Gewebedifferenzierende Merkmale in den elektrischen Signalen bei der HF-Chirurgie C. Thiel, K. Fastenmeier Institut für Hoch-und Höchstfrequenztechnik, Universität der Bundeswehr München, 85577 Neubiberg v/v Einführung P/W Aus den am Generatorausgang beim Schneiden mit HFStrom meßbaren elektrischen Signalen lassen sich weit mehr Informationen über die Vorgänge am Operationsort gewinnen, als bislang zur Regelung der HFChirurgiegeneratoren verwendet werden. So unterliegen diese Signale u.a. auch Einflüssen durch das Gewebe, in dem momentan geschnitten wird. Bei genauerer Kenntnis dieser Einflüsse könnten daraus Merkmale für eine Gewebedifferenzierung gewonnen werden. Anhand zweier Weichgewebe (Muskel und Leber) wurde daher grundlegend untersucht, in welcher Weise sich Gewebeeigenschaften auf die elektrischen Signale auswirken und in welchem Maß sich die verschiedenen Signale für eine Gewebedifferenzierung eignen [1]. Konstante Schnittqualität Grundvoraussetzung für vergleichende Untersuchungen von Schnitten in verschiedenen Geweben ist, daß unabhängig von den Schnittparametern, wie der Gewebeart, der Schnittgeschwindigkeit, der Eintauchtiefe etc. eine konstante Schnittqualität erzeugt werden kann, d.h. die Schnittränder ein konstantes Maß an Koagulation und Karbonisation aurweisen. Untersuchungen zeigen erstmals [1], daß dies sehr gut gewährleistet wird, wenn der Generator so geregelt wird, daß der Klürgrad im Strom, d.h. das Verhältnis aus Oberwellengehalt im Strom zum Gesamtstrom konstant ist (Klürgradregelung). Zeitlich gemittelte Impedanz In heutigen Generatoren werden höchstens Spannung, Strom, Leistung und Impedanz zeitlich gemittelt und erfaßt. Zwei dieser Größen sind unabhängig voneinander, die beiden anderen lassen sich daraus ableiten. Die beiden Weichgewebe unterscheiden sich u.a. in ihrer elektrischen Leitfähigkeit. Daher erwartet man die beste Möglichkeit zu ihrer Differenzierung in der Impedanz. Zwar unterliegt sie dem Einfluß durch die Gewebeleitfähigkeit, doch hängt sie in sehr ähnlicher Weise auch von anderen Parametern, wie beispielsweise der Eintauchtiefe der Elektrode ab. Ob eine Halbierung der Impedanz von einer Verdoppelung der Eintauchtiefe, oder aber vom Hineinschneiden in ein anderes Gewebe herrührt, läßt sich nicht unterscheiden. Die Impedanz eignet sich daher höchstens als zusätzliches Kriterium. Gleiches gilt für die beiden, von ihr abhängigen Signale. 468 ZOO so 2000 ^ ^^ ^*^^ 4 t/S Abb.l: Zeitverlauf der gemittelten Signale bei einem Schnitt von Muskel- hinein in Lebergewebe. Zeitlich gemittelte Spannung Im Gegensatz zur Impedanz zeigt die Spannung beim Schneiden mit Klirrgradregelung nur eine geringe Abhängigkeit von der Eintauchtiefe und der Schnittgeschwindigkeit. Groß dagegen ist ihre Abhängigkeit von der Gewebeart. So zeigt Abb.l einen deutlichen Spannungssprung beim Schneiden von Muskel- hinein in Lebergewebe. Dieser hat zwei Ursachen: Zum einen ist Lebergewebe weniger leitfahig. Um die gleiche Leistung einzuspeisen, bedarf es daher einer höheren Spannung. Hinzu kommt jedoch ein höherer Leistungsbedarf beim Schneiden mit gleicher Schnittqualität in Lebergewebe. Dieser gründet auf strukturellen Unterschieden: Im Gegensatz zu Muskelgewebe besitzt Lebergewebe nur wenig Stützstrukturen. Um die Zellstruktur beim Schneidevorgang aufreißen zu können, ist eine Kombination aus aufbaubarem Dampfdruck und Verdampfungsgeschwindigkeit notwendig. Da im „schwachen" Lebergewebe kein hoher Dampfdruck möglich ist, wird eine höhere Verdampfungsgeschwindigkeit und damit eine höhere Leistung benötigt. Diese wird durch eine weitere Spannungserhöhung zur Verfügung gestellt. Da die Spannung beim Schneiden mit