misst man also die jeweiligen Anfangstemperaturen, die Massen m1 , m2 sowie die Mischungstemperatur TM , so lässt sich die Wärmekapazität c1 bei bekanntem Wasserwert ausrechnen. Bei der Bestimmung der spezifischen Wärmekapazitäten von Probekörpern (Index k) geht man im Experiment von einer geringen Füllmenge des Kalorimeters (weniger als halbvoll) aus. Wichtig ist die gute Durchmischung des Wassers, um die systematischen Fehler in der Temperaturmessung zu reduzieren. Die Wärmekapazität der Probenkörper ck ergibt sich dann zu: ck = (W + cw · mw2 ) · (TM − T2 ) mk · (Tk − TM ) (W20- 9) 3. Bestimmung des Wasserwertes W Da die Kalorimeteranordnung aus verschiedenen Materialien besteht, muss die Wärmekapazität des Kalorimeters (kurz Wasserwert W) in einem Mischungsversuch experimentell bestimmt werden. Medium 1 sei Wasser, ebenso wie die Flüssigkeit des Kalorimeters. Die Gleichung (W20- 7) ergibt dann für den Wasserwert: W = cw · (mw1 · (TM − T1 ) − mw2 ) (T2 − TM ) (W20- 10) Die größte Genauigkeit erhält man für mw1 ≈ mw2 und möglichst große Temperaturdifferenzen T1 −T2 , wobei im Experiment T2 > T1 gewählt wird und T2 die Anfangstemperatur ist. 4. Reales Zeitverhalten bei einem Mischungsversuch Verglichen mit dem idealen Mischungsversuch treten beim realen Mischungsversuch im wesentlichen zwei zusätzliche Effekte auf: 163 Wärmelehre Version: 14. Oktober 2005 a.) Wärmeaustausch mit der Umgebung, die als Wärmebad beschrieben werden soll. b.) Verzögerte Einstellung der Mischungstemperatur wegen endlicher Wärmeleitfähigkeit bzw. Durchmischungsgeschwindigkeit. Während dessen ist Effekt a.) ebenso zu berücksichtigen. zu a.) Wärmeaustausch mit der Umgebung Für das Zeitverhalten des Wärmeübertrags zwischen Umgebung (TU ) und Kalorimeter (TK ), der besonders deutlich bei der Vor- und Nachkurve sichtbar ist, gilt: dQ = a · (TU − TK ) · dt (W20- 11) wobei a eine Proportionalitätskonstante ist. dQ ist aber auch die Änderung der Wärmemenge des Kalorimeters, so dass folgt: C2 · dTK = a · (TU − TK ) · dt und daraus wiederum ergibt sich (mit 1 f = d ln f df ⇒ df f (W20- 12) = d ln f ): d ln(TU − TK ) = −(a/C2 ) · dt (W20- 13) Die Integration dieser Differentialgleichung unter der Randbedingung TK (t = 0) = TK0 und TU (t = 0) = TU liefert: ln(TU − TK ) − ln(TU (0) − TK (0)) = − a ·t C2 ⇒ (TU − TK )/(TU − TK0 ) = exp(−(a/C2 ) · t) (W20- 14) (W20- 15) und nach TK aufgelöst: TK (t) = TU + (TK0 − TU ) · exp(−at/C2 ) (W20- 16) Die Vor- und Nachkurve genügen also einem Exponentialgesetz. Wegen der Kürze der Vor- und Nachperiode wird bei der graphischen Auswertung der experimentelle Temperaturverlauf durch die Geraden AB und FG (s. Abb.2) genähert. Man kann so mit relativ wenig Aufwand den Einfluss des Wärmeaustausches während des Mischungsversuches 164 W20 Version: 14. Oktober 2005 Abb. W20- 2: Darstellung des realen Zeitverhaltens und Bestimmung der Mischungstemperatur TM nahezu eliminieren. Das Verhältnis von TK0 /TU ist also entscheidend. zu b.) Endliche Wärmeleitfähigkeit Im idealisierten Fall (Abb. (W20- 1)) besteht die Hauptkurve aus einer zeitlichen Sprungfunktion zwischen Anfangstemperatur T1 (des Kalorimeters) und Mischungstemperatur TM , die damit genau festgelegt ist. Wie bestimmt man aber im realen Fall die Mischungstemperatur? Die mit der Umgebung ausgetauschte Wärmemenge muss im idealisierten Fall (ohne Verzögerung) und im realen Fall gleich groß sein. Dies führt auf folgende Bedingung (siehe Försterling / Kuhn): Qreal = Qideal mit dQ = a · ∆T · dt (W20- 17) t2 tm t2 a · (T (t) − TU ) dt = a · ( (T (t) − TU ) dt + (T (t) − TU ) dt) t1 reale Kurve t 1 t m (W20- 18) idealisierte Kurve 165 Wärmelehre Version: 14. Oktober 2005 t2 mit tm t2 T(t) dt = T(t) dt + T(t) dt folgt dann : t1 t1 tm tm t2 − (T (t) − T(t)) dt = (T (t) − T(t)) dt t1 (W20- 19) (W20- 20) tm Diese Integrale beschreiben aber gerade die von Ideal- und