Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Eine empirische Studie über den Zusammenhang von Dissoziation und Kreativität bei KünstlerInnen, Nicht-KünstlerInnen und StudentInnen 1996 Egon Werlen 3935 Bürchen Lizentiatsarbeit, eingereicht bei der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg (CH) Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Tabellenverzeichnis Inhaltsverzeichnis I 1. Einführung Einleitung und Fragestellung Theoretischer Teil Empirischer Teil II Theoretischer Teil 1. Dissoziation 1.1 Einführung 1.1.1 Definitionen zur Dissoziation 1.1.2 Dissoziative Erlebnisse 1.1.3 Definition für dissoziative Erlebnisse 1.2 Das Phänomen der "Dissoziation" in der Geschichte 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.4. 1.5 1.5.1 1.5.2 1.6 1.6.1 1.6.2 1.6.3 1.6.4 Dissoziative Störungen in Klassifikationssystemen DSM-III-R psychogene Amnesie psychogene Fugue Multiple Persönlichkeitsstörung Depersonalisationsstörung Nicht Näher Bezeichnete Dissoziative Störungen DSM-IV ICD-10 dissoziative Amnesie dissoziative Fugue dissoziative Stupor Trance und Bessessenheitszustände Dissoziative Störungen der Bewegung und der Sinnesempfindungen sonstige dissoziativen Störungen nicht näher bezeichnete dissoziative Störung Ursachen der Dissoziation Epidemiologie Punktprävalenz der Dissoziation Dissoziative Erlebnisse in der allgemeinen Bevölkerung Theorien Pierre Janet Sigmund Freud Carl Gustav Jung Die Neodissoziative Theorie von Ernest Hilgard 1 2 2 5 5 5 5 7 7 11 12 12 12 12 12 12 13 14 14 14 14 14 14 15 15 15 17 17 19 20 20 22 23 24 ii Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Tabellenverzeichnis 1.6.5 1.6.6 1.7 1.8 Die "Subselves" von Colin Martindale Das BASK-Modell von Bennett Braun Hypnose und Dissoziation Zusammenfassung 28 29 32 34 2. 2.1 2.1.1 2.1.2 Kreativität Einführung Geschichte und Entwicklung der Kreativität Forschungsrichtungen der Kreativität Prozess Person Produkte Plätze Persuasion 38 38 38 39 39 40 42 42 43 2.1.3 2.1.4 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.5 Kreativität und Intelligenz Kreativität und Psychopathologie Theorien Kognitiver Ansatz Persönlichkeitstheoretischer Ansatz Sozialpsychologischer Ansatz Systemischer Ansatz Definition der Kreativität Verteilung und Vorkommen der Kreativität Allgemeine Bevölkerung StudentInnen KünstlerInnen Zusammenfassung 43 44 46 46 48 52 57 59 60 60 62 62 65 3. 3.1 3.2 3.3 Psychologische Konzepte im Zusammenhang mit Dissoziation Psychotizismus Depression Angst und Ängstlichkeit 67 67 70 73 4. 4.1 4.2 Dissoziation und Kreativität Theoretische Zusammenführung Studien mit gleichen oder ähnlichen Zielen und Fragestellungen 77 77 80 iii Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Tabellenverzeichnis III Empirischer Teil 1. Methode 1.1 Vorgehen 1.2 Erhebungsinstrumente 1.2.1 Demographischer Fragebogen 1.2.2 Erfassung der Dissoziation 1.2.2.1 Die Dissoziative Erlebnisse Skala (DES) 1.2.2.2 Der Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse (FEDE) 1.2.3 Erfassung der Kreativität 1.2.3.1 Consensual Assessment Technique (CAT) 1.2.3.2 Die Kreative Persönlichkeit Skala (KPS) 1.2.4 Erfassung der seelischen Befindlichkeit 1.2.4.1 Der P-14 zur Erfassung des Psychotizismus 1.2.4.2 Das Beck Depressions-Inventar (BDI) 81 81 83 83 83 84 85 86 86 89 90 90 91 1.2.4.3 Das Stait-Trait-Angst-Inventar (STAI) 91 2. 3. 3.1 Die verschiedenen Untersuchungsgruppen Stichproben Rücklaufquoten 92 92 97 4. 4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 Problemstellung Klärung der Fragestellung Nicht-hypothesengeleitete Zielsetzungen Hypothesen Haupthypothesen Nebenhypothesen Weitere Auswertungsmöglichkeiten 99 99 99 100 100 100 101 5. 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.1.5 5.2 5.2.1 5.2.2 5.3 Resultate Teststatistische Werte der Erhebungsinstrumente Dissoziative Erlebnisse Skala (DES) Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse (FEDE) Kreative Persönlichkeit Skala (KPS) Consensual Assessment Technique (CAT) Die Psychotizismus-Skala P-14 Faktorenanalysen Die Faktorenstruktur der DES Die Faktorenstruktur der KPS Statistische Beschreibung der Messinstrumente 103 103 103 104 105 106 108 109 109 110 111 iv Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 Tabellenverzeichnis 111 113 115 117 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 5.4.6 Deskriptive Werte und Verteilung der DES Deskriptive Werte und Verteilung des FEDE Deskriptive Werte und Verteilung der KPS Deskriptive Werte und Verteilung der CAT Deskriptive Werte und Verteilung von Psychotizismus, Depression und Ängstlichkeit (P-14, BDI, STAI) Die Überprüfung der Hypothesen Sind KünstlerInnen dissoziativer als Nicht-KünstlerInnen? Sind kreativere Menschen dissoziativer als weniger kreative Menschen? Depression, Ängstlichkeit und Psychotizismus bei dissoziative Erlebnissen Soziodemograhpische Einflüsse auf die Dissoziation Soziodemographische Einflüsse auf die Kreativität Depression, Ängstlichkeit, Psychotizismus und Kreativität 6. 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 Diskussion der Resultate Dissoziation in Schweizer Stichproben Zu den Resultaten der Kreativität Dissoziation und Kreativität Depression, Ängstlichkeit und Psychotizismus Ein Modell Zur internen Validität der Arbeit - eine kritische Würdigung 136 136 139 141 145 147 149 7. Zusammenfassung Danke Literaturverzeichnis Lebenslauf Inhaltsverzeichnis des Anhangs Anhang 151 156 158 178 179 167 118 119 119 121 128 130 133 134 v Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Tabellenverzeichnis Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Tabelle 13: Tabelle 14: Tabelle 15: Tabelle 16: Tabelle 17: Tabelle 18: Tabelle 19: Tabelle 20: Tabelle 21: Tabelle 22: Tabelle 23: Tabelle 24: Tabelle 25: Tabelle 26: Tabelle 27: Tabelle 28: Tabelle 29: Punktprävalenz dissoziativer Störungen in klinischen Populationen .......16 Punktprävalenz dissoziativer Störungen in der allgemeinen Bevölkerung .............................................................................................18 Dissoziative Erlebnisse bei StudentInnen ................................................19 Zuteilung der Kategorien Prozess, Person, Produkt, Platz unter die verschiedenen Theorieansätze ..................................................................46 Prävalenz, Inzidenz, Geschlechtsverteilung, Beginn und Verlauf bei Angststörungen ...................................................................................74 Reliabiltät und Validität der Dissociative Experience Scale ....................85 Interraterreliabilität der CAT für Kreativität nach Amabile (1983; 1990) ..88 Reliabiltität des P-14 ................................................................................90 Die verschiedenen Untersuchungsgruppen ..............................................92 Verteilung des Geschlechts in der StudentInnenpopulation ....................93 Beschreibung des Semesterzahl der StudentInnen ...................................93 Beschreibung des Alters der StudentInnenpopulation .............................93 Künstlerische Tätigkeiten der KünstlerInnen und NichtKünstlerInnen ...........................................................................................95 Künstlerische Arbeiten der KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen ......95 Soziodemographische Daten der KünstlerInnen, NichtKünstlerInnen und BMK ..........................................................................96 Die Rücklaufquoten der StudentInnenstichprobe ....................................97 Die Rücklaufquoten der KünstlerInnen- und der NichtKünstlerInnenstichprobe ..........................................................................98 Geschlechterverhältnisse der Teilstichprobe GSMBA (in Prozent) ........98 Demographische Daten der RaterInnen .................................................107 Die Messinstrumente und ihre Reliabilitäten .........................................109 Deskriptive Werte der DES bei den StudentInnen .................................112 Deskriptive Werte der DES bei den KünstlerInnen und NichtKünstlerInnen .........................................................................................112 Deskriptive Werte des FEDE bei den StudentInnen ..............................113 Deskriptive Werte des FEDE bei den KünstlerInnen und NichtKünstlerInnen .........................................................................................114 Deskriptive Werte der KPS bei den StudentInnen .................................115 Deskriptive Werte der KPS bei den KünstlerInnen und NichtKünstlerInnen .........................................................................................115 Deskriptive Werte der CAT bei den KünstlerInnen und NichtKünstlerInnen .........................................................................................117 t-Test beim FEDE im unteren Drittel der KPS-Werte (-12 bis 7) und im unteren Drittel der CAT-Werte (0 bis 4.25) ...............................120 Korrelationstabellen dissoziative Erlebnisse und Kreativität.................121 vi Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Tabelle 30: Tabelle 31: Tabelle 32: Tabelle 33: Tabelle 34: Tabelle 35: Tabelle 36: Tabelle 37: Tabelle 38: Tabelle 39: Tabelle 40: Tabelle 41: Tabelle 42: Tabelle 43: Tabelle 44: Tabelle 45: Tabellenverzeichnis Partialkorrelationen von DES und FEDE mit der KPS ..........................123 Partialkorrelationen zwischen KPS und DES bzw. FEDE unter Kontrolle von Rauschmittel und Medikamentenkonsum .......................123 t-Test mit der KPS zwischen Probanden mit tiefen und hohen DESWerten in der NK-Gruppe ......................................................................124 ANOVA mit KPS bei DES, FEDE, Alter und Geschlecht ....................125 t-Test zwischen KPS tief (<6) und KPS mittel (6-9) mit den Dissoziationswerten (DES, FEDE) bei Nicht-KünstlerInnen ................127 Korrelationen von DES und FEDE mit BDI, STAI und P-14 ...............129 Korrelationen zwischen Dissoziation und Alter.....................................131 t-Test bei DES und FEDE zwischen Probanden unter und über 30 Jahren. ....................................................................................................131 Nonparametrische Korrelationen von DES und FEDE mit dem Geschlecht ..............................................................................................132 Nonparametrische Korrelationen ...........................................................133 Korrelationen zwischen KPS und CAT mit BDI, STAI und P-14 bei K und NK .........................................................................................135 Korrelationen zwischen KPS und P-14 bei den StudentInnen ...............135 DES-Mittelwerte im Vergleich mit Ross et al. (1990b) .........................138 Vergleich des FEDE bei studentischen Stichproben ..............................139 Korrelationen zwischen den einzelnen DES- und KPS-Faktoren bei den StudentInnen getrennt nach Geschlechtern .....................................144 Korrelationen von Dissoziation mit Depression, Ängstlichkeit und Psychotizismus im Vergleich .................................................................146 vii Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19: Abbildung 20: Anzahl Publikationen über Dissoziation nach einer Bibliographie von Harms (1932)...........................................................8 Publikationszahlen in den Psychological Abstracts der American Psychological Association (1977-1994) zu den Begriffen Dissoziation ("dissociative neuroses", "dissociative patterns") und Multiple Persönlichkeitsstörung ("multiple personality") ..........................................................................................9 Kognitives Kontrollsystem nach Hilgard (1977) ................................25 Das kognitive Modell nach Martindale ...............................................29 Das Handlungssystem .........................................................................29 Das BASK-Modell der Dissoziation ...................................................31 Zwei Beispiele psychogener Amnesie im BASK-Modell...................32 Publikationszahlen in den Psychological Abstracts der American Psychological Association (1989-1994) zum Begriff Kreativität ("creativity", "creativity measurement") ...........................39 Die qualitative Theoriebildung............................................................47 Das Komponentensystem der Kreativität nach Amabile (1983) .........56 Der locus of creativity .........................................................................58 Verteilung der DES-Werte bei den StudentInnen (links) und den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen (rechts) ..............................113 Verteilung der FEDE-Werte bei der StudentInnen (links) und den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen (rechts) .......................114 Verteilung der KPS-Werte bei den StudentInnen (links) und den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen (rechts) ..............................116 Verteilung der CAT-Werte bei den KünstlerInnen und NichtKünstlerInnen ....................................................................................117 Verlauf der Kreativität (KPS) über die Dissoziation (DES) bei sämtlichen TeilnehmerInnen .............................................................126 Vergleich der Häufigkeitsverteilung (in Prozent) der DESWerte mit den Daten von Ross et al. (1990b) ...................................138 Verlauf der Kreativität (KPS) über die Dissoziation (DES, FEDE) bei den Frauen und Männern der K+NK-Gruppe .................142 Verlauf der Kreativität (KPS) über die Dissoziation (DES, FEDE) bei den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen. .................143 Zusammenhangsmodell von Dissoziation (DES, FEDE), Kreativität (KPS) und Psychopathologie (BDI, STAI trait, P-14) bei KünstlerInnen, Nicht-KünstlerInnen, Männern und Frauen. ......148 viii Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen I Einführung I Einführung " 'Das ist sehr interessant', sagte der kleine Prinz. 'Endlich ein richtiger Beruf!' Und er warf einen Blick um sich auf den Planeten des Geographen. Er hatte noch nie einen so majestätischen Planeten gesehen. 'Er ist sehr schön, Euer Planet. Gibt es da auch Ozeane?' 'Das kann ich nicht wissen', sagte der Geograph. 'Ach!' Der kleine Prinz war enttäuscht. 'Und Berge?' 'Das kann ich nicht wissen', sagte der Geograph. 'Aber Ihr seid Geograph! - Und Städte und Flüsse und Wüsten?' 'Auch das kann ich nicht wissen.' 'Aber Ihr seid doch Geograph!' 'Richtig', sagte der Geograph, 'aber ich bin nicht Forscher. Es fehlt uns gänzlich an Forschern. Nicht der Geograph geht die Städte, die Ströme, die Berge, die Ozeane und die Wüsten zählen. Der Geograph ist zu wichtig, um herumzustreunen. Er verlässt seinen Schreibtisch nicht. ...' " (Antoine de Saint-Exupéry, Der Kleine Prinz, 1956/1946) 1. Einleitung und Fragestellung Sind dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen häufiger als bei weniger kreativen? Die Beantwortung dieser Frage ist das Hauptziel der vorliegenden Arbeit. Der Zusammenhang - Kreativität und Dissoziation - taucht sowohl in der Fachliteratur (vgl. Frye & Gannon, 1993) als auch in anderen Publikationen immer wieder auf. Besonders zu erwähnen sind die amerikanische Zeitschrift Many Voices (Lynn W., 1989), ein alle zwei Monate erscheinendes Blatt mit Beiträgen (Texte, Zeichnungen) für und von Patienten mit dissoziativen Störungen und das deutsche Äquivalent Matrioschka (1993). Weitere Hinweise sind in Abbildungen von Werken und Texten von MPS-Patienten (vgl. Huber, 1995; Keyes, 1992/1981; Cohen, Giller & Lynn W., 1991) zu finden. Allerdings gibt es praktisch keine empirischen Untersuchungen, die den Zusammenhang von Dissoziation und Kreativität zum Thema haben (vgl. Kptl. II, 4). Eine Antwort auf die zentrale Frage soll mit zwei Untersuchungsstichproben gefunden werden. In der ersten werden eine Reihe Fragebogen an Studenten und Studentinnen aus mehreren Fakultäten der Universität Freiburg (CH) verteilt. Die TeilnehmerInnen der zweiten Stichprobe, in der ein etwas umfassenderes Fragebogenpaket vorgelegt wird, 1 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen I Einführung setzen sich hauptsächlich aus Künstlern und Künstlerinnen der Städte Basel, Bern und Zürich und zu Vergleichszwecken aus einer Gruppe mit Menschen, die sich wenig bis gar nicht künstlerisch betätigen, zusammen. Es gibt eine ganze Reihe möglicher Fragenbereiche, die mit den zu erwartenden Daten beantwortet werden können. Im folgenden eine Gliederung der Fragen, die in dieser Arbeit beantwortet und der Ziele, die erreicht werden sollen. Theoretischer Teil - Dissoziation: Darstellung und Beschreibung des Konzeptes Dissoziation. Was sind Dissoziationen/dissoziative Erlebnisse? Wer befasst(e) sich mit Dissoziationen (geschichtlicher Überblick)? Wie häufig treten Dissoziationen/dissoziative Erlebnisse auf? Welche theoretischen Ansätze zur Dissoziation gibt es? Welche dissoziativen Störungen sind bekannt? (Kapitel II, 1) - Kreativität: Darstellung und Beschreibung des Konzeptes Kreativität. Was ist Kreativität? Wer befasst(e) sich mit Kreativität (geschichtlicherÜberblick)? Welche Forschungsrichtungen sind bekannt? Welche theoretischen Ansätze zur Kreativität gibt es? Wer ist kreativ? (Kapitel II, 2) Empirischer Teil - Vorkommen und Verteilung der dissoziativen Erlebnisse: Wie häufig und wie stark treten dissoziative Erlebnisse bei den untersuchten Stichproben (StudentInnen, KünstlerInnen, Vergleichsgruppe) auf? Wie sieht die Verteilung der dissoziativen Erlebnisse bei den verschiedenen Populationen aus? Stimmen die Ergebnisse mit Resultaten aus anderen (vor allem amerikanischen) Studien überein? (Kapitel III, 5.3.1/2) - Vorkommen und Verteilung der Kreativität: Wie häufig und in welchem Ausmass lässt sich Kreativität in den untersuchten Gruppen finden? Wie sieht die Verteilung der Kreativitätswerte bei den verschiedenen Populationen aus? Stimmen die Ergebnisse mit anderen Studien überein? (Kapitel III, 5.3.3/4) - Faktorenanalysen: Wie sehen die Faktorenstrukturen der DES (Dissoziation) und der KPS (Kreativität) aus? (Kapitel III, 5.2) - Dissoziationen und soziodemographische Variablen: Gibt es Variablen, die mit disso2 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen I Einführung ziativen Erlebnissen in einem Zusammenhang stehen? (Kapitel III, 5.4.4) - Kreativität und soziodemographische Variablen: Gibt es Variablen, die mit dissoziativen Erlebnissen in einem Zusammenhang stehen? (Kapitel III, 5.4.5) - Die Messinstrumente für Dissoziation (DES, FEDE): Wie sehen die teststatistischen Kennwerte (Reliabilität, Trennschärfe, Itemschwierigkeit) aus? Stimmen die Ergebnisse der deutschen Versionen mit den englischen Originalversionen überein? (Kapitel III, 5.1.1/2) - Die Messinstrumente für Kreativität (KPS, CAT): Wie sehen die teststatistischen Kennwerte (Reliabilität, Trennschärfe, Itemschwierigkeit) aus? Stimmen die Ergebnisse der deutschen Versionen mit den englischen Originalversionen überein? (Kapitel III, 5.1.3/4) - Zusammenhang von Dissoziation und Kreativität: Wie sieht die Beziehung zwischen den beiden Konzepten aus? Erleben kreativere Menschen mehr dissoziative Erlebnisse als weniger kreative? Erleben KünstlerInnen mehr dissotiative Erlebnisse als NichtKüsntlerInnen? (Kapitel III, 5.4.1/2) - Zusammenhang von Dissoziation mit anderen psychologischen Konzepten (Depression, Ängstlichkeit, Psychotizismus): Wie sehen die jeweiligen Beziehungen aus? (Kapitel III, 5.4.3) - Zusammenhang von Kreativität mit anderen psychologischen Konzepten (Depression, Ängstlichkeit, Psychotizismus): Wie sehen die jeweiligen Beziehungen aus? (Kapitel III, 5.4.6) Die Bedeutung dieser Arbeit und ihrer Ergebnisse betrifft zum einen die theoretische Beschreibung des im deutschen Sprachraum bisher wenig bekannten Dissoziationskonzeptes, die Übersetzung, Einführung und teststatistische Absicherung der Instrumente zur Erfassung von Dissoziationen (DES, FEDE) und zum anderen die Beantwortung der Frage nach dem Vorkommen dissoziativer Erlebnisse in der Schweiz und des Zusammenhanges zwischen Dissoziation und Kreativität. Die Entwicklung oder Übersetzung von Messinstrumenten für Dissoziation im deutschen Sprachraum tut not, wie dies auch die Psychotherapeutin und Autorin Michaela Huber (1995, 163) bemerkt. Über das Vorkommen von Dissoziationen wurde im deutschen Sprachraum bisher sehr 3 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen I Einführung wenig berichtet. Die mir bisher einzige bekannte Erhebung in der Schweiz stammt von Modestin (1992), der 770 Schweizer Psychiater nach dem Symptombild der Multiplen Persönlichkeitstörung unter ihren PatientInnen befragte. 4 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation II Theoretischer Teil 1. Dissoziation " 'Seien Sie mir nicht böse', sagte er, 'aber die Idee ist abstrus: ein Dutzend Personen in einer Person! Das glaubt Ihnen kein Mensch. Das Äusserste, was man sich in dieser Beziehung bisher geleistet hat, war die einfache Spaltung, Sie wissen ja, zwei Seelen wohnen, ach...' 'Also stört Sie nur die Menge?' Stranitzky liess seine Wirbel knirschen, er brachte sie zum Schweigen und sagte: 'Ich kann mir da keine rechte Meinung bilden. Der Künstler in mir sagt ja, der Geschäftsmann sagt nein, der Kritiker ist ebenfalls dagegen...' (Barbara König, Die Personenperson, 1981). 1.1 Einführung 1.1.1 Definitionen zur Dissoziation Dissoziation ist ein Abwehrmechanismus, in stärkerem Ausmass gegen überwältigende psychologische und/oder physische Traumata (Ludwig, 1983; Putnam, 1985; Spiegel, 1991); aber auch bei alltäglichen Belastungen ("day-to-day stress") spielen dissoziative Mechanismen eine wichtige Rolle (Frankl, 1976). Nach Putnam (1989a, 6) beschäftigen sich die meisten Dissoziations-Definitionen damit, zu unterscheiden, wann eine Person (Bewusstsein, Identität, Verhalten) genug gespalten ist, um einen abnormalen oder krankhaften Prozess darzustellen. Als Kriterium gilt heute der Unterbruch des normalen integrativen Funktionierens. Er zitiert eine Definition von West (1967, 890), mit Dissoziation als einem "psychophysiological process wherby information - incoming, stored, or outgoing - is actively deflected from integration with its usual or expected associations". Putnam (1985) selber definiert Dissoziation folgendermassen: "Dissociation can be defined as a complex psychophysiological process, with psychodynamic triggers, that produces an alteration in the person's consciousness. During this process, thoughts, feelings and expriences are not integrated into the individual's awarness or memory in the normal way" (S. 66). Eine Definition, die die Möglichkeit der Dissoziation auch bei der allgemeinen Bevölkerung einbezieht, gibt Counts (1990): "Dissociation is a mental mechanism that results in the temporary or more permanent separation of 5 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation mental structures or content that were previously conntected or associatively linked. The capacity to dissociate is present within each person. It may occur spontanously or be induced" (S. 479). Eine ähnliche, ausführlichere Beschreibung, die auch alltägliche dissoziative Erlebnisse mit einbezieht, geben Spiegel & Cardeña (1991, 367): "Dissociation can be thought as a structured separation of mental processes (e.g., thoughts, emotions, conotions, memory, and identity) that are ordinary integrated. For instance, dissociated behavior is experienced as being outside of conscious control, and dissociated memories seem unavailable, even though both dissociated behaviors and cognition may exert an influence on nondissociated components of behavior and experience. Dissociation in everyday life has been invoked to explain why a person can competently conduct several actions simultaneously (e.g., driving and maintaining a conversation) while having no reflective awareness of one or more of them." Wie Spiegel und Cardeña sehen auch andere Autoren (z.B. Richards, 1990, 367) Dissoziationen in einem Bereich, der von alltäglichen Routinetätigkeiten, sogenannten Automatismen wie Autofahren während man ein Gespräch führt, bis zu den pathologischen Störungen wie Multiple Persönlichkeitsstörung (MPS) reicht. Das Einbeziehen von sogenannten Automatismen als dissoziative Prozesse spiegelt das Kontinuum der Dissoziation wieder. 1.1.2 Dissoziative Erlebnisse An dem einen Ende dieses Kontinuums liegen dissoziative Alltagserlebnisse. Braun (1988, 12) beginnt mit normalen Erscheinungen wie Hypnose, Ich-Zustände und Automatismen; als nächste Stufe bezeichnet er dissoziative Episoden (Furcht, Verdrängung, HighwayHypnose und mystische Erlebnisse). Die nächste Abstufung nennt er dissoziative Störungen, danach folgen: posttraumatisches Belastungsreaktion, atypische dissoziative Störung, atypische MPS und schliesslich MPS. Mit der Aufnahme einiger Konzepte (z.B. der Verdrängung und der posttraumatischen Belastungsreaktion) trifft Braun auf einige theoretisch umstrittene Annahmen. Zu den oben erwähnten kann man noch eine grosse Menge weiterer Phänomene dazuzählen, wie z.B. Tagträume (Bloch, 1991, 5; Putnam, 1989a, 9), Trance-Zustände bei Sportlern (Cancio, 1991), imaginäre Freunde bei Kindern (Putnam, 1991, 532; McElroy, 1992, 839; McKellar, 1977, 103) und Phantasien (Putnam, 1991, 524; Rauschenberger & Lynn, 1995). 6 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation 1.1.3 Definition für dissoziative Erlebnisse Die Definition der dissoziativen Erlebnisse in dieser Arbeit erfolgt unter Einschluss des allgemeinen Kozeptes der Dissoziation und mit Berücksichtigung der zur Messung von Dissoziation verwendeten Instrumente. Ray, June, Turay & Lundy (1992) fanden bei Faktorenanalysen der RDES (Research Dissociative Experience Scale1) und des RQED (Research Questionnaire of Experience of Dissociation1) folgende Faktoren: RDES: 1) Phantasie/Eigenommenheit, 2) teilweise Amnesie, 3) Depersonalisation, 4) momentane Amnesie, 5) verschiedene Selbst, 6) Verneinung kognitiver Dissoziation und 7) Amnesie für kritische Ereignisse; RQED: 1) Depersonalisation, 2) Prozessamnesie 3) Phantasie/Tagträume, 4) körperliche Dissoziationen, 5) Trance, 6) imaginäre Freunde. Eine Faktorenanalyse der DES von Bernstein, Putnam, Ross, Anderson, Clark et al. (1991) ergab nur 3 Faktoren: 1) amnestische Erfahrungen, 2) Absorption/ Eingenommneheit und 3) Derealisation/Depersonalisation. Die selben Faktoren wurden von Sanders & Green (1994) mit einer studentischen Population (college population, 17-22 Jahre) gefunden. Für die Definition lassen sich die folgenden wichtigsten Punkte herausnehmen: Absorption (Fähigkeit, sich in eine Tätigkeit bis zur Selbstvergessenheit zu vertiefen), Amnesie, Depersonalisation und Phantasie. Somit gilt für diese Arbeit die folgende Definition für dissoziative Erlebnisse: Dissoziative Erlebnisse sind Prozesse im Bereich der Dissoziationen, d.h. Erlebnisse, bei denen ein oder mehrere Aspekte einer Person (z.B. Gedanken, Gefühle, Gedächnis, Sinne, Verhalten, Identität) vom Bewusstsein ganz oder teilweise abgespalten werden [Absorption, Amnesie]. Die Person kann dabei in einen anderen Bewusstseinszustand (z.B. Trance, Hypnose, Schlaf, anderer Ich-Zustand) treten und/oder die Umwelt und/oder sich selbst auf eine andere (ungewohnte) Art wahrnehmen [Depersonalisation, Phantasie]. 1.2 Das Phänomen der "Dissoziation" in der Geschichte Die erste Beschreibung einer bewusst erlebten Spaltung eines Menschen entstand möglicherweise 2200 v. Chr. auf einem ägyptischen Papyrus ("Gespräch eines Lebensmüden mit seinem Ba"; vom Scheidt, 1988, 18-20). Weitere Hinweise fand derselbe Autor bei den Griechen Heraklit (500 v. Chrr.), der von der mehrfachen (inneren) Gestalt des Menschen sprach, und Sokrates, dessen "daimonion", die innere göttliche Stimme, bei den 1Es handelt sich um die DES und den QED mit 5-Punkte-Likert-Skalen. Die Namensänderungen erfolgten aus methodischen Überlegungen, da die Daten der verschiedenen Skalierungen (visuelle Analogieskala bzw. Falsch/Richtig-Anwort und Likert-Skala) nicht ohne weiteres vergleichbar sind. 7 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation Christen zur Idee des Gewissens wurde. Vom Scheidt zitiert anschliessend Schriftsteller wie Wieland (1773: "Zwei Seelen, ach ich fühl es zu gewiss! - / Bekämpfen sich in meiner Brust"), Novalis (1798: "Jeder Mensch ist eine kleine Gesellschaft"), Goethe (1808: "Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust...") etc. und führt ein paar Psychologen und Psychiater an, die in ihren Konzepten "innere Gestalten" haben (Freud, Jung, Perls, Moreno, Assagnoli). Die erste Beschreibung des psychologischen Konzeptes der Dissoziation wird gewöhnlich Pierre Janet zugeschrieben (Hilgard, 1977). Er war der erste, der die Natur der Dissoziation zu erforschen begann (Putnam, 1989a, 2). Ellenberger (1973/1970), weist jedoch auf die Magnetiseure Puységur und Bertrand, die einen grossen Einfluss auf Janet hatten, genauso wie der berühmte Neurologe Jean-Martin Charcot (West, 1967). Spiegel & Cardeña (1991, 366) erwähnen zusätzlich Charles Richet und Giles de Tourette. Weitere Wissenschaftler auf diesem Gebiet waren in den USA Boris Sidis, Morton Prince, William James und in England Frederick Myers (Putnam, 1989a, 3). Diese Leute arbeiteten um die Jahrhundertwende. Durch das Verdrängungskonzept von Freud verdrängt, verlor die Dissoziation an Bedeutung. Um die dreissiger Jahre tauchten wieder ein paar Arbeiten auf (z.B. von Ramona Messerschmidt, 1927-1928; Abeles & Schiller, 1935; Kanzer, 1939), wobei allerdings die Verdrängung nach Freud als Verursacher für die Verbannung von unakzeptablen Ideen, Gefühlen, Erinnerungen und Impulsen aus dem Bewusstsein angesehen wurde (Putnam, 1989a, 4-5). In einem von T.K. Österreich herausgegebenen Band mit Übersetzungen einiger Schriften von Morton und Walter Prince (1932) stellte Harms eine Literaturübersicht mit rund 400 Beiträgen zum Thema Dissoziation zusammen. Die Verteilung der Arbeiten über die Zeit ist in den Abbildung 1 dargestellt. Dabei fallen ca. 36% auf deutsche Schriften, 38% auf englische und 25% auf französische. Abbildung 1: Anzahl Publikationen über Dissoziation nach einer Bibliographie von Harms (1932) Anzahl Publikationen 15 5 1927 1917 1907 1897 1887 1877 1867 1857 1847 1837 1826 0 1816 Jahr 10 8 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation Das erneute Interesse an den Dissoziationskonzepten in den letzten Jahren trat im Zusammenhang mit dissoziativer Psychopathologie (vor allem MPS), Hypnose und Kindsmissbrauch auf (Putnam, 1989a, 5). Diese Entwicklung begann in erster Linie in den USA. Vermehrt sind auch Publikationen niederländischer Autoren zu finden, und auch in Deutschland (z.B. Huber, 1993; 1995; Matrioschka, 1993; vom Scheidt, 1988; Schneider, 1994) erwacht langsam das Interesse an dissoziativen Phänomenen und Störungen. Die Fachwelt schläft allerdings noch. Auch ins "Ursprungsland" des Dissoziationsforschung, nach Frankreich, kehrt das Konzept zurück (z.B. Carroy, 1993; Malarewicz (o.J.), der The Dissociative Disorders Interview von Ross, Heber, Norton, Anderson, Anderson & Barchet (1989) ins Französische übersetzt hat. In der Schweiz beschäftigten sich bisher nur wenige Wissenschaftler mit dem Thema (Modestin, 1991; 1992). Eine Konferenz zum Thema Multiple Persönlichkeiten am Institut de Formation Systemique in Fribourg musste mangels Teilnehmer abgesagt werden (W. Schenk, persönl. Mitteilung, 6.5.94). Zum steigenden Interesse gehören neben der Fachliteratur teils populäre Werke, die sich in erster Linie mit der Multiplen Persönlichkeitsstörung beschäftigen. Sehr wichtig für das Interesse an der Dissoziation war natürlich, so Bloch (1991), die Aufnahme der dissoziativen Strörungen ins DSM-III (American Psychiatric Association2, 1980). Die Entwicklung der Forschung im Bereich der Dissoziationen zeigt die Abbildung 2. Abbildung 2: Publikationszahlen in den Psychological Abstracts der American Psychological Association (1977-1994) zu den Begriffen Dissoziation ("dissociative neuroses", "dissociative patterns") und Multiple Persönlichkeitsstörung ("multiple personality") 120 Multiple Persönlichkeitsstörung Dissoziation 100 80 60 40 20 2 1994 1993 1992 1991 1990 1989 1988 1987 1986 1985 1984 1983 1982 1981 1980 1979 1978 1977 0 Im weiteren: APA. 9 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation Aus der Abbildung 2 ist ersichtlich, dass es (seit 1977) immer ein paar wenige Artikel zu den Themen Dissoziation und Multiple Persönlichkeit gab (<10; ca. 0.01-0.02%). Mitte der achtziger Jahre begann ein Anstieg, der sich zu Beginn der neunziger Jahre verstärkte. Der hohe Anstieg der Eintragungen zur MPS im Jahre 1985 (43; 0.13%) ist vor allem auf den Themenschwerpunkt MPS in den Zeitschriften International Journal of Clinical and Experimental Hynosis (1984, 32(2)) und American Journal of Clinical Hypnosis (1983, 26(2)) zurückzuführen. Die aufallende Spitze der MPS (113 Eintragungen; 0.32%) und die Verdreichfachung der Beiträge zur Dissoziation (56 Eintragungen; 0.16%) von 1991 erklärt sich durch die Aufnahme der 1988 gegründeten Zeitschrift Dissociation Progress in the Dissociative Disorders in die Psychological Abstracts. Der überwiegende Teil der Beiträge entstammen nordamerikanischen Fachzeitschriften. 1994 lag der Anteil der Beiträge zur Dissoziation bei 0.16% (80 Eintragungen), der der MPS bei 0.13% (60 Eintragungen). Das Konzept Dissoziation hatte immer wieder Einfluss auf die Bildung von Persönlichkeitstheorien und umgekehrt. Im folgenden eine kurze Zusammenstellung wichtiger Autoren nach Martindale (1980, 193-194): Im frühen neunzehnten Jahrhundert bestand die vorherrschende Meinung, es existiere ein einheitliches Selbst oder ein transzendentales Ego (z.B. bei Kant und Bain). Ende des Jahrhunderts drehte sie sich ins Gegenteil, und Autoren wie Ribot (1895), Prince (1929), Sidis & Goodhart (1904) und weitere Wissenschaftler sprachen sich für die Existenz von multiplen Selbst aus. In der Mitte unseres Jahrhunderts schwang die theoretische Meinung zurück zu einem einheitlichen Selbst, das bestenfalls untergeordnete soziale Selbst oder Rollen zuliess (z.B. Allport, 1937; Rogers, 1961; Maslow, 1962). Eine andere Variante dieser Ansicht geht auf Myers (1961) zurück, die besagt, dass multiple Selbst oder "subpersonalities" mit einem tiefer liegenden einheitlichen Selbst verbunden sind oder integriert werden können (vgl. Jung 1956; Assagnoli, 1976; Vargiu, 1974). Obwohl es immer wieder Autoren wie Gergen (1968), Murray (1940) und Smith (1968) gab, die von der Doktrine des einheitlichen Selbst abwichen, kam erst in den (späten) siebziger Jahren die Meinung wieder auf, die Persönlichkeit könnte aus "subselves" zusammengesetzt sein (vgl. Klinger, 1971; Mair, 1977; Watkins & Watkins, 1979). In neuerer Zeit häufen sich die Theorien mit einem uneinheitlichen Selbst (z.B. Rowan, 1990), ein Trend, der sich in den nächsten Jahren mit grosser Wahrscheinlichkeit fortsetzen wird. 10 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation 1.3 Dissoziative Störungen in Klassifikationssystemen Im Verlaufe der Zeit gab es immer wieder Änderungen bei der Klassifikation der dissoziativen Störungen. In das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen wurden sie erstmals in der 3. Ausgabe, dem DSM-III (APA, 1980; 1984/1980) aufgeführt. Im folgenden Kapitel werden die wichtigsten dissoziativen Störungen kurz beschrieben, die im ICD-10 (WHO, 1993/1992) und im DSM-III-R (APA, 1991/1987) zu finden sind. Im weiteren werden die wichtigsten im DSM-IV vorgenommenen Änderungen besprochen. Es herrscht keine Klarheit, wie eine Klassifikation der dissoziativen Störungen aussehen soll. Überschneidungen vor allem im Bereich der Symptome führen immer wieder dazu, dass verschiedenste Störungsbilder zu den Dissoziationen oder bisher als dissoziativ klassifizierte Störungen zu anderen Kategorien gerechnet werden. Starke Überschneidungen wurden zwischen dissoziativen Störungen und Zwangsstörungen gefunden (vgl. Ross & Anderson, 1988; Goff, Olin, Jenike, Baer & Buttolph, 1992), Essstörungen (vgl. McCallum, Lock, Kulla, Rotry, Richard & Wetzel, 1992; Sanders, 1986) und der Borderline Persönlichkeitsstörung (Clary, Burstin & Carpenter, 1984; Horevitz & Braun, 1984). Einige Autoren sprechen sich dafür aus, die MPS als einen Spezialfall der Borderline Persönlichkeit zu sehen (Benner Joscelyne, 1984; Buck, 1983). Immer wieder mit Dissoziationen in Verbindung gebracht wird die posttraumatische Belastungsreaktion (vgl. Davidson & Foa, 1991). Schenk & Baer (1981) schrieben über Patienten mit Temporallappenepilepsie, die zugleich dissoziative Störungen aufweisen. Erhöhte Werte auf der DES (Dissociative Experience Scale; siehe Kptl. III, 1.2.2.1) zeigten sich in einer Studie von Bernstein, Putnam, Ross, Torem, Coons, Dill, Loewenstein & Braun (in Druck) bei posttraumatischer Belastungsreaktion (Anzahl Pbn: N=116, Mittelwert auf DES3: M=25), Schizophrenie (N=59, M=20), affektiven Störungen (N=100, M=15) und Essstörungen (N=120, M=15). Messungen in der allgemeinen Bevölkerung ergaben auf der DES Werte von rund 10, wobei es grosse Altersunterschiede gibt. Ein weiterer Hinweis auf die engen Verknüpfungen zwischen Dissoziationen und psychischen Störungen sind die psychiatrischen Symptome, die bei Multiplen Persönlichkeiten gefunden werden. Putnam (1989a, 58-65) erwähnt folgende Symptome: Depressionen, Ängste und Phobien, Drogenmissbrauch, Halluzinationen, Denkstörungen, Wahn, Selbstmord und Selbstverstümmelungen, Katatonie sowie Transsexualität und Transvestismus. Unter diesen Umständen wundert es nicht öfters Berichte von Fehldiagnosen (besonders 3 Die Werte stammen aus einer Grafik (Bernstein et al, in Druck) und wurden deshalb aufbzw. abgerundet. 11 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation bei der MPS) zu finden. Eine Übersicht zur differentiellen Diagnose von Multiplen Persönlichkeiten geben Solomon & Solomon (1982). Die MPS wird abgegrenzt zu Temporallappen-Epilepsie, Schizophrenie, Boderline Persönlichkeitsstörung und Simulation. 1.3.1 DSM-III-R Das DSM-III-R (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen, 3. rev. Ausgabe, APA, 1991/1987) bezeichnet das Hauptmerkmal dissoziativer Störungen (auch hysterische Neurosen, dissoziativer Typus) als "eine Störung oder Änderung der normalerweise integrativen Funktionen der Identität, des Gedächnises oder des Bewusstseins. Die Störung oder Änderung kann plötzlich oder allmählich auftreten und vorübergehend oder chronisch sein" (APA, 1991/1987, 329). Die psychogene Amnesie wird beschrieben als eine Störung, bei der "eine plötzlich einsetzende Unfähigkeit, wichtige persönliche Daten zu erinnern, ein Unvermögen, das nicht auf eine Organisch Bedingte Psychische Störung zurückzuführen ist", auftritt, und in der das "Ausmass dieser Beinträchtigung [...] zu gross [ist], um durch gewöhnliche Vergesslichkeit erklärt zu werden" (S. 334). Es wird unterschieden zwischen lokalisierten, selektiven, generalisierten und kontinuierlichen Amnesien. Die psychogene Fugue (psychogenes Weglaufen) ist ein "plötzliches, unerwartetes Weggehen von zu Hause oder vom gewohnten Arbeitsplatz, verbunden mit der Annahme einer neuen Identität und der Unfähigkeit, sich an die frühere Identität zu erinnern" (S. 333). Meist handelt es sich um kurze Episoden (Stunden bis Tage), in denen keine vollständig neue Identität gebildet wird. Die Bildung einer komplett neuen Identität und das Andauern der Fugue über Monate oder gar Jahre wird als äusserst selten angegeben. Im DSM-III-R wird das Hauptmerkmal der Multiplen Persönlichkeitsstörung (MPS) mit der "Existenz von zwei oder mehr unterschiedlichen Persönlichkeiten oder Persönlichkeitszuständen innerhalb eines Individuums [angegeben]. Persönlichkeit wird hier definiert als ein relativ beständiges Muster des Wahrnehmens, der Beziehung zu und des Denkens über die Umwelt und sich selbst. Dies zeigt sich in einem weiten Bereich wichtiger sozialer und persönlicher Zusammenhänge. Im Unterschied hierzu wird bei Persönlichkeitszuständen dieses Muster lediglich in einem kleinen Bereich von Zusammenhängen gezeigt" (APA, 1991/1987, 329). "Mindestens zwei dieser Persönlichkeiten oder Persönlichkeitszustände übernehmen wiederholt die volle Kontrolle über das Verhalten des Indidviduums" (APA, 1991/1987, 333). In der Depersonalisationsstörung (oder Depersonalisationsneurose) treten Depersonali12 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation sationen in schwerwiegendem Ausmass auf und rufen ausgeprägtes Leid hervor. Das Symptom der Depersonalisation wird beschrieben als "eine Änderung der Selbstwahrnehmung oder des Selbsterlebens in der Form, dass das übliche Gefühl für die eigene Wirklichkeit vorübergehend verloren geht oder sich verändert" (APA, 1991/1987, 337), sei es durch das Losgelöst sein vom Körper, sei es durch ein 'roboterhaftes' oder traumähnliches Fühlen. Häufig beinhaltet die Depersonalisationsstörung auch Derealisation, also eine "merkwürdig veränderte Umgebungswahrnehmung" (S. 337). Die Betroffenen behalten eine intakte Realitätskontrolle. Im ICD-10 werden Depersonalisation und Derealisation nicht zu den dissoziativen Störungen gerechnet, weil "in der Regel nur Teilbereiche der persönlichen Identität betroffen sind und diese Störungen nicht mit Leistungseinbussen in den Bereichen Wahrnehmung, Gedächnis oder Bewegung einhergehen" (WHO, 1993/1992, 174). Zu den Nicht Näher Bezeichneten Dissoziativen Störungen führt das DSM-III-R folgende Beispiele auf: Gansersyndrom, Ego-States, Trancezustände, Derealisation ohne Depersonalisation und psychogene Fugue ohne neue Identitätsbildung4. 1.3.2 DSM-IV Im DSM-IV bleiben die wesentlichen Punkte der dissoziativen Störungen unverändert. Im Unterschied zum DSM-III-R wurde der Begriff psychogen durch dissoziativ ersetzt (z.B. dissoziative statt psychogene Amnesie), die Multiple Persönlichkeitsstörung zur Dissoziativen Identitätsstörung umbenannt und eine ausführlichere Differenzzierung von anderen psychischen Störungen, die dissoziative Symptome in ihrem Erscheinungsbild beinhalten. Ausserdem wird auf die kulturelle Komponente von dissoziativen Phänomenen Rücksicht genommen, u.a. indem betont wird, dass die jeweilige Störung im kulturellen Kontext eine genügend grosse Belastung (im klinischen Sinne) darstellen muss. Neu ist auch die umfangreichere Beachtung verschiedener Trance-Zustände (z.B. Aufnahme von Bessessenheit) und eine neue Unterkategorie ("Loss of consciousness, stupor, or coma not attributable to a general medical condition", S. 491) zum Dissociative Disorder Not Otherwise Specified (APA, 1994). 4 Die Begriffe Ego-States und Fugue ohne neue Identitätsbildung werden beschrieben, aber nicht als solche bezeichnet. 13 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation 1.3.3 ICD-10 Das ICD-10 (Internationale Klassifikation psychischer Störungen, 10. Ausgabe, WHO, 1993/1992) versteht unter dissoziativen Störungen oder Konversionsstörungen den "teilweise[n] oder völlige[n] Verlust der normalen Integration von Erinnerungen an die Vergangenheit, des Identitätsbewusstseins, der unmittelbaren Empfindungen, sowie der Kontrolle von Körperbewegungen" (WHO, 1993/1992, 173). Die dissoziativen Störungen werden als psychogen betrachtet. "Das heisst, es besteht eine nahe zeitliche Verbindung zu traumatisiereneden Ereignissen, unlösbaren oder unerträglichen Konflikten oder gestörten Beziehungen" (S. 173). Das ICD-10 hält die dissoziativen Störungen mit einem plötzlichen Beginn und Ende für selten, und es wird von der Diagnose abgeraten, wenn körperliche Erkrankungen vorhanden sind, die die Symptome erklären könnten, oder wenn kein Beleg für eine psychische Verursachung gefunden werden kann. Das ICD-10 empfiehlt, die Diagnose dissoziativer Störungen "nur mit grosser Vorsicht" (S. 174) zu stellen. Die dissoziative Amnesie hat als wichtigstes Kennzeichen einen "Erinnerungsverlust für meist wichtige, kurz zurück liegende Ereignisse, der nicht durch organische psychische Störungen bedingt und zu schwerwiegend ist, um durch übliche Vergesslichkeit oder Ermüdung erklärt werden zu können" (S. 175). Im Vergleich zum DSM-III-R wird mehr Betonung auf die traumatischen Ereignisse gelegt, um die sich die Amnesie zentriert. Die dissoziative Fugue "ist eine zielgerichtete Ortsveränderung von zu Hause oder vom Arbeitsplatz fort, wobei die betreffende Person sich äusserlich geordnet verhält. Zusätzlich liegen alle Kennzeichen einer dissoziativen Amnesie vor. In einigen Fällen wird eine neue Identität angenommen, im allgemeinen nur für wenige Tage, aber gelegentlich auch für lange Zeiträume und erstaunlich vollständig" (S. 176-177). Die folgenden Störungen aus dem ICD-10 werden im DSM-III-R (und DSM-IV) zu den Nicht Näher Bezeichneten Dissoziativen Störungen gezählt oder nicht unter den dissoziativen Störungen klassifiziert. Der dissoziative Stupor unterscheidet sich vom üblichen Stupor durch das Fehlen einer körperlichen und dem Vorhandensein einer psychogenen Ursache (belastendes Ereignis, Konflikte, Probleme) (S. 177). Trance und Bessessenheitszustände sind "Störungen, bei denen ein zeitweiliger Verlust der persönlichen Identität und der vollständigen Wahrnehmung der Umgebung auftritt: in einigen Fällen verhält sich der Mensch so, als ob er von einer anderen Persönlichkeit, einem Geist, einer Gottheit oder einer Kraft beherrscht wird" (S. 178). Diese Zustände sind nicht mit der MPS zu verwechseln. Dissoziative Störungen der Bewegung und der Sinnesempfindungen beinhalten den "Verlust oder eine Veränderung von Bewegungsfunktionen oder Empfindungen, meist 14 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation Hautempfindungen, so dass der Patient körperlich krank wirkt, ohne dass eine körperliche Ursache zur Erklärung der Symptome nachweisbar ist" (S. 178-179). Auch hier ist die Ursache psychogen. Das ICD-10 unterscheidet hier zwischen dissoziativen Bewegungsstörungen, dissoziativen Krampfanfällen, dissoziativen Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen und gemischten dissoziativen Störungen. Unter den sonstigen dissoziativen Störungen (Konversionsstörungen) finden sich das Ganser Syndrom, die Mulitple Persönlichkeitsstörung, vorübergehende dissoziative Störungen (in der Kindheit und Jugend) und sonstige näher bezeichnete dissoziative Störungen. Als letzte Kategorie wird die nicht näher bezeichnete dissoziative Störung aufgeführt. Die grössten Unterschiede in bezug auf die dissoziativen Störungen zwischen DSM-III-R und ICD-10 liegen in der MPS und den dissoziativen Störungen der Bewegung und der Sinnesempfingungen. Die letzteren werden im DSM-III-R nicht als dissoziative, sondern als somatoforme Störungen bezeichnet. Im ICD-10 wird die MPS als "kontrovers diskutiert" (S. 182) bezeichnet und nur kurz beschrieben, während das DSM-III-R der Störung mehr als drei Seiten widmet. Die starke Position der MPS im DSM-III-R lässt sich durch die amerikanische Ausrichtung erklären, wo diese Störung scheinbar häufiger auftritt, öfters diagnostiziert, besser akzeptiert und vor allem in viel grösserem Ausmass erforscht wird. Die im ICD-10 unter dissoziativen Störungen beschriebenen Krankheitsbilder entsprechen in etwa dem, was früher (teils heute noch in der Alltagssprache) als Hysterien bezeichnet wurden. Im ICD-9 (WHO, 1980/1978) war die Kategorie der dissoziativen Störungen noch nicht aufgeführt. 1.4. Ursachen der Dissoziation Die Ursache der meisten (pathogenen) Dissoziationen ist in (schweren) Traumata wie physischem, psychischem und sexuellem Missbrauch vor allem von Kindern, Vergewaltigungen (z.B. Bloch, 1991, 12-13; Putnam, 1989a, 7-8) und anderen extremen Belastungssituationen wie Naturkatastrophen zu suchen (Spiegel et al., 1991, 368-369). Je nach Einsetzen, Dauer, Häufigkeit und Grösse der Belastungen oder der Traumata entwickeln sich leichtere (z.B. Amnesie) oder schwerere (z.B. MPS) Störungen. Im allgemeinen gilt, je früher, je häufiger, je länger und je schwerer die Traumatisierung, desto schlimmer die dissoziativen Symptome bzw. Störungen (vgl. Spiegel et al., 1991, 368f). Kluft (1986) schlägt vier Faktoren vor, die zur Entwicklung der MPS führen: 1) eine hypothetische biologische Veranlagung zu dissozieren, 2) wiederholte traumatische Erleb15 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation nisse in der Kindheit, 3) Einflüsse, die verfestigte dissoziative psychologische Prozesse formen und 4) inadäquate Unterstützung und zu wenig Schutz, um eine normale integrierende Persönlichkeitsentwicklung fortzusetzen. Zur Erklärung sowohl von pathogenen als auch nicht-pathogenen Dissoziationen gibt es viele Modelle. Ein interessanter kognitiver Ansatz stammt von Martindale (1980, 1981), der unter anderem in seinem umfangreichen Werk Cognition and Consciousnes beschrieben wird. 16 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation 1.5 Epidemiologie 1.5.1 Punktprävalenz der Dissoziation Erst in den letzten Jahren wurde begonnen, die Prävalenz von dissoziativen Störungen zu erforschen. Die Tabellen 1 und 2 fassen die mir bekannten bisherigen Erkenntnisse zusammen. Es handelt sich dabei ausschliesslich um Punktprävalenzen (auch Stichtagsprävalenz genannt). Über die Inzidenz sind mir keine Studien bekannt. Tabelle 1: Punktprävalenz dissoziativer Störungen in klinischen Populationen Autor(en) 1. Ross, Anderson & Fleisher & Norton+ 2. Ross, Kronson & Hildahl*+ 3. Ross, Kronson, Koensgen, Barkman, Clark & Rockman + 4. Ross, Kronson, Koensgen, Barkman, Clark & Rockman + 5. Ross, Anderson, Heber et al.* 6. Ross, Anderson, Heber et al.* 7. Modestin Jahr 1991a N Population % DS % MPS Diagnosemittel 299 general adult psychiatry inpatients 34 adolescent assessed data psychatric facility 100 adults with chemical dependency problems 20.7 5.4 DES, DDIS 35 17 DES, DDIS 39 14 DES, DDIS 1992 51 women as survivors of childhood sexual abuse 88.5 - DES, DDIS 1990a 20 high risk sample 35 5 1990a 20 exotic dancers 50 35 - 0.05-0.10 ? (DES und DDIS) ? (DES und DDIS) DSM-IIIKriterien 1991b 1992 1992 (770) Patienten von schweizer ** Psychiatern Legende: DS: dissoziative Störungen; MPS: Multiple Persönlichkeits-Störung; DES: Dissociative Experience Scale; DDIS: Dissociative Disorder Interview Schedule; DSM-III: Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 3rd edtition. * Quelle: Ross, 1991 + Quelle: Loewenstein, 1994 ** die Zahl bezieht sich auf die Anzahl der befragten Psychiater (=66% der angeschriebenen Psychiater) Die Prävalenz von dissoziativen Störungen bei klinischen Populationen (in Kanada) liegt je nach Risikogruppe zwischen 20.7% und 88.5%. Bei diesen teils hohen Zahlen sollte bedacht werden, dass dissoziative Elemente in vielen Psychopathologien eine Rolle spielen. Loewenstein (1994, 4) sammelte Befunde zur Prävalenz dissoziativer Störungen. Er fand neben den oben erwähnten Daten (vgl. Tabelle 1) Studien mit Angaben über das Vorkommen von dissoziativer Amnesie bei Soldaten mit Kriegserfahrung im 2. Weltkrieg (5-14%, 35%) (Sargent & Slater, 1941), bei Korea- und Vietnamveteranen (Post-traumatische Belastungsstörung > Kontrollgruppe) (Archibald & Tuddenham, 1965; Hendin, Haas, Singer, Houthon, Schwarzt & Wallen, 1984) und (a) Erwachsenen bzw. (b) Frauen mit sexuellem Kindsmissbrauch (a: 59,6%; b: 38%) (a: Briere & Conte, 1993; b: Williams, 1992). 17 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation Putnam (1989b, 419) spricht von einem weiten Spielraum der behandelten Prävalenz bei MPS in der Literatur. Seine Angaben liegen zwischen einem Patienten pro Million und 10% der hospitalisierten Psychiatriepatienten. Die kanadische Gruppe um C. Ross weist auch hier je nach Stichprobe hohe Werte auf: 5% bis 35% (bzw. 5.4% bis 17% ohne Studie 5 und 6). Ganz anders sieht das Bild in der Schweiz aus. Modestin (1992) fand nur wenige Patienten, die von Psychiatern behandelt werden und den DSM-III Kriterien für MPS entsprechen. Hier scheint sich der Seltenheitsgrad der dissoziativen Störungen - zumindest der MPS - in Europa zu zeigen, wobei die Gründe sicher nicht nur in deren tatsächlichen Vorkommen liegen, sondern auch in einem anderen Welt- bzw. Psychiatriebild. Tabelle 2: Punktprävalenz dissoziativer Störungen in der allgemeinen Bevölkerung Autor(en) 1. Ross, Joshi & Currie 2. Ross Jahr N Population 1990b 1055 >18 Jahre aus Winnipeg Kanada 1991 454 >18 Jahre aus Winnipeg Kanada 1991 374 Holland und Flämen 3. Vanderlinden, Van Dyck, Vandereycken & Vertommen 4. Murphy 1994 415 StudentInnen der Universität von Idaho %DS %MPS Diagnosemittel 5 - 10 - DES 11.2 3.1 3 1 DIS-Q 5-10 - DES DES, DDIS Legende: DS: dissoziative Störungen; MPS: Multiple Persönlichkeits-Störung; DES: Dissociative Experience Scale; DDIS: Dissociative Disorder Interview Schedule; DIS-Q: The Dissociation Questionnaire. Das Vorkommen der dissoziativen Störungen in der allgemeinen Bevölkerung (Ross et al., 1990b) und bei StudentInnen (Murphy, 1994) unterscheidet sich mit 5% bis rund 10% wenig vom Vorkommen anderer psychischer Störungen, es liegt zum Teil weit darunter. Zum Vergleich führt Ross (1991) folgende Werte an: Affektive Störungen: 6.1% - 9.5%; Angststörungen: 10.3% - 25.0%; Drogenmissbrauch (substance abuse): 15.0% - 18.1%. Die MPS (3.1%) würde die Prävalenz von z.B. Schizophrenie und Bipolaren (mood) Störungen nicht allzuweit übertreffen (Ross, 1991). Eine weniger hohe MPS-Prävalenz (1%) wurde in Holland und Belgien (Flämen) gefunden (Vanderlinden et al., 1991). Die scheinbare Zunahme der dissoziativen Störungen und das Gefälle zwischen Nordamerika und Europa liegt zu einem grossen Teil darin, dass die Psychiater heute etwas genauer "hinschauen", um welche Störung (Schizophrenie, Boderline, MPS etc.) es sich handelt (vom Scheidt, 1988, 16). Ein weiterer Punkt für die unterschiedliche Wahrnehmung dissoziativer Phänomene, besonders der MPS, sind kulturelle Unterschiede (vgl. Bourguignon, 1989). 