Michael Mack, Bad Blankenburg

Werbung
Stationäre Entwöhnungsbehandlung (‚Stationäre Reha
Sucht’) für Patienten mit Sucht-Psychose-Komorbidität
Abschnitt 1: SITUATION UND LANDSCHAFT
Wie ist die Situation des Doppeldiagnose-Patienten? Was kennzeichnet sein
Krankheitsbild? Vor welchen spezifischen Schwierigkeiten sieht sich der
Suchttherapeut? Was sind geeignete Behandlungsbausteine?
Das Vorliegen einer substanzbezogenen Störung (im Sinne einer Abhängigkeitserkrankung)
in Kombination mit einer Psychose (Komorbidität) kann in den meisten Fällen nicht sinnvoll
sozusagen ‚additiv’ verstanden werden, so als ob zu der Abhängigkeit quasi jetzt eben noch
eine Psychose hinzuträte oder als ob der Patient uns einmal als Abhängiger, dann aber als
Psychotiker begegnete. Wenn auch für die Ätiologie und Diagnostik von Sucht-PsychoseKomorbidität in der Wissenschaft vielfältige Modelle1 entwickelt wurden, so beobachten wir
praktisch aufgrund der Wechselwirkung zwischen beiden Störungen ein in mancher Hinsicht
neues, eigenständiges Krankheitsbild. Es kommt zu Rückkopplungsphänomenen. Oft verstärken beispielsweise süchtige Verhaltensweisen psychotische Phänomene oder umgekehrt (‚interaktive Komorbidität’2). Entsprechend findet man häufig besonders ungünstige Verläufe,
welche in Chronifizierung, intellektuell-kognitiven Abbau, affektive Verflachung, schwere
gesundheitliche Beeinträchtigungen, sehr weitgehende soziale Isolation und Desintegration
etc. münden können3.
Die Wechselwirkung zwischen den Störungen kann also zu komplexen, im Verlauf schwer
prognostizierbaren, oft nicht sicher zu diagnostizierenden (Was war zuerst? In welchem Verhältnis stehen Sucht und psychotische Symptome?) Krankheitsbildern führen. Das führt u.a.
zu folgenden Konsequenzen4:
• Doppeldiagnose – Patienten benötigen einen niedrigschwelligen Zugang zu Kontakt- und
Behandlungsangeboten;
• Zuallermeist sind Doppeldiagnose-Patienten und vielfach auch ihre Angehörigen nicht in
der Lage, aus der Vielfalt grundsätzlich in Frage kommender Betreuungs- und Behandlungsangebote (in willkürlicher Aufzählung z.B. Sozialdienst, Entgiftung, AkutPsychiatrie, Entwöhnung, Betreute Wohneinrichtung, Übergangsheim, Tagesklinik, Be1
Ein einfaches Klassifikationsmodell liefert BAUER; sie unterscheidet beispielsweise in Abb. 3 (ohne Seitenangabe)
• drogenverursachte (‚symptomatisch’: Stoffe als wesentliche Ursache; schnelles Abklingen bei Substanzkarenz binnen Tagen oder wenigen Wochen),
• drogeninduzierte (‚endoform’: Stoffe als Trigger bei Disposition zu Psychose; Abklingen bei Karenz
über wenige Monate, Chronifizierung bei fortbestehendem Substanzkonsum) sowie
• drogenmodifizierte (‚endogen’, ‚primär’: Stoffe greifen lediglich modifizierend in den Verlauf einer sozusagen ohnehin vorhandenen Psychose ein; eigendynamischer Verlauf der Psychose auch bei Substanzkarenz)
(schizophreniforme) Psychosen. „Eine Doppeldiagnose ‚Psychose/ Sucht’ bedeutet also ... [schon wegen des
deskriptiven Ansatzes der ICD; MM] nicht unbedingt Doppel-Erkrankung in nosologischer Hinsicht. Über
Beziehungen und Zusammenhänge gibt es bisher jedoch nur Hypothesen, weshalb die diagnostische Wertung
in Abhängigkeit von der Herangehensweise des jeweiligen Nervenarztes bemerkenswert differieren kann“
(BAUER, Kap. 5, ohne Seitenangabe).
Einen knappen Überblick zur Komorbiditätsforschung liefert der Beitrag von KRAUSZ/ DEGKWITZ/ VERTHEIN;
ausführlicher MOGGI.
2
Vgl. dazu RINK; hier auch weiterführende Literaturhinweise
3
Zur Frage der Ätiologie vgl. auch MUESER/ DRAKE/ WALLACH
4
Vgl. dazu auch http://www.blick.franziskaner-werd.ch/doppeldiagnose.htm
1
•
•
•
•
•
•
•
gegnungs- und Kontaktstätte für psychisch Kranke, Obdachloseneinrichtung, Notschlafstelle, Beratungsstellen, allgemeinärztliche und psychiatrische Praxis, gerichtlich bestellter Betreuer, u.U. Ämter, Behörden und weitere Institutionen) die nach Krankheitsbild
und situativ jeweils angemessene Hilfestellung auszuwählen und die entsprechenden bürokratischen Voraussetzungen (in Form von Kostenzusagen etc.) zu bewältigen. Hier ist
vielfach professionelles Case-Management erforderlich, um einen sinnvollen, hinreichend langfristig angelegten Behandlungsablauf über mehrere Behandlungsmodule hinweg zu ermöglichen.
