Fluchthintergründe islamischer Frauen und ihre rechtliche und

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Pädagogik
Daniela Chohdry
Fluchthintergründe islamischer Frauen und
ihre rechtliche und gesellschaftliche
Benachteiligung in Deutschland
Magisterarbeit
Fluchthintergründe islamischer Frauen und ihre rechtliche und
gesellschaftliche Benachteiligung in Deutschland
Magisterarbeit
an der
Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig
von: Daniela Chohdry
Beginn der Bearbeitungszeit: 14. 04. 2003
Eingereicht am: 26. 09. 2003
1
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
5
1.
Die Frau im Islam
8
1.1.
Die geistlich-spirituelle Stellung der islamischen Frau im Koran
9
1.2.
Die rechtliche und soziale Stellung der islamischen Frau im Koran
10
1.2.1.
Das Mädchen im Koran
10
1.2.2.
Das Besitz- und Erbrecht
10
1.2.3.
Die Ehe im Koran
11
1.2.4.
Das Scheidungsrecht im Koran
13
1.3.
Ist der Islam frauenfeindlich?
14
1.4.
Einige Gedanken zum Schleier
15
2.
Die Stellung der Frau in islamischen Gesellschaften
am Beispiel Pakistan
16
2.1.
Die Frau in der pakistanischen Gesellschaft
17
3.
Fluchtursachen islamischer Frauen
20
3.1.
Die Verfolgung von Frauen aufgrund ihrer eigenen
politischen Aktivitäten
3.2.
Die Verfolgung von Frauen aufgrund ihrer Familienbindung zu
einem Oppositionellen
3.3.
24
Die Verfolgung von Frauen aufgrund ihrer Übertretung von
frauenspezifischen Normen und Werten
3.4.
23
25
Die Verfolgung von Frauen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer
ethnischen oder religiösen Gruppe am Beispiel der islamischen
Sekte Ahmadiyyat
27
4.
Folter an Frauen
29
4.1.
Was ist Folter?
29
4.2.
Warum wird gefoltert?
31
4.3.
Die Foltermethoden und ihre Folgen
32
4.3.1.
Die körperlichen Foltermethoden
32
4.3.1.1.
Das kontrollierte oder systematische Schlagen
33
2
4.3.1.2.
Die sexuelle Folter
33
4.3.1.2.1.
Die Massenvergewaltigungen in Kriegen
36
4.3.1.3.
Die Elektroschockfolter
38
4.3.1.4.
Erstickungsfolter
38
4.3.1.5.
Die Verbrennungsfolter
39
4.3.1.6.
Die Folterung durch Aufhängen
39
4.3.1.7.
Die pharmakologische Folter
39
4.3.1.8.
Die zahnmedizinische Folter
40
4.3.1.9.
Die Folterung durch körperliche Verstümmelungen
40
4.3.1.9.1.
Die Genitalverstümmelung bei Frauen und Mädchen
40
4.3.2.
Die psychische Folter
43
4.3.2.1.
Die Folterung durch die Deprivationstechnik
44
4.3.2.2.
Die Folterung durch psychologische Zwangstechniken
44
4.3.2.3.
Die Folterung durch die gemeinsame Inhaftierung von
Familienangehörigen und Freunden
46
4.3.2.4.
Die Folterung durch Situationen der ‘unmöglichen Entscheidungen’ 46
4.3.2.5.
Die Folterung durch Drohungen
47
4.3.2.6.
Die Folterung durch grausame Haftbedingungen
47
4.3.2.7.
Exkurs: Die Situation schwangerer Frauen während
der Inhaftierung
4.4.
47
Die Folgen von Folter mit besonderen Blick auf
frauenspezifische Folgewirkungen
48
5.
Die Flucht
50
5.1.
Die Vorfluchtsituation
50
5.2.
Die Fluchtsituation
52
6.
Die Rahmenbedingungen des Asylrechts der BRD
unter besonderer Berücksichtigung
frauenspezifischer Fluchtgründe
55
6.1.
Die historische Entwicklung des Asylrechts in Deutschland
56
6.2.
Die Grundzüge des Asylrechts der BRD nach den Neuerungen 1993 59
6.2.1.
Das Grundrecht auf Asyl nach 1993
6.2.2.