18 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation Noch ganz am Anfang steht die Erforschung der Dissoziationen bei Kindern und Jugendlichen. Bis heute erschienen erst wenige Studien (vgl. Fagan & McMahon, 1984; Hornstein & Putnam, 1992; Reagor, Kasten & Morelli, 1992). 1.5.2 Dissoziative Erlebnisse in der allgemeinen Bevölkerung Bisher wurden nur wenige Arbeiten zum Vorkommens dissoziativer Erlebnisse in der Allgemeinbevölkerung - vorwiegend in Nordamerika (Kanada) - unternommen. Ross, Joshi und Currie (1990b) liessen 1055 Erwachsene (>18 Jahre) in Winnipeg (Kanada) - einer Stadt mit rund 650'000 Menschen - die DES ausfüllen. Je nach Alterstufe wurden Mittelwerte zwischen 5.9 und 15.6 erreicht5. Die Autoren fanden keine Geschlechtsunterschiede und auch keine Unterschiede in sozioökonomischen Variablen (Einkommen, Beruf, Erziehung, Geburtsort, Religion, Anzahl Personen im Haushalt). Die einzige Ausnahme bildet das Alter der Befragten. Es gibt einen starken Abfall der DES-Werte mit dem Alter. Ross et al. (1990b) kommen zu dem Schluss, dass das Vorkommen dissoziativer Erlebnisse in der allgemeinen Bevölkerung normal ist. Tabelle 3: Dissoziative Erlebnisse bei StudentInnen Nr. Autoren Jahr Population Alter 1 Ensink & Otterloo Ellason et al. MartinezToboas Yargic et al. 1989 Psychologie-StudentInnen Niederland 1994 college-StudentInnen USA 1995 college-Studentinnen, Puerto Rico (uundergraduated) 1995 nicht-patientische Gruppe (davon 631 StudentInnen) Türkei 1995 StudentInnen (undergraduated) USA 1994 Studenten der Universität Idaho (undergraduated) ca. 22/23 - 2 3 4 5 6 Gleaves et al. Murphy 7 5 8 Riley Gleaves et al. 1988 college-StudentInnen, USA 1995 StudentInnen (undergraduated) USA 20.1 - 21.3 - N Instr. M sd range 80 DES 17.3 9.7 - 65 DES I DES II 46 DES 12.1 10.9 17.4 13.8 1-51 673 DES 14.11 - - 170 DES 16.33 11.26 1-54 415 DES 23.7 6.7 - 1210 QED 21.3 170 QED 9.92 10.56 4.28 4.27 2-21 Legende: N=Anzahl Probanden, Instr.=Erhebungsinstrumente, M=Mittelwert, sd=Standardabweichung; DES=Dissociation Experience Scale (Skalierung: 0 bis 100); DES I=DES Version 1 mit visual analog scale; DES II=DES Version 2 mit Prozentzahlangabe; QED=Questionnaire of Experience of Dissociation (Skalierung: 0 bis 26); Ellason et al.=Ellason, Ross, Lawrence, & Sainton; Yargic et al.=Yargic, Tuthun & Sar; Gleaves et al.=Gleaves, Eberenz, Warner & Fine. 5 Der cut-off score für eine ernsthafte dissoziative Störung liegt bei 30 (Putnam, o.J.). 19 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation Vanderlinden, Van Dyck, Vandereycken & Vertommen (1991) konnten die Resultate von Ross et al. (1990b) mit einer Population (N=374) aus den Niederlanden und Flämen (Belgien) replizieren. Unterschiede ergaben sich bei der Prävalenz dissoziativer Störungen (vgl. Tabelle 3). Die tieferen Werte werden als Folge von kulturellen Unterschieden oder des Gebrauches eines anderen Messinstrumentes (DIS-Q: Dissociation Questionnaire) vermutet. Mit den vorangegangenen Studien übereinstimmende Resultate fanden auch Ross & Ryan (zit. nach Vanderlinden et al., 1991), Ryan et al. (1992)6 und Murphy (1994) bei einer studentischen Population. Eine weitere Studie die Werte mit dem DES aus der Normalbevölkerung erhielt, stammt von Putnam, Guroff, Silberman, Barbara & Post (1986), in der ein tieferer Durchschnittswert (ca. 5) als bei Ross et al. (1990b) (ca. 10) gefunden wurde. Eine Reihe neuerer Studien mit studentischen Populationen sind in Tabelle 3 aufgelistet (Skalierung der Messinstrumente siehe Legende; vgl. auch Kptl. III, 1.2). 1.6 Theorien 1.6.1 Pierre Janet Im allgemeinen wird angegeben, dass die Geschichte der Dissoziation bei Pierre Janet beginnt (z.B. Kilhstrom, Glisby & Angiulo, 1994, 117). Putnam (1989a, 2) jedoch erwähnt die zwei Magnetiseure Puysègur und Betrand, deren Werk Janet ebenso beeinflussten wie Charcot. Das Konzept der Dissoziation wurde, so van der Hart & Friedman (1989, 4, 6), schon von Moreau de Tours 1845 unter dem Begriff "désagrégation psychologique" gebraucht (auch Janet benützte das Wort "désagrégation"=Dissoziation). Janet erforschte die Dissoziation vor allem im Bereich der psychischen Störungen (Putnam, 1989b). Das Hauptthema in "L'automatism psychologique" von Janet (1889) war "that when a person experiences emotions which overhelm his capacity to take appropriate action, the memory of this traumatic experience can not be properly digested: it is split off from consciousness and dissociated, to return later as fragmentary reliving of the trauma, as emotional conditions, somatic states, visual images, or behavioral reenactments. Janet was the first to identify dissociation as the crucial psychological mechanism involved in the genesis of a wide variety of post traumatic symptoms" (van der Kolk, Brown & van der Hart, 1989, 366). Sein besonderes Augenmerk galt der verminderten Kapazität zur mentalen Synthese, d.h. der erfolglosen Assimilation traumatischer Erinnerungen in neutrale Erzählung (van der 6 Wobei sie sich auf einen Kongressbeitrag von Ryan & Ross (1988) beziehen. 20 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation Kolk, Brown & van der Hart, 1989, 376). Ursprünglich wollte Janet mit seinem Dissoziationskonzept die Konversionssymptome erklären. Nach seiner Ansicht wird jeder Mensch mit einer gewissen Menge nervöser Energie geboren. Unter normalen Umständen hält diese Energie alle mentalen Prozesse und Funktionen zusammen und ermöglicht eine Einheit unter bewusster Wahrnehmung. Bei gewissen Menschen mit zu wenig nervöser Energie lockert sich die normale Intergration der Persönlichkeit und mentale Elemente entgleiten der bewussten Kontrolle. Die Symptome der Patienten wurden diesem Wegfallen der mentalen Elemente zugeschrieben, die zur Dissoziation von Erinnerungen und Funktionen führt (Counts, 1990, 461). Das Energiesystem wurde von Janet später ausgebaut. Er entwickelte die Konzepte der psychologischen Kraft und der psychologischen Spannung. Mit der psychologischen Kraft meinte er die Menge der grundlegenden psychischen Energie, die dem Individuum zur Verfügung steht. Es gibt zwei Formen der psychologischen Kraft, die latente und die manifeste. Seine Energien in Bewegung setzen bedeutet, die eigene Energie von latenter in manifeste umzuwandeln. Die psychologische Spannung ist die Kapazität, die eigene psychische Energie zu gebrauchen. Dies nennt Janet "Realisation", was er in erster Linie als einen "linguistischen Akt" sah: "the capacity to combine one's interprataion of reality, one's personal narrative, with effective action" (van der Kolk et al., 1989, 310). Je höher die psychologische Spannung7, desto mehr Operationen kann jemand durchführen ("synthesize"), d.h. desto höher ist die mentale Ebene der Person (van der Hart et al., 1989, 12; van der Kolk et al., 1989, 310). Eine traumatisierte Person ist nicht in der Lage, sich der momentanen Realität anzupassen, d.h. angemessen zu adaptieren (van der Kolk et al., 1989, 310). Janet gelangte zu der Erkenntnis, dass die vom normalen Bewusstsein abgespaltenen Teile oder Inhalte als Automatismen bzw. fixe Ideen (idées fixes) ein rudimentäres Eigenleben führen. Er unterschied zwei Arten der Dissoziation: den totalen Automatismus (z.B. MPS) und den teilweisen Automatismus. Seiner Ansicht nach entstehen die pathologischen Dissoziationen dann, wenn der Organismus aus irgendwelchen Gründen so geschwächt ist, dass das Bewusstein die Funktionen der Synthese und der Adaptation nicht mehr durchführen kann. Um mit den vorhandenen Stress-Situationen umgehen zu können, werden in der Folge ein Teil der Empfindungen, Wahrnehmungen oder Erinnerungen vom Bewusstsein ferngehalten. Die abgespaltenen Teile, die miteinander und mit den bewussten Inhalten in komplexer Beziehung stehen, können in das aktuelle Geschehen eingreifen und pathologische Symptome zur Folge haben. Janet prägte als erster den 7 Janets Spannung hat eine andere Bedeutung als der heutige Gebrauch des Begriffes (Van der Hart et al., 1989, 12) 21 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation Begriff des Vorbewussten, allerdings nicht als einem psychischen Bereich oder Ort im Sinne von Freud, sondern als eine andere Form des Bewusstseins (Bewusstseinszustand) (Burkhard, 1987, 23-24). Van der Hart et al. (1989) definieren die idées fixes nach Janet als Gedanken oder mentale Bilder, die übertriebene Proportionen annehmen, emotional stark besetzt sind, und die sich bei Hysterikern von der gewöhnlichen Persönlichkeit oder dem eigenen Bewusstsein isolieren. Was Janet unter den idées fixes subsumierte, verstehen wir heute als flashback oder Zwangsgedanken ("intrusive thoughts"). 1.6.2 Sigmund Freud Freud, dessen psychoanalytisches Denken ebenfalls wie Janet mit dem Phänomen der Dissoziation begann (beide waren Schüler Charcots), lehnte den Begriff später ab. "Im Gegensatz zu Janet begriff er das Phänomen der Abspaltung bestimmter Inhalte aus dem Bewusstsein nicht als das Resultat einer Asthenisierung des psychischen Organismus, sondern als einen aktiven dynamischen Prozess der Verdrängung" (Burkhard, 1987, 25). Burkhard zit. Freud, "dass eine Vorstellung absichtlich aus dem Bewusstsein verdrängt, von der assoziativen Verarbeitung ausgeschlossen werde" (1987, zit. nach Freud & Breuer, 1970/1895, 93). Nach Garrabé (1989) waren sich Freud und Janet darin einig, "que la disposition à la dissociation est le phénomène fondamental" (S. 1013). Ihre Meinungen gehen allerdings darin auseinander, welche Ursachen zur einer Dissoziation führen. Für Janet war es die Einengung des Bewusstseinsfeldes. Freud (1968/1914, 187, zit. in Garrabé, 1989, 1013) zog andere Schlüsse: "Pour nous, la dissociation psychique ne vient pas d'une inaptitude innée de l'appareil mental à la synthèse; nous l'expliquons dynamiquement par le conflit de deux forces dynamicques; nous voyons en elle le résultat d'une révolte active de deux constellations psychiques, le conscient et l'inconscient, l'une contre l'autre". Die Verdrängung der inkompatiblen Ideen ist defensiv motiviert. Freud nannte eine Hysterie mit diesem Mechanismus Abwehrhysterie. Er sah die Spaltung des Bewusstseins als einen primären Prozess (Counts, 1990, 462). Counts (1990) berichtet auch von Freuds Wechsel vom Dissoziationskonzept und der Behandlung seiner Patienten mit Hypnose zum Verdrängungskonzept sowie der Methode des freien Assozierens und dem Durcharbeiten des Widerstandes. In der Arbeit mit den abgespaltenen bzw. verdrängten Inhalten war Freud, so Burkhard (1987, 25), mit Janet soweit konform, als beide die Erinnerungen der Patienten und die dazugehörigen Gefühle in Worte ausdrücken liessen. Die Verursachung der Hysterie sah Freud zu Beginn seines Schaffens, als er sich mit der 22 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation Beziehung zwischen Kindheitstrauma und psychischer Krankheit befasste, in sexuellen Übergriffen von Erwachsenen auf Kinder. Später änderte er seine Meinung und verlegte die Ursachen der Hysterie weg von den sexuellen Traumatas auf die sexuellen Wünsche der Kinder (van der Kolk et al., 1989, 367). Freud bemerkte, dass verbal nicht verarbeitetes Material Angst verursacht und das vergessene Erinnerungen und Gefühle, die mit Traumata in Beziehung stehen, als Zwangsgedanken, Gefühlsausbrüche und Flashbacks auftreten können (van der Kolk et al., 1989, 369). Spiegel, Hunt & Dondershine (1988) versuchten Dissoziation und Verdrängung zu verbinden. Sie führen an, dass bei Traumata andere Abwehrmechanismen eingesetzt werden als bei Entwicklungsproblemen und schreiben: "Dissociation may be elicited more by physical trauma, repression by long standing developmental conflicts and warded off wishes" (S. 304). Ich bin mit Counts (1990, 469) einverstanden, dass das Alter, in dem das Trauma sich erreignet, die Natur und die Schwere des Traumas und das Fehlen höher entwickelter Abwehrmechanismen bestimmen, ob vom Individuum Dissoziation oder Verdrängung eingesetzt wird. 1.6.3 Carl Gustav Jung Die Komplextheorie von C.G. Jung wurde bisher in der Dissoziationsforschung kaum beachtet. Noll (1989) war wohl der erste, der sich näher damit befasste. Komplexe nach Jung sind "abgespaltene seelische Persönlichkeitsanteile, Gruppen von psychischen Inhalten, die sich vom Bewusstsein abgetrennt haben, willkürlich und autonom funktionieren" (Jacobi, 1971, 52) und jederzeit aus dem Unbewussten heraus bewusste Leistungen hemmen oder fördern können. Der Komplex besteht aus einem Kernelement, aus einem Bedeutungsträger (meist unbewusst und autonom) und zahlreichen damit verknüpften Assoziationen, die durch eine einheitliche Gefühlstönung gekennzeichnet sind und teils von persönlichen Dispositionen, teils von der Umwelt abhängen (Jacobi, 1971, 52-53). Jung sah die Dissoziation als einen positiven, natürlichen Kernprozess, der für die Psyche als Ganzes fundamental ist (Noll, 1989, 354). Es handelt sich also um ein normales Phänomen, das alle Menschen betrifft, oder, wie Jacobi (1971, 55) schreibt: "Alle Menschen haben Komplexe." Weshalb kommt es zu diesen Abspaltungen? Grundsätzlich erlaubt es die Erweiterung der Persönlichkeit durch eine grössere Differenzierung der Funktionen. Jung sah zwei Aspekte in der Spaltung (Komplexbildung), einerseits die Dissoziation in viele strukturelle Einheiten, andererseits die Möglichkeit zur Änderung und Differenzierung. Dieser Differenzierung der Funktionen bei 'normalen' Menschen schreibt Jung eine adaptive 23 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation Überlebensfunktion der Psyche zu. Dissoziation ist also die Regel und nicht die Ausnahme (Noll, 1989, 356). Das Phänomen Persönlichkeit ist der Ausdruck der grundlegenden Sturktur der Psyche, d.h. der Dynamik der gefühlsgefärbten Komplexe. Der wichtigste Komplex ist der sogenannte Ego-Komplex (auch Ego), der sich in erster Linie aus somatischen Gedächnisspuren der ersten Lebensjahre entwickelt und normalerweise das Zentrum des Bewusstsein ausmacht. Das Ego ist nur einer von vielen autonomen Komplexen. Unter pathologischen Bedingungen wie bei der MPS und der Schizophrenie wird die Stärke der Komplexe grösser und die Trennung vom Ego extremer. Der EgoKomplex ist der, welcher bei den Multiplen Persönlichkeiten als die GastgeberPersönlichkeit ("host personality") bezeichnet wird (Noll, 1989, 357). Wie bei vielen Dissoziationstheorien wird die Ursache der Spaltung auch von Jung im Trauma gesehen (Jacobi, 1971, 55; Noll, 1989, 358-359). Der heutigen allgemeinen Ansicht entsprechend, zielte Jung bei seiner Psychotherapie ebenfalls auf die Fusion der einzelnen Teile und die Reduzierung der Autonomie der einzelnen Komplexe. Wichtig dabei ist die innere Kommunikation (Noll, 1989, 362-363), was auch Putnam (1989a, 152) für die Therapie mit MPS betont. Einen wichtigen Punkt erkennt Noll (1989, 361) darin, dass "the multiple luminosities that comprise our psychic existence work together to form a functional system of coconsciuousness, with each complex having its place within the greater whole of the personality". 1.6.4 Die Neodissoziative Theorie von Ernest Hilgard Im Mittelpunkt der neodissoziativen Theorie von Ernest Hilgard (1977) steht der versteckte Beobachter ("hidden observer"). Hilgard selber gibt eine Definiton dieses Konstruktes: "It should be noted that the 'hidden observer' is a metaphor for something occuring at an intellectual level but not available to the consciousness of the hypnotized person. It does not mean that there is a secondary personality with a life of its own - a kind of homunculus lurking in the shadows of the conscious person. The 'hidden observer' is merely a convenient label for the information source tapped through experiments with automatic writing and automatic talking" (S. 188). Der versteckte Beobachter wurde von Hilgard in Hypnoseexperimenten untersucht. Die Probanden mussten einen Arm in Eiswasser halten und in kurzen Abständen (10 Sekunden) die Stärke der Schmerzen auf einer Skala einschätzen. Danach wurde das ganze wiederholt, indem die Versuchspersonen hypnotisiert und ihnen suggeriert wurde, keine Schmerzen zu empfinden. Diesmal wurden sie nicht nur mündlich befragt, wie stark die Schmerzen seien, sondern auch beauftragt, mit der anderen Hand durch automatisches Schreiben die Schmerzen auf einer Skala zu bewerten. Der Hypnotiseur appelierte an einen 24 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation versteckten Teil in den Probanden, der die Schmerzen spürte. Die Resultate zeigten, dass die Schmerzen unter Hypnose, wie zu erwarten war, als sehr viel schwächer bewertet wurden als im Wachzustand. Die Überraschung brachten die Angaben der schreibenden Hand, die viel höhere Werte angab, wenn auch weniger hohe als im Wachzustand. Der Teil, der die Schmerzen trotz Hypnose spürte, wurde auch mündlich befragt. Wie in anderen Versuchen, z.B. bei hypnotisch induzierter Taubheit bei einem Blinden, konnte der versteckte Beobachter genaue Angaben machen, was während der Hypnose geschah, obwohl die Versuchsperson unter Hypnose kurz zuvor die Fragen nicht beantworten konnte. Die Idee des versteckten Beobachters ist Gegenstand heftiger Kritik. So gibt es sowohl Versuche das Konzept zu widerlegen (vgl. Stava & Jaffa, 1988), als auch die Ergebnisse von Hilgard zu bestätigen (vgl. Zamansky & Bartis, 1985). Beide hier angeführten Studien weisen jedoch methodisch fragwürdige Aspekte auf. In der Literatur wird meist nur über den "hidden observer" berichtet (z.B.: Counts, 1990; Gabel, 1989; Martindale 1980, 1981; Richards, 1990), und nur wenige setzen sich umfassender mit Hilgards Theorie auseinander. Burkhard (1987, 30-31) fasste Hilgards Dissoziationskonzept kurz zusammen. Dissoziative Erscheinungen finden sich in mehr oder weniger ausgeprägter Form in einfachen Alltagserlebnissen bis hin zu schweren pathologischen Syndromen wie etwa in der MPS. "Dissoziationen sind somit ein wesentliches Charakteristikum kognitiver Funktionen" (S. 30). Im Gegensatz zu anderen Theorien wie etwa der Psychoanalyse nimmt Hilgard die Dissoziationen als das, was sie sind, und versucht nicht etwas hineinzuinterpretieren. Er sieht das Bewusstsein unterteilt in eine Vielzahl einander überschneidender und üblicherweise hierarchisch geordneter kognitiver Kontrollsysteme (Abbildung 3). 25 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation Abbildung 3: Kognitives Kontrollsystem nach Hilgard (1977) zwingende Einflüsse auf die Autonomie des Ich (inkl. Hypnose) Ausführendes Ich; Zentrale Kontrollstruktur kognitive Kontrollstruktur 1 Input kognitive Kontrollstruktur 2 Input Output Der Einfachheit halber werden nur drei Subsysteme dargestellt. Output kognitive Kontrollstruktur 3 Input Output Quelle: Hilgard, 1977, 218 Ein übergeordnetes, dominantes zentrales Kontrollsystem wird von der Person üblicherweise als das Selbst identifiziert (Stava et al., 1988, 989). Die (Kontroll-)Subsysteme enthalten "unterschiedlich viel und/oder verschiedene Informationen und damit auch verschieden Aufgaben und Funktionen im Gesamtsystem" (Burkhard, 1987, 31). Die Subsysteme sind unter die zentrale Kontrollstruktur, das ausführende Ich ("executive ego") untergeordnet, besitzen aber auch eine gewisse Autonomie. Die zentrale Kontrollstruktur kann z.B. durch Hypnose beeinflusst werden. Das kann Einflüsse auf die Positionen der einzelnen Substrukuren haben und sich auf das Verhalten auswirken. Von Hilgard (1977, 223) werden die Subsysteme als sichtbare oder beschreibbare Ereignisse definiert, die auftreten wenn eine Person mit irgendeiner definierbaren Aktivität beschäftigt ist (z.B. ein Buch lesen, ein Problem lösen). Die zentrale Kontrollstruktur enthält, wie auch jedes Subsystem, ausführende Funktionen, "responsible for planning in relation to goals, initiating action commensurate with these plans, and sustaining action against obstacles and distractions. Long- and short-range plans are enmeshed in complex networks" (Hilgard, 1977, 220); und überwachende ("monitoring") Funktionen. Der Monitor muss immer aufmerksam sein. "It has a scanning function that includes alertness to all that is taking place, a recognition of the familiar, and a readiness for the unexpected" (S. 221). Neben dieser Skanning-Funktion hat sie noch die Aufgaben der Selektion und der Kritik (des Urteilens). Die ausführenden und die überwachenden Funktionen interagieren untereinander (Hilgard, 1977, 221). Da es eine grosse Anzahl Subsysteme gibt, sind nur wenige zugleich sichtbar. Es kann zwischen aktiven und inaktiven, zwischen antreibenden und latenten Subsystemen 26 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation unterschieden werden (Hilgard, 1977, 223). Das zentrale Kontrollsystem kontrolliert aber nicht alle Aktivitäten. Ist eine Aktivität einmal in Gang, kann sie ihren eigenen Antrieb entwickeln. Die eigenen Überwachungsund Kontrollsysteme eines Subsystems übernehmen die Kontrolle. Damit lässt sich ihre hohe Autonomie erklären (Hilgard, 1977, 223). Ist die Kontrolle unabhängig vom dominanten System, so kann das aktivierte Subsystem als von diesem dissoziert betrachtet werden (Stava et al., 1988, 989). Bei der Hypnose wird ein Teil der Kontrolle durch den Hypnotiseur oder bei der Selbsthypnose an ein oder mehrere Subsysteme abgegeben (Hilgard, 1977, 230). Veränderungen der Kontrolle sind für die Dissoziation (wie für die Hypnose) wichtiger als Veränderungen des Bewusstsein (S. 228), der Hypnotisierte verliert sein kritisches Denken, seine Überprüfung der Realität, d.h. er nimmt alles so hin, wie es kommt. Orne (1959) bezeichnete das mit dem Begriff "trance logic" (Hilgard, 1977, 231). Was ist nun der versteckte Beobachter in Hilgards Konzept? Die überwachende Funktion kann unterteilt werden 1) in seine normale Rolle als Monitor (Skanning, Selektion, Kritik), 2) während der Hypnose in einen unkritischen Teil, der über die verzerrten oder phantasierten Erlebnisse berichtet, als gehörten sie zur realen Welt und 3) in ein Bruchstück, dass sich hinter einer amnestischen Barriere befindet und durch spezielle Methoden den versteckten Beobachter hervorbringen kann. Der dritte stellt ein Teil des normalen Monitors mit einer realitätsgerechten Wahrnehmung dar (Hilgard, 1977, 234). Im Gegensatz zur Psychoanalyse, die eine horizontale Unterteilung des Bewusstseins (bewusstes, unbewusstes) postuliert, fand Hilgard klare Hinweise, dass es sich beim versteckten Beobachter um eine vertikale Trennung, also ein gespaltenes Bewusstsein ("split consciousness") handelt (Hilgard, 1977, 81, 193-194). 27 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation 1.6.5 Die "Subselves" von Colin Martindale Das kognitive Modell von Martindale (1980, 194-201, 212-213; 1981) ist eine Erweiterung der Theorie von Konorski (1976). Es entspricht den heutigen Ansätzen der kognitiven Theorie. Wahrnehmung, Wiedererkennung und Verstehen werden von hierarchisch geordneten kortikalen "Analysern" durchgeführt. Jeder dieser Analyser ist ein gitterartiges Netzwerk, bestehend aus Einheiten ("units") und Verbindungen zwischen diesen Einheiten. Alle Einheiten sind zusammengesetzt aus vier bis sechs Schichten ("layer"). Auf jeder Schicht ist eine Anzahl kognitiver Einheiten. Laterale Verbindungen zwischen den Einheiten auf der selben Schicht sind hemmend, die vertikalen Verbindungen zwischen den Einheiten auf verschiedenen Schichten sind aktivierend. Die Schichten arbeiten also auf die selbe Weise wie die Retina. Diese Netzwerke haben mehrere Effekte zur Folge. Masking und Interferenzeffekte werden durch laterale Hemmung bewirkt und Erwartung oder Kontexteffekte durch vertikale Förderung ("faciliation"). Zudem hat jede Einheit einen Schwellenwert. Wiederholte Stimulation einer Einheit führt zu Adaptationseffekten, die Einheit wird müde und inaktiv. In der Folge werden benachbarte, bisher gehemmte Einheiten aktiv. Die kognitiven Einheiten sind hypothetisch auch mit Einheiten ausserhalb des Analysers, in welchem sie sich befinden, verbunden, z.B. zum Erregungssystem ("arousal system") oder zum Gefühlssystem. Bewusstsein oder Kurzzeitgedächnis ist ein Set momentan aktiver Einheiten in einem Analyser. Die Aufmerkasamkeit liegt auf dem (oder den zwei) am meisten aktivierten bewussten Elementen. Konorski fand zwei Arten von Analysern, einen sensorischen Analyser für jeden Sinn (z.B. Sehen, Hören, Schmecken), die die jeweiligen Rohsingnale verarbeiten, und deren Output zu den gnositschen oder Wahrnehmungsanalysern geht. Unter anderen postuliert Konorski separate gnotische Analyser für Sprache, Geschriebene Wörter, Gesichter und Musik. Martindale (1980) fügt noch drei weitere Analyser-Typen hinzu: einen semantischen Analyser, der die Bedeutung von Wahrnehmungen kodiert, einen episodischen Analyser, der episodische Informationen kodiert und ein Handlungssystem, das mentale und motorische Handlungen initiert. Zur Veranschaulichung dient die Abbildung 4. Das Handlungssystem (Abbildung 5) besteht aus einer grossen Anzahl Handlungs-Einheiten. Shallice (1971, 1978) vermutet wenigstens eine Handlungs-Einheit pro transitives Verb (essen, gehen etc.). Die Handlungs-Einheiten befinden sich in einem lateralen Inhibitionsfeld. Die Aktivation irgend einer Einheit hemmt lateral die umliegenden HandlungsEinheiten. 28 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation Abbildung 4: Das kognitive Modell nach Martindale motorisches OutputSystem Gnostischer Analyser für Sprache Semantischer Analyser Episodischer Analyser Handlungssystem Akustischer SensorAnalyser Quelle: Martindale, 1980, S. 198 Der Output der Handlungs-Einheiten geht zu den motorischen Systemen, die die "Details" der Handlung überwachen. Input erfolgt einerseits von gnostischen, semantischen und episodischen Systemen und entspricht den Stimuli, die eine Handlung in Gang setzen. Handlungs-Einheiten kodieren Gewohnheiten. Anderseits stammt der Input aus tieferen Ebenen ("level") des Handlungssystems und kann von einem subjekiven Sinn für Wollen, Intention oder Willen begleitet sein. In jedem Moment hemmt die Handlungs-Einheit, die am stärksten aktiviert ist, andere Handlungs-Einheiten und aktiviert die motorischen Pläne ("plans"), die es kontrolliert. Handlungs-Einheiten müssen Zugang zu bestimmten sensorischen Informationsarten haben, damit sie ein Feedback über den Erfolg oder Misserfolg der von ihnen kontrollierten Handlung bekommen. Abbildung 5: Das Handlungssystem Handlungssystem Handlungseinheiten Pläne Dispositionen Subselbst Quelle: Martindale, 1980, S. 198 29 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation Die tieferen Lagen ("strata") des Handlungssystems beinhalten Pläne: Einheiten, die Verhaltenssequenzen kodieren (z.B. "in ein Restaurant gehen") und, sobald sie aktiviert sind, in einer korrekten seriellen Reihenfolge Handlungs-Einheiten auf oberflächlicherer ("shallower") Ebene aktivieren; Dispositionen: Einheiten auf der nächsttieferen Ebene, die eine grosse Zahl von Plänen vergleichen und typischerweise als Motive bezeichnet werden; und zuunterst die "subself units" (S. 201). Jedes Subselbst ist vertikal verbunden mit einem Set von Motiven (Dispositionen). Ein Motiv kann mit mehreren Subselbst verbunden sein. Über die Motive bekommt jedes Subselbst Zugang zu einem Set von Plänen und Handlungen, jedoch hat nicht jedes Subselbst Zugang zu allen Dispositionen, Plänen oder Handlungen. Es scheint keinen Grund zu geben, eine noch tiefere Ebene des Handlungssystems zu postulieren, die ein einheitliches Selbst enthält, das alle Subselbst enthält. Dies widerspricht allerdings nicht einem einheitlichen Selbst-Konzept. Bei Murray oder bei Jung würden die Subselbst als Komplexe bezeichnet. In einem Vergleich mit Jungs Archetypen bezeichnet Martindale (1980) diese als "deeplevel persons-prototypes in semantic memory that are strongly connected to the emotional system" (S. 197). Dies entspricht der Gleichsetzung der Archetypen mit verschiedenen Persönlichkeiten eines an MPS leidenden Menschen, wie dies Noll (1989, 363-365) beschreibt. Das am stärksten aktivierte Subselbst wird jederzeit die Herrschaft übernehmen, d.h. es kontrolliert das Verhalten und hemmt die benachbarten Subselbst. Eine grosse Anzahl von Faktoren entscheiden darüber, welches Subselbst die Regierung übernehmen wird, z.B. die Höhe des Schwellenwertes für die Aktivation und die Menge des Inputs von den anderen kognitiven Einheiten. Kognitive Einheiten könnne sich im allgemeinen adaptieren, oder sie ermüden. Dies scheint auch bei den Subselbst der Fall zu sein. Es gibt eine Reihe von Unterschieden zwischen verschiedenen Menschen, was die Subselbst betrifft, zum Beispiel die Menge und die Arten von Subselbst, die jemand besitzt, und die relative Stärke verschiedener Inputarten der Subselbst. Heute ist bekannt, dass manche Leute über verschiedene Situationen konsistenter sind als andere. Konsistente Menschen haben eher starke Verbindungen vom Selbst-Konzept zu den Subselbst. Inkonsistente Menschen haben eher starke Verbindungen von Situations-Einheiten (Setting und Person) zu den Subselbst. Dissoziation nach Martindale gründet sich also in der Vernetzung von kognitiven Einheiten auf verschiedenen Schichten. Sind die Subselbst, die vertikal mit Dispositionen, Plänen und Handlungen verbunden sind, gegenseitig wenig oder gar nicht verknüpft, so kommt es häufiger zu Dissoziationen. Sind die Subselbst stark miteinander verbunden, 30 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation wird die Wahrnehmung von einem einheitliche Selbst grösser. Vergleichbare Modelle finden sich bei Gazzaniga (1985), Grigsby, Schneiders & Kaye (1991) und Tinnin (1990). 1.6.6 Das BASK-Modell von Bennett Braun Bennet Braun (1988) sieht in der Dissoziation ein starkes Konzept im Hinblick auf menschliche Bewältigungsmechanismen und betrachtet sie auch als einen solchen Mechanismus. Dissoziation kann als ein Extrem auf einem Kontinuum der Bewusstheit ("awarness")8 gesehen werden. Das Kontinuum beginnt mit Bewusstheit, geht über Unterdrückung ("supression"), Verneinung ("denial") und Verdrängung ("repression") bis zur Dissoziation. Braun sieht den Unterschied zwischen Verdrängung und Dissoziation darin, dass die Dissoziation die Verdrängung enthält, aber im Unterschied zur klassischen Definition der Verdrängung eine wichtige neuropsychophysiologische (NPP) Komponente hat. "These dissociations often have similar NPP affective states that allow them to be linked together, permitting the association of facts, the development of congruent, stable memories, ranges of emotion, and response patterns" (S. 5). Es ist dieser Einbezug der Neuropsychophysiologie, der das Konzept von Braun von rein psychologischen unterscheidet. Abbildung 6: Das BASK-Modell der Dissoziation B A S K Quelle: Braun, 1988, S. 11 Legende: B=behavior (Verhalten), A=affect (Gemütszustand), S=sensation (Sinneseimpfindung), K=Konwledge (Wissen) Braun entwickelte sein BASK-Modell zur Konzeptualisierung des komplexen Dissoziationsphänomens. Die Buchstaben stehen für Behavior (Verhalten), Affect (Gemütszustand), Sensation (Sinnesempfindung) und Knowledge (Wissen). Diese Prozesse laufen parallel auf einem Zeitkontinuum (Abbildung 6). Wenn Dissoziation definiert wird als die Trennung von Ideen oder Gedankenprozessen vom Hauptstrom des Bewusstseins, dann kann das BASK-Model dazu benutzt werden, zu 8 Zur Unterscheidung des englischen Begriffes awareness von consciousness wird hier der Begriff Bewusstheit anstelle von Bewusstsein gebraucht. 31 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation zeigen, dass Dissoziationen auf jeder oder auf mehreren Ebenen auftreten können. In diesem Modell wird psychische Gesundheit als die Kongruenz der BASK-Komponenten über die Zeit gesehen. Zur Illustrierung, wie Braun das Modell anwendet wird, werden in Abbildung 7 zwei Formen der psychogenen Amnesie (lokalisierte und generalisierte) dargestellt. Abbildung 7: Zwei Beispiele psychogener Amnesie im BASK-Modell lokalisierte Amnesie B A S K generalisierte Amnesie B A S K Quelle: Braun, 1988, S.15 Legende: B=behavior (Verhalten), A=affect (Gemütszustand), S=sensation (Sinneseimpfindung), K=Konwledge (Wissen) 1.7 Hypnose und Dissoziation Am Anfang war die Hypnose, und seit damals (Mesmer, de Puységur) ist sie umstritten. Noch heute sind sich die Fachleute nicht einig, was genau Hypnose ist. Und seit Charcot und vor allem Janet wird sie immer wieder mit der Dissoziation in Verbindung gebracht. Charcot hielt die Hypnose sogar für das gleiche Phänomen, wie die Hysterie oder die Dissoziation (Burkhard, 1987, 23; Martindale, 1981, 331). Heute sind sich die meisten Forscher auf dem Gebiet einig, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Hypnose und Dissoziation, wie aber diese Beziehung aussieht, blieb bisher unklar. Die einen - unter anderem Spanos (vgl. Spanos, Weekes & Bertrand, 1985) in seiner sozial-psychologischen Theorie - gehen davon aus, dass dissoziative Störungen, allen voran die MPS, durch die Medien oder durch den Therapeuten suggeriert werden; andere setzen die zwei Phänomene Hypnose und Dissoziation beinahe gleich, z.B. können nach Bliss (1980) schwere Hysterien spontane Selbsthypnosen sein). Immer wieder erwähnt wird die hohe Hypnotisierbarkeit von Patienten mit dissoziativen (vgl. Putnam, 1989b, 424) und hysterischen9 Störungen (vgl. Bliss, 1984). So wird in der 9 Dissoziative und hysterische Störungen lassen sich grösstenteils nur durch ihre Bezeichnung und nicht durch ihre Symptome unterscheiden. Im DSM-III-R werden Dissoziationen auch als hysterische Neurosen dissoziativen Typus bezeichnet, neben den hysterischen Neurosen vom Konversionstypus (APA, 1991/1987, 315,329). 32 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation Therapie von dissoziativen Patienten Hypnose als ein wirksames Mittel häufig benutzt (vgl. Bloch, 1991; Putnam, 1989a). Gegen die Idee, Dissoziation entspringe aus der Hypnose bzw. die Fähigkeit zur Dissoziation und zur Hypnose korrelierten miteinander, wehrt sich Frankel (1990). Im Lexikon der Psychologie von Arnold, Eysenck und Meili definiert Furneaux (1988) die Hypnose rein deskribtiv als: "Ein vorübergehender Zustand geänderter Aufmerksamkeit beim Pb, der von einer anderen Person herbeigeführt werden kann und in dessen Verlauf eine Vielzahl von Phänomenen spontan, und auch als Reaktion auf verbale oder andersartige Reize, auftreten können" (S. 927). Kihlstrom & Hoyt (1990) umschreiben Hypnose: "as reflecting a cognitive skill that is possessed by the subject and in which all the action resides. Further, we characterize the hypnotist as a coach or a tutor, whose function is to help subjects to have experiences that they are fully capable of having their own, if only they know how. We also characterize all hypnosis as essentially self-hypnosis [...]" (S. 183). Spiegel (1989) definiert Hypnose folgendermassen: "Hypnosis is a state of aroused, attentive, and focal concentration with a relative suspension of peripheral awareness. It is comprised of three major components: absorption, dissociation, and suggestibility" (S. 211). Die beiden letzten Definitionen lassen sich den zwei bei Furneaux (1988, 934) vorgeschlagenen Gruppen der Hypnosetheorien zuordnen. Kihlstrom & Hoyts (1990) Ansatz gehört zu den "Theorien, die die Phänomene als Reaktionen eines normal funktionierenden Organismus auf ungewöhnliche Bedingungen von Motivation, Aufmerksamkeit, Erwartung und Einstellung sehen; die genannten Bedingungen werden durch die Induktion beeinflusst, sind aber nicht wesentlich von ihr abhängig." Spiegels (1989) Definition gehört zur anderen Gruppe, "die die Phänomene als Folge eines speziellen Zustandes des ZNS erklären, der normalerweise durch Induktion hervorgerufen wird". 33 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation 1.8 Zusammenfassung Dissoziationen sind psychophysiologische Mechanismen, die eine Veränderung des Bewusstseinszustandes einer Person hervorrufen, wobei eine zeitweilige oder dauernde Abspaltung von mentalen Strukturen oder Inhalten erfolgt, die normalerweise verbunden oder assoziert sind (Putnam, 1985; Counts, 1990). Dissoziationen können bei jedem Menschen auftreten und verlaufen auf einem Kontinuum zwischen sogenannten Automatismen und Multipler Persönlichkeitsstörung. Dissoziation ist ein Abwehrmechanismus, der oft im Zusammenhang mit überwältigenden psychischen und/oder physischen Traumata in Erscheinung tritt. Die ersten Berichte von Persönlichkeitsspaltungen finden sich bereits bei den Ägyptern und den Griechen. Das Thema wurde auch immer wieder von Schriftstellern (z.B. Wieland, Novalis, Goethe) aufgegriffen. In der Psychologie tauchte die Dissoziation zuerst im Umfeld von Hypnose- und Hysteriekonzepten um die Jahrhundertwende auf. Als wichtigster Vertreter gilt der Charcot-Schüler Pierre Janet, der in seiner Dissertation L'automatisme psychologique das Konzepte wissenschaftlich behandelte. Als sich Freud, ein Schüler Janets, vom Dissoziationskonzept entfernte, verlor es an Bedeutung. Erst gegen Mitte der 80er Jahre, im Zusammenhang mit Kindsmissbrauch und Hypnose (beides ebenfalls Themen von denen Freud sich distanzierte) erschienen in der Fachliteratur vermehrt Arbeiten über dissoziative Störungen (besonders MPS) und Dissoziationen allgemein. Die Ursachen pathologischer dissoziativer Störungen liegen in einer hypothetisch biologischen Disposition zu dissozieren, wiederholten traumatischen Erlebnissen in der Kindheit, Einflüssen, die verfestigte, dissoziative psychologische Prozesse fördern sowie inadäquater Unterstützung und zu wenig Schutz, um eine normale integrierte Persönlichkeit zu entwickeln (Kluft, 1986). Bei der Klassifikation der dissoziativen Störungen gibt es noch Unklarheiten. Besonders Probleme machen Symptomüberschneidungen mit anderen Störungsbildern. Im DSM-III-R wird psychogene Amnesie beschrieben als eine nicht organisch bedingte, plötzliche Unfähigkeit wichtige persönliche Daten zu erinnern, psychogene Fugue als plötzliches, unerwartetes Weglaufen mit gleichzeitiger Annahme einer neuen Identität ohne sich an die frühere erinnern zu können. In der Multiplen Persönlichkeitsstörung (MPS) existieren in einem Menschen zwei oder mehr Persönlichkeiten oder Persönlichkeitsanteile, wobei mindestens zwei dieser Persönlichkeiten oder Anteile wiederholt die Kontrolle über das Verhalten des Individuums übernehmen. Bei der Depersonalisationsstörung tritt eine Änderung der Selbstwahrnehmung oder des Selbsterlebens ein, indem das übliche Gefühl für die eigene Wirklichkeit zeitweise verloren geht oder sich verändert. Zugleich tritt oft eine merkwürdig veränderte Umgebungswahrnehmung (Derealisation) dazu. Als fünfte Störungsgruppe bezeichnet das 34 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation DSM-III-R Nicht-Näher-Bezeichnete-Dissoziative-Störungen. Das ICD-10 zählt Depersonalisation und Derealisation nicht zu den dissoziativen Störungen. Neben dissoziativer Amnesie und dissoziativer Fugue beschreibt das ICD-10 dissoziativen Stupor, Trance- und Bessessenheitszustände, dissoziative Störungen der Bewegung und der Sinnesempfindungen, sonstige dissoziative Störungen (daruner die MPS) und die nicht näher bezeichnete dissoziative Störung. Im ICD-10 werden als dissoziative Störungen jene Krankheitsbilder beschrieben, die früher unter dem Begriff Hysterie zusammengefasst wurden. Es zählt Störungsbilder zu den dissoziativen, die beim DSM-III-R als somatoforme bezeichnet werden. Die MPS hat im Gegensatz zum DSM-III-R einen geringen Stellenwert. Die Prävalenz dissoziativer Störungen bewegt sich in klinischen Populationen je nach Risikogruppe zwischen 20% und 89%. Die Prävalenz in der Normalbevölkerung und bei StudentInnen unterscheidet sich mit 5-10% wenig vom Vorkommen anderer psychischer Störungen. Unterschiede zwischen Nordamerika und Europa (tiefere Werte) begründen sich wohl am unterschiedlichen Bekanntheitsgrad und einer anderen Wahrnehmung der dissoziativen Phänomene und Symptome. Eine ganze Reihe von Autoren versuchte die Dissoziationen in einen theoretischen Rahmen zu stellen. Pierre Janet (1889) ging davon aus, dass jedem Menschen eine grundlegende psychische Energie, die psychologische Kraft, zur Verfügung steht. Seine Energie in Bewegung setzten bedeutet, die eigene Energie von latenter in manifeste psychische Energie umzuwandeln. Die Kapazität, die eigene psychische Energie zu gebrauchen (Synthese), nennt Janet psychologische Spannung. Je höher die psychologische Spannung, desto mehr Operationen kann jemand durchführen. Eine traumatisierte Person ist nicht in der Lage, sich der momentanen Realität anzupassen. Nach Ansicht Janets entstehen die pathologischen Dissoziationen dann, wenn der Organismus so geschwächt ist, dass das Bewusstsein die Funktionen der Synthese und der Adaptation nicht mehr durchführen kann. Um die vorhandene Stress-Situation zu umgehen, wird ein Teil (Empfindungen, Erinnerungen etc.) vom Bewusstsein abgespalten. Die abgespaltenen Teile oder Inhalte führen als Automatismen (idées fixes) ein rudimentäres Eigenleben und können in das aktuelle Geschehen eingreifen und pathologisch Symptome zur Folge haben. Freud stimmte mit Janet überein, dass die Disposition zur Dissoziation das grundlegende Phänomen ist. Er sah jedoch die Ursache der Abspaltung in einem aktiven dynamischen Prozess der Verdrängung, die in einem Konflikt begründet liegt und nicht in einer Unfähigkeit zur Synthese. Die Komplextheorie von Jung beinhaltet die Idee von Komplexen als abgespaltenen seelischen Persönlichkeitsanteilen, Gruppen vom psychischen Bewusstsein getrennten Inhalten, die jederzeit auf bewusste Leistungen einwirken können. Der Komplex besteht aus 35 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation einem Kernelement, einem Bedeutungsträger und zahlreichen damit verknüpften Assoziationen, die durch eine einheitliche Gefühlstönung gekennzeichnet sind und teils von persönlichen Dispositionen, teils von der Umwelt abhängen. Jung sah zwei Aspekte in der Spaltung (Komplexbildung), die Dissoziation in strukturelle Einheiten und die Möglichkeit zur Änderung und Differenzierung als adaptive Überlebensfunktion der Psyche (Jacobi, 1971). Als hidden observer, versteckten Beobachter, bezeichnet Hilgard (1977) einen unter Hypnose auftretenden, dem Probanden unbewussten Teil seiner selbst, der unkritisch wahrnimmt, was während der Hypnose geschieht. Der hidden observer wurde bei 40% bis 50% in hoch-suggestiven Personen gefunden. Hilgards Dissoziationskonzept unterteilt das Bewusstsein in eine Vielzahl einander überschneidender und üblicherweise hierarchisch geordneter kognitiver Kontrollsysteme. Die (Kontroll-)Subsysteme enthalten unterschiedlich viel und/oder verschiedene Informationen und damit auch verschiedene Aufgaben und Funktionen im Gesamtsystem. Sie sind unter die zentrale Kontrollstruktur, das ausführende Ich untergeordnet, besitzen aber auch eine gewisse Autonomie. Die zentrale Kontrollstruktur hat ausführende und überwachende (Skanning, Selektion, Kritik des Urteilens) Funktionen. Sie kontrolliert aber nicht alle Aktivitäten. Ist eine Aktivität einmal in Gang, kann sie ihren eigenen Antrieb entwickeln und die eigenen Überwachungs- und Kontrollsysteme eines Subsystems übernehmen die Kontrolle. Bei der Hypnose wird ein Teil der Kontrolle durch den Hypnotiseur übernommen oder bei der Selbsthypnose an ein oder mehrere Subsysteme abgegeben. Nach Martindale (1980, 1981) gründet sich Dissoziation in der Vernetzung von kognitiven Einheiten auf verschiedenen Ebenen. Funktionierend wie die Retina, laterale Verbindungen sind hemmend, vertikale aktivierend, bilden 4-6 Schichten eine Einheit, die sich wiederum zu hierarchisch geordneten kortikalen Analysern zusammenfinden. Die Analyser sind gitterartige Netzwerke, die für Wahrnehmung, Wiedererkennung und Verstehen verantwortlich sind. Bewusstsein und Kurzzeitgedächtnis sind ein Set momentan aktiver Einheiten in einem Analyser. Die Aufmerksamkeit liegt auf dem (oder den zwei) am meisten aktivierten bewussten Elementen. Einer der Analyser ist das Handlungssystem, das mentale und motorische Handlungen initiiert. Es besteht aus Handlungseinheiten, die Gewohnheiten kodieren. In tieferen Lagen des Handlungssystems befinden sich Pläne (Verhaltenssequenzen), Dispositionen (Motive) und Subselbst. Das am stärksten aktivierte Subselbst kontrolliert das Verhalten und hemmt die benachbarten Subselbst. Sind die Subselbst gegenseitig wenig oder gar nicht verknüpft, kommt es häufiger zu Dissoziationen. Brauns (1988) BASK-Model (Behavior, Affect, Sensation, Knowledge) der Dissoziation beinhaltet im Unterschied zu rein psychologischen Konzepten neuropsychophysiologische Komponenten. Die vier Prozesse verlaufen parallel auf einer Zeitachse. Dissoziation ist 36 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation die Trennung von Ideen oder Gedankenprozessen vom Hauptstrom des Bewusstseins. Psychische Gesundheit ist die Kongruenz der BASK-Komponenten über die Zeit. Die hohe Hypnotisierbarkeit bei Patienten mit dissoziativen Störungen lässt auf einen Zusammenhang von Hypnose und Dissoziation schliessen, wobei die Art der Beziehung bis heute unklar und umstritten ist. 37 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität 2. Kreativität "Les sujets des mes récits viennent sans que j'y pense. Ils se presentent à moi un à un, comme des chômuers devant leur guichet de timbrage. Parfois hélas je n'ai aucune idée. J'ouvre la fenêtre dans l'espoir qu'un sujet entrera; je scrute sous le lit, au-dessus de l'armoire, pour en dégoter un vieux qui pourrait encore servire. C'est la cale sèche." (Jacques Tornay, En été sur les fleuves, 1994 ) 2.1 Einführung 2.1.1 Geschichte und Entwicklung der Kreativität Bereits die Griechen Platon und Aristoteles beschäftigten sich mit den Leistungen von Künstlern. Platon schrieb die Quelle der Kreativität göttlicher Inspiration zu, wie das später auch im Mittelalter bis zum Ende der Renaissance geglaubt wurde. Aristoteles macht Fähigkeiten zusammen mit der Spontaneität und dem Zufall für die Kreativität verantwortlich. Diese zwei Positionen wechselten sich im Verlaufe der Geschichte gegenseitig ab. Die bürgerlichen Emanzipationsbewegungen, die sich dem aristotelischen Ansatz verschrieben, brachten auch den Begriff des Genies auf. Der Beginn der wissenschaftlichpsychologischen Auseindandersetzung mit der Kreativität wird mit dem Buch Hereditary Genius von Galton (1869) gleichgesetzt. Galton betrachtete den Begriff Genius zum erstmals als beobachtbare und messbare menschliche Eigenschaft (Kuhlmei, 1991, S. 611). Als Auslöser der heutigen Kreativitätsforschung wird meist Guilfords Vortrag von 1950 vor der American Psychological Association betrachtet (Preiser, 1976, 8). Sein Vortrag zusammen mit einer Anzahl anderer Faktoren - dem Ansteigen wissenschaftlicher Erfindungen der Nachkriegszeit, dem Beginn der Weltraumfahrt und des kalten Krieges führten zum Anstieg wissenschaftlicher Arbeiten auf dem Gebiet der Kreativität (Puccio, 1991, 1). "Guilfords Leistung bestand in der Integration verschiedener Ansätze, in der Anregung neuer Richtungen und in der Stimulierung des Interesses für ein bisher vernachlässigtes Gebiet" (Preiser, 1976, 9). Die Entwicklung der Kreativität (Anzahl erwähnter Arbeiten in den Psycholgical Abtracts) seit 1930 wird in der Abbildung 8 dargestellt. Die Angaben von 1930 bis 1989 entstammen der Dissertation von Kuhlmei (1991, 12), die restlichen Werte entsprangen einer eigenen Recherche. 38 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität Abbildung 8: Publikationszahlen in den Psychological Abstracts der American Psychological Association (1989-1994)10 zum Begriff Kreativität ("creativity", "creativity measurement") Absolute Werte Werte in Prozent 250 % 1 200 0.8 150 0.6 100 0.4 50 * 1994 1993 1992 1991 1990 1989 1980 1970 1960 1950 0 1940 1930 0 0.2 ** Legende: * zum Begriff "creativness" (1930); ** inkl. "creativity measurement"; erscheint erst ab 1990 Als Grund für den starken Rückgang der Publikationshäufigkeit seit 1975 sieht Amabile (1983, 25-26; zit. nach Kuhlmei, 1990, 12) die mangelnde Güte und Leistungsfähigkeit der Messverfahren zur Kreativität, das Fehlen einer präzisen einheitlichen Definition der Kreativität und das Fehlen eines die verschiedenen Theorien integrierenden Ansatzes. 2.1.2 Forschungsrichtungen der Kreativität Die Forschungsrichtungen der Kreativtät werden meist den Begriffen Prozess, Person und Produkt (Preiser, 1976) untergeordnet. In neuerer Zeit, da auch den Umweltbedingungen vermehrt Beachtung geschenkt wird, kam ein weiterer dazu: Plätze (Fachbereiche, Kontext; Umwelt, Situation; vgl. Tardif & Sternberg, 1988). Als fünfte Kategorie schlagen Albert & Runco (1990, 261) den Begriff "persuasion" von Simonton (1988, 386; 1990, 98) vor. Prozess. Kreativität geschieht nicht, wie oft angenommen wird, durch eine blitzartige Erleuchtung, sondern braucht Zeit und besteht grösstenteils aus "Transpiration" (harte Arbeit) und nur zu einem kleinen Teil aus "Inspiration" (Preiser, 1976, 42). 10 1930 bis 1980 aus Kuhlmei (1991). 39 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität Preiser (1976) fasste die vielen Phasen des kreativen Prozesses, die in der Literatur im grossen und ganzen übereinstimmend beschrieben werden, in seinem Phasenmodell zusammen. Demnach werden die unten aufgeführten Stadien durchlaufen, wobei Rückkoppelungen und Wiederholungen eher die Regel als die Ausnahme sind. Preiser versteht die Phasen als empirisch replizierbare Konstrukte und nicht unbedingt als reale, vorfindbare Sachverhalte. Preisers (1976, 42-47) Phasenmodell: 1) Person-Umwelt-Interaktion 2) Problemwahrnehmung und -analyse 3) Vorbereitung: Informationssammlung 4) Inkubation/Hypothesenbildung 5) Illumination/Synthese 6) Überprüfung und Ausarbeitung 7) Kommunikation 8) Realisierung Die Punkte 7) und 8) sind nachkreative Phasen, ohne die allerdings eine Idee keine direkte gesellschaftliche Relevanz hat. Tardif und Sternberg (1988) besprechen weitere Komponenten des kreativen Prozesses, die in Sternbergs Sammelwerk The nature of creativity von verschiedenen Autoren genannt wurden. Nicht einig sind sich die Autoren über den Beginn der Kreativität. Die einen sprechen dem Glück und dem Zufall eine grosse Rolle zu, die anderen sehen dahinter eine bewusste Intention. Eine weitere Alternative liegt zwischen diesen beiden Positionen. Eine wichtige Variable ist die Spannung. Mindestens drei Umstände, die wahrscheinlich alle beteiligt sind, können diese verursachen: ein Konflikt zwischen Tradition und neuen Ideen, die Spannung in den Ideen selber und ein Kampf zwischen unorganisiertem Chaos und dem Streben nach höheren Ebenen der Organisation. Weitere Fragen stellen sich nach der Verfügbarkeit und der Zugänglichkeit des kreativen Prozesses: Sind nur spezielle Menschen kreativ, oder handelt es sich um einen jedem denkenden Wesen zugänglichen Prozess? Kann ein kreatives Produkt nur einmal an einem bestimmten Ort zur richtigen Zeit gefunden werden, oder sind manche Ideen vorhersagbar and unvermeidlich? Geschieht Kreativität unbewusst, halbbewusst oder ganz bewusst? Person. Die Beschreibung der kreativen Person fällt in drei generelle Kategorien: 1) kognitive Charakteristiken, 2) Persönlichkeit und Motivation, 3) spezielle Ereignisse oder Erlebnisse während der eigenen Entwicklung. Als allgemeine Charakterzüge werden Bereichspezifität, Gebrauch des vorhandenen Wissens eines Bereichs, um neue Ideen zu kreieren, Gespür für Neuigkeiten und Finden von Lücken im Fachwissen bezeichnet (Tardif & Spielberg, 1988, 434). 40 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität "Kreativität ist kein einheitliches Persönlichkeitsmerkmal. Die kreative Leistung hängt vielmehr von zahlreichen Einflüssen innerhalb und ausserhalb der Person ab (Preiser, 1976, 50). Ausgehend von Guilfords Intelligenz-Struktur-Modell (Guilford, 1967), das intellektuelle Fähigkeiten nach den drei Dimensionen Denkoperationen, Denkinhalten und Denkprodukten klassifiziert, stellt Preiser (1976, 58-66) eine Reihe kreativer Fähigkeiten zusammen, "die sich in verschiedenen Untersuchungen als beobachtbar, praktisch bedeutungsvoll und theoretisch interpretierbar erwiesen haben" (S. 59). Es sind dies: 1) Problemsensitivität 2) Geläufigkeit (Wortflüssigkeit, Assoziationsflüssigkeit, Ideenflüssigkeit, figurale Geläufigkeit, Ausdrucksgeläufigkeit) 3) Flexibilität (spontane, adaptive) 4) Originalität (Messkriterien: Seltenheit, Ausgefallenheit, Qualität) 5) Umstrukturierung 6) Elaboration (semantische, figurale) 7) Penetration 8) Analytische und synthetische Fähigkeiten "Geläufigkeit, Flexibilität, Originalität und Elaboration haben sich in der praktischen Kreativitätsforschung als die wichtigsten Aspekte durchgesetzt" (S. 65). Nicht jeder kreative Mensch besitzt alle nachfolgenden Persönlichkeitsmerkmale in erhöhtem Mass, sondern man muss sicherlich von unterschiedlichen Merkmalskonstellationen oder Typen ausgehen (Preiser, 1976, 67). Preiser (1976) erwähnt: 1) Psychische Gesundheit und Ichstärke 2) Energiepotential 3) Neugier 4) Triebbestimmtheit und kontrollierte Regressionsfähigkeit 5) Konflikt- und Frustrationstoleranz 6) Komplexität 7) Unabhängigkeit Erfahrungen und Erlebnisse während der eigenen Entwicklung - Tardif et al. (1988) sehen darunter z.B. Geschwisterreihenfolge oder den fühen Tod eines Elternteils - fasst Preiser (1976, 72-74) als Einstellungen und Erfahrungen gemeinsam mit kognitiven Stilen und Denk- oder Problemlösestrategien unter eine Kategorie (kognitiver Stil und Problemlösestrategien) zusammen. 