Abstinenzbereitschaft darf nicht einfach vorausgesetzt werden; sie ist bereits (beispielsweise gegenüber der Überlebenssicherung sekundäres/ fortgeschrittenes) Behandlungsziel;
Der Aufbau tragfähiger und belastbarer therapeutischer Beziehungen ist von großer Bedeutung;
Motivationsarbeit ist angesichts von krankheitsbildtypischen Compliance-Schwierigkeiten und reduzierter Belastbarkeit immer wieder erforderlich;
Standardisierte Behandlungsprogramme sind für Doppeldiagnose-Patienten wenig wirksam und geeignet; sie ‚produzieren’ hohe ‚Drop-out’-Raten;
Die Behandlungsplanung muss sehr langfristig angelegt sein; auch scheinbar geringe
Fortschritte sind zu würdigen, mit Rückfällen, Rezidiven, Rückschritten jeder Art ist immer wieder zu rechnen;
Häufig geht es vor allem um Stabilisierung und Schadensbegrenzung (‚harm reduction’);
‚Heilung’ (was auch immer das bedeuten mag) ist demgegenüber vielfach wenig realistisch;
Wesentliches übergeordnetes langfristiges Behandlungsziel stellt die Entwicklung eines
dem Patienten subjektiv plausiblen Krankheitsmodells dar, welches ihm die Möglichkeit
gibt, sein ‚doppeltes’ Krankheitsbild zu verstehen und veränderungswirksame (abstinenzwirksame, stabilitätsrelevante) Konsequenzen abzuleiten.
Methodisch-inhaltlich stehen angesichts erhöhter Irritierbarkeit/ psychischer Vulnerabilität
(bei erheblichen ‚unbewussten’, internen und externen Konfliktlagen bzw. wesentlich geminderter Belastbarkeit) vor allem psychoedukative sowie kognitiv-behaviorale (und eben nicht
tiefend-aufdeckende) Techniken mit dem Ziel verbesserter Selbstwahrnehmung und Selbstkontrolle zur Verfügung.
Als wichtige Behandlungsbausteine gelten demnach:
• Training sozialer Kompetenz (‚coping-skills therapy’5);
• Rückfallbewältigung, Rückfallprävention;
• Belastungstrainings (Abverlangensbereitschaft, Ausdauer, Durchhaltevermögen, psychische Belastbarkeit hinsichtlich Konflikt- und Kritikverträglichkeit);
• Informationsvermittlung zu Doppeldiagnosen in der Gruppe;
• Umgang mit der psychotischen (Rest-; Minus-) Symptomatik;
• Zusammenleben in therapeutischen WGs und Arbeit an den alltäglichen Konfliktlagen;
• Arbeitstherapie, Arbeitsbelastungserprobung;
• Entspannungstrainings (z.B. ‚PMR’).
Angehörige sollen soweit als möglich in geeigneter Weise miteinbezogen werden; dabei ist
jedoch auf kollusive Verflechtungen, koabhängige Verhältnisse etc. zu achten.
5
Vgl. dazu KRAUSZ/ WATERMANN
2
Als bewährt gelten vor allem Behandlungsprogramme, welche einem Stufenaufbau6 folgen:
Der
• Kontaktaufnahme (Krisenintervention; Gespräche mit Patient und Angehörigen über
mögliche kurz-, mittel- und langfristige Strategien) folgt die
• Phase des Motivationsaufbaus (Patient soll „für eine langfristige abstinenzorientierte
Behandlung gewonnen werden“7). Erst dann begibt sich der Patient in die
• aktive Behandlung (Entwicklung von Wegen und Verhaltensweisen abstinenter Konflikt- und Problembewältigung). Die Ergebnisse werden gesichert in der
• Phase der Rückfallprävention (Vermittlung in ambulante Weiterförderung und Selbsthilfegruppen etc.).
Dieses aus den USA stammende Phasenmodell ist mit den institutionellen und sozialrechtlichen Gegebenheiten und den daraus abgeleiteten Behandlungsbausteinen (z.B. Entgiftungsbehandlung zu Lasten der KV; Entwöhnung; Adaption; soziale Reha etc.) hierzulande nicht
ohne weiteres kompatibel. KRAUSZ/ WATERMANN halten deshalb im Anschluss an THACKER/ TERMAIN fest:
„Die mangelnde Effektivität in der Behandlung dieser Patientengruppe ist ... zum großen Teil
auf [versorgungs-]strukturelle Mängel und nicht so sehr auf das Nichtvorhandensein wirksamer Therapiemöglichkeiten zurückzuführen ... . Zentral ist ... die Ausrichtung des Behandlungsangebots an Individuen und weniger an diagnostischen Kategorien, Haushaltsrichtlinien
oder Therapiegrundsätzen ...“8.