Der Abschiebungsschutz nach den Paragraphen 51 ff. des
Ausländergesetzes
60
62
3
6.2.3.
Das Asylverfahrensgesetz nach 1993
6.3.
Die Voraussetzungen für Erteilung eines Bleiberechtes und
die materiellen Entscheidungen des Bundesamtes
6.4.
64
64
Das deutsche Asylverfahren und die Ereignisse nach der
Ankunft der geflüchteten Menschen in Deutschland mit
besonderem Blick auf Frauen
69
6.4.1.
Die Anhörung
73
6.4.1.1.
Die Faktoren die auf die Anhörung einwirken mit
besonderem Blick auf Flüchtlingsfrauen
75
6.4.1.2.
Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit
81
6.4.1.3.
Empfehlungen und Kriterien zur Befragung von
AsylbewerberInnen
6.5.
Die Anerkennungschancen frauenspezifischer Fluchtgründe
in der deutschen Asylgesetzgebung
6.6.
82
85
Ausblick: Einige relevante Regelungen des neuen
Zuwanderungsgesetzes im Hinblick auf weibliche Asylsuchende
94
6.7.
Konsequenzen der Anerkennungspraxis für geflüchtete Frauen
95
7.
Die benachteiligenden Lebensbedingungen von
Flüchtlingsfrauen in der BRD
97
7.1.
Die psychosozialen Belastungen von geflüchteten Menschen
97
7.2.
Die Beeinflussung der Lebenssituationen der Flüchtlingsfrauen
durch ihren Herkunftskontext
7.3.
99
Die Bedeutung und Beeinflussung des Familienstandes
für Migrantinnen auf das Leben im Exil
101
7.3.1.
Die Ehe im Exil
101
7.3.2.
Ohne Partner im Exil
103
7.4.
Die Wohnsituationen von AsylbewerberInnen und MigrantInnen
104
7.4.1.
Die Lebensbedingungen der asylsuchenden Menschen in den
Sammellagern mit besonderem Blick auf Flüchtlingsfrauen
104
7.4.1.1.
Zum Begriff „Lager“
105
7.4.1.2.
Die politische und gesellschaftliche Funktion der Sammellager
106
7.4.1.3.
Die Wohnsituationen der geflüchteten Frauen in den Sammellagern 106
7.4.1.4.
Die Versorgung der asylsuchenden Menschen in den Sammellagern 111
4
7.4.1.5.
Das isolierte Leben von Asylbewerberinnen in den Sammellagern
114
7.4.1.6.
Die psychosozialen Folgen der Internierung in Sammellagern
115
7.4.1.7.
Einige Verbesserungsvorschläge für die Lebenssituation weiblicher
Asylsuchender in den Sammellagern
117
7.4.2.
Die Wohnsituationen von Migrantinnen im Exil
119
7.4.2.1.
Der Aufbau von Kontakten in der Nachbarschaft
121
7.5.
Die medizinische Versorgung von AsylbewerberInnen und
MigrantInnen
7.5.1.
Die Gesundheitsversorgung von Frauen während
des Asylverfahrens
7.5.1.1.
123
Die belastenden Lebensbedingungen in den Sammellagern als
krankmachender Faktor
7.5.1.2.
123
124
Die Zugangsprobleme von weiblichen Asylsuchenden zum
medizinischen Versorgungssystem
125
7.5.2.
Die Gesundheitsversorgung von Migrantinnen
126
7.5.2.1.
Die Zugangsprobleme von anerkannten Asylbewerberinnen und
Kontingentflüchtlingen zum medizinischen Versorgungssystem
7.5.2.2.
Die Kommunikationsprobleme zwischen ÄrztInnen und
ausländischen Patienten
7.6.
126
127
Die Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten von geflüchteten Frauen
im Exil Deutschland
128
7.6.1.
Das Arbeitsverbot von AsylbewerberInnen
128
7.6.1.1.
Die Auswirkungen des Arbeitsverbotes auf AsylbewerberInnen
128
7.6.2.
Die Bildungsmöglichkeiten für Asylberechtigte und
Kontingentflüchtlinge mit besonderen Blick auf Migrantinnen
130
7.6.3.
Die Arbeitsmöglichkeiten von Migrantinnen
132
7.6.3.1.
