Obduktionsbericht Das zur Obduktion vorliegende Tier ist eine junge weiblich-kastrierte Europäische Kurzhaarkatze. Das genaue Alter ist unbekannt. Sie wiegt 3,7 kg. Die Fellfarbe ist schwarz mit weißen Abzeichen distal am Hals, am Bauch und im Genitalbereich. Die Katze ist nicht tätowiert. Patientenbesitzer ist Herr X aus Y. Auftraggeber der Obduktion des Tieres ist die Tierarztpraxis Z. Die Obduktion findet am xx.xx.xxxx von 9.15-11.00 Uhr im Beisein von X in der Veterinär-Pathologie der Justus-Liebig-Universität Gießen statt. Vorbericht Es liegt keinerlei Vorbericht vor. A) Äußere Besichtigung Die Leiche ist abgehäutet. Reste des Fells befinden sich noch an den distalen Gliedmaßenenden und im Anogenitalbereich. Das abgetrennte Fell liegt zur Untersuchung vor. Das Tier befindet sich in rechter Seitenlage. Die Gelenke der Gliedmaßen und auch das Kiefergelenk sind nur eingeschränkt passiv freibeweglich. Die Körperoberflächentemperatur ist kühl. In beiden geringgradig eingesunkenen Augen ist die Cornea getrübt. Der Ernährungszustand ist als adipös zu bezeichnen, da Knochenvorsprünge (z.B. Dornfortsätze der Wirbelsäule) nur tastbar aber nicht deutlich sichtbar sind und in den Körperhöhlen größere Mengen einer weiß-gelblichen, schmierigen Masse vorhanden sind. B) Innere Besichtigung: Unterhaut: Zwischen den Schulterblättern befindet sich ein abgegrenzter, kirschkerngroßer, gelb-grünlicher Knoten weich-elastischer Konsistenz. I. Bauch- und Beckenhöhle Das Zwerchfell zeigt ventral auf der thorakalen Seite eine etwa eurogroße rote Verfärbung. 1 Kaudal vom Zwerchfell befindet sich ventral der Wirbelsäule anliegend eine pflaumengroße, weiß-rötliche, weich-elastische Umfangsvermehrung. Die Schnittfläche ist hervorwölbend und schmierig. Die Milzränder sind abgerundet. Das gesamte Organ ist gerötet. Außerdem sind diffus verteilte, nicht erhabene, stecknadelkopfgroße, punktförmige, weißliche Bezirke auf der Oberfläche und auf der Schnittfläche zu erkennen. Beim Anschnitt treten geringe Mengen einer rot-braunen, wässrigen, lackfarbenen Flüssigkeit aus. Die Magenschleimhaut zeigt in einem 2,5 x 2,5 cm² großen Bezirk eine rote Färbung. Die Mesenterial-Lymphknoten haben eine Größe von 2 cm x 1cm x 1 cm. Sie sind rot-braun und von prall-elastischer Konsistenz. Die Schnittfläche wölbt sich vor und ist feucht. Eine deutliche Trennung von Rinde und Mark ist nicht erkennbar. II. Brusthöhle Die Brusthöhle ist gefüllt mit ca. 150 ml einer braun-roten, wässrigen Flüssigkeit mit weißen Flocken. Die Pleura zeigt links auf Höhe der 7. Rippe eine weißliche, flach hervorwölbende Struktur von 2 cm Länge und derb-elastischer Konsistenz. Im Mediastinum befindet sich eine 10 x 5 x 4 cm³ große, weiße, großhöckrige, derbelastische Masse ventral am Geschlinge. Die Schnittflächen sind hervorquellend, globuliert und speckig glänzend. Die kaudale Schnittfläche ist rötlich verfärbt, die kraniale ist beige mit einem kräftigen stecknadelkopfgroßen, weißen Bezirk. Epikard und Perikard sind unverändert. Die Lunge ist dunkelrot, klein und von fleischiger Konsistenz. Die LungenLymphknoten sind mit weißem Inhalt gefüllt und von höckriger bis völlig unregelmäßiger Form und weicher Konsistenz. Eine Differenzierung zwischen Rinde und Mark ist nicht möglich. III. Hals, Rachen-, Mundhöhle An den Zähnen befinden sich wenige grau-gelbliche feste Auflagerungen. Pathologisch-anatomische Diagnosen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. Thymusleukose DD: Mesotheliom Hochgradiger Hydrothorax Druckatelektase DD: andere Atelektasen, Pneumonie Tumormetastasen an Lymphknoten, Pleura und in der Bauchhöhle Lymphadenitis simplex der Darmlymphknoten Follikuläre Milzhyperplasie und chronische Milzstauung Mittelgradige fokale katarrhalische Gastritis Unterhautabszeß Geringgradiger Zahnstein Epikrise Die