Abschnitt 2: KONSEQUENZEN UND KONKRETIONEN
Was bedeutet dies alles nun für die Gestaltung eines Entwöhnungsprogramms
(im Sinne ‚Stationärer Reha Sucht’) für Doppeldiagnose-Patienten unter den
faktischen Bedingungen gegenwärtiger sozialrechtlicher Realität in der BRD?
1. Wie der Blick auf TAB. 1 zeigt, ergibt sich die besondere Schwierigkeit der Behandlung
von Doppeldiagnose-Patienten daraus, dass sich klassische therapeutische Grundhaltungen und wesentliche therapeutische Strategien in der Behandlung von Suchtkranken und
Psychotikern sehr unterschiedlich, teils widersprüchlich darstellen. Die Entwicklung eines
problemangemessen-stimmigen, konsistenten und spaltungsresistenten Behandlungssettings ist eine entscheidende Grundvoraussetzung jeder Erfolg versprechenden Doppeldiagnose-Behandlung.
2. So wird leicht verständlich, dass Doppeldiagnose-Sucht-Psychose-Patienten Suchtkrankenhilfe und Psychiatrie vor je besondere Herausforderungen stellen und in beiden Versorgungssystemen u.U. auf Ablehnung stoßen bzw. sich als angeblich ‚behandlungsresistent’ ‚erweisen’: „Schlecht ist die Prognose, wenn in der Behandlung nur ein Teil der
Mehrfachstörung Berücksichtigung findet. Für die meisten Patienten ... trifft das leider aber auch heute noch zu, da sie einerseits von vielen Suchttherapeuten als nicht therapiefähig abgelehnt werden und andererseits die traditionellen Psychiater mitunter jahre- bis
6
Vgl. dazu DRAKE/ MUESER, S. 185ff; MOGGI/ BACHMANN, S. 38. Das folgende Modell dargestellt nach
KRAUSZ/ WATERMANN, S. 381.
7
KRAUSZ/ WATERMANN, S. 381
8
KRAUSZ/ WATERMANN, S. 380
3
3.
4.
5.
6.
7.
jahrzehntelang ... einen Kampf (wie gegen Windmühlen) gegen die Psychose allein führen“9.
Die klassische Modellvorstellung zu ‚Rehabilitation’ im Sinne von RV/ KV (ein im Erwerbsleben stehender rentenversicherungspflichtig Beschäftigter wird zur Sicherung/
Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit für einige Zeit aus dem persönlichen und beruflichen Umfeld herausgenommen und mit dem Ziel ‚behandelt’, alsdann umgehend wieder
voll belastbar - eben ‚rehabilitiert’ - aufs Neue seiner Erwerbstätigkeit nachzugehen) spiegelt in der Praxis (vor allem in den ‚neuen’ Ländern) ohnehin zunehmend weniger den
Normalfall. Mit der Realität der meisten Doppeldiagnose-Patienten hat diese Modellvorstellung kaum noch etwas zu tun.
‚Stationäre Reha Sucht’ im Sinne der RV-Träger ist schon deshalb für sich betrachtet zur
Behandlung von Doppeldiagnose-Patienten ein hoffnungslos ungeeignetes Instrument.
Erst als ein Modul unter anderen im Rahmen einer umfassenden Behandlungsplanung
zum richtigen Zeitpunkt und nach guter Vorbereitung spezifisch modifiziert eingesetzt,
gewinnt eine Entwöhnungsbehandlung für diese Patienten Sinn und Bedeutung. CaseManagement10 ist unbedingt erforderlich.
Die seitens der Kostenträger üblicherweise eingeräumten Behandlungszeiten (‚Stationäre
Reha Sucht’) sind im Falle von Doppeldiagnose-Patienten angesichts von Störungsumfang
und –tiefe in den meisten Fällen unzureichend. Dennoch werden angemessene Behandlungszeiten zumeist nicht genehmigt und finanziert.
Für Doppeldiagnose-Patienten angemessene Behandlungszeiträume lägen m.E. für eine
qualifizierte Entgiftungsbehandlung mit Motivationsaufbau bei ca. 3-4 Monaten, für die
stationäre Entwöhnungsbehandlung bei 6-8 Monaten. Obligatorisch anzuschließen wäre
eine mittelfristig angelegte ‚Soziale Reha’ in einer entsprechenden Übergangseinrichtung
mit Sucht-Psychose-Wohngruppe11.