Die Bedeutung der Arbeitslosigkeit für Migrantinnen im Exil
134
7.7.
Die Diskriminierung und Ausländerfeindlichkeit in Deutschland
135
7.7.1.
Die Diskriminierung von ausländischen Frauen in Deutschland
137
Schluss
144
Literaturverzeichnis
148
Verzeichnis der Internetquellen
153
5
Einleitung
Die Mehrheit der weltweit flüchtenden Menschen sind Frauen. In jedem Land dieser Erde
werden sie diskriminiert, geschlagen, gefoltert und getötet. Die Täter sind meist politische
Systeme oder männliche Familienangehörige.
Frauen werden einerseits aus den gleichen Gründen wie Männer verfolgt und andererseits
aufgrund frauenspezifischer Ursachen. Sie werden gejagt, weil sie beispielsweise, allein für
das weibliche Geschlecht, geltende Normen und Werte übertreten. Diese restriktiven,
frauenfeindlichen Regeln und Maßnahmen werden in traditionellen, patriarchalischen
Gesellschaften oftmals mit der im jeweiligen Staat verbreitetsten Religion gerechtfertigt. In
diesem Zusammenhang soll es in meiner Arbeit um Frauen aus Ländern gehen, in denen der
Islam die Hauptreligion darstellt.
Die
grausamen,
frauenspezifischen
Verfolgungs-
und
Foltermaßnahmen
und
die
Unmöglichkeit islamischer Frauen sich ein Leben lang im Untergrund des Heimatstaates zu
verstecken, zwingt sie schließlich zur Flucht. Doch auch während dieser Zeit sind,
insbesondere ohne männliche Begleitung, reisende Frauen spezifischen Gefahren ausgesetzt.
Nur ein vergleichsweise kleiner Teil schafft es letztendlich lebend in einem „westlichen
Asylland“, wie beispielsweise Deutschland, anzukommen.
Aber das Leid der traumatisierten Frauen ist mit der Ankunft im Exil noch längst nicht
beendet.
Restriktive
Asylgesetze,
beschleunigte
Asylverfahren
und
unsensible
Befragungsmethoden, durch hauptsächlich männliche Ermittler, benachteiligen weibliche
Flüchtlinge gegenüber männlichen. Auch die neuen Lebensverhältnisse im Exil stellen,
aufgrund vielfältiger staatlicher und „privater“ Diskriminierung, keinesfalls ein positives
Umfeld dar, in dem die physisch und psychisch gefolterten Frauen ihre Erlebnisse verarbeiten
können.
Ziel meiner Arbeit ist es aufzuzeigen mit welchen grausamen Mitteln Frauen in ihren
Heimatländern verfolgt und gequält werden und das es vor diesem Hintergrund die
menschliche Pflicht Deutschlands ist, insbesondere diesen Frauen, den Zugang zu einem
Leben in Sicherheit nicht zu verwehren. Des weiteren möchte ich Verständnis schaffen, damit
es der deutschen Bevölkerung in Zukunft nicht mehr so leicht fällt Flüchtlingsfrauen
auszugrenzen.
Kapitel 1 stellt einen kurzen Abriss der Rolle der Frau im Islam dar. Durch die Analyse
frauenspezifischer Verse des Korans zeige ich auf, welche Normen und Werte von der
6
Religion selbst gefordert werden und welche allein auf Traditionen und Bräuche zurückgehen.
Im zweiten Kapitel beschreibe ich anschließend, welche Stellung der Frau in islamischen
Gesellschaften in der Realität zukommt. Da eine Analyse jedes einzelnen muslimischen
Landes dieser Welt im Rahmen dieser Magisterarbeit unmöglich wäre, habe ich den Staat
Pakistan als „typischen“ Vertreter ausgewählt.
Diese beiden, bewusst kurz gehaltenen, Abschnitte sollen dem besseren Verständnis meiner
gesamten Arbeit über islamische Frauen dienen.
