Symbolik und Sinn des Abendmahls - Jesus

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Predigt Rüsselsheim, 25. Mai 2008
Symbolik und Sinn des Abendmahls
Liebe Gäste,
liebe Gemeindeglieder,
wenn wir heute wieder das Abendmahl oder, wie die Bibel es nennt, das Mahl des Herrn feiern,
sollten wir uns einmal neu darüber klarwerden, warum wir das eigentlich tun. Ist das nur so
eine Tradition, die man auch abschaffen kann? Nein, der Herr Jesus hat diese Zusammenkünfte
ausdrücklich angeordnet1. Das ist also verbindlich.
Aber was ist der Sinn dieser Feier? Natürlich wissen wir das: Wir sollen uns dadurch an das
Leiden und Sterben unseres Herrn für uns erinnern. Das ist richtig. Aber es ist nur eine von
acht Antworten, die das Neue Testament auf diese Frage gibt. Wenn wir die anderen sieben
Bedeutungen nicht kennen, dann wird es einseitig, und unsere Mahlfeiern werden zu
Trauerfeiern, was sie meines Erachtens nun wirklich nicht sein sollen – im Gegenteil.
Deshalb will ich uns alle acht Punkte dieses Themas darlegen. Vorher möchte ich aber auch
noch kurz etwas zur Symbolik des Abendmahls sagen.
1) Die Symbolik
2) Der Sinn
a) Erinnerung (1. Kor. 11, 24 - 25)
b) Verkündigung (1. Kor. 11, 26)
c) Gemeinschaft (1. Kor. 10, 16 - 17)
d) Hoffnung (Lk. 22, 18)
e) Bund (Lk. 22, 20)
f) Freude (Apg. 2, 46)
g) Ernsthaftigkeit des Herzens (Apg. 2, 46)
h) Anbetung (Apg. 2, 47)
1) Die Symbolik
Dies ist eins der umstrittensten Themen in der Theologie. Selbst die Reformatoren hatten keine
einhellige Haltung dazu. Deshalb hat Luther in einer Disputation mit Zwingli und anderen
“reformierten” Theologen zu ihnen gesagt: “Ihr habt einen anderen Geist!”
a) Die katholische Auffassung
Wenn der Priester die Einsetzungworte spricht, verwandelt sich die Oblate in Leib und Blut Jesu.
Dann sieht sie immer noch aus wie eine Oblate, ist es aber nicht mehr. Die Hostie wird sogar
verehrt (weil der Herr Jesus darin angeblich leiblich gegenwärtig ist) und wird an Fronleichnam
durch die Felder getragen, damit sie gesegnet werden, so daß sie viel Frucht bringen.
b) Die lutherische Auffassung
Sie verschließt nicht die Augen vor der Tatsache, daß die Materie von Brot und Wein auch nach
den Einsetzungsworten dieselbe bleibt, glaubt aber doch an eine geistliche Wandlung. Sie sieht
also beides gleichzeitig: Brot und Wein bleiben Brot und Wein, wandeln sich aber dennoch in
1
1. Kor. 11, 23 - 26
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Predigt Rüsselsheim, 25. Mai 2008
Leib und Blut Jesu. Als Begründung wird darauf hingewiesen, daß der Herr Jesus nicht gesagt
hat: “Dies bedeutet meinen Leib / mein Blut”, sondern “Dies ist ... “
c) Unsere Auffassung
Die Bibel spricht nirgends von einer solchen Umwandlung. Grundlage des Herrenmahls ist das
Passahmahl. Der Herr Jesus hat das Abendmahl im Rahmen eines Passahmals eingesetzt.
Beides sind symbolische Feiern: Das Passahmahl erinnert an den Auszug in Ägypten und
kündigt das Erlösungswerk Jesu an. Das Passahlamm ist dabei ein Symbol Jesu. Das
Herrenmahl erinnert an das vollbrachte Erlösungswerk. Brot und Wein symbolisieren den Leib
des Herrn, der zerbrochen wurde, und Sein Blut, das vergossen wurde.
Dagegen kann man einwenden: “Aber hat doch gesagt: 'Dies ist ... mein Leib usw.'”! Aber das
bedeutet noch lange nicht, daß Er das wörtlich gemeint hat. Wenn ich Euch ein Foto von
jemandem zeige, den ihr kennt, dann sagt Ihr: “Das ist Soundso”, obwohl Ihr genau wißt, daß
es, genaugenommen, nur ein Foto von ihm ist. Der Satz “Dies ist ... “ ist also längst nicht
immer wörtlich gemeint.
