Ausführungsbestimmungen des Kölner Erzbischofs

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Ausführungsbestimmungen des Kölner Erzbischofs
für die Katholischen Freien Schulen
im Erzbistum Köln zu den
Richtlinien für die Sexualerziehung in
Nordrhein-Westfalen
(Teil I)
und
Hinweise zu den
Ausführungsbestimmungen des Kölner Erzbischofs
für die Katholischen Freien Schulen
im Erzbistum Köln zu den
Richtlinien für die Sexualerziehung in
Nordrhein-Westfalen
(Teil II)
2
3
Inhaltsverzeichnis
Teil I
Ausführungsbestimmungen des Kölner Erzbischofs für die Katholischen Freien Schulen im Erzbistum
Köln zu den Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen
Seite
Vorwort des Kölner Erzbischofs
8
9
2.1.
2.1.1
2.1.2
2.1.3
2.1.4
2.1.5
2.1.6
Zur Situation der Sexualerziehung
Grundlegungen
Christliches Menschenbild und Sexualerziehung
Die Güte der Schöpfung
Der Mensch als Kreatur: Gottes Ebenbild
Sexualität als grundlegendes Daseinsprinzip
Sexualität und Lebensform der Liebe
Christlich verstandenes Ethos der Sexualität
Literaturhinweise
2.2
2.2.1
4.1.1
2.2.3
2.2.4
Aspekte moralischer Erziehung
Moralische Erziehung
Religiöse Bildung und Sexualerziehung
Religiöse und moralische Entwicklung
Literaturhinweise
22
22
23
25
28
3.
3.1
3.2
3.3
Aufgaben
Die Aufgabe der Eltern
Die Aufgabe der Lehrerinnen und Lehrer
Die Aufgabe der Schule
29
29
29
30
4.
4.1
4.1.1
4.1.2
4.1.3
4.1.4
Konkretisierungen
Sexualerziehung in der Primarstufe
Pädagogischen Situation
Ziele
Sexualerziehung in den Jahrgangsstufen 1/2 und 3/4
Literaturhinweise
32
32
32
33
34
34
4.2
4.2.1.
4.2.1.1
4.2.1.2
4.2.2
4.2.2.1
4.2.2.2
4.2.3
Sexualerziehung in der Sekundarstufe I
Jahrgangsstufen 5/6
Entwicklungspsychologische Aspekte
Ziele und didaktisch-methodische Überlegungen
Jahrgangsstufen 8/9
Entwicklungspsychologische Aspekte
Ziele und didaktisch-methodische Überlegungen
Literaturhinweise
35
35
35
36
37
37
39
41
1.
2.
10
10
10
11
13
14
17
20
4
4.3
4.3.1
4.3.2
4.3.3
4.3.4
4.3.5
Sexualerziehung in der Sekundarstufe II
Entwicklungspsychologische Aspekte
Ziele und didaktisch-methodische Überlegungen
Jahrgangsstufe 11
Jahrgangsstufe 12
Jahrgangsstufe 13
43
43
43
46
46
47
Teil II
Hinweise zu den Ausführungsbestimmungen des Kölner Erzbischofs für die Katholischen Freien
Schulen im Erzbistum Köln zu den Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen
Seite
5.
Vorwort
49
6.
6.1
Thesen
Christliches Menschenbild und Sexualerziehung
49
49
6.2
Aspekte moralischer Erziehung an Katholischen Freien Schulen
51
7.
7.1.
Anregungen für die schulische Praxis
Primarstufe
54
54
7.1.1
Klassen 1/2
55
7.1.2
Klassen 3/4
58
7.2
7.2.1
7.2.2
Sekundarstufe I
Klassen 5/6
Klassen 8/9
62
62
73
7.3
7.3.1
7.3.2
7.3.2.1
7.3.2.2
7.3.2.3
Sekundarstufe II
Methodische Hinweise
Hinweise zum Fachunterricht in den Jgst. 11-13
Stufe 11
Stufe 12
Stufe 13
81
81
83
83
85
88
8.
8.1
8.2
Beratungsstellen im Erzbistum Köln
Beratungsstellen esperanza
Beratungsstellen für Eltern, Kinder und Jugendliche
(Erziehungs- und Familienberatung)
Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen
90
90
92
8.3
94
5
6
Ausführungsbestimmungen des Kölner Erzbischofs
für die Katholischen Freien Schulen
im Erzbistum Köln
zu den Richtlinien für die Sexualerziehung in
Nordrhein-Westfalen
(Teil I)
7
VORWORT
Zum 01. August 2000 hat das damalige Ministerium für Schule, Wissenschaft und
Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen die novellierten „Richtlinien für die
Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen“ für die öffentlichen Schulen in Kraft gesetzt.
Für die Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln sind daraufhin die
nachfolgenden Ausführungsbestimmungen zu den Sexualkunderichtlinien (Teil I)
entwickelt worden. Sie geben der schulischen Sexualerziehung an unseren Schulen die
notwendige christliche Orientierung. Weitere Hilfestellungen werden den Schulen in
den Hinweisen zu den Ausführungsbestimmungen (Teil II) durch didaktischmethodische Anregungen gegeben. Die Implementation der Ausführungsbestimmungen
an den Schulen wird die Hauptabteilung Schule/Hochschule des Erzbischöflichen
Generalvikariates Köln in Zusammenarbeit mit dem Institut für Lehrerfortbildung in
Mülheim/Ruhr durch geeignete Fortbildungsmaßnahmen unterstützen.
Wir danken der Kommission der Hauptabteilung Schule/Hochschule für die intensiven
Vorarbeiten. Vor allem danken wir aber den Lehrerinnen und Lehrern und den Eltern,
die sich in christlicher Verantwortung gemeinschaftlich der Aufgabe stellen, Kindern
und Jugendlichen einen Lebensweg zu verantwortlich lebenden und handelnden
Christen zu weisen.
Die Ausführungsbestimmungen treten zusammen mit den Richtlinien für die
Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen an den Katholischen Freien Schulen im
Erzbistum Köln zum 01.04.2003 in Kraft.
Köln, im März 2003
8
1. Zur Situation der Sexualerziehung
Seit dem ersten Erlass zur Sexualerziehung aus dem Jahre 1974 zählt die Sexualerziehung in
Nordrhein-Westfalen zu den obligatorischen Erziehungs- und Bildungsaufgaben der Schulen.
Damals kamen Fragen der Sexualität und der Sexualerziehung in Kirche, Staat und Gesellschaft
große Aufmerksamkeit zu, die sich in öffentlichen Diskussionen, aber auch in zahlreichen
Publikationen der Bezugswissenschaften sowie in Leitwörtern und Hirtenbriefen der Kirche
niederschlugen.
Die Liberalisierung des Sexualverhaltens und der Darstellung von Sexualität hat sich in unserer
Gesellschaft seither erheblich weiterentwickelt. Sexualität ist häufig genug zu einer Ware
geworden, die als Grundlage einer Beziehungsmöglichkeit ohne personalen Bezug dargestellt
wird. Instrumentalisierung und Banalisierung der Sexualität sind in Werbung und Medien
vielfach zu beobachten. Der postmoderne Pluralismus sexueller Lebensformen, der
gesellschaftliche Prozess der Normenverschiebung und –auflösung, die Kommerzialisierung
der Sexualität und die in Medien verbreitete „Tyrannei der Intimität“ trifft auf Kinder und
Jugendliche, bei denen die körperliche Reifung immer früher einsetzt, die einen im
Wesentlichen ungehinderten Zugang zum Medienangebot haben und oft genug der
„sexualisierten Öffentlichkeit“ unvorbereitet und ungeschützt ausgesetzt sind.
Eine ebenso kind- wie wertorientierte Sexualerziehung durch Elternhaus und Schule ist deshalb
notwendig. Sie vermittelt den Heranwachsenden entwicklungsgemäß Kenntnisse, gibt Wertund Lebensorientierung, räumt Möglichkeiten zum Dialog und zum persönlichen Gespräch ein
und hilft so, zu einer verantwortungsbewussten Persönlichkeit in Kirche, Staat, Gesellschaft
und persönlicher Lebensgestaltung heranzureifen. Die schulische Sexualerziehung ergänzt die
Erziehung der Eltern und kann mit den ihr eigenen Voraussetzungen und Möglichkeiten
spezifische Schwerpunkte entwickeln. Sexualerziehung bedarf einer intensiven Vorbereitung
durch die Kollegien und einer beständigen reflektierenden Evaluation im Hinblick auf die
jeweilige Schülerschaft. An Katholischen Freien Schulen findet die Erziehung von Elternhaus
und Schule auf der gemeinsamen Grundlage und in Verantwortung vor der Frohen Botschaft
Jesu Christi statt. Die staatlichen „Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen“
aus dem Jahre 2000 stellen eine grundlegende Novellierung der vorhergehenden Richtlinien dar
und geben der schulischen Sexualerziehung eine grundsätzlich zeitgemäße didaktische und
methodische Orientierung. Sie werden im Folgenden für die Sexualerziehung an den
Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln im Hinblick auf den spezifischen Erziehungsund Bildungsauftrag spezifiziert.
9
2. Grundlegungen
2.1. Christliches Menschenbild und Sexualerziehung
Sexualität ist eine Grundgegebenheit des menschlichen Lebens. Sie erweist sich nicht nur als
ein biologisches Faktum, sondern prägt den Menschen in seinem ganzen Personsein. Sie erregt
sein Fühlen, sie fordert sein Denken heraus und drückt sich in seinem Handeln aus. Dabei
bindet sie den einzelnen in ein Geflecht von Beziehungen ein, die er selbst gestalten kann und
von denen er selbst wiederum je schon geprägt ist. So erweist sich Sexualität als ein Prinzip
menschlichen Daseins, das nach entsprechender existentieller Deutung und ethischer
Orientierung verlangt. Der Sexualität ist eine ursprüngliche Wahrheit eigen; diese erschließt
sich dort, wo Sexualität verantwortet gelebt und innerlich frei erlebt werden kann - beide
Momente sind unaustauschbar miteinander verknüpft. Die Entdeckung dieser Wahrheit ist dem
Menschen in seiner individuellen als auch in seiner kulturellen Geschichte aufgegeben.
Sexualerziehung ist daher konstitutiver Bestandteil der Gesamterziehung, die in natürlicher
Weise originäres Recht und unabdingbare Pflicht der Eltern ist. In subsidiärer Weise ergänzt
die Schule den elterlichen Erziehungsauftrag im Rahmen der verfassungsmäßigen
Grundordnung von Land und Bund. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und
die Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen begreifen den gesetzlichen
Erziehungsauftrag „in Verantwortung vor Gott und den Menschen“ (Präambel). Die Verfassung
für das Land Nordrhein-Westfalen legt als vornehmstes Ziel der Erziehung fest, „Ehrfurcht vor
Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu
wecken“ (Art. 7 Abs. 1). Auch wenn die Verfassung kein Gottesverständnis im Sinne einer
bestimmten Religion oder Weltanschauung vorschreiben kann, so beinhaltet die vor Gott
begriffene Verantwortung, dass alles Leben nicht vom Menschen geschaffenes, sondern
empfangenes Leben darstellt, dessen Bewahrung und Entfaltung Inhalt seines
Gestaltungsauftrags ist. Verantwortung vor Gott und den Menschen sowie Achtung vor der
Schöpfung sind inhaltlich korrelierende Momente dessen, was mit der sittlichen Verantwortung
des Menschen zugleich dessen Würde ausmacht. Sexualerziehung als Teil der Gesamterziehung
ist von diesem umfassenden Horizont her zu verstehen und auszulegen.
2.1.1. Die Güte der Schöpfung
„Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut“ (Gen 1, 31). Sexualität hat ihren
ursprünglichen Ort im Beziehungsgefüge der ‚guten Schöpfung’. Gott erhält diese Güte
auch über die Sünde des Menschen hinaus. Der Mensch soll Mit-Schöpfer sein an der
Gutheit von Gottes Schöpfung.
Jede Rede vom christlichen Menschenbild hat ihren Anfang zu nehmen beim schöpferischen
Wort Gottes, durch das er alle begegnende Wirklichkeit in ihr Sein ruft. „Im Anfang schuf Gott
den Himmel und die Erde“ (Gen 1,1) - so beginnt der Teil der Heiligen Schrift, den die
christliche mit der jüdischen Glaubensgemeinschaft teilt. Licht und Finsternis, das Firmament,
die Gestirne, das Pflanzenkleid der Erde, alle Tiere sowie den Menschen schafft Gott, indem er
spricht: „Es werde!“ Den Lebewesen erteilt er den Segen der Fortpflanzung (Gen 1, 22.28),
damit sie ihre Gattung aus den jeweils geschaffenen Urpaaren in der nun anbrechenden
10
Geschichte selbst erhalten und vermehren können. Dann teilt er ihnen, Menschen wie Tieren, je
unterschiedliche pflanzliche Nahrung zu (Gen 1, 29 f), um abschließend sein gesamtes
Schöpfungswerk zu betrachten und als „sehr gut“ zu befinden. „Gott sah alles an, was er
gemacht hatte: Es war sehr gut“ - lautet die biblische Ursprungsstelle (Gen 1, 31), von der aus
die Rede von der ‚Güte der Schöpfung’ und von der ‚kreatürlichen Würde’ alles Seienden ihren
Ausgang nimmt. Die Überzeugung von der Güte der Schöpfung und kreatürlichen Würde
bedeutet gerade keine Verabsolutierung geschaffener Größen. Der Schöpfungsbericht von Gen
1 bringt vielmehr die Bedeutung von gut“ in Relationen zum Ausdruck, in einem
Beziehungsgefüge, welches als Ganzes den schöpfungsmäßigen Ursprung bekundet. Sie lässt
den Menschen der Existenz von Grenzen ‚gewahr’ werden, die er nicht ohne wesensmäßige
Veränderung des Bildes von sich selbst überschreiten kann. Durch deren Überschreitung
verliert er das Bewusstsein, Teil der Schöpfung zu sein. In dem Maße, in dem er sich von
seinem Ursprung trennt, wird er sich selbst fremd. Dies führt die biblische Erzählung vom
Sündenfall in den existentiellen Konsequenzen eindringlich vor Augen. Wo der Mensch sich
von seinem Schöpfer trennt, entfremdet er sich von sich selbst. ‚Selbstentfremdung’ ist für die
Bibel ein ursprünglicher Ausdruck für ‚Sünde’.
Gott ruft durch sein schöpferisches Wort nicht nur alles ins Sein, er erhält auch alles
Geschaffene in seinem Sein. Daher trägt das biblische Lebensgefühl von der prinzipiellen
Schöpfungsgüte aller Dinge über den Sündenfall hinaus, wenn sich die ursprüngliche
paradiesische Friedensordnung zu einer geschichtlichen Ordnung umwandelt, welche die
Kennzeichen von Gewalt beinhaltet. Die grundsätzliche Güte der geschaffenen Welt aber bildet
das existentielle Fundament, auf dem es überhaupt nur möglich ist, ein Leben wirklich zu
führen. Gott lässt nur eine begrenzte Korrumpierung der Schöpfung durch die menschliche
Gewalttat zu, sowohl qualitativ wie zeitlich. Finsternis und Urflut (Gen 1, 2) brechen sogar bei
der Sintflut nicht in die Schöpfungsordnung ein und werden es auch künftig nie tun - das
garantiert der Schöpfergott dem Noah (Gen 8, 21 - 9, 17) so gut wie dem Hiob (Hi 38-41). Gott
garantiert die Güte der Schöpfung, auch wenn der Mensch seine Grenzen überschreitet. Die
Geschichte, in der wir unser Leben zu führen haben und zu gestalten gerufen sind, begreift die
Bibel ganz elementar im Horizont des Schöpfungsgedankens, d.h. zwischen Schöpfung und
Neuschöpfung, zwischen Ursprung und Ziel. Grundlage des christlichen Menschenbildes ist
also das Lebensgefühl einer von Gott in der Geschichte je neu bewahrten ‚kreatürlichen
Würde’. Gott schafft nicht nur ‚ex nihilo’. Gott erhält auch das Geschaffene unaufhörlich im
Dasein (vgl. Ps 104). ‚Creatio ex nihilo’ und ‚creatio continua’ sind bis heute hin die
Spannungspole einer Theologie der Schöpfung, innerhalb derer das Verhältnis des Schöpfers zu
seiner guten, weil von ihm ins Dasein gerufenen Schöpfung bestimmt wird. An der
‚kreatürlichen Würde’, wie man heute die Überzeugung von der Güte der Schöpfung
prononcierter zum Ausdruck bringt, hat der Mensch nicht nur passiven Anteil, sondern auch
aktiven, ‚mit-schöpferischen’ - kon-kreatorischen - Anteil.