In Kapitel 3 komme ich zu den Fluchthintergründen islamischer Frauen, welche zugleich den
Schwerpunkt meiner Arbeit bilden. Hier beleuchte ich zum einen die Gründe, weshalb Frauen
in ihren Heimatländern verfolgt werden und zum anderen stelle ich, nach kurzer Klärung des
Folterbegriffs, dar, welche Methoden verwendet werden, um Frauen aufs Schlimmste zu
peinigen. Mein viertes Kapitel ist dann der anschließenden Fluchtsituation gewidmet, welche,
sowohl die Geschehnisse kurz vor, als auch direkt während der Flucht umfasst. In Kapitel 5
untersuche ich danach die Rahmenbedingungen des deutschen Asylrechts im Hinblick auf die
Berücksichtigung von frauenspezifischen Fluchtgründen. Des weiteren stelle ich dar, was
nach ihrer Ankunft in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen geschieht und welche
besonderen Schwierigkeiten während des Asylverfahrens auf sie zukommen. Anschließend
unterziehe ich einige konkrete frauenspezifische Fluchtgründe einer Prüfung auf Bleiberecht
und gebe zum Ende dieses Kapitel einen kurzen Ausblick auf das verfasste, aber noch nicht in
Kraft getretene, Zuwanderungsgesetz. Mein siebentes Kapitel widme ich den Bedingungen
unter welchen Frauen nach ihrer Flucht in Deutschland leben. Für ein besseres Verständnis,
fasse ich zu Anfang kurz die psychischen Belastungen zusammen, welche grundlegend auf ihr
weiteres Leben einwirken. Zum einen beinhalten diese den Verlust der soziokulturellen
Bindungen im Heimatland und zum anderen die Erlebnisse der Verfolgung und Flucht. Einen
dritten auf die Psyche einwirkenden Faktor stellen die neuen Lebensbedingungen im
Zufluchtsland dar, die auch der Mittelpunkt dieses letzten Kapitels sein sollen. Hierfür
beleuchte ich, getrennt nach Aufenthaltsstatus und den damit verbundenen Folgerechten, als
erstes ihre Wohnsituationen, als zweites ihre medizinische Versorgung, als drittes ihre Aus-,
Weiter-,
und
Arbeitsmöglichkeiten
und
als
viertes
ihr
Leben
in
einer
ausländerdiskriminierenden, fremden Gesellschaft, näher.
Um das Lesen meiner Arbeit zu erleichtern, habe ich alle verwendeten Zitate in die neue
Rechtschreibung übertragen, wobei der Inhalt nicht verändert wurde. Auch verwende ich, um
Wiederholungen zu vermeiden, im Folgenden für Personenbezeichnungen, mit welchen ich
7
sowohl männliche als auch weibliche Menschen meine, die Endung „-In“ mit einem
großgeschriebenen I1.
Auch möchte ich an dieser Stelle die Gelegenheit wahrnehmen Frau Barbara Vössing für ihre
Hilfe in Bezug auf die Frauenforschung und die wissenschaftliche Anleitung zu danken.
1
Beispielsweise AsylbewerberIn, anstelle von Asylbewerber und Asylbewerberin.
8
1. Die Frau im Islam
Um einen Überblick über die Stellung der Frau im Islam zu erhalten, habe ich für diesen
Abschnitt einen Blick in den Koran und die Hadith geworfen.
Der Koran ist das heilige Buch des Islam. Zu Beginn unseres siebenten Jahrhunderts empfing
der letzte Prophet Mohammed im Laufe von 23 Jahren die islamischen Weisheiten und
Lebensregeln. Jeden Tag betete er zu Allah, dem für die Muslime einzigen und wahrhaften
Gott. Eines Tages hörte er eine Stimme, die zu ihm sprach. Diese und alle folgenden
göttlichen Offenbarungen hielt Mohammed in einem Buch fest, dem Koran. Aus diesem
Grund gilt dieser als direkt gesandt von Allah. Da es im Islam keine Trennung zwischen
Religion und Staat gibt, bildet er gleichzeitig die Grundlage für das islamische Recht, die
Sharia.
