Bipolare Störung Beschreibung Die Gegenpole von Manie und Depression im Rahmen einer bipolaren affektiven Störung Die bipolare affektive Störung ist durch einen episodischen Verlauf mit depressiven, manischen, hypomanischen oder gemischten Episoden gekennzeichnet: Depressionen zeichnen sich durch überdurchschnittlich gedrückte Stimmung und verminderten Antrieb aus. Bei starken Depressionen kann es zuSuizidgedanken kommen. Eine manische Episode ist durch gesteigerten Antrieb und Rastlosigkeit gekennzeichnet, was oft mit inadäquat euphorischer oder gereizter Stimmung einhergeht. Dabei ist die Fähigkeit zur Prüfung der Realität mitunter stark eingeschränkt, und die Betroffenen können sich in große Schwierigkeiten bringen. Unter einer Hypomanie versteht man eine nicht stark ausgeprägte Manie, typischerweise ohne gravierende soziale Konsequenzen. Eine Hypomanie liegt jedoch bereits deutlich über einem normalen Aktivitäts- und/oder Stimmungsausschlag. Eine gemischte Episode ist gekennzeichnet durch gleichzeitiges oder rasch wechselndes Auftreten von Symptomen der Manie und der Depression. Beispielsweise trifft ein verstärkter Antrieb mit einer gedrückten Grundstimmung zusammen. Zwischen den Episoden kehrt der Betroffene in der Regel immer in einen unauffälligen Normalzustand zurück. Antrieb und Gemüt unterliegen dann wieder den normalen Schwankungen. Die Störung tritt in unterschiedlichsten Schweregraden auf. Betroffene erscheinen aufgrund von Kreativität in der manischen Episode leicht als charismatische Persönlichkeit. Es handelt sich um eine Störung, die insbesondere wegen der sozialen Folgen, die sie für den Patienten haben kann, und dessen erhöhten Suizidrisikos sehr ernst zu nehmen ist. Meist beginnt eine bipolare Störung in der Adoleszenz oder dem frühen Erwachsenenalter. Oftmals wird die Störung sowohl vom Betroffenen als auch von Medizinern erst viele Jahre nach Ausbruch erkannt, so dass Betroffene lange Zeit leiden, bevor sie Behandlung erhalten. Da die Symptome starke Auswirkungen auf Entscheidungen und Beziehungen haben können, können zum Zeitpunkt des Erkennens der Störung auch die Lebenswege der Betroffenen schon erheblich beeinflusst worden sein, zumal die Symptome meist in jungen Jahren beginnen, in denen die Persönlichkeit noch nicht gefestigt ist. Häufig kommt es zu Problemen in der Ausbildung, im Arbeits- und Familienleben oder zu jähen Wechseln im Lebenslauf. Ist die Störung erkannt, können die Auswirkungen mit einer entsprechenden Behandlung durch Spezialisten möglicherweise gemildert werden. Die bipolare Störung wird oft mit Kreativität in Verbindung gebracht; zu den Betroffenen zählen viele erfolgreiche Menschen. Der gesteigerte Antrieb in hypomanen Phasen kann für ungewöhnliche und gewagte Projekte begeistern, und Ziele werden oft mit großem Engagement verfolgt. Eine Romantisierung der Krankheit ist aber unangebracht; ihre Folgen sind oft sehr schwerwiegend. Bei der bipolaren Störung handelt es sich um eine recht häufige Störung – werden auch leichtere Fälle berücksichtigt, so sind laut einigen Untersuchungen in den Industrieländern drei bis vier Prozent der Bevölkerung zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens von ihr betroffen, weshalb man zumindest nicht generell von einer endogenen Erkrankung sprechen kann. Kriterien des ICD-10 oder DSM-IV Sowohl für manische als auch für hypomanische, depressive und gemischte Episoden gibt es Kriterien-Kataloge, bei denen einige Symptome erfüllt sein müssen und auch über eine definierte Zeit lang anhalten müssen, um eine Diagnose zu treffen. Eine solche Auflistung von Symptomen findet sich beispielsweise in der ICD-10, einer von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebenen internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsproblemen. Die verschiedenen Formen der bipolaren affektiven Störung werden in der ICD 10 unter dem Schlüssel F31 klassifiziert, dabei wird zwischen zehn verschiedenen Ausprägungen unterschieden. Die folgenden Kriterien wurden dem viel verwendeten US-amerikanischen Klassifikationssystem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen, abgekürzt als DSM-IV) entnommen. Kriterien für eine manische Episode A. Eine ausgeprägte Periode abnormer und ständiger gehobener, überschwänglicher oder gereizter Stimmung, die über eine Woche dauert (oder Krankenhausaufenthalt). B. Während der Periode der Stimmungsstörung halten drei (oder mehr) der folgenden Symptome bis zu einem bedeutsamen Grad beharrlich an: übertriebenes Selbstbewusstsein oder Größenwahn verringertes Schlafbedürfnis (z. B. Erholungsgefühl nach nur drei Stunden Schlaf) gesprächiger als üblich oder Drang zum Reden Ideenflucht oder subjektives Gefühl, dass die Gedanken rasen Zerstreutheit (Aufmerksamkeit wird zu leicht zu unwichtigen oder belanglosen externen Reizen gezogen) Zunahme zielgerichteter Aktivitäten (entweder sozial, am Arbeitsplatz oder in der Schule oder sexuell) oder psychomotorische Unruhe exzessive Beschäftigung mit angenehmen Tätigkeiten, die höchstwahrscheinlich negative Folgen hat (z. B. ungehemmter Kaufrausch, sexuelle Taktlosigkeiten oder törichte geschäftliche Investitionen) C. Die Symptome werden nicht besser durch die Kriterien der gemischten Episode beschrieben. D. Die Stimmungsstörung ist hinlänglich schwer, um eine ausgeprägte Beeinträchtigung in beruflichen Aufgabengebieten oder unübliche soziale Aktivitäten oder Beziehungen mit anderen zu bewirken oder sie erfordern einen Krankenhausaufenthalt, um Selbst- oder Fremdschädigung zu verhindern, oder es gibt andere psychotische Merkmale. E. Die Symptome sind nicht durch direkte physiologische Effekte einer Substanz (z. B. Drogenmissbrauch, Medikamente oder andere Behandlungen) oder eine generelle medizinische Verfassung (z. B.Überfunktion der Schilddrüse) verursacht. Kriterien für eine majore depressive Episode A. Fünf (oder mehr) der folgenden Symptome sind während einer Zwei-Wochen-Periode vorhanden und bedeuten eine Änderung des bisherigen Verhaltens, Gefühlslebens oder Leistungsfähigkeit, wobei mindestens eines der Symptome eine Depressive Verstimmung oder der Verlust von Interesse und Freude ist: depressive Stimmung fast den ganzen Tag, beinahe jeden Tag, angezeigt entweder durch subjektiven Bericht (fühlt sich z. B. traurig oder leer) oder durch Beobachtung anderer (erscheint z. B. weinerlich). Anmerkung: Bei Kindern und Heranwachsenden kann eine gereizte Stimmung vorliegen. deutlich vermindertes Interesse oder Freude bei allen oder beinahe allen Aktivitäten fast den ganzen Tag, beinahe jeden Tag (wird entweder durch eigenen Bericht oder Beobachtungen anderer festgestellt). erheblicher Gewichtsverlust ohne Diät oder Gewichtszunahme (z. B. eine Veränderung des Körpergewichts um mehr als 5 % in einem Monat) oder Ab- oder Zunahme des Appetits beinahe jeden Tag. Schlaflosigkeit oder übersteigertes Schlafbedürfnis beinahe jeden Tag. psychomotorische Unruhe oder Verlangsamung fast jeden Tag (beobachtet durch andere, nicht nur subjektive Gefühle der Ruhelosigkeit oder der Erschöpfung). Erschöpfung oder Verlust der Energie beinahe jeden Tag. Gefühl der Wertlosigkeit oder ausgeprägte und unangemessene Schuldgefühle (die auch wahnhaft sein können), beinahe jeden Tag (nicht nur Selbstvorwurf oder Schuldgefühle, weil man krank ist). verminderte Fähigkeit, zu denken oder sich zu konzentrieren, oder Entscheidungsunfähigkeit beinahe jeden Tag (entweder durch subjektiven Bericht oder Beobachtung Anderer festgestellt). wiederkehrende