2.1.2. Der Mensch als Kreatur: Gottes Ebenbild
„Gott schuf also den Menschen als sein Abbild“ (Gen 1, 27). Die Gottebenbildlichkeit des
Menschen bedeutet eine Verantwortung, die er in Entsprechung zu Gott und seinem
schöpferischen Wirken auszuüben hat. Diese Berufung verleiht dem Menschen eine
besondere Würde. Die Begründung der Menschenwürde im Schöpfungsglauben erschließt
menschliche Sexualität in ihrer spezifischen Intimität und Verletzbarkeit. Christliche
Sexualethik kann hierin gegenüber dem begrenzten Rahmen, wie er dem Staat aufgrund
seiner weltanschaulichen Neutralität geboten ist, eine tiefergehende Orientierung vermitteln.
11
So wie Gen 1, 31 die biblische Kernstelle für die Überzeugung von der grundsätzlichen Seinsbzw. Schöpfungsgüte alles Seienden sowie der Schöpfung als Ganzes darstellt, so sind die
Verse Gen 1, 26-28 die maßgebende biblische Berufungsinstanz für die besondere Stellung des
Menschen in der Schöpfung: „Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild,
uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels,
über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. Gott schuf also den
Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. Gott
segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar, und vermehrt euch, bevölkert die Erde,
unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und
über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.“
Die Gottebenbildlichkeit ist für die Bibel das den Menschen auszeichnende Kennzeichen
schlechthin. Sie unterscheidet den Menschen von allen anderen Schöpfungen Gottes, sie gilt
universal für alle Menschen. Obgleich die Gottebenbildlichkeit den Menschen aus dem Kreis
der übrigen Geschöpfe hervorhebt, vergöttlicht sie ihn nicht und negiert nicht seine
Kreatürlichkeit. Der Mensch bleibt auch als gottebenbildliches Wesen Geschöpf - Kreatur,
wodurch einerseits seine Wesensverschiedenheit vom Schöpfer, andererseits zugleich seine
bleibende Zugehörigkeit zur guten Schöpfung ausgedrückt ist. Durch die Gottebenbildlichkeit
wird der Mensch nicht zum ‚anderen Gott’. Die Würde der Gottebenbildlichkeit ist kein Titel
für generelle Besitz- und Herrschaftsansprüche, sie ist die seinsmäßige Grundlage für
Verantwortung und von solcher Bedeutung, dass sie mit keiner Aufgabenerfüllung je
abgegolten sein könnte - sie ist eine in Entsprechung zu Gott und seinem schöpferischen
Wirken auszuübende Verantwortung.
Zu Recht hat man daher in der weiteren Auslegungsgeschichte von der Gottebenbildlichkeit her
die besondere Würde des Menschen verstanden. ‚Würde haben’ ist unverdiente Mitgift, die
jedem Menschen vorab aller Leistungsfähigkeit mit seiner Existenz verliehen ist, weder
verdienbares noch weggebbares Geschenk der Gottebenbildlichkeit. Ihr Gehalt ist mit der
Evidenz der sittlichen Grunderfahrung gegeben, unvertretbar in einer unabdingbaren
Verantwortung zu stehen. Für die ‚Würde’ kann es somit kein Äquivalent etwa im Sinne
besonderer Leistungen, Vorzüge oder geistiger Fähigkeiten wie Selbst- und
Zukunftsbewusstsein geben. Sie ist, wie Immanuel Kant sagt, ein „absoluter innerer Wert“.
Auch derjenige, der es gelernt hätte, sich selbst in seiner Würde zu schätzen, stünde nur je
wieder an einem Neuanfang. Er wüsste lediglich in dankbarer Demut um diesen Neuanfang,
hätte aber keinen ‚Mehrwert’ im Sinne eines Platzvorteils, der es ihm erlaubte, seine Ansprüche
mit höherer Dignität aufzuladen und als größeren ‚Lebenswert’ gegenüber anderen
durchzusetzen. Wer sich in seiner besonderen Würde der Gottebenbildlichkeit wirklich zu
schätzen gelernt hat, wird umgekehrt danach streben, sich selbst zurückzunehmen und dem
anderen Raum zu geben, dass er sein Leben als ‚Dasein um seiner selbst willen’ - wie man
ebenso ‚Würde’ umschreiben kann - führen und es erlernen kann, sich selbst zu schätzen.
In diesem Sinne ist das ‚Prinzip Menschenwürde’ das pädagogische Prinzip schlechthin.
Gerade Sexualerziehung kann nur in dem Maße ihr Ziel, Kinder und Jugendliche zu
„sinnbestimmtem und wertorientiertem Urteilen und Handeln“ auf der Basis von gesicherten
Kenntnissen zu führen, erreichen, als sie für dieses ‚Prinzip Menschenwürde’ sensibel wird.
Die Rede von der ‚Unantastbarkeit’ der Menschenwürde bringt ja gerade ex negativo die
spezifische Verletzbarkeit des Menschen als Ebenbild Gottes zum Ausdruck. Die Entdeckung
des ‚Prinzips Menschenwürde’ im Bereich der Sexualität beinhaltet immer auch die
Entwicklung eines wachen Bewusstseins für die besonderen Verletzbarkeiten, die hierbei
möglich sind. Respekt und Toleranz sind ohne Zweifel das A und O verantwortungsvollen
12
Handelns und Verhaltens im Hinblick auf die Würde des anderen. Sie sind jedoch in der
Hinsicht eine zu ‚dünne’ Basis, dass sie die Würde nur im Horizont der Rechtsethik eines
religiös und weltanschaulich neutralen Staates zur Sprache bringen können. So unhintergehbar
und notwendig diese Basis ist, reicht sie dennoch nicht aus, um das ‚Prinzip Menschenwürde’
in den existentiellen Dimensionen von Sexualität mit solcher Sensibilität zur Geltung zu
bringen, dass man auch der spezifischen Verletzlichkeiten im Umgang mit ‚Intimität’ im vollen
Sinne des Wortes gewahr werden kann. Nur dann, wenn man vom absoluten inneren Wert der
Menschenwürde ausgeht, vermag man zu ermessen, was ‚Intimität’ bedeutet. Nur dann, wenn
man die Menschenwürde im Horizont der Gottebenbildlichkeit begreift, verspürt man, welche
Verantwortung hierin gegeben ist. Nur dann aber, wenn man die Gottebenbildlichkeit im
biblischen Schöpfungskontext versteht, vermag man auch die spezifischen Relationen der
Würde des als Mann und Frau geschaffenen Menschen zu erkennen. Es ist ganz entscheidend
für ein sexualpädagogisches Konzept, welches sich den Impulsen der biblischen
Offenbarungsgeschichte verpflichtet weiß, dass die besondere Würde der Gottebenbildlichkeit
des Menschen auf den allgemeinen Horizont der ‚Würde der Kreatur’, der ‚Güte der
Schöpfung’ bezogen bleibt. Im Horizont der allgemeinen Schöpfungsgüte bringt die Bibel die
Mitgeschöpflichkeit des Menschen zur Sprache, die er als Gottes Ebenbild auf Erden
entsprechend seinem Vorbild zu gestalten hat, d. h. auch und gerade die Mitgeschöpflichkeit
des als Mann und Frau geschaffenen Menschen.
2.1.3. Sexualität als grundlegendes Daseinsprinzip
„Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1, 27). Das Mann- und Frau-Sein ist eine
grundlegende Dimension der dialogischen Existenz des Menschen; Sexualität vermittelt
Lebenssinn. Das „Ein-Fleisch-Werden“, von dem die Bibel spricht (Gen 2, 24), bedeutet das
Einswerden in der Gemeinschaft des Lebens und der Liebe von Mann und Frau. Im
Zusammenwachsen und Einander-Ähnlich-Werden „erkennen“ sich Mann und Frau
wechselseitig. Einander erkennen in Form ganzheitlicher Begegnung bedeutet auch
Abgrenzung von bloßem Gebrauchen des anderen und Befreiung der Sexualität von
Konsumzwang.
„Männlich, weiblich schuf er sie“ - so übersetzt Martin Buber die Schlüsselstelle von
Gen 1, 27. Damit ist in unübersehbarer Weise mehr gemeint als „sexuelle Orientierung“. Die
Redeweise von der „sexuellen Orientierung“ lässt die Sexualität des Menschen wie ein
abgespaltener, humanwissenschaftlich erforschbarer und beschreibbarer Teil seiner
Körperlichkeit erscheinen. „Männlich, weiblich schuf er sie“ - die Übersetzung macht deutlich,
dass die Sexualität des Menschen als grundlegendes Daseinsprinzip zu verstehen ist. Damit ist
auch mehr gesagt als die bloße Leibhaftigkeit, in der der Mensch als Wesen dieser Erde lebt.
Das Männlich- und Weiblich-Sein gehört zu den primären Spezifika der dialogischen Existenz
des Menschen, kraft der er Gott und seinem schöpferischen Wort zu antworten und zu
entsprechen vermag – christlich gesprochen dem Geheimnis des inneren Lebens Gottes selbst.
Dialog aber beinhaltet immer das Geschehen von gegenseitigem Sich-Erschließen und SichErschließen-Lassen, Erkennen und Sich-Erkennen-Lassen. Das Männlich- und Weiblich-Sein
ist von Anbeginn an in die Gottesbeziehung des Menschen hineingenommen, es ist wesenhaftes
Moment der dialogischen Existenz, in der sich Menschen das schöpferische WORT einander
erschließen und interpretieren. Daher ist die Aussage, dass Sexualität eine Lebenskraft darstellt,
„die in allen Phasen des menschlichen Lebens körperlich, geistig-seelisch und sozial wirksam
wird“ (Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen), noch nicht stark genug,
13
um die wirkliche ‚erkenntnisstiftende Kraft’, die ihr eigen ist, zum Ausdruck zu bringen.
‚Erkenntnisstiftende Kraft’ meint die Vermittlung von Lebenssinn, die Erschließung der
sozialen, psychologischen und religiösen Dimensionen von Sexualität in ihrer existentiellen
Bedeutung für den Menschen.
In diesem Licht ist auch die zentrale Aussage der Bibel vom Ein-Fleisch-Werden zu verstehen,
in der für Jesus selbst der ursprüngliche Schöpfungssinn der Ehe von Mann und Frau
grundgelegt ist: „Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und
sie werden ein Fleisch“ (Gen 2, 24; vgl. Mt 19, 4-6, Mk 10, 6-9). Das Ein-Fleisch-Werden ist
im Verständnis der Bibel keineswegs auf die unmittelbare Geschlechtergemeinschaft
beschränkt, sondern meint das Zusammenwachsen und Einander-Ähnlich-Werden von Mann
und Frau. Daher spricht die Bibel auch vom ‚Erkennen’, nicht in einem kognitiven Sinne
verstanden, sondern als Beschenkt-Werden. Diese erkenntnisstiftende Kraft lässt den Menschen
sich selbst überschreiten, er verlässt seine bisherigen Bindungen, er vermag sogar auch die
bisherigen Geschlechterrollen und geschlechtstypischen Erwartungen zu überwinden - der
Mann verlässt die Elternehe und bindet sich an seine Frau. Das Ein-Fleisch-Werden meint das
Ganze einer Gemeinschaft des Lebens und der Liebe von Mann und Frau. Dieser Gemeinschaft
kommt eine Würde zu, die die kreatürliche Würde in einer Weise untrennbar mit der Würde der
Gottebenbildlichkeit vereint, wie dies von keiner anderen Form menschlicher Gemeinschaft
erreicht werden kann. Für die Bibel kommt daher in diesem Einswerden die
Ursprungsschöpfung zu ihrer Vollendung.
Die das schöpferische „Wort“ erschließende Kraft der menschlichen Sexualität ist also ganz
elementar an die Zweigeschlechtlichkeit des Männlich- und Weiblich-Seins geknüpft. Das
Männlich- und Weiblich-Sein ist ein unhintergehbares dialogisches Differenzprinzip; es ist
daher nicht diskriminatorisch, weil nur durch diese ‚Differenz’ die Sensibilität entstehen kann,
mittels derer man der Würde des einzelnen Menschen in den spezifischen Relationen seines
Daseins gerecht zu werden vermag. Eine Nivellierung der Sexualität im Sinne einer
prinzipiellen ‚Gleich-Gültigkeit’ der ‚sexuellen Lebensweisen’ beraubt die menschliche
Sexualität um das Spezifikum ihrer konkret-erschließenden Erkenntniskraft. Dem Ein-FleischWerden von Mann und Frau ist somit eine Tiefendimension eigen, die über das Erleben dieser
Einheit hinausgeht. Es ist eher ein konkret-leibhaftes Ähnlichwerden, in dem sie gemeinsam als
Bild Gottes dem Urbild entsprechen. Nicht ohne Grund verwendet die Theologie zur
Bezeichnung dieser sich hierin ereignenden Erfüllung und Vollendung das Wort
‚consummatio’, was geradezu ein ‚Einverleiben’ der im göttlichen „Wort“ gemeinsam
zuteilgewordenen Liebe bedeutet. Gerade unter diesem Aspekt erweist sich die
erkenntnisstiftende Kraft der Sexualität als eine erkenntniskritische Größe ersten Ranges. Wenn
in der modernen Welt des Konsums die Sexualität selbst unter Konsumzwang geraten ist, so
gilt es zunächst zu erkennen, dass Konsum in dieser Form nichts anderes als eine künstlich
erzeugte Begierde nach der Perfektionierung des eigenen Ichs ist. Die biblische Sicht der
Bedeutung des Männlich- und Weiblich-Seins bietet demgegenüber nicht nur die notwendige
Distanz, sondern auch die primäre pädagogische Perspektive.
2.1.4. Sexualität und Lebensform der Liebe
Als existentielles Daseinsprinzip ist Sexualität auf eine Lebensform verwiesen, die um ihrer
selbst willen Sinn hat. Ehe und Familie sind ursprüngliche Formen gemeinschaftlichen
Lebens und in dieser Weise unersetzbar. Jeder Mensch ist Glied einer Generation, in die er
hineingeboren wird; jede Generation gleich welchen Status aber ist familiär begründet. Die
14
Ehe ist in besonderer Weise eine unaustauschbare Lebensform, da sie auf einer Freiheit
gründet, die beide Partner einander übereignet haben und die keiner von ihnen für sich
alleine haben kann. Sie ist die dem dialogischen Vermögen der Liebe adäquate Form. Daher
ist auch das Besondere des Ehesakraments die gegenseitige Heiligung von Mann und Frau
in der Kraft des Bundes Christi mit seiner Kirche. Sexualität und Lebensform verbinden,
bedeutet: lernen zu lieben. Solche Liebe erfährt ihre verwandelnde Kraft aus der Fülle des
Ursprungs in Gott. Die Berufung zur Liebe gilt für alle Menschen gleich welchen
Lebensstandes, sie kann Menschen dazu herausfordern, in freiwilligem Verzicht auf Ehe
und Familie ihrer dialogischen Existenz Ausdruck zu verleihen.
Sexualität bestimmt - männlich/ weiblich - das Ganze des menschlichen Lebens. Sie kann nur
dort gelingen, wo sie in einer ihrer Dignität entsprechenden Form gelebt werden kann, d.h. in
einer Lebensform, die selbst ohne Äquivalent ist. Eine solche Lebensform ist die auf Ehe
gegründete Familie. Sie ist unersetzbar, d. h. nicht aufgrund bestimmter Funktionen, Leistungen
oder Qualitäten gegen andere Lebensformen austauschbar. Ehe und Familie sind, wie Papst
Johannes Paul II. formuliert, ursprüngliche und grundlegende Formen, ‚in Gemeinsamkeit’ zu
leben. Die Familie ist in dem Sinne grundlegend, dass sie gewissermaßen den existentiellen
Hintergrund eines jeden Menschen darstellt, „die erste menschliche Umgebung, wo der ‘innere
Mensch’ Gestalt annimmt“. Umgekehrt ist der personalen Ordnung nach die Gemeinsamkeit
(communio) von Mann und Frau der Ursprung aller familiären Gemeinschaft (communitas).
Aufgrund dieser Einheit sind Ehe und Familie ursprüngliche und grundlegende Formen
gemeinschaftlichen Leben: sie stehen unter dem Schutz der staatlichen Ordnung.