41 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität Produkte. Preiser (1976, 35-38) hebt Neuartigkeit (in bestimmten Situationen und in einem sozialen System) und Sinnhaftigkeit (notgedrungen subjektiv bewertet) als notwendige Kriterien der Kreativität hervor. Zusätzlich erwähnt er noch 1) Neuheit, Originalität; 2) Realitätsangepasstheit; 3) Ästhetische Vollkommenheit der Lösung; 4) Hervorbringung neuer Existenzmöglichkeiten für Menschen; und 5) Ausarbeitung, Realisierung und Kommunikation der zugrundeliegenden Idee (Preiser, 1976, zit. nach MacKinnon, 1968). Bei der Bewertung der kreativen Produkte sind wir mit dem Dilemma konfrontiert, "dass die Beurteilung einer kreativen Idee nicht davon abhängt, wie "objektiv gut" diese Idee ist, sondern wie sie bei einem Bewerter aufgenommen wird. Ideen, die nicht von der Umwelt akzeptiert werden, mögen von ihrem Erfinder oder von der Nachwelt als kreativ erlebt werden. Solange sie nicht akzeptiert werden, solange sie nicht als realitätsangepasst, sinnvoll und angemessen bewertet werden, solange sind sie auch nicht angemessen" (Preiser, 1976, 37). Die Inhalte des kreativen Produktes können aus jedem menschlichen Lebensbereich stammen (Preiser, 1976, 38). Plätze. In den Beiträgen zu The nature of creativity (Sternberg, 1988) fanden Tardif & Sternberg drei Möglichkeiten, wie die Kreativität durch die Umgebung (Bereich) via den allgemeinen Beitrag und der dem Individuum zugänglichen Ressourcen beeinflusst werden kann. Es sind dies die speziellen Effekte, die eine Umgebung auf eine bestimmte Domäne hat, die Natur des resultierenden kreativen Ausdrucks und spezifische Charakteristika, die Kreativität entweder hemmen oder fördern. Wohlstand, die Aufmerksamkeit eines Publikums, Erziehungs- und Beschäftigungsgelegenheiten, Hintergrundwissen, Stile und Paradigmen, Ansporn für Einsichten, Rollen, Normen und Vorgänger sowie gute Lehrer wurden als relevante Beiträge für die Kreativität genannt, die in bestimmten Domänen, Individuen und Prozessen gezeigt werden. Zudem enthalten die verschiedenen Bereiche Peers, die die Kreativität in ihrem Bereich untersuchen und bestätigen, während sie weniger kreative Produkte abgrenzen. Genauso kommen aus den Fachbereichen Stimulation und Unter-stützung des kreativen Prozesses, wie Erhaltung und Auswahl von Ideen und Einfluss auf die Motivation der darin tätigen Menschen. Eine wichtige, noch unklare Rolle spielt der soziale und geschichtliche Kontext. Ein weiteres Element der Kreativität, das zur Kategorie Plätze gehört, ist die Kultur. So fordert Csikszentmihàlyi (1990, 200), wollen wir die Kreativität verstehen, müssen wir nicht wie bisher fragen: "Was ist Kreativität?", sondern: "Wo ist Kreativität?" Wie Harrington (1990) fordert er vermehrte Berücksichtigung von Kultureinflüssen auf die Kreativität. Einen entscheidenden Einfluss auf Kreativität haben kulturelle Gegebenheiten, wie Zeit42 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität strömung, Geschmack, Lebensweise etc. Ein Bild von Rembrandt kann heute als sehr kreativ gelten, während es seiner Zeit als nicht kreativ betrachtet wurde (Csikszentmihàlyi, 1990). Die fünfte Kategorie Persuasion (Simonton, 1988, 396; 1990, 98) beruht auf dem Konzept der Kreativität als eine spezielle Form der Führung (Leadership). Nur wer sein Produkt unter die Leute bringen kann, wird andere zur Schlussfolgerung kommen lassen, dass Kreativität stattgefunden hat. Simonton (1990, 98-99) sagt zur Persuasion (Überzeugungskraft): "Creative individuals are those who persuade others of the value of their work. There may be definite mental operations and personality traits involved, and the products through which creators evince their persuasiveness may feature certain distinctive characteristics, yet in the last analysis the attribution of creativity hinges on whether a person has actually influenced others into concluding that creativity has in fact been exhibited." Bei Simonton selber handelt es sich allerdings nicht um eine fünfte Kategorie, sondern um die vierte neben, Prozess, Person und Produkt, also anstelle von Plätze im Sinne von sozialem Verhalten. Die Auseinanderhaltung von Plätze und Persuasion bei Albert und Runco (1990, 261) scheint mir überflüssig, da die Überzeugungskraft und soziales Verhalten allgemein problemlos in die Kategorie Plätze (Umwelt, Kontext) integriert werden kann. 2.1.3 Kreativität und Intelligenz Eine eigentliche Definition von Intelligenz gibt es nicht. Man versteht darunter eine Fähigkeit, d.h. eine Bedingung oder einen Bedingungskomplex bestimmer Leistungen. Welches diese Leistungen sind, ist unklar, üblicherweise werden Denkprobleme dazugerechnet. Von den Leistungen her ist die Definition der Intelligenz als Fähigkeit, Schwierigkeiten in neuen Situationen zu überwinden, am weitesten verbreitet (Meili, 1988, 997). Die Kreativität wird meist in Zusammenhang gebracht mit den Stichworten Neuheit, Angemessenheit (Amabile, 1983, 31; Groeben & Vorderer, 1986, 105; Preiser, 1976, 5-6; Rothenberg, 1986, 80) und Originalität11 (Martindale, 1981, 365). Im Gegensatz zur Angemessenheit, die sowohl bei der Intelligenz, als auch bei der Kreativität notwendig erscheint, sind Neuheit und Originalität Aspekte, die für die Intelligenz von keiner grossen Bedeutung sind (Kuhlmei, 1991, 26). Ein weiterer Unterschied findet sich in der Art der Bearbeitung. Bei kreativen Lösungsversuchen handelt es sich um einen heuristischen Zugang an Probleme (Amabile, 1983, 33-35), das Konzept der Intelligenz wird gewöhnlich mit einem algorithmischen Vorgehen 11 Oft wird Neuheit mit Originalität gleichgesetzt (vgl. Groeben & Vorderer, 1986, 105). 43 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität in Verbindung gebracht (Kuhlmei, 1991, 26). Kuhlmei (1991, 28) beschreibt drei theoretische Positionen des Verhältnisses zwischen Intelligenz und Kreativität. a) Nach der Schwellentheorie korreliert die Kreativität mit der Intelligenz bis zu einer bestimmten Schwelle (IQ=120). Wird diese überschritten, sind die beiden Konzepte unabhängig voneinander. Martindale (1989, 231) vermutet allerdings, dass verschiedene Betätigungsbereiche auch verschiedene Schwellenwerte aufzeigen. Eine Reihe von Studien zu Intelligenz und Kreativität diskutiert Taylor (1975, 21-22). b) Haensley & Reynolds (1989) sehen die Intelligenz als innerste Komponente der Kreativität und die kreativen Leistungen als Ausdruck der äussersten Intelligenz. Landau (1984, 38-39) vertritt die Meinung, dass Kreativität die höchste Stufe der Intelligenz sei. c) Die dritte Position wird z.B. von Hayes (1978) eingenommen, der keine innere Beziehung zwischen Intelligenz und Kreativität annimmt und die Scheinkorrelationen als Ergebnis der kausalen Beziehung zwischen Intelligenz und dem Erreichen einer gegeigneten beruflichen Stellung betrachtet. 2.1.4 Kreativität und Psychopathologie Eine oft gestellte Frage ist die nach dem Zusammenhang von Kreativität und Psychopathologie. Prentky (1989, 244) vertritt die These, dass ein theoretisches Modell zum Verständnis des Kreativitätsprozesses im Bereich kognitiver Theorie (d.h. Art des Informationsprozesses) liegen sollte, und dass eine genetische Disposition für bestimmte psychische Krankheiten mit einem kognitiven Stil verbunden sein könnte, vergleichbar mit dem, der die Kreativität fördert. Er schlägt ein Input-Kontinuum (Informationsprozess) vor, das von extremer Verengung ("constriction") bis zu extremer Ausweitung ("expansion") reicht, mit einer Normalverteilung der Tendenz zum einen oder anderen Extrem in der Bevölkerung. Die Überschneidung zwischen Kreativität und psychischer Krankheit befindet sich irgendwo entlang dieses Kontinuums. Eine extreme Abweichung in einer der Richtungen führt zu Denkstörungen, wogegen eine hypothetisch optimale Abweichung Kreativität fördert ohne Risiko einer ernsthaften psychischen Erkrankung. Weil kreative Menschen weiter entfernt von der hypothetischen Norm leben und sich demzufolge näher am Rande der Abweichung befinden, könnte in dieser Gruppe die psychopathologische Inzidenz grösser sein (Prentky, 1989, 261-262). Zu einer ähnlichen Vermutung wie Prentky (1989) kommt Martindale (1989, 226): "It would seem that the same gene (or genes) may transmit predispostions for a common cog- 44 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität nitive and personalogical configuration12. We might speculate that pre-, peri-, and postnatal environments determine whether this configuration is actualized as creativity, schizotypical personality, or schizophrenia." Rothenberg (1986, 100-101) sieht den kreativen Prozess als Spiegelbild bestimmter psychopathologischer Prozesse13. Die Gemeinsamkeit psychischer Krankheit und Kreativität sei der Faktor des Konflikts, allerdings eine hochkomplexe Beziehung. Seine Forschungsergebnisse, so schreibt Rothenberg, legten nahe, "dass die spezifischen gedanklichen Prozesse, die in die kreative Tätigkeit involviert sind, nicht aus Dysfunktionen oder Krankheitserscheinungen abstammen" (S. 101). Zusammenfassend kann man mit Ulmann (1970, 40, zit. nach Preiser, 1976, 68) sagen, "dass die Kreativität und psychische Erkrankung sich nicht unbedingt ausschliessen; die vermutete gegenseitige Abhängigkeit von Kreativität und Psychose sowie Neurotizismus lassen sich dagegen nicht belegen, vielmehr liegt hier vielleicht eine Missdeutung der bei Kreativen häufig zu beobachtenden kindlichen Naivität, spielerischen Tätigkeit sowie eines vom Normalen abweichenden Verhaltens vor." 12 13 Martindale verweist auf Eysenck (1983) und Jarvik & Chadwick (1973). Ebenso vertritt er die Ansicht, des kreativen Prozesses als ein Spiegelbild des Träumens. 45 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität 2.2 Theorien In der Einführung wurde die Kreativität unter den Aspekten Prozess, Person, Produkt und Platz beschrieben. Nachfolgend werden vier Theorien vorgestellt. Gegliedert nach verschiedenen Theorierichtungen, die sich mit der Kreativität befassen: ein kognitiver Ansatz (Langley & Jones, 1988), ein sozialpsychologischer Ansatz (Amabile, 1983, 1990), ein persönlichkeitstheoretischer Ansatz (Martindale, 1981; 1989) und ein systemischer Ansatz (Csikszentmihàlyi, 1988; 1991). In Tabelle 4 erfolgt der Versuch, die oben gebrauchten Begriffe (Prozess, Person, Produkt, Platz) zur Beschreibung der Kreativität den vier Theorieansätzen zuzuordnen. Dabei handelt es sich keinesfalls um eine eindeutige Zuordnung. An und für sich enthält jede Theorierichtung jede Kategorie, doch steht meist eine der Kategorien im Vordergrund. Tabelle 4: Zuteilung der Kategorien Prozess, Person, Produkt, Platz unter die verschiedenen Theorieansätze Ansatz kognitiv persönlichkeitstheoretisch sozialpsychologisch systemisch Hauptkategorie auch wichtig Prozess Person Person Prozess Produkt Platz Platz Person 2.2.1 Kognitiver Ansatz Langley & Jones (1988, 184) schlagen eine Theorie der wissenschaftliche Einsicht14 ("insight") vor, die sich von anderen dadurch unterscheidet, dass sie die Einsicht als Erinnerungsphänomen ("memory-related phenomenon") betrachtet, das sich um Bezeichungs("indexing") und Wiedergewinnungsmechanismen ("retrieval") zentriert. Eine weitere wichtige Rolle spielt die Analogie. Den sich ereignenden Vorgang betten sie in die vier Phasen Vorbereitung (bei Preiser Phase 3), Inkubation (4), Illumination (5) und Überprüfung (6) ein, wie sie von Hadamard (1947) identifiziert wurden (S. 180). Die Hauptaussage des Modells von Langley et al. (1988, 190) liegt darin, dass Einsicht nicht aus der Suche in einem Problemraum entsteht, sondern als ein Erinnerungsphänomen folgende Elemente enthält: Wiedererkennung, Evaluation (Auswertung) und Elaboration (Ausarbeitung) von Analogien. In der Vorbereitungsphase werden nützliche Strukturen im Gedächnis indexiert, d.h. be- 14 Mit Einsicht ist das Phänomen gemeint, dass auftritt, wenn ein altes Problem plötzlich in einem anderen Licht erscheint (Langley et al., 1988, 179). 46 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität zeichnet (Langley et al., 1988, 191). Der erste Schritt zum Argumentieren mittels Analogien in der Illuminationsphase beinhaltet die Wiedergewinnung einer anvisierten Struktur, die aber bereits im Langzeitgedächnis sein und bezeichnet werden muss. Das wichigste Schema in diesem Modell zur Bezeichnung (Indexierung) für die analoge Wiedergewinnung ist die Verhaltensbeschreibung oder Vorstellung ("envisionment") (S. 194). Dieses Schema wurde von den Autoren der qualitative process theory von Forbus (1984; 1986) entnommen. Es beschreibt physikalische Systeme auf zwei Niveaus: "a theoretical level in terms of process and sturctures and a behavioral level in terms of envisionments" (Langley & Jones, 1988, 192). Abbildung 9: Die qualitative Theoriebildung. Die Repräsentationen (mappings), die von Vs zu Vt begründet liegen, sind auf Ms angewandt und lassen also auf Mt schliessen. Neue Gegenstände und Beziehungen schliessen, aufgrund der Herleitung (derivation) von Ms auf Vs, auf Vt und Mt. VS VT mapping derivation MS MT Quelle: Langley & Jones, 1988, 194 Die qualitative Theoriebildung, wie Langley et al. (1988) den Vorgang nennen, enthält die Konstruktion eines qualitativen Prozessmodels zur Beschreibung eines beobachteten Verhaltens. Aus einem prozessualen Strukturmodell (Ms) für ein bekanntes Phänomen lässt sich eine Vorstellung (Vs) ableiten. Aus einer anderen Verhaltensbeschreibung (Vt), die aus Beobachtungen gewonnen wurde, kann eine Analogie zwischen Vs und Vt hergestellt werden. Hat sich diese Aufzeichnung etabliert, können wir Ms benutzen, um ein analoges prozessuales Strukturmodell Mt zu bilden. Waren wir bei der Analogiebildung vorsichtig genug, dann stellt Mt eine Erklärung für Vt dar, wie Ms die Verhaltensbeobachtung Vs erklärt (vgl. Abbildung 9; Langley et al., 1988, 192-193). Im Gegensatz dazu geschieht in der Inkubationsphase nichts. Erst wenn nach kurzer oder langer Zeit ein Schlüsselereignis auftritt und eine vielversprechende Analogie gefunden wird, erfolgt die Einsicht (S. 190). Langley & Jones (1988) wandten sich gegen ein 47 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität Konzept, das unbewusstes Nachdenken annimmt. Sie ersetzten es durch ihre unbewusst verlaufende, sich ausweitende Aktivation. Der Prozess der analogen Wiedergewinnung findet in der Illuminationsphase statt und wird normalerweise durch ein äusseres Schlüsselereignis ausgelöst. Dafür wird ein Mechanismus benötigt, der sich sehr schnell ereignet und parallel verläuft. Langley et al. (1988, 190) entschieden sich für den Aktivationsausbreitungsprozess ("spreading activation process"), wie er etwa bei Winston (1980) und bei Andersons ACT*-Theorie15 (1976; 1983) gebraucht wird. Langley & Jones (1988, 194), sie orientieren sich an Quillian (1968), sehen das Gedächnis als ein grosses semantisches Netz. In der Aktivationsausbreitung und dem Gedächnis als Netz liegen Berührungspunkte zum Modell von Martindale (1981; 1989; vgl. Kptl. II, 2.2.2). Gelangen neue Symbole ins Kurzzeitgedächnis, breitet sich die Aktivation von diesen Symbolen über das semantische Netz (auch ins Langzeitgedächnis) aus und bringt Teile ins Kurzzeitgedächnis, d.h., sie werden bewusst. Die Aktivation verteilt sich proportional zur Spurstärke, die umso grösser wird, je öfter eine Verbindung aktiviert wird (Langley et al., 1988, 195). Schemas, denen in der Vorbereitungsphase besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde, haben die grössere Spurstärke und werden demzufolge bevorzugt. Die Illumination erfolgt in dem Moment, in dem ein Schema in das Kurzzeitgedächnis tritt und die Analogie zwischen Vs und Vt ersichtlich wird. "Insight occurs at this moment, rather than during the preparation, because activation does not spread away from schemas with high trace strengths; rather, it spreads toward them" (Langley et al., 1988, 195). Bei Martindale (1981; 1989; vgl. Kptl. II, 2.2.2) wird an dieser Stelle die Unterscheidung in Primär- und Sekundärprozesse wichtig. Die Überprüfung beinhaltet das bewusste Testen der Validität der Einsicht. Das erfolgt durch die Überprüfung der Qualität der vorgeschlagenen Analogie und weiter durch einen Elaborationsprozess, der Entscheidung, welche Aspekte der Quelle auf die Zielsituation übertragen werden sollen (Langley et al., 1988, 191). 2.2.2 Persönlichkeitstheoretischer Ansatz Die meisten Kreativitätstheorien sind traditionellerweise Persönlichkeitstheorien, das rührt daher, so Martindale (1989, 211), dass zum Verständnis der Kreativität die ganze Persönlichkeit mit einbezogen werden muss. Der kreative Prozess ist eine Kognition, die sich scheinbar nur in einer Matrix von dazugehörigen Motiven, Einstellungen und Persönlich- 15 Die grundlegenden Annahmen dieser Theorie werden z.B. bei Kuhlmei (1991, 92-96) beschrieben. 48 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität keitszügen zeigt. Daher wird an dieser Stelle eine im Grundsatz kognitve Theorie beschrieben und nicht einen "reine" Persönlichkeitstheorie, wie sie z.B. von Torrance (1962) oder Barron & Welsh (1952) vertreten wird (vgl. auch Kptl. II, 2.1.2, Person). Martindale definiert eine kreative Idee (Produkt) wie folgt: "A creative idea is market by three attributes: It must be orignial and useful or appropriate for the situation in which it occurs, and it must actually be put to some use" (1989, 211). Zentral in Martindales (1981, 1989) Kreativitätsmodell ist das Kombinieren von mentalen Elementen zu einer kreativen (originellen/neuen, angemessenen und brauchbaren) Idee, und die kortikale Erregung ("cortical arousal"). Der kreative Prozess wird beeinflusst von der Persönlichkeit und von situativen Variablen. Die kreative Person ist noch lange nicht mit der Fähigkeit umschrieben, mentale Elemente in einem Zustand primärer Prozesse zu kombinieren; dazu braucht es auch die richtigen Elemente. (Hoch)kreative Menschen zeigen oft ein Desinteresse an irdischen Dingen, die einen wichtigen Platz im Leben gewöhnlicher Leute einnehmen, und vernachlässigen oft sich selbst. Sie zeigen dafür einen grossen Interessensbereich, kategorisieren Ideen auf eine breitere und ideosynkratischere Weise und besitzen mit gewisser Wahrscheinlichkeit eine grössere Abstraktionsfähigkeit. Wie Mackworth (1965) von Martindale (1989) zitiert wird, liegt es nahe, dass Probleme finden genauso kreativ ist wie Probleme lösen. Kreative scheinen eine weniger klare Rollenidentität (weiblich/männlich; vgl. auch Kptl. II, 2.2.7) zu besitzen als unkreative Menschen. Die Enthemmung ("disinhibition") und der Mangel an Kontrolle weisen auf ein schwaches Überich (in der Wortwahl der Psychoanalyse) hin. Eine weitere Erklärung für die unklare Rollenidentität bietet eine Untersuchung von Martindale (1972), in der bei bedeutenden französischen und englischen Dichtern eine Abwesenheit des Vaters von 30% gefunden wurde. Es scheint allerdings vor allem die kognitive und nicht die sexuelle Orientierung ausschlaggebend zu sein (Homosexuelle sind nicht kreativer als Heterosexuelle; vgl. Domino, 1977). Das Alter spielt ebenfalls eine Rolle. Simonton (1984a; 1991) fand einen kurvenlinearen Zusammenhang zwischen Alter und Kreativität. Abhängig von den verschiedenen Bereichen bildet die kreative Produktion einen Verlauf, der rasch zu einem Höhepunkt (in Form einer flachen Kurve) aufsteigt, und bald darauf langsam absinkt und sich dem Nullpunkt asypmtomatisch nähert, indem er eine invertierte rückwärtsgerichtete J-Kurve bildet. Die mittlere Korrelation zwischen vorhergesagten und beobachteten Werten liegt bei .95. Die Beziehung der Kreativität zur Bildung lässt sich mit einer invertierten U-Kurve darstellen, d.h. ein mittlerer Ausbildungsgrad weist auf die höchste Kreativität hin (Martindale, 1989, 221). Als motivationale Aspekte, die bei Kreativen gefunden werden, gelten u.a. 49 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität Selbstvertrauen, Egoismus, Ambivalenz, Neugierde, Enthusiasmus und physische Inaktivität. Wobei Lombroso (1901, zit. nach Martindale, 1989, 222) argumentierte, dass das kreative Genie zwischen Erregung und Inspiration auf der einen Seite und Erschöpfung und Apathie auf der anderen Seite hin- und herwechselt. Martindale spekuliert, dass kreative Leute eine Tendenz haben, in dem Zustand, in dem sie sich gerade befinden, zu verharren; "they either perservere or perseverate" (Martindale, 1989, 223). Weitere motivationale Charkterzüge sind die Bevorzugung komplexer, asymetrischer oder ambivalenter Designs, hoher Drang nach Ordnung, ein gut entwickelter Sinn für Ästhetik, die Fähigkeit in Spannung zu leben oder Unordnung zu tolerieren und intrinsische Motivation (vgl. Amabile, 1983). Diese sich scheinbar widersprechenden Befunde machen einen Sinn, wenn man miteinbezieht, was ein gut entwickelter ästhetischer Sinn bedeutet. Fast alle Ästhetiker stimmen darüber überein, dass Schönheit aufkommt, wenn Einheit und Vielfalt ein Maximum erreichen (Martindale, 1984). Enthemmung (disinhibition in Martindals Ansatz) bei kreativen Menschen führt uns zu einem Punkt, in dem sich Kreativität und Dissoziation treffen. Er verbindet seinen Primärprozess (vgl. Kptl. II, 1.6.5) mit einem Mangel an Hemmung. Dabei handelt es sich um einen allgemeinen Charakterzug, wenn Kreativität mit einer tieferen kortikalen Erregung in Beziehung steht. Mehr zum theoretischen Zusammenhang von Kreativität mit Dissoziation folgt in Kapitel II, 4.1. Weitere positive Einflüsse auf die Kreativität kann das Lernen einer Fremdsprache (vgl. auch Okoh, 1980) und die Offenheit für Erfahrungen haben. Eine Vererbbarkeit von Kreativität kann vermutet werden, doch sind die bisherigen Studien dazu schwach und inkonsistent (Martindale, 1989, 227). Eine kreative Umgebung ist frei von äusserem Druck, warm und unterstützend. In Zeiten politischer Fragmentierung scheinen vermehrt kreative Individuen aufzutauchen (Simonton, 1984b, zit. nach Martindale, 1989, 227). Es scheint, dass jede Kontrolle aus der Umwelt negative Effekte auf die Kreativität ausübt. Positiv dagegen wirken sich Rollen-Modelle aus (Martindale, 1989, 227). Es gibt Hinweise darauf, dass kreative Leute jegliche externen Einflüsse minimieren können. Weiter ist eine sensorische und emotionale Überempfindlichkeit bei kreativen Menschen sehr wahrscheinlich, deren häufigste Konsequenz der (soziale) Rückzug ist, um einer Überstimulation zu entfliehen. Es ist bekannt, dass sensorische Deprivation eine Senkung der kortikalen Erregung und einen Anstieg der Primärprozesse verursacht (Schultz, 1965, zit. nach Martindale, 1989, 227). Martindale (1989, 227) schliesst daher: "Thus, it should faciliate creative inspiration. Altough creative people do not seem generally to have low levels of arousal, their oversensitivity may drive them to withdraw 50 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität or to restrict sensory input. This in turn, would put them in the low-arousal state, necessary for creative inspiration." Kris (1952, zit. nach Martindale, 1989, 216) stellte die Hypothese auf, dass kreative Menschen die grössere Fähigheit besitzten, zwischen Primär- und Sekundärprozessen zu wechseln als unkreative Menschen. Kreative Inspiration beinhaltet eine Regression in einen Primärprozess-Bewusstseinszustand. Weil die Kognition von Primärprozessen assoziativ ist, wird die neue Kombination von mentalen Elementen wahrscheinlicher. Mendelson (1976, zit. nach Martindale, 1989, 216-217) hypothetisierte, die individuelle Differenz, inwieweit die Aufmerksamkeit gerichtet wird, sei der Grund für die Unterschiede in der Kreativität. Martindale (1989) führt aus: "To become aware of a creative idea, one must obviously have the elements to be combined in the focus of attention simultanously" (S. 217). Und er macht darauf aufmerksam, dass kreative Leute nicht nur zu Zuständen ungerichteter Aufmerksamkeit neigen dürfen, sondern in der Elaborationsphase auch zur gerichteten Aufmerksamkeit fähig sein müssen. Mednick (1962, zit. nach Martindale, 1989, 217) geht von der Annahme aus, kreative Menschen hätten flachere Assoziationen (d.h. die Assoziationen hemmen sich gegenseitig weniger) als unkreative Menschen. Seiner Theorie entsprechend ist die Anordnung der Elemente auf assoziativen Hierarchien proportional zu der relativen Stärke (Auftretenswahrscheinlichkeit) der Anworten. Es ist die Steilheit ("steepness") der assoziativen Hierarchien, in der sich die Leute unterscheiden. Das bedeutet, dass bei Menschen mit einer hohen Steilheit die mentale Repräsentation des Stimulus stark an einige wenige andere mentale Repräsentationen gebunden ist, während bei flachen Assoziationshierarchien (bei kreativen Menschen) nähere Assoziationen weniger stark und weiter entfernte stärker (als bei steilen Hierarchien) mit dem Stimulus verbunden sind (Martindale, 1989, 217). Die Theorien von Kris (1952), Mednick (1992) und Mendelson (1976) sind identisch und unterscheiden sich nur in ihrem sehr verschiedenen Vokabular. "The consensus is that mind may be represented as a vast set of nodes and relationships among these nodes. The nodes may be activated to varying degrees. The connections between nodes are either exitatory or inhibitory. [...] Nodes may be identified with neurons or groups of neurons in the neocortex and relationsips with the axonal and dentric connections among these neurons. The nodes may be seen as being partioned into various 'analyzers'" (Martindale, 1989, 217; vgl. auch Kptl. II, 1.6.5). Das Bewusstsein besteht demzufolge aus einem Set mometan aktivierter Knoten ("nodes"). Eine flache Assoziationshierarchie oder eine ungerichtete Aufmerksamkeit entspricht einer relativ grossen Menge in etwa gleichem Ausmass aktivierter Knoten zur selben Zeit. Im Primärprozess-Zustand, der eine flache Assoziationshierarchie und eine 51 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität ungerichtete Aufmerksamheit zur Folge hat, sind mehr Knoten aktiviert als in einem Sekundärprozess-Zustand (steile Assoziationshierarchie, gerichtete Aufmerksamkeit), aber nicht genug, um viel Hemmung hervorzurufen. In einem sekundären Prozess hemmen die wenigen, hoch aktivierten Knoten die anderen Knoten (Martindale, 1989, 218). Kreative Inspiration lässt sich durch das Bemerken einer Analogie zwischen mindestens zwei Dingen darstellen. Je mehr Knoten zur gleichen Zeit aktiviert sind, umso wahrscheinlicher wird eine Inspiration - weil gleichzeitig mehr Verbindungen zwischen Knoten aktiviert werden können - und umso kreativer die Person. Um soviele Knoten als möglich gleichzeitig zu aktivieren ist, eine allumfassend tiefe kortikale Erregung notwendig. Der Grund für einen solchen Zustand (grössere Anzahl als in einem hochaktivierten Zustand aktivierter Knoten in einem ähnlicheren Ausmass) liegt darin, dass der Input vom retikulären Aktivierungssystem die Aktivierung von Knoten eher multiplikativ als additiv beeinflusst. Die höher aktivierten Knoten hemmen die weniger aktivierten. Martindale verweist hier auf sein Werk Cognition and consciousness von 1981, wo er Befunde anführt, die darauf deuten, dass Primärprozesse, flache Assoziationshierarchien und ungerichtete Aufmerksamkeit mit Zuständen schwacher korikaler Aktivation assoziert sind. Trifft das zu, muss Kreativität mit der kortikalen Aktivation in Beziehung stehen. Kreative Menschen sind allerdings nicht andauernd in einem Zustand schwacher physiologischer Erregung; sie zeigen sogar eher höhere basale Erregung bei physiologischen Messungen. Entscheidend ist die kortikale Aktivation während der kreativen Betätigung, vor allem während der Inspirationsphase. Wie Martindale und Mitarbeiter (Martindale & Armstrong, 1974; Martindale & Hines, 1975) zeigten, liegt dies kaum an Unterschieden in der Selbstkontrolle, sondern, wie Martindale vermutet, sind kreative Menschen möglicherweise variabler in ihrem Erregungsniveau als unkreative Menschen; "that is, they may show more extreme fluctuations" (S. 219). 2.2.3 Sozialpsychologischer Ansatz Amabile (1983) entwickelte die Consensual Assessment Technique (CAT) für Kreativität, eine Methode zur Messung der Kreativität mittels Rating. Dieser Methode liegt die folgende allgemeine ("consensual") operationale Definition der Kreativität zugrunde: "A product or response is creative to the extent that appropriate observers independently agree it is creative. Appropriate observers are those familiar with the domain in which the product was created or the response articulated. Thus, creativity can be regarded as the quality of products or responses judged to be creative by appropriate obervers, and it can also be regarded as the process by which something so judged is produced" (Amabile, 1983, 31). 52 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität Die theoretischen Betrachtungen Amabils orientieren sich an einer anderen, der konzeptuellen Definition der Kreativität. "A product or response will be judged as creative to the extent that (a) it is both a novel and appropriate, useful, correct or valuable response to the task at hand, and (b) the task is heuristic rather than algorithmic" (Amabile, 1983, 33). Amabile (1983; 1990) beschreibt eine sozialpsychologische Theorie der Kreativität. Ihr Modell, das Komponentensystem der Kreativität ("componential framework of creativity"), setzt sich aus drei Komponenten (bereichsrelevante Fertigkeiten, kreativitätsrelevante Fertigkeiten, aufgabenbezogene Motivation), die alle notwenig sind, damit es zu Kreativität kommt, und fünf Phasen zusammen (Abbildung 10). Sie charakterisiert das Komponentensystem als "a general model of the process of task engagement" (S. 81), das sowohl kreative und unkreative als auch heuristische und algorithmische Lösungswege beschreibt. Die bereichsrelevanten Fertigkeiten ("domain-relevant skills") enthalten den gesamten Satz Reaktionsmöglichkeiten eines Individuums, aus dem die neue Reaktion ("response") synthetisiert wird, und die Information, gegenüber der die neue Reaktion beurteilt wird. Diese Komponente kann als Set kognitiver Lösungsmöglichkeiten für ein gegebenes Problem oder eine gegebene Aufgabe betrachtet werden. Diese Lösungswege können gut oder schlecht eingeübt, und deren Anzahl klein oder gross sein. Je mehr Möglichkeiten zur Verfügung stehen, umso mehr Alternativen zur Entwicklung einer neuen Ideenkombination sind möglich (Amabile, 1983, 69). Die bereichsspezifischen Fertigkeiten beinhalten: - Wissen über den Bereich - erforderliche technische Fertigkeiten - spezielles bereichrelevantes "Talent". Sie hängen ab von: - angeborenen kognitiven Fähigkeiten - angeborenen Wahrnehmungs- und motorischen Fertigkeiten - formeller und informeller Erziehung/Bildung (Amabile, 1983, 68). Die kreativitätsrelevanten Fertigkeiten ("creativity-relevant skills"), deren individueller Gebrauch das Ausmass bestimmt, mit dem das Produkt oder die Reaktion vorangehende Produkte oder Reaktionen aus dem Bereich übertreffen wird, enthalten das gewisse Extra der kreativen Leistung. Ohne kreativitätsrelevante Fertigkeiten wird auch ein hochmotivierter Mensch mit guten bereichsrelevanten Fertigkeiten keine als kreativ zu bezeichnende Leistungen erbringen (Amabile, 1983, 72). 53 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität Ein wichtiger Teil der kreativitätsrelevanten Fertigkeiten ist das Wissen um Heuristiken. Wie dies die konzeptuelle Definition Amabiles besagt ist ein Produkt kreativer, wenn es mit einer heuristischen Methode gewonnen wurde. Die kreativitätsrelevanten Fertigkeiten beinhalten: - angemessener kognitiver Stil - implizites oder explizites Wissen um Heuristiken zur Generierung neuer Ideen - förderlicher Arbeitsstil. Sie hängen ab von: - Training - Persönlichkeitszügen (Amabile, 1983, 68). Die aufgabenbezogene Motivation ("task motivation") hat die Freiheit von extrinsischen Zwängen zur Grundlage. Unter extrinsischen Zwängen werden Faktoren verstanden, die die individuellen (kreativen) Leistungen kontrollieren wollen oder so wahrgenommen werden. Die aufgabenbezogene Motivation leitet sich in erster Linie aus der intrinsischen Motivation ab. Intrinsische Motivation ist dann vorhanden, wenn sich eine Person in einer Aktivität so stark engagiert, dass sie die Aktivität selbst als Ziel wahrnimmt (Amabile, 1983, 75-76). Die aufgabenbezogene Motivation beinhaltet: - Einstellung gegenüber der Aufgabe - Wahrnehmung der eigenen Motivation, die Aufgabe in Angriff zu nehmen. Sie hängt ab von: - Höhe der intrinsischen Motivation gegenüber der Aufgabe zu Beginn - An- oder Abwesenheit wichtiger extrinsischer Zwänge in der sozialen Umwelt - individuelle Fähigkeit, die extrinsischen Zwänge kognitiv zu minimieren (Amabile, 1983, 68). In Zusammenhang mit der aufgabenbezogenen Motivation steht Amabiles (1983, 91) Hypothese der intrinsischen Motivation: "the intrinsically motivated state is conducive to creativity, wheras the extrinsically motivated state is detrimental." In einem Beitrag von 1988 relativieren Hennessey & Amabile die Aussagekraft dieser Hypothese. Untersuchungen legen nahe, dass sie die Situation nicht richtig beschreibt. Unter gewissen Umständen oder bei gewissen Menschen können sich intrinsische und extrinsische Einflüsse auf additive Weise kombinieren. Eine wichtige Dimension dabei ist das Selbstbewusstsein. Deci & Ryan (1985, zit. nach Hennessey et al., 1988) legten Daten vor, die nahelegen, dass ein starkes und stabiles Selbstbewusstsein von einem starken Selbstgefühl ("sense of self") ausgeht, was motivational gesprochen intrinsischer Motivation und stärker integrierter Internalisation extrinsischer Motivation gleichkommt. 54 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität Simon (1967) postulierte als wichtigste Funktion der Motivation die Aufmerksamkeitskontrolle. So kann der Unterschied zwischen intrinsischer und extrinischer Motivation auch als Unterschied zwischen geteilter und ungeteiler Aufmerksamkeit gesehen werden. Der extreme Zustand ungeteilter Aufmerksamkeit gegenüber einer Aufgabe kann unter hoher intrinsischer Motivation als "a contraction of the perceptual field", oder einer "heightened concentration on the task at hand" (wörtliches Zitat von Csikszentmihàlyi, 1978) gesehen werden (Amabile, 1983, 94-95). Hier gibt es einen Berührungspunkt mit Martindales (1989) Theorieansatz (vgl. Kptl. II, 2.2.2), in den er den Ansatz von Mendelson (1976) mit der focused and defocused attention integriert hat. Das Komponentensystem der Kreativität (Abbildung 10) enthält die fünf Phasen: 1) Problem- oder Aufgabenpräsentation, 2) Vorbereitung, 3) Antwort/Reaktions-Generierung, 4) Antwort/Reaktions-Validierung, 5) Resultat16, die von den drei oben besprochenen Komponenten beeinflusst werden. 16 Die fünf Phasen entsprechen in etwas folgenden Phasen von Preiser (1976): 1c1/2, 2c3, 3c4/5, 4c6, 5c7/8. 55 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität Abbildung 10: Das Komponentensystem der Kreativität nach Amabile (1983, 1990); vereinfachte Darstellung. 1 Problem- od. Aufgabenpräsentation 2 3 4 Vorbereitung Antwort/ ReaktionsGenerierung Antwort/ ReaktionsValidierung aufgabenbezogene Motivation Lernen 5 Resultat Erfolg Ende Misserfolg Ende Fortschritt zurück zu 1 Bereichsrelevante Fähigkeiten Kreativitätsrelevante Fähigkeiten Set-breaking Steigen oder Sinken Quelle: Amabile, 1983, 78 Dünne Linien kennzeichnen den Einfluss einzelner Faktoren auf andere. Die dickeren Linien bezeichnen die Schrittfolge des Prozesses. In der Abbildung werden nur direkte und wichtige Einflüsse dargestellt. 1) Das Problem oder die Präsentation der Aufgabe ist jene Phase, in der die Person durch innere oder äussere Stimuli auf das Problem/die Aufgabe aufmerksam wird. Hier spielt die aufgabenbezogene Motivation eine wichtige Rolle. 2) Die Vorbereitung dient der Suche nach relevanten Informationen und der Aufbereitung alter Informationen und Wissen über Algorithmen. In dieser (unter Umständen) sehr langen Phase wird viel gelernt. Die hier wichtigen Komponenten sind die bereichsrelevanten Fertigkeiten. Sind sie bereits ausreichend vorhanden, kann die Reaktivierung gespeicherter Informationen und Algorithmen fast augenblicklich vor sich gehen. 3) Die Bildung einer Lösung erfolgt in der dritten Phase, in der die Neuigkeit des Produktes oder der Antwort/Reaktion bestimmt wird. Die Person bildet Lösungsmöglichkeiten, indem sie die vorhandenen kognitiven Lösungswege durchgeht und aufgabenrelevante Besonderheiten der Umwelt exploriert. Wichtige Einfüsse kommen von der aufgabenbezogenen Motivation, mehr intrinsische als extrinsische, was zum Spiel mit einer Aufgabe oder einem Problem führen kann, und den kreativitätsrelevanten Fertigkeiten, die die Flexibiltät bestimmen mit denen die kognitiven Lösungswege untersucht werden, die Aufmerksamkeit, die einen Teilbereich des Problems erhält und inwieweit eine bestimmte Lösung verfolgt wird. Die Suche nach Lösungsmöglichkeiten erfolgt heuristisch, das heisst, der Zufall spielt immer ein bisschen mit. 4) Bei der Prüfung der Lösung geht es um die Bestimmung des Ausmasses, in dem die Lösung brauchbar, korrekt oder wertvoll ist. Die bereichsrelevanten Fertigkeiten 56 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität spielen hier eine wichtige Rolle. 5) Das Resultat ist die Folge der Entscheidung, die aufgrund der Phase vier getroffen wird. Wird die Lösung als kreativ betrachtet oder als totaler Misserfolg bewertet, so wird der Prozess beendet; ist ein brauchbarer Teilerfolg erreicht worden, beginnt der Prozess wieder bei der ersten Phase. Die in jedem Falle neu gewonnenen Informationen vergrössern die Menge der bereichsspezifischen Fertigkeiten. Bleibt die aufgabenbezogene Motivation, die durch das Resultat beeinflusst wird, hoch genug, erfolgt ein neuer Versuch, und das Problem wird den gemachten Erfahrungen gemäss von einer etwas anderen Seite angegangen. Je komplexer ein Problem, desto komplexer ist auch die Erzeugung einer kreativen Lösung; dementsprechend wird der Prozess auch mehrmals durchlaufen (Amabile, 1983, 77-81). Weitere Verbindungen bestehen zwischen der aufgabenbezogenen Motivation und den bereichsrelevanten (Lernen) und den kreativitätsrelevanten Fertigkeiten (set-breaking). Das Set-breaking (das Aufbrechen von herkömmlichen Algorithmen, Situationen etc.) steht vermutlich in enger Verbindung mit der intrinsischen Motivation. Amabile (1983) vermutet, dass die Erhöhung der intrinsischen Motivation auch das Aufbrechen von Sets und die kognitiven Risiken steigert. Diese Risikobereitschaft scheint für hohe Kreativität essentiell zu sein. 2.2.4 Systemischer Ansatz "We cannot study creativity by isolating individuals and their works from the social and historical milieu in which their actions are carried out. This because what we call creative is never the result of individual action alone" (Csikszentmihàlyi, 1988, 325). Aus dieser Feststellung entwickelte Csikszentmihàlyi (1988, 1990) sein systemisches Modell der Kreativität ("locus of creativity") mit den drei Subsystemen Feld, Domäne und Person (vgl. Abbildung 11). Das Phänomen der Kreativität ist ein Resultat aus der Interaktion zwischen den drei Subsystemen. Ob etwas kreativ ist oder nicht, wissen wir nur aus dem Vergleich mit anderen Produkten der gleichen Art, meist aber erst nachdem uns von Experten gesagt wurde, was kreativ ist und was nicht. Konsequenz dieser unvermeidbaren Situation ist, dass das soziale Übereinkommen eines der konstitutiven Aspekte der Kreativität ist, ohne die es das Phänomen nicht geben würde (Csikszentmihàlyi, 1988, 326-327). Die Beziehungen des Modells von Csikszentmihàlyi (1988; 1990) sind dynamische Verbindungen einer zirkukären Kausalität. Das heisst, jedes der drei Subsysteme beeinflusst die anderen und wird von den anderen beeinflusst. "One could say that the 57 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität three systems represent three moments of the same creative process" (Csikszentmihàlyi, 1988, 329). Abbildung 11: Der locus of creativity soziales System Kultur FELD (soziale Organisation der Domäne) bewahrt ausgewälte Varianten DOMÄNE (Symbol-System) übermittelt strukturierte Information und Aktion produziert Variation und Veränderung PERSON genetischer Pool und persönliche Erfahrungen Quelle: Csikszentmihàlyi (1988, 329) Im Gegensatz zu Csikszentmihàlyis (1988;1990) Modell nehmen die personzentrierten Ansätze das Individuum als entscheidendes Moment, das die äusseren Einflüsse zur Entwicklung von Kreativität zu Hilfe nehmen. Csikszentmihàlyi (1988, 203) nimmt an, das der kreative Prozess ausserhalb der Person in der Interaktion zwischen den drei Subsystemen stattfindet. Wirkliches Verständnis der Kreativität erfolgt demzufolge nur aus der Untersuchung der Interaktion zwischen den drei Systemen. Der Unterschied zwischen einem personzentrierten und einem systemischen Ansatz ist nicht bloss eine Sache der Semantik oder der Metaphysik. Vielmehr schlagen die zwei Ansätze völlig unterschiedliche testbare Vorhersagen. Wenn die personzentrierten Ansätze der Wahrheit näher sind, dann müssten die Charakteristiken der Individuen über die verschiedenen Domänen, sozialen Kontexte und historischen Perioden für die Vorhersage von Kreativität sowohl notwendig als auch ausreichend sein. Der systemische Ansatz besagt, dass die individuellen Charakteristiken notwendig sein können, um eine Person als kreativ erscheinen zu lassen, aber er postuliert, dass dies nicht a priori gemacht werden kann. Stattdessen verlangt er den Einbezug der Charakteristiken der entsprechenden Domäne und des entsprechenden Feldes (Csikszentmihàlyi, 1990, 205). 58 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität Jedes der drei Subsysteme hat eine bestimmte Funktion zu erfüllen, um zusammen den kreativen Prozess zu ermöglichen. Die Person ist für die Variation in einer Domäne zuständig. Die Charakteristiken, welche kreative Menschen von anderen unterscheiden - Persönlichkeitszüge und Werte, Entdeckungen und das Finden von Problemen, intrinsische Motivation - beeinflussen nur das eine System, die Person. Da sie keinen direkten Einfluss auf die anderen Systeme haben, können sie die Kreativität auch nicht determinieren (Csikszentmihàlyi,. 1990, 202, 205). Das Feld als Teil des sozialen Systems legt die Struktur der Domäne fest. Seine Hauptfunktion besteht darin, die Domäne so zu erhalten, wie sie ist; seine sekundäre Funktion hilft, eine einsichtige Auswahl neuer Inhalte zu entwickeln. Das Feld besteht aus Mitgliedern (Experten), die die Grammatikregeln der Domäne kennen und mehr oder weniger organisiert als Bewahrer der Regeln auftreten. Es ist das Feld, welches entscheidet, was kreativ ist und was nicht (Csikszentmihàlyi, 1990, 201, 206). Die Domäne ist ein symbolisches System innerhalb einer Kultur mit einer Sammlung von Regeln, die ihre Gedanken und Handlungen repräsentieren. Die Funktion einer Domäne besteht darin, vom Feld ausgewählte erwünschte Leistungen zu erhalten und einer neuen Generation in einer leicht verständlichen Form zu übermitteln (Csikszentmihàlyi, 1990, 208). Zeit spielt im kreativen Prozess eine wichtige Rolle. Vor einer zündenden Idee steht meist eine lange Periode Arbeit in der entsprechenden Domäne. Im weiteren braucht eine gute neue Entdeckung auch heute (1988) ein Mittel von 7 Jahren bis zum ersten Erscheinen in den Fachbüchern. Der einzige Weg herauszufinden, ob etwas kreativ ist oder nicht, erfolgt durch Vergleich, Evaluation und Interpretation. Die Richtung der Pfeile in Abbildung 11 bezeichnen eine aufsteigende Spirale, in der jede neue Information zum Input für die nächste Generation wird. Das Modell bezichnet also einen Zyklus im kulturellen Evolutionsprozess. Die Richtung der Pfeile kennzeichnt nur den Haupttrend, es ist zum Beispiel auch möglich, dass ein Feld direkt auf eine Person wirkt und das Hervorbringen eines kreativen Produktes ermöglicht (Csikszentmihàlyi, 1988, 332-333). 2.3 Definition der Kreativität "Kreativität lässt sich nicht scharf und objektiv definieren. Definitionsversuche müssen letzten Endes bei dem empirisch beobachtbaren Produkt ansetzen." Zu diesem Schluss gelangt Preiser (1976, 6-7). Im weiteren muss auf die verwendeten Messverfahren Rücksicht genommen werden. In 59 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität der vorliegenden Arbeit wird dem entsprochen, indem die consensual definition of creativity von Amabile (1983, 31) übernommen wird: "A product or response is creative to the extent that appropriate observers independently agree it is creative. Appropriate observers are those familiar with the domain in which the product was created or the response articulated. Thus, creativity can be regarded as the quality of products or responses judged to be creative by appropriate observers, and it can also be regarded as the process by which something so judged is produced." Eine zweit Definition von Amabile (1983, 33) wird von ihr als konzeptuelle Definition bezeichnet, in der sie sich auf das Produkt als neu, angemessen und heuristisch beruft. Bei Martindale (1989, 211) wird das kreative Produkt als originell, angemessen und brauchbar bezeichnet. Zusammenfassend lässt sich sagen: das kreative Produkt ist neu, originell, angemessen und heuristisch gewonnen. Ein zweiter Aspekt, vertreten durch die Messung der Kreativität mit Hilfe der Kreative Persönlichkeit Skala (KPS) von Gough (1979) aus der Adjective Check List, liegt in der Person, die ein kreatives Produkt hervorbringt. Dem zugrunde liegt die Annahme, dass eine Reihe von Persönlichkeitszügen in vermehrtem Masse bei kreativen Menschen vorhanden sein müssen (Martindale, 1989; Simonton, 1988). Ein letzter Aspekt, für den es in dieser Arbeit keine direkten Vergleichsmöglichkeiten gibt, ist der Einfluss der Umwelt und der Kultur auf die Kreativität, wie er von Csikszentmihàlyi (1988; 1990) in seinem systemischen Modell vertreten wird. 2.4 Verteilung und Vorkommen der Kreativität In einer CD-ROM-Recherche (PsycLit, 1994; Psindex, 1994) fanden sich nur wenige empirische Studien zur Kreativität in der allgemeinen Bevölkerung, bei StudentInnen oder bei KünstlerInnen. Zur Verteilung der Kreativität wurden praktisch keine Studien gemacht. Oft handelt es sich um Arbeiten, die das Konzept Kreativität nur als eines von mehreren miterheben oder ein neues Messinstrument untersuchten. Im folgenden werden die wesentlichen Resultate der gefundenen Studien kurz dargestellt. Etwas genauer wird die Eichstichprobe der CPS (Creative Personality Scale ) von Gough (1979) beschrieben, da es sich um das Original der in dieser Arbeit verwendeten KPS handelt. 2.4.1 Allgemeine Bevölkerung Zur Untersuchung der Reliabilität und Validität der Creative Personality Scale (vgl. Kptl. III, 1.2.3.2; Skalierung: -12 bis 18), einer Subskala der Adjective Check List (ACL), stan- 60 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität den Gough (1979) mehrere Populationen zur Verfügung. Eine Gruppe von 256 Männern17 erreichte einen Durchschnitt von 3.57 (sd 3.99). Abgesehen von einer nicht näher beschriebenen Gruppe mit 35 Partizipanten (M 2.00, sd 3.01) war dies der tiefste Wert. Der Durchschnitt aller Teilnehmer (N=1113), errechnet aus der jeweiligen Probandenzahl N und dem entsprechenden Gruppendurchschnitt M (N1*M1+N2*M2+...), liegt bei 5.01. Dieser Wert entspricht dem Durchschnitt, den Gough (1979) bei 760 college Studenten fand (5.03, sd 4.01). Im Manual der ACL (Gough & Heilbrun, 1983) wurde für die CPS ein Mittelwert über alle männlichen Partizipanten von 4.11 (sd 3.98, N=5236) errechnet. Bei einer weiblichen Population18 (N=126) ergab sich ein CPS-Wert von 4.40 (sd 4.07). Er ist grösser als bei Mathematikerinnen (3.34, sd 4.45) und einer nicht näher beschriebenen Gruppe (0.00, sd 3.25), jedoch tiefer als bei reinen Studententinnenpopulationen. Der Durchschnitt aller, errechnet aus den Angaben einer Tabelle (Gough, 1979), beträgt 4.71 (N=588), der von Gough (1979) für eine weibliche Gruppe angegebene Wert ist 3.97 (sd 4.34, N=1121). Einen vergleichbaren Score findet man im Manual der ACL (Gough & Heilbrun, 1983): 3.55 (sd 4.08, N=4164). Der Unterschied zwischen Frauen und Männern ist nach Gough (1979, S. 1402) signigikant (p<0.01; Männer: 5.01, sd 4.01, N=760; Frauen: 3.97, sd 4.34, N=1121). Das trifft aber nicht für jede einzelne Population zu, und die Männer weisen nicht durchgehend höhere Kreativitätswerte auf. In einer Sammlung von Arbeiten mit dem GIFT (Group Inventory for Finding Creative Talent) von Rimm & Davis (1981) fanden die Autoren signifikante Unterschiede zwischen talentierten und "normalen" Kindern (Kindergarten und Klasse 1-6). Signifikante Unterschiede ergaben sich zwischen australischen Schülern (Klassen 3-6) einer Privatschule (höhere Werte), einer Schule auf dem Land (tiefere Werte; p<0.05) und einer Stadt-Schule (tiefste Werte; p<0.001) sowie zwischen immigrierten Schülern (höhere Werte) und den Schülern der Stadt-Schule (tiefere Werte; p<0.001). Jones, Ellen, Chernovetz & Hansson (1978) hypothetisierten nach einer Theorie von Bem (1974), dass androgyne Menschen kreativer seien als nicht-androgyne. Die Hypothese konnte nur bei Frauen bestätigt werden. Alpaugh, Parham, Cole & Birren (1982) fanden mit einem Uses of Objects Test quantitative und qualitative Unterschiede zugunsten von jüngeren Frauen (20-38 Jahre) im Vergleich zu älteren (60-83 Jahre). 17 100 Air Force Offiziere, 70 Medizinschul-Absolventen, 20 college Studenten im 2. Jahr, 41 Männer einer Studie für "population psychology", 25 Männer einer Studie zu "environmental preferences". 18 20 college Studentinnen (2. Jahr), 41 Frauen einer Studie für "population psychology", 25 Frauen einer Studie zu "environmental preferences", 40 Recht-Studentinnen im 1. Jahr. 61 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität 2.4.2 StudentInnen In der oben bereits aufgeführten Studie von Gough (1979) erreichten graduierte Psychologie-Studenten (5.96, sd 3.86, N=530) und Studentinnen (5.43, sd 3.88, N=335) mit Ausnahme gegenüber Wissenschaftlern (5.98, sd 3.71, N=45) die höchsten Werte auf der CPS. Ebenfalls hohe Werte fanden sich bei College Schülerinnen (5.10, sd 4.24, N=51), deutlich tiefere bei Ingenieur-Studenten (3.88, sd 3.94, N=66). Kalliopuska (1992) legte 20 Studenten eines Einführungskurses in Psychologie den Sauri test on the creative way of living vor. Er korreliert signifikant (p<0.01) mit Spontaneität (r=.56) und Gefühlsreaktivität (r=.44; Sensitivität gegenüber eigenen Bedürfnissen und Gefühlen), nicht signifikant zu positiver Selbstwahrnehmung (r=.43), Selbstakzeptanz (r=.31) und Empathie (r=.43). Kreativere Adoleszente (N=65) mit einem Durchschnittsalter von 19.3 (sd 0.70) mit höheren Werten im How Do You Think Inventory wiesen auf sechs von elf SelbstbildDimensionen ein besseres psychosoziales Funktionieren auf als 69 Adoleszente mit tieferen Kreativitätswerten (Smith & Tegano, 1992). Eine Normalverteilung des kreativen Potentials (Flüssigkeit, Flexibiltität, Originalität) fand Gupta (1988) bei 550 "high school science" Schülern und kommt zum Schluss, dass Kreativität in jedem Kind vorhanden und nicht eine exklusive Eigenschaft von Genies ist. Einer vorwiegend dunkelhäutigen Population von 66 graduierten StudentInnen zwischen 22 und 48 Jahren (Mittelwert: 29.33) wurde von Glover & Sautter (1977) der Torrance Test of Creative Thinking und der Wallach und Kogan Choice Dilemma Questionnaire vorgelegt. Die Autoren fanden ein höheres Risikoverhalten (p<0.01) in den Bereichen Flexibilität und Originalität, ein tieferes im Bereich Elaboration und keines im Bereich Flüssigkeit. Singh & Gupta (1977) kamen in einer Erhebung von 1000 13-18jährigen indischen SchülerInnen zum Schluss, dass es keine oder nur eine geringe Beziehung gibt zwischen Kreativität und traditionellen Werten. Sie vermuten bei kreativen SchülerInnen ein eigenes einzigartiges Wertesystem. 2.4.3 KünstlerInnen In der Gough-Studie von 1979 erreichten 124 Architekten auf dem CPS einen relativ hohen Wert von 5.28 (sd 3.86). Als oft hochkreative Gruppe, jedoch nicht als Künstler, werden Wissenschaftler bezeichnet. Wie oben erwähnt, erreichten Wissenschaftler die durchschnittlich höchsten Werte, weniger hoch lag der Mittelwert von 57 Mathematikern (4.44, sd 4.20) und 41 Mathematikerinnen (3.34, sd 4.45). 