Todesgedanken (nicht nur Furcht zu sterben), wiederkehrende Suizidgedanken ohne spezifischen Plan oder ein Suizidversuch oder eine konkrete Planung eines Suizids. B. Die Symptome erfüllen nicht die Kriterien für eine gemischte Episode. C. Die Symptome verursachen klinisch bedeutsames Leiden oder eine Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Aufgabengebieten. D. Die Symptome beruhen nicht auf einem direkten physiologischen Effekt einer Substanz (z. B. einem Drogenmissbrauch, einer Medikation) oder einer generellen medizinischen Verfassung (z. B. Überfunktion der Schilddrüse). https://www.borderline-forum.place/lexicon/index.php/Entry/99-Bipolare-St%C3%B6rung/?s=92897a06c5f37a0d6d09c3805c30a63a423906b5 2 E. Die Symptome werden nicht besser durch Trauer erklärt, z. B. über den Verlust einer geliebten Person. Oder: Die Symptome dauern länger als zwei Monate an oder sind gekennzeichnet durch eine ausgeprägte funktionale Beeinträchtigung, krankhafte Beschäftigung mit Wertlosigkeit, Suizidgedanken, psychotische Symptome oder psychomotorische Verlangsamung. Kriterien für die hypomanische Episode A. Eine mindestens vier Tage andauernde, ausgeprägte Periode ständig gehobener, überschwänglicher oder gereizter Stimmung, die eindeutig verschieden von der üblichen nichtdepressiven Stimmung ist. B. Während der Phase der Stimmungsstörung sind drei (oder mehr) der folgenden Symptome (vier, wenn die Stimmung nur gereizt ist) bis zu einem gewissen Grad ständig vorhanden: überhöhtes Selbstwertgefühl oder Größenwahn vermindertes Schlafbedürfnis (z. B. Erholungsgefühl nach nur drei oder weniger Stunden Schlaf) gesprächiger als üblich oder Rededrang Ideenflucht oder subjektive Erfahrung des Gedankenrasens Zerstreutheit (das bedeutet Fokussierung auf unwichtige oder unerhebliche externe Reize) Zunahme zielgerichteter Aktivitäten (entweder sozial, beruflich oder in der Schule, oder sexuelle oder psychomotorische Unruhe) übertriebenes Engagement bei Vergnügungen, die in einem hohen Maße schmerzhafte Konsequenzen nach sich ziehen (z. B. hemmungsloser Kaufrausch, sexuelle Indiskretionen oder leichtsinnige geschäftliche Investitionen) C. Die Episode wird begleitet von Veränderungen der Leistungsfähigkeit oder des Verhaltens, die für die Person in symptomfreien Phasen uncharakteristisch ist. D. Die Stimmungsstörung und der Wechsel des Auftretens werden durch Andere beobachtet. E. Die Episode ist nicht schwer genug, um eine ausgeprägte Beeinträchtigung in sozialen oder beruflichen Aufgabenbereichen zu verursachen oder einen Krankenhausaufenthalt zu erfordern, und es gibt keine psychotischen Merkmale. F. Die Symptome sind nicht durch direkte physiologische Effekte einer Substanz (z. B. Drogenmissbrauch, Medikamente oder andere Behandlungen) oder eine generelle medizinische Verfassung (z. B. Überfunktion der Schilddrüse) verursacht. Anmerkung: Hypomaniegleiche Episoden, die eindeutig durch somatische antidepressive Behandlung verursacht sind (Medikamente, Elektroschocktherapie, Lichttherapie), sollten nicht einer Diagnose Bipolare II Störung zugerechnet werden. Kriterien für eine gemischte Phase A. Für mindestens eine Woche werden fast jeden Tag sowohl die Kriterien für eine Manische Phase als auch für eine Depressive Phase erfüllt (abgesehen vom Kriterium der Dauer). B. Die Störung der Stimmung ist schwer genug, um eine ausgeprägte Beeinträchtigung in beruflichen Aufgabengebieten oder unübliche soziale Aktivitäten oder Beziehungen mit anderen zu bewirken, oder sie erfordert einen Krankenhausaufenthalt, um Selbst- oder Fremdschädigung zu verhindern, oder es gibt andere psychotische Merkmale. C. Die Symptome sind nicht durch direkte physiologische Effekte einer Substanz (z. B. Drogenmissbrauch, Medikamente oder andere