Biopsychologie WiSe – Blut, Herz, Kreislauf Blut, Herz, Kreislauf 1. Aufgaben und Zusammensetzung des Blutes 2. Blutstillung, Blutgerinnung und Fibrinolyse 3. Mechanik der Herzaktion 4. Anpassung der Herzleistung an den Bedarf 5. Arterieller und venöser Blutkreislauf 6. Methoden Î Quelle: B&S Kap. 10 Herz-Kreislauf-System wichtig in klinischer Biopsychologie Î Abb. B&S 10.21 (Abdominelle Fettleibigkeit) Erwachsener hat 4-6 l Blut (6-8% des Körpergewichts) 1. AUFGABEN UND ZUSAMMENSETZUNG DES BLUTES • Aufgaben: 1. Transportmedium o Sauerstoff und Kohlendioxyd (Atmung) o Nährstoffe, Stoffwechselprodukte (Ernährung) o Hormone (auch Kommunikationsmedium, endokrine Systeme) 2. Verteilung und Abführung von Wärme 3. Gerinnung 4. Abwehr von Krankheitserregern (humorale Immunität) • Zusammensetzung: Undurchsichtige, rote Flüssigkeit aus Blutzellen und Plasma o Blutzellen: - Erythrozyten (rote Blutzellen) - Leukozyten (weiße Blutzellen) - Thrombozyten (Blutplättchen) 1/8 Biopsychologie WiSe – Blut, Herz, Kreislauf - Hämatokrit: Anteil der Blutzellen am Blutvolumen (=zellulärer Bestandteil) - o Mann: 44-46 Vol%, Frau: 41-43 Vol% Plasma: Î Abb. Blutbestandteile (siehe Abbildungsdatei) o - 65-80 g/l Plasma-Eiweiße (s.u.) - 20 g/l niedermolekulare Substanzen (vor allem Elektrolyte) - 900-910 g/l Wasser Plasma-Eiweiße „Kolloide“, Durchmesser 1-100 nm Î Abb. B&S 10.2 (5. Auflage) (in Abb. Serum nicht Plasma; Serum= Plasma ohne Fibrinogen; siehe Gerinnung) - ca. 60% Albumin - Transferrin - Globuline (alpha-, beta-, gamma-Globuline, Transportfunktion, Immunabwehr) - Gerinnungseiweiße (Fibrinogen) ca. 4% (s.o. nicht im Serum) 2. BLUTSTILLUNG, BLUTGERINNUNG UND FIBRINOLYSE Î Abb. B&S 10.4 (5. Auflage) • Blutstillung (Hämostase) - stoppt Blutfluss aus Verletzungen, lebenswichtig - Abfolge: 1. Kontraktion des verletzten Gefäßes (Vasokonstriktion), 2. Pfropfenbildung aus Thrombozyten, 3. Blutgerinnselbildung (Thrombus), 4. Verfestigung des Thrombus durch Fibrinretraktion • Blutgerinnung - vielstufiger, enzymatisch gesteuerter Teilprozess der Blutstillung (entspricht Punkt 3.) 2/8 Biopsychologie WiSe – Blut, Herz, Kreislauf - Abfolge: 1. Aktivierung Thrombokinase 2. Umwandlung von Prothrombin zu Thrombin durch Enzym Thrombokinase 3. Umwandlung von Fibrinogen zu Fibrin durch Thrombin 4. Fibrin vernetzt sich mit Blutzellen zum Thrombus • Fibrinolyse - Auflösung des Thrombus nach „Reparatur“ des verletzten Gefäßes durch das Enzym Plasmin (alt: Fibrinolysin) • Aktuelle Befunde: Blutgerinnungsfaktoren sind bei chronischem Stress verändert; erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen 3. MECHANIK DER HERZAKTION Î Abb. B&S 10.3 (und 10.14) • Herz: Doppelkammer-Druck-Volumen-Pumpe • Linkes Herz pumpt Blut in das arterielle Versorgungssystem (großer Kreislauf) • Rechtes Herz pumpt Blut in die Lungen (kleiner Kreislauf) • Rückfluss des Blutes zum Herzen in Venen • Vorhöfe und Kammern: - beide Herzhälften haben je 2 Pumpräume: Vorhof und Kammer - Herzklappen trennen den Vorhof von der Kammer und die Kammer von der Arterie; Ventilklappen öffnen nur in Richtung des Blutflusses, sie ermöglichen Druckbildung und verhindern Blutrückfluss • Gleichmäßige Versorgung der Organe durch Elastizität der Arterienwände gesichert Î Abb. B&S 10.4 • Arbeitszyklus