62 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität Pufal-Struzik (1992) untersuchte 177 Künstler und 105 Nicht-Künstler verschiedener Altersklassen (20-87 Jahre). Sie fand heraus, dass Ältere eine bessere Selbsteinschätzung haben, die auf Erfahrung und kreativem Output begründet liegt, und dass Künstler selbstzufriedener, unabhängiger und in schwierigen Situationen resistenter sind und stärkere, das Funktionieren nicht störende neurotische Tendenzen aufweisen. Musikstudenten eines Konservatoriums (N=26) und einer Universität (N=37) unterschieden sich wenig voneinander. Die Gesamtpopulation erwies sich signifikant kreativer als Nicht-Kunststudenten, jedoch nicht so hoch kreativ wie Kunststudenten (Alter, 1989). Junge Ballet-TänzerInnen der Finnischen National-Oper (9-17 Jahre) haben in der Tendenz mehr kreative Hobbies, ein grösseres Selbstvertrauen und sind empathischer und sensitiver (besonders Mädchen) als eine Vergleichsgruppe (Baseballspieler, 9-16 Jahre; Kalliopuska, 1989, 1991). Unterschiede in der Kreativität bei den Ballet-TännzerInnen zwischen Knaben (höher) und Mädchen fand Kalliopuska (1989) mit dem Torrance Creativity Test (picture completion) nur im Bereich der Flexibilität. StudentInnen (N=212) verschiedener Kunst- und Tanzrichtungen und einer Gruppe aus einem "general liberal arts lecture course" (N=150) im Alter zwischen 17 und 46 Jahren (Durchschnitt: 23) zeigten keine signifikanten Unterschiede (Kunststudenten vs. nicht Kunststudenten; Tänzer mit verschiedenen Trainingserfahrungen) auf der Barron Welsh Art Scale (Predock-Linnell, 1987). In einer Untersuchung von Patnoe (1985) liessen sich keine Unterschiede in der Kreativität zwischen professionellen Symphonie- (N=30) und Jazzmusikern (N=30) finden, dasselbe Resultat ergab sich bei je 30 studentischen Musikern derselben Sparten. Zur Messung der Kreativität dienten zwei Skalen der ACL (CPS, CCr=Composite Creative Personality Scale). Die Autorin stellt aufgrund dieser Ergebnisse die Generalisierbarkeit der ACL, zumindest dieser zwei Skalen, in Frage. Kerr, Shaffer, Chambers & Hallowell (1991) fanden keinen signifikanten Unterschied im Drogengebrauch unter erfahrenen und nicht-erfahrenen Künstlern (N=61) und im Vergleich zu einer Kontrollgruppe (N=25). Nur unter den Musikern gab es mehr Kokainund gelegentliche Marihuanakonsumenten. Ausserdem glauben die meisten Künstler dieser Erhebung, dass Drogenkonsum die Kreativität behindert und nicht zum Kreativitätsprozess gehört. Trollinger (1981) überprüfte zwei Hypothesen: 1. hochkreative Musikerinnen (N=34) erfahren weniger Angst während eines Auftrittes als wenigkreative (N=40) und 2. hochkreative Musikerinnen tendieren dazu, Bereiche (z.B. Dirigieren und Komponieren), die mit der Rolle als Frau in Konflikt stehen, zu vermeiden. Die Hypothesen konnten beide angenomen werden. In einem späteren Artikel berichtet die Autorin, dass die meisten hochkreativen Musikerinnen konsistent Tätigkeiten wählen, die alleine ausgeführt werden 63 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität (z.B. Lesen), während sich weniger kreative Musikerinnen Aktivitäten zuwenden, die soziale Interaktionen beinhalten (Trollinger, 1983). Bilota & Lindauer (1980) fanden bei Tanz- (N=9) und PsychologiestudentInnen (N=26) höhere Kreativitätswerte (Remote Associative Test) als bei Naturwissenschafts- (N=9) und KunstprofessorInnen (N=7) sowie bei KunststudentInnen (N=14). Kanner (1976) kam nach einer Reanalyse von MacKinnon's (1962) an 124 Architekten gewonnenen Daten zu Resultaten, die nahelegen, dass kreative Architekten keine Differenzen in ihrer maskulinen, jedoch hoch signifikante (p<0.001) in ihrer femininen Tendenz und leicht signifikante (p<0.025) in ihrer Feminität zeigen. Die Daten führen in die selbe Richtung wie die von Jones et al. (1974). 64 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität 2.5 Zusammenfassung Die Ansichten von Platon, die Quelle der Kreativität sei göttliche Inspiration, und von Aristoteles, der Fähigkeiten, Spontaneität und den Zufall für Kreativität verantwortlich machte, wechselte sich im Laufe der Geschichte immer wieder ab. In der bürgerlichen Emanzipationsbewegung wurde der Begriff des Genies gebildet. Als erster, der sich wissenschaftlich-psychologisch mit der Kreativität beschäftigte, gilt Galton (1869), als Auslöser der heutigen Kreativitätsforschung ein Vortrag Guilfords von 1950. Die vier wichtigsten Forschungsrichtungen der Kreativität können unter den Begriffen Prozess (Kreativität vollzieht sich über längere Zeit unter harter Arbeit in mehreren Phasen), Person (kognitive Charakteristiken, Persönlichkeit und Motivation, spezielle Ereignisse und Erlebnisse während der eigenen Entwicklung), Produkt (origniell, angemessen, brauchbar, heuristisch) und Plätze (Umwelt, Umgebung, Vorbilder, Geschichte, Politik, Kultur etc.) zusammengefasst werden. Der Zusammenhang von Kreativität und Intelligenz ist umstritten. Ein häufig beschriebener Ansatz ist die Schwellentheorie, wonach Kreativität mit Intelligenz bis zu einer bestimmten Schwelle (meist IQ=120) korreliert und dann unabhängig wird. Eine Verbindung von Kreativität mit psychischer Krankheit wird oft vermutet, doch kann es sich auch um eine Missdeutung des häufig von Normen abweichenden Verhaltens kreativer Menschen handeln. Langley & Jones (1988) betrachten in ihrer Theorie der wisschenschaftlichen Einsicht die Einsicht als Erinnerungsphänomen, das sich um Bezeichnungs- und Wiedergewinnungsmechanismen zentriert. In der Vorbereitungsphase werden im Gedächtnis Strukturen bezeichnet (indexiert), die im Moment der Illumination mittels Analogiebildung, durch ein Schlüsselereignis ausgelöst, zu einer neuen Einsicht führen. In der Inkubationsphase geschieht nichts. Zentral in Martindales (1981; 1989) Kreativitätsmodell sind die Kombination mentaler Elemente zu einer kreativen Idee und die kortikale Erregung. Der kreative Prozess wird beeinflusst von Persönlichkeitsvariablen (Art des Interesses, unklare Rollenidentität, Alter, Bildung, Motivation) und situativen Variablen (kreative Umgebung, Rollenmodelle, Politik). Martindale zufolge besteht das Bewusstsein aus einem Set momentan aktivierter Knoten. Ist eine relativ grosse Menge Knoten in gleichem Mass aktiviert, befindet sich der Mensch in einem Primärprozesszustand (flache Assoziationshierarchie, ungerichtete Aufmerksamkeit) was eine leichtere Analogiebildung ermöglicht, d.h. die Kreativität wird erhöht . Zum Erreichen dieses Zustandes ist eine allumfassende tiefere kortikale Erregung notwendig. Entscheidend ist die kortikale Aktivation während der kreativen Betätigung, vor allem während der Inspirationsphase. Amabile beschrieb 1983 ihr Komponentenmodell der Kreativität, das sich zusammensetzt aus bereichsrelevanten Fertigkeiten (Set kognitiver Lösungsmöglichkeiten für ein/e gege65 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Kreativität bene/s Problem/Aufgabe), kreativitätsrelevanten Fertigkeiten (Wissen um Heuristiken) und aufgabenbezogene Motivation (Grundlage ist die Freiheit von extrinsischen Zwängen, die intrinsische Motivation). Das Modell verläuft über fünf Phasen (Problem/Aufgabenpräsentation, Vorbereitung, Antwort/Reaktionsgenerierung, Antwort/Reaktionsvalidier– ung, Resultat) und beinhaltet Rückkoppelungsschlaufen. Die Grundlage von Amabiles Forschung liefert die Hypothese der intrinsischen Motivation, wonach intrinsische Motivation die Kreativität fördert und extrinsische sie verhindert. Csikszentmihàlyi (1988; 1990) entwickelte ein systemisches Modell der Kreativität mit drei Subsystemen: das Feld als Teil des sozialen Systems legt die Struktur der Domäne fest und entscheidet, was kreativ ist und was nicht; die Domäne als ein symbolisches System innerhalb der Kultur beinhaltet eine Sammlung von Regeln; die Person ist zuständig für die Variation in einer Domäne. Persönlichkeitszüge und Werte haben direkt nur Einfluss auf das Subsystem Person und können nicht alleine ausschlaggebend für eine kreative Leistung sein. Die Kreativität ist das Resultat aus der Interaktion zwischen den drei Subsystemen. Jedes Subsystem beeinflusst die zwei anderen, es handelt sich um dynamische Verbindungen einer zirkulären Kausalität. Kreativität ist schwer zu definieren. Nach Ansicht von Amabile (1983) und auch Csikszentmihàlyi (1988; 1990) ist das kreativ, was von Experten als solches bezeichnet wird. Ein kreatives Produkt wird bezeichnet als neu/originell, angemessen, brauchbar und heuristisch gewonnen. Eine weitere Sichtweise ist die Annahme der Existenz bestimmter zur Kreativität führender Persönlichkeitsmerkmale. Aus einer Reihe von Studien zur Kreativität in der allgemeinen Bevölkerung, bei StudentInnen und bei KünstlerInnen hier einige wesentliche Resultate: Mit der CPS (Creative Personality Scale) erwiesen sich Männer signifikant kreativer als Frauen, das trifft aber nicht für jede Population zu, und Männer haben nicht durchgehend höhere Kreativitätswerte. PsychologiestudentInnen haben mit Ausnahme gegenüber Wissenschaftlern die höchsten CPS-Werte (KünstlerInnen waren keine in der Studie); auch mit einem Remote Association Test hatten PsychologiestudentInnen die besten Ergebnisse. Kreativität (gemessen bei Psychologiestudenten) korreliert beachtlich mit Spontaneität, Gefühlsreaktivität, positiver Selbstwarhrnehmung, Selbstakzeptanz und Empathie. Androgyne Frauen scheinen kreativer zu sein als nicht androgyne Frauen. Kreative Adoleszente zeigen ein besseres psychosoziales Funktionieren als andere. KünstlerInnen schliessen je nach Testverfahren nicht immer besser ab als Vergleichsgruppen. Künstler erwiesen sich als selbstzufriedener, unabhängiger, in schwierigen Situationen resistenter und zeigen stärkere (nicht störende) neurotische Tendenzen als Nicht-Künstler, und sie konsumieren nicht mehr Drogen als eine Vergleichsgruppe, sondern finden Drogenkonsum für den Kreativitätsprozess hinderlich. 66 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Psychologische Konzepte 3. Psychologische Konzepte im Zusammenhang mit Dissoziation "Schliesslich habe ich gebrüllt. Die Menschen um mich her standen wie vom Schlage gerührt. Der Kakadu klafterte einen Augenblick reglos, dann falteten sich die weissen Flügel, und der Vogel kam im Sturzflug herab und landete auf meinem hingehaltenen Arm. Noch einmal gut gegangen." (Konrad Lorenz, Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen, 1967) Wie in Kptl. 1.5 ausgeführt, haben Menschen mit Schizophrenien (Psychosen), Depressionen und Angststörungen höhere Werte auf dem DES als, gesunde Menschen. Positive Korrelationen zwischen Dissoziation (PAS: Perceptual Alteration Scale) und Depression (BDI; r=.45) sowie Eigenschaftsangst (STAI; r=.52) werden von Sanders (1988) berichtet. Norton, Ross und Novotny (1990) fanden Korrelationen von Dissoziation (DES) mit Depression (r=.55) und Psychotizismus (r=.67; Subskalen der HSCL-90: Hopkins Symptom Checklist von Lipman, Covi & Shapiro, 1979). Martindale (1989) zitiert Publikationen, die bei kreativen Menschen von hohen Psychotizismuswerten auf dem EPI (Eysenck Personality Inventory) und entsprechenden Skalen auf dem MMPI berichten. Maddi & Andrews (1966, zit. nach Martindale, 1981) fanden bei Kreativen höhere Angstwerte. Um allfällige Einflüsse durch diese psychologischen Konstrukte zu kontrollieren, und um die in der Literatur berichteten Zusammenhänge zur Kreativität und vor allem zur Dissoziation zu finden, werden in der vorliegenden Untersuchung entsprechende Messinstrumente verwendet, der P-14, eine Psychotizismus-Skala von Baumann & Dittrich (1975), das BDI, das Beck Depressionsinventar (Beck, Rush, Shaw & Emery (1981/1978), und zur Messung der momentanen und der allgemeinen Ängstlichkeit das STAI von Laux, Glanzmann, Schaffer & Spielberger (1981). Die Instrumente werden an späterer Stelle beschrieben (Kptl. III, 1.2). 3.1 Psychotizismus Zu den zwei Dimensionen Extraversion-Introversion (E) und Neurotizismus (N) von Eysenck existiert eine dritte, die zu den anderen orthogonale Dimension Psychotizimus (P) (Eysenck, 1992, 757). Nach Ansicht von Eysenck (1992) handelt es sich beim Psychotizismus um eine mehr oder weniger normalverteilte Persönlichkeitseigenschaft, die sich auf einem Kontinuum zwischen normal und schizophren erstreckt. Die Daten mit der PSkala ergaben allerdings, so Eysenck & Eysenck (1975, zit. nach Eysenck, 1992) eine 67 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Psychologische Konzepte rechtsschiefe Verteilung19. Baumann & Dittrich (1975) und auch Baumann & Rösler (1981) fanden in ihren Neukonstruktionen einer Psychotizismus-Skala eine linksschiefe Verteilung. Zu den Daten der vorliegenden Untersuchung siehe Kptl. III, 5.3.5 und Anhang 7. Eysenck (1992) versuchte anhand einer Literaturübersicht darzustellen, dass die Psychose ein einheitliches Konzept sei, wozu auch affektive Störungen und Psychophatologie gehörten. Das Kontinuum von normal bis zur Psychose bildet die Grundlage zum Konzept des Psychotizismus. Das Kontinuum verläuft entlang von "altruistic, scolarized, empathic, conventional, conformist" auf der einen und "criminal, impulsive, hostile, aggressive, psychopathic, schizoid, unipolar depressive, affective disorder, schizoaffective, schizophrenic" auf der anderen Seite (einer Abbildung entnommen, S. 758). Die zum Psychotizismus-Faktor höherer Ordnung gehörenden Faktoren sind nach Ansicht von Eysenck (1992, 158): "aggresive, cold, egocentric, impersonal, impulsive, antisocial, unempathic, creative20, tough-minded". Nach dem DSM-IV (APA, 1994) werden zur Schizophrenie (katatoner, desorganisierter, paranoider, undifferenzierter, residualer Typus; dazu wird die jeweilige Chronizität kodiert), Wahnhafte (paranoide) Störungen (Liebeswahn, Grössenwahn, Eifersuchtswahn, Verfolgungswahn, Körperbezogener Wahn, Unbestimmt) und Psychotische Störungen, die Nicht Andernorts Klassifiziert Sind (Kurze Reaktive Psychose, Schizophreniforme Störung, Schizoaffektive Störung, Induzierte Psychotische Störung, Psychotische Störung NNB) gezählt. Im ICD-10 (WHO, 1993/1992) sind Psychosen in der Kategorie Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen dargestellt: Schizophrenie (ebenfalls mit Untertypen und Verlauf kodiert), schizotype Störung, anhaltende wahnhafte Störung, akute vorübergehende psychotische Störung, induzierte wahnhafte Störung, schizoaffektive Störungen, sonstige nichtorganische psychotische Störungen und nicht näher bezeichnete nichtorganische Psychose. Die Inzidenz schizophrener Erkrankungen liegt nach einer Studiensammlung von Häfner (1989, 192) zwischen 0.08 und 0.69 Betroffenen pro 1000 Einwohner. Nach einer restriktiven Schizophreniedefinition (hauptsächlich nach den produktiven Erstrangsymptomen sensu Kurt Schneider) ergibt sich eine Rate von 0.1 pro Tausend (Rey & Thurm, 1990, zit. nach Häfner, 1987). 19 Eysenck (1992) geht wahrscheinlich davon aus, je grösser der Psychotizismus, desto weiter rechts sich die Person auf der Grafik befindet, während Baumann et al. (1973) die Daten auf der Abzisse abtragen mit dem höchsten Wert auf der linken und dem tiefsten Wert auf der rechten Seite! 20 Zum Zusammenhang von Psychotizismus und Kreativität in der vorliegenden Untersuchung siehe Kptl. III, 5.4.6. 68 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Psychologische Konzepte Die Prävalenz der Schizophrenie liegt nach Angaben von Rey et al. (1990) bei 0.2-0.4%, Häfner & Weyerer (1990, 47) geben eine Schwankungsbreite von 0.0-2.7% mit einem Median von 0.6% an. In dieser Literaturübersicht, die sich auf Studien bei Erwachsenen aus Nordamerika und Europa bezieht, finden sich auch Prävalenzangaben über Psychosen (zwischen 0.0-8.3%, Median: 1.6) und affektive Psychosen (0.0-1.9%, Median: 0.3). Das kumulative Erkrankungsrisiko der Schizophrenie für Frauen und Männer ist in etwa gleich gross mit dem Unterschied, dass Männer durchschnittlich rund 10 Jahre früher in Behandlung kommen. Der Beginn liegt bei den meisten Schizophrenien zwischen der Pubertät und dem 30. Lebensjahr. Bei Frauen häufiger sind Spätschizophrenien, die um das 50. Lebensjahr in Erscheinung treten. Die Prognose der Schizophrenien ist je nach Verlauf sehr verschieden (Rey et al., 1990). Es gibt viele Erklärungsmodelle für die Schizophrenie. Eine eindeutige Ursache konnte bisher noch nicht gefunden werden. Rey et al. (1990) führen eine Reihe von Faktoren auf, die einen Einfluss auf schizophrene Störungen haben. Es sind genetische Faktoren, Persönlichkeitsfaktoren, Faktoren aus der life-event-Forschung, biologische21 und physiologische sowie psychologische Faktoren. Ein Art der Erklärungsmodelle sind die Vulnerabilitäts-Modelle (z.B. Zubin & Spring, 1977; Ciompi, 1984), die integrierend verschiedene Faktoren berücksichtigen. "Das Vulnerabilitätskonzept postuliert als zentrale Störung bei der Schizophrenie eine überdauernde, erhöhte Verletzbarkeit, die sich erst unter bestimmten Bedingungen in einer schizophrenen Episode manifestiert. Diese Verletzbarkeit definiert Zubin als Schwellensenkung des Individuums gegenüber sozialen Reizen, wie z.B. Lebensereignissen, die dadurch zu Stressoren werden und über Zwischenschritte psychotisches Geschehen auslösen können (vgl. Olbrich, 1987). Die Vulnerabilität besteht aus angeborenen und erworbenen Anteilen: Die angeborene Vulnerabilität ist genetisch und in der Neurophysiologie des Organismus festgelegt. Durch Traumata, spezifische Erkrankungen, perinatale Komplikationen, ungünstige Familienerfahrungen oder Ereignisse kann eine erworbene Vulnerabilität entstehen" (Rey et al., 1990, 373). Das Kontinuitätsmodell, wie es ähnlich von Eysenck (1992) vertreten wird, würde in Analogie zur geistigen Behinderung bedeuten, dass eine normalverteilte Eigenschaft vorherrscht, die auf der einen extremen Seite die nicht psychische Gesundheit und auf dem anderen Extrem die Schizophrenie mit den Symptomen ersten Ranges nach Kurt Schneider aufweist (Häfner, 1989, 193-194). Bei Eysenck (1992) kämen noch andere psychische Störungen (affektive, psychopathische) dazu. 21 Das bekannteste biologische Modell ist die Dopamin-Hypothese, wonach die Schizophrenie durch eine funktionelle Überaktivität des Neurotransmitters Dopamin an bestimmten Synapsen hervorgerufen wird. 69 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Psychologische Konzepte 3.2 Depression "Global formuliert wird unter Depression als Symptom eine traurige, freudlose oder in anderer Weise lustbetonte emotionale Verstimmung verstanden" (Böschl, 1990, 127). Weitere Symptome treten im kognitiv-motivationalen, dem Verhaltens- und dem somatischen Bereich auf, und bestimmte Depressionen im Zusammenhang mit manischen Störungen. Ein traditioneller Klassifizierungsansatz beruht auf der Dichotomie psychotisch-endogen versus neurotisch-reaktiv, vermehrt zur Beachtung kamen in den letzten Jahren die Trennungen in monopolar-unipolar versus bipolar und primär versus sekundär. Im DSM-IV (APA, 1994) wird kategorisiert nach Bipolaren Störungen (gemischt, manisch, depressiv, Zyklotyme Störung, Bipolare Strörung NNB) und Depressive Störungen (Einzelepisode, rezidivierend, Dystyhme Störung). Das ICD-10 (WHO, 1993/1992) übernimmt im Gegensatz zum ICD-9 (WHO, 1980/1978) eine vergleichbare Unterscheidung in eine bipolare affektive Störung und eine depressive Episode mit jeweils zahlreichen Unterkategorien. Die Dichotomie endogene versus nicht-endogene Depressionen findet sich im RDC (Research Diagnostic Criteria; Spitzer, Endicott & Robins, 1978). Zur Inzidenz der Depressionen zitieren Hautzinger & de Jong-Meyer (1990, 131-132) Werte von 0.27% bis 2.7% bei enger Definition der Fälle und 5.98% bis 12.6% unter Einbezug von milderen depressiven Syndromen. Die auf einen Monat bezogene Punktprävalenz liegt bei 2.3% bis 3.2% bei Männern und 4.5% bis 9.3% bei Frauen. Endogene Depressionen treten häufiger auf als nicht endogene, und Major Depressive Episoden und Dysthymien haben im Vergleich zu manisch-depressiven Episode grössere Anteile innerhalb der Bevölkerung. Das Morbiditätsrisiko wird auf 12% für Männer und 26% für Frauen geschätzt. Das doppelt so hohe Erkrankungsrisiko der Frauen wird dahingehend erklärt, dass es bei der Erstmanifestation keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt, jedoch bei den Frauen die Rückfallrate höher liegt. Der Median des Ersterkrankungsalters befindet sich bei bipolaren Depressionen zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, bei zweigipfligen Befunden erneut zwischen dem 40. und 50. und bei unipolaren Erkrankungen zwischen dem 30. und dem 40. Lebensjahr. Die Phasendauer wird auf 4 (bipolare Episoden) bis 5 (unipolare Episoden) Monate geschätzt. Die Zykluslängen finden sich im Median bei 2-3 Jahren (bipolar) und 4.5-5 Jahren (unipolar), mit zunehmendem Alter werden die Zykluslängen und damit die Beschwerdefreiheit kürzer. Eine Chronifizierung der Erkrankung mit einer Minimaldauer der Beschwerden von 2 Jahren) tritt bei 10-20% der Betroffenen ein (uni- und bipolar). Um einiges höher als in der Normalbevölkerung wird die Selbstmordrate auf 15% geschätzt (Hautzinger et al., 1990, 132-135). Erklärungsmodelle zur Depression können in psychologische und biologische unterteilt 70 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Psychologische Konzepte werden. Das treffendste wird wohl aus einem Mittelweg bestehen, wie ihn beispielsweise Akiskal & McKinney (1975) in ihrem integrativen "Final-Common-Pathway-Model" vorschlagen, in dem, nach einer Erweiterung von de Jong (1987) die folgenden Bereiche einen Einfluss auf die Entstehung einer primären Depression haben: Stressoren für die physiologische Regulation, genetische Prädispositionen, Stressoren im psychosozialen Bereich, entwicklungsgeschichtliche Persönlichkeits-Prädispositionen, soziologische Prädispositionen, intrapersonale Risikoprädispositionen und biochemische intermediierende Systeme, die zu einer Regulationsstörung in den diecephalen Mechanismen der Verstärkung und zur Depression führen. Zu den psychologischen Modellen fanden nach Hautzinger et al. (1990) vor allem die Theorien von Seligman, Beck und Lewinsohn Beachtung. Seligman (1979/1975) entwickelte, ausgehend von Experimenten mit Hunden, die Theorie der erlernten Hilflosigkeit. Nach Seligman (1979/1975) ensteht die Hilflosigkeit dann, wenn ein Organismus keine Kontrolle über den Ausgang eines Ereignisses hat. Ein Vergleich der erlernten Hilflosigkeit mit der reaktiven Depression führte zu sechs Eigenarten der Depression: mangelnde Motivation zu willentlichen Reaktionen, negative kognitive Denkstruktur, Zeitverlauf, mangelnde Aggressivität, Libido- und Appetitverlust, Noradrenalin-Mangel und cholinerge Dominanz. Später wurde die Theorie dahingehend revidiert, den funktionalen Stellenwert des Kontrollverlustes zu reduzieren und ein Attributionskonzept hinzuzufügen (Abramson, Seligman, Teasdale, 1978). Erlebt ein Individuum immer wieder Nichtkontrollierbarkeit, führt das zu einer internalen, stabilen, globalen Attribution des Misserfolges, das Individuum wird in Zukunft auch dort keine Kontrolle erwarten, wo sie vorhanden wäre, und die Depression drückt sich in ihren motivationalen, kognitiven, emotionalen und vegetativen Effekten aus. Beck (Beck, Rush, Shaw & Emery, 1981/1979) sieht in der Depression primär eine kognitive Störung. Zur Erklärung des depressiven Verhaltens benützt er drei Konzepte: die kognitive Triade, die Schemata und die kognitiven Fehler. Die kognitive Triade setzt sich zusammen aus drei Komponenten - einer negativen Sicht der eigenen Person, der Welt und der Zukunft - die zu einer idiosynkratischen Wahrnehmung führen. "Das Schema ist die Grundlage für die Umwandlung von erlebten Tatsachen in Kognitionen (definiert als jede Vorstellung mit verbalem oder bildhaftem Inhalt). [... Der Mensch] kategorisiert und bewertet seine Erfahrungen mit Hilfe einer Matrix von Schemata" (S. 43). Die Schemata sind situationsunabhängig und werden ja nach Reiz aktiviert. Die aktivierten Schemata haben einen Einfluss auf das Verhalten einer Person. 71 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Psychologische Konzepte Bei einer Depression werden idiosynkratische, realitätsfremde Schemata gebildet und aktiviert, was zu einer verzerrten Realitätswahrnehmung führt. Diese idiosynkratischen Schemata können mit der Zeit immer mehr, bis zur teilweisen Autonomie einzelner Schemata, aktiviert werden. Dazu kommen die systematischen Denkfehler, die die negative Sichtweise des Depressiven trotz aller Gegenbeweise aufrechterhalten. Es sind dies: willkürliche Schlussfolgerungen, selektive Verallgemeinerung, Übergeneralisation, Maximierung und Minimierung, Personalisierung und verabsolutiertes, dichotomes Denken. Lewinsohns (1974) Depressionsmodell kommt aus der operanten Lerntheorie. Seine Grundannahmen sind die folgenden: "Eine geringe Rate verhaltenskontingenter Verstärkung wirkt auslösend für depressives Verhalten [...]. Die Menge an positiver Verstärkung hängt von drei Einflussgrössen ab": die Anzahl der potentiellen Verstärker, die Anzahl der verfügbaren bzw. erreichbaren Verstärker und das instrumentelle Verhaltensrepertoire einer Person, das Verstärkungen ermöglicht. Neu- und Weiterentwicklungen stammen von Kanfer & Hagermann (1981), Lewinsohn, Hoberman & Hautzinger (1985) und Steinmeyer (1988). Sie beinhalten neue wichtige Funktionen wie dispositionelle Faktoren, elaborierte innerpsychische Mechanismen, verändertes unmittelbares Erleben und Erinnern nach aversiven Erfahrungen als auch soziale und instrumentelle protektive Faktoren (Hautzinger et al., 1990, 141-143). Unter den biologischen Faktoren werden neben den genetischen Erklärungsmodellen, die sich vor allem auf Familien-, Zwielings- und Adoptionsstudien stützen und eine genetische Komponente nahelegen, biochemische Hypothesen verstanden (Hautzinger et al., 1990, 144): - Die Katecholaminhypothese besagt, "dass eine Depression das Resultat eines funktionalen Defizits des Neurotransmitters Norepinephrin an kritischen Stellen zentralnervöser Reizübertragung ist" (S. 145). - Nach der Serotoninhypothese liegt bei Depressiven eine erniedrigte Serotonin-Konzentration vor. - Bei der adrenergen-cholinergen Ungleichgewichtshypothese wird eine Verschiebung des Gleichgewichtes des adrenergen und des cholinergen Neurotransmittersystems zugunsten des adrenergen bei Depressionen und zugunsten des cholinergen bei Manien vermutet. Für keine dieser Hypothesen gibt es bis heute sichere Beweise, genausowenig wie für präoder postsynaptische Rezeptorveränderungen. Neuroendokrinologische Systeme, die in der Depressionsforschung untersucht werden, 72 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Psychologische Konzepte sind vor allem die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse und die Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-Achse (Hautzinger et al., 1990). 3.3 Angst und Ängstlichkeit "Angst ist eine kognitive, emotionale und körperliche Reaktion auf eine Gefahrensituation bzw. auf die Erwartung einer Gefahren- oder Bedrohungssituation. Als kognitive Merkmale sind subjektive Bewertungsprozesse und auf die eigene Person bezogene Gedanken anzuführen.... Emotionales Merkmal ist die als unangenehm erlebte Erregung, die sich auch in physiologischen Veränderungen manifestieren und mit Verhaltensänderungen einhergehen kann" (Hackfort & Schwenkmezger, 1985 zit. nach Sörensen, 1992). Das DSM-IV (APA, 1994) kategorisiert folgende Angststörungen: Panikstörung mit oder ohne Agoraphobie, Agoraphobie (ohne Panikstörung), soziale Phobie, einfache Phobie, Zwangsstörung, Posttraumatische Belastungsstörung, generalisierte Angststörung und Angststtörung NNB. Im ICD-10 (WHO, 1993/1992) sind die Angststörungen unter der Kategorie Neurotische-, Belastungs- und somatoforme Störungen zu finden. Die Aufteilung erfolgt in phobische Störungen (u.a. Agoraphobie, soziale Phobie, spezifische (isolierte Phobien), sonstige Angsstörungen (u.a. Panikstörung, generalisierte Angststörung), Zwangsstörung, Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (u.a. posttraumatische Belastungsstörung). Zur selben Kategorie zählen die dissoziativen, die somatoformen und die sonstigen neurotischen Störungen. Die Tabelle 5 fasst die Angaben aus Reinecker (1990a, soziale und spezifische Phobien; 1990b, Zwangshandlungen und Zwangsgedanken) und Ehlers & Margraf (1990, Agoraphobien und Panikanfälle) zu den häufigsten Angststörungen in bezug auf Prävalenz, Inzidenz, Geschlechtsverteilung, Beginn und Verlauf zusammen. Die Zahlen beziehen sich ausschliesslich auf die westliche Welt. 73 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Psychologische Konzepte Tabelle 5: Prävalenz, Inzidenz, Geschlechtsverteilung, Beginn und Verlauf bei Angststörungen Prävalenz (6 Mte., in %) Prävalenz (Leben, in % ) Inzidenz (jährliche) Geschlecht (w:m) Beginn (Jahre) soziale Phobie spezifische Phobie Agoraphobie Panikanfall Zwänge 1.2 - 2.2 2.7 - 5.8 4.5 - 11.8 3.4 - 9 2.5 2-3:1 16-40 Ds 28 0.05* 0.6 - 1.1 1.4 - 2.4 0.2 2:1 16-40 Ds 28 6:4 9:1 1:1 Ds 18.9 24 23.1 (knapp nach (sehr grosse (Anfang 20) Pubertät) Schwankungen) Verlauf unbehandelt uneinheitlich langfristig langfristig meist chroungünstig ungünstig nisch und lebenslang Legende: Ds: Durchschnitt; m=Männer; w=Frauen; *=weitgehend übereinstimmnede Angaben bei der westlichen Bevölkerung Die folgenden Erklärungsmodelle beziehen sich in erster Linie auf Angst und Ängstlichkeit im allgemeinen und nicht speziell auf einzelne Störungsbilder. Dem STAI (Stait-Trait-Anxiety-Inventory) von Spielberger (1983) liegt sein Trait-State-Angstmodell zugrunde (Spielberger, 1972, 1985). Laux und Glanzmann (1993), an die sich der Verfasser bei der Beschreibung dieses Modelles hält, geben an, dass die Beziehung zwischen Angst als Zustand und Angst als Eigenschaft unter Berücksichtigung von Situationseinflüssen und intrapsychischen Prozessen zu sehen ist. Zustandsangst wird beschrieben als ein "bewusst wahrgenommene[r] emotionale[r] Zustand, der gekennzeichnet ist durch Anspannung, Nervösität, innere Unruhe und Besorgtheit sowie durch eine erhöhte Aktivität des autonomen Nervensystems" (S. 3), und deren Intensität sich über Zeit und Situationen ändert. Angst als Eigenschaft (Ängstlichkeit) bezieht sich "auf relativ stabile interindividuelle Differenzen in der Neigung, Situationen als bedrohlich zu bewerten und hierauf mit einem Anstieg der Zustandsangst zu reagieren" (S. 3). Die interindividuellen Unterschiede zeigen sich in Häufigkeit und Intensität der Reaktionen. Demzufolge bewerten Hochängstliche mehr Situationen als bedrohlich und reagieren mit höherer Zustandsangst als Niedrigängstliche. Erweiterungen zu diesem Modell, das in seiner nicht erweiterten Form den heutigen Erkenntnissen in der Angstforschung nicht mehr gerecht wird, betreffen vor allem die Einflussgrössen beim Einschätzen einer Situation als bedrohlich, die eindimensional konzipierten Konzepte der Zustandsangst und der Ängstlichkeit sowie den Prozess der Angstbewältigung (Laux et al., 1993). Der Bewältigungsaspekt führt uns zu einer weitern Angsttheorie, dem kognitiv-emotionalen Prozessmodell von Lazarus. Das kognitiv-emotionale Prozessmodell von Lazarus (1966; Lazarus & Averill, 1972; Lazarus, Averill & Opton, 1973) sieht in der Angst einen Begleitzustand zu Stress ("Psychological stress is a particular relaitionship between the person and the environment 74 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Psychologische Konzepte that is appraised by the person as taxing or exceeding his or her well-being." Lazarus & Folkman, 1984, 19, zit. nach Sörensen, 1992). Eine Zusammenfassung der Theorie von Lazarus findet sich in Sörensen (1992). Die Bewertung einer mehrdeutigen Situation wird als gefährlich betrachtet und ist damit angstauslösend. Angst als Syndrom besteht aus kognitiven und physiologischen Reaktionskomponenten, Körperausdruck und Bewältigungsverhalten, durch die die Angst bestimmt (nicht bewirkt) wird. Auslöser des Angstzustandes sind Bewertungsvorgänge (Mediationsvorgänge) zwischen Person und Umwelt (bzw. Situation und emotionaler Reaktion). Es sind dies: primary appraisal, secondary appraisal und reappraisal. Der Bewertungsprozess wird durch die Aktivierung antezedenter Bedingungen (Situationvariablen, Persönlichkeitsvariablen) ausgelöst. Im primary appraisal wird die Sitaution auf eine mögliche Bedrohung eingeschäzt. Das Resultat kann a) irrelavant, b) günstig oder c) stressinduzierend sein. Das secondary appraisal dient dazu, die der Person zur Verfügung stehenden Bewältigungsmassnahmen einzuschätzen. Hier erst tritt die Angst auf, wenn das Ereignis als relevant beurteilt wird und keine oder nur ungenügende (subjektive) Bewältigungskomptenz vorhanden ist. Das reappraisal wird als eine Neubewertung der Situation bezeichnet und tritt auf, wenn Umweltveränderungen oder Bewältigungsversuche vorangingen, die eventuell zu einer Änderung führten. Wird eine Situation als bedrohlich bewertet, führt dies zu Bewältigungsverhalten (coping). Lazarus unterscheidet zwischen instrumentellem ("problem-focusd") und palliativem ("emotionfocused") Coping. Kritisiert werden kann dieses Modell - als Angstmodell - darin, dass die Angst nur als Begleitemotion betrachtet wird und damit eine eher geringe Bedeutung erhält (Sörensen, 1992). Sörensen (1992) diskutiert weitere Modelle zur Erklärung von Angst: z.B. die Signaltheorie der Angst nach Freud (1948/1926), die besagt, dass Angst als Signal oder als Warnung vor einer vorweggenommenen Gefahr verstanden werden kann; Mowrers (1939) 2-Phasen-Lerntheorie, wonach die Angst in der ersten Phase durch klassische Konditionierung gelernt und in der zweiten durch instrumentelle Konditionierung stabilisiert wird; und die Arousal-Bewertungstheorie von Schachter & Singer (1962) in der angenommen wird, dass eine unspezifische physiologische Erregung durch kognitive Bewertung und Interpretation als Angst erkannt wird. Laux & Glanzmann (1993) besprechen die Sprachstilhypothese von Lazarus-Mainka (1985), in der Unterschiede im subjektiv-verbalen Zustandsangstniveau bei Hoch- und Niedrigängstlichen auf den Sprachstil bzw. auf differentielle kognitive Strukturen zurückgeführt werden; das Konzept der negativen Affektivität nach Watson & Clark (1984), womit eine Reihe von Persönlichkeitsmerkmalen gemeint sind, deren Indikatoren hoch miteinander korrelieren; differentielle Stressanfälligkeit (Saltz, 1970), die Hochängstlichen 75 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Psychologische Konzepte eine Anfälligkeit ich-involvierenden Stressoren gegenüber und Niedrigängstlichen einer physischen Gefährdung gegenüber zuschreibt; und Ängstlichkeit als Bewältigungsdisposition (z.B. Krohne, 1993), in deren Zusammenhang die Konstrukte des Sensitizers und des Repressers angesiedelt sind. Eine biologische Angsttheorie ist die von Gray (1982), der von drei primären Emotionssystemen ausgeht. Neben dem Annäherungssystem und dem Kampf-Flucht-System gibt es das Verhaltenshemmsystem das durch konditionierte Strafreize, durch neue Reize und durch angeborene Furchtreize aktiviert wird. Gehemmt werden kann das System durch Anxiolytika und Alkohol, allerdings nur in passiven Vermeidungssituationen (z.B. Phobien) und nicht dauerhaft (Birbaumer & Schmidt, 1991, 594-598). 76 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation und Kreativität 4. Dissoziation und Kreativität "Mit jedem Tag und von beiden Seiten meiner Geistigkeit, der moralischen und der intellektuellen, näherte ich mich so ständig jener Wahrheit, durch deren teilweise Entdeckung ich zu einem so fürchterlichen Schiffbruch verdammt worden bin: dass der Mensch in Wahrheit nicht eins, sondern wahrlich zwei ist. Ich sage zwei, weil der Status meiner eigenen Erkenntnis nicht über diesen Punkt hinausgeht. Andere werden folgen, andere werden mich auf dieser gleichen Linie übeflügeln. Ja, ich wage anzunehmen, dass die Menschheit sich schliesslich bewusst werden wird eines ganzen Gemeinwesens vielfältiger, inkongruenter und unabhängiger Existenzen." (Robert Louis Stevenson, Dr. Jekyll und Mr. Hyde, 1972) Im diesem letzten Kapitel des theoretischen Teiles gilt es, die zwei Konzepte Dissoziation und Kreativität einerseits theoretisch zusammenzuführen, d.h. Verbindungen, die in der Literatur gemacht wurden, aufzuzeigen, und andererseits Studien mit ähnlichen Zielen und Fragestellungen, wie sie hier verfolgt werden, zusammenfassend darzustellen. 4.1 Theoretische Zusammenführung "Creative inspiration seems to occur in an altered state of consciousness" (Martindale, 1989, S. 215). Der Bewusstseinszustand, innerhalb dessen die Inspiration erfolgt, steht auf der Stufe des Primärprozess-Denkens, d.h. es ist ein Zustand kortikal schwacher Aktivation, das mit flachen Assoziationshierarchien und ungelenkter Aufmerksamkeit einhergeht. Solchen Bewusstseinszuständen liegt eine Enthemmung zugrunde (siehe Kptl. II, 2.2.2; Martindale, 1989). Martindale fasste 1989 zusammen, was er 1980 und 1981 spekulativ feststellte: Kreative Menschen scheinen mehr "Subselves" zu haben als unkreative Menschen, und Dissoziationen erwachsen aus der Enthemmung, die in Primärprozess-Zuständen vorherrscht. Es gibt mehrere Erklärungen dafür: a) Kreative Menschen sind in ihren Charakterzügen nicht besonders konstant. Dabei handelt es sich nicht um eine einfache Desorganisation sondern um Unterschiede zwischen organisierten, aber ungleichen Subpersönlichkeiten; b) Von kreativen Menschen (im besonderen von SchriftstellerInnen) wird oft beschrieben, wie ihnen ein Text oder eine Erfindung etc. (von innen her oder von kleinen Männchen) diktiert wurde. Über Schriftsteller, die ihre Texte von innen diktiert bekommen oder deren Charakteren den Verlauf der Handlung übernehmen, brichten z.B. auch Spiegel (1990, 125) und Hilgard (1977, 195f). Kris (1952) vermutet, dass kreative Menschen besser zwischen Primärprozess- und 77 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation und Kreativität Sekundärprozess-Zuständen wechseln können als unkreative, wobei es sich dabei nach Fromm (1978) nicht um entgegengesetzte Pole handelt, sondern um die zwei Hauptdimensionen eines Kontinuums, worauf sich das Bewusstsein bewegt (zit. nach Martindale, 1989). Im Zusammenhang mit gut-funktionierenden Multiplen Persönlichkeiten (Multiple, die ein 'normales', gesundes Leben führen) spricht Richards (1990, 64) von einer Kooperation zwischen den Persönlichkeiten, was der Gesamtperson erlaubt, produktiver und kreativer zu sein, indem sie Aufgaben an ihre Persönlichkeiten delegiert. Preiser (1976, 49) fasst seine Erkenntnisse über die Illuminationsphase mit folgenden Punkten zusammen: "1. Ideenfluss, auf den Träger einstürzend; 2. Imagination, Vorherrschen von anschaulichen Bildern gegenüber formal-begrifflichen Denkformen; 3. emotionale Erregungen, die mit der Problemlösung auch eine emotionale Lösung bringen [...]; 4. Gefühl des Unbeteiligtseins, der Passivität, der Ichferne bei dem Zustandekommen des Einfalls; 5. Inspirationserlebnis, das Gefühl einer von aussen kommenden Eingebung; 6. Neuheitserlebnis, das Gefühl einer Neuschöpfung, des revolutionären 'Noch-nie-Dagewesenen'." Praktisch alle 6 Punkte finden sich in Primärprozess-Zuständen bzw./oder lassen sich mit dissoziativen Phänomenen in Verbindung bringen. Eine Reihe von Phänomenen, die sich im Bereich der Primärprozesse befinden, wurden bei Kreativen öfters gefunden als bei weniger Kreativen. Singer & McCraven (1961) berichten bei kreativeren Menschen ein höheres Vorkommen von Tagträumen, und Hudson (1975) schreibt, dass sie sich besser an Alpträume erinnern können. Ähnlich interpretiert werden können Resultate, wonach Erwachsene (Singer & Schonbar, 1961) und Kinder (Singer, 1961), die häufiger tagträumen, mehr ungewöhnliche Geschichten erzählen. Innerhalb ihres evolving-systems approach to creativ work stellen sich die Autoren Gruber & Davis (1988, 266) die Person als ein System mit drei interagierenden Subsystemen vor, bestehend aus Wissen, Absicht und Affekt (knowledge, purpose, affect). Jedes Subsystem hat seine eigene unabhängige Funktionsweise und seine eigene Geschichte. Sie sind nur lose miteinander verbunden. Hilgard (1977, 195) hält es für wahrscheinlich, dass der versteckte Beobachter nicht nur beim Primärprozess-Denken, sondern auch beim Sekundärprozess-Denken mithilft. Damit sind besonders Erscheinungen gemeint, in denen plötzlich eine fertige, logisch korrekte Lösung zu einem Problem vorliegt. Die Argumentation von Martindale widerspricht dieser Ansicht. Eine während der 78 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation und Kreativität Inspirationsphase zustandekommende Analogie wird durch die zueinander schwach aktivierten, sich gegenseitig nicht hemmenden kognitiven Einheiten ermöglicht. Eine unbewusste (sekundärprozessuale) Ausarbeitung der kreativen Ideen, wie sie sich Hilgard denkt, ist bei Martindale nicht nötig, da die einzelnen Teile der Idee bereits im Gedächnis vorhanden sind und nur zusammengefügt werden müssen. Über den vermuteten Zusammenhang von Hypnose und Dissoziation wurde in Kapitel II, 1.7 berichtet. Ein Zusammenhang von Hypnose und Kreativität wird, so Hilgard (1977, 107-109), ebenfalls als sehr wahrscheinlich angesehen. Diese Verbindung wird verständlich, wenn das Entstehen von kreativen Produkten aus einem Bewusstseinszustand primären Denkens erklärt wird, zu denen auch die Hypnose gezählt wird. Die empirische Forschung fand bei kreativen Menschen eine leichtere Hypnotisierbarkeit. K. Bowers & van der Meulen (1970) kamen zum Ergebnis, dass bei acht (von neun) vorgegebenen Kreativitätstests leichter hypnotisierbare Menschen höhere Werte aufwiesen als schwer hypnotisierbare. Als eine weitere Variable führte K. Bowers (1971) Geschlechtsunterschiede ein. Er fand bei Frauen eine Korrelation von r=.41 (N=36) zwischen Hypnotisierbarkeit und der Composite Creativity Scale. Bei den Männern (N=36) lag die Korrelation weitaus tiefer bei r=.08. In einer späteren Arbeit suchte Patricia Bowers (1979) nach einem verbindenden Glied zwischen Dissoziation und Kreativität und fand einige Bestätigung, dass Phantasie zu den beiden Konzepten in Verbindung steht. Eine umfangreiche Studie zu Hypnotisierbarkeit und Kreativität unternahmen Perry, Wilder & Appignanesi (1973). Sie fanden zu sechs von 19 Kreativitätstests signifikante Korrelationen zwischen r=.25 und r=.40. Eine Position, die einem positiven Zusammenhang zwischen Dissoziation und Kreativität entgegenhält, stammt von Harlander (1980, 268), die aus psychoanalytischer Sicht argumentiert, dass aus sich heraus Trance, Phantasie und Vorstellungen nichts mit Kreativität zu tun haben, sondern dass es dazu konstruktive Aggression brauche. Storr (1983) geht von der Annahme aus, dass psychische Krankheit charakterisiert wird durch Dissoziation der Persönlichkeit und psychische Gesundheit durch Integration. Der Autor nimmt an, dass der kreative Prozess, entsprechend der Persönlichkeitsentwicklung nach Jung, mit der Integration (und nicht mit der Dissoziation) einhergeht. 79 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen II Theoretischer Teil: Dissoziation und Kreativität 4.2 Studien mit gleichen oder ähnlichen Zielen und Fragestellungen Zu imaginären Freunden in der Kindheit und Kreativität zitiert Amabile (1983, 181) zwei Studien: Manosevitz, Fling & Prentice (1977) studierten eine mögliche Verbindung zwischen Kreativität und einem imaginären Freund in der Kindheit. Sie untersuchten Kinder mit einem Rorschach und einem Unusual Uses Test, wobei sie keine Unterschiede fanden zwischen Kindern mit und ohne imaginären Freund. Schäfer (1969) fand bei Adoleszenten mit hoher literarischer Kreativität signifikant mehr Berichte über imaginäre Freunde in der Kindheit als bei weniger kreativen. In dieser Studie wurden Messinstrumente verwendet, die gegenüber der Phantasie sensitiver waren. In einer Studie von Lynn & Rhune (1986) wurden 22 phantasiereiche (die obersten 4%) college SchülerInnen, 22 phantasiearme (die untersten 4%) und 22 aus dem Mittelbereich ausgewählt. Dabei stellte sich heraus, dass phantasiereiche (in posttests) signifikant (p<0.01) hypnotisierbarer waren als die SchülerInnen aus dem Mittelbereich, und diese wiederum signifikant (p<0.01) mehr als die phantasiearmen. Bei der Kreativität zeigte sich, dass die Phantasiereichen jeweils signifikant (p<0.01) kreativer waren als diejenigen mit mittelmässiger Phantasie und die Phantasiearmen. Die signifikanten Gruppenunterschiede univariater Varianzanalysen beliefen sich bei der Hypnotisierbarkeit auf p<0.01 und bei der Kreativität (Barron-Welsh-Test) auf p<0.001. Putnam (1989b) zittiert J.R. Hilgard (1972), die hohe Korrelationen zwischen Hypnotisierbarkeit und Messinstrumenten zur Erfassung der Involviertheit Erwachsener beim Lesen, Schauspiel, Kreativität und kindlicher Vorstellungskraft fand. 80 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil III Empirischer Teil "Die Wissenschaft ist interessanter, faszinierender als ihr Ruf [...]. Etwas ist verlorengegangen und muss im Bewusstsein der Öffentlichkeit wieder entdeckt werden: das Element der H o f f n u n g - nennen wir es das U t o p i s c h e. Wir verstehen darunter: zusätzliche Freiheitsgrade bei der Betrachtung der Wirklichkeit; kritische Empfindlichkeit gegenüber allzu grosser Eleganz, Misstrauen gegen das beherrschende Prinzip der maximalen Einfachheit. Volle Entfaltung aller Möglichkeiten des Denkens und der Imagination." (Walter Richartz, Vorwärts ins Paradies, 1988) 1. Methode 1.1 Vorgehen Der empirische Teil dieser Arbeit umfasst zwei Untersuchungsstichproben. Für die erste wurden Ende des Jahres 1994 109 StudentInnen der Universität Freiburg (CH) rekrutiert. Davon studierten 65 am Psychologischen Institut (genauere Zusammensetzung siehe Kptl. III, 2). Die PsychologiestudentInnen erhielten für das Ausfüllen einiger demographischer Angaben und von vier Fragebogen (DES, FEDE, P-14, KPS; vgl. Kptl. III, 1.2), eine halbe Versuchspersonenstunde22. Den StudentInnen aus den Bereichen Wirtschaft, Recht und Theologie konnte keine Belohnung angeboten werden. Die Teilnahme aller war freiwillig und anonym. Zur Bestätigung der halben Versuchspersonenstunde konnten die StudentInnen auf dem demographischen Fragebogen einen Code vermerken. Dies galt auch für jene, die ihre persönlichen Resultate erfahren wollten, wovon jedoch niemand Gebrauch machte. Die Verteilung der Fragebogen erfolgte durch den Autoren persönlich, der sich zu Beginn oder am Ende einer Vorlesung vorstellte und mit ein paar Sätzen erklärte, um was es ging. Darüberhinaus konnte die Instruktion auf der ersten Seite des Fragebogenpaketes nachgelesen werden (vgl. Anhang 2). Die Fragebogen konnten im Hauptsekretariat des Psychologischen Institutes abgegeben, ins interne Postfach des Verfassers gelegt oder persönlich übergeben werden. Die vierte Möglichkeit, das Zurücksenden per Post, wurde vor allem von den Nicht-PsychologiestudentInnen genutzt, die zusätzlich ein frankiertes Rückantwortcouvert erhielten. 22 Die PsychologiestudentInnen müssen in ihrem Grundstudium (4 Semester) 10 Versuchspersonenstunden sammeln. 81 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Die Datenerfassung der zweiten Stichprobe, der KünstlerInnen-Population und der Vergleichsgruppe, erfolgte in zwei Etappen. Im März 1995 suchte der Verfasser Kontakt zu den verschiedenen KünstlerInnen. Anfang März reiste er nach Basel, stellte sich beim Basler Radio-Symphonieorchester vor und liess an alle anwesenden Musiker und Musikerinnen ein Fragebogenpaket austeilen. Anfang April wurden eine Anzahl Fragebogen an die Schule für Gestaltung Bern und an die oberwalliser Sektion der Gesellschaft Schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten (Visuelle Künstler) (GSMBA) gesandt. Nach Erhalt des Verzeichnises der Aktivmitglieder der GSMBA wählte der Verfasser jede vierte Adresse der Sektionen Basel und Bern sowie jede siebente der Sektion Zürich aus und versandte an jede/n betreffende/n KünstlerIn einen Fragebogen mit Rückantwortcouvert. Um die Rücklaufqoute zu erhöhen, erfolgte beim Symphonieorchester je ein telefonischer und ein schriftlicher Aufruf (vgl. Anhang 4). Die ausgewählten Mitglieder der GSMBA (mit Ausnahme der Wallisersektion) erhielten eine schriftliche Bitte (vgl. Anhang 4) die Fragebogen auszufüllen. Für die Berner Sektion erschien zusätzlich ein kurzer Artikel (Werlen, 1995) über dissoziative Erlebnisse bei KünstlerInnen in ihrer Sektionsschrift, in dem neben einer kurzen Definition dissoziativer Erlebnisse23 die Bitte, die Fragebogen auszufüllen, und das Angebot an nicht ausgewählte Mitglieder der GSMBA, einen Fragebogen zu bestellen24, angebracht wurde. Der Rücklauf erfolgte ausnahmslos mittels frankierter Rückanwortcouverts. Die zweite Etappe (Anfang Mai 1995) betraf die Suche nach Probanden für die Vergleichsstichprobe. Zu Beginn einer Vorlesung25 wurden die StudentInnen vom Verfasser gebeten, die Fragebogenpakete an geeignete TeilnehmerInnen zu verteilen. Als Belohnung wurde für je zwei ausgefüllte Fragebogen eine halbe Versuchspersonenstunde versprochen. Die StudentInnen erhielten die Aufgabe, Menschen im Alter zwischen 30 (besser 40) und 80 Jahren, zu einem Drittel Frauen und zwei Dritteln Männer sowie zur einen Hälfte mit Berufsschul- und zur anderen Hälfte mit Hochschulabschluss zu finden. Um die Verteilung nicht zu verkomplizieren, wurde nur der Altersbereich besonders betont. Ausserdem wurde darauf hingewiesen, keine StudtentInnen zu rekrutieren. Jedem Fragebogenpaket lag ein Rückantwortcouvert bei. Die StudentInnen konnten die ausgefüllten Fragebogen auch persönlich vorbeibringen. Zum Erhalt der Versuchspersonenstunden wurde empfohlen, den Namen des Verteilers bzw. der Verteilerin auf dem Instruktionsblatt der Fragebogen zu vermerken. 23 Aus Rücksicht auf die laufende Untersuchung wurden keine Angaben zu den Hypothesen gemacht. 24 Es erfolgte 1 Bestellung. 25 An dieser Stelle danke ich Prof. Dr. H.-D. Schneider für seine Unterstützung. 82 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Für die Auswertung der fünf Cartoons der CAT (Consensual Assesment Technique; vgl Kptl. III, 1.2.3.1) erfolgte am Psychologischen Institut ein Anschlag, auf dem nach StudentInnen zum Bewerten von Cartoons gesucht wurde. Als Belohnung lockten 2-3 Versuchspersonenstunden. Mit den StudentInnen, die sich meldeten, wurde ein Termin abgesprochen. An dem entsprechenden Tag erhielt der/die jeweilige RaterIn eine Instruktion vorgelegt (Anhang 2) und an einem ruhigen Ort soviel Zeit zur Verfügung gestellt, wie er/sie benötigte, um die Cartoons nach den drei Kriterien Kreativität, Witz und Schrift zu bewerten. Am Ende der Sitzung bekamen die RaterInnen jeweils einen kurzen Fragebogen (vgl. Anhang 1) mit Fragen zu Alter, Geschlecht etc. sowie ob sie sich fähig fühlten die Cartoons zu bewerten, ob sie Schwierigkeiten dabei hatten und nach Tätigkeiten in der Freizeit betreffend Cartoons, Literatur und künstlerische Bereiche (siehe dazu Kptl. III, 5.1.4). 1.2 Erhebungsinstrumente Die meisten in dieser Studie verwendeten Fragebogen sind im deutschen Sprachraum entweder neu oder wenig bekannt. Aus diesem Grunde werden sie etwas ausführlicher dargestellt als die am Schluss folgenden häufig benutzten Messinstrumente für Depression (BDI) und Ängstlichkeit (STAI). 1.2.1 Demographischer Fragebogen Das in dieser Untersuchung verwendete Instrument zur Erfassung der demographischen Daten ist eine den Bedürfnissen der Studie angepasste Version des von G. Hüsler und Mitarbeitern ( Hüsler, Hemmerlein, Plancherel & Perrez, 1993; Perrez, Hüsler, Schmid, Ewert & Jacobs, 1992) in ihren Untersuchungen benützten Biographischen Fragebogens. Neben Geschlecht und Alter werden acht Bereiche (Schulabschluss/Beruf, gegenwärtige Tätigkeit, künstlerische Arbeiten, Zivilstand, Wohnsituation, körperliche und seelische Beschwerden oder Krankheit, Unfall/Krankheit, Drogen/Medikamente) abgefragt. Ein Abdruck des Fragebogens befindet sich im Anhang 1. 1.2.2 Erfassung der Dissoziation Das erste Instrument zur Erfassung der Dissoziation war die 1986 von Carlson & Putnam entwickelte DES (Dissociative Experience Scale). Sie kann bisher als das beste und am weitesten verbreitete Screening-Instrument für Dissoziationen und Dissoziative Identitätsstörung (DIS; bisher: Multiple Persönlichkeitsstörung) betrachtet werden. Übersetzungen 83 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil gibt es bereits in mehr als zehn Sprachen (Carlson & Putnam, 1993). Für die vorliegende Untersuchung wurde neben einer deutschen Version der DES eine Übersetzung des QED (Questionnaire of Experiences of Dissociation) von Riley (1988) angewendet. 1.2.2.1 Die Dissoziative Erlebnisse Skala (DES) Die Dissoziative Erlebnisse Skala (DES) ist eine Übersetzung der Dissociative Experience Scale von Carlson & Putnam (1986). Die ursprüngliche Form von Carlson & Putnam hatte eine visual analog scale, d.h. auf einer 10 cm langen Linie wurde angekreuzt, in wieviel Prozent der Zeit das entsprechende Erlebnis auftritt. Die folgenden Daten aus der Literatur zum DES wurden mit dieser Version erzielt. Inzwischen wurde eine zweite Version (DES II; Carlson & Putnam, 1993) geschaffen, die sich nur im ersten Item, das unwesentlich erweitert wurde, und in der Skalierung unterscheidet. Anstelle der visual analog scale wird die betreffende Prozentzahl angekreuzt, die jeweils in Zehnerabständen von 0% bis 100% abgedruckt ist. Dies bringt eine wesentliche Erleichterung bei der Auswertung der Daten. Eine erste Studie zur konvergenten Validität für den DES II führten Ellason, Ross, Mayran & Sainton (1994) durch. Sie erhielten einen Wert von r=.96 (p=.0001) über die Gesamtpopulation mit einem N von 178. Die jeweiligen Werte der drei untersuchten Gruppen sind alle hoch signifikant (p=.0001): Dissoziative Identitätsstörung (DIS) mit r=.95, Drogenabhängige mit r=.85 und Allgemeinbevölkerung (college students) mit r=.90. Signifikante Unterschiede zwischen den Mittelwerten des DES I und des DES II konnten, wie dies auch schon Carlson & Putnam (1993) berichten, keine gefunden werden. Der DES ist ein selbstbeschreibendes Instrument mit 28 Items zur Erfassung der Frequenz von dissoziativen Erlebnissen und wurde konzipiert zum Messen eines Traits. An und für sich handelt es sich um ein Instrument, das für klinische Populationen enwickelt wurde. Dies ist bei der Anwendung an nicht-klinischen Gruppen zu beachten. Die kleinen Differenzen innerhalb der Normalbevölkerung müssen nicht von Bedeutung sein (Carlson & Putnam, 1993). Der Gesamtwert des DES wird aus dem Mittelwert über die 28 Items gebildet. Fehlen drei oder mehr Items, so kann die Skala nicht mehr als valide betrachtet werden (Putnam, o.J.). Die Autoren des DES halten einen cut score von 30 als sinnvoll, der eine dissoziative Störung oder eine Posttraumatische Belastungsstörung mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagt, wobei der cut score nicht auf übersetzte Versionen übertragen werden könne (Carlson & Putnam, 1993). In Tabelle 6 sind die Werte zur Reliabilität und Validität der DES aufgelistet. 