Vorträge.

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Mitteilungen des Alpenländischen geologischen Vereines
(Mitteilungen der geologischen Gesellschaft in Wien)
33. Band, 1940
S. 159-164, Wien 1942.
Vorträge.
Helge G. Backhand: D i e ä l t e s t e n B a u s t ü c k e F e n n o s k a n d i a s im L i c h t e d e s A k t u a l i t ä t s p r i n z i p s .
Vortrag, gehalten am 31. Oktober 1940.
I. Einleitung. Zur geologischen Zeitmessung wird die stratigraphisehe (paläontologische) Skala benützt; ihre Angaben sind relativ und
sie selbst ist unter aktualistischen Voraussetzungen aufgestellt worden.
Am Nullpunkt der Skala zeigt die (fossile) Lebewelt einen derartig
hohen Entwicklungsstandpunkt und solche Formenmannigfaltigkeit, daß,
wenn der Entwicklungslehre stattgegeben wird, eine mindestens dreifache Zeitspanne verflossen sein muß, um von irgendeinem Anfangsorganismus zu der Entwicklungsstufe des Nullpunkts zu gelangen.
Daß im Zeitraum, der diesem Nullpunkt vorausgeht, reichliche Massen
von Organismen die Erdoberfläche (und die Meere) bevölkert haben
mögen, wird bewiesen durch 1. das Auftreten von Graphit in allen
denkbaren Gesteinsassoziationen; 2. das Vorkommen von Kalksteinen
in allen Formationen des Vorkambriums; 3. die Anreicherung
von Ti-freien Eisenerzen in Verbindung mit den verschiedensten
Gesteinen und mit Tendenz einer Bindung an gewisse, sehr alte Oberflächenbildungen, und 4. Konzentrationen von Phosphaten verschiedener Form und Art. — Gesteinsbildungen, die aus der relativ kurzen
Zeitspanne, die dem Gültigkeitsbereich des Aktualitätsprinzips vorangegangen sein mag, also aus der Zeit vor der Kondensation des Wasserdampfes (und vor dem Auftreten der Organismen), sowie von der
Grenze zum sideralen Stadium unserer Erde stammen könnten, kennen
wir nicht.
II. Die absolute Zeitskala ist gegeben durch Fixierung der Abschnitte der relativen durch Zeitbestimmungen mittels der Zerfallsprodukte der radioaktiven Reihe (Pb-He-Methoden) und muß, da durch
vielfache Nachprüfungen auch mittels Sedimentmächtigkeiten kontrolliert, als einigermaßen gesichert angesprochen werden. Der Nullpunkt
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Helge Q. Backlund
der relativen Skala liegt bei 550 Millionen Jahren (von heute gerechnet). Zeitbestimmungen liegen vor, die noch höhere Zahlen aufweisen. Sie sind für den größeren Teil von Fennoskandia und für die
Urgebirgsforschung überhaupt besonders wichtig, da diese Teile der
Erdkruste mindestens innerhalb der 1500 Millionen Jahre, die dem
Nullpunkt vorangegangen, gebildet worden sind; sie genügen ja den
vorhin erwähnten vier Kennzeichen. Wären sie antiaktualistisch gebildet, so würden die Zeitbestimmungen sich um e i n e Zahl herum
häufen, welches nicht der Fall ist, sondern sie füllen, wie erwartet,
mit gleichmäßigen Intervallen den vorhin angegebenen Zeitraum aus.
Wie oberhalb des Nullpunkts, so muß auch unterhalb desselben eine
relative Skala, als Gerüst der absoluten, aufgebaut werden, jedoch teilweise nach anderen Prinzipien, da keine erkennbaren Fossilien wegweisend und Konglomerate sowie Diskordanzen für einen eventuellen
Hiatus nicht immer beweisend sind. Als größere Zeitabschnitte, gut
markiert in der absoluten, postkambrischen Skala mit etwa 200 Millionen Jahresabständen, sind die Tektogenesen mit ihren gleichgerichteten Umformungen und Umstellungen zu bezeichnen, um deren Revolutionsphasen herum eine Erneuerung und Neueinstellung der radioaktiven Minerale, also der Zeituhren, vor sich geht. Perspektivisch sind
für so entfernte Zeiten die größeren Zeitabschnitte der Einheiten der
Zeitrechnung insofern bequemer, als sie im Felde übersichtlicher sind.
