Einführung in die Wirtschaftswissenschaften für Nicht-ÖkonomInnen Teil 6: Finanzmärkte Dieses Werk ist unter einem Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenzvertrag lizenziert. Um die Lizenz anzusehen, gehen Sie bitte zu http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/3.0/de/ www.mo-ment.info 1 Finanzmärkte www.mo-ment.info 2 Realwirtschaft und Finanzwirtschaft Sparen / Anlegen Zinsen / Rendite moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info Finanzmärkte/ Finanzsektor Banken / Kreditinstitute Finanzdienstleister Finanzintermediäre Zinsen Aktien Dividenden Kapital / Kredite 3 Wer handelt an Finanzmärkten? ● ● ● Institutionelle Investoren (ca. 75%) ● Investmentfonds ● Versicherungen ● Pensionsfonds „Private“ Anleger (ca. 20%) ● Banken ● Stiftungen „Alternative“ Anleger ● Hedgefonds, Private Equity moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 4 Was wird gehandelt? ● ● Finanzmärkte sind alle Märkte auf denen mit Kapital gehandelt wird. Man unterscheidet: ● Kapitalmärkte (Aktienmarkt und Rentenmarkt) ● Devisenmärkte ● Terminmärkte (-> Derivate) ● Geldmärkte moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 5 Kapitalmärkte ● Aktienmarkt: ● ● Aktien: Unternehmensanteile; Eigentum an der Aktiengesellschaft Rentenmarkt: ● ● Handel mit festverzinslichen Wertpapieren: Schuldverschreibungen, Pfandbriefe, Bonds, Anleihen, Hypothekenanleihe, verbriefte Kredite z. B.: Subprimes: Hypothekenpfandbriefe von gering bonitären Schuldnern; -> hohes Ausfall-Risiko! moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 6 Devisenmärkte ● Tausch von unterschiedlichen Währungen ● ● ● Große Bedeutung nach dem Ende von Bretton Woods 1973 => freie Wechselkurse Größter Finanzmarkt (ca. 4 Billionen Dollar Handel täglich) Großer Anteil von Währungsspekulation moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 7 Terminmärkte ● ● ● Derivate: Verträge über zukünftig zu erfüllende Geschäfte -> Termingeschäft Ziel: Absicherung gegen Risiken Funktionsweise analog einer Wette (Spekulation) moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 8 Derivate ● ● Basiswerte ● Wertpapiere (Aktien, Anleihen) -> Kursrisiken ● Devisen -> Währungsschwankungen ● Zinsen -> Zinsschwankungen ● Kredite -> Kreditausfallrisiko (Credit Default Swap) ● Rohstoffpreise -> Preisrisiken ● Andere Derivate -> Risiko des Risikoeintritts ● Wetter -> Wetterrisiken -> Wetterbörse Derivate: Forward, Futures, Put-/Call-Optionen, SWAPS, SWAPTIONS, short/long moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 9 Geldmärkte ● ● ● Handel mit Wertpapieren mit geringer Laufzeit (< 1 Jahr) Kurzfristiger Handel zwischen Geschäftsbanken (Interbankenhandel), Geldmarktfonds und anderen großen institutionellen Anlegern Ziel: Liquidität, Refinanzierung ● ● Liquidität / Solvenz: Zahlungsfähigkeit Refinanzierung: (Kurzfristige) Kreditaufnahmen zur Finanzierung (langfristiger) Kreditvergabe moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 10 Vollkommene Märkte? ● Homogenität der Güter ● ● ● Auf einem (Teil-)Markt werden also in der Regel nahezu vollständig homogene Güter gehandelt Fehlen von persönlichen Präferenzen ● ● Finanzmarktpapiere werden meist standardisiert Persönliche Präferenzen spielen in der Regel wohl keine oder nur eine untergeordnete Rolle Fehlen von zeitlichen Differenzierungen ● Spielen in der Regel keine Rolle moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 11 Vollkommene Märkte? ● Fehlen von räumlichen Differenzierung Transaktionskosten sind gering ● Durch die IT-Technologien können Papiere nahezu ohne Zeitverzögerung weltweit gehandelt werden ● ● vollständige Markttransparenz Nicht unbedingt gegeben ● ● ● Papiere sind oft kompliziert und selbst für Fachleute kaum zu verstehen Rating-Agenturen haben großen Einfluss Aber: Dies ist bereits ein Ergebnis des Verhaltens der Finanzmarktakteure moment! Initiative für emanzipatorische Bildung ● www.mo-ment.info 12 Die Rolle des Staates ● Deregulierung und Internationalisierung Zunahme von globalem Freihandel ● Abbau der Kapitalverkehrskontrollen, v.a. nach dem Ende von Bretton Woods ● Zulassung von neuen Finanzinstrumenten (Derivate) und Unternehmensformen ● ● (-> Hedgefonds, Geldmarktfonds) moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 13 Bubbles und Krisen www.mo-ment.info 14 Rendite und Risiko ● Tradeoff zwischen Rendite und Risiko: ● Sichere Anlagen bringen nur geringe Renditen ● Hohe Renditen sind mit hohen Risiken verbunden moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 15 Entwicklung von Sozialprodukt und Finanzvermögen weltweit, 1980-2010 250 Billionen $ 200 150 100 50 0 Sozialprodukt Finanzvermögen 1980 1995 2000 2005 2010* 10,1 29,4 31,7 44,5 63,3 12 64 93 140 214 Quelle: McKinsey Quarterly, January 2007, Mapping the global capital markets, S.8 moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 16 Spekulative Blasen ● ● Solange die Kurse steigen ist der Kauf rational, wenn man es schafft vor dem Zerplatzen der Blase zu verkaufen Beim Zerplatzen der Blase fallen die Kurse der betroffenen Wertpapiere, weil keiner sie mehr kaufen will und die Besitzer zu immer geringeren Kursen zum Verkauf bereit sind moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 17 Spekulative Blasen ● ● ● Schönheitswettbewerb: Nicht eigene Erwartungen sind maßgeblich, sondern Erwartungen über Erwartungen anderer Self-fullfilling-prophecy: Bei Erwartung zukünftiger Kursgewinne werden Papiere gekauft, die zusätzliche Nachfrage erhöht den Kurs Herdenverhalten: ● Steigende Kurse -> mehr Käufe, ● Fallende Kurse -> mehr Verkäufe moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 18 Chronologie der aktuellen Krise www.mo-ment.info 19 Phase 1: Subprime-Krise ● ● Frühjahr 2007: fallende Immobilienpreise und laufende Zinserhöhungen verursachen massive Zahlungsausfälle bei Subprime-Krediten Sommer 2007: Viele Baufinanzierer (hauptsächlich in den USA) müssen Insolvenz anmelden; Conduits (Refinanzierungsgesellschaften) werden ihre auf dem kurzfristigen Geldmarktpapier nicht mehr los und müssen Kreditlinien bei ihren Mutterbanken in Anspruch nehmen moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 20 Phase 1: Subprime-Krise ● In der Folge: Vertrauenskrise zwischen den Banken; 9. August 2007: Massiver Anstieg der Zinsen auf dem Interbankenmarkt→ Beginn der Finanzkrise moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 21 Phase 2: Finanzkrise ● ● ● Juli 2008: Die Investmentbanken Fannie Mae und Freddie Mac sind zahlungsunfähig und werden von der Regierung gerettet 15. September 2008: Lehman Brothers ist insolvent und wird nicht gerettet – der Interbankenmarkt kommt vollständig zum Erliegen auch andere Banken (und andere, wie z.B. Versicherungen, ganze Staaten) kommen in große Zahlungsschwierigkeiten. moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 22 Phase 2: Finanzkrise ● ● Die Krise der Finanzmärkte ist viel mehr als nur eine Subprime-Krise. Davon waren zwar einige Banken direkt betroffen, das eigentliche Problem entsteht jedoch durch die Krise am Interbankenmarkt Der erhöhte Verkaufsdruck für Vermögenswerte und gestiegene Refinanzierungskosten verstärken die Krise weiter moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 23 Phase 3: Krise der Realwirtschaft ● Warum ist die Realwirtschaft betroffen ● ● ● ● Immobilien- und Konsumboom in den USA beendet Banken geben wegen steigendem Risiko keine Kredite für Investitionen mehr Verluste bei Banken senken Eigenkapital, somit weniger Möglichkeiten für Kreditvergabe Allgemeine Unsicherheit reduziert Investition und Konsum moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 24 Phase 3: Krise der Realwirtschaft ● ● ● US-Wirtschaft „wächst“ im 4. Quartal 2008 mit - 6,2 %; die Investitionstätigkeit geht im gleichen Zeitraum um 28,8 % zurück Ende 2008 brechen in der EU Produktion (- 5 %) und Auftragseingänge der Industrie (- 15 %) ein Der Dow Jones verliert über 50 % auf unter 7.000 Punkte und erlebt 2008 das drittschlechteste Jahr seiner Geschichte und das schlechteste seit 1931; gleiches gilt für den DAX (Juli 2007: 8.100 Punkte, heute: 3.700) moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 25 Reaktionen: Zentralbanken ● Fed (Amerikanische Zentralbank) wird fiskalisch tätig: ● ● ● Kauft in großem Umfang hypothekenbesicherte Wertpapiere von den Investmentbanken (v. a. Fannie und Freddie, 600 Mrd. Dollar im November 2008) Versorgt Banken mit Liquidität zur Sicherung des Interbankenmarktes (Bilanzsumme der Fed steigt von 900 Mrd. auf 2.200 Mrd. Dollar) Auch die EZB senkt ihre Zinsen merklich moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 26 Reaktionen: Regierungen USA ● ● Oktober 2008: Rettungsfond in Höhe von 700 Mrd. Dollar Februar 2009: Konjunkturpaket in Höhe von 787 Mrd. Dollar für Steuersenkungen und Investitionen in Infrastruktur moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 27 Reaktionen: Regierungen Deutschland ● ● Oktober 2008: Garantieerklärung für Spareinlagen, Bankbürgschaften bis zu 400 Mrd. Euro (SoFFin), Übernahme von schlechten Vermögenswerten gegen Beteiligungen an Finanzinstitutionen möglich Februar 2008: Konjunkturpakete in Höhe von insg. 80 Mrd. € (Steuersenkungen, Abwrackprämie, Sonderzahlung Kindergeld, Hartz IV-Erhöhung für Kinder u.a.). Folge: Rekordneuverschuldung in 2009 erwartet; Außerdem: Diskussion über Verstaatlichung moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 28 moment! Initiative für emanzipatorische Bildung Mehr Informationen, weitere Seminare, einen Newsletter sowie die Unterlagen zu diesem Tutorium finden sich unter: www.mo-ment.info moment! Initiative für emanzipatorische Bildung www.mo-ment.info 29