Realfall eingeschlossenen Flächen BCD und DEF (in Abb. (W20- 2) schraffiert dargestellt), die offensichtlich gleich groß sein müssen. Dies ist für die Auswertung ein wesentlicher Hinweis: Man verlängere die Geraden AB und FG und ziehe die Senkrechte CE so, dass die Flächen BCD und DEF gleich groß sind. Die Schnittpunkte C und E liefern die Temperaturen des warmen Wassers und der Mischungsphase. Aufgaben 1. Bestimmung der Wärmekapazität des Kalorimeters Die Wärmekapazität des Kalorimeters soll nach Gleichung (W20- 10) bestimmt werden. Dazu wird die Temperatur des erwärmten Wassers (ca. 80◦ C, mW ≈ 100g) fünf Minuten lang alle 30 Sekunden abgelesen. Jetzt wird dieselbe Menge kaltes Wasser der Temperatur T1 zugegeben und möglichst eine Minute lang alle zwei Sekunden die Temperatur abgelesen (wenn dies nicht möglich ist, alle fünf Sekunden ablesen). Dann wird die Temperatur fünf Minuten lang wieder alle 30 Sekunden abgelesen. Nun trägt man die Temperatur über der Zeit graphisch auf (vgl. Abb. (W20- 2)). Die Anfangs- und Endgeraden werden zur Mitte hin extrapoliert und dort eine Parallele zur Ordinate hin so gezeichnet, dass zwischen dem oberen und unteren Teil dieser Parallelen, der Mischungskurve und den extrapolierten Geraden gleiche Flächen entstehen. Die Schnittpunkte der Parallele mit den extrapolierten Geraden sind die Temperaturen T2 und TM . 2. Bestimmung der spezifischen Wärmen für Aluminium und Messing Die spezifischen Wärmen für Aluminium und Messing werden nach Gleichung (W20- 9) bestimmt. Dabei soll entsprechend Aufgabenteil 1. vorgegangen werden. Die Probenkörper werden auf ca. 80◦ C−100◦ C im Wasserbad erwärmt. Die Ausgangstemperatur des Wassers sollte ca. 15◦ C − 25◦ C betragen (mW ≤ 250 g). Beachte: die Probenkörper müssen vollständig vom Wasser bedeckt sein. 166 Version: 14. Oktober 2005 W20 Hinweise zur Versuchsdurchführung Abb. W20- 3: Kalorimeteranordnung 1. Die Kalorimetergefäße dürfen auf keinen Fall erhitzt werden. Das Erwärmen von Wasser soll im Becherglas erfolgen. 2. Beim Einbringen der heißen Probenkörper in das Wasser des Kalorimetergefäßes ist darauf zu achten, dass keine heißen Wassertropfen am Probenkörper haften; gegebenenfalls sind diese abzuschütteln. Das Einbringen muss aber dennoch sehr schnell erfolgen! 3. Sobald Probenkörper oder anders temperiertes Wasser ins Kalorimetergefäß gegeben werden, muss durch den Magnetrührer für eine gleichmässige Temperaturverteilung im Wasser gesorgt werden. Den Magnetrührer nicht zu schnell (aber auch nicht zu langsam) laufen lassen. 4. Die Temperatur wird mit einem Thermoelement gemessen (Ni - CrNi) und am elektronischen Thermometer angezeigt. Es ist die Messbereichsauflösung 0,1o zu wählen. Nach Versuchsbeendigung ist das elektronische Thermometer auszuschalten! 5. Bitte unbedingt darauf achten, dass die Magnetstäbchen nicht in den Abfluss gelangen!! 6. Nach Beendigung der Versuche sind die Kalorimetergefäße und Bechergläser gut auszutrocknen und offen stehen zu lassen. 167 Wärmelehre Version: 14. Oktober 2005 Hinweis zur Fehlerrechnung Die experimentell entscheidende Ungenauigkeit liegt in der Temperaturmessung (siehe Aushang) bzw. in der Bestimmung von TM . Aus dem Fehler ∆TM kann nach der Fehlerfortpflanzung ∆c2 berechnet werden. Fragen 1. Warum ist zur Bestimmung des Wasserwertes eine möglichst kleine Wassermenge und mW 1 mW 2 erwünscht ? 2. Welche Korrekturen müssten für die genaue Bestimmung von ck noch angebracht werden? (nach dem Versuch zu beantworten) 3. Skizzieren Sie den Temperaturverlauf beim stetigen Erwärmen eines Körpers (konstante Wärmezufuhr) in Abhängigkeit von der Zeit, beginnend beim festen Zustand, über den flüssigen bis zum gasförmigen Zustand. 4. Nur für Stud. Phys. und nicht schriftlich zu beantworten: Informieren Sie sich über die Temperaturabhängigkeit der molaren spezifischen Wärme fester Körper. 168