84 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Tabelle 6: Reliabiltät und Validität der Dissociative Experience Scale N r p test/retest interval 1986 1990 1991 26 30 46 .84 .96 .79 <.001 <.001 <.001 4 bis 8 Wochen 4 Wochen 6 bis 8 Wochen 1986 1991 73 46 .83 .93 <.001 <.001 1989 40 20 321 .90 .91 .95 Retest-Reliabilität Carlson & Putnam Frischholz et al. Pitalbo & Sanders Internale Reliabilität split-half Carlson & Putnam Pitalbo & Sanders Cronbachs Alpha Ensink & van Otterloo Niederländische Version Frischholz et al. 1990 StudentInnen dissoziative PatientInnen <.001 Konstrukt-Validität Ensink & van Otterloo 1989 Frischholz et al. 1991 Nadon et al. 1991 ähnliche Werte bei DIS: Nordamerika: M=57.06, Niederlande: M=55.4 Korrelationen DES mit PAS: r=.52; TAS: r=.39; AIS: r=.24 (N=311, p<.001) Korrelationen DES mit PAS: r=.82; TAS: r=.70 (p<.001) Diskriminante Validität Carlson & Putnam 1986 Ross, Joshi & Currie 1990 keine Unterschiede zu soziodemographischen Daten ausser einer leichten negativen Korrelation zum Alter keine Unterschiede zu soziodemographischen Daten ausser einer leichten negativen Korrelation zum Alter Kriteriums-Validität Carlson & Putnam 1993 Carlson et al. 1993 Vpn mit dissoziativen Störungen (DSM-III) zeigen höhere Werte als andere Gruppen Sensitivitätsrate: 74%; Spezifizitätsrate: 80% Legende: DES=Dissoziative Experience Scale; PAS=Perceptual Alteration Scale; TAS=Telegen Absorption Scale; AIS=Ambiguity Intolerance Scale; N=Anzahl ProbandInnen; r=Reliabilitätswerte; p=Signifikanz; DIS=Dissoziative Identitätsstörung; Vpn=Versuchspersonen Quelle: Die Angaben entstammen grösstenteils dem Artikel von Carlson & Putnam (1993). 1.2.2.2 Der Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse (FEDE) Der FEDE ist die deutsche Übersetzung des Questionnaire of Experiences of Dissociation (QED) von Riley (1988). Der QED stellt durch seine andere Skalierung (true/false) und durch das Fehlen einer signifikanten inhaltlichen Überschneidung eine alternative Form zum DES dar (Riley, 1988). Die 26 Items wurden aus der Literatur - "describing experiences reported by 'classical' hysterics, patients with dissociative and multiple personality disorders, and the dissociative experiences associated with temporal lobe epilepsy" (Riley, 1988, 449) - heraus gewonnen. 85 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Als Reliabilität wird von Riley (1988) ein Cronbach Alpha von α=.77 angegeben. Die untersuchte Population ("normal population"; college StudentInnen) umfasste ein N=561 und erreichte einen Mittelwert von 9.82 (sd 4.28). Klinische Populationen zeigten erhöhte Werte, jedoch sind die Populationen zu klein um zuverlässige Angaben zu machen. Eine Studie von Dunn, Ryan, Paolo & Miller (1993) kam zum Schluss, dass der QED als ein Screening-Instrument für die Multiple Persönlichkeitsstörung gebraucht werden kann. Sie postulieren einen cut-off score von 15, um Multiple Persönlichkeiten von Patienten mit Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS), von Alkoholikern und von Menschen aus der Normalbevölkerung zu unterscheiden. Die Untersuchung muss allerdings vorsichtig interpretiert werden, da sie einige Mängel aufweist. Die Variablen Geschlecht und Alter wurden nicht parallelisiert, die Gruppe mit PTBS war nicht homogen (zum Teil in Behandlung für Drogenmissbrauch oder PTBS) und die Anzahl Probanden pro Gruppe liegt mit je 18 bzw. 15 (PTBS) etwas tief. 1.2.3 Erfassung der Kreativität Hocevar & Bachelor (1989) erarbeiteten eine Taxonomie für Messinstrumente zur Erfassung von Kreativität. Sie gelangten zu den folgenden acht Hauptkategorien: 1. tests of divergent thinking, 2. attitude and interest inventories, 3. personality inventories, 4. biographical inventories, 5. ratings by teachers, peers and supervisors, 6. judgments of products, 7. eminence, 8. self-reported creative activities and achievements. Für die vorliegende Arbeit sind die Punkte 3 (Persönlichkeitsinventare) und 6 (Bewertung von Produkten) von Bedeutung. Nach Hocevar & Bachelor (1989) ist die Bewertung von Produkten als Kriterium für Kreativiät den Persönlichkeitsinventaren vorzuziehen. Die Persönlichkeitsinventare "should be viewed as correlates of creativity that are possibly causally related but conceptually distinct form the creativity construct" (S. 63). Allerdings sind Studien mit Persönlichkeitsinventaren nicht wertlos, sondern stellen an sich interessante Konstrukte dar, und es gibt immerhin Befunde, die darauf hinweisen, dass diese Konstrukte mögliche Gründe für Kreativität darstellen. Die in dieser Arbeit verwendeten Instrumente zur Messung der Kreativität gehören im Fall der Kreative Persönlichkeit Skala (KPS) zu den Persönlichkeitsinventaren und im Fall der Consensual Assessment Technique (CAT) zu den Ratingverfahren. 1.2.3.1 Consensual Assessment Technique (CAT) Die Consensual Assessment Technique wurde von Teresa Amabile (1983; Hennessey & Amabile, 1988) entwickelt und beschrieben. Sie definiert Kreativität konzeptuell, wie ein Produkt sein soll (neu, brauchbar), und operational, nach dem die Ansicht von Experten ausschlaggebend ist, ob ein Produkt kreativ ist oder nicht (vgl. Kptl. II, 2.2.3). 86 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Die Autorin stellt vier wichtige Annahmen voraus: 1. Produkte oder beobachtbares Verhalten sind endgültige Merkmale für Kreativität, und Kreativitätskriterien hängen von einem historischen und sozialen Kontext ab. 2. Kreativität ist etwas, dass erkannt wird und wozu oft Einstimmigkeit herrscht, ohne dass eine Definition oder besondere Merkmale gegeben werden. 3. Es gibt eine Grundform der Kreativität, unabhängig ob sie in Wissenschaft, Kunst oder sonstwo hervorgebracht wird. 4. Die Verteilung der Kreativität liegt auf einem Kontinuum (Produkte sind mehr oder weniger kreativ). Zur Auswahl der Aufgaben zur Kreativitätsmessung fordert Amabile, dass sie zu einem Produkt oder gut beobachtbarem Verhalten führen, zeitlich unbeschränkt sind (Möglichkeit zu Flexibilität und Neuheit) und keine speziellen Fähigkeiten verlangen, d.h. keine grossen individuellen Unterschiede in der Baseline vorhanden sind. Weiter sind fünf, das Rating betreffende Punkte von Bedeutung: 1. Die ExpertInnen sollten Erfahrung auf dem betreffenden Gebiet haben, bzw. mit dem Aufgabenbereich vertraut sein. 2. Die ExpertInnen bewerten die Antworten unabhängig voneinander und ohne spezielle Anweisungen vom Versuchsleiter. Sie sollten weder trainiert werden noch spezifische Kriterien zum Bestimmen der Kreatvität bekommen. 3. Über die Bewertung von Kreativität hinaus sollten noch weitere Dimensionen dazukommen, im Minimum technische Aspekte und ästhetische Wirkung. 4. Die Produkte sollten relativ zueinander bewertet werden, besonders wenn die ProbandInnen aus der Normalbevölkerung stammen. 5. Den ExpertInnen sollten die Produkte und die zu bewertenden Dimensionen in zufälliger Reihenfolge vorliegen. Ein weiterer Punkt, der Einfluss auf die Produkte hat, liegt in der Motivation, dermassen, dass intrinsische Motivation kreativere Produkte hervorbringt als extrinsische Motivation. Amabile (1983; Hennessey & Amabile, 1988) empfiehlt, die Rating-Dimensionen zur Bestimmung ihrer Unabhängigkeit faktoranalytisch zu untersuchen. Als das wichtigste Kriterium der Assessment-Prozedur wird die Reliabilität der Expertenurteile angesehen. "By definition, interjudge reliability in this method is equivalent to construct validity" (Hennessy et al, 1988). In ihrem Monograph The social psychology of creativity stellt Amabile (1983) ein Experiment mit Cartoons vor. Einer Gruppe von Männern und Frauen (N=48) wurden fünf Cartoons (aus Zeitschriften) gezeigt mit der Aufforderung, zu den Cartoons "amusing captions" zu schreiben. Als Experten wurden Fakultätsmitglieder und fortgeschrittene 87 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Studenten der Brandeis Universität (Waltham, Massachusetts) ausgewählt (N=10) in der Annahme, dass einigermassen Belesene in der Lage sind, die Überschriften nach ihrer Kreativität (und Humor) zu beurteilen. Die Reliabilität der Kreativitätsratings war .85, die der Humorratings .82. Die zwei Dimensionen korrelierten mit r=.69. Die Consensual Assessment Technique erbrachte in den von Amabile (1983) beschriebenen Studien mit Künstlern, Nicht-Künstlern, Erwachsenen und Kinder grösstenteils Reliabilitäten über .80 (siehe Tabelle 7). Tabelle 7: Interraterreliabilität der CAT für Kreativität nach Amabile (1983; 50,56) Art der Aufgabe Anzahl Experimente bzw. Ratings Reliabilitäten Künstlerisches Arbeiten Zeichnungen/Collagen 16 .72 bis .93 Verbale Aufgaben Haiku (engl. Form) Geschichtenerzählen Cartoon-Texte 6 2 1 .77 bis .90 .87 bis .91 .85 Total 25 .72 bis .93 Für diese Arbeit wurden 5 Cartoons aus verschiedenen Zeitschriften und Cartoon-Bänden benutzt. Das verwendete Material ist in Anhang 1 (Anweisung in Anhang 2) zu finden. Die Rater waren 9 StudentInnen des Psychologischen Institutes der Universität Freiburg (CH). Die Quellen der Cartoons: 1. Die Stadt Gottes, Oktober 1994, Autor: Jacki, Verlag: Steyer Missionare, Nettetal. 2. Freizeit Revue, 8. Juni 1994, Verlag: Dr. Hubert, Burda. 3. Die Stadt Gottes, Juli/August 1994, Autor: Adel, Verlag: Steyer Missionare, Nettetal. 4. Sempé (1993). Der Morgenmensch (S. 71). Zürich: Diogenes. 5. Gayman (1991). Hundstage. München: Goldmann. Die von Amabile (1983; Hennessey et al., 1988) geforderten Bedingungen sind in dieser Untersuchung alle erfüllt. Es handelt sich um ein wahrnehmbares Produkt ohne enge (1/21 Monat) zeitliche Beschränkung und verlangt keine speziellen Fähigkeiten. Die Experten waren fähig die Texte zu bewerten, erhielten kein Training, beurteilten unabhängig voneinander auf drei Dimensionen relativ zur gesamten Stichprobe, und die Vorgabe der Cartoons erfolgte (pro RaterIn) in wechselnder Reihenfolge. Eine Ausnahme bildet die Annahme, eine Definition zu Kreativität müsse nicht vorgegeben werden. In der Instruktion für die Rater wurde eine kurze Definition der Kreativität und ein Beispiel vorgegeben (vgl. Anhang 2). 88 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Runco & Mraz (1992) kritisieren Amabiles Konzept dahingehend, dass der Gebrauch der impliziten Kreativitätsdefinition der RaterInnen zu einer geringen Diskriminanzvalidität (zu hohe Korrelationen zwischen den verschiedenen Rating-Dimensionen) führe. Sie fordern, diese jeweils zu überprüfen. 1.2.3.2 Die Kreative Persönlichkeit Skala (KPS) Bei der KPS handelt es sich um eine Übersetzung der CPS (Creative Personality Scale; Gough, 1979) aus der 300 Item-starken Adjective Check List (ACL; Gough & Heilbrun, 1983). Anstelle der zweiseitigen Antwortmöglichkeit (Adjektiv ankreuzen oder nicht) der ACL wurden vier Möglichkeiten zum Ankreuzen geboten ("trifft gar nicht zu", "trifft eher nicht zu", "trifft ein wenig zu", "trifft stark zu"). Optisch sind die zwei "trifft-nicht-zu" von den "trifft-zu" durch eine dünne Linie getrennt (vgl. Anhang 1). Im Verlaufe der Untersuchung gab es zwei Änderungen an der KPS. Die Nicht-Psychologie-StudentInnen erhielten eine Version mit nur zwei Antwortmöglichkeiten ("trifft nicht zu", "trifft zu"). Bei Analysen, wo die unterschiedliche Skalierung einen Einfluss hat, wurde die vier-punkt-skalierte Version dichotomisiert. Auf die Bildung des Gesamtwertes (siehe unten) hat die jeweilige Skalierung keinen Einfluss. Für die zweite Untersuchung (KünstlerInnen, Vergleichsgruppe) wurden fünf Items neu übersetzt (vgl. Kptl. III, 5.1.3). Die Creative Personality Scale besteht aus 30 Adjektiven. Zwölf Items werden mit dem Wert -1 belegt, 18 mit dem Wert +1. Der addierte Wert aller Items ergibt den Gesamtscore, der zwischen -12 und +18 zu liegen kommt. Die Reliabilität wurde an einer Gesamtzahl von 1701 Personen aus verschiedenen Gruppen (vgl. Kptl. II, 2.4 für nähere Angaben zu den Gruppen) durch das Cronbach Alpha bestimmt und erreichte folgende Werte: - Gesamtgruppe Männer: α=.77 - Gesamtgruppe Frauen: α=.81 - Gruppe graduierter Studenten: α=.73 - Gruppe graduierter Studentinnen: α=.73. Die Validierung erfolgte je nach Gruppe anhand von Bewertungen verschiedener Produkte durch unterschiedliche Ratergruppen. Einseitige Signifikanztests zeigten in jeder Gruppe für jedes Kriterium signifikante Werte, zweitseitige Tests waren bei 10 von 12 auf dem .05 Niveau signifikant (Korrelationswerte zwischen .15 und .42). Gough (1979) bezeichnet die CPS als reliables und mittelmässg valides Instrument zur Erfassung des Kreativitätspotentials. Im Manual der ACL (Gough & Heilbrun, 1983, 18) werden Menschen mit hohen Werten beschrieben als "venturessome, aesthetically reactive, clever, and quick to respond. Intel- 89 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil lectual characteristics such as breadth of interests, cognitive ability, and ideational fluency are also apparent" und Low-scorer als "more subdued, less expressive, more conservative, and less inclined to take action in complex or ill-defined situations". 1.2.4 Erfassung der seelischen Befindlichkeit 1.2.4.1 Der P-14 zur Erfassung des Psychotizismus Die P-14 ist eine Skala zur Messung des Psychotizismus im Sinne Eysencks. Sie wurde 1975 von Baumann & Dittrich vorgestellt. Die 14 Items stammen aus der PsychotizismusSkala von Eysenck (Eysenck & Eysenck, 1968; 1972). Ausgehend von 30 Items wurde durch Item- und Faktorenanalysen (mit Extraversions- und Neurotizismus-Skala 62 Items) die Skala reduziert auf Aussagen mit nicht-allzuschwierigen Items und angemessener Trennschärfe. Der Psychotizismus-Faktor klärte mit 25-32% (Prozent gemeinsamer Varianz) im Vergleich zu den anderen Faktoren (Extraversion, Neurotizismus) am wenigsten Varianz auf. In bezug zu der originalen P-Skala von Eysenck wurden die Itemkennwerte (Trennschärfe, Itemschwierigkeit) deutlich verbessert, auch die Modellstruktur wird vom P-14 besser erfüllt. Die Skala kann als von Extraversion unabhängig betrachtet werden, doch wurden positive Korrelationen (tiefer als bei Eysencks Originalversion) zum Neurotizismus gefunden. Die Reliabilität wurde mit dem Cronbach Alpha und mit Testwiederholung geprüft. Tabelle 8: Reliabiltität des P-14 Population N Alter (Mittel) Reli (P-24) 342 343 161 441 339 parallelisiert parallelisiert parallelisiert parallelisiert parallelisiert .63 .64 .74 .70 .68 .74 .75 .83 .80 .78 40 m, 21 w 133 23.9 72.5%=20, range 19-23 .72 .61 Cronbach's Alpha Normalbevölkerung (N1) Normalbevölkerung (N2) Psychiatriepatienten (Pt) Gesamtgruppe 1 (N1+18 aus Pt) Gesamtgruppe 2 (N2+16 aus Pt) Retest (6 bzw. 7 Wochen) PsychologiestudentInnen Rekruten Legende: N=Anzahl ProbandInnen; Reli=Reliabilität; P-24=P14 nach Spearman-Brown auf 24 Items verlängert; m=Männer; w=Frauen Weitere wichtige Bemerkungen zum P-14: Die Items sind sehr schwierig (linksschief) und bilden somit eher eine klinische Skala. Sie ist abhängig von Geschlecht und Alter. Im Allgemeinen misst der P-14 die Dimension Psychotizismus und stimmt mit dem Eysenck'schen Konzept überein, was Vergleiche mit englischen Studien belegen können. 90 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil 1.2.4.2 Das Beck Depressions-Inventar (BDI) Der BDI ist ein Standard-Screening-Instrument zur Messung der Schwere von Depressionen. Die 21 Itemgruppen zu je 4 Aussagen werden aufsteigend mit 0 bis 3 Punkten bewertet. Der maximal erreichbare Wert liegt bei 63. Beck, Rush, Shaw & Emery (1981/1979) bezeichnen eine Depression als leicht, wenn im BDI ein Wert zwischen 14-19 erreicht wird, als mittel bei Werten von 20-26 und als schwer mit einem Resultat über 26 Punkten. Im Handbuch der deutschen Ausgabe (Hautzinger, Bailer, Worall & Heller, 1992) werden Punktwerte von 18 und mehr als klinisch relevant bezeichnet. Die Reliabilitität (interne Konsistenz) des BDI wurde 1983 von Kammer mit α=.82 angegeben. In einer neueren Studie fand Hautzinger (1991; zit. nach Westhoff, 1993) eine Reliabilität von α=.88. 1.2.4.3 Das Stait-Trait-Angst-Inventar (STAI) Das STAI wurde von Laux, Glanzmann, Schaffer & Spielberger (1981) für den deutschen Sprachraum adaptiert. Die Originalversion stammt von Spielberger, Gorsucht & Lushene (1970). Das STAI misst sowohl Zustandsangst (state) als auch Angst als Eigenschaft (trait). Das Inventar ist demzufolge auf zweimal 20 Items aufgeteilt. Die Reliabilität des Inventars liegt für die Trait-Angst abhängig von Alter und Geschlecht zwischen α=.89 und α=.93 (Gesamt-Eichstichprobe Männer: α=.90, Frauen: α=.91) und für die State-Angst bei α=.91 bzw. α=.92 (Gesamt-Eichstichprobe, Männer: α=.91, Frauen: α=.91). Eine Varianzanalyse brachte für die trait-Werte einen Effekt für Geschlecht, für Alter und einen Interaktionseffekt zwischen den beiden. Das selbe Bild findet sich für die stateWerte, wobei der Alterseffekt nur tendenziell vorliegt. Die Durchschnittswerte sind bei Frauen (trait: 37.01, sd 9.95; state: 38.08, sd 10.29) jeweils etwas höher als bei den Männern (trait: 34.45, sd 8.83; state: 36.83, sd 9.82). 91 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil 2. Die verschiedenen Untersuchungsgruppen In den folgenden Kapiteln des empirischen Teiles werden die untersuchten Gruppen jeweils folgendermassen dargestellt: Tabelle 9: Die verschiedenen Untersuchungsgruppen Total: Gesamtstichprobe, die sich aus sämtlichen TeilnehmerInnen zusammensetzt S: StudentInnenstichprobe, die sich aus Psy und Rest zusammensetzt Psy: PsycholgiestudentInnen Rest: StudentInnen aus Wirtschaft, Recht, Theologie und anderen Fächern Wirt: WirschaftsstudentInnen Jus: RechtstudentInnen Theo: TheologiestudentInnen übr.: alle übrigen StudentInnen, die andere Hauptfächer haben als Psychologie, Wirschaft, Recht oder Theologie K+NK: Gesamtstichprobe der KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen K: KünstlerInnen NK: Nicht-KünstlerInnen BMK: Untergruppe der KünstlerInnen, die als Berufsbezeichnung BildhauerIn, (Kunst-)MalerIn oder KünstlerIn angeben (damit wurden hauptberufliche Architekten, LehrerInnen und MusikerInnen herausgenommen) N=199 (103 / 94) N=109 (53 / 54) N=65 (23 / 42) N=44 (30 / 12) N=13 (11 / 2) N=20 (12 / 7) N=7 (6 / 1) N=4 (1 / 2) N=90 (50 / 40) N=60 (40 / 20) N=30 (10 / 20) N=32 (19 / 13) Legende: N=Anzahl TeilnehmerInnen; die Ziffern in den Klammern geben jeweils an erster Stelle die Anzahl Männer und an zweiter Stelle die Zahl der Frauen an; wegen fehlender Angaben konnte das Geschlecht in 2 Fällen nicht bestimmt werden. 3. Stichproben Die erste Stichprobe, die StudentInnenstichprobe, setzt sich zusammen aus StudentInnen des Psychologischen Institutes (N=65), der Wirtschaft- und Sozialwissenschaftlichen (N=13), der Rechtswissenschaftlichen (N=20) und der Theologischen Fakultät (N=7). Vier weitere StudentInnen stammen aus der Philosophischen Fakultät, studieren allerdings nicht Psychologie im Hauptfach. 92 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Tabelle 10: Verteilung des Geschlechts in der StudentInnenpopulation S männl. weibl. N Psy Rest Wirt Jus Theo übr. 53 23 30 11 12 6 1 54 42 12 2 8 1 1 107 65 42 13 20 7 2 Legende: S=Gesamtstichprobe aller StudentInnen; Psy=PsychologiestudentInnen; Wirt=WirtschaftsstudentInnen; Jus=RechtstudentInnen; Theo=TheologiestudentInnen; übr.=StudentInnen mit anderen Hauptfächern; Rest: alle Nicht-PsychologiestudentInnen; N=Anzahl ProbandInnen Tabelle 11: Beschreibung des Semesterzahl der StudentInnen S M sd range N 3.05 2.66 1-11 108 Psy Rest Wirt Jus Theo übr. 2.48 3.91 1 7.15 1 1.67 2.07 3.20 0 1.31 0 1.15 1-9 1-11 - 5-11 1-3 65 43 13 20 7 3 m w 2.98 3.07 2.72 2.63 1-11 1-9 53 54 Legende: S=Gesamtstichprobe aller StudentInnen; Psy=PsychologiestudentInnen; Wirt=WirtschaftsstudentInnen; Jus=RechtstudentInnen; Theo=TheologiestudentInnen; übr.=StudentInnen mit anderen Hauptfächern; Rest: alle Nicht-PsychologiestudentInnen; m=Männer; w=Frauen; M=Mittelwert; sd=Standardabweichung; N=Anzahl ProbandInnen Tabelle 12: Beschreibung des Alters der StudentInnenpopulation S Psy Rest Wirt Jus Theo übr. M 24.36 25.20 23.09 21.31 14.25 23.57 22.00 sd 5.82 7.00 3.00 1.65 1.33 6.27 1.00 range 19-61 19-61 19-37 19-25 22-27 19-37 21-23 N 108 65 43 13 20 7 3 m w 24.49 24.26 6.49 5.20 19-61 19-43 53 54 Legende: S=Gesamtstichprobe aller StudentInnen; Psy=PsychologiestudentInnen; Wirt=WirtschaftsstudentInnen; Jus=RechtstudentInnen; Theo=TheologiestudentInnen; übr.=StudentInnen mit anderen Hauptfächern; Rest: alle Nicht-PsychologiestudentInnen; m=Männer; w=Frauen; M=Mittelwert; sd=Standardabweichung; N=Anzahl ProbandInnen Das Durchschnittsalter der StudentInnenstichprobe liegt bei 24.36 (sd 5.82) mit einem Minimum von 19 und einem Maximum von 61. Von den gesamthaft 109 TeilnehmerInnen sind 53 weiblich und 54 männlich (zwei machten keine Angabe über ihr Geschlecht). Signifikante Unterschiede unter den StudentInnen (Psychologie vs. andere) ergaben sich beim Geschlecht (chi2, p<.000), bei der Semesterzahl26 (chi2, p=.03) und beim Alter (p=.034; t=2.15). Nach Geschlechtern getrennte Tests brachten nur bei der Anzahl Semester jeweils einen signifikanten Unterschied (chi2, ¢: p=.03; ™: p=.004). Eine genaue Darstellung der Stichprobe in Bezug auf Geschlecht, Alter und Semester wird in den Tabellen 10-12 gezeigt. 26 ≤4 Semester≅Grundstudium vs. >4 Semester≅Hauptstudium. 93 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Die Stichprobe aus der zweiten Erhebung besteht aus 60 KünstlerInnen (K) und 30 NichtKünstlerInnen (NK). Die KünstlerInnen weisen ein Durchschnittsalter von 55.22 (sd 15.21) Jahren auf, mit einem Range von 28 bis 81. Die Vergleichstichprobe ist mit 45.83 (sd 12.03; range 30-74) rund zehn Jahre jünger. Ein t-Test erwies sich mit p>.003 (t=3.10) als signifikant. Dies trifft auch bei den Männern (p>.040; t=2.23), nicht aber bei den Frauen (p=076; t=1.83) zu. Kein signifikanter Altersunterschied ergibt sich zwischen den Geschlechtern. Die Geschlechtsverteilung liegt in der KünstlerInnenstichprobe bei 40/19 (Männer/Frauen), in der Stichprobe aus der Allgemeinbevölkerung bei 10/20. Ein chi2Test erweist sich als signifikant mit p=.002. Wie Anhang 3 zeigt, finden sich bei den KünstlerInnen in der Mehrheit MusikerInnen, BildhauerInnen, KunstmalerInnen und Archiktekten. Die Berufe der NK können aufgeteilt werden in solche aus dem sozialen, dem wirtschaftlichen, dem naturwissenschaftlichen und dem technischen Bereich, wobei die zwei letzten in eine Kategorie zusammengefasst wurden. Fast die Hälfte (45.6%) der KünstlerInnen beschreiben ihre Tätigkeit als freien Beruf, 26.0% sind RentnerInnen Als selbstständig bezeichnen sich 4, als Hausmann/frau 5, je eine und einer als Beamte/r, einer als höherer Beamter und einer als Facharbeiter. Die Gruppe der NK teilt sich mit je 10-20% auf in Beamte (N=8), Facharbeiter (N=4), Selbstständige (N=3), freier Beruf (N=5) und Hausfrauen bzw. -männer (N=7). Eine Person ist ohne Tätigkeit. Die schulische Bildung der zwei Gruppen entspricht sich ziemlich gut. Etwas weniger als die Hälfte in beiden Stichproben (42.9% bzw. 43.3%) haben einen Berufsabschluss, etwa ein Drittel einen Universitätsabsschluss (39.3% bzw. 33.3%); mehr NK (16.7%) als K (5.4%) beendeten ihre Schulzeit nach der Kantonsschule, und etwa doppelt so viele K (12.5%) wie NK (6.7%) haben mit einer Matura abgeschlossen. Was den Zivilstand betrifft, so ist folgende Verteilung zu finden: 57.6% (K) bzw. 60.0% (NK) sind verheiratet (inkl. der in Trennung lebenden: 57.6% bzw. 66.7%), 35.6% bzw. 26.7% sind ledig (wobei 13.6% bzw. 10.0% eine/n PartnerIn haben), geschieden sind 6.7% bzw. 3.3% (das sind 4 bzw. 1 Person), von den NK leben zwei Personen in Trennung und eine Person ist verwittwet. 39 (66.1%) von den KünstlerInnen und 22 (73.3%) von den Nicht-KünstlerInnen haben Kinder. Der jeweilige Mittelwert (!) beträgt 1.73 (sd 1.74; range 0-7) und 1.87 (sd 1.46; range 0-4). Der grösste Teil der TeilnehmerInnen lebt mit einem Partner zusammen (65.5% bzw. 60.0%), ca. ein Fünftel (20.7% bzw. 16.7%) lebt alleine und der Rest mit Verwandten, Familienmitgliedern oder in einer Wohngemeinschaft (13.8% bzw. 23.4%). 63.8% bzw. 56.7 leben in einer Stadt, die anderen auf dem Land. Wohl weil im Fragebogen die Option Agglomeration nicht aufgeführt wurde, finden sich bei den KünstlerInnen 13 fehlende 94 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Angaben. In den Variablen Bildung, Zivilstand, Kinder und Wohnen (alleine vs. nicht alleine; Stadt vs. Land) unterscheiden sich die beiden Gruppen (N vs. NK) nicht. Die Tabelle 13 gibt die künstlerischen Tätigkeiten an, die von den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen ausgeführt werden, und die Tabelle 14 die Menge der künstlerischen Arbeiten, die an die Öffentlichkeit gebracht wurden. Tabelle 13: Künstlerische Tätigkeiten der KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen K malen bildhauen planen schreiben komponieren musizieren tanzen schauspielen andere 37 25 13 10 4 17 2 1 6 in % 62.7 42.4 22.0 16.9 6.8 28.8 3.4 1.7 10.2 NK 5 1 2 2 0 5 6 1 0 in % 16.7 3.3 6,7 6.7 0 16.7 20.0 3.3 0 Legende: K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen Tabelle 14: Künstlerische Arbeiten der KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen K NK 1x Ausstellung Kunstwerk auf Platz Kunstwerk in Gebäude Aufführung Lesung Buch Druck 1 4 5 1 0 2 2 <5x 9 1 17 1 1 5 7 >5x %(>1x) 34 7 18 9 1 2 10 80.0 21.4 71.5 19.6 3.6 16.1 34.0 1x 0 0 0 1 0 1 0 <5x 1 0 0 2 0 0 0 >5x %(>1x) 0 0 0 0 0 0 0 3.3 0.0 0.0 10.0 0.0 3.3 0.0 Legende: K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen; 1x (bzw. <5x, >5x)=Zahl der Ausstellungen etc.; %(>1x)=Prozentzahl aller ProbandInnen, die mindestens eine Ausstellung etc. hatten. Mit der Ausnahme von Tanzen (was auch falsch verstanden werden konnte, d.h., im Sinne von tanzen an einem Volksfest oder Ball) werden in der KünstlerInnengruppe weit mehr künstlerische Tätigkeiten aufgeführt als in der Vergleichsstichprobe. Planen wurde zu diesen Tätigkeiten hinzugenommen, da sich auch Architekten in der K-Stichprobe befinden. Veröffentlichte Arbeiten, d.h. Ausstellungen, Aufführungen, Bücher etc. werden von der NK-Gruppe nur sehr wenige angegeben, von den KünstlerInnen hingegen in hohem Masse. 95 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Die offensichtlichen Unterschiede in diesen zwei Bereichen bestätigen den erwünschten Charakter der jeweiligen Gruppen in Bezug auf Tätigkeiten und Resultate, die mit Kunst bezeichnet werden können. Da die KünstlerInnenstichprobe durch den Einbezug von MusikerInnen und Architekten relativ heterogen ist, wurde aus den BildhauerInnen, KunstmalerInnen und jenen, die sich als BerufskünstlerIn bezeichnen, eine Untergruppe (BMK=BildhauerInnen, (Kunst-) MalerInnen, KünstlerInnen) gebildet. Mit einem Durchschnittsalter von 58.55 (sd 14.35, range 29-81) unterscheiden sie sich noch stärker von der NK-Gruppe (p=.001; t=3.66) als die gesamte KünstlerInnengruppe. Der Unterschied besteht sowohl bei den Männern (p=.013; t=2.73) wie auch bei den Frauen (p=.043; t=2.16). Kein Altersunterschied besteht zwischen den Geschlechtern. Weniger signifikant (p=.04) fällt ein chi2-Test aus, der einen Unterschied in der Geschlechtsverteilung aufzeigt (BMK: N=32; 19 Männer / 13 Frauen vs. NK 10/20). In den übrigen soziodemographischen Daten sind keine signifikanten Unterschiede zwischen der Nicht-KünstlerInnen- und der BMK-Gruppe zu finden. Die Angaben zu den Gruppen (K, NK, BMK) sind in Tabelle 15 zu finden. Tabelle 15: Soziodemographische Daten der KünstlerInnen, Nicht-KünstlerInnen und BMK Geschlecht Bildung Zivilstand Wohnen Alter Kinder K Anzahl Männer 40 Frauen 19 Kantonsschule 3 Berufsschule 24 Matura 7 Universität 22 ledig 21 verheiratet 34 geschieden 4 alleine 12 mit Partner 38 mit Familie, in WG 8 in der Stadt 30 auf dem Land 17 Mittelwert (sd) Mittelwert (sd) % 66.7 31.7 5.4 42.9 12.5 39.3 35.6 57.6 6.7 20.7 65.5 13.8 63.8 36.2 55.22 (15.21) 1.73 (1.74) NK Anzahl 10 20 5 13 2 10 8 18 1 5 18 7 17 13 % 33.3 66.7 16.7 43.3 6.7 33.3 26.7 60.0 3.3 16.7 60.0 23.4 56.7 43.3 45.83 (12.03) 1.87 (1.46) BMK Anzahl 19 13 2 17 4 8 11 20 1 3 24 4 15 9 % 59.4 40.6 6.5 54.8 12.9 25.8 34.3 62.6 3.1 9.7 77.4 13.0 62.5 37.5 58.55 (14.35) 1.81 (1.75) Legende: K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen; BMK=BildhauerInnen, MalerInnen, KünstlerInnen; sd=Standardabweichung 96 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil 3.1 Rücklaufquoten Der Rücklauf bei der gesamten StudentInnenstichprobe liegt sehr hoch bei 72.36%. Die mit einer Versuchspersonenstunde belohnten PsychologiestudentInnen retournierten 75.86% der Fragebogen. Erstaunlich hoch ist auch der Prozentsatz (64.62%) der zurückgekommenen Fragebogen der restlichen StudentInnen, die dafür keine Belohnung erhielten. Die detailierten Angaben zu den Rücklaufquoten bei der StudtenInnen sind der Tabelle 16 zu entnehmen. Weitaus tiefer, aber beinahe im Rahmen der üblicherweise zu erwartenden 30%, liegt die Rücklaufquote der KünstlerInnen- und Nicht-KünstlerInnenstichprobe. Im Total kam ein Viertel der verteilten Fragebogen zurück. Mit 32.61% steht die NK-Gruppe besser da als die K-Gruppe, wobei zu beachten ist, dass je nach Unterstichprobe grosse Unterschiede vorherrschen. Liegt die Rücklaufquote beim Radio Symphonieorchester bei enttäuschenden 12.5%, so konnte bei der GSMBA immerhin ein Rücklauf von 26.52% verzeichnet werden. Unterschiede gibt es auch bei den verschiedenen Tätigkeitsbereichen der KünstlerInnen. Prozentual am wenigsten Antworten kamen von den KunstmalerInnen, am meisten von den Architekten. Die genauen Angaben finden sich in Tabelle 17. Tabelle 16: Die Rücklaufquoten der StudentInnenstichprobe S Psy Anzahl verteilt zurück zur. übr. drop out korrig. Rest: 152 109 3 1 110 Anzahl 100 71.71 1.97 0.66 72.36 Wirt Anzahl verteilt zurück zur. übr. drop out korrig. % Rest % % 87 65 1 100 74.71 1.15 65 40 2 100 62.54 6.67 66 75.86 42 64.62 Jus % Anzahl Anzahl Theo % Anzahl % 20 13 100 65.00 30 20 100 66.67 15 7 2 100 46.67 6.67 13 65.00 20 66.67 9 60.00 Legende: S=Gesamtstichprobe aller StudtentInnen; Psy=PsychologiestudentInnen; Rest=alle Nicht-PsychologiestudentInnen; Wirt=WirtschaftsstudentInnen; Jus=RechtstudentInnen; Theo=TheologiestudentInnen; zur. übr.=Rücklauf von StudentInnen mit anderen Hauptfächern; korrig.=korrigierter Rücklauf, d.h. inkl. drop out und zur. übr. 97 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Tabelle 17: Die Rücklaufquoten KünstlerInnenstichprobe K+NK Anzahl 360 90 verteilt zurück K: K % 100 25.0 RSO Anzahl verteil t zurüc k 7227 9 100 KünstlerInnen- und der Nicht- NK Anzahl 268 60 % 100 22.4 SfG % der Anzahl Anzahl 92 30 % 100 32.6 GSMBA % Anzahl Bildhauer Anzahl % % 15 100 181 100 28 100 3 20.0 48 26.5 10 35.7 12.5 Kunstmaler Architekten Anzahl % Anzahl % 123 100 20 100 15 12.2 9 45.0 Legende: K+NK=Gesamtstichprobe der KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen; RSO=Radio Symphonieorchester Basel; SfG= Schule für Gestaltung Bern; GSMBA=Gesellschaft Schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten (Visuelle Künstler). Erfreulich ist die Übereinstimmung des Verhältnisses der Mitgliedschaft von Männern und Frauen in der GSMBA und dem Geschlechtsverhältnis der antwortenden Künstler und Künstlerinnen. Beide liegen bei etwa 7:3. Allerdings antworteten bei den BildhauerInnen prozentual mehr Männer, als in den betreffenden Sektionen vertreten sind, bei den KunstmalerInnen sind in dieser Untersuchung die Frauen übervertreten. Die Adressenauswahl (jede vierte von Basel und Bern und jede siebente aus Zürich) ergab eine sehr gute Übereinstimmung des Geschlechtsverhältnisses zu jenem der GSMBAMitgliedschaft. In Tabelle 18 sind die einzelnen Geschlechtsverhältnisse aufgefüht. Tabelle 18: Geschlechterverhältnisse der Teilstichprobe GSMBA (in Prozent) in % gesamt verteilt zurück GSMBA m 69 70 68 w 31 30 32 Bildhauer m 77 w 23 85 90 15 10 Kunstmaler m w 65 35 63 47 37 53 Architekten m w 95 5 100 100 0 0 Legende: gesamt=Gesamtpopulation der GSMBA von Basel, Bern, Zürich und dem Oberwallis; GSMBA=Gesellschaft Schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten (Visuelle Künstler); m=Männer; w=Frauen. 27 Streng genommen handelte es sich um ca. 60 Fragebogen, die verteilt wurden. Die restlichen wurden dem Manager überlassen, der sie möglicherweise an abwesende Mitglieder weitergeleitet hat. 98 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil 4. Problemstellung 4.1 Klärung der Fragestellung Die Frage "Haben kreative Menschen mehr dissoziative Erlebnisse als weniger kreative Menschen?" wird in den zwei Haupthypothesen formuliert. Einerseits in der Annahme, dass KünstlerInnen kreativer sind als die Vergleichsstichprobe und damit auch mehr dissoziative Erlebnisse aufweisen sollten als diese, und andererseits mit Hilfe der Kreativitätsmessinstrumente KPS und CAT. In den Nebenhypothesen (Hypothese 3) werden Zusammenhänge zwischen den psychologischen Konzepten Depression, State-Angst, Trait-Angst und Psychotizismus mit den dissoziativen Erlebnissen vorhergesagt. Die Hypothesen vier und fünf betreffen weitere Auswertungsmöglichkeiten im Bereich der soziodemographischen Daten. Im Vordergrund stehen Alter und Geschlecht, die möglicherweise einen Einfluss auf die dissoziativen Erlebnisse und auf die Kreativität haben. Eine logische Folge aus den Hypothesen 2 (höhere Kreativitätswerte bedeuten höhere Dissoziationswerte) und 3 (höhere Werte auf BDI, STAI und P-14 bedeuten höhere Dissoziationswerte) ist die Hypothese 6. Demnach müssten kreativere Menschen höhere Werte auf BDI, STAI und P-14 aufweisen als weniger kreative Menschen. Vor der Abhandlung der Hypothesen werden die übrigen Zielsetzungen der Arbeit beschrieben. Dabei handelt es sich um die teststatistische Absicherung der Messinstrumente (DES, FEDE, KPS, CAT, P-14), zwei Faktorenanalysen (DES, KPS) und die Beschreibung des Vorkommens dissoziativer Erlebnisse und Kreativität in den untersuchten Populationen. 4.2 Nicht-hypothesengeleitete Zielsetzungen Zielsetzung 1: Teststatistische Werte (Reliabilität, Trennschärfe, Itemschwierigkeit) der Instrumente zur Messung der dissoziativen Erlebnisse, der Kreativität und des Psychotizismus. Zielsetzung 2: Faktorenanalysen zu den Instrumenten zur Messung von dissoziativen Erlebnissen (DES) und Kreativität (KPS). Zielsetzung 3: Verteilung der Werte der einzelnen Messinstrumente in den verschiedenen Populationen. 99 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil 4.3 Hypothesen 4.3.1 Haupthypothesen Hypothese 1: KünstlerInnen erreichen höhere Werte auf den Instrumenten zur Messung der dissoziativen Erlebnisse als Nicht-KünstlerInnen. Hypothese 1.1: KünstlerInnen erreichen höhere Werte auf der DES (Dissoziative Erlebnisse Skala) als Nicht-KünstlerInnen. Hypothese 1.2: KünstlerInnen erreichen höhere Werte auf dem FEDE (Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse) als Nicht-KünstlerInnen. Hypothese 2: Je höher die Kreativitätswerte der ProbandInnen sind, desto höhere Werte werden auf den Dissoziationsskalen erreicht. Hypothese 2.1: Je höher die Werte der ProbandInnen (KünstlerInnen, Nicht-KünstlerInnen, StudentInnen) auf der KPS (Kreative Persönlichkeits Skala) sind, desto höhere Werte werden auf der DES und auf dem FEDE erreicht. Hypothese 2.2: Je höher die Werte der ProbandInnen (KünstlerInnen, Nicht-KünstlerInnen, StudentInnen) auf der CAT (Consensual Assessment Technique) sind, desto höhere Werte werden auf der DES und auf dem FEDE erreicht. Die theoretischen und die wenigen empirischen Grundlagen zu den Hypothesen 1 und 2 finden sich im Kapitel II, 4. 4.3.2 Nebenhypothesen Hypothese 3: Je höher die Depressions-, Ängstlichkeits- und Psychotizismuswerte der ProbandInnen sind, desto höhere Werte werden auf den Dissoziationsskalen erreicht. Hypothese 3.1: Je höher die Werte der ProbandInnen (KünstlerInnen, Nicht-KünstlerInnen, StudentInnen) auf dem BDI (Beck Depressionsinventar) sind, desto höhere Werte werden auf der DES und auf dem FEDE erreicht. Hypothese 3.2: Je höher die trait-Angst-Werte der ProbandInnen (KünstlerInnen, Nicht-KünstlerInnen, StudentInnen) auf dem STAI (Stait-Trait- 100 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Angstinventar) sind, desto höhere Werte werden auf der DES und auf dem FEDE erreicht. Hypothese 3.3: Je höher die state-Angst-Werte der ProbandInnen (KünstlerInnen, Nicht-KünstlerInnen, StudentInnen) auf dem STAI (Stait-TraitAngstinventar) sind, desto höhere Werte werden auf der DES und auf dem FEDE erreicht. Hypothese 3.4: Je höher die Werte der ProbandInnen (KünstlerInnen, Nicht-KünstlerInnen, StudentInnen) auf der Psychotizismusskala P-14 sind, desto höhere Werte werden auf der DES und auf dem FEDE erreicht. Die Grundlagen zur Hypothese 3 stammen von Carlson, Putnam, Ross, Torem, Coons, Dill, Loewenstein & Braun (in Druck). Sie berichten bei Schizophrenen deutlich und bei affektiven und Angststörungen leicht erhöhte Werte auf der DES. 4.3.3 Weitere Auswertungsmöglichkeiten Hypothese 4.1: Je älter die Probanden sind, desto weniger dissoziative Erlebnisse werden von ihnen berichtet. Hypothese 4.2: Die soziodemographischen Variablen Geschlecht, Beruf, Zivilstand, Wohnort und -art sowie Anzahl Kinder haben keinen Einfluss auf die Dissoziationswerte (DES, FEDE). Hypothese 5.1: Männer erreichen auf der KPS höhere Kreativitätswerte als Frauen. Hypothese 5.2: Die soziodemographischen Variablen Alter, Beruf, Zivilstand, Wohnort und -art sowie Anzahl Kinder haben einen Einfluss auf die Kreativitätswerte (KPS, CAT). Hypothese 6: Treffen die Hypothesen 2 und 3 zu, soll gelten: Je höher die Depressions-, Ängstlichkeits- und Psychotizismuswerte der ProbandInnen sind, desto höhere Werte werden auf den Kreativitätsskalen erreicht. Hypothese 6.1: Je höher die Werte der ProbandInnen (KünstlerInnen, Nicht-KünstlerInnen, StudentInnen) auf dem BDI (Beck Depressionsinventar) sind, desto höhere Werte werden auf der KPS und mit der CAT erreicht. Hypothese 6.2: Je höher die trait-Angst-Werte der ProbandInnen (KünstlerInnen, Nicht-KünstlerInnen, StudentInnen) auf dem STAI (Stait-TraitAngstinventar) sind, desto höhere Werte werden auf der KPS und mit der CAT erreicht. 101 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Hypothese 6.3: Je höher die state-Angst-Werte der ProbandInnen (KünstlerInnen, Nicht-KünstlerInnen, StudentInnen) auf dem STAI (Stait-TraitAngstinventar) sind, desto höhere Werte werden auf der KPS und mit der CAT erreicht. Hypothese 6.4: Je höher die Werte der ProbandInnen (KünstlerInnen, Nicht-KünstlerInnen, StudentInnen) auf der Psychotizismusskala P-14 sind, desto höhere Werte werden auf der KPS und mit der CAT erreicht. Die Grundlagen zur Hypothese 4 (d.h. 4.1 und 4.2) basieren auf den Studien der Forschergruppe um Colin Ross (vgl. Ross, Josh & Currie, 1990b; siehe auch Kptl. II, 1.5.2), die keine Unterschiede in der Verteilung dissoziativer Erlebnisse fanden ausser beim Alter. Die Hypothese 5 (d.h. 5.1 und 5.2) basiert auf den Resultaten von Gough (1979), der Unterschiede fand zwischen Geschlecht (Männer höhere Werte) und Berufsgattungen. Altersunterschiede in der Kreativität wurden z.B. von Alpaugh, Parham, Cole & Birren (1982) bei Frauen (jüngere hatten höhere Werte) gefunden. Einen kurvenlinearen Zusammenhang zwischen Alter und Kreativität erforschte Simonton (1984a, 1991; vgl. Kptl. II, 2.2.2). Hinweise, die der Hypothese 6 rechtgeben, zitiert Martindale (1981), Kreative erreichen höhere Angstscores, und (1989), Kreative erhalten auf dem EPI (Eysencks Personality Inventory) hohe Psychotizismuswerte (siehe auch Kptl. II, 3) 102 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil 5. Resultate 5.1 Teststatistische Werte der Erhebungsinstrumente Bei den teststatistischen Werten, die in der vorliegenden Untersuchung erhoben wurden, handelt es sich um die Reliabilität, die Trennschärfe der Items und die Itemschwierigkeit. Das BDI und das STAI wurden auf diese Werte nicht näher überprüft, da es sich um oft verwendete und bekannte Instrumente handelt. Als Mass für die Reliabilität wurde das in der psychologischen Forschung häufig verwendete Cronbach α gewählt. Bei den Trennschärfekoeffizienten (ric) handelt es sich um die Korrelationen jeden Items mit dem Gesamtscore. Diese Berechnungsmethode wurde von Dirksmeier (1991, 87) übernommen. Die Itemschwierigkeit wurde erhoben, obwohl sie bei klinischen Skalen, besonders wenn sie in einer Normalpopulation verwendet werden, wenig Sinn ergibt, da die Verteilung erwartungsgemäss linksschief ausfallen wird, d.h. die Probanden im allgemeinen keine klinisch relevanten, also mehrheitlich tiefe Werte aufweisen. Diese Erwartung wurde von den Daten auch bestätigt. pi = N1 N (Schmid, 1992; N1=Anzahl "richtiger" Berechnet wurde sie mit der Formel Items; jene, die sich in der oberen Hälfte der Skalenwerte befinden; N=totale Anzahl Items). Der Vorteil der hier verwendeten Formel liegt in der Unabhängigkeit von der Stichprobengrösse und den einfach zu interpretierenden Werten: eine Itemschwierigkeit von pi=0 bedeuted, dass das Item sehr schwierig ist, d.h. von niemandem 'gelöst' wurde; pi=1, dass alle Probanden das Item auf der oberen Skalenhälfte beanwortet haben; pi=.50, dass sich die Anworten gleichmässig auf die untere und obere Skalenhälfte aufteilen, d.h. dass das Item mittelschwierig ist. Eine zusammenfassende Darstellung der Reliabilitäten ist in der Tabelle 20 am Ende des Kapitels 5.1 zu finden. Detailiertere Angaben zu Trennschärfe und Itemschwierigkeit können im Anhang 5 eingesehen werden. 5.1.1 Dissoziative Erlebnisse Skala (DES) Die DES wurde mit Erlaubnis von Frank W. Putnam (persönliche Mitteilung, August 1992), der die Skala (Dissociative Experiences Scale) zusammen mit Frau Eve B. Carlson konstruierte, vom Verfasser dieser Arbeit auf Deutsch übersetzt. Die teststatistischen Ergebnisse liegen im Bereich der Ergebnisse anderer Studien (vgl. Tabelle 6). Die Reliabilität (Cronbach α) der DES liegt in der gesamten StudentInnenstichprobe (S) bei α=.86. In der homogeneren Gruppe der PsycholgiestudentInnen beläuft es sich auf α=.88. Die Trennschärfe aller Items sind mit Ausnahme von Nr. 5 ("sich in fremden Kleidern wiederfinden", p>.05) mindestens auf dem 1%-Niveau signifikant. Die Werte sind zwischen ric=.22 und ric=.69. Die sehr hohe Itemschwierigkeit befindet sich mit einer 103 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Ausnahme (Nr. 17: "in Fernsehen oder Kino absorbiert sein"; pi=.18) zwischen pi=.09 und pi=.00. Die Reliabilität bei der Stichprobe der KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen zusammen (K+NK) ist mit α=.87 praktisch gleich gross wie bei der StudentInnenstichprobe. Rechnet man die Teilstichproben von K und NK getrennt, erhält man unterschiedliche Werte: für K α=.82 und für NK α=.90. Keinen grossen Einfluss auf die Reliabilität hat das Geschlecht (¢: α=.88, ™: α=.86). Die Trennschärfe ist bei allen Items ausser bei Nr. 11 ("sich selber im Spiegel nicht mehr erkennen"; ric=.10) mindestens auf dem 5%-Niveau signifikant. Die Werte liegen zwischen ric=.21 und ric=.68. Trennt man die Stichprobe auf in K und NK oder Männer und Frauen verlieren einzelne Trennschärfen die Signifikanz. Für die Itemschwierigkeit ergibt sich das selbe Bild wie bei der StudentInnenstichprobe (Werte zwischen pi=.09 und pi=.00; Item Nr. 17 pi=.16). 5.1.2 Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse (FEDE) Der FEDE ist eine Übersetzung des QED (Questionnaire of Experiences of Dissociation) vom Autor der vorliegenden Arbeit. Die Übersetzung und der wissenschaftliche Gebrauch wurde dem Verfasser von K. Riley bewilligt (persönliche Mitteilung, 23.12.92). Mit α=.73 liegt die Reliabilität bei der StudentInnenstichprobe deutlich tiefer als bei der DES. Riley (1988) fand ein Cronbach α von α=.77. Die Trennschärfe der Items sind mit vier Ausnahmen alle auf dem p<.001 Niveau signifikant. Item Nr. 8 ("sich nicht mehr erinnern, wo man gewesen ist") hat eine Signifikanz von p=.05, die Items Nr. 7, 19, 26 haben mit Werten von ric=.03, ric=.14. bzw. ric=.19 keine signifikante Trennschärfe. Die einzelnen Werte der signifikanten Items bewegen sich zwischen ric=.27 und ric=.50. Die Itemschwierigkeit unterscheidet sich allerdings stark von jener der DES, was mit grosser Wahrscheinlichkeit auf die unterschiedliche Skalierung zurückzuführen sein wird (vgl. Kptl. III, 1.2.2.1 und 1.2.2.2). So finden sich von den 26 Items 13 mit Werten im untersten Drittel (zwischen pi=1.00 und .67), d.h. es sind schwierige Items, 10 im mittleren Bereich (.66 bis .34), wovon sich 6 mit einer idealen Schwierigkeit um pi=.50 befinden, und 3 leichte Items (pi=.00 bis pi=.33). In der K-NK-Stichprobe liegt das Cronbach α (α=.79) anders als beim DES einiges höher als bei der StudentInnenstichprobe. Einen etwas grösseren Einfluss hat die Geschlechtszugehörigkeit (¢: α=.76, ™: α=.82). Die nach K und NK getrennte Auswertung der Reliabilität ergab beim FEDE keine wesentlichen Unterschiede. Die Trennschärfen der Items sind mit Ausnahme zweier (Nr. 10 und 19) praktisch alle sehr signifikant (mindestens p<.01) und bewegen sich von ric=.31 bis ric=.58 höher als in der StudentInnenstichprobe. Teils auf die unterschiedliche Stichprobengrösse zurückzuführen sind die Unterschiede zwischen den Gruppen (K, NK). So sind bei den NK deutlich weniger Items signifikant 104 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil trennscharf. Von den acht im Vergleich zu den K zusätzlichen nicht-signifikanten Items sind zwei (Nr. 8 und 24 mit K: ric=.45 bzw. ric=.44; NK: ric=.07 bzw. ric=.09) deutlich tiefer korreliert. Die Itemschwierigkeiten verhalten sich mehr oder weniger der StudentInnenstichprobe entsprechend, 13 schwierige, 9 mittlere und 4 leichte Items. Die Konstruktvalidität des FEDE wird durch den starken (p<.001) korrelativen Zusammenhang mit der DES gezeigt (S+K+NK: r=.65 ; S: r=.57; K+NK: r=.72). Ray et al. (1992) fanden bei jungen Erwachsenen einen Wert von r=.82, wobei sie beide Instrumente mit einer fünfstufigen Likert-Skala ausgestattet haben. 5.1.3 Kreative Persönlichkeit Skala (KPS) Relativ gute Reliabilitätswerte kann auch die KPS, eine Übersetzung der Creativ Personality Scale von Gough (1979) aus der Adjective Check List (Gough & Heilbrun, 1983), aufweisen. Die StudentInnenstichprobe kommt auf ein α=.75, die PsychologiestudentInnen auf α=.79. Die Werte entsprechen jenen von Gough (1979), die in Kptl. III, 1.2.3.2 erwähnt werden. Anders sieht es mit der Trennschärfe aus. Von den 30 Adjektiven sind 8 nicht signifikant und korrelieren teils um Null herum. Nur etwas mehr als die Hälfte (16) erreichen ein Signifikanzniveau von p<.001. Innerhalb der signifikanten Items befinden sich die Werte zwischen ric=.21 und ric=.64. Die Itemschwierigkeiten sind zum überaus grössten Teil hoch. 6 Adjektive sind leicht, 6 im mittleren und 18 im schwierigeren Bereich. Um einige unglücklich übersetzte Adjektive zu verbessern, wurde eine teils abgeänderte Version an 30 PsychologiestudentInnen des ersten Semesters verteilt, worunter sich vor allem Personen befanden, die auch bei der ersten Erhebung für die StudentInnenstichprobe dabei waren. Die im Original verwendeten Adjektive: (3) "reflective", (8) "mannerly", (9) "sincere", (20) "snobbish", (30) "affected" wurden neu übersetzt: (3) von "denke viel" in "nachdenklich" (8) von "höflich/anständig" in "wohlerzogen", (9) von "aufrichtig" in "offenherzig", (20) von "hochnäsig" in "vornehm tuend" und (30) von "gefühlsvoll" in "empfindsam". Ein Vergleich der beiden Versionen28 ergab einen etwas höheren Mittelwert für die neue Version (9.27, sd 2.74; statt 8.44, sd 3.16), was jedoch keinen signifikanten Unterschied ergibt (p=.120; t=1.12) und den Vergleich der älteren mit der neueren Version nicht verunmöglicht. Ebenfalls keine signifikante Veränderung wurde bei den einzelnen neu übersetzten Adjektiven gefunden, nur bei Nr. 3 "denke viel" bzw. neu "nachdenklich" gab es eine Tendenz (p=.058; t=1.94). Bei den identisch belassenen Items kam es nur zu 28 Im Vergleich wurden für die Daten der ersten Version die PsychologiestudentInnen des ersten Semesters (N=31) herangezogen. 105 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil zwei in der Tendenz unterschiedlichen Werten (Nr. 7 "unterwürfig", Nr. 25 "vertrauensvoll"). Unter den Veränderungen litt allerdings die Reliabilittät. Sie sank von α=.73, gemessen bei den 31 erstsemestrigen PsychologiestudentInnen, auf α=.65, gemessen bei der neuen Stichprobe. Aus Versehen wurde für die K- und NK-Stichprobe nicht die alte, reliablere und trennschärfere Version sondern die neue, teststatistisch schlechtere verwendet. Dies zeigt sich denn auch beim Cronbach α, das mit α=.66 eindeutig tiefer und an der unteren Grenze einer vertretbaren Reliabilität liegt. Ein deutlicher und schwerwiegender Unterschied ergibt sich bei einer nach Geschlechtern getrennten Auswertung. So ist die Reliabilität bei den Frauen mit α=.77 zufriedenstellend, mit α=.45 bei den Männern höchst unbefriedigend. Ebenfalls nicht zufriedenstellend ist sie in der K-Gruppe (α=.54), vertretbar hingegen in den NK-Gruppe (α=.66). Praktisch das selbe Ergebnis wie bei den StudentInnen erhält man für die Trennschärfe; 8 sind nicht signifikant, wobei Nr. 1 nicht signifikant und Nr. 24 signifikant wird. Die signifikanten Werte befinden sich zwischen ric=.22 und ric=.53. Keine grossen Änderungen ergeben sich für die Itemschwierigkeiten. Die Kriteriumsvalidität der KPS für die weibliche Teilstichprobe (K+NK) wird durch signifikante Korrelationen mit den künstlerischen Tätigkeiten "Kunstmalen" (r=.52; p<.01) und "Bildhauen" (r=.40; p<.05) sowie den künstlerischen Arbeitsprodukten "Ausstellungen" (r=.48; p<.01) und "Kunstwerk in Gebäude" (r=.39; p<.05) bestätigt. Bei den Männern ergeben sich zu den selben Variablen Korrelationen um null herum. Diese Zusammenhänge bestätigen die Bildung der Subpopulation BMK (BildhauerInnen, (Kunst-)MalerInnen, KünstlerInnen; vgl. Kptl. III, 2), zumal zu den Variablen "Komponieren", "Musizieren", "Tanzen", "Schauspielen" und "Aufführung" (teils signifikante) negative Korrelationen bestehen. 5.1.4 Consensual Assessment Technique (CAT) Die CAT wurde nur für die zweite Untersuchung verwendet, d.h. mit den K und NK. Für die Bewertung konnten 3 Psychologiestudenten und 6 bzw. 3 Psychologiestudentinnen gewonnen werden. Drei davon wurden nach einer ersten Auswertung der Daten aus der Untersuchung herausgenommen, da ihre Interraterreliabilitäten weit unter einem brauchbaren Niveau lagen. Dieser Ausschluss für weitere Bewertungen rechtfertigt sich insofern, als den RaterInnen, dem Beispiel von Amabile (1983) folgend, kein Training angeboten und nur eine rudimentäre Definition der zu bewertenden Variablen (Kreativität, Witz, Schrift; vgl. Anhang 2) vorgelegt wurde. Die Tabelle 19 enthält die soziodemographischen Angaben der sechs RaterInnen. 106 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Bei den drei drop outs handelt es sich um drei Frauen mit einem Durchschnittsalter von 28, einer durchschnittlichen Semesterzahl von 7.3, alle drei ledig, eine mit festem Partner. Somit unterscheiden sie sich von den sechs übrigen nur in der Geschlechtsverteilung. Tabelle 19: Demographische Daten der RaterInnen RaterIn 1 2 3 4 5 6 M sd Geschlecht 1 1 1 2 2 2 3:3 - Alter 45 23 27 29 21 28 28.7 7.76 Semester 2 6 13 12 3 12 8 4.94 Zivilstand geschieden ledig ledig mit Partner mit Partner mit Partner - Legende: M=Mittelwert; sd=Standardabweichung Auffallend ist, dass alle drei Ausgeschiedenen sich für fähig halten Kreativität zu bewerten, dann jedoch angeben, dass sie mit der Bewertung der Kreativität Schwierigkeiten hatten. Die sechs RaterInnen hielten sich alle für fähig ("etwas" oder "sehr"), die Texte zu den Cartoons auf Kreativität, Witz und Schrift zu bewerten. Die Beurteilung der Kreativität wurde von einem Rater als "sehr", von den anderen als "etwas" schwierig beurteilt. Das Bewerten von Witz und Schrift wurde als einfach angesehen. Amabile (1983) ging bei ihrem Experiment von der Anahme aus, dass ihre studentischen RaterInnen belesen sind. In der vorliegenden Untersuchung zeigte sich, dass die RaterInnen häufig Romane und Erzählungen lesen sowie Cartoons betrachten, jedoch nie oder nur manchmal Gedichte. Was künstlerische Tätigkeiten (Malen, Bildhauen etc.) betrifft, so werden diese von den sechs BewerterInnen entweder nie oder nur manchmal, jedoch nicht häufig betrieben, mit Ausnahme einer Raterin, die die Items "musizieren, singen" und "tanzen, bewegen" mit "häufig" ankreuzte. Die Interraterreliabilität (ri) für die Bewertung der Kreativität befindet sich beträchlich unter dem von Amabile (1983) in einer entsprechenden Aufgabe (vgl. Kptl. III, 1.2.3.1) erhaltenen Wert von ri=.85. In der vorliegenden Untersuchung wurde eine Interraterreliabilität von riz=.62 erhalten. Dabei handelt es sich um den Mittelwert aller Korrelationen zwischen den einzelnen RaterInnen. Die Mittelwertbildung erfolgte mittels Z-Transformation nach Fisher (vgl. Bortz, 1989, S. 281). Die einzelnen Korrelationen schwanken zwischen ri=.47 und ri=.79 (siehe Anhang 5). Nach derselben Methode wurden auch die Interraterreliabilitäten für das Kriterium Witz (riz=.63; Korrelationen zwischen 107 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil ri=.47 und ri=.79) und Schrift (riz=.47; Korrelationen zwischen ri=.32 und ri=.61) erhalten. Interessanterweise ist die Übereinstimmung der Kreativitätsratings in der NK-Stichprobe mit riz=.68 um einiges grösser als in der K-Gruppe mit riz=.59. Das selbe Bild ergibt sich beim Kriterium Witz (riz=.60 bzw. riz=.67); umgekehrt liegt der Fall bei der Schrift (riz=.49 bzw. riz=.39). Die mittlere Korrelation zwischen Kreativität und Witz (r=.68) ist erwartungsgemäss hoch und unterschiedet sich praktisch nicht von der Korrelation zwischen Kreativität und Humor in Amabiles (1983) Experimtent (vgl. Kptl. III, 1.2.3.1), ebenso wie diejenigen zwischen Kreativität und Schrift (r=.23) sowie Witz und Schrift (r=.21) weit tiefer liegen. Die interne Konsistenz der CAT liegt bei der gesamten Stichprobe mit α=.86 (¢: α=.83; ™: α=.89), wie auch bei den K (α=.82) und den NK (α=.90) getrennt berechnet, sehr hoch. Die fünf Items des Instrumentes weisen zudem hoch signifikante (p<.001) Trennschärfen (ric: .77, .72, .82, .80, .84) und relativ gute Itemschwierigkeiten (pi: .32, .23, .57, .54, .45) auf. Die Konstruktvalidität der CAT gemessen am KPS ist mit einem Korrelationswert von .07 über alle KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen extrem schwach. 