Später entstanden durch Mohammeds Zeitgenossen und Nachkommen zusätzliche
Aufzeichnungen, welche Hadith genannt werden. Sie werden als Interpretationshilfen zum
Koran verstanden. Die verschiedenen Hadith und die daraus resultierenden unterschiedlichen
Auslegungen des Korans sind ein Grund dafür, dass der Islam nicht überall auf der Welt
gleich gelebt wird. Auch muss die praktische Umsetzung des Islam immer im Zusammenhang
mit der jeweiligen Kulturtradition des Landes gesehen werden. Denn viele Bräuche und
Normen, welche im Namen des Koran in einigen Gesellschaften vertreten werden, sind nicht
auf die Religion, sondern auf die überlieferten Traditionen der einzelnen Kulturen
zurückzuführen. Des weiteren ist das islamische Leben entscheidend von den jeweiligen
Machthabern und der Tiefe der islamischen Wurzeln eines Landes abhängig (vgl. Fahmi
1997, S. 20).
Demzufolge gibt es auch nicht „die islamische Frau“. Denn jede Muslima1 ist, wie jeder
Mensch, geprägt durch ihre Sozialisation und Lebensweise, und muss somit immer auch vor
dem Hintergrund ihres sozio-ökonomischen Kontextes gesehen werden.
Die Botschaften des Korans sind in einzelne Abschnitte unterteilt, sogenannte Suren. Um
einen Überblick über die Rolle der Frau im Islam zu erhalten, möchte ich im Folgenden einige
relevante Suren näher betrachten.
1
Muslima ist die weibliche Bezeichnung für eine sich zum Islam bekennende Frau. Einen islamischen Mann
nennt man Muslim.
9
1.1. Die geistlich-spirituelle Stellung der islamischen Frau im Koran
Nach dem Koran sind Frauen und Männer aus einer einzigen Seele erschaffen und besitzen
die gleichen Eigenschaften.
„Oh ihr Menschen, fürchtet euren Herrn, Der euch aus einem einzigen Wesen
erschaffen hat; aus diesem erschuf Er ihm die Gefährtin, und aus beiden ließ Er viele
Männer und Frauen sich vermehren.“1 (Ahmad 1989, S. 73)
Sowohl Adam, als auch Eva werden im Paradies vom Teufel verführt und tragen deshalb
gemeinsam die Schuld an den Folgen.
„Doch Satan ließ beide daran straucheln ...“. (Ahmad 1989, S. 10)
Auch geben beide, Adam und Eva, zu zusammen gesündigt zu haben.
„Sie sprachen: ’Unser Herr, wir haben wider uns selbst gesündigt; und wenn Du uns
nicht verzeihst und Dich unser erbarmst, dann werden wir gewiss unter den
Verlorenen sein.’“2 (Ahmad 1989, S. 142)
Daraufhin werden beide aus dem Paradies verstoßen.
„Er sprach: ‚Hinab mit euch; (...) Und es sei euch auf der Erde ein Aufenthaltsort und
eine Versorgung auf Zeit.’“ (Ahmad 1989, S. 142)
Nach dem Koran befindet sich die Frau spirituell also auf der gleichen Ebene wie der Mann.
Sie erwarten ebenso wie ihn Belohnungen für Gehorsam und Bestrafungen für
Ungehorsamkeit. Ebenfalls gleich für beide Geschlechter sind die ethischen und religiösen
Pflichten.
„Wahrlich, die muslimischen Männer und die muslimischen Frauen, die gläubigen
Männer und die gläubigen Frauen, die gehorsamen Männer und die gehorsamen
Frauen, die wahrhaftigen Männer und die wahrhaftigen Frauen, die standhaften
Männer und die standhaften Frauen, die demütigen Männer und die demütigen Frauen,
die Männer die Almosen geben, und die Frauen, die Almosen geben, die Männer die
fasten, und die Frauen, die fasten, die Männer, die ihre Keuschheit wahren, und die
Frauen, die ihre Keuschheit wahren, die Männer, die Allahs häufig gedenken, und die
Frauen, die gedenken – Allah hat ihnen Vergebung und herrlichen Lohn bereitet.“
(Ahmad 1989, S. 414)
1
2
(sic)
(sic)
10
1.2. Die rechtliche und soziale Stellung der islamischen Frau im Koran
1.2.1. Das Mädchen im Koran
Noch heute sind in manchen Gesellschaften dieser Welt weibliche Neugeborene nicht
willkommen. In vorislamischer Zeit wurden insbesondere im arabischen Kulturraum
Mädchen direkt nach der Geburt durch Vergraben im Sand getötet. Der Prophet Mohammed
war der erste, der verlangte auch Töchter am leben zu lassen. Im Koran heißt es dazu:
„Und wenn einem von ihnen die Nachricht von (der Geburt) einer Tochter gebracht
wird, so verfinstert sich sein Gesicht, (...). Er verbirgt sich vor den Leuten ob der
schlimmen Nachricht, die er erhalten hat: Soll er sie trotz der Schande behalten oder
im Staub verscharren? Wahrlich, übel ist, wie sie urteilen!“ (Ahmad 1989, S. 255)
Auch spricht sich der Koran für die Gleichbehandlung der Söhne und Töchter aus, sowohl in
Bezug auf ihre Erziehung durch die Eltern, als auch hinsichtlich ihrer Bildung.