Eine möglichst umfassende Diagnostik macht eine sinnvolle Behandlung erst möglich:
„Einseitige Herangehensweisen, wie sie in der Praxis leider häufig der Fall sind, führen zu
unterschiedlichen Diagnosen und unzureichender Therapie. Querschnitts-Diagnosen berücksichtigen nur das aktuelle Syndrom. Unerlässlich ist bei Mehrfachstörungen darum
die Erfassung des Längsschnittverlaufes, sowohl bezogen auf die psychiatrische Erkrankung als auch auf die Entwicklung von Abusus und Abhängigkeit, um die primäre Symptomatik erfassen und zuordnen zu können. In Anbetracht von bekannter Abwehrhaltung
und Erklärungsbedürfnis der Abhängigen müssen hierfür alle erreichbaren fremdanamnestischen ... Fakten herangezogen und zu einer biographisch-sozialen, psychiatrischen
und suchtspezifischen Lebenszeitanamnese ‚zusammengepuzzelt’ werden ...“12. Es ist offenkundig, dass beispielsweise die unter Anm. 1 aufgeführten Subgruppen nach BAUER
unterschiedlich zu behandeln sind.
Dass Menschen für Veränderungen nicht jederzeit in derselben Weise offen sind, zeigte
z.B. das „empirisch breit abgestützte transtheoretische Modell der Veränderungsphasen
von Prochaska et al. ...“13. Es scheint heute empirisch festzustehen, dass die Behandlung
9
BAUER, Kap. 5 (ohne Seitenangabe)
Case-Management für Doppeldiagnosepatienten kann sich nach den Erfahrungen aus einem Modellprojekt
„nicht auf organisierend-vermittelnde Tätigkeiten beschränken ... . Die Qualität der (Arbeits-) Beziehung ...
war ein entscheidendes Moment für die Aufrechterhaltung des Kontakts sowie die Motivation der Klienten zu
Veränderungen“ (SCHU, S. 196).
11
Vgl. dazu BAUER, Kap. 6 (ohne Seitenangabe)
12
BAUER, Kap. 1 (ohne Seitenangabe)
13
MOGGI (A), S. 148; zur Sache vgl. auch PETRY, S. 15ff: Vorbesinnungsphase (weder Problembewusstsein noch
Veränderungsabsicht) – Besinnungsphase (Problembewusstsein über kognitive Dissonanzen; Vor- und
Nachteile werden abgewogen, jedoch noch keine Bereitschaft, eine Entscheidung hinsichtlich Veränderung zu
treffen) – Vorbereitungsphase (Entscheidung zugunsten Veränderung wird gefällt; erste konkrete Schritte) –
10
4
von Doppeldiagnose-Patienten am ehesten dann Erfolg verspricht, wenn die Behandler berücksichtigen, in welcher Phase des Veränderungsprozesses sich der Patient befindet und
ihm je phasen- und krankheitsbildangemessene Hilfestellungen bieten. So haben beispielsweise Patienten „mit starker psychischer Belastung“ mehr Mühe, „Verhaltensänderungen zu stabilisieren als Patienten mit leichterer psychischer Belastung. Patienten mit
Komorbidität benötigen wahrscheinlich mehr Unterstützung für die Rückfallprävention ...
. ... Patienten mit hohen Depressionswerten ... verharrten eher in ihrer Ambivalenz ... . ...
brauchen mehr Unterstützung im Prozess der Entscheidungsfindung“14.
8. „Gearbeitet wird mit integrativen gestuften Mischbehandlungs-Programmen15, die ausreichend individuelle Therapieanteile enthalten, mit dem Abstinenzmilieu, mit psychoedukativer, verhaltenstherapeutisch-trainierender und systemisch-konfliktorientierter Psychotherapie in Kleingruppen, Soziotherapie und Familientherapie sowie mit stützender kritischer
(möglichst niedrig dosierter) Psychopharmakatherapie, solange unbedingt nötig“16.
9. „Auch für den Umgang mit Suchtmitteln müssen die Therapieziele17 individuell und niedrig angesetzt werden; dennoch muss Suchtmittelabstinenz gestützt und angestrebt werden;
Rückfalltendenzen sind zu thematisieren und zu bearbeiten. Daneben soll eine kritische
Akzeptanz für eine notwendige neuroleptische Behandlung erreicht werden“18.
10. Das Behandlungsprogramm muss den erheblichen Strukturdefiziten dieser besonderen
Klientel gerecht werden: „Sehr wichtig ist auch die Unterstützung dieser Patienten bei der
Verbesserung ihrer sozialen Fertigkeiten sowie beim Training der Fähigkeiten, den Tagesablauf zu strukturieren und sich an Verbindlichkeiten zu halten. Hilfreich bei der Erreichung dieser Ziele sind darum neben dem Abstinenzmilieu eine klare und verbindliche
Tagesstruktur und Gruppennorm, eine Sucht-Psychose-spezifische Gesprächsgruppe,
Selbstversorgungstraining, aber auch Sanktionen und Kontrollen ... und nicht zuletzt häufige Einzelgespräche“19.
11. Die Arbeit mit Doppeldiagnose-Patienten stellt besonders hohe Anforderungen an die
Behandler. Neben das erforderliche Fachwissen muss zur Vermeidung therapieschädlicher
Gegenübertragungsreaktionen vor allem eine ausgeprägte Bereitschaft und Fähigkeit zur
Selbstreflexion treten. Der Suchttherapeut hat sich insbesondere mit seiner Angst vor
‚Verrücktheit’, der primär psychiatrisch Vorgebildete mit Koabhängigkeits- und Bevormundungstendenzen zu befassen. Interne und externe Supervision erscheinen in jedem
Falle unverzichtbar.