Die unterschiedlichen Abendmahlsverständnisse sollten uns aber nicht davon abhalten, es
zusammen mit gläubigen Lutheranern zu feiern.
2) Der Sinn des Mahls des Herrn
a) Mahl der Erinnerung
1. Kor. 11, 23 – 25
23 Denn ich habe es vom Herrn empfangen, was ich auch an euch überliefert habe,
daß der Herr Jesus in der Nacht, in der Er überliefert wurde, Brot genommen hat 24
und, nachdem Er gedankt hatte, es gebrochen und gesagt hat: “Dies ist mein Leib,
der für euch ist; dies tut zur Erinnerung an mich.” 25 Ebenso nahm Er auch den
Kelch, nachdem sie gegessen hatten, und sagte: “Dieser Kelch ist der neue Bund in
meinem Blut; dies tut, sooft ihr ihn trinkt, zur Erinnerung an mich.”
Der 11. November ist ein Feiertag in Frankreich. Anlaß dafür ist, daß der 11.11.1918 als
symbolischer Tag des Waffenstillstandes zwischen Frankreich und D eutschland an diesem Tag
gilt und damit als Symbold des des Endes des 1. Weltkrieges. Er wird gefeiert, weil damit ein
schrecklicher Krieg endete (mit acht Millionen Toten und dem Einsatz von Giftgas), sowie, daß
der damalige Erbfeind besiegt war. Dieser Feiertag soll die Erinnerung daran wachhalten.
Ähnlich ist es mit dem Abendmahl. Die Gefahr ist ja nicht, daß die Tatsache des Erlösungswerk
aus unserem Gedächtnis ausgelöscht wird, sondern daß sie uns zumindest vergleichsweise
unwichtig und fast selbstverständlich wird. Man gewöhnt sich an fast alles - vor allem an das
Gute!
Wiederholung ist die effektivste Methode, etwas zu lernen, sich etwas einzuprägen und etwas
im Gedächtnis und im Bewußtsein zu halten. PC-Benutzer müssen kaum noch im Kopf rechnen
– und wenn doch, wird es schwierig, weil sie das Einmaleins nicht mehr so gut im Gedächtnis
haben.
Paulus hat diese Methode auch benutzt, zumindest im Philipperbrief:
Phil. 3, 1 (Schlachter 2000)
Im übrigen, meine Brüder, freut euch in dem Herrn! Euch [immer wieder] dasselbe
zu schreiben, ist mir nicht lästig; euch aber macht es gewiß.
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Predigt Rüsselsheim, 25. Mai 2008
Der große Evangelist D.L. Moody wurde einmal gefragt, warum er immer wieder predigte: “Ihr
müßt von neuem geboren werden”. Seine Anwort war: “Das hat einen ganz einfachen Grund:
Ihr müßt von neuem geboren werden!”
Das unfaßbar große Ausmaß des körperlichen, seelischen und geistlichen Leidens unseres
Herrn zeigt, wie schlimm unsere Sünde ist, aber auch, wie groß Seine Liebe zu uns ist. Das muß
uns nicht traurig machen. Wir dürfen uns statt dessen darüber freuen, daß Er uns so sehr
liebhat, daß Er durch Sein Leiden und Sterben unsere Schuld gesühnt und uns unendlich reich
gemacht hat. Die Erinnerung an das Leiden unseres Herrn ist also Anlaß zu großer Freude!
Ich habe jetzt über zwanzig Jahre lang mit Euch fast jeden Sonntag das Mahl des Herrn
gefeiert. Ich habe dabei ein viel tieferes Verständnis und Bewußtsein der Bedeutung des
Erlösungswerkes bekommen, als dies in den sieben Jahren der intensiven Beschäftigung mit
Gott in meiner theologischen Ausbildung möglich war. Ich möchte das nicht missen.
b) Mahl der Verkündigung
1. Kor. 11, 26
Denn sooft ihr dieses Brot eßt und den Kelch trinkt, sollt ihr den Tod des Herrn
verkündigen, bis Er kommt.
“verkündigen” meint hier eigentlich “feierlich proklamieren”.