Thymusleukose ist eine Form der aleukämischen lymphatischen Leukose, die bei der Katze zu ca. 90 % durch das feline Leukosevirus ausgelöst wird. Das FeLV-Virus gehört zur Familie der Retroviren und zur Unterfamilie der Onkoviren. Die Leukose ist die wichtigste Tumorerkrankung der Katze und in der Katzenpopulation v.a. in Katzenzuchten weit verbreitet. Es kann zur 2 Immunsuppression führen und so weitere Krankheiten begünstigen oder proliferative Krankheitsbilder hervorrufen. Das FeLV-Virus wird horizontal durch Kontakt sowie vertikal durch transplazentare Passage des Virus bei persistent infizierten Katzen möglich. Als Eintrittspforte dient v.a. der Nasen-Rachen-Raum. Es kommt zu einer primären Virusvermehrung in den regionären Lymphknoten. Nach einer frühen zellassoziierten Virämie siedeln sich die Erreger in den Keimzentren des Lymphgewebes an. Das Virus gelangt über vereinzelte infizierte Lymphozyten und Monozyten in das Knochenmark. Hier repliziert sich das Virus und wird über mit ihm beladene Granulozyten und Thrombozyten ins periphere Blut geschwemmt, wo es zur Virämie führt und das Tier über Sekrete und Exkrete (Speichel, Nasensekrete, Muttermilch, z.T. Urin, Kot u.a.) zum Virusausscheider wird. Dabei ist zu beachten, dass die Infektion häufig von symptomlosen Virus-Ausscheidern mit transienter Virämie oder latenter Infektion übertragen wird. Man unterteilt die Leukosen in lymphatische und myeloische Formen. Die häufigeren lymphatischen Leukosen treten als Lymphosarkome, lymphatische Leukämien und als Tumoren immunglobulinbildender Zellen auf. Bei den Lymphosarkomen gibt es wiederum eine Einteilung in die multizentrische Form mit Beteiligung der Lymphknoten und verschiedener Organe, die intestinale Form, bei der Magen, Darm und die regionären Lymphknoten beteiligt sind, die Thymusform (zerviko-thorakal oder mediastinal) mit dem Thymus und den mediastinalen Lymphknoten als betroffene Organe und anderen Formen, bei denen Veränderungen der Nieren im Vordergrund stehen. Die Thymusleukose kommt vor allem bei jungen Katzen vor. Sie charakterisiert durch die neoplastische Entartung von T-Zellen. Der Thymus kann dabei durch eine massive leukotische Wucherung völlig verdrängt sein, wobei auch meist die mediastinalen Lymphknoten verändert sind. Lunge und Herz werden häufig durch den raumfordernden Prozeß der Tumormassen verdrängt, was zu einer Kompression der Organe führt. Desweiteren kommt es bei der Thymusleukose zum Hydrothorax, zu respiratorischen Symptomen, gestörter Herztätigkeit oder Verstopfungen des Ösophagus. Eine sichere Diagnose des felinen Leukosevirus kann nur per virologischer Untersuchung erfolgen. Mit einem ELISA lassen sich Virusantigene nachweisen, wobei sich vor allem die negativen Tiere herausfiltern lassen, während es z.T. falsch positive Ergebnisse gibt. Klinisch gesunde Katzen mit positivem ELISA sollten daher nach einigen Wochen erneut untersucht werden. Differentialdiagnostisch muß das Pleura-Mesotheliom abgegrenzt werden. Es handelt sich dabei um eine primäre Neoplasie des Mesothels, die solitär oder multiple auftreten kann. Meist sind es maligne Tumoren, die durch eine rasche Implantation von Abklatsch- oder Abschwemm-Metastasen gekennzeichnet ist. Das grau-rötliche, knotige Erscheinungsbild erinnert an eine chronischfibroblastische oder granulomatöse Entzündung. Auch bei diesem Tumor sind Thoraxergüsse möglich. Schon makroskopisch ist erkennbar, dass der vorliegende Tumor nicht von der Pleura ausgeht und ein anderes Erscheinungsbild aufweist. Ein Hydrothorax ist eine Ansammlung von größeren Mengen wässriger Flüssigkeit in der Brusthöhle. Das spezifische Gewicht der Flüssigkeit entspricht hierbei meist dem eines Transsudates. Als Ursachen kommen Herzinsuffizienz, chronische Pleuritis, Nierenerkrankungen, zur Kachexie führende