5.1.5 Die Psychotizismus-Skala P-14 Die Psychotizismus-Skala P-14 von Baumann & Dittrich (1975) nach der Theorie von Eysenck (Eysenck & Eysenck, 1968, 1972) überrascht in Anbetracht der Ergebnisse von Eysenck & Eysenck (1968, 1972) und Baumann et al. (1975) keinesfalls mit ihrer tiefen Reliabilität von α=.62 in der StudentInnenpopulation. Sie liegt im unteren Bereich der von Baumann und Dittlich (1975) gefundenen Reliabilitäten (siehe Tabelle 10). In der selben Stichprobe liegt die Trennschärfe (vgl. Anhang 5) jeweils bei einer Signifikanz von mindestens p<.01 (ric=.33 bis ric=.57), ausser bei einem Item mit p<.05 und dreien, die nicht signifikant sind. Die Itemschwierigkeit ist mehrheitlich hoch, bei 12 Items im unteren Drittel (pi=.00 bis pi=.33) und gut bei Nr. 5 ("von Träumen beeinflussen lassen"; pi=.44) und Nr. 7 ("Leute nehmen schnell etwas übel"; pi=.35). Noch tiefer als bei den StudentInnen ist die Reliabilität bei der zweiten K+MKStichprobe: α=.56 (¢: α=.58; ™: α=.53; K: α=.57; NK: α=.52). Die Trennschärfe mit Werten von ric=.22 bis ric=.61 (mindestens signifikant auf p<.01) ist mit Ausnahme zweier Items (Nr. 12 und 14) recht zufriedenstellend, die Itemschwierigkeit verhält sich gleich wie bei der StudentInnenstichprobe. 108 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Tabelle 20: Die Messinstrumente und ihre Reliabilitäten S Psy Rest ¢ S ™ S K+NK K NK ¢ K+NK ™ K+NK DES FED E KPS29 CAT P-14 .86 .73 .88 .77 .82 .65 .84 .68 .88 .76 .87 .79 .82 .79 .90 .77 .88 .76 .86 .82 .75 .62 .77 .62 .65 .63 .73 .65 .79 .61 .66 .86 .56 .54 .82 .57 .66 .90 .52 .45 .83 .58 .77 .89 .53 Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala; FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala; CAT=Consensual Assessment Technique; P-14=Psychotizismusskala; S=StudentInnen; Psy=PsychologiestudentInnen; Rest=übrige StudentInnen; K=KünstlerInnen; NK=NichtKünstlerInnen 5.2 Faktorenanalysen 5.2.1 Die Faktorenstruktur der DES Die unten beschriebene faktorenanalytische Auswertung der DES konnte bisherige Analysen aus dem amerikanischen Raum bestätigen. Carlson, Putnam, Ross, Anderson, Clark et al. (1991) extrahierten bei einer Population psychiatrischer und nicht-klinischer Personen (N=1574) drei Hauptfaktoren (Amnesie, Absorption/imaginative Involviertheit, Depersonalisation/Derealisation), die 49% der Varianz aufklären. Eine Faktorenanalyse an einer nicht-klinischen Bevölkerungsgruppe ergab ein etwas anderes Faktorenbild. Zwar bleiben die Faktoren die selben, jedoch änderte die Reihenfolge (Absorption, Depersonalisation/ Derealisation, Amnesie), und es wird weniger Varianz aufgeklärt (40%) (Carlson et al., 1991). Ein vergleichbares Ergebnis mit einer Varianzaufklärung von 47% fanden Ross et al. (1991). Die Analyse mit der Teilstichprobe der PsychologiestudentInnen ergab drei Faktoren mit einer gesamthaften Varianzaufklärung von 46.3%, die als "Depersonalisation/Derealisation", "Eingenommenheit/Absorption" und "Amnesie" bezeichnet werden können. Bei der gesamten S-Stichprobe fand sich ein weiterer Faktor ("Trance"), dessen Items bei den PsychologiestudentInnen entweder weniger als .40 auf einem Faktor laden und daher ausschieden oder im Faktor "Amnesie" anzutreffen sind. Die gesamte Verianzaufklärung beläuft sich auf 45.8% (siehe Anhang 6). Dieser vierte Faktor konnte auch bei der PsychologiestudentInnenpopulation extrahiert werden, wonach die aufgeklärte Varianz 53.1% beträgt. 29 Vgl. auch Kptl. III, 5.3.3 (oder Anhang 7), für die Reliabilitäten ohne die fünf neuübersetzten Items. 109 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Verwendet wurde eine Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation. Als Kriterium für die Faktorenzahl diente ein SCREE-Test und die Sinnhaftigkeit der erhaltenen Faktoren. Die linksschiefe Verteilung (vgl. Kptl. III, 5.3.1) kann die Faktoren verfälschen, so gelangte Waller (in Druck, zit. von Carlson & Putnam, 1993) zu einer einfaktoriellen Lösung, indem er die Schiefe kontrollierte. Ebenfalls nur einen Faktor fanden Fisher & Elnitsky (1990), die allerdings sehr strenge Kriterien für die Faktorenbestimmung anwandten. Zwar weist die hohe Varianzaufklärung des ersten Faktors (26.5% bei der 3faktoriellen Lösung; 23.5% bei der vierfaktoriellen Lösung bei allen StudentInnen) mit den Daten der vorliegenden Studie statistisch tatsächlich auf eine einfaktorielle Struktur der Skala hin, doch sind in Anbetracht der theoretisch sinnvollen Faktorenzusammensetzung inhaltliche Überlegungen rein statistischen vorzuziehen. Kein so klares Bild ergab eine Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation für die K+NK-Stichprobe. Eine Vier-Faktoren-Lösung klärt 50% der Varianz auf, allerdings sind neben einem relativ deutlichen Faktor "Eingenommenheit/Absorption" zwei Faktoren, die beide im Bereich von Amnesie und Nicht-erinnern-können liegen, jedoch auch Items enthalten, die Depersonalisation beschreiben. Ein vierter Faktor kann mit "Depersonalisation" betitelt werden. Für die weniger klaren Ergebnisse wird die heterogene Zusammensetzung, das im Vergleich zu den StudentInnen höhere Alter und die damit tieferen Dissoziationswerte der Stichprobe verantwortlich sein. 5.2.2 Die Faktorenstruktur der KPS Dasselbe Verfahren mit der KPS beim Teilsample der PsychologiestudentInnen30 ergab vier Faktoren, die mit "gescheit", "ungewöhnlich", "offen" und "unangenehm" betitelt werden können. Mit einer Varianzaufklärung von 40% wurde ein annehmbares Resultat erziehlt. Der Faktor "gescheit" (intellektuelle Fähigkeiten) beinhaltet Adjektive wie "klug", "findig", "erfinderisch" etc., der zweite Faktor, "ungewöhnlich", ladet grössenteils negativ und kann beschrieben werden als nicht "unkonventionell", nicht "konservativ", nicht "gewöhnlich" etc., der dritte Faktor mit der Charakteristik nicht "unzufrieden", "selbstbewusst", "viele Interessen", nicht "unterwürfig" kann als "offen" benannt werden, der letzte Faktor, "unangenehm" (gegenüber der Umwelt) wird umschreiben durch Begriffe wie nicht "aufrichtig", nicht "ehrlich", "hochnäsig" etc. Die K+NK-Stichprobe bringt wie bei der DES eine weniger klare Struktur hervor. Eine Lösung mit drei Faktoren und nur 36.3% Varianzaufklärung ergibt ein etwas verständlicheres Bild, worauf hier aber nicht eingegangen wird. 30 Die übrigen StudentInnen erhielten eine Version des KPS mit dichotomer Skalierung. 110 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Die Faktoren mit den jeweiligen Ladungen der mit den Daten der StudentInnen durchgeführten Analysen sind in Anhang 6 festgehalten. Da es sich bei FEDE und P-14 um Instrumente mit dichotomer Skalierung handelt, wurden keine faktorenanalytischen Untersuchungen durchgeführt. 5.3 Statistische Beschreibung der Messinstrumente 5.3.1 Deskriptive Werte und Verteilung der DES In den Tabellen 21 und 22 ist leicht zu erkennen, dass die Mittelwerte der Dissoziative Erlebnisse Skala über alle Gruppen relativ stabil sind und bei den StudentInnen um die zehn Prozent liegen. Bei der signifikant älteren Stichprobe der KünstlerInnen und NichtKünstlerInnen (K+NK; p<.000; t=16.14) befinden sich die Werte, wie das der Alterseinfluss erwarten lässt, um ca. zwei Prozentpunkte tiefer (vgl. z.B. Ross et al., 1990b; siehe auch Kptl. II, 1.5.2). Der Unterschied zwischen den zwei Stichproben ist mit p=.034 (t=2.13) signifikant. Signifikante Unterschiede in soziodemographischen Variablen (Geschlecht, Bildung, Zivilstand, Wohnort in Stadt oder auf Land, Kinder) konnten neben dem Alter keine weiteren gefunden werden. Ebenfalls liegen Standardabweichung (ca. 6) und der Range der Daten (ca. 0 bis 25) bei allen Gruppen in etwa gleich grossen Bereichen. Die gösseren Unterschiede bei den StudentInnen der Theologie und den vier StudentInnen ausserhalb der gezielt gesuchten Hauptfächer können der kleinen Gruppengrössen wegen vernachlässigt werden. Ein Vergleich mit Resultaten aus anderen Studien mit StudentInnen (vgl. Tabelle 3, Kptl. II, 1.5.2) zeigt, dass die vorliegenden Werte im unteren Teil des zu erwartenden Bereiches liegen. Unterschiede zwischen den diversen Studien sind möglicherweise durch kulturelle Differenzen oder durch die Übersetzungen in andere Sprachen. Die Werte von ProbandInnen aus der Normalbevölkerung werden bei Ross et al. (1990b) mit ca. 10 (je nach Alter zwischen 6 und 16), bei Putnam, Guroff, Silberman, Barbara & Post (1986) bei ca. 5 angegeben. 111 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Tabelle 21: Deskriptive Werte der DES bei den StudentInnen M sd min max N S 9.98 6.06 1.07 27.14 109 Psy 9.90 6.41 1.07 27.14 65 Rest 10.09 5.56 2.50 27.14 44 Wirt 9.94 4.02 2.50 16.79 13 Jus 9.62 4.32 3.57 20.00 20 Theo übr. 6.52 19.20 2.06 10.53 4.29 4.29 9.29 27.14 7 4 m 9.53 5.57 1.07 27.14 53 w 10.32 6.48 1.07 27.14 54 Legende: S=Gesamtstichprobe der StudentInnen; Psy=PsychologiestudentInnen; Rest=alle Nicht-PsychologiestudentInnen; Wirt=WirtschaftsstudentInnen; Jus=RechtstudentInnen; Theo=TheologiestudentInnen; übr.= StudentInnen mit anderen Hauptfächern; m=Männer; w=Frauen; M=Mittelwert; sd=Standardabweichung; min= Minimum; max=Maximum; N=Anzahl ProbandInnen; DES=Dissoziative Erlebnisse Skala (Skalierung: 0 bis 100) Tabelle 22: Deskriptive Werte der DES bei den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen K+NK M sd min max N K 8.15 7.93 5.96 5.72 0.00 0.00 23.57 23.33 88 59 NK 8.58 6.51 1.07 23.57 29 m 8.03 6.00 0.00 23.57 50 w 8.30 6.06 0.36 23.33 37 Legende: K+NK=Gesamtstichprobe der KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; K=KünstlerInnen; NK= Nicht-KünstlerInnen; m=Männer; w=Frauen; M=Mittelwert; sd=Standardabweichung; min=Minimum; max= Maximum; N=Anzahl ProbandInnen; DES=Dissoziative Erlebnisse Skala (Skalierung: 0 bis 100) Die Verteilung der DES erweist sich hier genauso wie bei anderen Studien (vgl. Ross & Ryan, 1989; Ross et al., 1990b; Murphy, 1994) als linksschief, dies trifft sowohl auf die StudentInnen (skewness: -.869) als auch auf die KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen (skewness: -.730) zu. Die Verteilung der DES ist in Abbildung 12 wiedergegeben. Zu beachten ist, dass die Skalierung von 0% bis 100% verläuft. In den folgenden Abbildungen (12-15 und in Anhang 7) spiegelt die y-Achse die Anzahl der Personen (n) wider, die einen bestimmten Wert erreicht haben. Auf der x-Achse sind die Werte der DES abgetragen. Um das Lesen der Abbildungen zu erleichtern, folgende Erklärung: der jeweilige Balken über einer Zahl gibt das N der Probanden an, die einen Wert zwischen der vorangehenden und der jeweils untenstehenden Ziffer aufweisen. Ein Beispiel: Bei den Studenten und Studentinnen besagt der dritte Balken von links, dass im gesamten 22 Personen (13 Männer und 9 Frauen) einen DES-Wert von 4 bis 5.99 (<6) haben. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde jeweils jede zweite Ziffer ausgelassen, d.h. unter dem zweiten Balken von links müsste eine 4 stehen. 112 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Abbildung 12: Verteilung der DES-Werte bei den StudentInnen (links) und den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen (rechts) n 25 S K+NK DES w m 20 15 10 5 0 bis 2 6 10 14 18 22 26 2 6 10 14 18 22 Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala (Skalierung: 0 bis 100); w=Frauen; m=Männer; S=StudentInnen; K+NK=KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; n=Anzahl ProbandInnen 5.3.2 Deskriptive Werte und Verteilung des FEDE Ähnlich wie bei der DES sieht es auch beim Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse aus. Die verschiedenen studentischen Gruppen unterscheiden sich nicht signifikant voneinander. Soziodemographische Variablen bei den K+NK bringen im Gegensatz zur DES Unterschiede beim Zivilstand (ohne vs. mit PartnerIn; p=.015; t=2.53) und bei der Variable Kinder (ja vs. nein; p=.021; t=2.39) hervor. Diese Differenzen können auch aus der Korrelationstabelle in Anhang 7 herausgelesen werden. Der Altersunterschied besteht auch beim FEDE (p=.004; t=2.95; Gesamtstichprobe N=189), was auch im signifikanten (p=.004; t=2.88) Unterschied zwischen den StudentInnen und der gesamten Stichprobe der K+NK zum Tragen kommt. Tabelle 23: Deskriptive Werte des FEDE bei den StudentInnen M sd min max N S 9.64 3.95 1 22 109 Psy 9.63 4.23 4 22 65 Rest 9.66 3.55 1 17 44 Wirt 8.00 4.23 1 16 13 Jus 10.40 3.42 3 17 20 Theo übr. 9.43 11.75 2.15 1.89 6 9 12 13 7 4 m 9.02 3.60 1 18 53 w 10.26 4.22 4 22 54 Legende: S=Gesamtstichprobe der StudentInnen; Psy=PsychologiestudentInnen; Rest=alle Nicht-PsychologiestudentInnen; Wirt=WirtschaftsstudentInnen; Jus=RechtstudentInnen; Theo=TheologiestudentInnen; übr.= StudentInnen mit anderen Hauptfächern; m=Männer; w=Frauen; M=Mittelwert; sd=Standardabweichung; min= Minimum; max=Maximum; N=Anzahl ProbandInnen; FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse (Skalierung: 0 bis 26) Die Standardabweichungen (zwischen 3.5 und 4.5) sowie der Range (von 1 bis 22) liegen bei allen Gruppen innerhalb vergleichbarer Grenzen. 113 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Tabelle 24: Deskriptive Werte des FEDE bei den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen K+NK M sd min max N 7.87 4.50 1 20 87 K 8.13 4.65 1 20 60 NK 7.30 4.20 1 16 27 m 7.56 4.44 1 20 48 w 8.26 4.67 1 18 38 Legende: K+NK=Gesamtstichprobe der KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; K=KünstlerInnen; NK= Nicht-KünstlerInnen; m=Männer; w=Frauen; M=Mittelwert; sd=Standardabweichung; min=Minimum; max= Maximum; N=Anzahl ProbandInnen; FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse (Skalierung: 0 bis 26) Ein Vergleich mit den Studien von Riley (1988) und Gleaves, Eberenz, Warner & Fine (1995) bringt zum Vorschein, dass die Mittelwerte, Standardabweichungen und Ranges des FEDE dieser Untersuchung mit jenen gut übereinstimmen (vgl. Tabelle 3; QED=engl. Version des FEDE). Die Tabellen 23 und 24 listen die einzelnen deskriptiven Daten des FEDE auf. Die Abbildung 13 veranschaulicht die Häufigkeitsverteilung des FEDE bei den Stichproben StudentInnen (S) sowie KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen (K+NK). Die Verteilung ist sichtbar weniger linksschief (S: -.484; K+NK: -.469) als die der DES. Die Skalierung verläuft von 0 bis 26. Abbildung 13: Verteilung der FEDE-Werte bei der StudentInnen (links) und den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen (rechts) n S 30 25 20 15 10 5 0 bis 2 6 K+NK FEDE w m 10 14 18 22 2 6 10 14 18 Legende: FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse (Skalierung: 0 bis 26); w=Frauen; m=Männer; S=StudentInnen; K+NK=KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; n=Anzahl ProbandInnen 114 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil 5.3.3 Deskriptive Werte und Verteilung der KPS So wie die Stichproben ausgewählt wurden, waren unterschiedliche Kreativitätswerte zu erwarten. Die erhaltenen Daten bestätigen das vollends. Überraschend sind die grossen Unterschiede zwischen den verschiedenen Untergruppen bei den StudentInnen. So haben die PsychologiestudentInnen einen erheblich höheren Mittelwert (vgl. Tabelle 25) als die übrigen StudentInnen (p<.000; t=3.80), die StudentInnen der Wirtschaft (p<.05; t=2.64) und des Rechts (p<.000; t=4.60). Ebenso ist die Differenz zwischen den Studierenden in Wirtschaft und Recht signifikant (p<.05; t=2.28). Wegen der kleinen Teilnehmerzahl bei den Theologen und den "übrigen" wurden dort keine Tests durchgeführt. Keine Signifikant unterschiedliche Werte ergaben sich zwischen den Geschlechtern. Überraschenderweise erreichten die Studentinnen höhere Werte, was den Daten von Gough (1979) widerspricht, der die höheren Werte bei Männern mass. Erfreulicherweise konnte bei den KünstlerInnen (vgl. Tabelle 26) eine signifikant (p=.015; t=2.54) höhere Kreativität gemessen werden als bei den Nicht-KünstlerInnen. Zwischen den Geschlechtern - hier zeigen die Männer höhere Kreativität als die Frauen - werden bei einem t-Test keine Unterschiede sichtbar. Tabelle 25: Deskriptive Werte der KPS bei den StudentInnen M sd min max N S 6.70 4.05 -4 16 108 Psy 7.89 3.55 -2 15 64 Rest 4.98 4.16 -4 16 44 Wirt 5.77 2.42 -4 9 13 Jus 3.15 4.16 3 10 20 Theo übr. 6.00 9.75 3.79 5.32 0 4 12 16 7 4 m 6.46 3.81 -2 15 52 w 7.04 4.26 -4 16 54 Legende: S=Gesamtstichprobe der StudentInnen; Psy=PsychologiestudentInnen; Rest=alle Nicht-PsychologiestudentInnen; Wirt=WirtschaftsstudentInnen; Jus=RechtstudentInnen; Theo=TheologiestudentInnen; übr.= StudentInnen mit anderen Hauptfächern; m=Männer; w=Frauen; M=Mittelwert; sd=Standardabweichung; min= Minimum; max=Maximum; N=Anzahl ProbandInnen; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala (Skalierung: -12 bis 18) Tabelle 26: Deskriptive Werte der KPS bei den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen K+NK M sd min max N 8.34 2.93 -2 13 90 K 8.93 2.50 2 13 59 NK 7.17 3.38 -2 13 30 m 8.56 2.60 2 13 50 w 7.97 3.28 -2 13 39 Legende: K+NK=Gesamtstichprobe der KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; K=KünstlerInnen; NK= Nicht-KünstlerInnen; m=Männer; w=Frauen; M=Mittelwert; sd=Standardabweichung; min=Minimum; max= Maximum; N=Anzahl ProbandInnen; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala (Skalierung: -12 bis 18) 115 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Zwischen StudentInnen und der K+NK-Gruppe findet sich eine Signifikanz von den KünstlerInnen zu den StudentInnen allgemein (p<.000; t=4.66), zu Nicht-PsychologInnen (p<.000; t=6.37) und eine Tendenz zu den PsycholgiestudentInnen (p=.060). Die Interpretation der gefundenen Ergebnisse muss allerdings mit Vorsicht genossen werden. Zum einen erhielten die restlichen Studierenden (Wirt, Jus, Theo) einen KPS mit einer Zwei-Punkte-Skalierung vorgelegt, wärend die PsychologiestudentInnen eine VierPunkte-Skalierung bekamen (vgl. Anhang 1). Zwar hat die Skalierung keinen Einfluss auf die Berechnung des KPS-Wertes, da jedes Item entweder einen positiven oder negativen Punkt ergibt, die zu einem Score addiert werden (siehe Kptl. III, 1.2.3.2), doch ist ein Einfluss beim Ausfüllen des Erhebungsinstrumentes denkbar. Die K+NK-Stichprobe füllte die Vier-Punkte-Version aus, hatte aber die Version mit den fünf neuübersetzten Adjektiven (siehe Kptl. III, 5.1.3). Eine kurze Berechnung der KPSWerte ohne die fünf veränderten Items (vgl. Anhang 7) führte zu 1.5 bis 2 Punkte höheren Mittelwerten; die Standardabweichung änderte sich nur geringfügig. Positiv ist dabei die Zunahme der Reliabilität zu bewerten (K+NK: α=.75; ¢: α=.68; ™: α=.81; K: α=.73; NK: α=.67; bei den StudentInnen: S: α=.78; ¢: α=.76; ™: α=.80; Psy: α=.77; Rest: α=.70; vgl. mit Tabelle 20; siehe auch Anhang 7). Der Unterschied zwischen K und NK bleibt auch bei der alternativen Auswertung bestehen (p=.024; t=2.32). Abbildung 14: Verteilung der KPS-Werte bei den StudentInnen (links) und den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen (rechts) n S 30 25 20 15 10 5 0 bis -2 2 KPS N+NK w m 6 10 14 0 4 8 12 Legende: KPS=Kreative Persönlichkeit Skala (Skalierung: -12 bis 18); w=Frauen; m=Männer; S=StudentInnen; K+NK=KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; n=Anzahl ProbandInnen Die gemessenen soziodemographischen Daten haben ausser einem signifikanten Einfluss des Alters bei StudentInnen (r=.26; p=.011) keinen Einfluss auf die Kreativität. Die KPSWerte der KünstlerInnen korrelieren mit dem Alter nicht signifikant mit r=.21, die der Nicht-KünstlerInnen mit r=-.23. Im Vergleich mit den Stichproben von Gough (1979) kann festgestellt werden, dass in der 116 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil vorliegenden Studie um ca. einen Punkt erhöhte Mittelwerte erhalten wurden. Es darf vermutet werden, dass die Unterschiede durch die Übersetzung zustande kamen. Wie bei Gough (1979) sind die Psychologiestudenten und -studentinnen unter den Universitätsbesuchern diejenige Gruppe mit den höchsten Werten. Weil Gough in seiner Stichprobe keine Künstler oder Künstlerinnen hatte, können hier keine Vergleiche gezogen werden, doch bestätigt der hohe Mittelwert bei der KünstlerInnenpopulation die Validität des Instrumentes. Die KPS, Werte zwischen von -12 und +18, ist in beiden Populationen rechtsschief verteilt (S: .572; K+NK: .888). Eine grafische Veranschaulichung stellt die Abbildung 14 dar. 5.3.4 Deskriptive Werte und Verteilung der CAT Die Consensual Assessment Technique, die nur bei der K+NK-Stichprobe verwendet wurde, zeigte sich im Hinblick auf die Messung von Kreativität als nicht besonders erfolgreich, was auch die tiefe Korrelation von r=.07 mit der KPS zu erkennen gibt. Tabelle 27: Deskriptive Werte der CAT bei den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen K+NK M sd min max N 4.55 1.50 1.17 7.67 83 K 4.50 1.40 1.17 6.83 53 NK 4.61 1.68 1.40 7.67 30 m 4.59 1.43 1.17 7.37 44 w 4.44 1.59 1.40 7.67 38 Legende: K+NK=Gesamtstichprobe der KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; K=KünstlerInnen; NK= Nicht-KünstlerInnen; m=Männer; w=Frauen; M=Mittelwert; sd=Standardabweichung; min=Minimum; max= Maximum; N=Anzahl ProbandInnen; CAT=Consensual Assessment Technique (Skalierung: 0 bis 10) Abbildung 15: Verteilung der KünstlerInnen CAT-Werte n 25 bei K+NK den KünstlerInnen und Nicht- CAT w m 20 15 10 5 0 1 2 3 4 5 6 7 Legende: CAT=Consensual Assessment Technique (Skalierung: 0 bis 10); w=Frauen; m=Männer; K+NK=KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; n=Anzahl ProbandInnen 117 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Die Werte von K und NK sind fast identisch und weisen keine signifikanten Unterschiede auf, was schon alleine die Betrachtung der Tabelle 27 erkennen lässt. Auch zwischen den Geschlechtern ist kein Unterschied zu verzeichnen. Die Skalierung verläuft von 0 bis 10, doch wurde von den RaterInnen selten die ganze Bandbreite ausgenützt, was sich auch deutlich auf die (ein wenig rechtsschiefe) Verteilung (skewness: .407; siehe Abbildung 15) auswirkt. Mehr als die Hälfte (46 von 83) der Mittelwerte befinden sich innerhalb der Spanne von 4.00 bis 5.99. 5.3.5 Deskriptive Werte und Verteilung von Psychotizismus, Depression und Ängstlichkeit (P-14, BDI, STAI) Unter den studentischen Teilstichproben konnten bei der Psychotizismusskala P-14 keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden, ebensowenig bei der K+NK-Gruppe, allerdings gibt es eine Tendenz (p=.095), die bei den NK auf tiefere Werte zeigt. Im Vergleich zu Baumann & Dittrich (1975) wurden in den vorliegenden Stichproben in etwa die selben Werte erreicht. Die K+NK-Gruppe hat einen etwas tieferen Durchschnittswert, was auf das höhere Alter dieser Stichprobe zurückzuführen ist. So korreliert der Psychotizismus negativ mit dem Alter (r=-.15; p=.039 bei N=189), wobei t-Tests zwischen den verschiedenen Altersgruppen (bis 30; 31 bis 60; über 60) statistisch keine wesentlichen Differenzen ans Licht brachten. Im Gegensatz zu Baumann et al. (1975) zeigt sich auch kein signifikanter Geschlechtsunterschied. Nur 13 von 109 Studierenden (12%) haben einen Wert von 5 oder mehr31, bei den K+NK sind es mit 9 von 87 (9%) noch etwas weniger. Die Verteilung ist also extrem linksschief (S: -.1.725; K+NK: -.9.58), wie dies auch Baumann et al. (1975) in ihren Daten fanden. Das Beck Depressions-Inventar (BDI) und das State-Trait-Angst-Inventar (STAI) wurde den StudentInnen nicht vorgegeben. Bei allen drei Gesamtsocres (BDI, STAI-state, STAItrait) unterscheiden sich die K und NK nicht signifikant voneinander. Die BDI-Werte der K und der NK liegen auf der der Eichstichprobe (Hauzinger et al., 1992) entsprechenden Höhe, deren Mittelwert 6.45 (sd 5.2) ist. Das Handbuch zum BDI (Hauzinger et al., 1992) gibt als klinisch relevant einen Punktwert von 18 und mehr an. Damit befinden sich in der Stichprobe zur Zeit der Erfassung zwei depressive Probandinnen, je eine in der K- und eine in der NK-Gruppe. Mit einer Schiefe von -.666 ist auch die Verteilung der Depressionswerte linksschief, in diesem Falle hat die der NK (-.933) eine stärkere Ausprägung als die der K (-.598), was auch in dem etwas höheren Wert bei den letzteren zum Ausdruck kommt. 31 Bei Baumann et al. (1975) beträgt der Mittelwert der Stichprobe psychiatrischer PatientInnen verschiedener Diagnosen 4.89 (sd 2.98). 118 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Die Mittelwerte des STAI stimmen mit denen der Eichstichprobe (Laux et al., 1981) relativ gut überein. Jeweils weniger als zehn Prozent der K+NK-Stichprobe erreichen Werte (state, trait, Frauen, Männer), die eine Standardabweichung der Eichstichprobe übertreffen. Sowohl die Zustands- (skewness: -.1.029) als auch die Eigenschaftsangst (skewness: .238) sind in dieser Studie linksschief, wie das auch bei Laux et al. (1981) der Fall ist. Die Tabellen und Abbildungen zu den Resultaten der drei Fragebogen befinden sich im Anhang 7. 5.4 Die Überprüfung der Hypothesen 5.4.1 Sind KünstlerInnen dissoziativer als Nicht-KünstlerInnen? Hypothese 1: KünstlerInnen erreichen höhere Werte auf den Instrumenten zur Messung dissoziativer Erlebnisse als Nicht-KünstlerInnnen. Gruppenunterschiede mit t-Tests gemessen ergaben sowohl auf der DES als auch auf dem FEDE keine signifikanten Unterschiede bei dissoziativen Erlebnissen zwischen KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen. Auch die BMK-Gruppe (BildhauerInnen, (Kunst)MalerInnen, KünstlerInnen) zeigte keine signifikant höheren Mittelwerte. Einzig die Künstlerinnen können auf dem FEDE eine Tendenz vorweisen (p=.070; t=35.02), mehr dissoziative Erlebnisse zu haben als Nicht-Künstlerinnen. Ebenfalls der Hypothese widersprechen die Vergleiche der K-Gruppe mit den StudentInnen: Die StudentInnen haben jeweils tiefere Werte der Kreativität und höhere Dissoziationswerte als die KünstlerInnen. Über alle Studierenden hinweg sind beide Unterschiede signifikant, bei den Dissoziationswerten auf dem 5%-Niveau, bei den Kreativitätswerten auf dem 0.1%-Niveau. Zumindest in der Tendenz hält sich dieses Muster auch bei den einzelnen Gruppen (Psychologie, Nicht-Psychologie). Ein interessantes Muster deutet sich an, wenn man die Werte der KPS in drei gleich grosse Gruppen teilt (vgl. Anhang 8) und die Dissoziationswerte von K und NK jeweils vergleicht. Im untersten Drittel (KPS=-12 bis 7) stellt sich ein signifikanter Unterschied beim FEDE ein, der in Tabelle 28 zu sehen ist. Das selbe Bild tritt auch bei den Künstlerinnen in den CAT-Werten auf (unteres Drittel des CAT=0 bis 4.25), allerdings ist das N relativ klein. Die BMK-Frauen unterscheiden sich im t-Test von den NK-Frauen mit einer Tendenz von p=.059. Allgemein sieht es so aus, dass im unteren Drittel der Kreativität die Dissoziation bei KünstlerInnen mit zunehmender Kreativität zunimmt, im Mittleren Drittel ist diese Zunahme weniger gross oder hat sich in ihr Gegenteil verkehrt, wobei die t-Tests nicht 119 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil mehr signifikant werden, und im oberen Drittel hat sich beim DES das Ganze (ebenfalls nicht signifikant) umgedreht, d.h. je kreativer die Probanden werden, desto weniger dissoziativ sind sie. Beim FEDE bleibt die Richtung höhere Kreativität - höhere Dissoziation im allgemeinen über alle drei Drittel erhalten, jedoch weit weg von einer Signifikanz und oft mit unter 5 Personen pro Gruppe, was eine gruppenstatistische Auswertung nicht mehr zulässt. Tabelle 28: t-Test beim FEDE im unteren Drittel der KPS-Werte (-12 bis 7) und im unteren Drittel der CAT-Werte (0 bis 4.25) Gruppe K N M sd se t 15 8.67 3.92 1.01 13 5.23 3.30 .91 df 2.52 NK Gruppe KFrauen N M sd se 11.75 5.34 1.89 7 6.14 3.53 1.34 df 2.43 NKFrauen 25.98 .018 KPS t 8 p p 12.29 .032 CAT Legende: KPS=Kreative Persönlichkeit Skala (Skalierung: -12 bis 18); CAT=Consensual Assessment Technique (Skalierung: 0 bis 10); N=Anzahl ProbandInnen; M=Mittelwert; sd=Standardabweichung; se=Standardfehler; t=t-Wert; df=Freiheitsgrade; p=Signifikanz; K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen; FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse (Skalierung: 0 bis 26) Der grösste Teil der durchgeführten einfaktoriellen Varianzanalysen (ANOVA) brachte keine signfikanten Ergebnisse. Die oben beschriebene Tendenz, dass Künstlerinnen auf dem FEDE mit 9.63 mehr Dissoziationen erleben als Nicht-Künstlerinnen (6.89), wird mit einer ANOVA (p=.033) signifikant. Dabei konnte 13% der Varianz aufgeklärt werden. Varianzanalysen zwischen KünstlerInnen und StudentInnen brachten, wie schon bei den tTests gesehen, zum Ausdruck, dass die StudentInnen signifikant mehr dissoziative Erlebnisse haben, was grösstenteils auf das unterschiedliche Alter zurückgeführt werden kann. Die Hypothese 1 muss als Ganzes verworfen werden. Doch darf Beachtung finden, dass die Künstlerinnen beim FEDE der Hypothese entsprechend mehr dissoziative Erlebnisse angeben als Nicht-KünstlerInnen. Auch im Sinne der Hypothese 1 ist der signifikante Unterschied im FEDE zwischen K und NK bei tiefen Kreativitätswerten. Somit ist die Hypothese 1.1 (DES) völlig und die Hypothse 1.2 (FEDE) mit Vorbehalt abzulehnen. 120 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen 5.4.2 III Empirischer Teil Sind kreativere Menschen dissoziativer als weniger kreative Menschen? Hypothese 2: Je höher die Kreativitätswerte der ProbandInnen sind, desto höhere Werte werden auf den Dissoziationsskalen erreicht. Tabelle 29: Korrelationstabellen dissoziative Erlebnisse und Kreativität KPS CAT KPS CAT alle m w alle m w DES Total S psy rest K+NK K NK BMK -.03 .03 -.01 -.06 .06 -.13 .36 .01 -.14 -.20 -.30 -.15 .04 -.11 .44 -.22 .07 .19 .13 -.02 .10 -.24 .27 .19 -.09 -.05 -.16 .07 -.16 -.07 -.45 .05 -.01 -.01 -.01 .14 alle m w alle m w FEDE Total S psy rest K+NK K NK BMK -.06 -.02 -.08 .02 .03 -.20 * .39 -.20 -.15 -.06 -.21 .06 -.18 -.27 .27 -.32 .02 -.04 -.01 -.07 .25 -.17 .42 .07 -.15 -.17 -.09 -.11 -.23 -.14 -.59 .07 -.21 -.21 .11 -.25 Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala; FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala; CAT=Consensual Assessment Technique; Total=Gesamtstichprobe (S + K+NK); S=StudentInnen; psy=PsychologiestudentInnen; rest=StudentInnen anderer Hauptfächer; K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen; BMK=BildhauerInnen, (Kunst-)MalerInnen, KünstlerInnen; alle=Frauen und Männer; m=Männer; w=Frauen *=p<.05 Die Tabelle 29 zeigt uns die Korrelationen zwischen den dissoziativen Erlebnissen und der Kreativität. Bei der DES liegen die Korrelationen mit der KPS je nach Stichprobe und Geschlecht zwischen r=-.30 und r=.44, beim FEDE zwischen r=-.32 bis r=.42. Im generellen (Total) lässt sich feststellen, dass Dissoziation mit Kreativität keine oder nur eine sehr geringe Korrelation aufweist. Interessanter wird es bei den einzelnen Teilstichproben. Die Studenten, besonders in Psychologie, haben einen deutlichen negativen Zusammenhang. Die Studentinnen hingegen weisen einen - wenn auch weniger klaren - positiven Zusammenhang auf, wobei dies nicht für die "restlichen" Studentinnen zutrifft, die um Null herum korrelieren. Bei der KünstlerInnenpopulation sieht das Bild anders aus; Männer und hier sogar stärker die Frauen korrelieren negativ zwischen Dissoziation und Kreativität. Bei der KünstlerInnenuntergruppe der BMK ist die Korrelation bei den Männern deutlicher als bei den KünstlerInnen allgemein, doch wird sie bei den BMK-Frauen positiv. Einen beinahe 121 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil signifikant positiven Zusammenhang (r=.36) weisen die Nicht-KünstlerInnen vor, wobei hier die Männer im Gegensatz zu den Künstlern (r=-.11) eine beachtliche Korrelation von r=.44 haben. Beim FEDE kann man ein vergleichbares Muster herauslesen, wobei einige Unterschiede auftreten. Die studierenden Frauen haben nur geringe und meist negative Korrelationen zwischen dem FEDE und der KPS, ebenso bei der BMK-Gruppe. Die einzige signifikante Korrelation im Sinne der Hypothese ist die bei den Nicht-KünstlerInnen mit r=.39 auf dem 5%-Niveau. Die Zusammenhänge von DES und FEDE mit der CAT sind mit einer deutlichen Ausnahme (NK-Männer; N=10) klein und fast ausschliesslich negativ. Keine der Korrelationen ist signifikant. Der t-Test in Tabelle 28 gibt der Hypothese 1 bei wenig kreativen KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen (KPS-Werte im unteren Drittel) recht, dass K mehr dissoziative Erlebnisse aufweisen als NK. Die Korrelationen oben stimmen damit in dem Sinne überein, dass die NK, die signifikant tiefere Kreativitätswerte auf der KPS haben, der Hypothese 2 rechtgeben, d.h. deutlich positive Korrelationen von Dissoziation mit Kreativität haben. In Tabelle 30 und 31 sind Partialkorrelationen zwischen Dissoziation und Kreativität wiedergegeben. Einerseits wurden die psychologischen Konzepte Depression, Zustandsund Eigenschaftsangst sowie Psychotizismus herauspartialisiert, andererseits Alkohol-, Nikotin- und Medikamentenkonsum und zusätzlich noch Alter und Geschlecht. Die Kontrolle der psychologischen Konzepte brachte keine grossen Veränderungen. Ein kleiner positiver Einfluss zeigt sich allgemein bei der Kontrolle von Depression und Eigenschaftsangst. Die signifikante Korrelation des FEDE mit der KPS steigt bei der NKGruppe auf r=.43, und in der selben Gruppe wird der Zusammenhang DES-KPS signifikant (p<.05) mit r=.35 (Kontrolle von BDI) und r=.38 (Kontrolle von Eigenschaftsangst). Das Herauspartialisieren von Medikamenten und Rauschmitteln (siehe Tabelle 31) führt zu einer Erhärtung der oben beschriebenen Resultate, der Zusammenhang Dissoziation und Kreativität ist in der K-Gruppe negativ (für den FEDE bei Nikotin und Schmerzmittel sogar signifikant), bleibt in der NK-Stichprobe beim FEDE positiv und erhält bei der DES mit einer Ausnahme (Beruhigungsmittel) mindestens eine Tendenz. Keine Überraschungen zeigten sich auch bei den StudentInnen. Die Partialkorrelationen von KPS mit DES und FEDE bei Kontrolle von Alkohol (r=-.02 bzw. r=-.07) und Nikotin (r=-.06 bzw. r=-.13) sind ein wenig stärker negativ, als die parametrischen Korrelationen. 122 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Partialkorrelationen der dissoziativen Erlebnisse mit der CAT brachten keine signifikanten Ergebnisse. Im Anhang 7 sind die Tabellen 30 und 31 in ausführlicheren Versionen aufgeführt. Tabelle 30: Partialkorrelationen von DES und FEDE mit der KPS KPS kontr. K+NK K NK BMK für DES FEDE DES FEDE DES FEDE DES FEDE BDI .02 .01 -.14 -.22 * .35 * .43 -.04 -.11 state .03 .03 -.12 -.21 .27 * .38 .16 -.04 trait .09 .10 -.08 -.15 * .38 * .43 .13 -.04 P14 .04 .05 -.03 -.09 .22 .30 .13 -.03 Psych .07 .09 -.07 -.08 .22 .33 .18 -.04 Alter .05 .06 -.10 -.15 .29 * .38 -.04 -.06 Geschl .02 .05 -.13 -.19 .28 * .36 -.07 -.12 A+G .05 .06 -.11 -.16 .27 * .36 -.05 -.09 Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala; FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala; BDI=Beck Depressions-Inventar; state=Zustandsangst; trait=Eigenschaftsangst; P-14=Psychotizsimusskala; Psych=BDI, state, trait und P-14; A+G=Alter und Geschlecht; kontr. für=kontrolliert für; K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen; BMK=BildhauerInnen, (Kunst-)MalerInnen, KünstlerInnen; Die selbe Tabelle inkl. Partialorrelationen von DES und FEDE mit CAT sowie Angaben zu grösseren Unterschieden zwischen den Geschlechtern befindet sich im Anhang 7. kurisiv=p<.10; *=p<.05 Tabelle 31: Partialkorrelationen zwischen KPS und DES bzw. FEDE unter Kontrolle von Rauschmittel und Medikamentenkonsum KPS kontr. K+NK K NK für DES FEDE DES FEDE DES FEDE Alkohol .14 .10 -.10 -.27 .40 * .49 Nikotin .08 .07 -.17 * -.31 * .41 * .49 Schmerz .08 .02 -.17 **-.41 .40 * .48 Beruh .06 .06 -.15 -.29 .30 .42 Schlaf .09 .07 -.13 -.28 .40 * .50 Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala; FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala; Schmerz=Schmerzmittel; Beruh=Beruhigungsmittel; Schlaf=Schlafmittel; kontr. für=kontrolliert für; K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen; BMK=BildhauerInnen, (Kunst-)MalerInnen, KünstlerInnen; Eine detailliertere Tabelle mit den Partialkorrelationen von Frauen und Männern sowie zwischen CAT und DES bzw. FEDE befindet sich im Anhang 7. kursiv=p<.10; *=p<.05 Wie t-Tests belegen (Kptl. III, 5.3.3), sind die Künstler und KünstlerInnen die signifikant kreativste Stichprobe, stärker noch werden die Unterschiede im Vergleich mit der Untergruppe BMK. Wie unter den Geschlechtern getrennt durchgeführte Tests zeigen, sind die Unterschiede zwischen K und NK in erster Linie auf die weibliche Population zurückzuführen, da diese eine noch höhere Signifikanz hervorbringt, während die Männner alleine 123 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil ohne signifikante Unterschiede dastehen. Diese Resultate sollten sich in den Daten der Dissoziationsmessinstrumente spiegeln, damit die Hypothese 2 angenommen werden kann. Das ist allerdings nicht der Fall. Bei der DES hat die NK-, beim FEDE die KGruppe höhere (nicht signifikante) Werte. Die StudentInnen haben signifikant mehr dissoziative Erlebnisse als die KünstlerInnen (DES: p=.032; t=2.17; FEDE: p=.036; t=2.13). Dies gilt im Trend auch für die Studierenden der Psychologie und der restlichen Hauptfächer. Im Gegensatz zu den Differenzen in der Kreativität sind es hier nicht die Frauen, die den signifikanten Unterschied ausmachen, sondern die Männer. Zu den NK unterscheiden sich die StudentInnen nur beim FEDE, wobei es hier wiederum die Frauen sind, die den Unterschied tragen. Die Vergleiche der KPS-Werte bei Probanden mit tieferen (bis 5.4) vs. höheren (über 11.3) Dissoziationswerten (DES) - die Aufteilung, eine Dreiteilung der K+NK-Stichprobe bzw. der StudentInnenstichprobe (vgl. Anhang 8) - bestätigt die Resultate der Korrelationsanalyse. In der Nicht-KünstlerInnengruppe bringt ein t-Test eine Signifikanz von p=.031 (vgl. Tabelle 32). Weniger deutlich kommt das auch bei den nichtpsychologischen StudentInnen zutage (p=.081). Tabelle 32: t-Test mit der KPS zwischen Probanden mit tiefen und hohen DES-Werten in der NK-Gruppe Gruppe N M sd 9 5.11 bei Nicht-KünstlerInnen DES>11.3 9 8.89 DES<5.4 se 3.91 t df 1.31 2.39 2.67 p .89 14.10 .031 KPS Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala (Skalierung: 0 bis 100); KPS=Kreative Persönlichkeit Skala (Skalierung: -12 bis 18); N=Anzahl ProbandInnen; M=Mittelwert; sd=Standardabweichung; se=Standardfehler; t=t-Wert; df=Freiheitsgrade; p=Signifikanz In einer Reihe einfaktorieller Varianzanalysen wurde, wenn auch nur in der Tendenz (Haupteffekt: p=.084), wiederum bei den NK-Frauen (KPS bei DES und QED) eine erhöhte Dissoziation bei höheren Kreativitätswerten gefunden (DES: 4.43, 8.25, 7.50; FEDE: 4.75, 9.00, 7.33). Dieselbe Analyse bei den Frauen der BMK-Gruppe erreichte beinahe Signifikanz mit p=.059 auf der DES und einem Interaktionseffekt (p=.057) zwischen DES und FEDE. Der Gesamteffekt ist nicht signifikant (p=.143). Hier ist anzufügen, dass die unabhängigen Variablen jeweils gebildet wurden durch Dreiteilung der Werte der jeweiligen Gesamtstichprobe in drei etwa gleich grosse Gruppen. Das geschah einmal für die komplette Stichprobe mit sämtlichen TeilnehmerInnen und einmal für die K+NK-Gruppe. Eine Aufstellung in Anhang 8 gibt darüber Auskunft. Stellvertretend für eine Folge von Varianzanalysen wird hier eine Analyse mit sämtlichen 124 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil ProbandInnen dargestellt, mit der KPS als abhängigen Variable und den unabhängigen Variablen DES, FEDE, Alter und Geschlecht. In Tabelle 33 sind die Ergebnisse der ANOVA aufgelistet. Interaktionseffekte gab es keine. Die Haupteffekte sind mit F=4.52 sehr signifikant (p<.000). Im Einzelnen findet sich ein Effekt bei der DES (F=3.78; p=.025) und beim Alter (F=8.58; p<.000). Keine Unterschiede sind zwischen den Geschlechtern und beim FEDE zu melden. Die Analyse kann dabei 15.9% der Varianz aufklären. Die Mittelwerte der KPS sinken bei steigenden DES-Werten und werden grösser bei steigendem Alter. Dieses Resultat widerspricht deutlich der Hypothese 2. Wie wir bereits bei den Korrelationen festgestellt haben, gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede. Das zeigt sich dann auch darin, dass dieselbe ANOVA ohne die Variablen Alter und Geschlecht bei den Männern wiederum signifikante Ergebnisse liefert (Haupteffekt: F=4.78; p=.001; DES: p=.004; Varianzaufklärung: 16.8%), und die Hypothese widerlegt, bei den Frauen aber keine Signifikanzen auftreten. Die Studierenden - alle StudentInnen und Nicht-PsychologiestudentInnen (Rest) - zeigen signifikante, der Hypothese widersprechende Ergebnisse. Das ist auch bei den Männern dieser Gruppen, jedoch nicht bei den Studierenden der Psychologie (Frauen und Männer) und auch bei keiner der Frauengruppen der Fall. Zu beachten ist auch, dass bei den StudentInnen das Alter ziemlich homogen ist und keinen Einfluss hat. Tabelle 33: ANOVA mit KPS bei DES, FEDE, Alter und Geschlecht Quelle der Varianz Haupteffekte DES FEDE Alter Geschlecht 2-Weg-Interaktionen DES - FEDE DES - Alter DES - Geschlecht FEDE - Alter FEDE - Geschlecht Alter - Geschlecht erklärte Varianz Fehlervarianz totale Varianz QS df 383.843 7 91.569 2 6.810 2 207.895 2 .486 1 Varianz F 54.835 4.524 45.784 3.778 3.405 .281 103.948 8.577 .486 .040 p .000 .025 .755 .000 .842 171.545 31.238 18.135 17.332 26.343 4.875 12.952 18 4 4 2 4 2 2 9.530 7.810 4.534 8.666 6.586 2.438 6.476 .786 .644 .374 .715 .543 .201 .534 .714 .632 .827 .491 .704 .818 .587 555.388 2011.862 2567.250 25 12.120 13.441 22.216 1.833 .013 Legende: QS=Quadratsumme; df=Freiheitsgrade; F=F-Wert; p=Signifikanz; DES=Dissoziative Erlebnisse Skala; FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse 125 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil In der Abbildung 16 werden die Verläufe der Kreativitätswerte aller Probanden über die Dissoziation (DES) gezeigt. Sind beim FEDE keine wesentlichen Unterschiede in der Kreativität bei den verschiedenen Dissoziationswerten zu sehen, so kann bei der DES die Beobachtung gemacht werden, dass die Kreativität bei steigender Dissoziation zuerst sinkt und dann wieder steigt. Mehr darüber in Kapitel III, 6.3. Varianzanalysen mit der CAT als abhängige Variable brachten keine signifikanten Haupteffekte. Bei den KünstlerInnen ist eine Tendenz (p=.074) auf dem FEDE erreicht worden. Die CAT-Bewertungen steigen bei mittleren Dissoziationswerten, sinken dann aber bei höheren Dissoziationswerten unter den ersten Wert. Abbildung 16: Verlauf der Kreativität (KPS) über die Dissoziation (DES) bei sämtlichen TeilnehmerInnen KPS 10 8 6 4 2 Total m w 0 DES tief mittel hoch Legende: Total=alle UntersuchungsteilnehmerInnen; m=Männer; w=Frauen; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala (Skalierung: -12 bis 18); DES=Dissoziative Erlebnisse Skala (Skalierung: 0 bis 100); tief=0 bis 4; mittel=4.01 bis 10; hoch=10.01 bis 27.75 Im weiteren wurden Analysen im umgekehrten Sinne durchgeführt, d.h. es wurde untersucht, ob Dissoziation bei steigender Kreativität auch steigt. Über sämtliche Untersuchungsteilnehmer gerechnet erbrachte eine Analyse mit dem FEDE über KPS, Alter und Geschlecht einen signifikanten Haupteffekt von p=.049 mit einer geringen Varianzaufklärung von 5.9%. Die Werte des KPS steigen zuerst an und sinken dann wieder unter das vorherige Niveau ab. Fast eine Tendenz (p=.107) erreichte das Alter, das bei sinkender Dissoziation wie bereits bekannt zunimmt, und eine leichte Tendenz (p=.091) ist beim Geschlecht, mit höheren Werten bei den Frauen, zu entdecken. Der Haupteffekt ist wiederum bei Männern stärker vorhanden. In einer Analyse nur mit der KPS als unabhängiger Variable ergibt sich eine Tendenz mit p=.052. Bei den StudentInnen wird ein Alters(p=.034) und ein Geschlechtsunterschied (p=.041) signifikant. Die einfaktorielle Varianzanalyse mit dem FEDE bei KPS, Alter und Geschlecht klärt die Varianz mit 10.0% auf und hat einen tendenziellen Haupteffekt (p=.059). Die selben ANOVAs bringen bei den PsychologiestudentInnen den Altersunterschied (p=.066) und bei den "restlichen" StudentInnen den Geschlechtsunterschied (p=.058) in der Tendenz zum Vorschein. 126 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil In der K+NK-Stichprobe trat vor allem ein Resultat deutlich hervor. Die Daten der NichtKünstlerInnen verhalten sich im Sinne der Hypothese, während bei den KünstlerInnen dies nicht der Fall ist. Zwar zeigt eine Varianzanalyse mit FEDE bei KPS und CAT bei allen (K+NK) eine Tendenz im Haupteffekt, wozu sowohl KPS als auch CAT mithelfen, doch Tests bei den beiden Gruppen getrennt lassen nur die Daten der NK signifikant werden. Mit dem FEDE als abhängige Variable und der KPS und der CAT als unabhängige werden die folgenden Signifikanzen erreicht: bei allen Nicht-KünstlerInnen p=.026 (inkl. Alter und Geschlecht als unabhängige Variable p=.048), bei deren Männern p=.008, bei deren Frauen p=.043. Einige t-Tests zwischen den zwei Gruppen mit tieferen (bis 6) und mittleren KPS-Werte (6 bis 9) verdeutlichen den Unterschied. Wie in Tabelle 35 zu erkennen ist, haben NK signifikant (p=.009; t=2.90) mehr dissoziative Erlebnisse (FEDE) bei mittlerer Kreativität als bei tieferer. Dasselbe Resultat fand sich auch bei den Nicht-Künstlerinnen alleine. Auf der DES werden keine Signifikanzen erreicht, sondern für alle NK nur eine leichte Tendenz (p=.099). Obwohl die Differenz auch bei den NK-Männern besteht, wurde der kleinen Anzahl wegen (KPS tief: N=4 mit FEDE: 6.75 vs KPS mittel:. N=3 mit FEDE: 9.67) keine Berechnung durchgeführt. Tabelle 34: t-Test zwischen KPS tief (<6) und KPS mittel (6-9) mit den Dissoziationswerten (DES, FEDE) bei Nicht-KünstlerInnen Gruppe KPS <6 KPS 6-9 Gruppe KPS <6 KPS 6-9 Gruppe KPS <6 KPS 6-9 Gruppe KPS <6 KPS 6-9 N M sd 13 5.23 bei Nicht-KünstlerInnen 11 9.82 N M se 3.26 M 2.90 4.29 sd N M 18.62 df p 1.09 3.17 14.32 .007 FEDE 1.27 4.52 t df p 1.25 1.74 7.69 9 5.91 4.96 bei Nicht-Künstlerinnen (weiblich) 8 9.02 5.43 .009 FEDE t se sd p .13 se sd 13 6.10 bei Nicht-KünstlerInnen 12 10.54 df .91 9 4.56 3.28 bei Nicht-Künstlerinnen (weiblich) 8 9.88 3.60 N t 17.52 .099 DES 2.21 se t df p 1.65 1.23 1.92 14.34 .240 DES Legende: KPS=Kreative Persönlichkeit Skala (Skalierung: -12 bis 18); DES=Dissoziative Erlebnisse Skala (Skalierung: 0 bis 100); FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse (Skalierung: 0 bis 26); N=Anzahl ProbandInnen; M=Mittelwert; sd=Standardabweichung; se=Standardfehler; t=t-Wert; df=Freiheitsgrade; p=Signifikanz 127 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Die Hypothese 2 als ganzes kann nicht angenommen werden. Dies gilt sowohl für die Hypothese 2.1 (KPS) als auch besonders für die Hypothese 2.2 (CAT). Es bleibt aber festzuhalten, dass je nach Stichprobe unterschiedliche Ergebnisse auftreten. So hat die NK-Gruppe die Hypothese 2.1 zumindest in Hinsicht auf den FEDE erfüllt, und auch bei der DES zeigen sich Hinweise in die vermutete Richtung. Besonders bei tieferen Kreativitätswerten (KPS) stimmen die Daten mit der Hypothese überein. Hingegen sagen die Daten der KünstlerInnen, die auch die höheren KPS-Werte haben, genau das Gegenteil. Im Weiteren lässt besonders die Korrelationsanalyse eine leise Vermutung aufkommen, dass sich die Ergebnisse bei den Frauen im Gegensatz zu jenen der Männern in Richtung der Hypothese bewegen. 5.4.3 Depression, Ängstlichkeit und Psychotizismus bei dissoziativen Erlebnissen Hypothese 3: Je höher die Depressions-, Ängstlichkeits- und Psychotizismuswerte der ProbandInnen sind, desto höhere Werte werden auf den Dissoziationsskalen erreicht. Die jeweiligen Zusammenhänge zwischen Dissoziation und Depression, Ängstlichkeit sowie Psychotizismus (siehe Tabelle 35) sind bei allen Männergruppen positiv, bei den Künstlern immer signifikant. Die NK können nur bei der Depression ein signifikantes Ergebnis vorweisen. Die Zusammenhänge bei den NK-Frauen sind meist deutlich stärker und positiv, bei den K- (auch BMK-)Frauen im Generellen nahe bei Null und negativ. Nicht so in das Muster passt die Zustandsangst. Zwar liegen bei den Männern praktisch keine Unterschiede vor, die Frauen (auch der NK-Stichprobe) hingegen zeigen stärker negative Korrelationen. 128 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Tabelle 35: Korrelationen von DES und FEDE mit BDI, STAI und P-14 DES BDI alle m w FEDE K+NK K NK BMK K+NK K NK BMK ***.44 * .45 ** .47 ** .45 ***.37 * .32 * .47 * .32 ***.60 ***.66 * .67 ** .71 ***.57 ***.55 .70 ** .65 .26 .13 .39 .08 .15 -.08 .36 -.17 DES STAI state trait K+NK alle m w alle m w P-14 alle m w P-14 alle m w .19 ** .44 -.13 ** .35 ***.48 .13 K .25 ** .51 -.17 * .33 ** .50 -.03 NK .08 .48 -.13 .37 .43 .34 BMK * .50 ** .73 .15 * .33 ** .65 .13 DES Total S Psy Rest ***.35 ***.44 ***.45 .21 ***.38 * .29 * .43 .18 ** .33 ***.55 ** .47 .31 K+NK K NK BMK ** .31 * .33 .32 * .33 ***.49 ** .51 .68 * .56 .08 -.02 .08 -.09 FEDE K+NK K NK BMK * .24 * .29 .06 .35 ***.61 ***.65 .41 ** .76 -.20 -.39 -.04 -.34 ***.43 ** .49 .31 ** .49 ***.70 ***.74 .49 ** .67 .04 -.07 .18 -.15 FEDE Total ***.41 ***.45 ***.38 K+NK ***.39 ***.63 .10 S psy rest ***.40 ***.52 .19 * .29 ** .63 .01 ***.48 ** .48 * .66 K NK BMK ** .40 .34 ** .40 ***.64 .69 * .54 -.10 .18 -.21 Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala; FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse; BDI=Beck Depressions-Inventar; STAI=State-Trait-Angst-Inventar; P-14=Psychotizismusskala; Total=Gesamtstichprobe (S + K+NK); S=StudentInnen; Psy=PsychologiestudentInnen; Rest=StudentInnen anderer Hauptfächer; K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen; BMK=BildhauerInnen, MalerInnen, KünstlerInnen; alle=Frauen und Männer; m=Männer; w=Frauen *=p<.05; **=p<.01; ***=p<.001 129 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Die StudentInnen füllten von den drei Instrumenten zur Messung der Psychopathologie nur den P-14 aus. Die Studierenden der Psychologie, Männer wie Frauen, kommen mit einem signifikanten positiven Zusammenhang daher (bei DES und FEDE), die übrigen StudentInnen haben nur eine Signifikanz (Frauen: FEDE mit P-14). Für die männlichen Studenten dieser Stichprobe finden sich keine hohen Korrelationen. Damit verhalten sich die Daten der StudentInnen im Vergleich zu den K und NK anders, d.h. die Zusammenhänge zwischen Dissoziation und Psychotizismus sind bei den StudentInnen höher als bei den Studenten. Umgekehrt ist dieser Geschlechtsunterschied bei den anderen Gruppen (BMK, K und NK). Die Hypothese 3 kann somit nur teilweise beibehalten werden, d.h. sie gilt im allgemeinen nur für die Männer, genauer für die Künstler. Die Hypothese 3.1 (BDI) gilt deutlich für die männlichen Untersuchungsteilnehmer, jedoch nicht für die Frauen (wenn auch die NKFrauen auf die richtige Seite weisen). Die Hypothesen 3.2 (state-Angst) und 3.3 (traitAngst) können für die männlichen Künstler angenommen werden, aber nicht für Künstlerinnen und die Nicht-KünstlerInnen insgesamt. Dasselbe gilt für die Hypothese 3.4 (P-14), die noch zusätzlich für die PsychologiestudentInnen Gültigkeit besitzt. 