III. Die Differentiationshypothese und ihre extrem einseitige Anwendung auf den fennoskandischen Gebirgsgrund hat in seinen Tektogenesen unheimlich viel Unheil angerichtet und ihre Deutung stark
verzögert. Denn bereits 1893 wurde ausgesprochen, daß der alte Qebirgsgrund mehr als eine „Gebirgsbildungsepoche" enthalte; die vorliegenden absoluten Zeitbestimmungen (zwischen 600 und 1600 Millionen Jahren) geben höchstens für fünf präkambrische Tektogenesen
Raum. Da der überwiegende Anteil des Gebirgsgrundes materiell granitische Zusammensetzungen hat, strukturell teils auf Tiefenerstarrung,
teils aber auf Oberflächenbildung hinweist, zudem durchwegs durch
graduelle gegenseitige Uebergangsgesteine in sich und mit eventuell
sedimentogenen Gesteinen zeitlich gebunden ist, so könnte er laut den
„Gesetzen'' de Differentiation nicht unter aktuellen Verhältnissen gebildet worden sein; in entgegengesetzte Richtung zeigen die absoluten Zeitbestimmungen sowie gewisse Gesteinsassoziationen. Eine Diskussion der gegenseitigen Altersverhältnisse bei einer Lockerung der
Prinzipien dei Differentiation läßt eine Unterlage, auf der sich die
Oberflächengesteine gebildet haben könnten, vermissen: die Tiefengesteine sind jeweils die jüngsten, die echten Sedimente (mit Eisen-
Die ältesten Baustücke Fennoskandias im Lichte des Aktualitätsprinzips
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erzen) jeweils die ältesten Bildungen, die Ergußgesteine nehmen
Zwischenstellungen ein. Gemeinsam schalten sich diese drei Gesteinsgruppen den tektonischen Großstrukturen ein, sogar große Granitmassive sind vom Regionalismus geprägt. Das Ueberwiegen granitischer Gesteine braucht weder eine höhere Temperatur an der Erdoberfläche der Vorzeit anzugeben, da im Eruptionspunkt eines rezentein
Basaltstromes die Temperatur 500 bis 600° höher gewesen sein kann
als in dem eines „Leptits" (= sauren Ergußgesteins); noch hat es
etwas mit einer präsumptiven Rolle einer Restdifferentiation in der
Richtung der heutigen Basalte zu tun, denn im tieferen Schnitt der
alten Tektogene sind alle Oberflächenbasalte wegerodiert (Anreicherung
von Kalksteinen und Eisenerzen sind ihre selektiven Verwitterungszeugen), die Geosynklinalbasalte jedoch treten uns reichlich in der
Tracht von Amphiboliten und anderen Basiten innerhalb des tieferen,
später mehr oder minder umgewandelten Gebirgsgrundes entgegen.
IV. Die Rolle der Metasomatose und der Granitisation hat sich in
den tiefen Schnitten, die das fennoskandische Grundgebirge repräsentiert, äußerst zugespitzt. Denn mit den Begriffen der normalen Metamorphose, der des Kontaktes und der regionalen, kommt man so
wenig aus, daß viele schwedische Forscher eine Metamorphose im
Grundgebirge überhaupt leugneten. Die Beibehaltung älterer Makround Mikrotexturen, die „Pseudomorphosierung" ganzer Gesteinsfolgen
geben großzügige selektive Zufuhren von Neustoff, Abfuhren von
Ueberschußstoff an, und zwar als (Ionen-) Wanderung und Reaktionen
im festen Zustand. Die strukturelle und chemische Konvergenzerscheinung Gneis—>Granit, die die „zentrale kristalline Achse" eines jeden
Tektogens mit überraschender Einheitlichkeit charakterisiert, muß als
ein geophysikalisch-chemisches Gleichgewicht gedeutet werden, eine
jeweilige Erneuerung der dispergierten Energiemengen im Sediment
und anderswo; ein kleiner Ueberschuß der Zufuhr zur Bildung einer
niedrigschmelzenden Zwischenmasse („Porenmagma" = Eutektikum?)