„Wer seine Söhne und Töchter gut erzieht und keinen Unterschied zwischen ihnen
macht wird im Paradies nahe bei mir sein.“ (Fahmi 1997, S. 21)
Die unterschiedliche Behandlung der Söhne gegenüber den Töchtern ist also ursprünglich
kein islamischer Brauch. Diese Feststellung trifft auch auf die zwingend erforderliche
Bewahrung der Jungfräulichkeit der Frau zu, da diese nicht nur in Kulturen mit überwiegend
islamischer Religion auftritt, sondern ebenso in streng katholischen Gegenden Europas wie
beispielsweise Griechenland, Spanien oder Süditalien. (vgl. Fahmi 1997, S. 21 f.)
1.2.2. Das Besitz- und Erbrecht
Nach dem Koran kann die Frau ebenso wie der Mann Geld verdienen und Besitz haben.
„Die Männer sollen ihren Anteil erhalten nach ihrem Verdienst, und die Frauen sollen
ihren Anteil erhalten nach ihrem Verdienst.“ (Ahmad 1989, S. 78)
In vorislamischer Zeit hatte die Frau im arabischen Kulturraum kein eigenes Besitzrecht. Sie
wurde als Teil des Erbbesitzes mit anderem Besitztum von ihrem zukünftigen Mann
übernommen. Der Islam veränderte diese, damals übliche niedrige Stellung der Frau und lies
sie, in Bezug auf ihre Besitzrechte, aufsteigen auf eine Stufe der Freiheit, um die auch Frauen
in „modernen westlichen Nationen“ erst lange kämpfen mussten. Denn sie allein entscheidet
nun, ob sie ihren Besitz für sich behält oder dem Wohlergehen ihrer Familie widmet. (vgl.
Maulana 1989, S. 41)
11
Die Erbschaft betreffend besagt Sure vier, Vers elf, dass auf ein männliches Geschlecht
gleichviel wie auf zwei weibliche Geschlechte kommt. Dies mag aus heutiger Sicht
frauendiskriminierend sein, doch zur damaligen Zeit, als die Männer verpflichtet waren für
ihre Frauen zu sorgen, benötigten die Söhne das Geld für den Unterhalt ihrer Familien.
Töchter wurden also durch ihre Ehemänner versorgt und verwitwete Mütter durch ihre Söhne,
weshalb sie weniger benötigten. (vgl. Fahmi 1997, S. 21)
1.2.3. Die Ehe im Koran
Im Gegensatz zu den christlichen Glaubensrichtungen ist der Islam eine sexualbejahende
Religion. Allerdings dürfen die als natürlich angesehenen sexuellen Triebe nur „innerhalb der
Ehe ausgelebt und entfaltet“ (Fahmi 1997, S. 22) werden. Die sexuelle Befriedigung der Frau
ist im Islam ein elementares Recht. Denn eine geschlechtlich unbefriedigte Frau könnte sich
das ihr Fehlende woanders holen, was eine Bedrohung für den Zusammenhalt von Familien
bedeuten würde. Ehebruch wird nach dem Koran für beiderlei Geschlecht mit einhundert
Peitschenhieben bestraft. Dies zeigt auch, dass dieses Vergehen für Mann und Frau gleich
schwer ist. (vgl. Ebenda)
Die jeweiligen Ehepartner sollen sowohl für den Sohn, als auch für die Tochter durch die
Eltern ausgesucht werden. Allerdings haben beide, trotz des Gebotes die Eltern zu ehren und
ihnen zu gehorchen ein Mitspracherecht. Insbesondere die erwachsene Tochter müssen die
Eltern als Individuum achten und „niemand, nicht einmal Vater oder Souverän, kann eine
erwachsene, geistig zurechnungsfähige Frau ohne ihre Einwilligung rechtmäßig verheiraten,
gleich ob sie Jungfrau ist oder nicht“1 (vgl. Fahmi 1997, S. 22). Auch ist nach dieser Aussage
der verbreitete Brauch eine vergewaltigte Frau oder ein sexuell missbrauchtes Mädchen nach
der Tat mit dem Vergewaltiger zu verheiraten gegen den Islam.