Ehe und Familie sind zwei Wirklichkeiten, die zwar einander gegenseitig bedingen, die aber
nicht ineinander aufgehen dürfen. Dem Ein-Fleisch-Werden von Mann und Frau entspricht die
Ehe als Lebensform insofern, als sie nicht bloß die Summe zweier individueller Freiheiten und
entsprechender Rechte ist. Sie stellt vielmehr eine Lebenswirklichkeit dar, die nur in und durch
Gemeinschaft ‚ist’, d.h. durch das Eingehen aufeinander und das Zusammenleben miteinander.
Die Ehe begründet gleichsam eine überindividuelle Biographie für den einzelnen Menschen.
Ehe vermittelt Anteil an einer Lebenswirklichkeit, die keiner der beiden Partner für sich alleine
und für sich selbst hat. Sie eröffnet eine Erweiterung der Lebensperspektive, zu der niemand
von sich selbst her und alleine fähig ist, die vielmehr erst durch diese Lebensgemeinschaft
gegeben ist. Freiheit, die man nur zusammen haben und verwirklichen kann, ist ihrem Wesen
nach Gemeinschaftsfreiheit. In diesem Sinne hat die Ehe als Institution von
Gemeinschaftsfreiheit auch Selbstzweckcharakter, eine Würde eigener Art. Denn es ist eine
Gemeinschaft des Lebens und der Liebe, die nicht als besonderer Teil oder Bereich der
einzelnen Partner ausgrenzbar ist, sondern alle Bezüge der Lebensführung betrifft. Weil sie ihre
Wirklichkeit im Ganzen des menschlichen Lebens hat, ist sie notwendig auf Dauer bezogen.
Diese Dauerhaftigkeit meint nicht einfach einen langen Zeitabschnitt der linearen Zeit, sondern
die Ganzheit des menschlichen Daseins. Denn die eheliche Gemeinschaft beruht darauf, dass
sich die Eheleute einander schenken und annehmen (vgl. 2. Vatikanisches Konzil,
Pastoralkonstitution "Gaudium et spes", Nr. 48). Diese Freiheit ist konstitutiv für das christliche
Menschenbild, nur eine in solcher Freiheit zu gestaltende Sexualität kann Richtmaß christlicher
Sexualerziehung sein.
Wo menschliche Sexualität in der Ehe als ursprünglicher Form von Gemeinschaftsfreiheit
gelebt wird, dort vermag sie auch Glaubenserkenntnis zu stiften, d. h. eine erkenntnisstiftende
Kraft zu entfalten, die über den Horizont natürlicher Phänomene hinausgeht, die vielmehr alles,
was den lebendigen Gehalt dieser Gemeinschaft ausmacht, auf Gott hin erschließt. Diese Kraft
ist ihr nicht von sich aus zu eigen, sondern verdankt sich der Gnade des sich seinem Volk
15
mitteilenden Gottes. Es ist der sich in der Geschichte offenbarende Gott Abrahams, Isaaks und
Jakobs, der das Ein-Fleisch-Werden von Mann und Frau zum realen Zeichen seines Bundes mit
Israel werden lässt. Seine unverbrüchliche Treue ist es, welche die Lebensgemeinschaft von
Mann und Frau in der Ehe zu einer Realität des Glaubens hin öffnet. In der Begegnung mit dem
fleischgewordenen Wort Gottes im Neuen Bund deutet Paulus diese Realität auf die
untrennbare Beziehung zwischen Christus und seiner Kirche hin (vgl. Eph 5, 32). Das
Besondere des Sakraments der Ehe aber ist die gegenseitige Heiligung von Mann und Frau in
der Kraft des Bundes Christi mit seiner Kirche. Diese Heiligung, zu der jeder Glaubende
berufen ist, meint keine Verklärung des ehelichen Lebens, sondern die gemeinsame
Bereitschaft, das fleischgewordene Wort Gottes im eigenen Selbst, im Du des anderen und im
Wir der Gemeinschaft, d. h. in allen Sinndimensionen des Männlich- und Weiblich-Seins
wohnen zu lassen. Es ist das lebenslange Lernen zu lieben. Hierin liegt die eigentliche und
innere Klammer zwischen Sexualität und Lebensform.
Liebe will gelernt sein. In einem seiner „Briefe an einen jungen Dichter“ schreibt R. M. Rilke:
„Liebe ist schwer. Liebhaben von Mensch zu Mensch: Das ist vielleicht das Schwerste, was uns
aufgegeben ist, das Äußerste, die letzte Probe und Prüfung, die Arbeit, für die alle andere
Arbeit nur Vorbereitung ist. Darum kennen junge Menschen, die Anfänger in allem sind, die
Liebe noch nicht: Sie müssen sie lernen. Mit dem ganzen Wesen, mit allen Kräften, versammelt
um ihr einsames, banges, aufwärts schlagendes Herz, müssen sie lieben lernen. Es ist die
schwerste, wie auch nie endende Aufgabe des Lebens.“ In der Bewältigung dieser
Lebensaufgabe aber stehen wir nicht allein, sondern „die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere
Herzen durch den Heiligen Geist“ (Röm 5, 5). Es ist eine Grundaussage des christlichen
Menschenbildes. Diese Liebe ist ihrem Ursprung nach von Gott und doch ganz und gar
menschlich, wo immer sie sich wahrhaft äußert. Männlich und weiblich in der Lebensform der
Ehe zu sein, bedeutet zunächst einmal, die Liebe von ihrer Wurzel her kennen zu lernen. Nur so
lässt sich heute glaubhaft und authentisch wieder von ‚Liebe’ reden, ohne den Blick dafür zu
verlieren, dass gerade das Schönste und Kostbarste vom Menschen zum Grausamsten und
Niedersten pervertiert werden kann. Die Liebe ist nach dem Zeugnis der Schrift das
vollkommene Leben Gottes selbst. „Gott ist der ewig Liebende“ (1 Joh 4, 8): Die Liebe ist also
zuerst das ganz und gar göttliche Verhalten selbst. Sie ist die Wurzel unseres eigenen
Liebenkönnens. Liebe ist nicht ein fernes Ideal, sondern eine Berufung und Befähigung: eine
Gnade. Lieben kann wahrhaft nur der, der in der Gnade Gottes ist. Lieben heißt, in der Gnade
sein, es ist vorab aller Leistung und allen sittlichen Anspruchs Geschenk. Nichts verdient unter
Menschen den Namen Liebe, was nicht von Gott kommt und auf Gott hingeordnet ist. Wenn
uns im anderen Menschen nicht Gott begegnet, wenn man den Partner nicht mit einer Liebe
lieben kann, die von viel weiter herkommt als sein endliches Liebesvermögen, „wenn also das,
was in unseren Begegnungen den erhabenen Namen Liebe tragen darf, nicht von Gott kommt
und zu Gott geht, wird es sich nicht verlohnen, das Abenteuer zu bestehen, denn es wird den
Menschen weder seines Kerkers noch seiner Einsamkeit entledigen“ (H. U. v. Balthasar).
Liebe ist ihrem Ursprung nach von Gott, gnadenhaftes Geliebtwerden und Liebenkönnen, doch
Liebe dieser Art ist dem Menschen nicht äußerlich und fremd. Sie erfasst auch nicht etwa bloß
den Geist, um die Kräfte des Leibes und der Seele auszuschalten, sondern ergreift den ganzen
Menschen; sie verdächtigt weder den Leib und seine Lust noch das Gefühl. In ihr haben
sexuelles Erfüllen ebenso wie das freie Spiel des Eros ihre volle Berechtigung. Nichts jedoch
widerspricht ihrem Wesen so sehr wie jede egoistische Loslösung und Trennung aus dem
Lebensganzen sich schenkender Liebe. Liebe nämlich lebt nicht aus der menschlichen
Bedürftigkeit, sondern aus der Fülle ihres Ursprungs in Gott. Wie solche Liebe gelingt,
beschreibt Paulus in seinem Hohen Lied der Liebe (1 Kor 13). Diese Liebe, von der er hier
16
spricht, tut all das, was ‚man’ für gewöhnlich nicht tut; sie ist göttlichen Ursprungs und doch so
menschlich, wie sonst nichts menschlich ist. Sie ist so sehr von Gott, dass kein Mensch ihrer
von sich aus fähig wäre, und ist doch so menschlich, dass kein Mensch menschlicher und
liebenswürdiger sein kann als durch diese Liebe von Gott her. Liebe verwandelt den Menschen
durch und durch, nicht indem sie ausklammert, sondern indem sie alles durchdringt - gerade
dies jedoch kann ein sehr schmerzlicher und harter Prozess sein, es ist in jedem Fall ein
lebenslanger Lernprozess. Es ist ein Lernprozess für diejenigen, die in der Lebensform der Ehe
zur gegenseitigen Heiligung berufen sind, genauso aber auch für diejenigen, die auf Ehe und
Familie frei verzichten.
Das Mann- und Frau-Sein ist ohne Zweifel das grundlegende Moment menschlicher
Beziehungsfähigkeit. Dies bedeutet aber keineswegs, dass die dialogische Existenz des
Menschen nur in der Form des Verheiratetseins realisiert werden könnte und alle Formen des
‚Alleinseins’ demgegenüber defizitär wären. Freiheit ist das dialogische Vermögen der Liebe;
gerade um dieser Liebe willen können Menschen dazu berufen sein, in anderen Lebensformen
die unbedingte, d. h. durch keine endliche Größe bedingte Wurzel dieser Freiheit zu bezeugen
und ihr Ausdruck zu verleihen. Sie sind darin in einer besonderen Weise beziehungsfähig, sei
es, dass sie durch die Formen freiwilliger Ehelosigkeit in Priestertum oder Ordensstand die
Liebe Christi je neu den Menschen nahe bringen, sei es, dass sie durch die Freundschaftsliebe
zu Interpreten der Gottesliebe selbst werden. Die Berufung zur Liebe gilt für alle Menschen, die
maßgebende Form kann im letzten nur die Liebe selbst sein.
2.1.5. Christlich verstandenes Ethos der Sexualität
Liebe und Verantwortung gehören an der Wurzel zusammen. Sexualität bedarf der
Gestaltung durch eine Liebe, die sich verantwortlich weiß für den anderen, die eigene
Person und für das Wohl der sich entwickelnden Gemeinschaft. Die existentiell bedeutsamen
Einsichten, die für den Sinn menschlicher Sexualität konstitutiv sind, geben hierbei die
Orientierung für die Formulierung notwendiger Grenzen und Regeln. Sexualität soll
authentischer Ausdruck von Liebe sein, daher müssen Handlung und innere Haltung
einander entsprechen. Die Achtung der Intimität des anderen ist hierbei unabdingbar. Zur
Gestaltung der Sexualität gehört auch der verantwortete Umgang mit der Fruchtbarkeit.
Dies verlangt ein Gespür für den Zusammenhang von Liebe und Weitergabe des Lebens, in
dem sich die Tiefendimension von Gottes guter Schöpfung in ihrer Wahrheit bekundet.
Bereits im Verhältnis zur eigenen Sexualität setzt der lebenslange Lernprozess der Liebe an.
Sexualität soll ganzmenschlich sein, Mann und Frau je in ihrer Eigenart ganzheitlich prägen:
Nur so kann sie Sprache der Liebe sein. Wo Sexualität nicht ins Ganze der Persönlichkeit
integriert werden kann, bleibt die Persönlichkeit zeitlebens unerfüllt, und entsprechende
Schwierigkeiten in Ehe wie auch in Ehelosigkeit sind unvermeidlich. Niemand kann geben, was
er nicht hat. Nur wer sich ein Stück weit selbst ‚hat’, vermag sich auch hinzugeben. Richtiger,
vom Egoismus freier Selbstbesitz und Hingabefähigkeit sind aber geradezu die unabdingbaren
Voraussetzungen der Liebesfähigkeit. Selbstliebe, wie sie vom Liebesgebot her geschuldet ist,
ist der lebenslange Prozess der Annahme seiner selbst, sie ist zugleich die Basis von
Partnerschaftlichkeit.
Christlich verstandenes Ethos der Sexualität beinhaltet von dieser Basis her die Verantwortung
für den ganzen Menschen, dem man sexuell begegnet, sowie die Pflicht, ihm keinen Schaden
zuzufügen. Als inneres Moment der Liebe gehört Verantwortung von vorneherein zu einer
17
partnerschaftlichen Liebesbeziehung dazu. Liebe und Verantwortung lassen sich deshalb nicht
voneinander trennen. Wer liebt, ist für den verantwortlich, den er liebt, und er ist für seine
eigene Liebe verantwortlich. Verantwortlich für die Person des anderen, weil er sie mit seinem
Dasein verbindet und bindet zugleich; verantwortlich für seine eigene Liebe, indem er sich
fragen muss, ob seine Liebe wirklich so echt und tief ist, dass sie nicht in Gefahr ist, die
Hoffnungen und Erwartungen des anderen zu enttäuschen, ob sie so ‚wahr’ gemeint ist, dass
sich der andere auf sie verlassen kann und wirklich dadurch zu einer größeren Seinsfülle
gelangen kann, statt an seiner Seele Schaden zu nehmen. Derjenige, der sich dieser doppelten
Verantwortung bewusst ist, kann erst den wahren Wert der Person ermessen und die Aufgabe
erahnen, zu der er berufen ist: Sorge für das Wohl eines anderen und für die Fülle seines
Daseins zu tragen.
In diesem Zusammenhang formuliert Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen
Schreiben „Familiaris consortio" in grundsätzlicher Weise ein christlich verstandenes Ethos der
Sexualität: „Die Liebe ist ... die grundlegende und naturgemäße Berufung jedes Menschen. Als
Geist im Fleisch, das heißt als Seele, die sich im Leib ausdrückt, und als Leib, der von einem
unsterblichen Geist durchlebt wird, ist der Mensch in dieser geeinten Ganzheit zur Liebe
berufen. Die Liebe schließt auch den menschlichen Leib ein, und der Leib nimmt an der
geistigen Liebe teil. ... Infolgedessen ist die Sexualität, in welcher sich Mann und Frau durch
die den Eheleuten eigenen und vorbehaltenen Akten vorbehaltlos einander schenken und
annehmen, keineswegs etwas rein Biologisches, sondern betrifft den innersten Kern der
menschlichen Person als solcher. Auf wahrhaft menschliche Weise wird sie nur vollzogen,
wenn sie in jene Liebe integriert ist, mit der Mann und Frau sich bis zum Tod vorbehaltlos
einander verpflichten. Die leibliche Ganzhingabe wäre eine Lüge, wenn sie nicht Zeichen und
Frucht personaler Ganzhingabe wäre, welche die Person, auch in ihrer zeitlichen Dimension,
mit einschließt" (Nr. 11).
Verantwortlich gestaltete Sexualität beinhaltet mit wachsender Sinnerfahrung und
Wertorientierung eine Anerkennung von Grenzen, die in Form einer Kriteriologie weiter
spezifiziert werden können. Christliche Sexualethik, so formuliert D. Mieth treffend, versucht
„zunächst nichts anderes, als die von der Offenbarung erschlossene, aber menschlicher Einsicht
offenstehende Erfahrung im Bereich des Handelns zur heutigen Erfahrung zu vermitteln. Wenn
man dabei die Konstanten betrachtet, so kann man sagen, dass sich die kirchliche Sexualmoral
gegen eine Verteufelung und gegen eine Vergötzung der Sexualität zu wehren verstanden hat.
Daraus resultiert, dass Chancen und Gefährdungen der Sexualität gesehen werden. Mit der
Einsicht in diese Zweideutigkeit verbinden sich zugleich einige Faustregeln.“ Gerade in der
konkret gelebten Sittlichkeit stößt der Mensch nur zu oft auf seine Ohnmacht und
Gebrochenheit, er erfährt nur zu oft, wie er darin unter dem Einfluss von eigenen Interessen und
fremden Erwartungen, unter dem Druck kollektiver Leitbilder oder unbefragter gängiger Praxis,
unter dem Gewicht der öffentlichen Meinung steht und befangen ist durch vielerlei Täuschung,
durch Pragmatismus oder schuldhafte Verblendung.