mobilisiert die Produkte der Metasomatose nach oben, in Richtung
geringeren Druckes: die Metasomatite werden Intrusiv; bei noch größerem Ueberschuiß an „Porenmagma" bilden sich effusive „Magmengesteine". Reservoire von „Magma" innerhalb der Kruste, wo die
Differentiation vor sich gegangen wäre, existieren nicht und konnten
geophysikalisch nie nachgewiesen werden. Die Mannigfaltigkeit der
(sauren) „Magmagesteine" ist abhängig vom Grad der Metasomatose,
von der Stellung des Edukts im Tektogen und von der Stellung in der
Zufuhrreihenfolge. Nur die Basalte sind echte Magmagesteine der
Tiefen; ihre Mannigfaltigkeit verdanken sie zeitlich verschiedenen Pro-
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Helge G. Backlund
zessen: Assimilation, Differentiation, Metasomatose. Die komplexen
Groß- und Kleintexturen des tiefen Grundgebirges, die konforme Einschaltung von echten Sedimenten nach einheitlichen Deformationsplänen können nicht Differentiationsbewegungen mit Schlierenbildung
darstellen, wie man zeitweilig vermutete. Sie sind metasomatische
Nachbildungen normaltektonisierter, ursprünglicher Sedimente mit einheitlicher Planierung.
V. Die petrogenetische Deutung der Metasomatite, ihrer Ausgangsund Endprodukte, ihrer Palingenite und ihrer Palimpsesten — denn
solche sind immer vorhanden — erlauben es, bei fortschreitender tektonisxher Erkenntnis der präkambrischen Tektogene ihrer summarischen stratigraphischen Gliederung nachzugehen. Nicht nur Sedimentpalimpsesten, sondern auch eventuell Erze und echte Vulkanite sind
hiebei wegweisend. Es können „normale" und einheitliche Geosynklinalsedimente der Evolutionsphasen in ihren unteren, mittleren und
oberen Teilen unterschieden werden von den Oszillationssedimenten
des Niederbruchs des Gebirges (= Molasse zum Teil). Die ersteren
sind frei von größeren Erzanhäufungen, die der zweiten Gruppe repräsentieren den eigentlichen, stark lokalisierten Sitz der Erze, die in der
dritten Gruppe nur sporadisch auftreten. Eine systematische und kritische Untersuchung und Vergleiche geben kund, daß es nicht speziell
„metallogenetische Epochen" oder „Metall-Tektogene" geben kann;
es werden meist nicht gleichwertige Teile und Tiefen verschiedener
Tektogene in diesen Fällen miteinander verglichen.
Auch die Verteilung der Schwereanomalien innerhalb Fennoskandias
und seiner Tektogene geben bemerkenswerte Hinweise auf die geologischen Strukturen: die Gebiete der „Molasse" der jüngsten Orogene zeigen
die größten Schwereunterschüsse, weil dort die Sialkruste durch Anhäufung der Molasse auf der relativ wenig denudierten Unterlage die
größte Dicke zeigen muß (vgl. Rapakiwigebiete als granitisierte Molassen), während Areale der Evolutionssedimente der ältesten Tektogene die größten Schwereüberschüsse zeigen müssen (vgl. Marealbiden am Weißen Meer, unten), weil dort die Sialkruste am dünnsten ist.