5.4.4 Soziodemograhpische Einflüsse auf die Dissoziation Hypothese 4.1: Je älter die Probanden sind, desto weniger dissoziative Erlebnisse werden von ihnen berichtet. Aus der Literatur wissen wir (vgl. auch Kptl. II, 1.5.2), dass der einzige gefundene soziodemographische Einfluss auf die Dissoziation das Alter ist. Die Befunde dieser Untersuchung können diesen Altersunterschied bestätigen. Wie in Tabelle 37 zu erkennen ist, bewegen sich alle Korrelationen des Alters mit der DES im negativen Bereich zwischen r=-.02 und r=-.31. Signifikant auf dem 1%-Niveau wird nur der Zusammenhang (r=.19) über sämtliche ProbandInnen aller Stichproben, dank der hohen Anzahl ProbandInnen. Dasselbe Ergebnis findet sich beim FEDE, ausser das einige Korrelationen um Null herum positiv werden und die Psychologiestudenten sogar eine signifikant positive Korrelation (r=.49; p<.05) zeigen. Da es sich bei dieser Stichprobe um eine im Alter sehr homogene Gruppe handelt, mit einem Durchschnitt von 25.2 und nur drei Personen mit mehr als 30 Jahren, fällt diese Signifikanz nicht schwer ins Gewicht. Der Vergleich (t-Tests) der unter mit den über 30jährigen beweist denn auch den vorhandenen Unterschied, wie in Tabelle 37 veranschaulicht wird. Der in der Gesamtstichprobe gefundene Altersunterschied spiegelt sich auch in den Untergruppen der Frauen und Männer wider. Allerdings fällt nur ein weiterer Test signifikant aus: Die jüngeren Frauen unterscheiden sich auf dem FEDE mit p=.010 (t=2.65) von den älteren. Auf der DES 130 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil weisen die Männer eine Tendenz (p=.076) auf, und die Frauen sind mit p=.105) nahe einer solchen. Tabelle 36: Korrelationen zwischen Dissoziation und Alter Alter Total S psy rest K+NK K NK BMK **-.19 -.07 -.06 -.14 -.15 -.10 -.22 -.10 -.19 -.11 -.07 -.22 -.17 -.02 -.31 -.08 -.19 -.03 -.04 -.21 -.12 -.22 -.10 -.18 **-.20 .03 .04 .01 -.12 -.19 -.02 -.10 -.19 * .31 * .49 .02 -.20 -.22 -.02 -.08 -.21 -.26 -.27 .00 .02 -.14 .00 -.05 DES alle m w FEDE alle m w Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala; FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse; Total=Gesamtstichprobe (S + K+NK); S=StudentInnen; psy=PsychologiestudentInnen; rest=StudentInnen anderer Hauptfächer; K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen; BMK=BildhauerInnen, MalerInnen, KünstlerInnen; alle=Frauen und Männer; m=Männer; w=Frauen *=p<.05 Die Hypothese 4.1 kann damit als bewiesen gelten. Zu vermerken bleibt, dass der Altersunterschied eine gewisse Höhe erreichen muss, damit Unterschiede zutage treten. Weiter kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Unterschied auf die in den Altersgruppen verschiedenen Stichproben (<30 in erster Linie StudentInnen; >30 in erster Linie K+NK) zurückzuführen ist. Allerdings werden bei den KünstlerInnen und den NichtKünstlerInnen in ihrer Ausprägung ähnliche Zusammenhänge (ca. r=.20) gefunden, wie bei der gesamten Stichprobe, die der kleineren Stichprobengrösse wegen nicht signifikant werden. Tabelle 37: t-Test bei DES und FEDE zwischen Probanden unter und über 30 Jahren. Gruppe N M 99 <30 Jahre sd 10.08 se 5.08 t df .60 2.42 91 >30 Jahre Gruppe <30 Jahre N 7.08 M 99 5.08 sd 9.71 91 7.88 4.58 .017 DES t df p .40 2.35 >30 Jahre 186.62 .63 se 3.03 p .48 176.19 .004 FEDE Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala (Skalierung: 0 bis 100); FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse (Skalierung: 0 bis 26); N=Anzahl ProbandInnen; M=Mittelwert; sd=Standardabweichung; se=Standardfehler; t=t-Wert; df=Freiheitsgrade; p=Signifikanz 131 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Hypothese 4.2: III Empirischer Teil Die soziodemographischen Variablen Geschlecht, Beruf, Zivilstand, Wohnort und -art sowie Anzahl Kinder haben keinen Einfluss auf die Dissoziationswerte (DES, FEDE). Signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern konnten keine gefunden werden. Die tiefen Korrelationen zwischen Geschlecht und Dissoziation in Tabelle 38 geben davon Zeugnis. Der FEDE hat ein wenig höhere Zusammenhänge mit dem Geschlecht als die DES in der Richtung, dass Frauen mehr dissoziative Erlebnisse berichten. Dies zeigt sich auch in der einzigen signifikanten Korrelation von r=.28 bei den NichtPsychologiestudierenden. In zwei Varianzanalysen (zur Untersuchung der Hpyothese 1) wurden signifikante Geschlechtsunterschiede auf dem 5%-Niveau gefunden (es handelte sich um ANOVAs zum Vergleich von K mit S bzw. K mit Psy und Rest). Tabelle 38: Nonparametrische Korrelationen von DES und FEDE mit dem Geschlecht Gesch Total S DES .04 FEDE .11 Psy .04 .13 Rest K+NK K .07 .06 .02 .10 * .28 .07 NK BMK .15 -.23 .22 .21 -.15 .13 Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala; FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse; Total=Gesamtstichprobe (S + K+NK); S=StudentInnen; psy=PsychologiestudentInnen; rest=StudentInnen anderer Hauptfächer; K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen; BMK=BildhauerInnen, (Kunst)MalerInnen, KünstlerInnen *=p<.05 Im weiteren konnten mit den vorliegenden Daten zwei soziodemographische Unterschiede (Kinder, Zivilstand) beim FEDE gefunden werden (siehe Anhang 7). Wer keine Kinder hat und wer keine/n PartnerIn hat, kreuzte mehr dissoziative Erlebnisse an. Signifikant (p=<.01) sind die Korrelationen über die gesamte K+NK-Gruppe (Kinder: r=-.26; PartnerIn: r=-.27), so auch bei den Männern und bei den KünstlerInnen. Nicht signifikant, aber in die selbe Richtung weisende Resultate ergaben nonparametrische Korrelationen für die Frauen und die Nicht-KünstlerInnen. Die BMK-Gruppe hat noch eine weitere Signifikanz (p=.05) auf der Variable "wohnen" (allein vs. nicht allein). Was die DES betrifft, konnten die Ergebnisse anderer Studien (z.B. Ross et al., 1990b) mehrheitlich bestätigt werden, d.h. es wurden ausser der Altersdifferenz keine soziodemographischen Unterschiede gefunden. Eine Ausnahme bilden die Männer (K+NK), die mehr dissoziative Erlebnisse berichten, wenn sie ohne Partnerin sind (r=-.31) oder alleine leben (r=-.24). Das Signifikanzniveau beträgt hier p<.05 (vgl. Anhang 7). Somit kann die Hypothese 4.2 verworfen werden, im besonderen in bezug auf den FEDE. Zu beachten bleibt, dass die Variable "mit vs. ohne PartnerIn" aus dem Zivilstand gebildet 132 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil wurde, dabei könnten durchaus falsche Zuteilungen zustande gekommen sein, d.h. wer z.B. ledig oder verwittwet ist, kann auch mit einer Partnerin zusammenleben. Um dem entgegenzuwirken, wurde im biographischen Fragebogen die Möglichkeit "mit festem/r Partner/in" (vgl. Anhang 1) vorgegeben. 5.4.5 Soziodemographische Einflüsse auf die Kreativität Hypothese 5.1: Männer erreichen auf der KPS höhere Kreativitätswerte als Frauen. Wie die Tabelle 40 vorweist, ist ein vermuteter Geschlechtsunterschied bei der Kreativität im allgemeinen nicht zu finden. Die Daten der NK geben der Ausrichtung nach Gough (1979) recht, der höhere KPS-Werte bei Männern fand. Im Gegensatz dazu weist die positive Korrelation auf höhere Kreativität bei den Künstlerinnen32 (im Vergleich zu den Künstlern). Die BMK-Gruppe erhält hier sogar ein signifikantes Resultat mit p<.05 mit nonparametrischen Korrelationen (r=.33) und auch im t-Test (t=2.20; p=.036). Die Frauen (N=13) sind mit 10.38 deutlich kreativer als die Männer (N=19) mit 8.89. Mit der CAT konnten keine Geschlechtsunterschiede gefunden werden. Die Hypothese 5.1 kann damit verworfen werden. Tabelle 39: Nonparametrische Korrelationen KPS CAT Gesch K+NK K NK BMK -.06 .13 -.18 * .33 -.05 -.08 -.09 -.22 Legende: KPS=Kreative Persönlichkeit Skala; CAT=Consensual Assessment Technique;; K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen; BMK=BildhauerInnen, (Kunst-)MalerInnen, KünstlerInnen *=p<.05 Hypothese 5.2: Die soziodemographischen Variablen Alter, Beruf, Zivilstand, Wohnort und -art sowie Anzahl Kinder haben einen Einfluss auf die Kreativitätswerte (KPS, CAT). Wie ein Vergleich in Anhang 7 vor Augen bringt, ist die einzige signifikante Korrelation der Kreativität mit soziodemographischen Variablen in der schulischen Bildung der KünstlerInnengrupppe zu finden, d.h. wer eine höhere Bildung hat, erreichte auch höhere KPS-Werte. In der Richtung stimmt das auch mit den anderen Stichprobenunterteilungen überein. Weitere Korrelationen, die auf mögliche kleine Einflüsse deuten, finden sich bei 32 Gough (1979) hatte keine Künstler und KünstlerInnen in seiner Stichprobe. 133 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil den Variablen "Kinder" (wer kein Kind hat, wäre kreativer) und "Stadt" (wer in der Stadt wohnt, wäre kreativer). Korrelationen mit dem Alter ergeben über K+NK negative nicht signifikante Resultate beim KPS (r=-.15). Einzig die KünstlerInnen, sowohl K als auch BMK, bringen einen positiven Zusammenhang (r=.21) zum Vorschein, der sich vor allem bei den männlichen Künstlern zeigt, allerdings ohne signifikant zu werden. Zwar konnte in Varianzanalysen zur Hypothese 2 ein Alterseffekt gefunden werden, doch handelte es sich um Unterschiede über sämtliche Probanden oder zwischen K und NK, d.h. die Effekte können auch auf die unterschiedliche Gruppenzugehörigkeit zurückgeführt werden, da, wie wir wissen, die KünstlerInnen älter sind als die StudentInnen und die NichtKünstlerInnen. Der Befund, dass die Kreativität mit Bildung und Alter bei KünstlerInnen einen positiven Zusammenhang aufweist, bestätigt die Ergebnisse von Simonton (1984a 1991; vgl auch Kptl. II, 2.2.2), wonach diese zwei Variablen einen positiven Einfluss auf die Höhe der Kreativität ausüben. Die Ratings der CAT korrelieren durchwegs negativ mit dem Alter, d.h. wer jünger ist, wurde als kreativer bewertet. Die Korrelationen (K+NK: r=-.30; p<.01) sind zum Teil signifikant, dies in erster Linie bei den Untersuchungsteilnehmerinnen. Da an der Validität der CAT gezweifelt werden kann, sind Werte mit diesem Instrument nicht zu stark zu gewichten. Die Hyphothese 5.2 wird verworfen, obwohl es Anzeichen für einen Einfluss von Alter und Bildung auf die Kreativität gibt, weil die Resultate zu wenig deutlich ausfallen. 5.4.6 Depression, Ängstlichkeit, Psychotizismus und Kreativität Hypothese 6: Treffen die Hypothesen 2 und 3 zu, soll gelten: Je höher die Depressions-, Ängstlichkeits- und Psychotizismuswerte der ProbandInnen sind, desto höhere Werte werden auf den Kreativitätsskalen erreicht. Da die Hypothesen 2 im allgemeinen nicht angenommen werden konnte, ist klar, dass auch die Hypothese 6 verworfen werden wird. Die Tabellen 40 und 41 beweisen das durch ihre im grossen und ganzen negativen meist nicht signifikanten Korrelationen. Signifikante, der Hypothese widersprechende Zusammenhänge liefert die K+NK-Gruppe (besonders die Männer) bei der Eigenschaftsangst und die KünstlerInnen (K wie BMK) beim Psychotizismus. Durch das grosse N=196 der kompletten Stichprobe wird auch beim Psychotizismus eine Signifikanz (p<.05) erreicht. Dieses Resultat ist erfreulich, da es das Vorurteil, Künstler und KünstlerInnen seien psychisch gestört, widerlegt (vgl. auch deskriptive Daten). So gab es denn auch keine signifikanten Gruppenunterschiede zwischen K und NK, sei dies bei BDI, STAI oder P-14. 134 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Tabelle 40: Korrelationen zwischen KPS und CAT mit BDI, STAI und P-14 bei K und NK KPS K+NK BDI state trait P-14 alle m w alle m w alle m w alle m w CAT K -.04 -.08 -.21 -.19 .09 .03 -.09 -.04 -.19 -.23 -.05 .15 * -.22 -.22 * -.30 -.28 -.15 -.23 -.09 ** -.36 -.30 * -.38 .10 -.38 NK BMK K+NK K NK BMK -.09 -.12 -.13 .16 ** -.54 .17 -.31 -.18 -.10 .11 *..-.66 .01 .02 -.20 -.21 .21 * -.49 .42 -.27 -.27 .03 .05 .00 .18 -.04 -.35 -.18 -.10 -.51 .03 -.34 -.29 .24 .24 .19 .49 -.21 -.32 -.14 -.06 -.26 .15 -.32 -.35 -.25 -.11 -.62 .13 -.14 -.54 -.01 -.01 .00 .25 .24 * -.41 -.04 -.09 .06 .04 .06 -.40 -.07 -.02 -.31 .31 .27 * -.57 -.02 -.21 .18 -.31 Legende: KPS=Kreative Persönlichkeit Skala; CAT=Consensual Assessment Technique; BDI=Beck Depressions-Inventar; state=Zustandsangst nach STAI; trait=Eigenschaftsangst nach STAI; P-14=Psychotizismusskala; K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen; BMK=BildhauerInnen, (Kunst-)MalerInnen, KünstlerInnen; alle=Frauen und Männer; m=Männer; w=Frauen *=p<.05; **=p<.01 Tabelle 41: Korrelationen zwischen KPS und P-14 bei den StudentInnen P-14 alle m w KPS Total S Psy Rest * -.15 -.03 -.19 -.06 * -.20 -.11 -.33 -.03 -.11 .02 -.13 -.17 Legende: KPS=Kreative Persönlichkeit Skala; CAT=Consensual Assessment Technique; S=StudentInnen; Psy=PsychologiestudentInnen; Rest=StudentInnen anderer Hauptfächer; alle=Frauen und Männer; m=Männer; w=Frauen *=p<.05 Einzig beim P-14 haben die NK in der Tendenz über alle (p=.095) und bei den Frauen (p=.096) tiefere Werte. Signifikant ist derselbe Unterschied zwischen den Nicht-KünstlerInnen und den StudentInnen (t=2.5; p=.012). Die Korrelationen mit der CAT schlagen in dieselbe Bresche, doch sind hier, vor allem bei den KünstlerInnen, die Resultate nicht mehr so klar. Die teils beachtlich positiven, allerdings nicht signifikanten Zusammenhänge, besonders bei den Frauen, verwässern das klare Resultat, wie es vor allem von den NK im Bezug zum BDI erhalten wird. (r=-.54; p<.01). Eine mögliche Erklärung für die positiven Korrelationen liefert die schlechte Validität der CAT. Die Hypothese 6 als Gesamtes, wie auch die einzelnen Subhypothesen 6.1 bis 6.4 können nicht aufrechterhalten werden. 135 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil 6. Diskussion der Resultate Die Diskussion der Resultate beinhaltet zwei Schwerpunkte: 1. Dissoziationen (dissoziative Erlebnisse) dreier schweizerischer Stichproben (KünstlerInnen, Nicht-KünstlerInnen, StudentInnen) im Vergleich zu Studien aus dem Ausland und 2. die Beziehung von Dissoziation und Kreativität. Im weiteren wird kurz auf die Erhebung der Kreativität, wie sie in dieser Untersuchung erfolgte, eingegangen, besonders was die Consensual Assessment Technique betrifft, sowie auf die Ergebnisse betreffend Depression, Ängstlichkeit und Psychotizismus in bezug auf die KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen, und am Schluss folgt ein Modell, dass das Verhältnis von Dissoziation, Kreativität und Psychopathologie (Depression, Ängstlichkeit, Psychotizismus) beinhaltet. 6.1 Dissoziation in Schweizer Stichproben Die Ergebnisse dieser Untersuchung (mit der DES und dem FEDE; vgl. Kptl. III, 5.3.1 und 5.3.2) zeigen klar, dass (zumindest in den befragten Stichproben) dissoziative Erlebnisse in der Bevölkerung der (Deutsch-)Schweiz vorkommen, wie das auch für andere Länder gezeigt wurde (vgl. Ross et al., 1990b; Vanderlinden, Van Dyck, Vandereycken & Vertommen, 1991). Die Auswahl der TeilnehmerInnen machte es unwahrscheinlich, dass Leute dabei sind, die an einer dissoziativen Störung leiden, was auch nicht das Ziel dieser Studie war. Dazu müssten die deutschen Versionen der Messinstrumente ausserdem an klinischen Stichproben validiert werden. Die Tabelle 3 im theoretischen Teil enthält eine Reihe von Studien mit studentischen Populationen, diese eignen sich gut zum Vergleich mit der StudentInnengruppe der vorliegenden Untersuchung. Wie in Kptl. III, 5.3.1 bereits festgestellt wurde, sind die Resultate der DES in dieser Untersuchung etwas tiefer ausgefallen als in den meisten Studien in Tabelle 3. Interessant ist der Wert, der von Ellason et al. (1994) mit der modifizierten Skalierung erhalten wurde. Mit 10.9 unterschiedet er sich wenig von 9.98, dem Wert, den die StudentInnen in der vorliegenden Untersuchung mit der selben Skalierung erreichten, allerdings war der Durchschnitt von 12.1 mit der alten Version lange nicht so hoch wie bei den anderen Untersuchungen, die ebenfalls die ältere Version mit der visual analog scale ohne aufgedruckte Prozentzahlen benutzten. Weshalb die meisten der Studien höhere Werte erreichen, kann verschiedene Gründe haben. Zum einen können die verschiedenen Übersetzungen (holländisch, spanisch, türkisch, deutsch) unterschiedliche Resultate hervorbringen, dagegen spricht, dass sich die Werte verschiedensprachiger DES-Versionen, abgesehen von der vorliegenden Studie, auf 136 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil vergleichbarem Niveau befinden und innerhalb der englischen Originalversion selber grosse Schwankungen auftreten. Ein weiterer wahrscheinlicher Grund sind Unterschiede in den untersuchten Populationen. Da in den Untersuchungen nicht immer die Standardabweichung und/oder der Range angegeben wird, ist es schwer stichhaltige Vergleiche anzustellen, doch lässt sich vermuten, dass in den Untersuchungen mit hohen Durchschnittswerten eine grössere Standardabweichung und ein nach oben weiterer Range zu finden sind, d.h. es haben vermutlich auch Personen mit dissoziativen Störungen an den Studien teilgenommen. Das traf bei den hier untersuchten Stichproben mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht zu. Der Grenzwert von 30 auf der DES, der nach Carlson & Putnam (1993) allerdings nur für die amerikanische Version gilt, wurde von niemandem erreicht. Einen Wert von über 20 weisen 10 (=9.17%) von den total 109 StudentInnen auf, in der totalen Stichprobe sind es 13 (=6.60%) von 197 Personen. Die StudentInnen dieser Untersuchung haben ein Durchschnittsalter von 24.36 Jahren und sind etwas älter als die StudentInnen der anderen Untersuchungen. Ein Teil der Differenz geht möglicherweise auf die Altersunterschiede zurück. Andererseits könnten die Unterschiede in den Populationen auch kulturell bedingt sein. Ein Vergleich mit den Daten von Ross et al. (1990b), der 1055 Frauen und Männer aus der Normalbevölkerung (Winnipeg, Kanada) die DES ausfüllen liess, zeigt uns ein ähnliches Bild. In der Abbildung 17 stehen sich die Prozentanteile der von den TeilnehmerInnen erreichten Werte unserer Untersuchung und jener von Ross et al. (1990b) gegenüber. Wie man sehen kann, liegt der grösste Unterschied darin, dass in der kanadischen Studie ca. 5% der ProbandInnen Werte über 31 erreichten, was bei uns nicht der Fall ist. Die grösste Abweichung nach oben im Vergleich zu Ross et al. (1990b) wird in unserer Studie bei den Scores von 16 - 20 erreicht, nach unten bei den Null-Werten. Die Häufigkeitsverteilung der deutschen DES bei einer Stichprobe mit Leuten aus der Normalbevölkerung (in der Mehrzahl StudentInnen und KünstlerInnen) unterscheidet sich im allgemeinen nicht von derjenigen, die mit durchschnittlichen Menschen aus der kanadischen Stadt Winnipeg gewonnen wurde. 137 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Abbildung 17: Vergleich der Häufigkeitsverteilung (in Prozent) der DES-Werte mit den Daten von Ross et al. (1990b) % 40 30 20 10 0 Ross et al. 1990b Werlen 31- 26-30 21-25 16-20 11-15 6-10 1-5 0 In Tabelle 42 sind die Mittelwerte der gesamten Stichprobe und aufgeteilt nach Geschlecht von Ross et al. (1990b) jenen dieser Untersuchung gegenübergestellt. Wiederum finden sich bei der nordamerikanischen Studie etwas höhere Werte, allerdings nicht mehr so stark wie weiter oben berichtet wurde, deutlich kleiner ist allerdings die Standardabweichung. Tabelle 42: DES-Mittelwerte im Vergleich mit Ross et al. (1990b) Studie Ross et al. (1990b) Werlen Total 10.8 9.16 (sd 10.2) (sd 6.07) Männer 10.7 (sd 10.2) 8.81 (sd 5.80) Frauen 10.8 (sd 10.1) 9.50 (sd 6.36) Legende: Total=Gesamtpopulation N=197; sd=Standardabweichung; DES=Dissoziative Erlebnisse Skala (Skalierung: 0 bis 100) Vergleiche mit den wenigen Studien, die den FEDE benutzten (Riley, 1988; Gleaves et al., 1995; siehe Tabelle 3), ergeben ein sehr einheitliches Bild, was die StudentInnen betrifft (vgl. Tabelle 43). Daten mit dem FEDE bei einer nicht-klinischen und nicht-studentischen Population, ausser einem kleinen Sample (N=18) von Dunn, Ryan, Paolo & Miller (1993), sind dem Verfasser nicht bekannt. Die Stichprobe von Dunn et al. (1993) ist mit einem Alter von 38.72 jünger als die K- oder NK-Gruppe, hat aber tiefere Dissoziationswerte auf dem QED (engl. Version von FEDE): Mittelwert 6.33 (sd 2.74; range 2-11). Zu beachten ist der tiefe Bereich (2 bis 11), in dem sich die Werte befinden. Um schlüssige Folgerungen zu ziehen, ist die Stichprobe von Dunn et al. (1993) zu klein. 138 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Tabelle 43: Vergleich des FEDE bei studentischen Stichproben Studie Riley 1988 Gleaves et al. 1995 Werlen N 1210 170 109 M 9.92 10.56 9.64 sd 4.28 4.27 3.95 Legende: N=Anzahl ProbandInnen; M=Mittelwert; sd=Standardabweichung; FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse (Skalierung: 0 bis 26) 6.2 Zu den Resultaten der Kreativität Die einzigen Vergleiche, die mit der hier gemessenen Kreativität gemacht werden können, sind jene mit der Studie von Gough (1979) und mit den Angaben im Manual der ACL (Adjective Check List; Gough & Heilbrun, 1983). Auffallend sind die höheren Werte in der vorliegenden Untersuchung. Der Gesamtdurchschnitt aller Probanden liegt bei 7.49 (sd 3.67), der der Probandinnen bei 7.43 (3.89). Damit liegen die KPS-Ergebnisse mehr als drei Punkte höher, wenn man die männliche Eichstichprobe von Gough & Heilburn (1983) mit einem Wert von 4.11 (sd 3.98) betrachtet, noch grösser wird die Differenz bei den Frauen (weibliche Eichstichprobe: 3.55; sd 4.08). Ähnlich fallen Vergleiche mit der gesamten Stichprobe von Gough (1979) aus (vgl. Kptl. II, 2.4). Im Gegensatz zur Eichstichprobe und zu Gough (1979) besteht in unserer Stichprobe kein Geschlechtsunterschied, weder bei den StudentInnen und bei den K, wo die Werte der Frauen höher sind, noch bei den NK, wo die Männer höhere Werte haben. Bei den Psychologiestudenten (Werlen vs. Gough, 1979) besteht ein Unterschied von mehr als zwei Punkten, ebenso bei den Psychologiestudentinnen. Eine weitere Teilstichprobe, die zum direkten Vergleich herangezogen werden kann, sind die 124 Architekten von Gough (1979). Interessant sind nicht unbedingt die rund vier Punke Differenz, sondern die Tatsache, dass die Architekten bei uns mit 9.00 (sd 2.83; N=9) praktisch den selben Wert haben wie die Kunstmaler (8.9; sd 2.23; N=10) und die Bildhauer (9.57; sd 2.23; N=7) und damit mehr als die Studenten der Psychologie (8.41; sd 3.47; N=22). Bei Gough (1979) waren es die Studenten, die einen leicht höheren Wert erreichten. Darüber, warum bei uns höhere Werte herauskamen, können nur Spekulationen gemacht werden, die in die selbe Richtung gehen wie bei der DES: 1. Einflüsse durch die Übersetzung bzw. die ungleiche Skalierung und Testvorgabe (30 Items mit 4-Punkt-LikertSkala im Gegensatz zu der Vorgabe innerhalb der 300 Adjektive der Adjective Check List mit Ankreuzen der auf sich zutreffenden Items). Hier kommen noch, da es sich um einzelne Adjektive handelt, sprachliche Bedeutungsunterschiede dazu. 2. Die Unterschiede innerhalb der Populationen sind bereits bei Gough (1979) beachtlich. 139 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Ein weiterer auffallender Punkt ist die im Vergleich zu anderen StudentInnen, aber auch Nicht-StudentInnen hohe Kreativität der PsychologiestudentInnen. In der vorliegenden Arbeit sind sie nach den KünstlerInnen die kreativste Gruppe (vgl. Kptl. III, 5.3.3, Tabelle 25 und 26; Ausnahme 'übr.' mit kleinem N=4)), ähnlich wie bei Gough (1979; vgl. Kptl. II, 2.2.9.2) und Bilota & Lindauer (1980; vgl. Kptl. II, 2.2.9.3). Weshalb diese Werte zustande kommen, kann hier nur spekuliert werden. Möglicherweise liegt es an einer den PsychologiestudentInnen eigenen Denkweise, oder sie haben ähnliche Weltbilder wie KünstlerInnen, was aber nicht zwingend bedeuten würde, dass sie entsprechend kreativ sind. Die Consensual Assessment Technique (CAT) nach Amabile (1983) brachte leider enttäuschende Ergebnisse. Die für ein Ratingverfahren wichtigen Interraterreliabilitäten sind sowohl bei der NK-Gruppe mit riz=.68 und besonders bei der K-Gruppe mit riz=.59 zu tief, und das, obwohl drei Raterinnen wegen ihrer besonders schlechten Übereinstimmung mit den anderen RaterInnen aus den Berechnungen ausgeschieden wurden. Die Gründe für die tiefen Interraterreliabilitäten liegen vermutlich in der von Amabile (1983; siehe Kptl. III, 1.2.3.1) gemachten Annahme, das Bewerten von Kreativität brauche kein Training und keine vorgegebene Definition (in dieser Studie wurden minimale Definitionen für die Kriterien vorgegeben)33. Mit einem geeigneten Ratertraining hätte wohl auch die eingeschränkte Ausnützung der Skalenbreite verhindert werden können. Möglicherweise waren die RaterInnen keine geeigneten ExpertInnen zum Bewerten von Texten zu Cartoons. Zwar erfüllten sie die Vorraussetzung belesen zu sein (vgl. Kptl. III, 5.1.4), was Amabile (1983) bei ihren studentischen RaterInnen ungeprüft voraussetzte, doch zeigt besonders die tiefe Interraterreliabilität bei den KünstlerInnen, dass die RaterInnen der Aufgabe nicht gewachsen waren. Es ist vorstellbar, dass die von den KünstlerInnen gemachten Aussagen kreativ (und witzig) waren, jedoch auf eine Art, die von den StudentInnen nicht verstanden wurde. Möglicherweise wäre es von Vorteil gewesen, in der Instruktion zur CAT klarer darauf hinzuweisen, dass kreative Texte geschrieben werden sollen, worauf Martindale (1981, 383) hinweist, weil dann bei kreativen Menschen die kortikale Erregung tiefer liegt, d.h. die Aufmerksamkeit weniger gerichtet ist, was die Kreativität erhöht (vgl. Kptl. II, 2.2.2). Vermutlich hat die Aufforderung "der Phantasie freien Lauf zu lassen" nicht genügt. Um einige der Schwächen des Instrumentes zu entdecken, wäre es sinnvoll gewesen, einen Vorversuch mit der CAT durchzuführen. 33 Vielleicht wären die Resultate besser ausgefallen, wäre diese Definition nicht vorgegeben worden! 140 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Die Durchführung eines Ratingverfahrens gibt besonders für den Untersuchungsleiter, aber auch für die ProbandInnen, einen beträchtlichen zeitlichen Mehraufwand, besonders wenn es sauber durchgeführt wird (Vorversuche, RaterInnentraining). Die CAT wurde als alternative Form zur KPS gewählt, um einen Vergleich mit einer anderen Methode zu erhalten, da die empirische Erfassung von Kreativität äusserst schwierig ist. Als Option wäre eine andere, einfachere Methode in Frage gekommen wie z.B. ein Unusual Uses Test nach dem Vorbild von Torrance (1962). ProbandInnen werden da z.B. gefragt, was man alles mit einem Ziegelstein machen kann. Eine Antwort wird dann, je nach Vorkommen in der Stichprobe als kreativ bewertet, wenn sie nur von wenigen, oder als nicht kreativ, wenn sie von vielen ProbandInnen gegeben wird. 6.3 Dissoziation und Kreativität Die zentrale Frage dieser Arbeit, ob dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen häufiger vorkommen als bei weniger kreativen, ist an und für sich mit einem Nein beantwortet worden. Doch damit ist die Frage noch nicht ganz geklärt. Je nach Stichprobe gibt es unterschiedliche Ergebnisse. Die wesentlichen Unterschiede finden sich zwischen den Männern und Frauen und zwischen den KünstlerInnnen und Nicht-KünstlerInnen. In der Korrelationsanalyse kam ein interessantes Muster zum Vorschein (vgl. Tabelle 29). Mit Ausnahme der NK-Männer korrelierte in allen Gruppen der Männer die Dissoziation mit der Kreativität (KPS) negativ oder um Null herum. Das gilt für den FEDE, besonders aber für die DES. Bei einigen Frauengruppen (Psy, NK, BMK) dagegen wird diese Korrelation bei der DES positiv, wenn auch nicht besonders stark. Damit kann gesagt werden, dass die Daten der Männer der Hypothese 2 widersprechen; die Frauen hingegen zeigen teilweise in Richtung der Hypothese. Einen ähnlichen Geschlechtsunterschied fand K. Bowers (1971) in einer Korrelation zwischen Hypnose und Kreativität, die bei den Frauen beachtlich (r=.41), bei den Männern hingegen unbedeutend (r=.08) ausfiel. Allerdings muss betont werden, dass die Korrelationen meistens nicht signifikant sind. Deutliche Unterschiede treten auf, wenn die einzelnen Faktoren von DES und KPS miteinander in Beziehung gebracht werden (siehe weiter unten). Der Unterschied zwischen KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen besteht nicht darin, dass KünstlerInnen, wie in der Hypothese 1 angenommen, mehr dissoziative Erlebnisse haben, sondern, dass von den Nicht-KünstlerInnen die Hypthese 2 zum Teil, mit der DES in Tendenz und mit dem FEDE signifikant (p<.05), erfüllt wird, jedoch nicht von den KünstlerInnen. Diese zeigen ganz im Gegenteil eher in die andere Richtung, d.h. je mehr Kreativität, desto weniger Dissoziation. Bei den NK korrelieren sowohl die Daten der Frauen wie der Männer positiv zwischen Dissoziation und Kreativität, genau wie bei der K-Gruppe Frauen und Männer zwischen den beiden Konzepten negative Korrelationen 141 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil haben; allerdings nicht in der BMK-Gruppe, aus der Architekten, MusikerInnen und andere nicht-künstlerische Berufe, namentlich LehrerInnen, herausgenommen wurden, dort korrelieren die zwei Variablen bei den Frauen positiv. Zieht man in betracht, dass die Reliabilität der KPS bei den Männern (K+NK) und bei den KünstlerInnen mit (α=45 bzw. α=.54) zu tief ausfällt, die Frauen (K+NK) und die NichtKünstlerInnen jedoch brauchbare Werte errreichen (α=77 bzw. α=.66), so sind die Resultate in Richtung der Hypothese 2 (Frauen, NK) als gültiger zu betrachten als jene der Männer und KünstlerInnen. Zudem zeigte sich, dass die Ergebnisse bei den Männern (K+NK) scheinbar weniger valide sind, da eine Kriteriumsvalidität (vgl. Kptl. III, 5.1.3) für die Frauen vorhanden ist, nicht aber für Männer. Diese Hinweise sprechen für die Hypothese 2. Wie in Abbildung 16 (Kptl. III, 5.4.2) gezeigt wurde, sinkt Kreativität innerhalb der gesamten Stichprobe (N=197) bei steigender Dissoziation und nimmt dann wieder zu. Der schwache u-förmige Verlauf ist in erster Linie bei der DES zu finden und weniger oder zum Teil gar nicht beim FEDE, und trifft besonders für die StudentInnen zu. Wie die Abbildungen 18 und 19 zeigen, ist bei den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen diese Kurvenform nur wenig oder gar nicht mehr vorhanden. Am ehesten kann der u-förmige Verlauf noch bei den Männern ausgemacht werden, bei den Frauen hingegen dreht er sich um. Doch sind die Unterschiede so klein, dass sie keine grosse Bedeutung erlangen. Wenn auch weit weg von einer Signifikanz, so erkennt man dennoch bei der DES einen nach oben steigenden Verlauf. Weil bei einer noch kleineren Aufgliederung (Frauen und Männer bei K und NK) einzelne Zellen mit zu wenig ProbandInnen (<5) besetzt werden, was sinnvolle Aussagen nicht mehr zulässt, wurde auf eine nähere Analyse verzichtet. Abbildung 18: Verlauf der Kreativität (KPS) über die Dissoziation (DES, FEDE) bei den Frauen und Männern der K+NK-Gruppe KPS 10 8 6 4 2 0 DES 0-4 m w 4.01-10 10.01-30 KPS 10 8 6 4 2 0 FEDE 0-5 m w 6-9 10-20 Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala (Skalierung: 0 bis 100); FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse (Skalierung: 0 bis 26); KPS=Kreative Persönlichkeit Skala (Skalierung: -12 bis 18); m=Männer; w=Frauen 142 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Auf den beiden Messinstrumenten DES und FEDE verhält sich die Kreativität der KünstlerInnen und der Nicht-KünstlerInnen unterschiedlich, das heisst, bei den KünstlerInnen nimmt sie nach oben hin eher ab, bei den Nicht-KünstlerInnen deutlich zu (Hypothese 2; vgl. Kptl. III, 5.4.2). Ausserdem wird der bei geringer Dissoziation signifikante Unterschied (DES: p=.020, t=2.68; FEDE: p=.007, t=3.18) zwischen diesen zwei Gruppen immer kleiner, d.h. bei zunehmend mehr dissoziativen Erlebnissen unterscheiden sich die KünstlerInnen in der Kreativität nicht mehr von den Nicht-KünstlerInnen. Daraus lässt sich schliessen, dass die Dissoziation auf die Kreativität von KünstlerInnen eher einen negativen Einfluss ausübt, bei den Nicht-KünstlerInnen hingegen einen positiven Effekt zeigt. Nimmt man anstelle von K die "engere" KünstlerInnengruppe BMK, so erhält man dasselbe Resultat mit dem Unterschied, dass die Kreativität etwas höher und der u-förmige Verlauf ein wenig deutlicher wird (vgl. Anhang 7). Abbildung 19: Verlauf der Kreativität (KPS) über die Dissoziation (DES, FEDE) bei den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen. KPS 10 8 6 4 2 0 DES 0-4 K NK 4.01-10 10.01-30 KPS 10 8 6 4 2 0 FEDE 0-5 K NK 6-9 10-20 Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala (Skalierung: 0 bis 100); FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse (Skalierung: 0 bis 26); KPS=Kreative Persönlichkeit Skala (Skalierung: -12 bis 18); K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen Betrachtet man die Daten der StudentInnen, so lässt sich sagen, dass die Verläufe wie jene der KünstlerInnen aussehen, ausser dass die "restlichen" StudentInnen viel tiefere KPSWerte aufweisen (mit einer Ausnahme: Bei tieferen DES-Werten - 0 bis 4 - sind sie gleich hoch wie bei den PsychologiestudentInnen). Wie sich die Kreativität bei höherer Dissoziation, als sie hier erhalten wurde (z.B. im Bereich von dissoziativen Störungen) verhält, ist mit den vorliegenden Daten nicht vorherzusagen. Untersuchungen an klinischen Populationen könnten eine Antwort darauf geben. Mit der StudentInnenstichprobe wurden zustätzlich Korrelationen (vgl. Tabelle 44 und Anhang 7) zwischen den verschiedenen Faktoren von KPS und DES gerechnet (Faktoren vgl. Kptl. III, 5.2.1 und 5.2.2 sowie Anhang 6). Gearbeitet wurde mit allen StudentInnen, obwohl die Faktoren des KPS mit der Stichprobe der PsychologiestudentInnen erzeugt 143 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil wurden. Bis auf eine Ausnahme - die Psychologiestudentinnen alleine zeigen praktisch keinen Zusammenhang zwischen "unangenehm" und "Trance", im Gegensatz zu allen Studentinnen (p<.05) - gibt es dann auch keine grossen Unterschiede. Tabelle 44: Korrelationen zwischen den einzelnen DES- und KPS-Faktoren bei den StudentInnen getrennt nach Geschlechtern Frauen KPS gescheit ungewöhnlich offen unangenehm DES Männer KPS gescheit ungewöhnlich offen unangenehm DES .19 .11 .26 * -.29 * .29 -.20 -.11 -.08 -.21 .07 Depers. .21 .16 .24 * .29 ** .43 Amnesie .14 .01 .16 .00 -.02 Einge. .11 .02 * .27 * -.34 .21 Trance .10 .12 .19 -.25 * .27 Depers. -.21 -.05 -.20 -.17 .11 Amnesie * -.34 -.12 -.19 * -.35 .05 Einge. -.04 .04 .04 -.12 .10 Trance -.03 -.18 .07 -.02 .01 Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala; Depers.=Depersonalisation/Derealisation; Einge.=Eingenommenheit/Absorption; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala Bei der Analyse konnte folgendes festgestellt werden: Mit der gesamten KPS sind Zusammenhänge von den Faktoren "Eingenommenheit/Absorption" und "Trance" nicht von Bedeutung (höchste Korrelation: Frauen bei "Eingenommenheit/Absorption" r=.11). Positive nicht signifikante Korrelationen haben die Frauen bei den Faktoren "Depersonalisation/Derealisation" (r=.21) und "Amnesie" (r=.14). Die Messwerte der Männer korrelieren zwischen den zuletzt genannten Faktoren negativ mit r=-.21, bzw. bei "Amnesie" sogar signifikant mit r=-.34 (p<.05). Die Zusammenhänge der einzelnen KPS-Faktoren mit der gesamten DES zeigen, dass die Faktoren "offen", "unangenehm" und "ungewöhnlich" einen Einfluss haben. Bei den Frauen wird eine auf dem 5%-Niveau positive signifikante Korrelation (r=.29) mit dem Faktor "unangenehm" (für die Mitmenschen) erhalten, bei den Männern ist sie unbedeutend negativ (r=-.07). Diese Resultate werden vom FEDE bestätigt: ¢: r=-.-.01; ™: r=.30, p<.05; alle: r=-.13. Männer und Frauen haben je einen negativen Zusammenhang beim Faktor "offen" (r=-.29, p<.05 bzw. r=-.21; alle: r=-.24, p<.05; FEDE: ¢: r=-.23; ™: r=-.40, p<.01; alle: r=-.28, p<.01). Keine Signifikanz, aber beinahe, haben die Frauen beim Faktor "ungewöhnlich" (r=.26; Männer: r=-.08). Die einzelnen Faktoren untereinander zeigen wiederum ein geschlechtsspezifisches Muster. Die Frauen erreichen eine signifikante (p<.05) positive Korrelation von r=.27 zwischen den Faktoren "ungewöhnlich" und "Eingenommenheit/Absorption" (bei den 144 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Männer: r=.04) und haben beim Faktor "ungewöhnlich" durchwegs positive Korrelationen über alle DES-Faktoren hinweg (die Männer negativ oder um Null herum). Auf eine hohe Signifikanz geraten bei den Frauen die Zusammenhänge zwischen "unangenehm" und "Depersonalisation/Derealisation" (r=.43, p<.01; Männer: r=.11) sowie, etwas weniger hoch, "unangenehm" und "Trance" (r=.27, p<.05; Männer: r=.01). Mit Ausnahme beim Faktor "Amnesie" korreliert der KPS-Faktor "offen" mit allen DES-Faktoren negativ: mit "Depersonalisation/Derealisation" r=-.29 (p<.05), mit "Eingenommenheit/Absorption" r=.34 (p<.05) und mit "Trance" r=-.25. Die Männer, die allgemein negative oder schwach positive Korrelationen haben, kommen nur zwischen "offen" und "Amnesie", jenen Faktoren, bei denen die Frauengruppe keine Korrelation (r=.00) aufweist, zu einem signifikant negativen Wert (r=-.35, p<.05). Zusammengefasst und in Übereinstimmung zu mit anderen Faktoren gerechneten Varianten kann der Schluss gezogen werden, dass nach aussen unangenehme (d.h. unaufrichtige, unehrliche etc.), verschlossene (d.h. zufriedene, selbstbewusste, mit vielen Interessen etc.) und eher ungewöhnliche (d.h. unkonventionelle, liberale, mutige etc.) Frauen mehr dissoziative Erlebnisse (nicht amnestischer Art) haben. Bei den Männern ist das Bild weniger klar, es wären eher gewöhnliche, vielleicht unangenehme, wenig offene Typen, die zu dissozativen Erlebnissen, Amnesie inbegriffen, neigen. Am klarsten zeigte sich, dass nach aussen offene Menschen (bzw. StudentInnen) am wenigsten dissoziative Erlebnisse aufweisen. 6.4 Depression, Ängstlichkeit und Psychotizismus Wie in Kptl. II, 3 bereits berichtet, findet man in der Literatur Korrelationen von Dissoziation mit Depression, Ängstlichkeit und Psychotizismus. Die Tabelle 45 enthält einen Vergleich dieser Korrelationen mit den entsprechenden Ergebnissen der vorliegenden Arbeit. Die Korrelationen stimmen weitgehend überein, der positive Zusammenhang von Dissoziation mit Depression, Ängstlichkeit und Psychotizismus konnte bestätigt werden. Die tiefsten Korrelationen mit der Dissoziation erreichte jeweils die Zustandsangst, wie das den Konzepten entsprechend zu erwarten war. Die unterschiedlichen Ergebnisse von Männern und Frauen (siehe Tabelle 35) verlangen eine nach Geschlechtern getrennte Analyse, was aber in den zum Vergleich herangezogenen Studien leider nicht der Fall ist. 145 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Tabelle 45: Korrelationen von Dissoziation mit Depression, Ängstlichkeit und Psychotizismus im Vergleich Studie Messinstr. Sanders 1988 PAS Norton et al.34 1990 DES Werlen DES Werlen FEDE Depression .45* BDI .62+ HSCL .44* BDI .37* BDI Ängstlichkeit Psychotiz. .52* trait .31+ state .58+ PHA .61+ HSCL .35" trait .19 state .35* P-14 .43* trait .24' state .41* P-14 Legende: Messinstr.=Messintrument für Dissoziation; Psychotiz.=Psychotizismus; PAS=Perceptual Alteration Scale; DES=Dissociative Experiencies Scale bzw. Dissoziative Erlebnisse Skala; FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse; BDI=Beck Depressions-Inventar; HSCL=Hopkins Symptom CheckList; trait=Eigenschaftsangst nach STAI; state=Zustandsangst nach STAI; PHA=Phopic Anxiety: Subskala des HSCL; P-14=Psychotizismusskala +=p<001 (vermutete Signifikanzen, da von den Autoren nicht angegeben) *=p<.001; "=p<.01; '=p<.05; Was die gegenseitige Übereinstimmung der Dissoziationsmessinstrumente betrifft, kann man von guten bis sehr guten Ergebnissen ausgehen. Die PAS (Perceptual Alteration Scale) korreliert mit der DES je nach Autor mit r=.52 (Frischholz et al., 1991) und r=.82 (Nadon et al., 1991). Die Zusammenhangswerte von DES und FEDE (r=.65) bzw. QED (r=.82; Ray et al., 1992) wurden bereits in Kptl. III; 5.1.2 aufgeführt. Was den Zusammenhang von Kreativität mit Depression, Ängstlichkeit und Psychotizismus betrifft, konnten die Angaben aus der zitierten Literatur (vgl. Kptl. II, 3) nicht repliziert werden. Die Korrelationen (vgl. Anhang 7) mit Ängstlichkeit (STAI) sind praktisch alle negativ35 oder nahe bei Null. Eine leicht positive Korrelation (r=.15) haben die Künstlerinnen (K, nicht aber BMK) bei der Zustandsangst. Signifikant aber negativ ist nur die Korrelation des KPS mit Zustandsangst bei den Männern (K+NK: r=-.30, p=<05). Der BDI gibt ein vergleichbares Bild ab. Etwas bewegter sieht das Bild beim Psychotizismus (P-14) aus. Dort erreichen die Zusammenhänge bei den KünstlerInnen sogar signifikante negative Werte (K: r=-.36, p<.01; BMK: r=-.41, p<.05). Im Gegensatz dazu korreliert der KPS bei den Nicht-KünstlerInnen (r=.24) und den Nicht-PsychologiestudentInnen (Rest: r=.19) zwar nicht signifikant, aber klar positiv, wobei das bei beiden Gruppen auf die Frauen zurückzuführen ist (NK: r=.27; Rest: r=.43). Das spricht gegen das oft vorgebrachte Vorurteil, KünstlerInnen seien psychisch gestörte 34 In der Tabelle 2 von Norton, Ross & Novotny (1990, S. 275) ist die horizontale Variablenbezeichnung um eine Angabe nach links verschoben. Der Kommentar im Text macht diesen Irrtum ersichtlich. 35 Eine negative Korrelation (r=-.41; p<.05) zwischen Eigenschaftsangst (STAI) und Kreativität fand auch Hüsler (1996). 146 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Menschen. Wie in Kapitel 2.1.4 dargelegt wurde, lassen sich Kreativität und psychische Störung nicht unbedingt ausschliessen (Preiser, 1976), doch sind zumindest die KünstlerInnen, die an dieser Studie teilgenommen haben, psychisch nicht kränker als die NichtKünstlerInnen. Das Bild des "verrückten" Künstlers ist eher ein Resultat davon, dass sich KünstlerInnen teilweise (oft nur in ihren Werken) ausserhalb der sozialen Normen bewegen. Ein weiterer möglicher Grund könnte in der Persönlichkeit der kreativen Menschen liegen, die Martindale (1989) als enthemmt ("disinhibited") beschreibt (vgl. Kptl. II, 2.2.2). 6.5 Ein Modell Fasst man die Zusammenhänge zwischen Dissoziation, Kreativität und Psychopathologie in einem Modell zusammen, können die Unterschiede zwischen den KünstlerInnen und den Nicht-KünstlerInnen sowie zwischen Männern und Frauen übersichtlich dargestellt werden. Die Darstellungen in Abbildung 20 zeigen viermal dasselbe Modell mit verschiedenen Teilstichproben (siehe Anhang 7 für weitere Modelldarstellungen). Die Zusammenhangsmasse sind mit Fischers Z gebildete Mittelwerte der Korrelationen zwischen den jeweiligen Fragebogen für Dissoziation (DES, FEDE), Kreativität (KPS) und Psychopathologie (BDI, STAI trait, P-14). Die KünstlerInnen unterscheiden sich von den Nicht-KünstlerInnen, wie wir bereits gesehen haben, im Zusammenhang von Dissoziation mit Kreativität, der über die Geschlechter hinweg bei K (rz=-.17) schwach negativ und bei NK (rz=.38) positiv ist. Derselbe Unterschied, aber auf beide Seiten hin weit schwächer, ist zwischen allen Frauen (positiv) und allen Männern (negativ) zu finden. Diese Differenz zwischen den Geschlechtern taucht auch in der BMK-Gruppe auf, jedoch nicht in der K- oder NKGruppe. Der schwache negative Zusammenhang zwischen Kreativität und Psychopathologie in der K-Gruppe (rz=-.16), der stärker wird bei den Männern (K+NK), verschwindet praktisch ganz in den Stichproben der NK und der Frauen (K+NK bzw. NK), wobei die Künstlerinnen, stärker in der BMK-Gruppe, negative Korrelationen zeigen (Anhang 7). Einzig bei den Künstlerinnen gibt es keinen Zusammenhang zwischen Dissoziation und Psychopathologie; er ist allgemein bei den Frauen schwach (rz=-.13), in allen Männerstichproben aber relativ hoch (rz>.60). 147 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Abbildung 20: Zusammenhangsmodell von Dissoziation (DES, FEDE), Kreativität (KPS) und Psychopathologie (BDI, STAI trait, P-14) bei KünstlerInnen, NichtKünstlerInnen, Männern und Frauen. KünstlerInnen Dissoziation Nicht-KünstlerInnen -.17 .39 Kreativität -.16 Depression / Angst / Psychotizismus Männer (K+NK) Dissoziation .60 Dissoziation .38 .38 Kreativität -.06 Depression / Angst / Psychotizismus Frauen (K+NK) -.07 Kreativität -.27 Depression / Angst / Psychotizismus Dissoziation .13 .18 Kreativität .01 Depression / Angst / Psychotizismus Legende: K+NK=KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; alle Korrelationen sind mit Hilfe von Fischers Z gebildete Mittelwerte Sucht man die Unterschiede zwischen den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen, die den Zusammenhang Dissoziation-Kreativität betreffen, in den durch die studentische Stichprobe gewonnenen Faktoren der DES und der KPS (Korrelationstabellen siehe Anhang 7), so lässt sich grob folgendes feststellen: Die positivsten Korrelationen in der NK-Stichprobe, die bei den K keine oder deutlich negative Zusammenhänge zeigen, können in den Faktoren "Eingenommenheit/Absorption" und "Trance" gefunden werden, besonders in Verbindung mit dem KPS-Faktor "gescheit" (intellektuelle Fähigkeiten). Die Geschlechtsunterschiede lassen sich am ehesten beim Faktor "Amnesie" lokalisieren, und zwar derart, dass Korrelationen mit "ungewöhnlich" und "offen" bei den Männern eher negativ, bei den Frauen um Null herum oder positiv ausfallen, und genau umgekehrt beim KPS-Faktor "unangenehm". Der unterschiedliche Einfluss des "Amnesie"-Faktors passt zu einem Befund von Sanders & Green (1994), die in einer nach Geschlechtern getrennten Faktorenanalyse fanden, dass auf ihrem Faktor "Amnesie" für die Männer und Frauen einer studentischen Stichprobe (bis auf eines) nicht die selben Items laden. Obwohl, wie die obigen Ausführungen und die Korrelationstabellen in Anhang 7 zeigen, zwischen den einzelnen Stichproben und Gruppenzusammensetzungen grosse Unterschiede vorherrschen, kann man ein paar wenige allgemeine Aussagen machen. Zu beachten bleibt allerdings, dass sich die meisten Korrelationen auf einem niedrigen Niveau 148 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil befinden und damit die Aussagekraft nicht überbewertet werden sollte. Wie bei den StudentInnen sind es denn auch in der Gruppe der KünstlerInnen und NichtKünstlerInnen in erster Linie "offene" Menschen, die am wenigsten dissoziative Erlebnisse berichten, und am meisten jene, die sich in der KPS als "unangenehm" (für die Mitmenschen) beschreiben. Weiter kann festgestellt werden, dass der negative Einfluss der Dissoziation auf die Kreativität im allgemeinen vor allem auf den Faktor "Depersonalisation/Derealisation" zurückzuführen ist. 6.6 Zur internen Validität der Arbeit - eine kritische Würdigung Die im Zentrum der Arbeit stehenden Hypothesen 1 und 2 mussten (grösstenteils) verworfen werden. Man kann sich nun fragen, ob das an der Fragestellung selber oder an der Durchführung (Stichproben, Messinstrumente, Auswertung) der Arbeit liegt. Die theoretische Grundlage der Fragestellung stützt sich im wesentlichen auf die Publikationen von Martindale (1980; 1981; 1989), die durch Forschungsergebnisse von ihm selbst und anderer Autoren gestützt werden, wobei zum Teil Konzepte (z.B. Hynpose, Phantasie) zu Hilfe genommen werden, deren Verbindungen mit Dissoziation offensichtlich scheinen, aber nicht unumstritten sind. Zwar sind die hier im Interesse stehenden theoretischen Ausführungen (Martindales) zu einem grossen Teil neurologisch abgesichert, oft sind das jedoch Einzelteile, die in der Theorie zusammengesetzt werden. Somit bleibt in der Theoriebildung noch immer viel Raum für Spekukationen. Die Fragestellung entstand durch die Beobachtung, dass in populären Publikationen, aber auch in Fachberichten über Dissoziationen immer wieder ein Zusammenhang zu Kreativität hergestellt wird (z.B. speziell kreative dissoziative PatientInnen oder Subpersönlichkeiten). Möglicherweise kommen solche Verbindungen zustande, da gelegentlich in Therapien mit dissoziativen PatientInnen kreativitätsfördernde Techniken benützt werden, um aufkommende traumatische Erinnerungen (z.B. Flashbacks) zu lindern, wie dies u.a. Smith (1994/1993, 111) und Rogers, Coll, Eldridge, Miller, Stiver et al. (1993) erwähnen. Was die Durchführung der Untersuchung betrifft, so könnten die Stichproben teilweise für die Verneinung der Hauptfrage verantwortlich sein. Dies betrifft besonders die KünstlerInnen-Stichprobe, da die Vergleichsgruppe die Hypothese 2 erfüllt, sowie die Männer, da die Daten der Frauen der Hypothese 1 rechtgeben. Betrachtet man die Items der KPS genauer, so fällt auf, dass als kreativ gilt, wer unter anderem ungewöhnlich und unangenehm ist. Ausserdem waren Items wie "vertrauensvoll" und "offenherzig", also positive, sozial erwünschte Eigenschaften von fast allen ProbandInnen als für sich zutreffend angekreuzt worden. Die Kreativen und damit die KünstlerInnen lassen sich von den Nicht-KünstlerInnen am besten durch sich zugeschriebene Adjektive trennen, die nicht unbedingt auf leicht "handhabbare Menschen schliessen lassen. Hinweise für die kritischere sowie vom Weltbild her andersartige und damit schwierigere Population liefern die tieferen Rücklauf149 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil quoten und die schlechteren Reliabilitäten (vor allem auf der KPS). Bedenkt man diese tiefen Reliabilitäten, so sind die signifikanten Resultate der Frauen und der NichtKünstlerInnen in Richtung der Hypothesen als aussagekräftiger zu betrachten als jene der Männer und KünstlerInnen. Unterstützt wird diese Vermutung durch die Kriteriumsvalidität der KPS bei den Frauen, die bei den Männern nicht existiert. Vielleicht wäre eine andere Form der Befragung, z.B. halbstandardisierte Interviews bei den KünstlerInnen auf grösseren Anklang gestossen. Und möglicherweise hätte ein Fragebogen zur sozialen Erwünschtheit einige Unklarheiten beseitigt. Da bei den StudentInnen ähnliche Resultate erhalten wurden, ist nicht anzunehmen, dass das Alter der ProbanInnen einen grossen Einfluss auf die Zusammenhänge hat. Doch kann das nicht ausgeschlossen werden. Dies betrifft vor allem die DES (im geringeren Masse den FEDE, der auch signifikantere Resultate brachte), da ältere TeilnehmerInnen noch weniger Dissoziationen zeigen als die jüngeren, die im Vergleich zu klinischen Populationen ebenfalls relativ tiefe Werte haben. Das ist hier insofern wichtig, als wir es eigentlich mit einem Instrument für klinische Populationen zu tun haben, die Stichproben in dieser Untersuchung jedoch, wie sich auch in den anderen Fragebogen (BDI, STAI, P-14) zeigte, psychisch gesund sind. Ausserdem ist es denkbar, dass die zum Teil 'seltsamen' Aussagen der DES die Leute irritierten oder verunsicherten. Einen weiteren kritischen Punkt stellt die Formulierung - "in wieviel Prozent der Zeit" - in Bezug auf die DES-Skalierung dar, die unter Umständen Unklarheiten aufkommen lässt, wenn Ausfüllende nicht verstehen auf was sie sich bezieht (alle Zeit oder die Zeit während einer bestimmte Tätigkeit). Obwohl die KPS, wie das der Skala entsprechen sollte, die höchsten Werte bei den KünstlerInnen produziert und Resultate in Übereinstimmung mit anderen Studien (mit teils anderen Testinstrumenten) brachte, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie nicht (nur) Kreativität misst. Über Verbesserungen und Alternativen zur CAT wurde bereits in Kptl. III, 6.2 berichtet. Nicht überprüft wurden die Daten auf nonlineare Muster. Der leichte u-förmige Verlauf könnte ein Hinweis auf kurvenlineare Zusammenhänge sein. Da es sich mehrheitlich um Messinstrumente für klinische Stichproben (vor allem DES, P14 und BDI) handelt, war eine Normalverteilung von vorneherein nicht zu erwarten. Diese linksschiefen Verteilungen stehen im Gegensatz zu den rechtsschiefen der KPS und der CAT . Mögliche störende Einflüsse auf die statistischen Berechnungen sind vorstellbar (z.B. auf die Faktorenanalysen; siehe Kptl. III, 5.2; vgl. Waller, in Druck, zit. nach Carlson et al., 1993). Ob es in bezug auf einen Zusammenhang von Dissoziation und Kreativität Moderator- oder Mediatorvariablen gibt, wurde ebenfalls nicht explizit geprüft. Jedoch lassen die durchgeführten Partialkorrelationen, die keinen allzugrossen Einfluss der kontrollierten Variablen (Psychopathologie, Alter, GeschlechtRauschmittel- und Medikamentenkonsum) zeigen, dies nicht als sehr wahrscheinlich scheinen. 150 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil 7. Zusammenfassung Nach einer Übersicht und Definition zu den Phänomenen der Dissoziation (Kapitel II, 1) und der Kreativität (Kapitel II, 2) - Zusammenfassungen dazu finden sich in Kptl. II, 1.8 und 2.5 - wurden die psychologischen Konzepte Depression, Ängstlichkeit und Psychotizismus vorgestellt (Kapitel II, 3). Sie fanden Platz in dieser Arbeit, da ihre Ausprägung in den Stichproben der KünstlerInnen und der Nicht-KünstlerInnen gemessen wurde, ausgehend von vermuteten Zusammenhängen vor allem mit Dissoziation, aber auch mit Kreativität. Entsprechend den Messinstrumenten (BDI, STAI, P-14) wurden neben allgemeinen Angaben zu den Konzepten die Theorien von Seligman, Beck und Lewinsohn (Depression), Spielberger und Lazarus (Ängstlichkeit) sowie Eysenck (Psychotizismus) angerissen. In Kapitel II, 4 gelang der Versuch einer theoretischen Zusammenführung von Dissoziation und Kreativität. In erster Linie bietet Martindale (1989) eine Erklärung. Kreativität (d.h. Inspiration) geschieht in einem Zustand kortikal schwacher Aktivation mit flachen Assoziationshierarchien und ungelenkter Aufmerksamkeit (≅ Primärprozessdenken). Solchen Bewusstseinszuständen liegt eine Enthemmung ("disinhibition") zugrunde. Dissoziation erwächst aus dieser Enthemmung. Es scheint nun so, dass kreative Menschen mehr "Subselves" haben, d.h. dissoziativer sind als unkreative Menschen. Unterstützung findet diese Erklärung in einer Reihe von Phänomenen (unter anderem Hypnose) aus dem Bereich der Primärprozesse, die bei kreativen Menschen häufiger vorkommen. Der empirische Teil der Arbeit beginnt mit einer ausführlichen Darstellung der Datenerfassung und stellt die benützten Erhebungsinstrumente vor. Im Anschluss daran werden die soziodemographischen Daten der Stichproben erläutert. Bei den StudentInnen (S) handelt es sich um 53 Studenten und 54 Studentinnen aus vier Fakultäten der Universität Freiburg (CH) mit einem Durchschnittsalter von 24.36 Jahren. Die zweite Stichprobe teilt sich auf in 60 KünstlerInnen und 30 Nicht-KünstlerInnen (davon je 20 Frauen). Die KünstlerInnen (K), zum grössten Teil aus der GSMBA - Gesellschaft Schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten (Visuelle Künstler) - und einigen aus dem Radio Symphonieorchester Basel sowie der Schule für Gestaltung Bern, sind mit 55.22 Jahren signifikant älter als eine Vergleichsstichprobe (Nicht-KünstlerInnen: NK) mit 45.83 Jahren. Eine aus den Berufsgruppen "BildhauerInnen", "(Kunst-)MalerInnen" und "KünstlerInnen" gebildete Subpopulation (BMK) war mit 58.55 Jahren noch etwas älter. Den Stichproben entsprechend führten die K deutlich mehr künstlerische Tätigkeiten aus und hatten weit mehr künstlerische Arbeiten an die Öffentlichkeit gebracht als die NK. Die Rücklaufquote der StudentInnen ist mit 72.4% extrem hoch im Vergleich zu dem üblich erwarteten Drittel, das von den NK mit 32.6% praktisch erreicht wurde, jedoch nicht von den K (25.0%). 