Ein hilfreicher Ansatzpunkt zur Findung von Regeln und Grenzen ist die Tatsache, dass
Handlung und innere Haltung in Entsprechung zueinander stehen müssen, soll Sexualität
authentischer Ausdruck von Liebe sein. Die Würzburger Synode hat in diesem Zusammenhang
von einer Stufenleiter der Zärtlichkeit gesprochen: „ Im Vorraum der vollen sexuellen
Gemeinschaft gibt es ein breites Spektrum sexueller, das heißt aus der geschlechtlichen
Bestimmtheit des ganzen Menschen erwachsender Beziehungen unterschiedlicher Intensität und
Ausdruckformen, auch eine Stufenleiter der Zärtlichkeit. Diese Beziehungen gelten als gut und
richtig, solange sie Ausdruck der Vorläufigkeit sind und nicht intensiver gestaltet werden, als es
18
dem Grad der zwischen den Partnern bestehenden personalen Bindung und der daraus
resultierenden Vertrautheit entspricht. Volle geschlechtliche Beziehungen freilich haben ihren
Ort in der Ehe.“ Wenn der Mensch eine Einheit von Leib und Seele ist, so kann es auch im
Geschlechtlichen keine Aufspaltung zwischen einem ‚Außen’ und einem ‚Innen’ geben, ohne
den ganzen Menschen in seinem ‚Entsprechen’ Gott gegenüber zu gefährden. In diesem Sinne
ist auch die Einübung einer Haltung der Achtung gegenüber der Intimität des anderen, das
Hinhören-Können auf den seelischen ‚Takt’ des anderen, - also all das, was man mit richtig
verstandener ‚Keuschheit’ meint - unabdingbar. Damit dies gelingen kann, ist es unerlässlich,
dass junge Menschen Selbstbeherrschung und Enthaltsamkeit erlernen. Diese Haltungen sind
nicht Ausdruck einer negativen Sicht der Sexualität, sondern dienen ihrer authentischen
Verwirklichung. Die Fähigkeit, warten zu können und Verzicht zu üben, ist daher um der Liebe
willen notwendig. Denn die Sexualität steht im Dienst der Liebe und nicht die Liebe im Dienst
der Sexualität.
Zu einem christlich verstandenen Ethos der Sexualität gehört auch der verantwortliche Umgang
mit der Fruchtbarkeit. Verantwortete Elternschaft ist mehr als eine Frage der
Empfängnisregelung. Sie beinhaltet zunächst die Pflicht der Eheleute, im Gewissen zu einer
gemeinsamen Entscheidung über die Zahl der Kinder und die zeitlichen Abstände zwischen den
Geburten zu gelangen. Als Kriterien hat die Pastoralkonstitution des II. Vatikanischen Konzils
„Gaudium et spes“ (Nr. 50) dazu formuliert:
- das eigene Wohl der Partner achten,
- das Wohl der Kinder, der schon geborenen oder zu erwartenden, achten,
- die materiellen Verhältnisse der Zeit und ihres Lebens einbeziehen,
- die geistigen und kulturellen Gegebenheiten der Zeit und ihres Lebens erkennen,
- das Wohl der eigenen Gesamtfamilie, der Gesellschaft und der Kirche berücksichtigen.
Diese Vorgaben des Konzils werden von Papst Paul VI. in seiner Enzyklika „Humanae vitae“
sowie von Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben „Familiaris consortio“
weitergeführt. Beide Schreiben weisen darauf hin, „dass die beiden entscheidenden
Sinngehalte, die liebende Vereinigung und die Fortpflanzung, untrennbar miteinander
verbunden sind und deshalb jeder Akt für die Weitergabe des Lebens offen bleiben muss"
(Katholischer Erwachsenen-Katechismus, 369). Der Mensch darf diese Verknüpfung nicht
eigenmächtig lösen. Daher verbieten sich einerseits alle Handlungen, die den Sinngehalt der
Fortpflanzung ausklammern, indem sie den ehelichen Akt unfruchtbar machen. Andererseits
verbieten sich aber ebenso alle Handlungen, die die Fortpflanzung vom Akt der liebenden
Vereinigung (beispielsweise durch die In-vitro-Befruchtung) trennen.
Mit der Lehre von der verantworteten Elternschaft will die Kirche deutlich machen, dass
gelebte Sexualität immer auch Ausdruck schöpferischen Menschseins ist. Es entspricht
menschlicher Grunderfahrung, dass Fruchtbarkeit ein Mitwirken mit dem Schöpfer und seiner
Schöpfung ist. In der Weitergabe des Lebens tritt unverrechenbar Neues in die Welt ein.
Fruchtbarkeit ist daher keine bloße Frage der Kinderzahl, sondern rührt an die tiefsten
Geschehnisse menschlichen Lebens. Eine gewissensbestimmte Gestaltung dieser Geschehnisse
kann nur gelingen, wenn man ein Gespür für die kreatürliche Würde des ganzen
Zusammenhangs
der Weitergabe des Lebens entwickelt. Elternschaft, Fruchtbarkeit,
Schwangerschaft, Geburt im Sinne des einzigartigen Neuanfangs in der Geburt eines Menschen
haben teil an der Unantastbarkeit des Ursprungs menschlichen Daseins in Gott. Mit dem
Eindringen technischer Handlungsweisen in elementarste Lebenszusammenhänge spüren wir
heute mehr denn je deren Verletzbarkeit. Wenn heutzutage gesagt wird, dass mit der
Einführung der sogenannten ‚Reproduktionsmedizin’, d.h. der künstlichen Befruchtung
außerhalb des Mutterleibes, der Rubikon überschritten sei, wodurch gerade das frühe
19
menschliche Leben Praktiken ausgesetzt werde, die der Menschenwürde widersprechen, so
zeigt dies, dass es schöpfungsmäßige Grenzen gibt, die der Mensch nicht überschreiten soll.
Leben ist ein Geschenk, dies muss bei der Weitergabe des Lebens auch in der Offenheit
ehelicher Liebe zum Ausdruck kommen, d.h. im gegenseitigen Bejahen der Partner in der
ganzen Wirklichkeit des Männlich- und Weiblich-Seins. Wieweit man bereit ist, sich von dieser
je anderen Wirklichkeit innerlich anrühren zu lassen, ist die subtilste
Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Liebe und Lieblosigkeit im Bereich intimster
menschlicher Beziehungen. Die beiden Sinngehalte von Fruchtbarkeit und liebender
Vereinigung als untrennbar im Handeln zu respektieren, ist auch eine Wegweisung, wie man
im Hinblick auf die Gestaltung ehelichen Lebens sich in seinem wirklichen und wahrhaften
Wollen gegenseitig und darin zugleich von Gott erkannt sein lassen kann.
Christliche Sexualpädagogik hat Maß zu nehmen am Gottes- und Menschenbild unseres
Glaubens. ‚Gelungenes Menschsein’, so heißt es in den Leitlinien zur Jugendpastoral, „lässt
sich nach christlicher Überzeugung nie nur aus den sozialen Bedingungen der jeweiligen Zeit
und den entsprechenden weltanschaulichen Sinndeutungen ableiten. Der Sinn des Lebens
erwächst vielmehr aus der Vorgabe Gottes schöpferischer Liebe: Der Mensch ist nach dem Bild
Gottes geschaffen. So wie der Dreifaltige Gott in Liebe gelebte Beziehung und darin ‘Leben in
Fülle’ ist, so verwirklicht sich die Gottebenbildlichkeit des Menschen vor allem in
lebenserfüllender Begegnung und Gemeinschaft. Das gilt für seine Beziehung zu Gott, zu den
Mitmenschen, zur Schöpfung und zu sich selbst. Wenn der Mensch in dieser vierfachen
Beziehung leben lernt, kann er sich zu dem Bild entwickeln, dessen Urbild der Schöpfer ist.“
2.1.6
Literaturhinweise
Arbeitsgemeinschaft der
(Münsterschwarzach 1998)
Jugendpastoral
der
Orden
(Hg.),
In
Beziehung
leben
Brief der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz an die Verantwortlichen in der
kirchlichen Jugendarbeit zu einigen Fragen der Sexualität und der Sexualpädagogik, hrsg. v.
Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Arbeitshilfen 148, September 1999.
Gärtner, St., Zwischenbilanz. Eine Auswertung zum Dialog um den Sexualitätsbrief der
Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz (Diskussion – Praxis – Dokumentation
Bd. 5. Düsseldorf 2000)
Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, Arbeitspapier „Sinn
und Gestaltung menschlicher Sexualität“, Offizielle Gesamtausgabe II, Freiburg i. Br. 1977,
163-183.
Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris Consortio über die Aufgaben der
christlichen Familie in der Welt von heute (15. Dezember 1981), hrsg. v. Sekretariat der
Deutschen Bischofskonferenz, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 33.
Johannes Paul II., Brief an die Familien (2. Februar 1994), hrsg. v. Sekretariat der Deutschen
Bischofskonferenz, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 112.
20
Mieth, D., Christliche Sexualethik, in: W. Ernst (Hrsg.), Grundlagen und Probleme der
heutigen Moraltheologie, Würzburg 1989, 247-269.
Päpstlicher Rat für die Familie, Menschliche Sexualität: Wahrheit und Bedeutung.
Orientierungshilfen für die Erziehung in der Familie (8. Dezember 1995). Die Vorbereitung auf
das Sakrament der Ehe (13. Mai 1996), hrsg. vom Sekretariat der Deutschen
Bischofskonferenz, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 127.
Pastoralkonstitution „Die Kirche in der Welt von heute“ (Gaudium et spes), in: K. Rahner/
H. Vorgrimler (Hrsg.), Kleines Konzilskompendium, Freiburg i. Br. 1966, Nr.47-52.
Paul VI., Enzyklika Humanae vitae vom 25. Juli 1968
Piegsa, J., Ehe als Sakrament – Familie als „Hauskirche“. Das christliche Verständnis von Ehe
und Familie in den Herausforderungen unserer Zeit, St. Ottilien 2001.
21
2.2. Aspekte moralischer Erziehung
2.2.1.
Moralische Erziehung
Sexualerziehung ist im Anspruch des Kindes auf moralische Erziehung begründet. An
Katholischen Freien Schulen erziehen Elternhaus und Schule im gemeinsamen Glauben an
die Frohe Botschaft Jesu Christi.
Das Wechselverhältnis von Erziehung und Pädagogik zu Moral und Ethik hat sich in den
vergangenen Jahrzehnten grundlegend verändert. Ist man in der Vergangenheit häufig davon
ausgegangen, dass die Moral der Erziehung und die Ethik der Pädagogik die Ziele vorgeben, so
wird heute das Primat der Moral vor der Erziehung und des Wissens vor dem Unterricht
bezweifelt: Die genannten normativen Zusammenhänge sind vor dem Hintergrund einer
demokratischen Staats- und pluralistischen Gesellschaftsordnung kaum zu rechtfertigen und
wissenschaftstheoretisch zu legitimieren. Werteerziehung ist deshalb trotz ihrer Festschreibung
in Gesetzen und Richtlinien eines der schwierigen Felder schulischen und unterrichtlichen
Agierens. Zu beobachten ist, dass erzieherische Interventionen seitens der Gesellschaft von der
Schule immer dann verstärkt eingefordert werden, wenn Krisensymptome in Staat und
Gesellschaft wahrgenommen werden: Wo soziale Kontrolle und negative Sanktionen nicht
ausreichen, soll Moral für die gewünschte Handlungskoordinierung sorgen, wenn nicht gar
Kontrolle und Sanktion ersetzen. Im Unterschied zur öffentlichen Wertediskussion, deren
gesetzliche Konkretisierungen und den gesellschaftlichen Erwartungen an das Alltagsverhalten
der Bürgerinnen und Bürger bleibt schulische Erziehung der Ermöglichung von Bildung der je
einzelnen Person verpflichtet. Schule bedarf so auch der Freiheit eines geschützten
pädagogischen Raumes.
Die schwierige Legitimation von Werten und Pädagogik in der öffentlichen Erziehung ist
zuletzt in den Diskussionen um das sog. ‚Kruzifix-Urteil’ des Bundesverfassungsgerichtes, die
Einführung des Unterrichtsfaches ‚Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde’ (LER) und den
Umgang mit muslimischen Kindern offensichtlich geworden: Ein gesellschaftlicher
Wertekonsens, auf den die pädagogische Arbeit zurückgreifen und auf den hin sie erziehen
könnte, scheint - bis auf den Grundrechtskatalog - nicht mehr konstituierbar. An deren Stelle
treten Wertepluralität und eine ‚Pädagogik der Vielfalt’, die die Organisation von
Lernprozessen mit einer gewollten Vielfalt von Referenzen des Lernens ins Zentrum
pädagogischer Überlegungen und Handlungen rücken. Unstrittig ist, dass in Fragen der
Werteerziehung das Verhältnis von Pädagogik, Ethik und Religion grundsätzlich berührt wird.
Hierbei wird man im erzieherischen Zusammenhang an Grenzen stoßen. Ethische
Gesamtkonzepte haben auch ohne religiöse Grundlegung ihre Berechtigung, aber sie helfen
nicht bei der Bewältigung von menschlichen Kontingenzerfahrungen. Andererseits sind
ethische Fragen im Kontext religiösen Selbstverständnisses nur eine von vielen
Fragestellungen, deren zentrale vielmehr die nach dem Verhältnis von Gott und Mensch und
dessen lebenspraktische Umsetzung ist – eine vorschnelle Instrumentalisierung des ethischerzieherischen Gehaltes von Religion verbietet sich von daher. Schließlich kommen ethische
Entwürfe bei der Bestimmung dessen, was die Moralität des Handelns ausmacht, nicht ohne
eine inhaltliche Präzisierung dessen aus, was sie unter ‚einem gelingenden menschlichen
Leben’ verstehen; sie bleiben so von weltanschaulichen Prämissen abhängig und im Aufwerfen
der Sinnfrage dem Religiösen eng verbunden.
An Katholischen Freien Schulen darf grundsätzlich von einem Konsens der Kollegien und
Elternhäuser in Fragen der allgemeinen und religiösen Erziehungsgrundsätze ausgegangen
22
werden: „Die Katholischen Schulen in freier Trägerschaft wollen den Schülern helfen, (...) den
Sinn für Werte zu entwickeln, ein Leben aus dem Glauben zu führen und sich in der Welt als
Christ zu verhalten (und) sich in Verantwortung für Kirche und Welt einzusetzen“
(Grundordnung Art.2 Abs.1). Verbindliche Grundlage hierfür ist die Lehre der Kirche, wie sie
sich in den Dokumenten des 2. Vatikanischen Konzils (besonders in der Pastoralkonstitution
„Gaudium et spes“), der Enzyklika „Humanae vitae“ von Paul VI. und im Apostolischen
Schreiben Papst Johannes Pauls II. „Familiaris consortio“ niederschlägt. Dieser Auftrag ist in
eine Welt zunehmend säkularer und wachsender Pluralität hineingestellt, die sich zugleich
spürbar in eine interkulturelle und interreligiöse umgestaltet. Kennzeichnend für die
Begründung von Pädagogik und Religion an Katholischen Freien Schulen ist, dass sie den
Menschen als Ganzen und die Welt als Ganze erschließen helfen, also das Allgemeine und die
menschliche Gesamtpraxis thematisieren. Neben den zahlreichen religiösen Objektivationen ist
dabei der Blick auf das je einzelne Kind konstitutiv. Sexualerziehung an Katholischen Freien
Schulen ist so integraler Bestandteil des allgemeinen schulischen Erziehungsauftrages, an ihr
werden exemplarisch die Besonderheiten christlicher Bildung und Erziehung deutlich.
An der schulischen Erziehung wird die dreifache Aufgabe christlicher Erziehung deutlich: Sie
ist zunächst Ermöglichung von Glaubenserfahrung des je Einzelnen in Anbetracht der Frohen
Botschaft und in der Nachfolge Jesu Christi, sodann Hinführung zu Teilhabe an und
Verantwortung in der Kirche, schließlich Realisierung eines gesellschaftlichen
Mitwirkungsauftrages. Moralische Erziehung ist dabei nicht allein als Präsentation und
Vermittlung von - insbesondere geltenden - Normen zu verstehen, sondern als Ausbildung einer
moralischen Urteilsfähigkeit. Dabei ergibt sich eine Situation, die man als pädagogisches
Paradoxon bezeichnet hat und die im Bildungsbegriff selbst angelegt ist: Ziel pädagogischen
Handelns ist die Herausbildung sittlicher Einsicht und Haltung, einer Einheit von Wissen,
Werten und Handeln - nicht allein von Argumentationskorrektheit und –gewandtheit in
ethischen Fragestellungen -, die vom Heranwachsenden im Bildungsprozess selbsttätig, also
freiwillig geleistet werden soll. Moralische Selbstbestimmung im Sinne von Bildung und
Moralität ist deshalb nur dann möglich, wenn „der Mensch in seinem Personsein durch ein
transzendentes Apriori bestimmt ist“ (Heitger), das interpersonale dialogische Erziehung
ebenso ermöglicht wie den intrapersonalen Dialog als Kern eines selbstbildenden
Erziehungsprozesses.