Ein voller Ausgleich der Schwereanomalien scheint während der Jahrmillionen nicht: erfolgt zu sein.
VI. Die ältesten Tektogene Fennoskandias, zugleich auch seine ältesten Baustücke, sind an der Zahl 4. Wohl diesem Zusammentreffen
mehrfacher Tektogene innerhalb des begrenzten Raumes von Fennoskandia verdankt dieses seinen äußerst stabilen, positiven Charakter
eines permanenten Resistenzgebietes seit vorkambrischen (subjotnischen) Zeiten.
Die ältesten Baustücke Fennoskandias im Lichte des Aktualitätsprinzips
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1. In den M a r e a l b i d e n (1520 bis 1580 Millionen Jahre), die
mit NE-Streichen an der Westküste des Weißen Meeres mit etwa
120km Breite (im Streichen!) auftauchen, scheinen nur Evolutionssedimente der mittleren und oberen Abteilung aufzutreten; vielleicht sind
Spuren der untersten Abteilung (im N) und der Oszillationssedimente
(im S) vorhanden. Demgemäß wurden hier höchste positive Schwereanomalien gemessen, Erzprospektierung verlief bisher ohne Erfolg.
2. Die Kolahalbinsel, finnisch Lappland (= Sameland) und S-Waranger in Norwegen bilden ein abgerundetes Ganzes mit WNW-Streichen
der Qesteinsverbände. Altersbestimmungen fehlen; die N o r w e g o s a m i d e n sind j ü n g e r als die Marealbiden, ä l t e r als die westlich
zustoßende, NNW-streichende Tektogenese. Sie könnten mit den weiter im Süden WSW-streichenden Svekofenniden (siehe unten!) zusammengehören, nehmen aber (vgl. Streichen!) wahrscheinlich eine
selDständige Altersstellung ein, um den Zeitpunkt 1200 bis 1300 Millionen Jahre gruppiert. Die Alkaligesteine der Kola-Halbinsel, Umptek
usw. sind viel jünger (270 Millionen Jahre) und dem Tektogen als
solchem fremd. In den Norwegosamiden können sämtliche Sedimentzypen und -abteile mehr oder weniger gut erkannt werden, auch die
detraktiven; es fragt sich aber, ob diese als Molasse (= roten Sandstein = Jotnium?) nicht einem jüngeren Tektogen angehören könnten.
Die Norwegosamiden lassen außerdem großräumige Blocktektonik hervortreten.
3. Die S v e k o f e n n i d e n sind bereits im Anfang dieses Jahrhunderts definiert, doch nicht schärfer umrissen worden. Ihr Alter ist
etwa 1012 bis 1021 bis 1060 Millionen Jahre. Alle Sedimentabteile der
Geosynklinale sind hier repräsentiert, besonders stark die der Oszillationsphasen mit den reichen Fe-Erzen, weniger gut und reich vertreten sind die Detraktionssedimente (vgl. u. a. die Tammerforskonglomerate!). Großräumige Blockstücke (= „Zwischengebirge") ähnlich
streichender Komplexe innerhalb j ü n g e r e r Tektogene im Westen
(Bamle-Feld am Oslo-Fjord mit gleichem Alter [Arendal!], Streichen
SW), Norden (Kvarken-Wasa-Nordingra mit dem Skelleftefeld und unsicheren Grenzen, Streichen WNW bis NW; unsicher, ob sie zu den
Norwegosamiden oder den Svekofenniden zu stellen sind, da eine
Altersbestimmung bisher fehlt; vielleicht zu den ersteren?) und Süden
(Blekinge, Streichen E—W, Alter nicht bestimmt) geben durch ihre
Existenz und ihr Auftreten der dominierenden Arealbetonung des jüngsten präkambrischen Tektogens in Fennoskandia die ursächliche Erklärung, nämlich
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Helge Q. Backlund
Die ältesten Baustücke Fennoskandias im Lichte des Aktualitätsprinzips
4. der G o t h o k a r e l i d e n , die russisch Kardien mit Ausnahme
der Weißmeerküste, ganz Finnland mit Ausnahme des Südens, Nordens
und Westens, ganz SW- und N-Schweden sowie die östlichen und westlichen Teile des südlichen Norwegens umfassen. Durchwegs sind hier,
wie ihre Altersstellung verlangt (825, 854, 865 Millionen Jahre), die
oberen Sedimentabteile der Oszillationsphasen reichlicher vertreten,
eventuell mit reichen Erzen; auch die detraktiven Sedimente (Jotnium
+ Hoglandium) sind vom Ost- (Onega-See; wenig metasomatisch beeinflußt) bis zum Westrand (Egersund-Sogndal; granitisiert und metasomatisch umgewandelt) gut in Flecken und größeren Arealen erhalten.