Wem wird hier verkündigt? Dazu gibt es verschiedene Auffassungen, z.B., daß es sich um die
unsichtbare Welt handelt. Dazu wird verwiesen auf
Eph. 3, 10
... damit jetzt den Gewalten und Mächten in der Himmelswelt durch die Gemeinde
die mannigfaltige Weisheit Gottes zu erkennen gegeben werde ...
Ich kann nicht ausschließen, daß das richtig ist. Allerdings gibt es keinen Hinweis darauf, daß
wir einen Verkündigungsauftrag gegenüber der unsichtbaren Welt haben.
Eine andere Auffassung denkt an anwesende Ungläubige. Das ist möglich. Ich hörte, daß in
italienischen Brüdergemeinden immer wieder Menschen in der Mahlfeier zum Glauben
kommen. Dennoch sehe ich auch darin nicht den Hauptsinn der Verkündigung im Rahmen des
Mahls des Herrn.
Mehrere Ausleger weisen hier auf 2. Ms. 13, 8 hin. Zusammenhang sind die Einsetzung des
jährlichen Passahfests sowie Erläuterungen, wie es gefeiert werden soll:
2. Ms. 13, 8
Und du sollst dies deinem Sohn an jenem Tag so erklären: Es geschieht um
deswillen, was der HERR für mich getan hat, als ich aus Ägypten zog.
Das hebräische Wort für “erklären” hat eine ganz ähnliche Bedeutung wie das griechische in 1.
Kor. 11, 26: “feierlich proklamieren”
Bis heute beginnt jedes Passahmahl mit der Frage des jüngsten Sohnes an den Vater: “Was
unterscheidet diesen Abend von allen anderen Abenden?” Darauf erzählt der Vater feierlich
von der Sklaverei der Vorfahren in Ägypten und von ihrer wunderbaren Befreiung. Er weist
natürlich auch darauf hin, daß das Blut des Opferlamms sie vor dem Todesengel bewahrte, der
alle erstgeborenen Söhne der Ägypter tötete. Das ist die Parallele zum Herrenmahl. Der Sinn
des Abendmahls wird jedesmal wieder erläutert, und dadurch wird der Tod des Herrn
verkündigt.
Hier könnte man fragen: Mahl der Erinnerung an den Tod Jesu und Mahl der Verkündigung des
Todes Jesu – ist das nicht doppelt gemoppelt? Ist das nicht eine überflüssige Wiederholung?
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Predigt Rüsselsheim, 25. Mai 2008
Nein, es sind zwei versch.edene Aspekte: Die Verkündigung lenkt unsere Gedanken nach
Golgatha, und die Erinnerung nimmt diesen Impuls auf ud schaut aktiv ans Kreuz. Oder, etwas
anders ausgedrückt: Die Verkündigung führt uns ans Kreuz, und die Erinnerung nimmt den
Gekreuzigten dort bewußt wahr.
c) Mahl der Gemeinschaft
Gemeinschaft mit Christus:
1. Kor. 10, 16
Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht Teilhabe am Blut Christi? Das
Brot, das wir brechen, ist es nicht Teilhabe am Leib des Christus?
V. 21 spricht vom Abendmahl als dem “Tisch des Herrn”. Er lädt uns ein, als Seine Gäste mit
Ihm das Mahl zu feiern. Er wünscht sich diese Gemeinschaft mit uns. Er sagte zu Seinen
Jüngern am Beginn des letzten Passahmahls (in dessen Rahmen Er das Herrenmahl eingesetzt
hat):
Lk. 22, 15
Wie sehr habe ich mich danach gesehnt, dieses Passahmahl mit euch zu essen!
Das dürfen wir wohl getrost auch auf das Abendmahl anwenden. Wenn Er uns an Seinen Tisch
lädt und große Sehnsucht danach hat, daß wir auf diese Weise mit Ihm Gemeinschaft haben wie könnten wir da diese Einladung ausschlagen?
Es ist aber nicht nur Gemeinschaft mit Herrn Jesus, sondern auch
Gemeinschaft untereinander:
1. Kor. 10, 17
Da es ein Brot ist, sind wir, die vielen, ein Leib, denn wir alle nehmen teil an dem
einen Brot.
Das Brot symbolisiert nicht nur den physischen Leib Jesu aus Fleisch und Blut, der am Kreuz
gelitten hat und gestorben ist, sondern auch Seinen geistlichen Leib, die Gemeinde.