2.2.2
Religiöse Bildung und Sexualerziehung
Sexualerziehung ist integraler Bestandteil der Gesamterziehung von Elternhaus und Schule.
Sie ist ein substantieller Beitrag zur religiösen und moralischen Bildung der
Heranwachsenden.
Bildung ist eine nicht delegierbare Leistung des je einzelnen Menschen: Es ist der lernende,
reflektierende und fühlende, seine Umwelt gestaltende und handelnde Schüler, der sich im
Bildungsprozess selbsttätig zu einer sittlich selbstbestimmten Persönlichkeit heranbildet.
Kirche und Schule kommt dabei die wichtige Aufgabe zu, diesen Selbstbildungsprozess
anzuregen und Hilfestellungen zu geben: „Pädagogische Führung muss entschieden sein, ohne
zu zwingen; sie soll Falsches und Unrechtes beim Namen nennen, ohne zu bevormunden; sie
soll werten und urteilen, ohne zu verletzen und zu verurteilen. Sie soll fordern, ohne zu
herrschen, sie muss das Sollen zur Geltung bringen, ohne ‚normativ’ zu sein“. (Heitger) Die
moralische Entwicklung ist integraler Bestandteil dieses Bildungsprozesses. Sie vollzieht sich
sowohl in der fachlichen und affektiven Auseinandersetzung mit den einzelnen Lerninhalten als
23
auch in allen Dimensionen des sozialen Umgangs am Lernort Schule, sie vollzieht sich ebenso
im Dialog mit den Eltern und Gleichaltrigen, mit dem Leben der Kirche und der Vielzahl der
Medien. Gelingt es dem Schüler, zentrale moralische Wertsetzungen wie Gerechtigkeit,
Verantwortung,
Mäßigung,
Redlichkeit,
Solidarität
und
Empathie
in
seine
Persönlichkeitsentwicklung zu integrieren, so hat er damit zugleich die Grundlagen einer
eigenständigen und verantwortungsvollen Sexualmoral geschaffen. Im Bildungsprozess ist
Sexualmoral deshalb keine ‚selbstständige Disziplin’ der Moral, die von außen an einen zuvor
auf anderen Wegen moralisierten Menschen herangetragen wird, sondern nur integrativ zu
präsentieren und zu entwickeln. Durch die besondere Relevanz der Sexualität für den
Menschen erhält die Sexualerziehung im Kontext der gesamten moralischen Erziehung ein
bedeutendes pädagogisches Gewicht, das im erzieherischen Tun von Elternhaus und Schule
angemessen berücksichtigt werden muss.
Religiöse Bildung vollzieht sich im Blickwinkel der Erlösung und im Hinblick auf den je
einzelnen Heranwachsenden, der in Christus zur Freiheit berufen und dessen Individualität und
Intimität jederzeit zu achten ist. Bildung, die auf die Entwicklung einer eigenständigen
Persönlichkeit abzielt, und Religiosität, die eine freie persönliche Bindung in der
Gottesbegegnung darstellt, bedingen einander: In der Annahme des Glaubens und in der
Anerkennung von Letztgültigem ist moralische Urteilsfähigkeit grundgelegt. Im religiösen
Bildungsprozess werden die Heranwachsenden von Elternhaus und Schule mit jenen
Kategorien konfrontiert, die in Anbetracht der Frohen Botschaft Jesu Christi auf ein
vollgültiges Menschsein hinzielen. Gegenseitige Achtung und Zuneigung kennzeichnen so die
dialogische Struktur von Erziehung und Bildung. Religiöse Erziehung entspringt dem Auftrag
des Evangeliums und ist grundgelegt in der anthropologisch aufgewiesenen Offenheit der
Menschen auf Gott hin. Christliche Erziehung bedeutet, dass Glaubende aus dem Glauben und
im Glauben erziehen, nicht aber zum Glauben, im Wissen, dass Glauben-Können der Gnade
Gottes bedarf. Christliche Erziehung zielt so darauf, den Heranwachsenden ein religiöses
‚Leben in Fülle’ zu ermöglichen. Die Sexualerziehung ist eingebettet in diesen pädagogischen
Kontext und nimmt in ihrer dialogischen Anlage wechselseitig den ganzen Menschen in den
Blick. Sie wird stetig bemüht sein, in Elternhaus und Schule in ihren erzieherischen Methoden
und Entscheidungen, in Didaktik und Methodik des Unterrichts den Charakter der
menschlichen Begegnung und des Gespräches zu bewahren.
Für den Erziehenden ist es wichtig zu beachten, dass religiöse Entwicklung immer wieder mit
der Trennung von zuvor als gültig angenommenen Gottesbildern einhergeht und mit Krisen und
Absetzbewegungen verbunden ist. Religiöse Bildung ist ohne religiöses Sachwissen nicht
möglich, versteht sich indes nicht als allmähliche Kumulierung religiöser Inhalte, sondern lässt
zu, dass religiöse Inhalte für den Einzelnen auch andere Bedeutungen und Bewertungen
erhalten können. Religiöse Bildung braucht Zeit, sie betrifft den Menschen als Ganzen, seine
Emotionen und sein Denken, sie bedarf deshalb der Gelassenheit und des Großmuts der
Erziehenden. Unabdingbar ist eine dialogische Grundstruktur: Fehlender religiöser Diskurs, gar
religiöser Zwang sind hinderlich für eine religiöse Entwicklung auf Gott hin. Religiöse
Erziehung widersteht zugleich dem Eindruck der Beliebigkeit: Kirche und Schulen schulden
den Schülern das Angebot, in ihr Heranwachsen auch die Frohe Botschaft Jesu Christi
hineinnehmen zu können. Die Schüler wiederum sind um ihrer selbst willen gehalten, sich mit
dieser Seite ihrer Selbstbildung ernsthaft zu beschäftigen.
24
2.2.3.
Religiöse und moralische Entwicklung
Die Schulzeit - vom Erstklässler zum Studenten - ist für die Heranwachsenden eine Zeit
anhaltender Entwicklungsschübe, in der sich das religiöse Bewusstsein und die moralische
Urteilskraft grundsätzlich verändern. Sexualerziehung hat diese entwicklungspsychologischen Erkenntnisse angemessen zu berücksichtigen.
Für ein angemessenes Verständnis der jeweiligen Situation des Heranwachsenden im
fortlaufenden Prozess der Entwicklung sind für die Erziehenden entwicklungspsychologische
Kenntnisse über die verschiedenen Stufen der kognitiven, religiösen und moralischen
Entwicklung, ihre spezifischen Inhalte, Wahrnehmungs- und Urteilsmuster sowie ihre Krisen
nützlich und unabdingbar. Dabei sind die Ergebnisse der pädagogischen Entwicklungspsychologie zur religiösen und moralischen Entwicklung für den hier ausgeführten Kontext besonders
aufschlussreich. Die Betrachtung entwicklungspsychologischer Erkenntnisse bezog sich lange
Zeit vor allem auf die Frage nach der religiösen Sozialisation. Die Rezeption der Forschungen
J. Piagets und die Arbeiten L. Kohlbergs machten dann deutlich, dass religiöse und moralische
Entwicklung weder nur biologisch noch hauptsächlich als eine Form sozialen Lernens
aufgefasst werden kann. Vielmehr vollziehen sich Aneignung und persönliche Ausgestaltung
von religiösen und ethischen ‚Inhalten’ in sich wandelnden unterschiedlichen Strukturen.
F.Oser und A.Bucher haben zuletzt, diesem Ansatz folgend, ein Stufenschema religiöser
Entwicklung erarbeitet, das religiöse Reife- und Lernprozesse zu verstehen hilft. Ein
schulpädagogisch bedeutendes Ergebnis ist, dass die Entwicklungsstufen der Reihe nach
durchlaufen werden (müssen) und je nach familiärem und sozialem Bedingungsgefüge und
persönlichen Voraussetzungen individuell realisiert werden:
Stufe 1
Stufe 2
Stufe 3
Orientierung an einem Letztgültigen (Gott), das direkt „macht“, direkt in die
Welt eingreift, den Menschen straft, belohnt, ihn leitet und und führt, ihm Sinn
und Vertrauen gibt und alles erschafft. Der Mensch muss aber dafür richtig
reagieren; er ist eher reaktiv. Das Letztgültige hingegen, sei es in einem gütigen
oder strafenden Sinn, ist aktiv und fähig, selbst Artefakte hervorzubringen.
(Artifizialismus, Deus-ex-machina-Stufe)
Orientierung an einer Sicht, die es dem Menschen ermöglicht, das Letztgültige
(Gott) zu beeinflussen und dadurch für sich in Anspruch zu nehmen. Er muss
etwas tun, um dafür in gleichem Maße die göttliche Gunst zu erhalten oder – nach
Verfehlungen – mögliche Sanktionen zu mildern. Der Mensch pflegt mit dem
Letztgültigen auf der Basis bipolarer Reziprozität gleichsam ein Do-ut-desVerhältnis, das emotional positiv oder negativ besetzt sein kann. (Do-ut-desStufe)
Orientierung an der Vorstellung, dass der Mensch für sein Leben nur eigene
Verantwortung hat und alle Entscheidungen selber fällt. Dem Letztgültigen (Gott)
wird ein anderer, von der Welt getrennter Verantwortungsbereich zugeschrieben.
Es handelt sich dabei um eine Art Zwei-Reiche-Lehre; ein Gleichgewicht
zwischen dem, „was Gottes und was des Menschen ist“, wird hergestellt.
Beginnender Atheismus steht oft einer „orthodoxistischen“ Ausprägung des
Urteils gegenüber. (Deismus-Stufe).
25
Stufe 4
Stufe 5
Orientierung an Verantwortung und Freiheit des Menschen, die nun aber als etwas
immer schon Vorgegebenes erfahren werden. Das Letztgültige (Gott) wird als
transzendentaler Grund gesehen, der a priori die Bedingungen der Möglichkeit für
menschliche Begegnungen, für die Freiheit und für die menschliche Soziabilität
schafft. Oft wird auch ein Plan angenommen, gemäß dem sich der Mensch
„gesetzesmäßig“ auf ein Besseres, Vollkommeneres hin entwickelt. (Stufe des
Apriori und der Korrelation).
Orientierung an einer interaktiven Dynamik, in welcher das Unbedingte und
Letztgültige (Gott) stets und schon immer aufscheint. Dort, wo der Mensch
verantwortlich an der Gemeinschaft teilnimmt und teilhat, wird Transzendenz
erfahren. Das Planmäßige ist in der Dynamik dieser Interaktion aufgehoben,
ebenso das positive Gesetz in der menschlichen Kommunikation, in welcher das
Ultimate stets vermittelt ist. Keine äußere Sicherheit oder Organisation mehr kann
Religiosität und Moralität garantieren. Religiosität ist immer universal gedacht,
als ein Bezug, der andere Völker und Religionen miteinschließt.
(Orientierung an religiöser Autonomie durch unbedingte Intersubjektivität)
(vgl. Oser/Bucher, a.O., 257)
Die Stufen der Religiosität haben eine eigene Entwicklungslogik: Die „von Stufe zu Stufe
wachsende integrative Beziehung (...), das gleichzeitig wachsende autonome Handeln
verbunden mit der Erfahrung einer je tieferen Bindung“ (Oser). In Stufe 1 sind die von Gott
bestimmten Dinge dem Menschen unerklärlich. Diese einseitige Interaktion entspricht der
Abhängigkeit, die ein Kind seinen Eltern gegenüber erfährt. In Stufe 2 verändert sich der
Interaktionismus: Die Reaktion des Letztgültigen ist nicht mehr unbegreiflich und wird
beeinflussbar, das Subjekt wird ‚autonomer’. In Stufe 3 werden die Bereiche Mensch – Gott
getrennt, ‚Zuständigkeitsbereiche’ definiert. Oftmals entwickeln sich auf dieser Stufe dezidiert
atheistische Haltungen, die sich zumeist auf ein Gottesbild überwundener Stufen beziehen.
Diese Phase lässt sich als ‚Abnabelungsprozess’ deuten: Bisherige Autoritäten werden
grundsätzlich in Frage gestellt, eigene Kompetenz wird entwickelt. Auf Stufe 4 wird das
Göttliche wiederum in Sein und Dasein des Menschen integriert, ohne dass Autonomie und
Freiheit eingegrenzt werden. Es wird möglich, im eigenen Leben einen Heilsplan Gottes
wahrzunehmen. In Stufe 5 ist die Interaktion der Menschen von der mit dem Letztgültigen nicht
mehr zu trennen: Wenn Gott auch im Alltag zum Ereignis werden kann, eignen auch profanen
Situationen Elemente des Heiligen an, Offenbarung und persönliche Erfahrung integrieren sich.
Das von Oser und Bucher entwickelte Stufenschema religiöser Entwicklung beschreibt so
Stadien eines religiösen Reifeprozesses, der vom noch kindlichen Erstklässler häufig der ersten
Stufe über die Pubertäts- und Reifejahre bis zum erwachsenen Abiturienten etwa der vierten
Stufe reichen kann. Entwicklungen vollziehen sich jedoch grundsätzlich individuell,
Langzeituntersuchungen belegen, dass Progressionen und Regressionen im weiteren Lebensweg
eintreten können.
Fowler hat in seinen Untersuchungen darauf hingewiesen, dass die der Reihenfolge inhärente
Normativität des Stufenschemas dem gleicht, was Kohlberg für das Stufenschema des
moralischen Urteils postuliert. Auch Kohlbergs Stufenmodell der moralischen Entwicklung
kennt eine innere Dynamik, nach der auf jeder Strukturstufe des moralischen Denkens
adäquatere moralische Entscheidungen getroffen werden als auf der vorhergehenden.
26
Niveau A: Präkonventionelles Niveau
Stufe 1 - Die heteronome Stufe: Regeln werden als absolute Vorgaben aufgefasst, gut ist der
blinde Gehorsam gegenüber Vorschriften und gegenüber Autorität, Strafen zu vermeiden und
anderen kein körperliches Leid zuzufügen.
Stufe 2 - Die Stufe des Individualismus, des Zweck-Mittel-Denkens und des Austausches: Gut
ist es, eigenen und anderen Bedürfnissen zu dienen und im Sinne des konkreten Austausches
fair miteinander umzugehen.
Niveau B: Konventionelles Niveau
Stufe 3 - Die Stufe gegenseitiger interpersoneller Erwartungen, Beziehungen und
interpersoneller Konformität: Gut ist es, eine gute (nette) Rolle zu spielen, sich um andere und
Empfindungen anderer zu kümmern, sich Partnern gegenüber loyal und zuverlässig zu
verhalten, und bereit sein, Regeln einzuhalten und Erwartungen gerecht zu werden.
Stufe 4 – Die Stufe des sozialen Systems und des Gewissens: Gut ist es, seine Pflicht in der
Gesellschaft zu erfüllen, die soziale Ordnung aufrechtzuerhalten und für die Wohlfahrt der
Gesellschaft oder Gemeinde Sorge zu tragen.
Niveau C: Postkonventionelles und prinzipienorientiertes Niveau
Stufe 5 – Die Stufe des Sozialvertrages oder des Nutzens für alle: Das moralisch Richtige
unterstützt die Grundrechte, Werte und gesetzmäßigen Verträge einer Gesellschaft, auch wenn
sie mit den konkreten Regeln eines gesellschaftlichen Subsystems in Konflikt geraten.
Stufe 6 – Die Stufe universeller ethischer Prinzipien: Universelle ethische Prinzipien, denen die
ganze Menschheit folgen sollte. Spezielle Gesetze oder soziale Übereinkünfte sind in der Regel
gültig, weil sie auf solchen Prinzipien beruhen. Wenn bestimmte Gesetze ein solches Prinzip
verletzen, wird dem Prinzip gegenüber dem Gesetz Vorrang eingeräumt. Die hier gemeinten
Prinzipien basieren auf dem universellen Prinzip der Gerechtigkeit.