Hier findet auch die Kontroverse Algonkium (als Tektogen und eventuell als zeitdefiniertes Sediment)-«—>Jotnium (als zeitliches Detraktionssediment der Gothokareliden) ihre Lösung; mächtige Lagergänge
im jotnischen Sandstein an der Svir (Onega) gaben 615 und 630 Millionen Jahre als ihre obere Altersgrenze an, also passen die älteren
Sandsteine recht gut in die späte gothokarelidische Molasse hinein.
Algonkium als Tektogen (etwa 650 Millionen Jahre) ist nicht in Fennoskandia vertreten (eventuell ist die späte Deformation des Jotniums
bei Almesakra ein Abklingen dieses Tektogens); die Sparagmite
schließen sich im Westen und die Wisingsöformation am Wättern dem
Kambrium nach oben hin mit geringer Diskordanz an (== 550 Millionen
Jahre), sind also eventuell eine algonkische Molasse.
VII. Die sekuläre (rezente) Landhebung wird als plastische Nachwirkung der Deformation des alten Kontinents der abschmelzenden und
abgeschmolzenen Eisbelastung gegenüber gedeutet. Die regelmäßigen
Isobasen, die nahezu als Isanomalkurven der Schwerkraft gedeutet werden könnten, können diese n i c h t repräsentieren, denn die gleichzählige
Isobase beispielsweise in SE-Finnland geht sowohl durch das Wiborggebiet des größten Schwere U n t e r s c h u s s e s , als auch durch das Gebiet
der Marealbiden mit dem größten S c h w e r e ü b e r s c h u ß hindurch.
Detaillierte neuere Untersuchungen scheinen anzudeuten, daß die Isobasen n i c h t so regelmäßig verlaufen, wie sie konstruiert und extrainterpoliert werden; rezente lokale Hebungsbeschleunigungen sind
durch wiederholte Präzisionsnivellemente im Verlauf der regelmäßigen
Isobasen festgestellt worden. Es fragt sich, ob nicht in diesen Unregelmäßigkeiten sich die ältesten Baustücke Fennoskandias zu erkennen
geben?
Mitteilungen des Alpenländischen geologischen Vereines
(Mitteilungen der geologischen Gesellschaft in Wien)
33. Band, 1940.
S. 165-167, Wien 1942.
R. Janoschek: M e t h o d e n u n d b i s h e r i g e E r g e b n i s s e d e r
e r d ö l g e o l o g i s c h e n U n t e r s u c h u n g e n im i n n e r a l p i nen W i e n e r Becken.
Vortrag, gehalten am 28. Februar 1941.
Unsere Kenntnisse über die Stratigraphie und die Tektonik des
inneralpinen Wiener Beckens haben durch die in den letzten Jahren
intensiv betriebenen erdölgeologischen Untersuchungen eine wesentliche Erweiterung erfahren.