Wir kommen zum Tisch des Herrn nicht als einzelne Individualisten, sondern als enge
Gemeinschaft. Es geht also beim Abendmahl nicht nur um die Beziehung mit dem Herrn Jesus,
sondern auch um die Beziehung zueinander. Deshalb darf ich nur dann daran teilnehmen,
wenn meine Beziehung mit meinem Herrn ungetrübt ist und ich getan habe, was ich kann,
damit mein Verhältnis zu den Geschwistern in Ordnung ist.
Es ist ein Unding, das Tischtuch zwischen mir und einem Bruder bzw. einer
Schwester zu zerschneiden und dann zum Tisch des Herrn zu gehen, als wäre alles
in Ordnung. Damit können wir vielleicht Menschen täuschen - aber nicht den
allwissenden Gott! Das macht Ihn traurig, beleidigt ihn, erzürnt Ihn und nimmt Ihm sicherlich
zumindest teilweise die Freude an der Gemeinschaft mit uns.
Wenn jemand unter uns ist, auf den das zutrifft, dann bitte ich Dich dringend, Brot und Kelch
an Dir vorbeigehen zu lassen. Die Bibel warnt uns eindringlich:
1. Kor. 11, 28 - 30
28 Der Mensch aber prüfe sich selbst, und so esse er von dem Brot und trinke von
dem Kelch. 29 Denn wer isst und trinkt, isst und trinkt sich selbst Gericht, wenn er
den Leib des Herrn nicht richtig beurteilt. 30 Deshalb sind viele unter euch schwach
und krank, und ein gut Teil sind entschlafen.
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Predigt Rüsselsheim, 25. Mai 2008
d) Mahl der Hoffnung
Lk. 22, 18
Denn ich sage euch: Ich werde von jetzt an auf keinen Fall mehr vom Gewächs des
Weinstocks trinken, bis das Reich Gottes kommt.
Das Mahl des Herrn lenkt unseren Blick zurück auf Jesu Leiden und Sterben für uns, auf die
Gemeinschaft mit Ihm, auf die Gemeinschaft miteinander, aber auch nach vorne in unsere
herrliche Zukunft. Was Er hier sagt, bedeutet im Umkehrschluß: Wir werden in der Ewigkeit
dieses Mahl mit Ihm feiern in vollkommener Weise, in nie wieder durch Sünde getrübter
Gemeinschaft mit Ihm, in jubelnder Freude, ununterbrochen und endlos.
Nun könnte man fragen: Wird das nicht irgendwann langweilig? Gegenfrage: Wird zwei
Frischverliebten ihre Zeit miteinander irgendwann zuviel?
Wir entdecken schon hier in unseren Mahlfeiern immer wieder neue Aspekte des
Erlösungswerkes - wieviel mehr erst in der Ewigkeit! Wir sollten auch nie vergessen: Die
Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus wird eine vorher nie gekannte Intensität haben:
1. Joh. 3, 1 - 2
1 Seht, welch eine Liebe uns der Vater gegeben hat, daß wir Kinder Gottes heißen
sollen! Und wir sind es. Deswegen erkennt uns die Welt nicht, weil sie ihn nicht
erkannt hat. 2 Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht offenbar
geworden, was wir sein werden; wir wissen, daß wir, wenn er offenbar werden wird,
ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist.
Dieser Hoffnungsaspekt ist ein weiterer Grund dafür, daß das Abendmahl kein Grund zur
Traurigkeit sein sollte, sondern im Gegenteil zu großer Freude.
Ich besuche regelmäßig Maria Schorsten, die Krebs im Endstadium hat. Menschlich gesehen, ist
ihre Lage verzweifelt, weil sie nur noch kurze Zeit zu leben hat. Dennoch sage ich ab und zu
ihr: “Du hast eine wunderbare Zukunft vor Dir!” Das ist scheinbar paradox und doch wahr. Sie
wird uns vorangehen in das eigentliche Leben bei Gott in der Ewigkeit ohne Krankheit,
Schmerzen, Gebrechlichkeit, Müdigkeit, Tod, Traurigkeit, Sünde und Versagen.
e) Mahl des Bundes
Lk. 22, 20
Und den Kelch ebenso nach dem Essen und sagte: Dieser Kelch ist der neue Bund in
meinem Blut, das für euch vergossen wird.
Ein neuer Bund setzt voraus, daß es bereits einen anderen Bund gibt, nämlich den “alten
Bund”. Das ist Gottes Bund mit Israel: Er gilt nur den Nachkommen Abrahams, Isaaks und
Jakobs (den Juden). Er erfordert die Treue Israels zu diesem Bund. Er ermöglicht Vergebung der
Schuld aufgrund von vergossenem Tierblut.