12. Auch der schwerkranke Doppeldiagnose-Patient ist soweit immer möglich als Partner im
Behandlungsprozess ernst zu nehmen. „OSHER und KOFOED unterstreichen die Notwendigkeit eines klaren und konsistenten Umgangs mit der Diagnose und den beabsichtigten
Behandlungsschritten. Nach ihren Erfahrungen ist es notwendig, alle objektiven Daten,
Eindrücke und das Behandlungskonzept offen mit den Patienten zu besprechen“20.
Handlungsphase (die angestrebten Ziele werden unter Aufwand von Zeit und Energie im je individuellen System verfolgt) – Aufrechterhaltungsphase (der Betroffene versucht, Methoden zur Stabilisierung der Veränderung zu entwickeln). Veränderungsprozesse erfolgen also in Phasen oder Sprüngen; der Ablauf kann allerdings jederzeit unterbrochen (oder auch wieder aufgenommen) werden; im Falle der Suchterkrankung läge
also beispielsweise ein Rückfall vor.
14
MOGGI (A), S. 149.
15
Hervorhebung MM
16
BAUER, Kap. 6 (ohne Seitenangabe)
17
Hervorhebung MM
18
BAUER, Kap. 6 (ohne Seitenangabe); die Autorin empfiehlt diese Vorgehensweisen für die Arbeit in SuchtPsychose-Wohnheimen; sie lassen sich aber m.E. ohne weiteres auf die Entwöhnungsbehandlung übertragen.
19
BAUER, Kap. 6 (ohne Seitenangabe); die Autorin empfiehlt diese Vorgehensweisen für die Arbeit in SuchtPsychose-Wohnheimen; sie lassen sich aber m.E. ohne weiteres auf die Entwöhnungsbehandlung übertragen.
20
KRAUSZ/ WATERMANN, S. 381
5
13. In der Entwöhnungsbehandlung für Doppeldiagnose-Patienten ist jederzeit mit psychotischen Rezidivbildungen und vergleichbaren Phänomenen zu rechnen, welche die Beiziehung akutpsychiatrischer Kompetenz oder gar die Verlegung auf eine psychiatrische Akutstation erforderlich machen. So sehr wir natürlich solche Situationen zum Anlass nehmen sollten, unser Vorgehen zu überprüfen, so wenig sind derartige Krisen beim heutigen
Kenntnisstand hinsichtlich der Auslösung und Entstehung von Psychosen etc. grundsätzlich vermeidbar. Mitunter erweisen sich Aktualkrisen im Rückblick als wichtige Wendepunkte. Die enge, vertrauensvolle und von gegenseitiger Wertschätzung bestimmte Zusammenarbeit mit einer psychiatrischen Akutstation (angesichts vielfältiger Vorurteile offenbar noch immer keine Selbstverständlichkeit) stellt die Voraussetzung für eine verantwortbare Entwöhnungsbehandlung bei Doppeldiagnose-Patienten dar.
14. Da die Entwöhnungsbehandlung lediglich einen Baustein in der erforderlichen umfassenden Behandlung von Doppeldiagnose-Patienten darstellt, ist die je individuell sinnvolle
Weitervermittlung (z.B. Adaptionsbehandlung; BW; Tagesklinik; Kontaktstelle für psychisch Kranke etc.) von entscheidender Bedeutung. Fehlende oder unzureichende Weiterbehandlung oder Weiterbegleitung wird vielfach die Ergebnisse der Entwöhnungsbehandlung weitgehend in Frage stellen. Die Art der Ablösung aus der Entwöhnungsbehandlung
und individuell-stimmige Weitervermittlung sind demnach entscheidende Qualitätsmerkmale.
6
Literatur:
Überblick/ Grundlagen:
GOUZOULIS-MAYFRANK, EU.
Komorbidität Psychose und Sucht. Von den Grundlagen zur Praxis (mit Manual für
psychoedukatives Training). Steinkopff 2003.
MOGGI, FR.
Doppeldiagnosen. Komorbidität psychischer Störungen und Sucht. Verlag Hans Huber
1
2002.
MOGGI, FR./ DONATI, R.
Psychische Störungen und Sucht. Hogrefe 2004 (=Fortschritte der Psychotherapie
Bd. 21).
BAUER, U.
Sucht und psychiatrische Komorbidität, Vortrag zur Fachtagung ‚Komorbide psychiatrische Störungen bei Abhängigkeitskranken’ in der Klinik Bad Blankenburg 01.07.1999,
www.klinik-bad-blankenburg.de.
BRODBECK, J.
Diagnostik der Komorbidität; in: MOGGI, FR. (Hrsg.), Doppeldiagnosen. Komorbidität
psychischer Störungen und Sucht. Verlag Hans Huber 12002, S. 125-140.
DRAKE, R. E./ MUESER, K. T.