Klirrgradregelung wenig von den mechanischen Schnittparametem abhängt, jedoch die Gewebeleitfähigkeit und strukturelle Eigenschaften stark eingehen, gelingt mit ihr eine gute Trennung der beiden Weichgewebe. Bei ähnlicheren Geweben ist die Trennbarkeit jedoch sicher nicht ausreichend. Damit sind die Möglichkeiten heute gebräuchlicher HF-Chirurgiegeneratoren erschöpft. Biomedizinische Technik · Band 41 · Ergänzungsband 1 · 1996 Unauthenticated Download Date | 5/11/16 5:57 PM r/ 200 100 -400 -300 -300 100 200 300 400 100 200 300 400 u/V -100 -200 Abb.2: Strom-Spannungs-Kennlinie beim Schneiden in Muskel. Strom-Spannungs-Kennlinie Abb.2 zeigt die, in heutigen Generatoren nicht gemessene Strom-Spannungs-Kennlinie beim Schneiden in Muskel. Man erhält sie, wenn beide Größen im Vergleich zur HFPeriode mit hoher zeitlicher Auflösung gemessen und übereinander aufgetragen werden. Die Kennlinie entsteht aus einer seriellen Überlagerung der Kennlinie des HFLichtbogens mit der der Gewebeimpedanz ZG (Abb.3). Dabei überlagern sich auch die beiden Einzelhysteresen. Bei der Gewebeimpedanz bewirken die kapazitiven Effekte im Gewebe eine Öffnung der Kennlinie. Diese wird im Uhrzeigersinn durchlaufen. Im Gegensatz dazu hat der reine Lichtbogen eine Hysterese, die einen Umlauf entgegen dem Uhrzeiger erzeugt. Sie kommt zustande durch wärmeträge Effekte im Plasma des Lichtbogens. Die Überlagerung der beiden gegenläufigen Kennlinien ergibt die Schleife aus Abb.2. Dabei dominiert beim Schneiden in Muskel die Hysterese des Lichtbogens stark gegenüber Abb.4: Strom-Spannungs-Kennlinie beim Schneiden in Leber. der der Gewebeimpedanz. Im Gegensatz dazu zeigt die Kennlinie beim Schneiden in Leber (Abb.4) einen Umlauf im Uhrzeigersinn, der beweist, daß hier die Hysterese der Gewebeimpedanz dominiert und der Lichtbogen an sich kaum eine Hysterese besitzt. Das Plasma beim Schneiden in Leber hat also völlig andere Eigenschaften, als das in Muskel. Allein mit Hilfe der Hysterese einer einzigen Strom-SpannungsKennlinie gelingt somit eine eindeutige Trennung der beiden Weichgewebe. Aus der Strom-Spannungs-Kennlinie lassen sich jedoch weitere charakteristische Größen ableiten, wie die zum Schneiden benötigte Spannung, oder der Imaginärteil der Gewebeimpedanz, der seine Ursachen in der zelligen Gewebestruktur hat. Da eine Kennlinie innerhalb einer HF-Periode zur Verfügung steht, kann trotz eventuell erforderlicher statistischer Auswertungen mehrerer Kennlinien noch schnell reagiert werden. Ergebnisse u Lichtbogen Die durchgeführten grundlegenden Untersuchungen zeigen, daß sich in den elektrischen Signalen durchaus gewebespezifische Merkmale finden. Im Falle von Muskel- und Lebergewebe erlauben bereits einzelne Merkmale eine eindeutige Differenzierung. Es bestehen daher durchaus Aussichten, beispielsweise mit Hilfe von Methoden der Mustererkennung auch ähnlichere Gewebe zu differenzieren. Eine denkbare Anwendung ergibt sich in der Urologie: So besteht bei der Transurethralen Resektion von Prostataadenomen (TÜR) die Gefahr des Einschneidens in die Kapsel, was eine offene Operation erforderlich machen würde. Diese Gefahr könnte gebannt werden, wenn der Generator einen solchen Fall anhand der elektrischen Signale erkennen, und die Leistungszufuhr unterbrechen würde. Literatur Abb.3: Prinzip der seriellen Überlagerung der Kennlinien des Lichtbogens und der Gewebeimpedanz zur Gesamtkennlinie. [1] C. Thiel: Elektrophysikalische Zusammenhänge bei der HF-Chirurgie zur Steuerung von neuartigen HFChirurgiegeneratoren, Dissertation, Universität der Bundeswehr München, 1995 Biomedizinische Technik · Band 41 · Ergänzungsband 1 · 1996 Unauthenticated Download Date | 5/11/16 5:57 PM 469