chronische Erkrankungen oder 3 Hypoalbuminämie in Frage. Bei dieser Katze ist der Thoraxerguß durch die Neoplasie im Thorax bedingt. Die schweren organischen Veränderungen im Bereich der Brusthöhle sind verantwortlich für die Verminderung des kolloidosmotischen Druckes und damit für den Austritt von Transsudat in den Thorax. Als Folgen treten chronisch-proliferierende Entzündungen der Pleura, Kapselkontrakturen und Verwachsungen auf. Es können flüssigkeitsgefüllte Kammerungen im Organisationsgewebe entstehen. Desweiteren kommt es zur Beeinträchtigung der Blutzirkulation und der Atmung (Druckatelektase). Bei der durchgeführten Schwimmprobe sinkt das entnommene Stück Lunge ab. Dies spricht im vorliegenden Fall für eine Druckatelektase durch die neoplastische Zubildung in der Brusthöhle. Gleichzeitig muß man jedoch das Vorliegen einer Pneumonie abklären. Die Druckatelektase zählt zu den erworbenen Atelektasen: lufthaltige Lungenbezirke sind wieder luftleer geworden. Ursache ist hier mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der raumfordernde Prozeß in der Brusthöhle zusammen mit einem massiven Pleuraerguß. Weiter können Parasiten, Meteorismus oder ein Aszites in Betracht kommen. Eine angeborene Atelektase ist sehr unwahrscheinlich, da das Tier damit nicht so lange lebensfähig gewesen wäre. Auch eine Entspannungsatelektase mit Retraktion der elastischen Fasern kommt nicht als Ursache in Betracht, es liegt kein Pneumothorax vor. Bei Pneumonien muß vor allem eine katarrhalisch-eitrige Forme durch bakterielle Infektionen ausgeschlossen werden. Nach aerogenen Infektionen entsteht eine Bronchitis bzw. Bronchiolitis. Makroskopisch sieht man vor allem kranio-ventral multiple rötliche Herde mit zentralen Nekrosen oder Eiteransammlungen. Zwischen den Herden liegt atelektatisches oder emphysematöses Lungengewebe, bedingt durch die Obstruktion der luftleitenden Wege. Aufgrund des eindeutigen makroskopischen Gesamtbildes ist eine Pneumonie bei dieser Katze sehr unwahrscheinlich. Sekundäre Tumoren an den Lymphknoten sind vor allem bei einer FeLV-Infektion sind sehr häufig. Sie entstehen durch lymphogene Absiedlung von Tumorzellen. Die hämatogene Metastasierung spielt nur eine untergeordnete Rolle. Die Pleura-Metastasen entstehen durch direkten Kontakt mit dem Primärtumor. Die Entartungen direkt kaudal des Zwerchfells können durch hämatogene Abschwemmung oder durch Wachstum des primären Tumors über das Zwerchfell hinweg entstanden sein. Allerdings waren am Zwerchfell selbst keine Veränderungen zu erkennen. Die follikuläre Milzhyperplasie weist auf eine immunbiologische Aktivität des Organes hin. Antigene gelangen über das Blut in die Milz, wo ein Großteil phagozytiert wird. Der Rest gelangt über die Follikelarterien in den marginalen Follikelsinus. Hier kommt es im Bereich der weißen Pulpa im Rahmen einer beginnenden Immunreaktion zur Bildung von Plasmoblasten. Nach ca. vier Tagen erreicht die plasmozelluläre Phase, die durch reife Plasmazellen und Antikörper vom IgM-Typ gekennzeichnet ist, ihren Höhepunkt. Außerdem beginnt in den Follikelzentren die Produktion von B-Lymphozyten und es kommt zum Zellabbau. In dieser Follikelzentrumsreaktion kommt es zur Synthese von Antikörpern und Gedächtsniszellen. Dieser Ablauf einer primären Immunantwort in der Milz tritt auf, 4 wenn das Antigen erstmals und direkt in die Blutbahn gelangt (Erregerübertragung durch Insekten, intravenöse Applikationen). Eine sekundäre Immunantwort verläuft durch vorhandene Gedächtniszellen wesentlich schneller. Sie ist im vorliegenden Fall wahrscheinlich. Die follikuläre Milzhyperplasie tritt vor allem bei chronischen infektiösen oder Prozessen auf. Meist ist das Organ nur geringgradig vergrößert. Auf der Oberfläche fallen jedoch die sonst nicht sichtbaren Lymphfollikel als kleine, weiße