Die moralische Entwicklung vollzieht sich nach Kohlberg parallel zur kognitiven Entwicklung
des Kindes. Bei den verschiedenen Stufen handelt es sich um qualitativ verschiedene
Denkweisen, sie bilden eine invariante Abfolge. Die Stufen sind zugleich hierarchische
Integrationen: die Individuen begreifen alle Stufen unter ihrer eigenen und nicht mehr als eine
über ihrer eigenen Stufe. Kohlberg konnte durch empirische Untersuchungen nachweisen, dass
Heranwachsende im Verlaufe ihrer Schulzeit im späten Jugendalter die fünfte Stufe des
moralischen Denkens erreichen können. Neuere Beiträge haben Kohlbergs Stufenschema an
verschiedenen Stellen korrigiert und erweitert. Für unseren Zusammenhang bedeutend ist, dass
die Entwicklung des moralischen Urteils nicht geschlechtsneutral verläuft. Jungen und
Mädchen unterscheiden sich sowohl hinsichtlich des Alters, in welchem die verschiedenen
Stufen durchlaufen werden, als auch hinsichtlich des Inhaltes dieser Stufen: Männliche
Jugendliche und Erwachsene haben offenbar den Schwerpunkt ihrer Urteilsbildung auf der
vierten Stufe (Autorität und Ordnung), weibliche bevorzugen die dritte Stufe (interpersonelle
Beziehungen) und die fünfte Stufe (Sozialer Vertrag). Bedeutend ist im Weiteren, dass bei einer
signifikant hohen Anzahl von Befragten (etwa 33%) entweder das Überspringen einer Stufe
oder auch ein Regredieren auf ein bereits überwundenes Niveau festgestellt werden konnte.
Kennzeichnend für die Entwicklung während der dreizehnjährigen Schulzeit ist, dass von
27
einem kontinuierlichen moralischen Reifeprozess ausgegangen werden kann: Die Entwicklung
der moralischen Urteilsfähigkeit führt in der Regel von einer heteronomen Moral bei Kindern
und Jugendlichen (Orientierung an Eltern, den ‚Großen’, der Peergroup) zu einer
postkonventionellen Moral bei jungen Erwachsenen (Orientierung an grundsätzlichen Werten).
In welchem Alter die Stufe des postkonventionellen Niveaus tatsächlich erreicht wird und ob
eine solche Perspektive überhaupt in den Blick des Heranwachsenden gerät, hängt entscheidend
davon ab, inwieweit die Beziehung zu den Erwachsenen wie zu den Gleichaltrigen durch
Zuwendung und Gegenseitigkeit geprägt ist. Die Entwicklungspsychologie weist so darauf hin,
dass schon ältere Schülerinnen und Schüler befähigt sind, unter Berufung auf übergeordnete
moralische Grundsätze den konventionellen Horizont zu übersteigen und in ‚Selbstbindung
durch Einsicht’ zu realisieren. Moralische Reifung ist folglich nicht das Ergebnis von
Konditionierung, Internalisierung oder Triebüberformung, sondern setzt im erzieherischen
Dialog die Erfahrung von Gegenseitigkeit und Empathie, von Zusammenarbeit und
Dialogbereitschaft voraus. Letztlich geht es im erzieherischen Handeln darum, die Prinzipien
der Gerechtigkeit, der Nächsten- und Gottesliebe lebenswirklich werden zu lassen: eine
gottgewollte Befreiung des Menschen zum Guten.
2.2.4. Literaturhinweise:
Deutsche Bischofskonferenz (Hg.), Katholischer Erwachsenenkatechismus, Band II: Leben aus
dem Glauben (Bonn 1995)
Grundordnung für die Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln, Erlass Nr. 150 des
Kölner Erzbischofs vom 10.05.1985
Kongregation für das Katholische Bildungswesen, der katholische Lehrer – Zeuge des Glaubens
in der Schule (Rom 1982)
Fowler, J.W., Stufen des Glaubens (1981. dt. Gütersloh 1991)
Mokrosch, R., Gewissen und Adoleszenz. Christliche Gewissensbildung im Jugendalter
(Weinheim 1996)
Oser, F., Bucher, A., (Hg.), Konvergenz von Religiosität und Freiheit, in: Zeitschrift für
Pädagogik 38 (1992) 253 ff
Regenbrecht, A. u.a. (Hg.), Moralische Erziehung im Fachunterricht (Münstersche Gespräche
zu Themen der wissenschaftlichen Pädagogik Bd. 7. Münster 1990)
Schilmöller R. u.a. (Hg.), Ethik als Unterricht (Münstersche Gespräche zu Themen der
wissenschaftlichen Pädagogik Bd. 17. Münster 2000)
Schmitt, R., Moralische Entwicklung und Erziehung, in: L. Roth, Pädagogik (München 1991)
28
3. Aufgaben
3.1. Die Aufgabe der Eltern
Die Erziehung der Kinder ist wesentlich Recht und Pflicht der Eltern. Die Katholische Freie
Schule unterstützt und ergänzt diese Erziehung im Rahmen ihres Erziehungs- und
Bildungsauftrages.
Die „Grundordnung für die Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln“ legt ein
umfassendes Zusammenwirkungsgebot in der gemeinsamen Erziehung der Kinder zwischen
Elternhaus und Schule fest. Im Unterschied zur Situation an den öffentlichen Schulen besteht
diese Erziehungsgemeinschaft wesentlich in der Gleichartigkeit des Glaubens- und
Wertefundamentes sowie im Konsens über „eine umfassende religiöse Erziehung“ der Kinder
(Art. 3 Abs. 1 GrO). Dieser Erziehungskonsens wird im Besonderen in der Sexualerziehung der
Kinder wirksam und bedarf demgemäß einer entsprechenden inhaltlichen und organisatorischen
Absicherung.
Eltern schenken ihren Kindern Liebe, Fürsorge und Geborgenheit, machen sie vertraut mit dem
Glauben der Kirche, schulden ihnen aber auch eine helfende und sinnvermittelnde Autorität,
damit die Kinder schrittweise in die Lage kommen, ihre zukünftigen Aufgaben in Familie,
Gesellschaft und Kirche wahrzunehmen und ihr Leben gelingen zu lassen. Teil dieses
Erziehungsauftrages der Eltern ist insbesondere auch die Gewissenserziehung und -bildung.
Eltern, Kirche und Katholische Freie Schule stehen in der heutigen Situation, in der sich
veränderte Einstellungen zu Liebe, Sexualität und Ehe entwickeln, gemeinsam vor diesem
Erziehungsauftrag. Ihre Aufgabe ist es im Besonderen, im Sinne des Evangeliums die
Geschlechtlichkeit des Menschen und die Beziehung der Geschlechter zueinander so zu deuten,
dass sie sich als gute und menschenfreundliche Sexual- und Ehemoral erweisen. Die Erziehung
hat jene Werte einzuschließen, die in den Sinnbezügen menschlicher Geschlechtlichkeit
angelegt sind und zum Ausdruck kommen.
Die Sexualerziehung der Kinder findet zunächst und vor allem in der Intimität des
Familienlebens statt; diese Intimsphäre ist grundsätzlich zu schützen und zu bewahren. In der
Sexualerziehung ihrer heranwachsenden Kinder werden die Eltern jedoch auch bezüglich ihrer
eigenen Sexualität befragt und erleben sich als Suchende. Gerade in schwierigen
Entwicklungsphasen ihrer Kinder werden sie deshalb pädagogische Hilfestellungen von der
Schule erwarten dürfen. Der Konsens in den Erziehungszielen, der Respekt vor der je
individuellen Erziehungssituation und die Bewahrung und Kräftigung des erzieherischen
Dialoges zwischen Schülern, Eltern und Lehrkräften sind deshalb unabdingbare Grundelemente
der gemeinsamen Erziehungsverantwortung von Elternhaus und Schule. Jede Schule wird die
dazu notwendigen organisatorischen Strukturen entwickeln.
3.2. Die Aufgabe der Lehrerinnen und Lehrer
Der Lehrer bringt seine professionellen Fähigkeiten und Fertigkeiten in die gemeinsame
Erziehung von Elternhaus und Schule ein, wobei er sich auch der eigenen Grenzen im
erzieherischen Handeln bewusst ist.
29
Die Sexualerziehung ist im Zusammenwirken mit der religiösen Erziehung der Kinder und
Jugendlichen derjenige Bereich schulischen Wirkens, der über die spezifischen
Ausbildungsordnungen der verschiedenen Schulformen hinausweist und deshalb einer
besonderen pädagogischen Ausgestaltung bedarf. Neben dem in diesem Bereich besonders
wirksamen Generationenkonflikt und dem wechselseitig relevanten Nähe-Distanz-Problem
zwischen Schüler und Lehrer ist auch die Glaubwürdigkeit des Lehrers als erziehender Christ in
der Erziehungsgemeinschaft mit den Eltern besonders gefordert und stellt eine zusätzliche
Erziehungskategorie der Katholischen Freien Schulen dar. Hinzu kommt eine mögliche
Rollendiffusion für den Lehrer. Er hat sowohl vertrauensvoll zu beraten als auch zu beurteilen.
Zur Vorbereitung auf eine implizite (im Unterricht sich zufällig ergebende oder implizit
enthaltene) wie explizite (in Form des Sexualkundeunterrichts) Sexualerziehung wird der
Lehrer sich deshalb über Aufgabe und Wirksamkeit seiner eigenen Person im Kontext der
Sexualerziehung an einer christlichen Schule bewusst werden müssen: im Besonderen über die
Vorbildhaftigkeit als Erzieher, über die Widersprüchlichkeiten der eigenen Person und der
Rolle als Privatperson und Lehrer, über die von ihm intendierte und gelebte Geschlechterrolle,
über vermeintliche oder tatsächliche Konflikte mit der Lehrmeinung der Kirche, über die
erzieherische Aufgabe angesichts des Auftrages des Evangeliums. Leicht kann so das Gefühl
einer pädagogischen Überforderung entstehen. Der Lehrer wird sich in dieser Situation bewusst
werden dürfen, mit welchen Schwerpunkten und Eingrenzungen er diese Aufgabe ausgestaltet.
Im religiösen Sinne teilt er mit seinen Schülern Unvollendetheit und Erlösungsbedürftigkeit; so
kann er auch die eigene Begrenztheit im pädagogischen Vollzug bejahen.
Die Bewusstwerdung der eigenen Grenzen in religiöser, pädagogischer und fachlicher Hinsicht
stellt zugleich eine konstruktive Zugangsmöglichkeit zu Gestaltung und Teilhabe an der
Sexualerziehung der Schule dar. Jeder Lehrer kann so einerseits seine besonderen
unterrichtsfachlichen und pädagogischen Kompetenzen in die Planung und Durchführung der
Sexualkundeerziehung im Allgemeinen und des diesbezüglichen Fachunterrichts im
Besonderen einbringen und sich durch Weiterbildung neue Zugänge eröffnen, andererseits kann
die Schule zu notwendigen und sinnvollen Aufgabenstellungen gezielt externen Sachverstand
hinzuziehen.
3.3.
Die Aufgabe der Schule
Jede Schule soll in ihrem Schulprogramm ein auf die jeweilige pädagogische Situation der
Schule abgestimmtes Konzept der Sexualerziehung darlegen. Die Zusammenarbeit mit den
Eltern soll dabei besonders berücksichtigt werden.
Jede Schule soll die für ihre Schule und Schulform angemessenen organisatorischen
Rahmenbedingungen und innere Struktur der Sexualerziehung entwickeln und als Teil des
Schulprogramms definieren. Über die in den staatlichen Richtlinien für die Sexualerziehung
festgeschriebene Informationspflicht der Eltern (8f) hinaus sollen im Hinblick auf die
Erziehungspartnerschaft und die dialogische Struktur des Miteinanders von Elternhaus und
Schule auch die beidseitigen Aufgaben abgestimmt und Einvernehmen über inhaltliche und
didaktisch-methodische Aspekte herbeigeführt werden. Dabei ist es sinnvoll, besondere
Anforderungsprofile an die Struktur von Elternabenden, Projekttagen und Fachunterricht zu
entwickeln. Dem Lehrerkollegium kommt in diesen Fragen eine besondere fachliche
Verantwortung zu: Die pädagogische und unterrichtsfachliche Gestaltung sowie die
abgestimmte Hinzuziehung außerschulischer Fachkompetenz muss vor allem in
30
Lehrerkonferenzen entwickelt und stetig fortgeschrieben werden. Die Schüler sollen ihrem
Reifegrad angemessen gehört und in die Planungen einbezogen werden.
Den Richtlinien zur Sexualerziehung gemäß müssen Absprachen mit den Eltern über Inhalte
und Form der Sexualerziehung erfolgen. Aus dem Blickwinkel einer verantwortlichen
Erziehungsarbeit ist dies unerlässlich. Die Eltern haben im Hinblick auf ihre besondere
Erziehungsverantwortung einen Anspruch darauf, dass die Schule ihre Erziehungswege darlegt
und mit ihnen abstimmt. Daneben kann die Schule eine wertvolle Ergänzung der elterlichen
Erziehung darstellen, sei es, dass sie Defizite elterlicher Erziehung ausgleicht, sei es, dass
Eltern und Schule sich auf ein komplementäres Erziehungs- und Bildungshandeln verständigen.
Entscheidend ist, dass den Heranwachsenden die ihnen zustehende Erziehung möglichst
umfassend zuteil wird. Für die Gestaltung der Elternabende ergibt sich daraus, dass die Eltern
rechtzeitig über die Intentionen der Arbeit und das vorgesehene Zeit- und
Organisationsraster der Sexualerziehung informiert werden,
Gelegenheit erhalten, ihre Erwartungen und ihre Befürchtungen zu formulieren. Dazu
müssen aktivierende Formen des Meinungsaustausches von Lehrern und Eltern
gefunden werden,
über die Themen und die vorgesehenen Unterrichtsmethoden informiert werden und
Gelegenheit erhalten, diese exemplarisch zur Kenntnis zu nehmen,
über die schulischerseits zuständigen Lehrer sowie über mögliche externe Referenten
und deren Themenangebote unterrichtet werden.
Ziel des Elternabende ist es, das Vertrauen der Eltern zu gewinnen und die gemeinsame
Erziehungsverantwortung deutlich werden zu lassen. Sollten die Eltern dies wünschen, können
von der Schule für die Eltern zu einzelnen Sachfragen auch weitere Gesprächs- und
Informationsabende, ggf. unter Hinzuziehung von externen Fachleuten und Beratungsstellen,
angeboten werden.
Die Schulen sind gehalten, im Schulprogramm grundsätzliche Festlegungen zur Ausgestaltung
der Sexualerziehung an ihrer Schule zu treffen. Zu folgenden Aspekten sollen dabei nähere
Angaben gemacht werden:
-
Konzeption der Sexualerziehung (Jahrgangsstufen, Projekte, fächerübergreifender
Unterricht, fachunterrichtliche Einbindung, Zeitvolumen),
Formen und Inhalte der Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule,
Inhalte und Methoden des Sexualkundeunterrichtes in den Jahrgangsstufen,
Formen und Inhalte der Zusammenarbeit mit außerschulischen Beratern und
Institutionen.
31
4. Konkretisierungen
Die Richtlinien für den Unterricht der verschiedenen Schulformen definieren Erziehungsziele,
die für den Fachunterricht und das Schulleben Geltung haben. Fachliche Untersuchungen und
praktische Erfahrung legen die Vermutung nahe, dass jenseits der pädagogischen Begegnung
von Lehrer und Schüler der Beitrag der verschiedenen Unterrichtsfächer zur Erziehungsleistung im Hinblick auf die Lerninhalte unterschiedlich ist. Unstreitig ist, dass sich der
Fachunterricht im Kontext der Werteerziehung dem ganzheitlichen Erziehungsauftrag und
damit verbunden einem hohen didaktischen Anforderungsprofil stellen muss. Der Auftrag der
Sexualerziehung verlangt deshalb besondere Aufmerksamkeit und Variabilität bezüglich der
Gestaltung der Lernprozesse (vgl. Richtlinien, 9f).
An vielen Schulen sind, neben der traditionellen Zuordnung der Sexualerziehung zu den
Fächern Biologie und Religion, bereits fächerübergreifende Konzepte und Projekte erfolgreich
erprobt worden. Zahlreiche Schulen haben zudem gute Erfahrungen mit der Hinzuziehung von
außerschulischen Beratern und Einrichtungen zu allgemeinen oder spezifischen Fragen der
Sexualerziehung gemacht. Beide Wege dienen der Ermöglichung ganzheitlichen Lernens. Die
nachfolgenden Konkretisierungen geben grundsätzliche Hinweise zur Umsetzung der
Sexualerziehung in den Stufen des allgemeinbildenden Schulwesens. Sie gehen dabei von einer
Darstellung der entwicklungspsychologischen Ausgangssituation aus, formulieren altersgemäße
Ziele der Sexualerziehung und geben methodische und didaktische Anregungen. Bei einer
ganzheitlich ausgestalteten Sexualerziehung sind Wissensvermittlung, Vermittlung und
Adaption christlicher Werte, Entwicklung einer entsprechenden Handlungskompetenz und
Reflexion gleichwertige Zielvorgaben. Dieser Zielvorgabe müssen die methodischen
Entscheidungen und Gestaltungsgrundsätze entsprechen. Wichtig ist es, die pädagogische
Orientierung nicht ausschließlich als Wissensvermittlung auszulegen, sondern auch Raum und
Gelegenheit zur persönlichen Auseinandersetzung zu geben.