Der neue Bund dagegen gilt allen Menschen, die in ihn eintreten. Er beruht einzig und allein
auf Gottes Treue. Er ermöglicht Vergebung der Schuld aufgrund des vergossenen Blutes Jesu.
Ich bin manchmal ein bißchen traurig, daß ich nicht zu Gottes auserwähltem Volk gehöre. Aber
die Beschäftigung mit dieser Thematik in der Predigtvorbereitung hat mir wieder einmal
bewußt gemacht, daß ich als Teilhaber des Neuen Bundes unendlich viel reicher bin.
Nun könnte man natürlich fragen: Warum dann überhaupt der alte Bund? Gott wußte doch im
voraus, daß das nicht funktionieren würde, wenn es auf Israels Treue zu diesem Bund ankam!
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Predigt Rüsselsheim, 25. Mai 2008
Ja, Gott wußte es in der Tat - aber wir Menschen nicht. Die Geschichte Gottes mit Seinem Volk
ist Heilsgeschichte. Sie sollte der Menschheit anschaulich vor Augen führen: Sie kann sich nicht
selbst erlösen. Sie kann auch nicht das kleinste Bißchen dazu beitragen. Sie braucht einen
Erlöser, der sich für sie dieses Problems annimmt und es ein für allemal löst. Das Abendmahl
will uns auch an diese Tatsache erinnern.
Das ist auch das Ziel des Hebräerbriefes. Die Adressaten waren Judenchristen, die im Begriff
standen, ins Judentum zurückzukehren. Der Verfasser führt ihnen die haushohe Überlegenheit
des Neuen Bundes über den Alten Bund vor Augen – dreizehnmal benutzt er dabei das Wort
“besser”.2 Wie gut haben wir es doch als Kinder Gottes - das führt uns das Mahl des Herrn
immer wieder vor Augen.
f) Mahl der Freude
Apg. 2, 46
Und sie verbrachten jeden Tag einmütig viel Zeit im Tempel und brachen zu Hause
Brot, nahmen Speise zu sich mit Jubel ...
Manche beziehen das nicht auf das Mahl des Herrn, sondern auf “normale” gemeinsame
Mahlzeiten (Die Gemeinde in Jerusalem lebte ja in Gütergemeinschaft). Aber das Abendmahl
war damals noch keine rein symbolische Mahlzeit, bei der jeder nicht mehr als ein kleines
Stück Brot und eine kleinen Schluck Wein bekam. Sondern es wurde gefeiert in Verbindung mit
einem ganz normalem Essen. Und der Ausdruck “Brot brechen” bezeichnet im Neuen
Testament das Mahl des Herrn.3 Außerdem: Was hätte es bei einer ganz normalen Mahlzeit
immer zu jubeln gegeben? - Das macht nur dann Sinn, wenn das Abendmahl gemeint ist.
Noch einmal: Wenn bei unseren Mahlfeiern eine Atmosphäre wie bei einer Beerdigung
herrschen würde, dann hätten wir ein sehr einseitiges Verständnis des Sinns dieser
Zusammenkünfte und wären meilenweit vom biblischen Vorbild entfernt.
Ob unsere Freude sich in lautem Jubel äußert oder wir sie tief in unserem Innern empfinden,
ohne, daß man sie uns äußerlich anmerkt, das ist eine Frage des Temperaments und der
kulturellen Prägung. Wichtig ist, daß diese Freude unsere Mahlfeiern prägt und immer mehr
durchdringt.
Ein biblisches Beispiel ist Neh. 10. Die Kenntnis der Thora (Mosebücher) war in der
babylonischen Gefangenschaft in Vergessenheit geraten. Nach der Rückkehr ins Land der Väter
und dem Wiederaufbau des Tempels wurde das Gesetz stundenlang im Freien in Gegenwart
aller Juden vorgelesen und von den Schriftgelehrten erläutert. Die Reaktion der Zuhörer war
eine tiefe Sündenerkenntnis und lautes Weinen. Darum sagte Nehemia zu ihnen, sie sollten
aufhören, zu weinen. Er begründete das so:
Neh. 8, 10
Und seid nicht bekümmert, denn die Freude am HERRN, sie ist euer Schutz!