Behandlungen) oder eine generelle medizinische Verfassung (z. B. Überfunktion der Schilddrüse) verursacht. Anmerkung: Der gemischten Phase vergleichbare Episoden, die eindeutig durch somatische antidepressive Behandlung verursacht sind (Medikamente, Elektroschocktherapie, Lichttherapie), sollten nicht einer Diagnose: Bipolare I Störung zugerechnet werden. Begleiterkrankungen (Komorbidität) Bei Erwachsenen ist Alkohol- und sonstiger Drogenmissbrauch mit 2/3 die häufigste Komorbidität. Medikamentenmissbrauch tritt vor allem in postmanischen Mischzuständen und den darauf folgenden schweren Depressionen https://www.borderline-forum.place/lexicon/index.php/Entry/99-Bipolare-St%C3%B6rung/?s=92897a06c5f37a0d6d09c3805c30a63a423906b5 3 auf. Panikstörungen und Persönlichkeitsstörungen Behandlung Aufgrund mangelnder Einsicht der Betroffenen, insbesondere in manischen Episoden oder bei akuter Suizidgefahr, muss eine Behandlung in akuten Phasen der Manien oder schweren Depressionen manchmal gegen den Willen der Patienten als Zwangsbehandlung erfolgen. In den meisten Fällen zeigen Betroffene jedoch Einsicht und lassen sich auch wegen ihres hohen Leidensdrucks freiwillig behandeln. Wenn allerdings manische Phasen erstmals auftreten, können Betroffene keine Einsicht haben, da sie noch keine Erfahrungen über die schweren negativen Folgen gesammelt haben. Bei vielen kommt die Einsicht erst nach mehreren Phasen. Sehr hilfreich für eine erfolgreiche Behandlung ist, wenn sich die Betroffenen über ihre Störung informieren und viel darüber lesen, damit sie selbst nachvollziehen können, welche Behandlung in welcher Phase am besten ist; auch deshalb, dass sie ein rechtzeitiges Gegensteuern, welches für ein geregeltes Leben zwingend notwendig ist, erlernen können. Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung ist die korrekte Diagnose. In Abhängigkeit von Verlauf und -schwere kann bei leichten Fällen auch alleine mit einer regelmäßigen Gesprächstherapie eine Stabilisierung erzielt werden. Hierbei ist das frühzeitige Erkennen der Störung ein wichtiger Faktor. Zusätzlich kann eine medikamentöse Behandlung erfolgen, deren Verordnung in die Hände eines erfahrenen Kinder- und Jugendpsychiaters gehört. Eine bipolare Störung tritt nicht urplötzlich bei einem vorher völlig gesunden Menschen auf, sondern entwickelt sich schleichend. Auf Grund von mangelnden Kenntnissen in der Öffentlichkeit und mitunter auch bei Ärzten sowie auch der Scheu vor dem Umgang mit psychischen Störungen wird bei vergleichsweise milden Symptomen oftmals über Jahre hinweg nicht eingegriffen – möglicherweise auch aus Angst vor Medikamenten. Dabei kann der Verlauf durch das frühzeitige Stellen einer Diagnose und mit regelmäßigen Gesprächen stark positiv beeinflusst werden. Medikamente In den verschiedenen Episoden wird unterschiedliche Medikation verwendet. Man unterscheidet ferner zwischen Akuttherapie, Erhaltungstherapie und Prophylaxe. Dabei ist die Stimmungsstabilisierung durch Phasenprophylaktika das Grundgerüst jeder medikamentösen Therapie. Manie Bei akuten Manien oder starken Manien werden üblicherweise Neuroleptika verabreicht. Typische Neuroleptika (z. B. Haloperidol) wirken normalerweise recht zuverlässig, haben aber den Nachteil extrapyramidaler Störungen als Nebenwirkung. Atypische Neuroleptika wie Risperidon, Quetiapin, Olanzapin haben ein geringeres Risiko hinsichtlich extrapyramidaler Störungen und können darüber hinaus auch längerfristig zur Phasenprophylaxe eingesetzt werden. Die Gefahr von Nebenwirkungen bezieht sich hier eher auf Stoffwechselerkrankungen bis hin zum Diabetes. Neuroleptika können auch verwendet werden, wenn sich eine manische Episode anbahnt, was den vollständigen Ausbruch oft verhindert. Antiepileptika (z. B. Valproinsäure) kommen eher zur Phasenprophylaxe als zur Akutbehandlung der Manie zum Einsatz. Benzodiazepine sind als Begleitmedikation bei einer Manie üblicherweise nicht indiziert (ebenso wenig wie bei Depression): Sie haben eher einen angstlösenden Effekt, der der Symptomatik einer Manie meist nicht entspricht, sie können außerdem zu einer Abhängigkeit führen. Sofern eine Beruhigung durch Medikamente erreicht werden soll, sind niederpotente Neuroleptika (z. B. Levomepromazin) sinnvoll. Mischzustände Mischzustände sind kompliziert zu behandeln. Meist müssen mehrere Medikamente kombiniert werden. Sie können einerseits mit neueren atypischen Neuroleptika behandelt werden, andererseits muss auch die depressive Symptomatik behandelt werden. Es kann vorkommen, dass die Einnahme über einen längeren Zeitraum notwendig ist, falls psychotische Symptome beim Absetzen wiederkehren. https://www.borderline-forum.place/lexicon/index.php/Entry/99-Bipolare-St%C3%B6rung/?s=92897a06c5f37a0d6d09c3805c30a63a423906b5 4 Depression Antidepressiva, insbesondere Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI), die die Konzentration des Dopamin nicht erhöhen, werden bei akuten Depressionen oder bei rasch wiederkehrendem (rezidivierendem) Erscheinen vieler Depressionen empfohlen. Durch viele Antidepressiva kann es bei Betroffenen zu einem Umschlagen in die Manie oder Hypomanie kommen (Switch, Switch-Risiko), weswegen insbesondere bei einer Erstbehandlung eine Beziehungsebene zu dem zu Behandelnden gewährleistet sein muss, da durch den sog. Switch-Effekt eine erhöhte Handlungsbereitschaft zu einer evtl. vorliegenden Absicht der Selbsttötung vorhanden sein kann; deswegen sind nicht alle Antidepressiva bei bipolar Erkrankten gleichermaßen geeignet. Oftmals wird in Deutschland die Kombinationstherapie mit atypischen Neuroleptika empfohlen, obwohl belegt ist, dass bei einer Kombination mit SerotoninWiederaufnahmehemmern (SSRI) das Risiko eines Serotonin-Syndroms sehr hoch ist. Am naheliegendsten ist die Kombination von SNRI bzw. SSRI mit Stimmungsstabilisierern, siehe Phasenprophylaxe. Aufgrund der Tatsache, dass Antidepressiva Stimmungsschwankungen bzw. manische Phasen auslösen können, sollten Antidepressiva bei Wirkungseintritt der Phasenprophylaktika (etwa vier bis acht Wochen nach begonnener Einnahme) langsam abgesetzt werden. Phasenprophylaxe Eine vorbeugende Behandlung der bipolaren Störung geschieht mit Stimmungsstabilisierern wie Lithium oder Antiepileptika wie Valproinsäure, Lamotrigin oder Carbamazepin. Die genauen Wirkungsweisen, insbesondere die des Lithiums, in Form von Lithiumcarbonat eingenommen, sind bisher noch ungeklärt. Auch heute noch gilt Lithium als das wirksamste Mittel gegen langfristige Stimmungsschwankungen. Durch M. Schou wurde nachgewiesen, dass die Einnahme von Lithium zu einem Rückgang der Suizidrate führt. Allerdings ersetzt Lithium kein Antidepressivum bei bereits eingetretener depressiver Phase. Unter den Antiepileptika gilt Lamotrigin als sehr wirksam gegen bipolare Depressionen, hat aber keine belegten Effekte gegen Manien. Carbamazepin und Valproinsäure wirken hingegen fast ausschließlich gegen Manien. Der Abbruch einer erfolgreichen Behandlung mit Phasenprophylaktika sollte gut überlegt werden, da ein erneutes Auftreten von depressiven und manischen Phasen den Krankheitsverlauf insgesamt negativ beeinflussen und eine erneute Behandlung erheblich erschweren kann. Neuroleptika Typische Neuroleptika sind generell wenig zur Phasenprophylaxe geeignet, da sie extrapyramidal-motorische Störungen auslösen können und im Gegensatz zu den Stimmungsstabilisierern nicht phasenprophylaktisch wirken. Sie sollten deshalb eher in manischen Phasen oder Mischzuständen angewendet werden. Wenn