4.1.
Sexualerziehung in der Primarstufe
4.1.1. Pädagogischen Situation
Sexualerziehung als Teil der Gesamterziehung ist auch in der Grundschule auf sinnbestimmtes
und wertorientiertes Urteilen und Handeln auf der Basis von gesicherten Kenntnissen hin
angelegt. Sie kann dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche ihren inneren Impulsen und
äußeren Bedingungen nicht hilflos ausgeliefert sind, sondern dass sie ihre Möglichkeiten
erkennen, sich selbst zu verändern und Beziehungen zu gestalten. Da es bei der
Sexualerziehung nicht primär um Wissensvermittlung, sondern wesentlich auch um
Einblicknahme und Annahme von Werten und Haltungen geht, sollte Sexualerziehung ein die
Grundschulzeit begleitendes Thema sein. Im Hinblick auf die Sexualerziehung erfordert dies
eine enge Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule: Kinder werden in dieser
Entwicklungsphase durch unterschiedliche Wertvorstellungen der Erziehenden verunsichert, da
sie noch nicht in der Lage sind, Wertungen und Haltungen differenzierter zu betrachten.
Bevor Kinder eingeschult werden, haben sie schon eine bemerkenswerte körperliche und
geistige Entwicklung durchlaufen. All ihre Fähigkeiten müssen während der Grundschulzeit
gefördert und weiterentwickelt werden. Die körperliche und geistige Entwicklung unterscheidet
sich in den einzelnen Jahrgängen der Primarstufe erheblich. Deshalb erfordern die Klassen 1
und 2 und die Klassen 3 und 4 eine differenzierte Betrachtungsweise. Zu Beginn der
32
Grundschulzeit sind die Kinder in der Bewertung und Beurteilung von Situationen noch
wesentlich an Gehorsam, Belohnung und Strafe orientiert und so mit der Autorität der
Erwachsenen eng verbunden. Deren Wertungen und Einstellungen werden weitgehend
übernommen. Zunehmend entwickelt sich jedoch ein Bewusstsein dafür, dass moralisches
Handeln mit Gegenseitigkeit zu tun hat und dass eigenes Handeln im Zusammenhang mit
anderen zu sehen ist.
Ein Problem in der Grundschule besteht darin, dass es im Hinblick auf den Wissens- und
Entwicklungsstand der Kinder keine homogenen Gruppen gibt. Die Kinder sind zudem geprägt
durch unterschiedliche Erfahrungen in ihrer Umwelt (Familie, gesellschaftliche Einflüsse,
Medienerfahrung). Der Umgang mit dieser Differenziertheit stellt den Lehrer vor schwierige
Aufgaben. Er soll die Kinder zu gemeinsamen Gesprächen führen, ihnen helfen, eigene,
verantwortbare Haltungen zu finden und ihnen den Erwerb sachlichen Wissens zu den Fragen
menschlicher Sexualität zu ermöglichen. Schon früh werden entscheidende Weichen gestellt,
wieweit den Kindern später ein offenes Sprechen über Sexualität möglich ist. Die Kinder
müssen deshalb eine Atmosphäre erfahren, in der sie über alles reden dürfen, in der ihre Fragen
ernst genommen werden und in der sie ihrem Alter und ihren Fragen entsprechend Antworten
erhalten. Sexualerziehung stellt sich so auch nicht als ein klar umrissenes Unterrichtsfach dar
wie beispielsweise Sport, Sachunterricht o.a.. Sie sollte auch nicht an ein einziges Fach
gebunden werden, vielmehr ist sie als ein Erziehungsprozess anzusehen, der ein offenes Klima
in der Klasse und einfühlsame Lehrpersonen erfordert, der auch an aktuelle Situationen im
Lebensalltag der Kinder anknüpft und offen ist für Fragen und Stimmungen.
Wegen der unterschiedlichen persönlichen und gesellschaftlichen Bedingungen sind
Absprachen bezüglich der zu erreichenden Qualifikationen in den jeweiligen Stufen
unerlässlich. Die enge Zusammenarbeit mit den Eltern ist daher notwendig: Vor allem der
Austausch von Eltern und Lehrern über den Entwicklungs- und Wissensstand der Kinder ist
von großer Bedeutung. Eine Absprache über Inhalte, Medien und Methoden ist wichtig, damit
Eltern ihren Erziehungsauftrag zu Hause wahrnehmen können und die Schule andererseits der
elterlichen Erziehung nicht entgegensteht, sondern sie ergänzt.
Aufgrund der eigenen Betroffenheit fällt Eltern und Lehrern das Sprechen über Sexualität
häufig nicht leicht. Deshalb kann Offenheit und Vertrauen in Gesprächen nicht einfach
vorausgesetzt werden. Ein gewinnbringender Elternabend muss so sorgfältig geplant werden.
Der Einstieg in einen solchen Elternabend kann durch externe Referenten (Ärztin,
Sozialpädagogin, Vertreter von Beratungsstellen) erleichtert werden und bietet zudem eine gute
Möglichkeit, zusätzlich sachkundige Informationen zu vermitteln.
4.1.2. Ziele
Die Schüler
•
sprechen offen und in gegenseitigem Respekt über Sexualität.
•
haben grundlegende Kenntnisse von den Sexualorganen des Mannes und der Frau und
deren Funktion.
•
kennen geschlechtsspezifisch differenziertes Verhalten und können es reflektieren.
33
•
wissen, dass menschliche Sexualität sich im Zusammenspiel von Geschlechtlichkeit und
Gefühl realisiert und daher auf Partnerschaft angelegt ist.
•
wissen, dass als erstrebenswerte Lebensform partnerschaftlicher Geschlechtlichkeit und
Liebe die christliche Ehe gilt.
•
können in dem Kind, das in die Familie hineingeboren wird, die Erfüllung des
Schöpfungsauftrages zur Weitergabe des Lebens erkennen.
4.1.3. Sexualerziehung in den Jahrgangsstufen 1/2 und 3/4
Schüler der ersten und zweiten Jahrgangsstufe gehen in aller Regel noch recht unbefangen mit
ihren Erfahrungen, Empfindungen und Ängsten um. Sie äußern sich oft sehr frei und spontan.
Bei der Unterrichtsplanung ist ihr (sehr) unterschiedliches Faktenwissen, ihre (sehr)
verschiedenen Erfahrungen im Umgang mit der Thematik ‚Sexualität des Menschen’ zu
bedenken. Die Lehrer müssen sich in ihrem Unterricht in Absprache mit den Eltern am
Problembewusstsein der Schülerinnen und Schüler orientieren.
In den Jahrgangsstufen 3 und 4 entwickeln die Mädchen gegenüber den Jungen einen
deutlichen körperlichen Entwicklungsvorsprung. Die Koedukation kann in bestimmten
Situationen eine Barriere bedeuten und Offenheit und Gesprächsbereitschaft hemmen. Eine
äußere Differenzierung in geschlechtshomogene Gruppen kann deshalb zuweilen angebracht
sein. Auch das Hinzuziehen von ‚Fachleuten’ (Ärzte, Vertreter von Beratungsstellen ) kann
sinnvoll sein. Ebenso gilt aber auch hier, dass die Zusammenarbeit mit den Eltern die
Voraussetzung für eine sinnvolle Sexualerziehung ist.
4.1.4. Literaturhinweise
Gesundheitsförderung & Gesundheitserziehung in der Schule, Sexualerziehung in der
Grundschule, Eva Somrei, Ärztekammer Nordrhein, Düsseldorf
AOK Rheinland, Düsseldorf, 2000
Sexualerziehung von Anfang an! Petra Milhoffer (Hg.)
Arbeitskreis Grundschule 1995, Frankfurt am Main
Religion in der Grundschule, Friedrich Schweitzer, Gabriele Faust-Siehl (Hg.)
Arbeitskreis Grundschule 1995, Frankfurt am Main
Sexualunterricht in der Grundschule, Norbert Kluge, Klinkhardt 1996, Bad Heilbrunn
34
4.2. Sexualerziehung in der Sekundarstufe I
4.2.1. Jahrgangsstufen 5/6
4.2.1.1. Entwicklungspsychologische Aspekte
Mit dem Übergang von der Grundschule in weiterführende Schulen ändert sich für die Kinder
nicht nur die Schulform, sondern es beginnt das ‚Ende der Kindheit’. Bei den Mädchen setzen
häufig schon in der 5. Klasse, in der Regel in der 6. Klasse die Pubertät und damit verbunden
körperliche und Verhaltensänderungen ein. Zwar erreichen die Jungen in der Regel erst später
die Pubertätsphase, die Pubertät der Mädchen bewirkt jedoch eine nachdrückliche Veränderung
der kommunikativen Gesamtsituation in den Klassen.
Bei den Mädchen zwischen acht und elf Jahren bewirkt die Beobachtung erster körperlicher
Veränderungen bei sich selbst oder anderen Mädchen eine erhöhte Sensibilisierung für
körperliche Entwicklungen und die damit verbundene Fragen. Sie möchten daher deutlich mehr
über Sexualität wissen als gleichaltrige Jungen (über Themen wie: Schwangerschaft,
Schwanger-Werden, Aids, Geschlechtskrankheiten, Heiraten usw.). Die genannten Themen
machen deutlich, dass Mädchen von ihren Fragen her keine Kinder mehr sind und deshalb eine
Sexualaufklärung dringend geboten ist. Spätestens mit dem Auftreten der ersten Regelblutung
bei vielen Mädchen dieses Alters verbietet sich ein häusliches und schulisches Ignorieren der
Thematik. Durch eine altersgemäße Beantwortung von Fragen wird einiges an Verunsicherung
aufgefangen werden, die durch die körperlichen und emotionalen Veränderungen hervorgerufen
werden. Gleichzeitig ist aber auch zu beobachten, dass Mädchen in dieser Altersphase in der
Klasse z.T. sehr selbstbewusst auftreten, nicht nur weil sie in ihrer Entwicklung den Jungen
voraus sind, sondern weil sie auch in ihrer Sozialkompetenz deutliche Fortschritte gemacht
haben. Damit einher geht die Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit, die mit diesem
pubertären Entwicklungsschub das konventionelle Niveau erreicht. Auch das religiöse
Bewusstsein verändert sich in dieser Zeit rasch und lässt das kindliche Gottesbild hinter sich.
Bei den Jungen dieser Altersphase sind in der Regel noch keine körperlichen Veränderungen zu
beobachten. Sie sind Jungen, die sich noch nicht als Problem und Aufgabe erfahren und wegen
ihres hohen Bewegungsdranges auffallen. Wenn sie deshalb meist nur mit anderen Jungen
spielen, so bedeutet dies aber nicht, dass nicht doch Interesse an den Mädchen vorhanden wäre.
Über 50% der elf- bis vierzehnjährigen Jungen waren schon einmal verliebt und manche der
Rüpeleien auf dem Schulhof oder im Klassenraum sind sicher auch als Formen der
‚Annäherung durch Aggression’ zu verstehen. Während Mädchen und Jungen in den Klassen in
der Regel geschlechtsgetrennt sitzen wollen und meist geschlechtshomogene (Spiel-)Gruppen
bilden, bieten solche Aktionen die Möglichkeit einer Annäherung.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass in dieser Stufe in vielen Bereichen eine soziale Trennung
zwischen Jungen und Mädchen eintritt, aber auch noch gemeinsame Interessen vorhanden sind.
Deshalb ist bei vielen von Erwachsenen organisierten Spielen und Aktionen eine
Zusammenarbeit von Jungen und Mädchen meist problemlos möglich. So erscheint es sinnvoll,
dies mit Jungen und Mädchen gemeinsam zu besprechen, was beide gemeinsam angeht: z.B.
den Umgang im Alltag miteinander auch im Hinblick auf die bei manchem einsetzenden
körperlichen Veränderungen. Bei anderen Themen, z.B. Intimhygiene bei Mädchen und Jungen,
ist eine Geschlechtertrennung dagegen sinnvoll. Es ist grundsätzlich zu beachten, dass sich je
nach der Zusammensetzung der Klasse und den sozialen Rahmenbedingungen deutliche
Unterschiede ergeben können.
35
4.2.1.2. Ziele und didaktisch-methodische Überlegungen
Auf Grund der entwicklungspsychologischen Situation der Kinder in der 5./6. Jahrgangsstufe
‚am Ende der Kindheit’ lassen sich folgende Ziele einer gefühlsbejahenden und
normenreflektierenden Sexualerziehung nennen:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Über Bedürfnisse, Fragen und Wünsche sprechen können und ernstgenommen werden,
angemessen über Sexualität sprechen können – mit Gleichaltrigen und Erwachsenen,
Körperfunktionen und Sexualorgane kennen, korrekt benennen können und deren
Funktion verstehen,
den eigenen Körper annehmen („Schönheit“, „Stärke“) und ein positives Körpergefühl
entwickeln,
„Junge-Sein“ und „Mädchen-Sein“ als grundsätzliches Bestimmt-Sein verstehen und als
positive Lebensäußerung annehmen,
Gefühle zeigen, zulassen, unterscheiden und angemessen damit umgehen,
Bedürfnisse bei sich selbst und anderen wahrnehmen und artikulieren – und sich selbst
und gegenseitig darin ernstnehmen,
Nein-Sagen und Grenzen-Setzen lernen,
Respekt und Einfühlsamkeit für die Empfindungen anderer entwickeln,
Regeln für das soziale Miteinander in der Klasse entwickeln und vereinbaren,
mit Selbstbewusstsein Werte wie Vertrauen, Verbindlichkeit, Ehrlichkeit,
Verantwortlichkeit, Partnerschaftlichkeit als Gestaltungsmerkmale von Freundschaft
und Liebe bejahen und in die Beziehungen einbringen,
gegenseitige Zuneigung und Liebe als den Rahmen in den Blick nehmen, in dem
menschliche Sexualität ihren eigentlichen Reichtum entfaltet,
Ehe und Familie als von der Gesellschaft und der Kirche gesehener Rahmen von
Sexualität und Fortpflanzung verstehen,
über homosexuelle Orientierungen und Lebensgemeinschaften informiert sein,
Risiken und Gefahren von Sexualität erkennen können und verantwortlich damit
umgehen lernen,
geschlechtsbezogene Verhaltensnormen (Geschlechtsrollen) (er-)kennen und
überdenken,
Darstellungen und Erscheinungsformen von ‚veröffentlichter Sexualität’ einordnen
(wenn es von Schülern thematisiert wird),
Moden und Gruppenzwänge hinterfragen,
einige Formen der Kommerzialisierung von Sexualität kennen und kritisch befragen,
den Wert und die Würde des menschlichen Lebens von Anfang an erkennen,
von erwachsenen Christen in der krisenhaft erfahrenen Veränderung ihres Gottesbildes
ernst genommen und begleitet werden,
in der ersten Ausgestaltung eines eigenen und selbst verantworteten sozialen Raumes
von Christen wohlwollende und kritische Unterweisung erfahren,
in der eigenen Verunsicherung Respekt vor der Würde des eigenen Ich und der Würde
des Nächsten bewahren.
Auswahl, Schwerpunkte und Intensität der anvisierten Lernziele variieren je nach Lerngruppe.
Entsprechend den o.g. Zielen könnten folgende Themen bearbeitet werden:
Körperfunktionen und körperliche Veränderung bei Jungen und Mädchen
Hygiene der Geschlechtsorgane bei Jungen und Mädchen
36
-
Veränderung des Rollenverständnisses bei der Entwicklung vom Jungen zum Mann
Veränderung des Rollenverständnisses bei der Entwicklung vom Mädchen zur Frau
Normen des Umgangs von Mädchen und Jungen miteinander jetzt und später
Christliches Menschenbild und der Umgang von Jungen und Mädchen miteinander
Selbstbild und Fremdbild bei Jungen und Mädchen
Gefühle in der Selbst- und Fremdwahrnehmung
Kommunikation über Sexualität in der Peergroup und mit Erwachsenen
Konstruktiver Umgang mit Konflikten zwischen Jungen und Mädchen
‚Meine neue Welt’: Wer und was war und ist mir wichtig?