der Herzkammern: 1. Füllung (Blutsammlung im Vorhof, Fluss in Kammer; Vorhofkontraktion) 2. Anspannung (Kontraktion der Kammermuskeln) 3/8 Biopsychologie WiSe – Blut, Herz, Kreislauf 3. Austreibung (Blut wird in die Arterie gedrückt) 4. Erschlaffung • Systole: Phase 2 und 3; Diastole: Phase 1 und 4; Herztöne • Blutdruck Î Abb. B&S 10.9 - Druck, gegen den die linke Kammer das Blut in die Aorta auswerfen muss (Arterieller Blutdruck) - Gemessen werden der Spitzenwert während der Kontraktion des Herzens (Systolischer Blutdruck) und der Minimalwert während der Erschlaffungsphase (Diastolischer Blutdruck). - Der Blutdruck wird in mm Quecksilbersäule ausgedrückt. - Normwerte Æ z.B. 10-30 Jahre: 110/75; 30-40 Jahre: 125/85 - Blutdruckamplitude: Differenz zwischen systolischem und diastolischem Blutdruck • Herzzeitvolumen: - Ruhe: ca. 70 Herzschläge/min - pro Schlag werden 70 ml Blut aus der Kammer in die Arterie gepumpt - 70 Schläge/min x 70 ml Blut = 4,9 l Blut/min (sehr hohe Variabilität zw. Menschen) - Belastung/Arbeit: Herzzeitvolumen kann bis auf 25-35 l/min ansteigen • Herzinsuffizienz: - durch dauernde Überbelastung, Klappenfehler oder anderen Gründen - fällt anfänglich nur bei Anstrengungen auf, später schon bei leichter Arbeit (z.B. Treppensteigen) - Symptome: Atemnot, Herzschmerzen, Rhythmusstörungen, Ödeme 4/8 Biopsychologie WiSe – Blut, Herz, Kreislauf • Spontanerregung und Erregungsausbreitung Î Abb. B&S 10.5 - alle Herzmuskelzellen sind netzförmig miteinander verknüpft; dadurch schnelle Ausbreitung eines Signals über das gesamte Herz; nahezu gleichzeitige Kontraktion (funktionelles Synzytium) - einige Zellen sind zur spontanen Erregungsbildung fähig: Schrittmacherzellen (Entstehung des Aktionspotentials im Sinusknoten; Ausbreitung über Atrio-Ventrikular [AV]-Knoten; Erregungsleitung auf beide Kammern; lange Refraktärzeit ermöglicht Rhythmizität) 4. ANPASSUNG DER HERZLEISTUNG AN DEN BEDARF • Herzzeitvolumen: 5 l/min (Ruhe), 10 l/min (leichte Arbeit), 25-35 l/min (schwere Arbeit) • Größeres Herzzeitvolumen wird erreicht (a) durch Zunahme des Schlagvolumens (bis auf 140 ml/Schlag) (b) durch Erhöhung der Herzfrequenz (bis auf ~180 Schläge/min) • Steuerung der Herzleistung durch (a) das Herz selbst (Frank-Starling-Mechansimus) und (b) die Herznerven (a) Frank-Starling-Mechanismus: stärkere Füllung bewirkt verbesserte Kontraktionsfähigkeit der Muskelfasern, dadurch erhöhtes Schlagvolumen (über Dehnungsinformation) (b) Herznerven: Efferenzen und Afferenzen o Afferenzen: - Mechanosenoren melden via Vagus die Dehnung der Vorhofwände (= Füllung der Vorhöfe) - Nozizeptoren informieren ZNS via sympathische Nerven über Schmerzempfindungen (Herzschmerzen) o HINWEIS: Afferenzen gehören nicht zu Paras. bzw. Symp. (nur Efferenzen), ziehen aber in diesen Nerven mit! 5/8 Biopsychologie WiSe – Blut, Herz, Kreislauf Î Abb. B&S 10.11 o Efferenzen: - Sympathische Innervation: Noradrenalin-Ausschüttung führt (a) zu einem Anstieg der Herzfrequenz und (= positiv chronotrope Wirkung) (b) zu einer Erhöhung der Kontraktionskraft (= positiv inotrope Wirkung) - Parasympathische Innervation (Vagus): Acetylcholin verringert die Herzfrequenz; überwiegend vagale Kontrolle des Herzens unter Ruhebedingungen • Wirkungsgrad: Î Abb. B & S 10.12 Optimaler