Mischzustände länger andauern und deshalb eine längere Gabe von dopaminsenkenden Mitteln notwendig wird, ist dies nicht als Phasenprophylaxe zu betrachten, sondern als Behandlung einer lang andauernden Phase. Es gibt jedoch inzwischen einige atypische Neuroleptika, die zur Kombinationsbehandlung mit Antiepileptika oder Lithium zugelassen sind. Olanzapin kann z. B. bei Ansprechen einer akuten manischen Phase auch als Phasenprophylaktikum gegeben werden. Auch andere atypische Neuroleptika werden aktuell für diesen Einsatz geprüft. Koffein, Alkohol, Drogen Neben Stress und Schlafmangel wirken sich auch Koffein, Alkohol, Tabakrauch und andere Drogen bei bipolaren affektiven Störungen ungünstig aus. Oftmals sind zudem Wechselwirkungen mit den verordneten Medikamenten zu erwarten, weswegen ein vollständiger Verzicht darauf meist von Vorteil sein kann. Koffein wirkt sich ungünstig auf die Schlafdauer aus und fördert Nervosität und Unruhe; Betroffene können in besonderer Weise dafür anfällig sein und könnten eine Manie dadurch auslösen. Alkohol wirkt sich – neben der Gefahr einer Abhängigkeit – entgegen populärer Ansichten negativ auf Schlaftiefe und Schlafdauer aus und wirkt enthemmend, was einer antimanischen Prophylaxe entgegensteht. Auf der anderen Seite verstärkt Alkohol Depressivität. Cannabis wird von einigen Betroffenen als Eigenmedikation angewandt. Trotz der möglicherweise positiven Effekte sollte nicht vergessen werden, dass gerade Zurückgezogenheit und Trägheit als depressive Merkmale sowie Verfolgungswahn (Paranoia) als manisches Merkmal durch Marihuana um ein Vielfaches gesteigert werden können, was der Genesung wiederum entgegenwirkt. Kokain steht ebenfalls im Verdacht, Manien auszulösen, und in der Tat gibt es Verhaltensähnlichkeiten zwischen einem Maniker und einer Person, die Kokain als Rauschdroge missbraucht. Amphetamin (Speed) kann in seinem Wirkungsverlauf sowohl manische Symptome auf dem Höhepunkt des Tripps als auch depressive Muster beim Nachlassen der Euphorie auslösen. Amphetamine begünstigen extreme https://www.borderline-forum.place/lexicon/index.php/Entry/99-Bipolare-St%C3%B6rung/?s=92897a06c5f37a0d6d09c3805c30a63a423906b5 5 Stimmungsschwankungen, wobei u. a. Ruhelosigkeit, Schlafmangel und eintretende Unsicherheit die wohl langfristigsten Auswirkungen auf die Psyche haben können. Psychotherapie Sinnvoll ist eine auf die Störung abgestimmte kognitive Verhaltenstherapie und/oder Gesprächspsychotherapie und/oder Soziotherapie und/oder Psychoedukation. Empfehlenswert sind außerdemSelbsthilfegruppen, wie sie sich etwa im BipolarSelbsthilfe-Netzwerk zusammengeschlossen haben. Sinnvoll für Betroffene ist es, eigene Warnsysteme zu entwickeln, um nicht wieder in extreme Phasen zu geraten, mit Selbststeuerungskonzepten, Stress-Management-Training, Selbstbeobachtung,Selbstregulation und Selbstmanagement. Das Erkennen der persönlichen Frühwarnzeichen der depressiven, manischen oder gemischten Phasen und ein rechtzeitiges Gegensteuern durch entsprechendes Verhalten (z. B. antidepressive Tätigkeiten bei Gefahr einer Depression; antimanisches Verhalten wie genügend Schlaf, Beschränkung, Reizabschirmung bei der Gefahr einer Manie sowie die richtige Medikation zum richtigen Zeitpunkt) kann den Ausbruch einer neuen Episode verhindern. Ein geregeltes, stressfreies, erfülltes Leben mit ausreichend Schlaf, Bewegung (Sport) und Meditation oder Yoga kann neue Episoden verzögern oder seltener auch ganz verhindern. Voraussetzung dafür ist, dass sich Betroffene von den Folgen der letzten Episode erholt haben. Noch mehr siehe hier: Bipolare Störung – Wikipedia https://www.borderline-forum.place/lexicon/index.php/Entry/99-Bipolare-St%C3%B6rung/?s=92897a06c5f37a0d6d09c3805c30a63a423906b5 6