Es wurde das ganze Becken geophysikalisch (zum Teil durch die
Geophysikalische Reichsaufnahme unter Leitung von Prof. B a r s c h ) ,
und zwar durch Drehwaage, Thyssengravimeter, Magnetometer, Reflexions- und Refraktionsseismik, untersucht. Große Teile des Beckens
wurden ganz neu kartiert. Es wurden Hunderte von Strukturbohrungen
(Hand-, Craelius- und insbesonders Coxmterflushbohrungen) bis zu
Tiefen von 250 m und zahlreiche Tiefbohrungen, zum Teil bis zum
Beckenuntergrund, niedergebracht.
D e r h e l v e t i s c h e S c h l i e r mit einer Flyschbreccie an der
Basis, 500 bis 800 m mächtig, zeigt zum Teil eine andere Tektonik und
auf jeden Fall eine andere Verbreitung als die tortonen Sedimente und
gehört daher nicht zur Beckenfüllung.
Da,s T o r t o n , dunkelgraue Tonmergel, Sande und Sandsteine, erreicht westlich des großen Steinbergbruches eine Mächtigkeit von
500 bis 600 m, im Beckeninnern eine Mindestmächtigkeit von 1000 m.
Am Steinberg ist das obere Torton zum Teil als Leithakalk entwickelt,
was nach K. F r i e d 1 darauf hinweist, daß der Steinberg zu dieser Zeit
eine Insel oder eine Untiefe war. Westlich des Leopoldsdorfer Bruches
steht Torton schon ab einer Tiefe von 112 m an und besitzt eine
Mächtigkeit von 250 bis 300 m.
D a s S a r m a t , bestehend aus grauen und graugrünen Tonmergeln,
Sanden und Sandsteinen besitzt westlich des Steinbergbruches eine
Gesamtmächtigkeit von 200 bis 300 m, östlich des Bruches eine solche
von 600 bis 1000 m.
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R. Janoschek: Methoden und bisherige Ergebnisse der
D a s P a n n o n liegt im Beckeninneren konkordant über dem Sarmat und besteht ebenfalls aus einer Wechsellagerung von Sanden undl
Tonmergeln, wobei im allgemeinen nördlich der Donau Sande vorherrschen. K. F r i e d l ha,t diesen Schichtkomplex bekanntlich auf
Grund der Congerien in fünf Zonen gegliedert. Auf Grund der Bohrergebnisse wäre es zweckmäßig, die grauen und braunen mehr oder
weniger lignitischen, Gongeria cf. balatonica oder croatica führenden
Schichten an der Basis der „Balatonica - Zone" in das Mittelpannon zu
stellen und die darüberliegenden, nur sehr selten Congerien oder Melanopsiden enthaltenden, zirka 200 m mächtigen Schichten nicht wie
bisher als Zone der C. cf. balatonica, sondern als fossilfreie oder fossilarme Zone zu bezeichnen. Nach J. K a p o u n e k ist diese Serie in eine
tiefere blaue und in eine höhere bunte Gruppe zu gliedern. „Paludinensande" oder Schichten, welche der Zone der Viviparen entsprechen,,
gibt es im deutschen Anteil des Wiener Beckens nicht.
Westlich des Steinberg- bzw. des Leopoldsdorfer Bruches ist
Oberpannon bisher noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen worden.
In der weiteren Umgebung von Mistelbach ist das Unterpannon
vorwiegend sandig-schotterig ausgebildet und geht nach R. G r i l l
ohne jede Grenze in die diskordant auf dem Helvet liegenden Weilnviertler Schotter des außeralpinen Wiener Beckens über. Nach R. G r u b
dürften im Unterpannon und vielleicht auch noch im Mittelpannon zwischen den Falkensteiner und Leiser Bergen ein oder mehrere Flüsse in
das inneralpine Wiener Becken gemündet sein. Vom Mistelbacher
Schuttkegel gegen NO, O und SO werden die Sedimente immer
feiner.
Sämtliche Schichten der Beckenfüllung vom Torton bis zum Oberpannon werden vom Beckenrand zum Beckeninneren immer feinkörniger und toniger, jedoch sind auch im Beckeninneren immer wieder
Sandlagen eingeschaltet.