Die Trauer über die Sünde ihrer Vorfahren und über ihre eigene Schuld hätte sie immer tiefer
ins seelische Loch gerissen und hätte sie schließlich verzweifeln lassen können. Deshalb weist
Nehemia darauf hin, daß sie trotzdem allen Grund zur Freude hatten: Wenn Gott sie – zu recht
– endgültig verworfen hätte, dann hätte Er doch wohl nicht sie in ihr Land zurückkehren lassen
und es ihnen gelingen lassen, gegen den erbitterten Widerstand ihrer Feinde die Mauern
Jerusalems und den Tempel wiederaufzubauen!
Genauso ist es auch bei der Beschäftigung mit Jesu Leiden Sterben im Mahl des Herrn: Was uns
zunächst traurig machen will, ist in Wirklichkeit Grund zu großer Freude!
2
3
Hebr. 6, 9/ 7, 7. 19. 22/ 8, 6/ 9, 23/ 10, 34/ 11. 4. 16. 35. 40/ 12, 24
cf. Apg. 20, 7
Seite 6
Predigt Rüsselsheim, 25. Mai 2008
g) Mahl der Ernsthaftigkeit des Herzens
Apg. 2, 46
Und sie verbrachten jeden Tag einmütig viel Zeit im Tempel und brachen zu Hause
Brot, nahmen Speise zu sich mit Jubel und Ernsthaftigkeit des Herzens
Das Wort für “Ernsthaftigkeit” bedeutet eigentlich “glatt”, “ohne Felsen”, aber auch
“Einfachheit”, “Schlichtheit”, “Demut” und “Aufrichtigkeit”. Meines Erachtens paßt hier die
Bedeutung “Ernsthaftigkeit” am besten in den Zusammenhang. Sie bildet einen gewissen
Kontrast und eine notwendige Ergänzung zum vorangehenden Begriff “Jubel”: Die
Ernsthaftigkeit bewahrt vor einem Mißverständnis und davor, “Jubel” zu verwechseln mit
Fröhlichkeit, Ausgelassenheit oder gar Albernheit.
“Freude am Herrn” und Freude über das Erlösungswerk hat mit solchen oberflächlichen
Emotionen nichts zu tun, sondern sie st verbunden mit einer heiligen Ernsthaftigkeit. Diese
Dinge würden genauso wenig in diesem Rahmen passen wie Traurigkeit, Niedergeschlagenheit
oder Bedrücktheit.
h) Mahl der Anbetung
Apg. 2, 46 - 47
Und sie verbrachten jeden Tag einmütig viel Zeit im Tempel und brachen zu Hause
Brot, nahmen Speise zu sich mit Jubel und Ernsthaftigkeit des Herzens, lobten
Gott ...
Auch das ist ein enorm wichtiger Aspekt des Mahls des Herrn: die Anbetung. Darum wird diese
Stunde in Brüdergemeinden traditionell auch “Anbetungsstunde” genannt. Das ergibt sich ganz
natürlich aus der Dankbarkeit und Freude über das, was der Herr Jesus für uns getan hat.
Anbetung bedeutet: Wir sagen Ihm, wie begeistert wir von Ihm sind, und wie sehr wir uns über
Ihn freuen. Wir geben Ihm die Ehre, die Ihm gebührt. Wir huldigen dem Herrn der Herren und
dem König der Könige.
Seit einigen Jahren gibt es ein großes Bedürfnis unter den Gläubigen, dies miteinander in der
Gemeinde zu tun. Leider schlägt es sich absolut nicht nieder im Besuch des Herrenmahls in
unserer Gemeinde und in anderen Brüdergemeinden. Ich will deswegen niemandem Vorwürfe
machen. Wie gesagt: Mir persönlich geben diese Stunden sehr viel – aber ich habe auch
Verständnis dafür, daß viele andere Geschwister nicht so recht Zugang dazu finden. Meine
Bitte: Sagt uns, was wir ändern können, damit sich das ändert!
Ich möchte diese Predigt aber nicht damit ausklingen lassen, sondern mit der herzlichen
Einladung: Kommt zum Tisch des Herrn! Schaut auf Ihn, wie Er am Kreuz unsere Schuld sühnt!
Freut Euch über Seine abgrundtiefe Liebe zu uns! Genießt die Gemeinschaft mit Ihm und
untereinander! Betet Ihn an
AMEN
Copyright © 2008
Detlev Fleischhammel
alle Rechte vorbehalten
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