151 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Die Ziele dieser Arbeit wurden in Kptl. III, 4 beschrieben. Neben der Hauptfrage "Sind dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen häufiger als bei weniger kreativen?" gab es drei Zielsetzungen: 1. die Prüfung der übersetzten und wenig bekannten Messinstrumente (DES, FEDE, KPS, CAT, P-14), 2. die Prüfung der Faktorenstruktur der DES und der KPS sowie 3. die Analyse des Vorkommens und der Verteilung der Messwerte in den drei Stichproben. Die DES (Dissoziative Erlebnisse Skala) erwies sich wie das amerikanische Original als reliabel (S: α=.86; K: α=.79; ΝΚ: α=.77). Bis auf eine Ausnahme sind alle Items trennscharf. Da es sich um eine Skala für klinische Populationen handelt, ist die Itemschwierigkeit entsprechend gross. Die Mittelwerte der DES (Skalierung: 0 bis 100) liegen bei den StudentInnen um ca. 10 Punkte, bei den KünstlerInnen und den Nicht-KünstlerInnen um ca. 8. Unterschiede gibt es, wie die Altersdifferenz erwarten liess, zwischen den StudentInnen und der K+NK-Stichprobe. Die Werte sind in den meisten Fällen tiefer als in Studien aus anderen Ländern. Die Verteilung der Daten fiel wie in allen vergleichbaren Studien deutlich linksschief aus. Die Untersuchung des FEDE (Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse) ergab zum Teil höhere Reliabilitäten als in der amerikanischen Originalversion (S: α=.73; K: α=.82; ΝΚ: α=.90). Die Trennschärfe der Items ist etwas weniger gut als die der DES, jedoch sind die Items weniger schwierig. Gemessen an der DES ist die Konstruktvalidität des FEDE zufriedenstellend. Der FEDE (Skalierung: 0 bis 26) brachte ähnliche Werte wie die DES, jedoch unterscheiden sich die Mittelwerte (S: ca. 10; N und NK: je ca. 8) nur wenig von Studien mit dem QED (engl. Version des FEDE). Neben einem Altersunterschied gab es auch Differenzen zwischen ProbandInnen mit oder ohne Kinder sowie mit oder ohne PartnerIn. Die Verteilung ist sichtbar weniger linkschief als bei der DES. Die KPS (Kreative Persönlichkeit Skala) schneidet aufgrund eines Irrtums (vgl. Kptl. III, 5.1.3) teilweise weniger gut ab. Reliabilitäten: S: α=.75; K: α=.54; ΝΚ: α=.66; Trennschärfen: 16 von 30 Items sind trennscharf; Itemschwierigkeit: grösstenteils klein. Die Werte der Frauen zeigen mit der KPS eine signifikante Kriteriumsvalididät (mit "bildhauen", "malen"). Im Vergleich zu Gough (1979) fielen die Resultate der KPS (Skalierung: -12 bis 18) höher aus. Die KünstlerInnen sind die signifikant kreativste der drei Gruppen. Die Interraterreliabilitäten für die Kreativität mit der CAT (Consensual Assessment Technique), die den StudentInnen nicht vorgelegt wurde, fielen mit riz=.58 für die K und reliabler mit riz=.68 für die NK (K+NK: riz=.66) im Vergleich mit Amabile (1983) sehr tief aus, die in einer ähnlichen Studie eine Interraterreliabilität von ri=.85 fand. Noch schlechter erwiesen sich die Interraterreliabilitäten für die Kriterien Witz und Schrift. Überraschend gut sind die interne Konstanz (K: α=.82; ΝΚ: α=.90), die Trennschärfen 152 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil und die Itemschwierigkeiten. Die Mittelwerte der CAT (Skalierung: 0 bis 10) befinden sich mehr als zur Hälfte innerhalb einer kleinen Spanne (4 bis 6). Unterschiede zwischen den K und NK sind keine vorhanden, und die Verteilung ist leicht rechtsschief. Die Psychotizismusskala P-14 zeigt bei den StudentInnen eine mit den Stichproben aus der Normalbevölkerung bei Baumann & Dittrich (1975) vergleichbare Reliabilität (α=.62). Bei den K (α=.57) und NK (α=.52) sind die Werte testtheoretisch zu tief. Die Trennschärfe ist mehrheitlich signifikant, die Itemschwierigkeit gross. Die Depressions-, Ängstlichkeits- und Psychotizismuswerte liegen im Rahmen der jeweiligen Eichstichproben, d.h. sowohl die K als auch die NK sind psychisch gesunde Menschen. Zusammenhänge mit Dissoziation stimmen weitgehend mit Resultaten anderer Studien überein, zur Kreativität wurden vor allem negative Korrelationen gefunden, was den Hinweisen aus der Literatur teilweise widerspricht. Eine Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse,Varimaxrotation) mit den Werten der StudentInnen an der DES ergab vier Faktoren: 1. "Depersonalisation/Derealisation", 2. "Eingenommenheit/Absorption", 3. "Amnesie" und 4. "Trance", die zusammen 45.8% der Varianz aufklären. Das selbe Verfahen mit der KPS (PsychologiestudentInnen) resultierte ebenfalls in vier Faktoren - 1. "gescheit" (intellektuelle Fähigkeiten), 2. "ungewöhnlich", 3. "offen", 4. "unangenehm" (für die Mitmenschen) - mit einer Varianzaufklärung von 40%. Die Hypothese 1 (KünstlerInnen erreichen höhere Werte auf den Instrumenten zur Messung der dissoziativen Erlebnisse als Nicht-KünstlerInnen) wurde als Ganzes verworfen. Dabei ist die Hypothese 1.1 (DES) völlig abzulehnen, die Hypothese 1.2 jedoch nur mit Vorbehalt. Die Künstlerinnen erleben der Hypothese entsprechend mehr dissoziative Erlebnisse als die Nicht-Künstlerinnen, bei tiefen Kreativitätswerten trifft das auch für die Gesamtgruppen (K vs. NK) zu. Die Hypothese 2 (Je höher die Kreativitätswerte der ProbandInnen sind, desto höhere Werte werden auf den Dissoziationsskalen erreicht) wurde als Ganzes ebenfalls verworfen. Das gilt besonders für die Hypothese 2.2 (CAT), aber auch für die Hypothese 2.1 (KPS). Doch konnte festgestellt werden, dass je nach Stichprobe unterschiedliche Ergebnisse auftreten. Die NK erfüllen die Hypothese 2.1 in hinsicht auf den FEDE und tendenziell mit der DES. Auch hier trifft dies besonders bei tieferen KPS-Werten zu. Ebenfalls konnte ein leichter Geschlechtsunterschied gefunden werden. Die Daten der Frauen neigen eher dazu die Hypothese 2 zu bestätigen, wohingegen jene der Männer sie widerlegen. Interessant ist der Verlauf der KPS-Werte über die Dissoziation (DES; von 0 bis ca. 28): Bei steigender Dissoziation sinkt die Kreativität zuerst, steigt dann aber wieder an. Die Hypothese 3 (Je höher die Depressions-, Ängstlichkeits- und Psychotizismuswerte der ProbandInnen sind, desto höhere Werte werden auf den Dissoziationsskalen erreicht) 153 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil konnte teilweise, d.h. für die Männer (vor allem für die Künstler), beibehalten werden. Dies gilt für die Hypothesen 3.1 (BDI), 3.2 und 3.3 (STAI) sowie 3.4 (P-14). Die letzte hat zusätzlich für die PsychologiestudentInnen Gültigkeit. Die Hypothese 4.1 (Je älter die Probanden sind, desto weniger dissoziative Erlebnisse werden von ihnen berichtet) wurde beibehalten, die Hypothese 4.2 (Die soziodemographischen Variablen Geschlecht, Beruf, Zivilstand, Wohnort und -art sowie Anzahl Kinder haben keinen Einfluss auf die Dissoziationswerte) wurde verworfen, d.h. zumindest beim FEDE gibt es Unterschiede zwischen ProbandInnen mit und ohne Kinder bzw. PartnerIn. Die Hypothese 5.1 (Männer erreichen auf der KPS höhere Kreativitätswerte als Frauen) wurde verworfen, ebenso die Hypothese 5.2 (Die soziodemographischen Variablen Alter, Beruf, Zivilstand, Wohnort und -art sowie Anzahl Kinder haben einen Einfluss auf die Kreativitätswerte) trotz einigen (wenig deutlichen) Hinweisen für einen Einfluss von Alter und Bildung. Die Hypothese 6 (Treffen die Hypothesen 2 und 3 zu, soll gelten: Je höher die Depressions-, Ängstlichkeits- und Psychotizismuswerte der ProbandInnen sind, desto höhere Werte werden auf den Kreativitätsskalen erreicht) als Ganzes wie auch die Subhypothesen 6.1 bis 6.4 wurden verworfen. In der Diskussion der Resultate wurde festgestellt, dass in den untersuchten schweizerischen Stichproben dissoziative Erlebnisse mit praktisch identischer Verteilung wie in Studien anderer Länder vorkommen (z.B. Ross et al., 1990b). Die Kreativität in den drei Stichproben weist Ähnnlichkeiten mit den Daten der amerikanischen CPS (engl. Version der KPS) auf, wobei die etwas höheren Werte wahrscheinlich auf Übersetzung und unterschiedliche Skalierung zurückzuführen sind. Ebenfalls in Übereinstimmung mit anderen Studien ist die hohe Kreativität bei den PschologiestudentInnen. Der Unterschied zwischen den KünstlerInnen und den Nicht-KünstlerInnen besteht nicht darin, dass die K mehr dissoziative Erlebnisse haben (Hypothese 1), sondern dass von den NK die Hypothese 2 zum Teil bestätigt wurde, jedoch nicht von den K. Korrelationsanalysen der Faktoren der DES und der KPS zeigten, dass vor allem nach aussen offene ProbandInnen am wenigsten dissoziative Erlebnisse aufweisen, am meisten jene, die sich als unangenehm (für die Mitmenschen) beschreiben. Dabei konnten die Unterschiede zwischen K und NK genauer analysiert werden: Die NK-Stichprobe zeigt zur Kreativität, besonders zum Faktor "gescheit", Zusammenhänge mit den DES-Faktoren "Eingenommenheit/Absorption" und "Trance", bei denen die Werte der K keine oder deutlich negative Zusammenhänge vorweisen. Die Geschlechtsunterschiede lassen sich am ehesten beim DES-Faktor "Amnesie" finden. Der grösste negative Einfluss der Dissoziation auf die Kreativität lässt sich im allgemeinen auf den DES-Faktor "Depersonalisation/Derealisation" zurückführen. 154 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen III Empirischer Teil Schliesslich lassen sich die Resultate der Untersuchung in einem Modell (vgl. Abbildung 20) zusammenfasssen, wobei besonders die Unterschiede zwischen den KünstlerInnen und den Nicht-KünstlerInnen und zwischen Frauen und Männern zum Ausdruck kommen. Am Schluss folgt eine kritische Würdigung der Arbeit, in der mögliche Gründe für die (teilweise) Verwerfung der Hypothesen 1 und 2 in der Fragestellung und in der Durchführung (Stichproben, Messinstrumente, Auswertung) gesucht werden. 155 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Danke Danke Bevor ich meine Dankeshymne loslasse, bedanke ich mich bei meinen besten Eltern der Welt, Heinrich und Margrit, die meine Wahl Psychologie zu studieren sofort anerkannten, obwohl ihnen die Entscheidung zuerst ein wenig suspekt vorkam, und die mich die vielen Jahre (!) finanziell unterstützten. Einen herzlichen Dank verdienen alle die, die sich die Mühe und die Zeit genommen haben die Fragebogen auszufüllten. Im besonderen danke ich der GSMBA für ihre Mitarbeit, namentlich sind das Claude Magnin, Ursus Winiger, Niklaus von Flüe, Fabian Meier, Willi E. Christen, Xavier Furrer und Mercurius Weisenstein. Ebenso einen Dank dem Basler Radio-Symphonieorchester, besonders dem Manager Peter Keller, der bereitwillig auf meine Anfrage reagierte, und Stefan Kälin von der Schule für Gestaltung in Bern. Einen speziellen Dank verdient Prof. Dr. Meinrad Perrez, der diese Arbeit - obwohl ihm das Thema zu Beginn nicht ganz geheuer war - mit steigendem Interesse betreute. Seine Hinweise und Hilfestellungen waren zuverlässige und wertvolle Wegweiser auf dem teilweise steinigen und harten Pfad. Für die Hilfe den Fragebogen an den Studenten und die Studentin zu bringen, danke ich herzlich Prof. Dr. Bernard Schynder von der Wirschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, Prof. Dr. Hans Wolfgang Brachinger von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, Dr. Max Küchler, von der Theologischen Fakultät und Prof. Dr. Hans-Dieter Schneider vom Psychologischen Institut. Nicht zu vergessen sind die drei Rater und die sechs Raterinnen, die ich mit den rund 400 Cartoons ins Schwitzen brachte. Die freundliche Erlaubnis zur Übersetzung der Dissociative Experience Scale verdanke ich Prof. M.D. Frank W. Putnam vom National Institute for Mental Health (NIMN), Bethesda, Maryland, jene für den Questionnaire of Experiences of Dissociation Ph.D. Kevin C. Riley vom Temple University Hospital, Philadelphia, Pennsylvania. Ein supergrosses Dankeschön gebührt Gebhard Hüsler, meinem Freund und Chef, der mir durch meine Arbeit an seinen Projekten einen wichtigen Einblick in die psychologische Forschung verschaffte und meine vielen Fragen zu beantworten wusste. Dank für Hinweise und Ratschläge gebührt auch den folgenden Assistenten des Psychologischen Institutes von Freiburg: Eckehard Kuhlmei, der meinen kreativen Teil in Schwung brachte, Helmut Leder, der mir zu den KünstlerInnen verhalf, Guy Bodemann, der einige meiner Ideen stärkte, weil er sie kritisierte und Marius Zbinden, der mit seiner Freundschaft manche Kaffeepause zur interessanten Diskussion werden liess und viele Mensa-Essen erträglich machte. Gerard Blülle, einem treuen Freund (und scharfäugigen 'Lektoren') gilt ein ganz besonders herzlicher Dank auch für seine gnadenlose Kritik und seine Geduld meinen grossen 156 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Danke Monologen über Dissoziation gegenüber36. Dies gilt auch für Christine Suter und eine Reihe anderer Freunde, die mir oft ohne davon etwas zu bemerken weiterhalfen, weil sie selber nicht weiter wussten. Für all die verrückten Tage und Erlebnisse, meinen Δανκ an unsere Experimentalgruppe, die keine Anstrengungen und Mühen scheute, die Psychologie von einer anderen Seite zu betrachten, bis zu der Zeit, als die grosse Auswanderung begann. Danke David, Gerard und Simone. Daneben gab es noch eine Menge von Leuten, die meist ohne etwas davon zu merken mithalfen meine Lizentiatsarbeit zu schreiben. Ich denke vor allem an die vielen Bibliothekarinnen, und eine grosse Reihe von Freunden und Kollegen, die mir in mancher Diskussion wichtige Anregungen lieferten. Auch wenn sie zum grossen Teil völlig unschuldig sind an dieser Arbeit, so will ich meine ehemaligen WG-Mitbewohner nicht vergessen. Michael Lehner, der mir manches Auge öffnete und Urs Antonioli, der mit mir viele Küchenschaben fertig machte. Beide waren mir manchmal wichtiger als mir bewusst war. Ganz am Schluss ein Merci an Vielfalt e.V., dem Verein zur Aufklärung über Dissoziation als Überlebensmuster, Bremen, für das Interssse an meiner Arbeit, und an die International Society for the Study of Dissoziation (ISSD), Orange, California, die mich in ihre Reihen aufnahm und mir einiges an Literatur über das Grosse Wasser sandte. 36 Auch für seinen grossen Einsatz beim Herleiten der Formel für die Itemschwierigkeit (die wir nur hätten nachschauen müssen). 157 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis Abeles M. & Schiller, P. (1935). Psychogenic loss of personal identity. Archives of Neurology and Psychiatry, 34, 587-604. Albert, R.S. & Runco, M.A. (1990). Observations, conclusions, and gaps. In M.A. Runco & R.S. Albert (Hrsg.). Theories of creativity. (S. 255-269). Newbury Park: Sage Publications. Allport, G.W. (1937). Pattern and growht in personality. New York: Holt, Rinehart & Winston. 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Journal of Abnormal Psychology, 86(2), 103-126. 177 Lebenslauf Name: Vorname: Adresse: Wohnort: 5.5.1969 1976-1982 1982-1984 1984-1989 1989-1996 Werlen Egon Blattersboden 3935 Bürchen geboren in Bürchen Sohn des Heinrich und der Margrit Werlen Primarschule in Bürchen Sekundarschule in Visp Mittelschule in Brig (Typus B) Studium der Psychologie am Psychologischen Institut und Studium der Journalistik am Institut für Journalistik an der Universität Freiburg (CH) 1992-1996 Arbeit als Forschungsunterassistent bei Gebhard Hüsler am Psychologischen Institut der Universität Freiburg (CH) 1993 (Mär., Apr., Okt., Nov.) Praktikum in der Dienststelle für Erziehungsberatung, Kinder- und Jugendpsychiatrie Wallis (Visp) Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich meine Lizentiatsarbeit selbstständig und ohne unerlaubte fremde Hilfe verfasst habe. Freiburg, Januar 1996 EgonWerlen 178 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Inhaltsverzeichnis des Anhangs Angang 1: Fragebogen - Autoren der Fragebogen ............................................................181 - Fragebogen A: Biographischer Fragebogen ................................183 - Fragebogen Nr. 1: DES: Dissoziative Erlebnisse Skala ........................183 - Fragebogen Nr. 2: KPS: Kreative Persönlichkeit Skala .......................183 KPS Version mit dichotomer Skalierung .............183 KPS Version mit neuübersetzten Items 3, 8, 9, 20, 30 ........................................183 - Fragebogen Nr. 3: FEDE: Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse inkl. P-14: Psychotizismusskala (Items: 1, 4, 7, 10, 13, 19, 22, 25, 28, 31, 34, 37, 39, 41; Zusatzitems 16, 42) .............................................183 - Fragebogen Nr. 4: CAT: Consensual Assessment Technique - Begleitfragebogen für die Rater der CAT - Bewertungstabelle CAT (erste Seite) Anhang 2: Instruktionen - Instruktion für StudentInnen - Instruktion für KünstlerInnen - Instruktion für Nicht-KünstlerInnen - Instruktion für CAT-RaterInnen Anhang 3: Berufszuordnung ................181 ........................................183 .............................................183 .......................................................183 .....................................................184 ..............................................183 ..................................................183 ....................................................................183 Anhang 4: Mitteilungen, Briefe - Danke/Bitte-Karte an Künstlerinnen und Künstler ..............................186 - Brief an Basler Radio Symphonieorchester ......................................187 Anhang 5: Trennschärfe, Itemschwierigkeit - Trennschärfe und Itemschwierigkeit bei der DES ...............................188 - Trennschärfe und Itemschwierigkeit beim FEDE ................................189 - Trennschärfe und Itemschwierigkeit beim P-14 ..................................189 - Trennschärfe und Itemschwierigkeit bei der KPS ...............................190 - Trennschärfe und Itemschwierigkeit bei der CAT ................................190 - Interraterreliabilitäten der CAT .....................................................191 179 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Anhang 6: Faktorenanalysen - Faktorenanalyse der DES (4 Faktoren, StudentInnen) .........................192 - Faktorenanalyse der KPS (4 Faktoren, PsychologiestudentInnen) ...........193 Anhang 7: Ergänzende Tabellen und Abbildungen - Nonparametrische Korrelationen von Dissoziation und Kreativität mit soziodemographischen Variablen .................................................194 - Partialkorrelationen von Dissoziation (DES, FEDE) mit Kreativität (KPS, CAT) ............................................................195 - Deskriptive Werte der KPS ohne die fünf neuübersetzten Items bei Studentinnen .........................................................197 bei KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen .........................197 - Reliabilitäten der KPS ohne die fünf neuübersetzten Items ....................197 - Deskriptive Werte des P-14 bei den StudentInnen ..............................198 - Deskriptive Werte des P-14 bei den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen ...........................................................198 - Deskriptive Werte des BDI bei den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen ...........................................................198 - Deskriptive Werte des STAI bei den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen ..........................................................198 - Verteilung der P-14-Werte bei den StudentInnen und den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen ....................................199 - Verteilung der BDI-Werte bei den KünstlerInnen und den Nicht-KünstlerInnen ...........................................................199 - Verteilung der STAI-Werte bei den KünstlerInnen und den Nicht-KünstlerInnen ...........................................................199 - Verlauf der Kreativität über die Dissoziation bei Frauen und Männern .......200 - Verlauf der Kreativität über die Dissoziation bei der BMK- und NK-Gruppe ...................................................200 - Korrelationstabelle der DES- und KPS-Faktoren bei den StudentInnen .....201 - Korrelationstabelle der DES- und KPS-Faktoren bei der K+NK-Gruppe ...200 - Korrelationstabelle der DES- und KPS-Faktoren bei den KünstlerInnen ....201 - Korrelationstabelle der DES- und KPS-Faktoren bei der BMK-Gruppe .....201 - Korrelationstabelle der DES- und KPS-Faktoren bei den Nicht-KünstlerInnen .......................................................202 - Korrelationen von KPS mit BDI, STAI und P-14 ..............................202 - Modelle Dissoziation - Kreativität - Psychopathologie .........................203 Anhang 8: Dreiteilung der Messwerte ..........................................................205 180 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Anhang 1 DES: Dissoziative Erlebnisse Skala Original: DES: Dissociative Experiences Scale Autoren: E.B. Carlson & F.W. Putnam Übersetzung: E. Werlen Literatur: Carlson, E.B. & Putnam, F.W. (1986). Development, reliability, and Validity of a dissociation scale. Journal of Nervous and Mental disease, 174, 727735. Carlson, E.B. & Putnam, F.W. (1993). An update on the Dissociative Experience Scale. Dissociation, 6(1), 16-27. FEDE: Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse Original: QED: Questionnaire of Experiences of Dissociation Autoren: K.C. Riley Übersetzung: E. Werlen Literatur: Riley, K.C. (1988). Measurement of Dissociation. The Journal of Nervous and Mental Disease, 176(7), 449-450. Dunn, G.E., Ryan, J.J., Paolo, A.M. & Miller, D. (1993). Screening for MPD: Clinical Utility of the Questionnaire of Expereience of Dissociation. Dissociation, 6(1). KPS: Kreative Persönlichkeit Skala Original: CPS: Creative Personality Scale Autoren: H.G. Gough Übersetzung: E. Werlen Literatur: Gough, H.G. (1979). A Creative Personality Scale for the Adjective Check List. Journal of Personality and Social Psychology, 37(8), 13981405. Gough, H.G. & Heilbrun, A.B. (1983). The Adjective Check List manual. Palo Alto: Consulting Psychologists Press. CAT: Consensual Assessment Technique Original: nach einer Methode von T. Amabile Literatur: Amabile, T. (1983). The social psychologie of creativity. New York: Springer. Hennessey, B.A. & Amabile, T. (1988). The conditions of creativity. In R.J. Steinberg (Hrsg.). The nature of creativity: Contemporary psycho181 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang logical perspecitves. (S. 11-38). New York: Plenum. P-14: Psychotizismusskala Autoren: U. Baumann & A. Dittrich Literatur: Baumann, U. & Dittrich, A. (1975). Konstruktion einer deutschsprachigen Psychotizismus-Skala. Zeitschrift für Experimentelle und Angewandte Psychologie, 22(3), 421-443. Baumann, U. & Rösler, F. (1981). Zur revidierten Psychotisismus-Skala nach Eysenck. Diagnostica, 27, 18-22. 182 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Fragebogen Fehlen aus urheberrechtlichen Gründen. 183 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Anhang 2 Instruktionen Nach über 15 Jahren nicht mehr gefunden. 184 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Anhang 3 Berufszuordnung mit der Häufigkeit in der entsprechenden Gruppe (K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 11 12 13 MusikerIn StudentIn LehrerIn (auch: ErwachsenenbildnerIn, ZeichenlehrerIn, KindergärnterIn) BildhauerIn, PlastikerIn, ObjektkünstlerIn, GestalterIn MalerIn Architekt Hausmann/frau DesignerIn KünstlerIn Berufe im Bereich Soziales und Medizin Lebensberaterin, Logopädin, Arztgehilfin, Zahnarzt, Pädiater, Physiotherapeut Berufe im Bereich Wirtschaft und Handel Kauffrau/mann, Betriebsökonom, SekretärIn, Verkäuferin, Direktor Berufe im Bereich Naturwissenschaften und Technik Kältemonteur, NaturwissenschaftlerIn, Lebensmitteldesigner, Informatikerin, ZeichnerIn (nicht KunstmalerInnen), ChemikerIn N 8 2 4 NK 0 5 0 11 15 9 0 1 6 0 0 0 0 4 0 0 7 1 8 0 6 185 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Anhang 4 Danke/Bitte-Karte an die Künstlerinnen und Künstler Psychologe "Keine Angst - Sie sind nicht der einzige, der Selbstgespräche führt!" Liebe Künstlerin, Lieber Künstler! Herzlichen Dank, dass Sie mir halfen, indem Sie meine Fragebogen ausfüllten. Falls Sie dies noch nicht getan haben, so bitte ich Sie es nachzuholen. Der Rücklauf blieb leider unter meinen Erwartungen. Für eine sinnvolle Auswertung bin ich auf Ihren Beitrag angewiesen. Sie können das Fragebogenpaket auch an eine andere Person weitergeben, die keine (auch nicht in der Freizeit) künstlerische Tätigkeiten ausführt. Mit freundlichen Grüssen Egon Werlen (Tel: 037 / 26 56 49) 186 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Brief: nach über 15 Jahren nicht mehr auffindbar. 187 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Anhang 5 Trennschärfe und Itemschwierigkeit der DES (Dissoziative Erlebnisse Skala) S Nr. Item 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 Erinnerungslücke bei Fahrten Nur Teil von Gespräch mitbekommen Sich an unbekanntem Ort wiederfinden Sich in fremden Kleidern wiederfinden Finden von nicht gekauften Dingen Von fremden Leuten gekannt werden Neben sich selbst stehen Freunde nicht wiedererkennen Nicht mehr an wichtige Ereignisse erinnern Der Lüge angeklagt werden Sich selber im Spiegel nicht mehr erkennen Andere Leute erscheinen unreal Eigener Körper gehört nicht mehr zu sich Ereignisse wiedererleben Nicht mehr wissen, ob wirklich geschehen Familiäre Plätze erscheinen fremd In Fernsehen oder Kino absorbiert sein Phantasie wie wirklich erleben Schmerzen ignorieren können In Raum starren Selbstgespräche führen In Situationen verschieden handeln Erstaunliche Leichtigkeit bei gew. Handlungen Nicht erinnern, ob gerade getan An getane Dinge nicht mehr erinnern An Zeichnungen/Notizen nicht mehr erinnern Im Kopf Stimmen hören Welt wie durch einen Nebel sehen ric .53 .51 .31 .22 .33 .45 .57 .33 .46 .42 .33 .62 .45 .69 .65 .49 .65 .62 .37 .66 .38 .46 .33 .49 .42 .35 .31 .51 K+NK Sign. ric Sign. pi *** *** ** * *** *** *** *** *** *** ** *** *** *** *** *** *** *** *** *** *** *** ** *** *** *** ** *** ** ** ** * ** ** ** ** ** ** .36 .51 .34 .21 .30 .48 .59 .30 .42 .56 .10 .59 .53 .65 .65 .48 .54 .68 .45 .66 .41 .57 .48 .54 .55 .23 .35 .56 ** ** ** ** ** ** ** ** ** ** ** ** ** ** * ** ** S K+NK pi .05 .03 .00 .00 .00 .00 .01 .00 .01 .00 .00 .00 .00 .06 .02 .05 .18 .08 .03 .09 .10 .04 .04 .02 .03 .01 .02 .01 .04 .06 .00 .01 .00 .00 .02 .00 .02 .00 .00 .01 .02 .07 .02 .00 .16 .06 .05 .03 .04 .02 .09 .02 .02 .01 .01 .01 Legende: S=StudentInnen; K+NK=KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; ric=Trennschärfe; pi=Itemschwierigkeit; sign.=Signifikanz *=p<.05; **=p<.01; ***=p<.001 188 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Trennschärfe und Itemschwierigkeit des FEDE (Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse) S Nr. Item 1 2 3 4 5 6 7+ 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 Dinge erscheinen nicht real Sich wie jemand anders fühlen Kopf blockiert und leer Sich wundern, wer man wirklich ist Fremder im Spiegel Von Handlungen und Gedanken distanzieren Durcheinander und in Verwirrung sein Sich nicht mehr erinnern, wo man gewesen ist Worte kommen nicht richtig heraus Nicht mehr wissen, wie hingekommen In seiner eigenen Welt sein Körper verwandelt sich Jemand in mir dikitert meine Handlungen Körperteile bewegen sich von selbst Tagträume in der Schule (als Kind) Andere beim Sprechen verstehen Vergessen, wohin Dinge gelegt Kopf wird leer Reiches Phantasieleben In den leeren Raum starren Tagträume haben Seele verlässt Körper Sich selber hypnotisieren könnnen Hatte imaginären Freund In Trance gewesen Perioden mit déjà vu ric .36 .41 .49 .43 .39 .50 .03 .19 .34 .47 .46 .34 .30 .50 .45 .30 .36 .55 .14 .27 .39 .37 .38 .33 .47 .19 K+NK Sign. ric Sign. pi *** *** *** *** *** *** ** ** ** ** ** ** ** ** ** * *** *** *** *** ** *** *** *** *** *** *** *** *** *** *** *** .48 .52 .56 .56 .36 .42 .40 .37 .50 .12 .36 .46 .53 .32 .45 .31 .40 .58 -.05 .48 .33 .47 .34 .34 .59 .33 ** ** ** ** ** ** ** ** ** ** ** ** ** ** ** S K+NK pi .16 .17 .49 .49 .06 .19 .53 .13 .29 .24 .27 .06 .09 .16 .56 .42 .41 .51 .79 .85 .64 .14 .37 .50 .30 .83 .15 .09 .40 .39 .04 .19 .40 .16 .19 .06 .34 .10 .15 .17 .46 .29 .45 .35 .83 .64 .32 .15 .37 .72 .40 .67 Legende: S=StudentInnen; K+NK=KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; ric=Trennschärfe; pi=Itemschwierigkeit; sign.=Signifikanz; *=p<.05; **=p<.01; ***=p<.001; +=für K+NK Skala umgepolt Trennschärfe und Itemschwierigkeit des P-14 (Psychotizismusskala) S Nr. Item 1 2 3 4 5 7 8 9 10 11 12 13 14 15 6+ 16+ Feinde wollen mir schaden Mehr Schwierigkeiten als die anderen Sehr viel Pech gehabt Leute versuchen mir aus dem Weg zu gehen Von Träumen beeinflussen lassen Leute nehmen schnell etwas übel Leute versuchen mich zu ärgern Wäre erfolgreicher ohne die Schwierigkeiten Nahrungsmittel schmecken alle gleich Mitmenschen weh tun macht Spass Anderen Leuten Angst machen Schmerzhafte Scherze machen mir Spass Freundschaften gehen leicht in Brüche Die Ehe ist altmodisch Mein Vater ist ein guter Mensch Mein Gesundheitszustand ist gut ric .57 .33 .51 .50 .37 .40 .56 .54 .19 .45 .29 .17 .11 .15 .22 .06 K+NK Sign. ric Sign. pi *** *** *** *** *** *** *** * * *** ** .44 .38 .26 .38 .46 .45 .61 .42 .39 .55 .10 .22 ** ** * ** ** ** ** ** ** ** .32 .09 .15 ** * ** S K+NK pi .15 .09 .13 .24 .44 .35 .23 .16 .02 .05 .14 .04 .03 .14 .13 .06 .11 .09 .03 .14 .34 .33 .24 .13 .06 .07 .06 .03 .00 .19 .11 .09 Legende: S=StudentInnen; K+NK=KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; ric=Trennschärfe; pi=Itemschwierigkeit; sign.=Signifikanz; *=p<.05; **=p<.01; ***=p<.001; += Zusatzitems, nicht im P-14-Score 189 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Trennschärfe und Itemschwierigkeit der KPS (Kreative Persönlichkeit Skala) S Nr. Item 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 ric einsichtsvoll fähig denke viel bzw. nachdenklich+ originell misstrauisch sexy unterwürfig höflich/anständig bzw. wohlerzogen+ aufrichtig bzw. offenherzig+ unkonventionell konservativ wenige Interessen gewöhnlich intelligent vorsichtig individuel ungezwungen erfinderisch egoistisch hochnäsig bzw. vornehm tuend+ konventionell unzufrieden viele Interessen humorvoll vertrauensvoll ehrlich selbsbewusst findig klug gefühlvoll bzw. empfindsam+ .21 .36 .16 .51 .38 .29 .41 .03 .04 .64 .39 .51 .55 .30 .27 .35 .46 .41 .16 .04 .59 .30 .48 .17 .27 .00 .52 .44 .38 -.02 K+NK Sign. ric Sign. pi * *** ** *** *** ** *** *** *** *** *** ** ** *** *** *** *** ** *** ** *** *** *** .12 .35 -.16 .53 .48 .22 .26 .06 -.16 .47 .37 .34 .50 .30 .35 .30 .38 .41 .06 .05 .41 .30 .45 .33 .22 .04 .36 .51 .22 .04 ** ** * * ** ** ** ** ** ** ** ** ** ** ** ** ** * ** ** * S K+NK pi .90 .97 .95 .73 .48 .46 .82 .03 .08 .73 .68 .85 .72 .93 .16 .82 .57 .62 .52 .13 .67 .49 .89 .86 .86 .07 .75 .77 .92 .05 .94 .97 .97 .76 .45 .52 .84 .46 .10 .88 .61 .92 .87 .97 .14 .97 .91 .84 .58 .16 .72 .76 .93 .89 .09 .01 .89 .88 .96 .01 Legende: S=StudentInnen; K+NK=KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; ric=Trennschärfe; pi=Itemschwierigkeit; sign.=Signifikanz *=p<.05; **=p<.01; ***=p<.001 Trennschärfe und Itemschwierigkeit der CAT (Consensual Assessment Technique) von K+NK Nr. Item 1 2 3 4 5 ric Feuer anzünden Lesen im Gefängnis Festgenagelt Tratsch beim Tennisspiel Trauerndes Huhn .77 .72 .82 .80 .84 Sign. pi ** ** ** * ** .32 .27 .57 .54 .45 Legende: S=StudentInnen; K+NK=KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; ric=Trennschärfe; pi=Itemschwierigkeit; sign.=Signifikanz *=p<.05; **=p<.01; ***=p<.001 + neuübersetzte Items für die K+NK-Stichprobe 190 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Interraterreliabilitäten der CAT bei den KünstlerInnen und den Nicht-KünstlerInnen K+NK KR3 KR4 KR5 KR6 KR8 WR3 WR4 WR5 WR6 WR8 SR3 SR4 SR5 SR6 SR8 KR3 KR4 KR5 KR6 KR8 WR3 WR4 WR5 WR6 WR8 SR3 SR4 SR5 SR6 SR8 KR2 KR3 KR4 KR5 KR6 0.65 0.63 0.54 0.47 0.52 0.55 0.62 0.55 0.58 0.58 0.63 0.79 0.68 0.69 0.69 WR2 WR3 WR4 WR5 WR6 0.65 0.69 0.59 0.6 0.72 0.67 0.48 0.53 0.47 0.58 0.58 0.7 0.71 0.79 0.57 SR2 SR3 SR4 SR5 SR6 0.51 0.4 0.44 0.32 0.33 0.43 0.58 0.56 0.48 0.45 0.52 0.61 0.45 0.39 0.46 K KR2 KR3 KR4 KR5 KR6 0.71 0.63 0.55 0.46 0.41 0.56 0.51 0.51 0.48 0.54 0.63 0.78 0.63 0.65 0.65 WR2 WR3 WR4 WR5 WR6 0.64 0.73 0.59 0.61 0.64 0.67 0.41 0.5 0.31 0.52 0.58 0.65 0.72 0.8 0.48 SR2 SR3 SR4 SR5 SR6 0.51 0.34 0.55 0.29 0.39 0.49 0.57 0.57 0.4 0.48 0.58 0.7 0.53 0.37 0.56 NK KR2 KR3 KR4 KR5 KR6 0.53 0.66 0.57 0.48 0.75 0.54 0.81 0.63 0.68 0.65 0.63 0.85 0.73 0.76 0.72 WR2 WR3 WR4 WR5 WR6 0.65 0.61 0.62 0.57 0.81 0.68 0.59 0.55 0.7 0.64 0.55 0.77 0.69 0.79 0.7 SR2 SR3 SR4 SR5 SR6 0.39 0.55 0.21 0.31 0.17 0.27 0.58 0.52 0.65 0.39 0.3 0.44 0.27 0.35 0.24 Legende: K+NK=KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen; KR2=Kriterium Kreativität von Rater 2; WR3=Kriterium Witz von Rater 3; SR4=Kriterium Schrift von Rater 4 etc. 191 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Anhang 6 Faktorenanalyse der DES mit den StudentInnen (Hauptkomponentenanalyse, VarimaxRotation, 4 Faktoren, Ladungen >.40) Faktor 1 DES Faktor 2 Faktor 3 Faktor 4 22 11 2 12 7 9 Depersonalisation / Derealisation Familiäre Plätze erscheinen fremd Eigener Körper gehört nicht mehr zu sich In Situationen verschieden handeln Sich im Spiegel nicht mehr erkennen Nur Teil von Gespräch mitbekommen Andere Leute erscheinen unreal Neben sich selbst stehen Nicht an wichtige Ereignisse erinnern 5 26 4 25 24 10 Amnesie Finden von nicht gekauften Dingen An Notizen etc. nicht mehr erinnern Sich in fremden Kleidern wiederfinden An getane Dinge nicht mehr erinnern Nicht erinnern, ob gerade getan Der Lüger angeklagt werden -.06 .04 .26 -.09 .40 -.02 .71 .69 .68 .59 .56 .52 .02 .07 -.17 .39 .44 .10 .08 -.05 -.28 .17 03 .23 15 18 14 27 17 Absorption / Involvment Nicht wissen, ob wirklich geschehen Phantasie wie wirklich erleben Ereignisse wiedererleben Im Kopf Stimmen hören In Fernsehen oder Kino absorbiert sein .28 .38 .49 .45 .09 .22 .02 .13 .17 .35 .66 .62 .57 -.55 .48 .23 .17 .16 .41 .35 20 23 28 6 19 21 Trance In Raum starren Leichtigkeit in gewissen Handlungen Welt wie durch einen Nebel sehen Von fremden Leuten gekannt werden Schmerzen ignorieren können Selbstgespräche führen .16 .06 .14 .13 .09 .05 .15 -.17 .22 .32 -.03 .04 .35 -.04 .07 .01 .07 .20 .67 .63 .62 .50 .47 .40 16 13 Faktor 1 2 3 4 Total Eigenwert 6.58 2.52 1.90 1.81 .74 .63 -.01 -.01 .16 .36 .02 -.08 .60 .60 .58 .57 .51 -.07 .05 -.03 .39 .46 .12 -.03 .28 .29 -.11 .17 .07 .20 .08 .25 Varianz in % 23.5 9.0 6.8 6.5 45.8 192 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Faktorenanalyse der KPS mit den PsychologiestudentInnen (Hauptkomponentenanalyse, Varimax-Rotation, 4 Faktoren, Ladungen >.40) Faktor 1 29 28 18 14 4 16 gescheit klug findig erfinderisch intelligent originell individuell Faktor 2 Faktor 3 Faktor 4 .75 .70 .63 .62 .62 .54 .02 .23 .29 .01 .18 .37 .17 .05 .02 .26 .15 -.09 -.21 -.16 .08 -.10 -.04 .22 21 10 11 14 15 5 ungewöhnlich konventionell unkonventionell konservativ gewöhnlich vorsichtig misstrauisch -.24 .32 -.11 -.20 .00 .22 -.80 .75 -.62 -.59 -.55 -.50 -.07 .07 .09 -.03 -.15 -.38 -.09 .13 .05 .05 -.33 .03 22 27 12 23 2 7 24 offen unzufrieden selbstbewusst wenige Interessen viele Interessen fähig unterwürfig humorvoll .20 .36 -.05 .18 .45 .12 .18 .16 .19 .00 -.12 -.15 -.25 .13 -.68 .66 -.65 .62 .58 -.46 .44 .05 -.09 .11 -.06 .01 -.09 -.18 9 26 20 3 8 unangenehm aufrichtig ehrlich hochnässig denke viel höflich .22 .16 .13 .13 -.07 -.04 -.05 .04 -.02 -.21 .08 .05 -.03 .23 .06 -.79 -.76 .57 -.52 -.48 Faktor 1 2 3 4 Total Eigenwert 5.58 3.52 2.45 2.04 Varianz in % 18.6 11.7 8.2 6.8 45.3 193 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Anhang 7 Nonparametrische Korrelationen von Dissoziation (DES, FEDE) und Kreativität (KPS, CAT) mit soziodemographischen Variablen der Stichproben der KünstlerInnen und NichtKünstlerInnen DES Bildung Kinder Zivilstand wohnen Stadt/Land FEDE Bildung Kinder Zivilstand wohnen Stadt/Land KPS Bildung Kinder Zivilstand wohnen Stadt/Land CAT Bildung Kinder Zivilstand wohnen Stadt/Land K+NK m w -.04 .00 -.13 -.22 -.13 * -.31 -.02 * -.24 .07 .06 -.12 -.16 ** -.26 * -.29 ** -.27 ** -.39 -.16 -.22 .17 .03 .00 .10 -.04 .05 -.05 .07 -.01 -.03 -.13 -.16 .22 .21 -.15 -.15 -.02 -.07 .02 .06 -.15 -.25 K -.08 -.02 .08 .19 .08 -.05 -.22 -.12 -.09 .26 -.14 -.15 .00 -.04 -.09 .25 -.15 -.01 -.04 -.05 NK .06 -.17 -.15 -.12 .13 -.04 ** -.33 * -.34 -.21 .15 .04 .10 .15 .08 -.09 * .31 -.03 -.02 -.02 -.20 BMK -.21 -.03 -.08 .20 -.05 -.29 -.08 -.12 .02 .22 -.25 -.23 -.11 -.18 -.11 .07 -.38 -.03 .09 -.07 .10 -.09 -.11 -.24 -.07 .06 -.16 * -.31 * -.32 .07 .00 .14 .20 .02 .06 .04 -.03 -.04 -.01 -.17 Legende: K+NK=Gesamtstichprobe der KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; m=Männer; w=Frauen; K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen; BMK=BildhauerInnen, (Kunst-)MalerInnen, KünstlerInnen; DES=Dissoziative Erlebnisse Skala; FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala; CAT=Consensual Assessment Technique *=p<.05; **=p<.01 Bildung der Variablen: Bildung: tiefere Bildung (Kantonsschule, Berufsschule)=1, höhere Bildung (Matura, Universitätsabschluss)=2 Kinder: nein=1, ja=2 Zivilstand: ohne PartnerIn (ledig, geschieden, in Trennung, verwittwet)=1, mit PartnerIn (verheiratet, wieder verheiratet, mit festem/r PartnerIn)=2 wohnen: allein=1, nicht allein=2 Stadt/Land: wohnen in Stadt=1, auf Land=2 194 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Partialkorrelationen Dissoziation (DES, FEDE) mit Kreativität (KPS, CAT) unter Kontrolle des Konsums von Alkohol, Nikotin, Schmerz-, Beruhigungs- und Schlafmittel KPS CAT Alkohol alle m w Nikotin alle m w Schmerz alle m w Beruh alle m w Schlaf alle m w gesamt alle m w Alkohol alle m w Nikotin alle m w Schmerz alle m w Beruh alle m w Schlaf alle m w gesamt alle m w K+NK K NK DES FEDE DES FEDE DES FEDE .14 .10 -.10 -.27 .40 * .49 .03 -.18 -.15 * -.37 .43 .28 .25 .35 -.21 -.33 .47 * .63 .08 .07 -.17 * -.31 * .41 * .49 -.02 -.22 -.15 * -.37 .45 .36 .19 .35 -.20 -.33 .36 * .58 .08 .02 -.17 **-.41 .40 * .48 -.10 -.30 * -.36 **-.56 .32 .22 .23 .31 -.21 -.39 .47 * .59 .06 .06 -.15 -.29 .30 .42 -.03 -.22 -.15 * -.37 .27 .12 .18 .33 .44 * .58 .09 .07 -.13 -.28 .40 * .50 -.02 -.19 -.11 * -.35 .17 .33 .46 * .66 .11 .04 -.12 * -.37 .32 .45 -.07 -.25 -.34 * -.52 .35 .33 .11 .63 -.17 -.16 -.16 -.29 -.19 -.03 * -.43 -.34 -.29 -.20 -.54 -.63 .11 .01 .08 -.47 .36 .43 -.19 -.18 -.24 * -.34 -.18 -.02 * -.48 * -.38 -.33 -.21 -.72 * -.75 .11 .01 -.11 * -.57 .29 .37 -.17 -.12 -.16 -.21 -.19 -.02 * -.40 * -.31 -.23 -.13 -.66 -.72 .07 .06 -.15 -.44 .31 .38 -.19 -.17 -.19 -.25 -.10 .06 **-.51 * -.36 -.39 -.18 -.40 -.51 .12 .01 .28 .37 -.17 -.17 -.17 -.29 -.21 -.07 * -.46 * -.38 -.32 -.22 .10 -.03 .28 .34 -.20 -.11 -.28 -.26 -.09 .07 * -.41 -.23 -.30 -.08 .02 .01 .26 .49 Legende: K+NK=Gesamtstichprobe der KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; alle=Männer und Frauen; m=Männer; w=Frauen; K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen; DES=Dissoziative Erlebnisse Skala; FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala; CAT=Consensual Assessment Technique; Schmerz=Schmerzmittel; Beruh=Beruhigungsmittel; Schlaf=Schlafmittel; gesamt=Alkohol, Nikotin, Schmerzmittel, Beruhigungsmittel und Schlafmittel Die heller gedruckten Korrelationen liegen einem N<10 zugrunde und müssen mit Vorsicht genossen werden. *=p<.05, **=p<.01 195 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Partialkorrelationen von Dissoziation (DES, FEDE) mit Kreativität (KPS, CAT) KPS CAT BDI state trait P-14 Konstr Alter Geschl A+G BDI state trait P-14 Konstr Alter Geschl A+G K+NK K NK BMK DES FEDE DES FEDE DES FEDE DES FEDE .02 .01 -.14 -.22 * .35 * .43 -.04 -.11 .03 .03 -.12 -.21 .27 * .38 .16 -.04 .09 .10 -.08 -.15 * .38 * .43 .13 -.04 .04 .05 -.03 -.09 .22 .30 .13 -.03 .07 .09 -.07 -.08 .22 .33 .18 -.04 .05 .06 -.10 -.15 .29 * .38 -.04 -.06 .02 .05 -.13 -.19 .28 * .36 -.07 -.12 .05 .06 -.11 -.16 .27 * .36 -.05 -.09 .00 -.08 -.12 -.22 .26 .28 -.02 -.12 -.08 -.15 -.06 -.18 -.10 -.09 -.01 -.13 -.02 -.07 -.01 -.12 -.01 -.01 .04 -.11 -.06 -.13 -.01 -.12 -.14 -.12 .07 -.08 .06 -.03 -.06 -.11 .31 .30 -.01 -.12 -.13 -.15 -.08 -.15 -.33 -.15 -.11 -.11 -.07 -.10 -.05 -.11 -.17 -.11 -.05 -.01 -.14 -.15 -.07 -.14 -.34 -.15 -.12 -.09 Legende: K+NK=Gesamtstichprobe der KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; m=Männer; w=Frauen; K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen; DES=Dissoziative Erlebnisse Skala; FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala; CAT=Consensual Assessment Technique; BDI=Beck Depressions-Inventar; state=Zustandsangst nach STAI; trait=Eigenschaftsangst nach STAI; P-14=Psychotizismusskala; Konstr=BDI, state, trait und P-14; A+G=Alter und Geschlecht *=p<.05; kursiv=p<.1 (Tendenz) Grosse Unterschiede zwischen den Geschlechtern kontrolliert für Alter: kontrollier für P-14: kontrolliert für BDI: kontrolliert für state-Angst: kontrolliert für trait-Angst: kontrolliert Psychopathologie: Gruppe Variablen K: K+NK: KPS-DES KPS-FEDE CAT-FEDE KPS-DES CAT-FEDE CAT-DES CAT-FEDE KPS-FEDE KPS-DES KPS-DES -.10 .06 -.15 -.22 -.22 .26 .28 -.21 .09 .07 .10 .26 -.02 -.01 -.04 ? ? -.05 .03 -.02 -.43 -.10 -.28 -.24 -.24 .39 * .46 -.18 .21 .26 CAT-DES CAT-FEDE .31 .30 ? ? * .49 * .55 NK: K: NK: NK: K: K+NK: für K+NK: NK: NK: alle m w Legende: siehe oben 196 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Deskriptive Werte der KPS ohne die fünf neuübersetzten Items (3: nachdenklich, 8: wohlerzogen, 9: offenherzig, 20: vornehm tuend, 30: empfindsam) StudentInnen m sd min max N Total 8.44 4.03 -3 16 100 Psy 9.85 3.53 -3 16 59 Rest 6.41 3.88 -3 14 41 Wirt 7.96 2.29 3 11 13 Jus 4.56 4.33 -3 12 18 Theo übr. 7.43 9.67 3.31 4.04 2 6 13 14 7 3 m 8.16 3.91 -3 16 50 w 8.83 4.17 -2 14 48 Legende: Total=Gesamtstichprobe der StudentInnen; Psy=PsychologiestudentInnen; Rest=alle NichtPsychologiestudentInnen; Wirt=WirtschaftsstudentInnen; Jus=RechtstudentInnen; Theo=TheologiestudentInnen; übr.= StudentInnen mit anderen Hauptfächern; m=Männer; w=Frauen; M=Mittelwert; sd=Standardabweichung; min= Minimum; max=Maximum; N=Anzahl Probanden; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala (Skalierung: -9 bis 16) KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen m sd min max N Total 9.96 2.91 0 15 90 K 10.48 2.59 3 15 60 NK 8.90 3.25 0 14 30 m 10.16 2.60 2 15 50 w 9.62 3.19 0 15 39 Legende: Total=Gesamtstichprobe der KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; K=KünstlerInnen; NK= Nicht-KünstlerInnen; m=Männer; w=Frauen; M=Mittelwert; sd=Standardabweichung; min=Minimum; max= Maximum; N=Anzahl Probanden; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala (Skalierung: -9 bis 16) Reliabiltiäten der KPS mit und ohne die fünf (für K und NK) neuübersetzten Items (KPS -; 3: nachdenklich, 8: wohlerzogen, 9: offenherzig, 20: vornehm tuend, 30: empfindsam) S* KPS .75 KPS - .78 Psy .80 .81 Rest* S m* .65 .73 .70 .76 S w* .79 .80 K+NK K .66 .75 .54 .73 NK .66 .67 m .45 .68 w .77 .81 Legende: S=StudentInnen; Psy=PsychologiestudentInnen; Rest=StudentInnen (Wirschaft, Recht, Theologie und andere); S m=Studenten; S w=Studentinnen; K+NK=KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen; m=Männer der K+NK; w=Frauen der K+NK; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala; KPS-=KPS ohne die fünf neuübersetzten Items *=Version mit dichotomer Skala 197 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Deskriptive Werte des P-14 bei den StudentInnen m sd min max N Total 2.29 2.30 0 12 109 Psy 2.14 2.09 0 10 65 Rest 2.52 2.58 0 12 44 Wirt 2.92 2.56 0 9 13 Jus 1.95 1.61 0 6 20 Theo übr. 2.57 4.00 2.99 5.42 0 0 9 12 7 4 m 2.23 2.24 0 9 53 w 2.39 2.41 0 12 54 Legende: Total=Gesamtstichprobe der StudentInnen; Psy=PsychologiestudentInnen; Rest=alle NichtPsychologiestudentInnen; Wirt=WirtschaftsstudentInnen; Jus=RechtstudentInnen; Theo=TheologiestudentInnen; übr.= SudentInnen mit anderen Hauptfächern; m=Männer; w=Frauen; M=Mittelwert; sd=Standardabweichung; min= Minimum; max=Maximum; N=Anzahl Probanden; P14=Psychotizismusskala (Skalierung: 0 bis 14) Deskriptive Werte des P-14 bei den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen K+NK m sd min max N 1.72 1.7 0 7 87 K 1.92 1.76 0 7 60 NK 1.30 1.49 0 5 27 m 1.81 1.76 0 7 48 w 1.61 1.65 0 5 38 Legende: K+NK=Gesamtstichprobe der KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; K=KünstlerInnen; NK= Nicht-KünstlerInnen; m=Männer; w=Frauen; M=Mittelwert; sd=Standardabweichung; min=Minimum; max= Maximum; N=Anzahl Probanden; P-14=Psychotizismusskala (Skalierung: 0 bis 14) Deskriptive Werte des BDI bei den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen K+NK m sd min max N 6.38 4.79 0 21 89 K 6.83 4.71 0 21 60 NK 5.45 4.90 0 19 29 m 6.22 4.55 0 17 50 w 6.45 5.12 0 21 38 Legende: K+NK=Gesamtstichprobe der KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; K=KünstlerInnen; NK= Nicht-KünstlerInnen; m=Männer; w=Frauen; M=Mittelwert; sd=Standardabweichung; min=Minimum; max= Maximum; N=Anzahl Probanden; BDI=Beck Depressions-Inventar (Skalierung: 0 bis 63) Deskriptive Werte des STAI bei den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen K+NK m sd min max N K state trait state 33.70 34.05 34.15 8.73 8.02 9.20 20 20 20 60 52 60 89 86 58 NK trait state 33.69 32.76 9.01 7.58 20 22 52 56 58 29 trait 34.79 8.13 20 50 28 m state 32.76 8.32 20 57 50 w trait state 33.02 34.40 8.53 8.77 20 21 52 60 48 38 trait 35.16 7.25 21 51 37 Legende: K+NK=Gesamtstichprobe der KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; K=KünstlerInnen; NK= Nicht-KünstlerInnen; m=Männer; w=Frauen; M=Mittelwert; sd=Standardabweichung; min=Minimum; max= Maximum; N=Anzahl Probanden; state=Zustandsangst; trait=Eigenschaftsangst; STAI=State-Trait-AngstInventar (Skalierung: 20 bis 80) 198 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Verteilung der P-14-Werte bei den StudentInnen (links) und den KünstlerInnen und NichtKünstlerInnen (rechts) n 30 25 20 15 10 5 0 S K+NK P-14 w m 0 2 4 6 8 10 12 0 2 4 6 Legende: P-14=Psychotizismusskala (Skalierung: 0 bis 14); w=Frauen; m=Männer; S=StudentInnen; K+NK=KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; n=Anzahl ProbandInnen Verteilung der BDI-Werte bei den KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen n 20 K+NK BDI w m 15 10 5 0 bis 2 6 10 14 18 22 Legende: BDI=Becks Depressions-Inventar (Skalierung: 0 bis 63); w=Frauen; m=Männer; K+NK=KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; n=Anzahl ProbandInnen Verteilung der STAI-Werte bei denKünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen n 25 20 15 10 K+NK STAI state w m trait 5 0 bis 24 32 40 48 56 24 32 40 48 56 Legende: STAI=State-Trait-Angst-Inventar (Skalierung: 20 bis 80); state=Zustandsangst; trait=Eigenschaftsangst; w=Frauen; m=Männer; K+NK=KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen; n=Anzahl ProbandInnen 199 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Verlauf der Kreativität (KPS) über die Dissoziation (DES, FEDE) bei den Frauen und Männern der K- und NK-Gruppe KPS 15 KPS 15 10 10 5 5 0 DES 0-4 4.01-10 10.01-30 Km Kw 0 FEDE 0-5 NKm 6-9 10-20 NKw Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala (Skalierung 0-100); FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse (Skalierung 0-26); KPS=Kreative Persönlichkeit Skala; Km=Künstler; Kw=KünstlerInnen; NKm=Nicht-Künstler; NKw=Nicht-Künstlerinnen Verlauf der Kreativität (KPS) über die Dissoziation (DES, FEDE) bei der BMK- und NKGruppe KPS KPS 10 8 6 4 2 0 DES 0-4 BMK NK 4.01-10 10.01-30 10 8 6 4 2 0 FEDE 0-5 BMK NK 6-9 10-20 Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala (Skalierung 0-100); FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse (Skalierung 0-26); KPS=Kreative Persönlichkeit Skala; BMK=BildhauerInnen, (Kunst-)MalerInnen, KünstlerInnen; NK=Nicht-Künstlerinnen 200 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Korrelationstabelle der DES- und KPS-Faktoren bei der gesamten StudentInnenstichprobe sowie aufgeteilt nach Männern und Frauen KPS gescheit ungewöhnlich offen unangenehm alle m w alle m w alle m w alle m w alle m w DES .03 -.20 .19 .03 -.11 .11 .12 -.08 .26 * -.24 -.21 * -.29 .17 .07 * -.29 Depers. .07 -.21 .21 .08 -.05 .16 .10 -.20 -.24 * -.22 -.17 * -.29 * .24 .11 ** .43 Amnesie -.09 * -.34 .14 -.04 -.12 .01 -.04 -.19 .16 -.19 * -.35 .00 .03 .05 -.02 Einge. .06 -.04 .11 .03 .04 .02 * .19 .04 * .27 * -.22 -.12 * -.34 .14 .10 .21 Trance .04 -.03 .10 -.02 -.18 .12 .13 .07 .19 -.10 -.02 -.25 .11 .01 * .27 Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala; Depers.=Depersonalisation/Derealisation; Einge.=Eingenommenheit/Absorption; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala; alle=gesamte StudentInnenpopulation; m=Männer; w=Frauen *=p<.05; **=p<.01 Korrelationstabelle der DES- und KPS-Faktoren bei der gesamten K+NK-Stichprobe sowie aufgeteilt nach Männern und Frauen KPS gescheit ungewöhnlich offen unangenehm alle m w alle m w alle m w alle m w alle m w DES .06 .04 .10 -.05 .06 -.15 -.11 -.09 -.11 -.17 -.27 -.03 .14 .22 .02 Depers. -.04 .06 -.16 * -.21 .02 **-.46 * -.22 -.13 * -.33 **-.29 * -.35 -.25 .16 .28 -.04 Amnesie .05 -.11 .20 -.06 -.07 -.03 -.07 -.15 .01 -.07 * -.29 .18 .01 .19 -.20 Einge. .06 .05 .07 .07 .14 .00 -.08 -.04 -.14 -.09 -.13 -.02 .15 .14 .18 Trance .12 .02 .23 .05 .06 .08 .06 .03 .13 -.04 -.16 .10 .02 .05 .02 Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala; Depers.=Depersonalisation/Derealisation; Einge.=Eingenommenheit/Absorption; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala; alle=gesamte K+NK-Population; m=Männer; w=Frauen *=p<.05; **=p<.01 201 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Korrelationstabelle der DES- und KPS-Faktoren bei der gesamten KünstlerInnenstichprobe sowie aufgeteilt nach Männern und Frauen KPS gescheit ungewöhnlich offen unangenehm alle m w alle m w alle m w alle m w alle m w DES -.13 -.11 -.24 -.15 .04 -.41 -.16 -.13 -.21 -.16 -.20 -.22 .06 .18 -.18 Depers. -.16 -.05 -.44 -.19 .11 **-.59 * -.29 -.16 * -.52 -.25 -.30 -.32 .15 * .33 -.15 Amnesie -.05 -.24 .19 -.02 -.02 .00 -.02 -.16 .16 -.06 -.27 .24 -.08 .10 -.33 Einge. -.16 -.06 -.42 -.14 .03 -.39 -.19 -.09 -.36 -.17 -.09 * -.47 .08 .09 .07 Trance -.02 -.09 .00 -.06 .06 -.28 .06 .03 .14 .02 -.06 .04 -.09 .00 -.28 Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala; Depers.=Depersonalisation/Derealisation; Einge.=Eingenommenheit/Absorption; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala; alle=gesamte KünstlerInnenpopulation; m=Männer; w=Frauen *=p<.05; **=p<.01 Korrelationstabelle der DES- und KPS-Faktoren bei der gesamten BMK-tichprobe sowie aufgeteilt nach Männern und Frauen KPS gescheit ungewöhnlich offen unangenehm alle m w alle m w alle m w alle m w alle m w DES .01 -.22 .19 -.14 -.27 -.12 -.11 -.30 .08 -.27 -.41 -.17 -.01 .12 -.32 Depers. -.09 -.08 -.14 -.23 -.12 -.33 -.27 -.26 -.28 * -.36 -.24 -.50 .23 .29 .17 Amnesie .18 -.20 * .59 .04 -.20 .14 .14 -.21 .40 .06 -.32 .37 -.19 .04 * -.61 Einge. -.14 -.23 -.28 -.16 -.21 -.24 -.28 -.29 -.26 * -.39 -.35 -.52 .01 .02 -.04 Trance .16 -.19 .43 -.03 -.32 .07 .12 -.21 .43 .01 -.29 .26 -.16 -.02 -.49 Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala; Depers.=Depersonalisation/Derealisation; Einge.=Eingenommenheit/Absorption; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala; alle=BMK-Population; m=Männer; w=Frauen *=p<.05 202 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Korrelationstabelle der DES- und KPS-Faktoren bei der gesamten Nicht-KünstlerInnenstichprobe sowie aufgeteilt nach Männern und Frauen KPS gescheit ungewöhnlich offen unangenehm alle m w alle m w alle m w alle m w alle m w DES .36 .44 .27 .17 .25 -.06 .04 .40 -.21 -.16 -.39 -.03 .36 .34 .21 Depers. .19 .33 .01 -.15 -.02 -.41 -.02 .25 -.19 -.30 -.44 -.23 .26 .26 .14 Amnesie .23 .26 .19 -.17 -.18 -.28 -.19 .05 -.32 -.09 -.29 .03 .24 .46 -.08 Einge. .34 .35 .31 * .43 .55 .22 .03 .41 -.30 .02 -.18 .20 .31 .28 .12 Trance .34 .39 .28 .31 .20 .30 .11 .42 -.01 -.14 -.41 .00 .29 .21 .29 Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala; Depers.=Depersonalisation/Derealisation; Einge.=Eingenommenheit/Absorption; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala; alle=gesamte Nicht-KünstlerInnenpopulation; m=Männer; w=Frauen; *=p<.05 Korrelationen von KPS mit BDI, STAI und P-14 K+NK BDI STAI state trait P-14 alle m w -.04 -.21 .09 K+NK alle m w alle m w alle m w -.09 -.19 -.05 -.22 * -.30 -.15 Total -.08 * -.20 .02 K+NK P-14 alle m w -.09 * -.30 .10 K NK -.08 -.09 -.19 -.31 .03 .02 K NK -.04 -.27 -.23 -.04 .15 -.34 -.22 .21 -.28 -.32 -.23 -.14 S Psy -.03 -.19 -.11 -.33 .02 -.14 K NK **-.36 .24 * -.38 .06 -.38 .27 BMK -.12 -.18 -.20 BMK -.27 -.35 -.29 -.31 -.35 -.54 Rest .19 -.03 .43 BMK * -.41 -.40 * -.57 Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala; FEDE=Fragebogen zur Erfassung Dissoziativer Erlebnisse; BDI=Beck Depressions-Inventar; STAI=State-Trait-Angst-Inventar; state=Zustandsangst; trait=Eigenschaftsangst; P-14=Psychotizismusskala; Total=Gesamtstichprobe (S + K+NK); S=StudentInnen; Psy=PsychologiestudentInnen; Rest=StudentInnen anderer Hauptfächer; K=KünstlerInnen; NK=Nicht-KünstlerInnen; BMK=BildhauerInnen, (Künst-)MalerInnen, KünstlerInnen; alle=Frauen und Männer; m=Männer; w=Frauen *=p<.05; **=p<.01; ***=p<.001 203 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Modelle Dissoziation - Kreativität - Psychopathologie bei den Stichproben: Künster, Künstlerinnen, Nicht-Künster, Nicht-KünstlerInnen, Künstler BMK, Künstlerinnen BMK Künstler N=40 Dissoziation Künstlerinnen N=18 -.19 .61 Kreativität -.29 Depression / Angst / Psychotizismus Nicht-Künstler N=10 Dissoziation .36 .62 Kreativität -.20 Depression / Angst / Psychotizismus Künstler BMK N=19 Dissoziation .63 -.27 Kreativität -.31 Depression / Angst / Psychotizismus Dissoziation -.21 .02 Kreativität -.20 Depression / Angst / Psychotizismus Nicht-Künstlerinnen N>17 .35 Dissoziation .27 Kreativität .05 Depression / Angst / Psychotizismus Künstlerinnen BMK N>12 .13 Dissoziation -.07 Kreativität -.45 Depression / Angst / Psychotizismus 204 Dissoziative Erlebnisse bei kreativen Menschen Anhang Anhang 8 Aufstellung der Dreiteilung der Test-Werte für die Extremwertvergleiche und die einfaktoriellen Varianzanalysen Bei allen ProbandInnen (Total) Variable Alter DES FEDE KPS BDI STAI state STAI trait P-14 CAT tief bis 30 bis 4 bis 5 bis 7 bis 3 bis 29 bis 30 bis 1 bis 4.25 mittel hoch 31 - 60 ab 61 4.01 - 10.00 ab 10.01 6-9 ab 10 8 - 10 ab 11 4-8 ab 9 30 - 35 ab 36 31 - 36 ab 37 2-3 ab 4 4.26 - 5.40 ab 5.41 range 28 - 81 0 - 27.57 0 - 20 -2 - 13 0 - 21 20 - 60 20 - 52 0-7 1.17 - 7.67 mögl. range 0 - 100 0 - 26 -12 - 18 0 - 63 20 - 80 20 - 80 0 - 14 0 - 10 Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala; FEDE=Fragebogen zur Erfasssung Dissoziativer Erlebnisse; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala; BDI=Beck Depressions-Inventar; STAI=State-Trait-Angstinventar; state=Zustandsangst; trait=Eigenschaftsangst; P-14=Psychotizismusskala; CAT=Consensual Assessment Technique Bei allen StudentInnen (S) Variable Alter DES FEDE KPS P-14 tief bis 30 bis 5.4 bis 6 bis 6 bis 1 mittel hoch 31 - 60 ab 61 5.41 - 11.30 ab 11.31 7 - 10 ab 11 7-9 ab 10 2-3 ab 4 mögl. range range 19 - 61 1.07 - 27.14 0 - 100 1 - 22 0 - 26 -4 - 16 -12 - 18 0 - 12 0 - 14 Legende: DES=Dissoziative Erlebnisse Skala; FEDE=Fragebogen zur Erfasssung Dissoziativer Erlebnisse; KPS=Kreative Persönlichkeit Skala; P-14=Psychotizismusskala 205