Diskordant über dem Pannon liegt vorwiegend in den Muldenzonen
pliozäner „Roter Lehm" mit einzelnen Sand-, Schotter- und konkretionären Lagen. Große Teile des Beckens sind von jungen Terrassenschottern und Löß zugedeckt. Dieser liegt auf einer stärker akzentuierten Landoberfläche.
Die Verbreitung der helvetischen Ablagerungen läßt wertvolle
Schlüsse auf die Tektonik zu. Südlich der Donau ist die Grenze zwischen der Flysehzone und dem Alpenvorland ebenso wie vom Steinitzer
Wald gegen N bzw. NO eine scharfe. In dem Zwischenstück zwischen
dem Steinitzer Wald und der Donau transgredieren die helvetischen
Schichten auf dem alpinen Untergrund und greifen tief in den Alpenbau
erdölgeologischen Untersuchungen im inneralpinen Wiener Becken
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ein. Es scheint, daß entweder durch eine axiale Verbiegimg oder wahrscheinlicher an vorhelvetischen, senkrecht zum Streichen der alpinen
Zonen verlaufenden Brüchen, die Flyschzone zwischen der Donau und
dem Steinitzer Wald in die Tiefe gesunken ist, so daß das helvetische
Meer tief in den Bereich der Flyschzone eindringen konnte. Außerdem
scheint im Helvet eine Meeresverbindung zwischen dem Alpenvorland
und dem innerkarpathischen Becken bestanden zu haben, welche über
Mistelbach, Zistersdorf, Egbell und Göding in die Gegend des heutigen
Waagtales, also quer zur Streichrichtung des inneralpinen Wiener
Beckens, verlaufen sein dürfte. Bei Kronberg und Oberlaa wurde kein
Helvet angefahren, sondern unter dem Torton sofort der Beckenuntergrund. Das Helvet zeigt andere Verbreitungsverhältnisse und eine andere Tektonik als das Torton und gehört daher nicht zur Beckenfüllung.
Erst am Ende des Helvetes ist an NO—SW streichenden Brüchen
das inneralpine Wiener Becken eingesunken. Das Torton liegt daher
zum Teil diskordant auf Helvet, zum Teil direkt auf dem alpinen
Beckenuntergrund.
Die W-Grenze des Beckens wird von Feldsberg im N bis gegen
Paasdort vom Schrattenberger Bruch gebildet, welcher gegen O einfällt und im O von einigen schleppstrukturartig auftauchenden Sarmatvorkommen begleitet wird. Die Grenze des inneralpinen Wiener Beckens;
im Westen ist eine scharfe und es besteht daher nicht, wie bisher angenommen, ein Uebergang zwischen dem außeralpinen und inneralpinen
Wiener Becken, wenn auch vielleicht das Torton (Niederkreuzstetten)
in einigen Lappen über den Schrattenberger Bruch übergreift und die
Weinviertelschotter in das Unterpannon des Mistelbacher Beckens
übergehen.
Der große Steinbergbruch wurde schon von K. F r i e d 1 von Lundenburg bis südlich Wolkersdorf verfolgt. Südlich der Donau ist ein
äquivalenter Bruch, der Leopoldsdorfer Bruch, vorhanden. Der Steinbergbruch fällt gegen O bzw. SO mit 40 bis 50°, in der Tiefe bis zu
70° ein und erreicht bei Zistersdorf seine größte Sprunghöhe von
2000 m.
An den Bruch schließt sich gegen O eine große Antiklinalzone, die
sogennante Bruchstruktur, an, welche etliche Queraufwölbungen aufweist. Gegen die Tiefe zu wird die Antiklinalstruktur von einer
Schleppstruktur abgelöst. Die Bruchstruktur wird im O von einer
Synklinalzone begleitet, an die sich im Beckeninneren eine breite
Antiklinalzone mit zahlreichen Teilhochs anschließt.
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