Wirkungsgrad bei hohem Schlagvolumen und geringer Herzfrequenz (Sportlerherz) 5. ARTERIELLER UND VENÖSER KREISLAUF Î Abb. B&S 10.14 • Zwei Teilkreisläufe: Körperkreislauf („großer Kreislauf“) und Lungenkreislauf („kleiner Kreislauf“) • Arterie: vom Herzen weg; Vene: zum Herzen hin • sauerstoffreiches (‘arterielles’) Blut wird aus der linken Herzkammer über die Hauptarterie des Körpers (Aorta) in den Körperkreislauf gepumpt und gelangt in sämtliche Körperorgane (Ausnahme: Lunge); Versorgung der Organe nach Bedarf • sauerstoffarmes (‘venöses‘) Blut wird zur rechten Herzkammer transportiert und von dort in den Lungenkreislauf („kleiner Kreislauf“) gepumpt; • in den Lungen wird das Blut mit Sauerstoff wieder beladen und gelangt in die linke Herzkammer • Achtung: Lungenarterien enthalten sauerstoffarmes („venöses“) Blut, Lungenvenen enthalten sauerstoffreiches („arterielles“) Blut 6/8 Biopsychologie WiSe – Blut, Herz, Kreislauf • Akute Anpassung der Durchblutung an den Bedarf Î Abb. B&S 10.16 - Verdoppelung des Radius bei gleichem Druck führt zu 16-facher; Vervierfachung des Radius zu 256-facher Steigerung der Durchblutung. • Regionale Anpassung: - sympath. Input in glatte Gefäßmuskulatur (Kontraktion); ein Anstieg der Blutversorgung (z.B. Skelettmuskel bei Arbeit) erfolgt hauptsächlich durch Erweiterung der Arteriolen (Reduktion der Entladung: Vasodilatation) über die glatte Muskulatur. - Modulation der Gefäßweite erfolgt durch Gefäßnerven (Sympathikus), Hormone (Renin, Angiotensin, Adrenalin, Noradrenalin), Stickstoffmonoxyd (NO) und Metabolite • Überregionale Anpassung: Zur Aufrechterhaltung des mittleren Blutdrucks im Gesamtsystem stehen mehrere Reflexsysteme zur Verfügung: Î Abb. B&S 10.17 - Barosensoren (=Barorezeptoren, Pressosensoren, Pressorezeptoren) in Aorta und Halsarterien (v.a. im Karotissinusbogen) messen kontinuierlich Blutdruck und melden diesen ins ZNS - Kreislaufzentren (im Hirnstamm; siehe Vorlesung ANS) steuern entsprechend Arbeitsleistung des Herzens (Herzfrequenz, Schlagvolumen) und Gefäßweite über N. Vagus und sympath. Nerven 6. METHODEN Wichtig für Psychophysiologie, Verhaltensmedizin • Pulsmessung: - Druckpulswelle beginnt in Aorta (Hauptschlagader) und setzt sich im gesamten arteriellen System fort (Puls) - kann im Handgelenk oder am Hals ertastet werden - entspricht Herzfrequenz 7/8 Biopsychologie WiSe – Blut, Herz, Kreislauf • Blutdruckmessung: - Methode nach Riva-Rocci (Blutdruckmesswerte werden häufig mit „RR“ bezeichnet) - Manschette mit nachlassendem Druck verursacht KorotkovGeräusche - Beginn: systolischer BD ist stärker als Manschettendruck (Blut kann wieder ungehindert fließen) - Ende: diastolischer Blutdruck ist stärker als Manschettendruck (Geräusch Ende) - Wird mit Sphygmomanometer (aufpumpbare Manschette mit Druckmesser) oder vollautomatischen Systemen gemessen - Kontinuierliche Messung über Ableitung an Fingerarterie (FINAPRESS) • Elektrokardiogramm (EKG): Abb. B&S 10.8 (nur zur Illustration) - Elektroden auf Hautoberfläche im Brustraum/oder Extremitäten - Ableitung von Spannungsunterschieden zwischen erregten und unerregten Herzmuskelzellen - Messung von Frequenz und Rhythmus des Herzens - Es können Störungen der Erregungsausbreitung sowie Übererregungen (Flimmern) erfasst werden. 8/8