Klinisches Management der Komorbidität von psychotischen Störungen und Substanzstörungen; in: MOGGI, FR. (Hrsg.), Doppeldiagnosen. Komorbidität psychischer Störungen
und Sucht. Verlag Hans Huber 12002, 181-194.
KÖLTZSCH, K./ BRODBECK, J.
Psychotherapie von Patienten mit Persönlichkeits- und Substanzstörung; in: MOGGI, FR.
(Hrsg.), Doppeldiagnosen. Komorbidität psychischer Störungen und Sucht. Verlag Hans
Huber 12002, S. 161-180.
KRAUSZ, M./ DEGKWITZ, P./ VERTHEIN, U.
Psychiatrische Komorbidität und Suchtbehandlung; in: Suchttherapie 1 (2000), S. 3ff.
KRAUSZ, M./ WATERMANN, U.
Behandlungsmöglichkeiten bei Doppeldiagnosen; in: UCHTENHAGEN, A./ ZIEGLGÄNSBERGER, W. (Hrsg.), Suchtmedizin. Konzepte, Strategien und therapeutisches Management. Urban & Fischer 12000, S. 376ff.
MINKOFF, K.
Programmbestandteile eines integrierten Behandlungssystems für schwer psychisch erkrankte Patienten mit gleichzeitig bestehendem Suchtmittelmissbrauch; in: KRAUSZ, M./
MÜLLER-THOMSEN, T. (Hrsg.), Komorbidität. Therapie von psychischen Störungen und
Sucht. Konzepte für Diagnostik, Behandlung und Rehabilitation. Lambertus 1994, 63-79.
MOGGI, FR. (A)
Integrative Psychotherapie der Komorbidität von Angststörungen oder Depression und
Substanzstörungen; in: MOGGI, FR. (Hrsg.), Doppeldiagnosen. Komorbidität psychischer
Störungen und Sucht. Verlag Hans Huber 12002, S. 143-159.
7
MOGGI, FR. (HRSG.)
Doppeldiagnosen. Komorbidität psychischer Störungen und Sucht. Verlag Hans Huber
1
2002.
MOGGI, FR./ BACHMANN, K. M.
Integrative Behandlung von Doppeldiagnosepatienten: Das Berner Modell; in: Suchttherapie 1 (2000), S. 38.
OSHER, F./ KOFOED, L.
Treatment of patients with psychiatric and psychoactive substance abuse disorders; in:
Hosp. Community Psychiatry 40 (1989), S. 1025-1030.
MUESER, K. T./ DRAKE, R. E./ WALLACH, M. A.
Komorbidität von psychotischen Störungen und Substanzstörungen; in: MOGGI, FR.
(Hrsg.), Doppeldiagnosen. Komorbidität psychischer Störungen und Sucht. Verlag Hans
Huber 12002, 93-122.
PETRY, J
Suchtentwicklung und Motivationsdynamik; in: Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe. MARTIN BEUTEL (HRSG.), Motivation in der Suchttherapie. Intrapsychischer
Prozess und versorgungspolitische Aufgabe, Neuland-Verlag 1998 (=BUSSSchriftenreihe Bd. 2), S. 7-25
RINK, J.
Die Fachklinik Eiterbach; in: Suchttherapie 1 (2000), S.36f.
SCHNEIDER, G./ PICHELT-WELLE, G.
Psychose und Sucht – Erfahrungen mit einem integrierten stationären Behandlungskonzept; in: KRAUSZ, M./ MÜLLER-THOMSEN, T. (Hrsg.), Komorbidität. Therapie von psychischen Störungen und Sucht. Konzepte für Diagnostik, Behandlung und Rehabilitation.
Lambertus 1994, 80-95.
SCHU, M.
Case Management für chronisch mehrfachbeeinträchtigte Abhängige; in: Fachverband
Sucht e.V., Die Zukunft der Suchtbehandlung. Trends und Prognosen. Neuland-Verlag
2002 (=Schriftenreihe des Fachverbandes Sucht e.V.. GCAA – German Council on Alcohol and Addiction 25), 194-203.
THACKER, W./ TERMAIN, L.
Systems issues in serving the mentally ill substance abuser: Virginia’s experience; in:
Hosp. Community Psychiatry 40 (1989), S. 1046-1049.
Überblick/ Grundlagen
GOUZOULIS-MAYFRANK, EU.
Komorbidität Psychose und Sucht. Von den Grundlagen zur Praxis (mit Manual für
psychoedukatives Training). Steinkopff 2003.
MOGGI, FR.
Doppeldiagnosen. Komorbidität psychischer Störungen und Sucht. Verlag Hans Huber
1
2002.
MOGGI, FR./ DONATI, R.
Psychische Störungen und Sucht. Hogrefe 2004 (=Fortschritte der Psychotherapie Bd.
21).