Knötchen auf. Zu einer chronischen Stauungsmilz kommt es durch länger andauernde Abflußstörungen der Milzvene oder der Portalvene. Im vorliegenden Fall kommt vor allem eine kardiale Stauungsmilz durch allmähliches Versagen des rechten Herzens im Zusammenhang mit dem raumfordernden Prozeß in der Brusthöhle in Betracht. Andererseits besteht auch die Möglichkeit, dass das Organ direkt durch Kompression durch den Primärtumor oder auch durch die Metastase im Bauchraum gestaut wird. Bei der differentialdiagnostisch auszuschließenden akuten Stauungsmilz wäre das Organ stark vergrößert. Beim Anschneiden würde viel Blut abfließen. Die Lymphadenitis simplex der Darm-Lymphknoten deutet auf ein entzündliches Geschehen in ihrem Einzugsgebiet hin, es liegt eine reaktive Hyperplasie vor. Sie sind vergrößert, von meist weicher Konsistenz, die Schnittfläche wölbt sich leicht vor und ist weiß-gelblich bis rötlich. Häufig treten einfache Lymphknotenentzündungen in Zusammenhang mit viralen Erkrankungen auf. In diesem Fall muß eine leukotische Veränderung der Lymphknoten ausgeschlossen werden. Aber im Gegensatz zu den völlig entarteten Lymphknoten in der Brusthöhle entsprechen die Darm-Lymphknoten dem oben beschriebenen Bild. Die katarrhalische Gastritis ist gekennzeichnet durch Hyperämie der Schleimhaut, ödematöse Schwellungen der Magenwand und vermehrte Exsudatbildung. Sie kann multiple infektiöse, chemische, allergische, thermische oder mechanische Einflüsse als Ursache haben, die die Schleimhaut schädigen. Im vorliegenden Fall kann die Schleimhautreizung allein durch Millieuänderungen aufgrund mangelnder Nahrungsaufnahme bedingt sein, da im gesamten MagenDarm-Trakt sehr wenig Inhalt vorhanden ist. Zusätzlich können Medikamente z.B. nichtsteroidale Antiphlogistika eine Rolle bei der Entstehung der Gastritis spielen. Über verabreichte Medikamente gibt es jedoch keinerlei Informationen. Der Unterhautabszeß zwischen den Schulterblättern kann durch bakterielle Besiedlung bei einer subkutanen Injektion oder bei einer kleinen traumatisch bedingten Hautwunde, auf die es jedoch keinen Hinweis in der äußeren haut gibt, bedingt sein. Es kommt zur Eiteransammlung in einem durch Gewebeeinschmelzung entstandenen Hohlraum, der von einer bindegewebigen Kapsel umschlossen wird. Zahnstein sind Ablagerungen von mineralischen Salzen v.a. von Kalziumphosphat aus dem Speichel vermischt mit Futterresten, Bakterien, Pilzen, abgeschilferte Epithelien und Leukozyten durch Störungen im Kolloidstoffwechsel. Oft ist er mit üblem Mundgeruch verbunden und läßt sich nur schwer entfernen. Bevorzugt sind die maxillaren Backenzähne betroffen. Postmortale Veränderungen 5 Leichenkälte Mit dem Tod kommt es zum Erliegen von wärmeerzeugenden Stoffwechselprozessen. Der Körper kühlt abhängig von der Körpermasse, Körperoberfläche und der Außentemperatur kontinuierlich ab, bis diese erreicht ist. Totenstarre (Rigor mortis) Sie tritt ca. 2-8 Stunden post mortem ein. Durch einströmende Kaliziumionen ins Sarkoplasma kommt es zur Muskelkontraktion, die durch einen Mangel an ATP bei fehlender Blutzirkulation nicht gelöst werden kann. Zunächst erstarren Kopf- und Halsmuskulatur, anschließend Stamm- und Extremitätenmuskulatur. Die Lösung der Totenstarre durch autolytische Prozesse mit Trennung der Aktin-MyosinVerbindungen beginnt 24-48 Stunden post mortem und ist abhängig von der Umgebungstemperatur und der Todesursache. Totenauge Die Augenmuskulatur zieht den Bulbus in die Orbita zurück. Aufgrund der Austrocknung verliert der Bulbus seinen Tonus und die Cornea fällt ein. Die Hornhaut ist glanzlos, das Auge milchig getrübt. Läßt die Gewebespannung nach legt sich die Netzhaut in Falten, das Glaskörpergel tritt in den Solzustand über. Todesursache Das Tier starb an akutem Herz-Kreislaufversagen infolge einer Thymusleukose. 6