Eine weitere Tradition, welche im Namen des Korans noch heute in einigen Ländern
verbreitet ist, ist die Sitte Mädchen schon mit neun Jahren zu verheiraten. Doch auch diesen
Brauch gibt es schon seit Beginn unserer Zeitrechnung, demzufolge er keineswegs ein
islamisches Gebot ist. Ganz im Gegenteil. Der Koran spricht im Zusammenhang mit der Ehe
in seinen Suren immer von der erwachsenen, zurechnungsfähigen Frau und niemals von
Mädchen.
Vor einer Hochzeit wird für den Fall einer Scheidung, ein auf die spezifischen Bedürfnisse
der jeweiligen Frau zugeschnittener Ehevertrag aufgesetzt. In ihm kann sie Bestimmungen,
12
wie beispielsweise das Verbot der nach dem Islam erlaubten Vielehe für ihren zukünftigen
Mann oder Vereinbarungen zur Geburtenreglung, aufnehmen.
Entgegen
vieler
Behauptungen
gibt
der
Islam
ausdrücklich
die
Erlaubnis
zur
Geburtenkontrolle. Sie darf allerdings nur mit beiderseitigen Einverständnis geschehen und
nicht in Form von Enthaltsamkeit, da somit das Recht auf sexuelle Freuden eingeschränkt
würde. Empfohlen wird die Kontrolle in Form des Coitus-Interruptus (Fahmi 1997, S. 22 f.).
Wie oben erwähnt erlaubt der Islam die Vielehe. Ihre Anzahl ist allerdings auf maximal vier
Frauen beschränkt und im Sinne des Koran nur dann legitim, wenn der Mann seine Frauen auf
allen Ebenen genau gleich behandelt.
„Und wenn ihr fürchtet, in Sachen der (eurer Obhut anvertrauten weiblichen) Waisen
nicht recht zu tun, dann heiratet, was euch an Frauen gut ansteht (ein jeder) zwei, drei
oder vier. Wenn ihr aber fürchtet, (so viele) nicht gerecht zu (be)handeln, dann (nur)
eine ... ! So könnt ihr am ehesten vermeiden, unrecht zu tun.“2 (Paret, 1989, S. 60)
Was uns heute als rückständig und unvorstellbar erscheint war zu Zeiten Mohammeds ein
sehr fortschrittlicher Gedanke. Die Einführung der Vielehe diente der finanziellen
Absicherung der durch Kriege zurückgelassenen mittellosen Witwen und legitimiert sich
durch das im Koran manifestierte Recht auf Ehe für jedermann. (vgl. Minai, S. 25)
Gleichzeitig weist der Koran aber darauf hin, dass ein Ehemann mehrere Ehefrauen nicht
wirklich genau gleich behandeln kann.
„Und ihr werdet die Frauen (die ihr zu gleicher Zeit als Ehefrauen habt) nicht
(wirklich) gerecht behandeln können, ihr mögt noch so sehr darauf aus sein.“3
(Paret, S. 73)
Daraus wird deutlich, dass die Vielehe eher als eine Art Notfalllösung für eben erwähnte
Situationen gedacht ist und nicht als Alltagsnormalität.
Auch war und ist die islamische Mehrehe nur Männern erlaubt. Dafür gibt es zwei Gründe.
Einerseits wäre es zu dieser Zeit unmöglich gewesen den leiblichen Vater der Kinder zu
bestimmen und andererseits wäre ein Haushalt mit so vielen Personen von der einzelnen Frau
kaum allein zu organisieren gewesen. (vgl. Fahmi 1997, S. 24)
1
Hadith
(sic)
3
(sic)
2
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