8
TABELLE 1
Behandlungsstrategien für ... (Prototypisch-vereinfachtes Schema zu therapeutisch-behandlungspraktischen Grundhaltungen modifiziert nach BAUER, DRAKE/ MUESER, MINKOFF, SCHNEIDER/ PICHELT-WELLE)
... ABHÄNGIGKEITSKRANKE
Realitätsausblendung im Rausch
Rehabilitation (RV)
tendenziell zeitbegrenzt, intermittierend
eher konfrontativ (tiefend, aufdeckend)
eher fordernd
Realitätsprinzip
gruppenorientiert; Gruppentherapie
⇔
... PSYCHOTIKER
... SUCHT-PSYCHOSE-DOPPELDIAGNOSEPATIENTEN
Realitätsverlust/ Schaffung einer ‚subjektiven Realität’ und Wechsel in diese
De-Institutionalisierung (KV)
sehr langfristig angelegte Karrierebegleitung mit gestufter
Behandlung; Case-Management mit dem Ziel von Motivationsaufbau, Behandlung und schrittweiser Ablösung von
Therapieeinrichtungen
tendenziell längerfristig, begleitend
tendenziell sehr langfristig; aufsuchend; verschiedenste
Hilfesysteme (allgemein-medizinische Praxis; Sozialarbeit;
Tagesklinik; Psychiatrie; Suchtberatung; ambulante Suchttherapie; Suchtklinik; BW...) modular integrierend; gestufte
Behandlung mit hoher Flexibilität bei Betreuungskontinuität:
1. Arbeitsbeziehung herstellen;
2. Behandlungsmotivation hinsichtlich psych. Störung
und Substanzstörung herstellen;
3. Individuelle Ziele erarbeiten und spezifische Fertigkeiten erwerben;
4. Rezidiv- und rückfallpräventive Strategien erarbeiten und anwenden.
eher supportiv, schützend, gewährend
wenig konfrontierend, v.a. in Abhängigkeit vom erreichten
Stand der Behandlung
eher fürsorglich
Verantwortungsübernahme anstrebend
Schutz vor Überforderung, Reduktion von anteilige Berücksichtigung beider Aspekte, insbesondere
Komplexität
hinsichtlich rückfallnaher, abstinenzverletzender Verhaltensweisen
bei tendenziell eingeschränkter Grup- dichte Einzelbetreuung im Sinne häufiger Kontakte
pen(therapie)fähigkeit eher Zugang über (≠ formelle Einzeltherapie) durch feste Bezugspersonen
den Einzelkontakt
neben Behandlung in geschlossenen Kleingruppen mit bei9
... ABHÄNGIGKEITSKRANKE
⇔
... PSYCHOTIKER
Verzicht auf Medikamentenvergabe soweit als möglich
Langfristig angelegte medikamentöse
(neuroleptische) Behandlung
abstinenzfordernd/ Abstinenz als Behandlungsvoraussetzung: (wiederholter) Rückfall als Ausschlusskriterium
systematische Kontrollen der Suchtmittelkarenz und häufig vorzeitige Entlassung
bei (fortgesetzter) Verletzung des Abstinenzgebots
Abusus als Nebenthema; längerfristige
Akzeptanz von Suchtmittelkonsum
tendenziell höhere ‚Leistungserwartungen’
und u.U. ‚moralische’ Bewertung bei
Rückfall:
Steigerung von Selbstverantwortung –
Grenzsetzung – Sanktionierung von
Grenzverletzungen
Eigenverantwortung
...
keine oder nur gelegentliche Kontrollen
auf Suchtmittelkonsum; in der Praxis
vielfach Tolerierung von Suchtmittelmissbrauch (als „kleineres Übel“, aus Hilflosigkeit etc.)
... SUCHT-PSYCHOSE-DOPPELDIAGNOSEPATIENTEN
spielsweise psychoedukativen und systemischen Schwerpunkten
medikamentös stützende (neuroleptische) Behandlung in
möglichst niedriger Dosierung und solange nach erreichtem
Behandlungsstand erforderlich (gegebenenfalls aber einjährige Rezidivprophylaxe)
abstinenzorientiert; Suchtmittelkonsum führt in der Regel
nicht zum Ausschluss, wird aber als Problem angesprochen
mit dem Ziel der Erarbeitung von Verhaltensalternativen.
systematisch, jedoch sozusagen als Trainingsmaßnahme
angelegte Kontrollen auf Suchtmittelkonsum; Verletzungen
des Abstinenzgebots werden als Rückfall/ Rückschritt und
zugleich als Lernchance thematisiert; zumeist keine vorzeitige Entlassung, allenfalls bei Häufung und ‚Dealerverhalten’ denkbar.
erheblich geringere ‚Leistungserwartungen’ und kaum ‚moralische’ Bewertung
bei Rezidivbildung:
alltagsbezogene Hilfen
Hilfe bei alltäglichen und sozialen Belan- Trainingsgruppe zur Verbesserung sozialer und alltäglicher
gen
Kompetenzen
...
...
10
Pharmakotherapie (bei strenger Indikation)
Angehörigenarbeit
Einzelkontakte/ -gespräche/ -therapie
Entspannungsübungen/ Entspannungsverfahren
Mentales Aktivierungstraining
Externe Arbeitsbelastungserprobung
Arbeitstherapie
Therapeutische Gemeinschaft
Umgang mit der psychot. (Rest-, Minus-) Symptomatik
Psychoedukative Gruppe (Informationsvermittlung)
Belastungstrainings (Frustrationstoleranz etc.)
Rückfallbewältigung, Rückfallprävention
Training sozialer Kompetenz
Stationäre medizinische Reha Sucht mit Sucht-Psychose-Doppeldiagnose-Patienten
Behandlungsbausteine und Behandlungsformen
INTEGRATIV GESTUFTES MISCHBEHANDLUNGSPROGRAMM MIT INDIVIDUELLEN ANTEILEN
(klar strukturiert, komplexitätsreduziert, supportiv, Alltagsorientierung, Praxisbezug, Pharmakotherapie)
.......... Motivationsförderung (Compliance-Mängel) ..........
Abstinenzmilieu mit Kontrollen und Sanktionen
Arbeit mit dem Rückfall
Systemisch-beziehungsorientierte PT in der Kleingruppe (täglich. ca. 45-60 min)
(nicht tiefend-aufdeckend)
11
Zitate:
„1. Innerhalb des Versorgungssystems wird traditionell eine Trennung zwischen den Behandlungssystemen für psychische Störungen einerseits und für Substanzstörungen andererseits vorgenommen, die eine integrative Betrachtungsweise von Komorbidität erschweren. Beide Behandlungssysteme haben über Jahrzehnte hinweg eigene therapeutische Standards entwickelt und
sind bemüht, ausschließlich Patienten ohne Komorbidität in ihre Angebote aufzunehmen ... .
2. Die Komplexität von Komorbidität ist für die Behandlung und Interventionsforschung wenig
attraktiv. Patienten mit Komorbidität rufen im Vergleich zu Patienten ohne Komorbidität deutlich häufiger diagnostische Unklarheiten (z.B. heterogene Zustandsbilder) und therapeutische
Schwierigkeiten (z.B. kontraindikative Behandlungsstrategien für psychische Störungen und
SMA) hervor, zeigen schlechtere Behandlungsverläufe (z.B. häufigere Therapieabbrüche) und
–ergebnisse (z.B. Symptompersistenz) und weisen häufiger Rückfälle auf ...“21.
„Therapeutische Orientierungen wie Konfrontation mit Bagatellisierungstendenzen oder Härte und
Grenzziehungen (z.B. Nichttolerieren von Suchtmittelrückfällen), die bei der Therapie von Suchterkrankungen gebräuchlich sind, können bei verunsicherten, instabilen Menschen zu früh eingesetzt
den Selbstwert und das Vertrauen in die therapeutische Beziehung untergraben. Dies kann zum
Stimmungseinbruch und nachfolgend zu ernsthaften Krisen wie z.B. Therapieabbruch oder Suizidversuch führen ...“22.
„Es besteht auch ein Zusammenhang zwischen den Merkmalen stationärer Programme und Erfolgskriterien. Moggi et al. … konnten in einer naturalistischen Multizenterstudie mit 981 Doppeldiagnosepatienten (Angst-, affektive, Persönlichkeits- oder psychotische Störungen und SMA [Substanzmissbrauch/ -abhängigkeit] zeigen, dass Patienten ein Jahr nach Aufenthalt in rund vierwöchigen Entzugsprogrammen mit Doppeldiagnoseorientierung (DDO) eine höhere Abstinenzrate, eine
bessere Bewältigung von Rückfallsituationen, weniger Symptome psychischer Störungen, häufiger
Arbeit, längere Phasen ohne Hospitalisation sowie häufiger und regelmäßiger Nachbehandlung
hatten als Patienten in Programmen ohne DDO. Programme mit DDO waren gekennzeichnet durch
einen hohen Organisationsgrad, klare Strukturen, starke Unterstützung, Angebotsvielfalt, hohe
Orientierung an praktischen Problemen, Förderung aktiver Teilnahme und Verschreibung von Medikamenten“23.
„Die Komplexität der Problematik von Patienten mit Komorbidität von PS [psychischen Störungen; MM] und SMA [Substanzmissbrauch, -abhängigkeit; MM] macht eine individuelle Fallkonzeption unumgänglich. Diese beinhaltet ein individuelles Störungs- und Behandlungsmodell und
schafft die Grundlage für die Indikationsstellung und die Therapieplanung ... . Die geplanten Interventionen sind wesentlich von der jeweiligen Veränderungsphase des Patienten bestimmt ...“24.
21
MOGGI (A), S. 144; der Autor trifft diese Aussagen hinsichtlich der Komorbidität von Depression und Abhängigkeitserkrankung sowie der Komorbidität von Angststörung und Abhängigkeitserkrankung. M.E. lassen sich diese Aussagen ohne weiteres auf die Sucht-Psychose-Komorbidität übertragen.
22
KÖLTZSCH/ BRODBECK, S. 164
23
MOGGI (A), S. 147
24
BRODBECK, S. 136f; Hervorhebung MM.
12
Herunterladen