Entsprechend dem unterschiedlichen Entwicklungsstand von Kindern in der 5./6.
Jahrgangsstufe kann es nicht darum gehen, die genannten Themenbereiche erschöpfend zu
bearbeiten. Eher sind wichtige Grundlagen grundsätzlich anzugehen und die für die Lerngruppe
sich daraus ergebende Fragen zu bearbeiten. So kann sichergestellt werden, dass die für die
Mehrzahl der Kinder wichtigen Fragen beantwortet werden, ohne jedoch die Schüler mit für sie
noch nicht relevanten Informationen zu belasten. Durch die Wahl des Unterrichtskonzeptes und
die Methodenwahl muss dabei sichergestellt werden, dass eine offene Gesprächsatmosphäre
entstehen und so jeder auch offene Fragen stellen kann.
Die genannten Ziele, Ausdruck einer auf Ganzheitlichkeit bedachten Sexualerziehung, lassen
sich kaum in einem Sexualunterricht auf der Grundlage nur eines Faches erreichen. Im
Vordergrund steht nicht allein die Wissensvermittlung, sondern auch die kritische (Selbst-)
Reflexion und der Ausblick auf verantwortliches Handeln. Ziel sollte es sein, vor dem
Hintergrund des christlichen Menschheitsbildes ein von Verantwortung geprägtes
Verhaltensrepertoire zu entwickeln. Dies ist vor allem möglich in einer – in den Fächern z.T.
vorbereiteten – längeren Phase fachübergreifenden Arbeitens. Sinnvoll sein können auch „Tage
der Orientierung“ für die Jahrgangsstufe 6 ( in Ausnahmefällen auch Ende 5), die als Projekte
angelegt sind, zwei bis drei Tage dauern können und nicht durch einen 45-Minuten-Rhythmus
bestimmt werden. Die Vertrautheit der Schüler im Klassenverband kann eine große Chance
sein, ebenso die Arbeit mit einem Lehrer aus der Klassenkonferenz im Teamteaching. Die
begleitenden Lehrkräfte sollten möglichst eine entsprechende Fortbildung im Hinblick auf die
personenorientierten Methoden absolviert haben. Darüber hinaus kann es hilfreich sein, externe
Fachleute z.B. aus Beratungsstellen als Unterstützung der Kollegen in die Leitung und
Durchführung dieser Tage der Orientierung einzubeziehen. Denkbar ist auch, dass zu einzelnen
Themen diese Fachleute thematische Workshops für die Schüler anbieten.
4.2.2.
Jahrgangsstufen 8/9
4.2.2.1. Entwicklungspsychologische Aspekte
Im Kontext einer ganzheitlich orientierten Sexualerziehung ist zu berücksichtigen, dass die
Jugendlichen in der Jahrgangsstufe 8 oder 9 intensiv damit befasst sind, sich (zumindest
gedanklich) von ihrem Elternhaus zu lösen, sich eine eigene, unabhängige Meinung zu bilden
und auch einen gewissen eigenen Lebensstil zu entfalten. Dabei ergeben sich gerade in den
Jahrgangsstufen 8 und 9 infolge von Springern und Sitzenbleibern sehr große
Altersunterschiede in den Lerngruppen (bis zu 3 Jahren), was aufgrund der Pubertät von
erheblichen Auswirkungen auf die pädagogische Gesamtsituation ist. Der so oft zeitversetzt
einsetzende Ablöseprozess führt zu Fragen, die die Heranwachsenden primär nicht mit dem
Elternhaus besprechen, sondern eher mit der Gruppe der Gleichaltrigen (Peergroup) oder mit
37
anderen selbstgewählten Bezugspersonen. Dieser neue soziale Kontext ist unübersehbar und
muss deshalb Niederschlag in den Zielen, Wegen und Themen der Sexualerziehung finden.
Die Mehrzahl der Mädchen ist in ihrer körperlichen Entwicklung schon weit fortgeschritten,
manche erscheinen schon als ‚junge, selbstbewusste Frauen’, die großen Wert auf ihr Äußeres
legen und über ein relativ großes Spektrum an sozialen Verhaltensweisen verfügen. Tatsächlich
sind 41% der Mädchen im Alter von vierzehn bis siebzehn Jahren in einer mehr oder weniger
festen Partnerschaft und verfügen über einen entsprechenden Erfahrungshintergrund, worauf
u.a. auch die zunehmende Zahl immer früher einsetzender Schwangerschaften hinweist. In den
folgenden Jahrgangsstufen steigen die Prozentwerte der Mädchen mit entsprechenden
Erfahrungen deutlich an: Für die Mehrzahl der Mädchen stellt sich so die Fragen zu Liebe,
Sexualität, Partnerschaft vor dem ganz konkreten Hintergrund persönlichen Lebens. Diese
betreffen sowohl die eigene Rolle als Mädchen, die Rolle des möglichen Partners, als auch
Fragen nach den Grenzen, die sie sich selbst und einem Partner setzen wollen und sollen. In der
Aussprache über solche Themen fällt in der Regel nicht nur die im Vergleich zu den Jungen
größere soziale Kompetenz der Mädchen auf, sondern auch ihre vergleichsweise große
Fähigkeit und Bereitschaft, über persönliche Themen zu sprechen. Dabei mag die Tatsache eine
große Rolle spielen, dass Mädchen häufig eine ‚beste Freundin’ haben, die als
Gesprächspartnerin zur Verfügung steht und als Austauschpartnerin auch für intime Fragen
angenommen wird. Die meist größere soziale Sensibilität und der andere Erfahrungshorizont
der Mädchen beeinflusst auch die Fähigkeit der Reflexion über Normen des Verhaltens im
Kontext von Liebe, Sexualität und Partnerschaft. Manche von ihnen sind schon in der Lage,
ausgehend von konkreten Fallbeispielen, sich mit der Frage ‚ethisch gut – weniger gut’
auseinander zu setzen und auch Meinungen zu äußern, die nicht der Meinung der Peergroup
entsprechen. Dabei ist im Laufe der Jahrgangsstufen 8 und 9 ein deutlicher Zuwachs an
selbstständiger Urteilsfähigkeit zu beobachten: Zum einen äußert sich das gestiegene SelbstBewusstsein in einer Weiterentwicklung des Gottes-Bildes, das nicht selten auch atheistisch
ausgeprägt wird, zum anderen sind Mädchen in diesem Alter durchaus schon in der Lage, aus
eigenem Antrieb und mit selbstständiger Urteilskraft soziales Leben in ihrem Umfeld zu
gestalten.
Die Mehrzahl der Jungen im Alter von dreizehn bis fünfzehn Jahren steckt mitten im Prozess
der körperlichen Veränderungen, dies äußert sich in einer starken Verunsicherung. Manche
versuchen, dies durch besonderes ‚Coolsein’ zu überspielen, z.B. in besonders pauschalen,
große Erfahrung signalisierenden bzw. bisweilen vortäuschenden Äußerungen. Dies kann nicht
allein auf geringere Vorerfahrungen zurückgehen. Denn ähnlich wie bei den Mädchen geben
nur 37% der vierzehnjährigen Jungen an, keine Erfahrungen mit Zärtlichkeiten gehabt zu
haben. Allerdings steht den Jungen offensichtlich seltener ein Partner für intensive und intime
Fragen berührende Gespräche zur Verfügung. Ferner gehört es – jedenfalls nach dem
Verständnis mancher Jugendlicher – nicht zum ‚männlichen’ Verhaltensrepertoire, über Fragen
der persönlichen ‚Unsicherheit’ zu sprechen. Dabei ist aber allen Jungen ihre Verletzlichkeit
bewusst und wird als Befürchtung sehr wohl geäußert. Diese und andere Faktoren führen
offensichtlich häufig zu den großen Schwierigkeiten von Jungen, zu Fragen von Liebe,
Sexualität, Partnerschaft differenziert Stellung zu nehmen und sich auf ein offenes Gespräch
einzulassen. In Gruppen von Mädchen und Jungen äußert sich dies auch häufig darin, dass kein
Gespräch zustande kommt bzw. sich die Mädchen über die fehlenden Redebeiträge der Jungen
beklagen. Deshalb ist für die Jungen ein wichtiges Ziel der Sexualerziehung, die
Sprachfähigkeit in diesem Themenfeld zu entwickeln. Eher selten äußern sich Jungen öffentlich
zu ethischen Fragen im Kontext von Liebe, Sexualität, Partnerschaft, und wenn, dann in der
Regel von konkreten Beispielen ausgehend. Auch für sie ist der Druck der ‚öffentlichen’
38
Meinung bzw. der Peergroup sehr stark, seltener werden davon abweichende Meinungen
vertreten, vor allem nicht in Gruppen.
4.2.2.2. Ziele und didaktisch-methodische Überlegungen
Didaktisch ist es notwendig, von der jeweiligen Betroffenheit und dem aktuellen Interesse der
Schüler auszugehen. Durch einen entsprechenden methodischen Einstieg können
vertrauensvolle Gespräche zwischen Mädchen und Jungen angeregt und durch geeignete
Übungen eine vertrauensvolle Atmosphäre geschaffen werden. So können Sprachlosigkeit und
Negativterminologie der Jugendlichen im Themenbereich Sexualität überwunden, reflektiert
und deren Sprachkompetenz gefördert werden. Im Vordergrund sollte das aktive Lernen stehen.
Besonders wichtig sind der Austausch und die Reflexion in der Peergroup, die immer wieder
auch geschlechtshomogen sein sollte – ein Schonraum und eine Herausforderung sowohl für
Mädchen als auch für Jungen. Darüber hinaus sollten die Wissensvermittlung im Bereich der
medizinischen und biologischen Fakten und die Behandlung der ethisch-religiösen
Fragestellungen gewährleistet sein, die die Grundlage für eine vertiefte ganzheitliche Reflexion
und die Herausbildung einer selbstverantworteten Werthaltung bilden. Ausgehend von den
Fragen, Wünschen und Bedürfnissen der Jugendlichen ist eine Zielsetzung von Bedeutung, die
über die reine Sexualaufklärung hinausgeht und eine verantwortliche Verhaltenskompetenz
anstrebt. Darunter zu fassen wäre,
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dass Mädchen und Jungen ihre Bedürfnisse und Gefühle artikulieren können und sich
gegenseitig darin ernstnehmen,
dass Mädchen und Jungen ein positives Körpergefühl entwickeln,
dass Jugendliche eine Sprache finden, in der sie ganzheitlich ‚mit allen Sinnen’
Sexualität und Erotik wertschätzend zum Ausdruck bringen,
dass Mädchen und Jungen sich mit ihrer Geschlechterrolle auseinandersetzen und ihre
Identität als Frau und Mann finden,
dass Mädchen und Jungen Fruchtbarkeit positiv und sinnstiftend wahrnehmen und
bejahen,
dass Mädchen und Jungen die Qualität ihres partnerschaftlichen Zusammenseins auch
im Hinblick auf eine mögliche Zeugung von Kindern bestimmen,
dass sie unterschiedliche Wertvorstellungen – auch anderer Kulturen – respektieren,
sich damit auseinandersetzen und zu einer eigenen Wertehaltung finden,
dass sie mit Selbstbewusstsein die ihnen wichtigen Werte wie Vertrauen, Treue,
Verantwortung, Partnerschaftlichkeit in ihr Beziehungsleben einbringen,
dass sie zu einer selbstbestimmten und verantwortlichen Gestaltung von Sexualität
finden,
dass sie erkennen, dass menschliche Sexualität nur in gegenseitiger Liebe ihren
eigentlichen Reichtum entfaltet,
dass sie um die Notwendigkeit der Enthaltsamkeit für das Wachstum echter Liebe
wissen,
dass sie erkennen, dass volle geschlechtliche Gemeinschaft ihren legitimen Platz nur in
der Ehe hat,
dass sie Methoden der Empfängnisregelung und ihre Wirkweise kennen und fähig sind,
auf der Basis der Lehre der Kirche verantwortliche Entscheidungen zu treffen,
dass sie ein Problembewusstsein für ungewollte Schwangerschaften entwickeln,
39
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•
dass sie lernen, mit Konflikten kommunikativ und konstruktiv umzugehen,
dass sie den Wert und die Würde des menschlichen Lebens von Anfang an achten,
dass sie befähigt werden, ihre persönlichen Reifeprozesse auch als sozialen
Gestaltungsauftrag zu begreifen und zu gestalten,
dass sie befähigt werden, Hilfsbedürftigkeit zu erkennen, Hilfe zu suchen, diese
anzunehmen, aber auch selber Hilfe zu geben.
dass sie die Absetzbewegung von ihren kindlichen Gottes- und Weltvorstellungen als
Auftrag zu neuer Gottessuche und Weltgestaltung begreifen.
Der vorgestellte Zielkatalog dient der Orientierung. Selbstverständlich ist, dass die Ziele in sehr
unterschiedlicher Qualität realisiert werden. Mögliche Themen können demnach sein:
Über die Schwierigkeit, angemessen über Sexualität zu sprechen
Zum Rollenverständnis von Mädchen und Jungen
Erste Partnersuche
Verliebtheit als neue soziale Situation – von der Peergroup zur Zweierbeziehung
Verantwortliches Verhalten beim Knüpfen und Lösen von Beziehungen
Selbstbehauptung/Selbstverwirklichung – Anpassung in der Partnerschaft
Die Bedeutung körperlicher Merkmale/Schönheit
Zur Ambivalenz von Zärtlichkeit
Grenzen erfahren und setzen
Selbstbestimmung und sexualisierte Gewalt
Verantwortlicher Umgang mit sexuellen Erfahrungen in Relation zu gesellschaftlichen
und christlichen Wertvorstellungen
Orientierung im Spektrum möglicher Sexualverhaltensweisen von Jugendlichen
Zur Prävention von Geschlechtskrankheiten
Gewissenskonflikte im Kontext von Partnerschaft und sexuellen Erfahrungen
Das Bild von Frau und Mann in der Bibel und im heutigen christlichen
Menschenverständnis
Empfängnisverhütung und Schwangerschaft gemäß den Normen der Kirche im
Spannungsverhältnis von persönlicher Verhaltenskompetenz, gesellschaftlichen Normen
und christlichen Wertvorstellungen
Beziehungen zu Gott in meinem Leben: Brüche und Anfänge
Veränderungen meiner Religiosität
Konflikte mit den Normen von Christentum und Kirche
Was kann ich, was will ich selbst entscheiden?
Während es auf der einen Seite sinnvoll ist, Raum für ein ungestörtes Gespräch unter Jungen
und Mädchen zu geben, ist es andererseits auch erforderlich, sich mit den Jugendlichen des
jeweils anderen Geschlechts auseinander zu setzen. Für reine Mädchen- bzw. Jungenschulen
könnte es eine Chance sein, Sexualerziehung – ggf. auch in Form von Projekten - gemeinsam
durchzuführen. Die Klassen sollten dabei von Lehrern begleitet werden, die möglichst eine
entsprechende Fortbildung absolviert haben und zur Zeit der Durchführung nicht zum
jeweiligen Klassenkollegium der Lerngruppe gehören. Letzteres kann sich insofern als hilfreich
herausstellen, als dass es für die Schüler schwierig sein kann, sich in Anwesenheit eines
Lehrers, der sie im normalen Schulalltag als Fach- oder Klassenlehrer beurteilt, zu öffnen.
Darüber hinaus empfiehlt es sich, externe Fachleute z.B. aus Beratungsstellen als Unterstützung
der Kollegen in der Leitung und Durchführung des Projektes hinzuzuziehen. Diese
Institutionen, wie Esperanza, können die Unterrichtsreihen und Projekte auch in der Planung
und Koordination fachlich begleiten und z.T. eigenverantwortlich thematische Workshops für
die Jugendlichen anbieten.
40
4.2.3. Literaturhinweise
Berenike-Schmidt, Renate; Schetsche, Michael; Jugendsexualität und Schulalltag, Reihe Schule
und Gesellschaft, Bd. 17, Leske + Buderich, Opladen 1998
Milhofer, Petra; Krettmann, Ulrike; Gluszcynski, Andreas: Sexualerziehung die ankommt...;
Ein Leitfaden für Schule und außerschulische Jugendarbeit zur Sexualerziehung von Mädchen
und Jungen der 3.-6. Klasse, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA), Köln
1999
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BgzA): Sexualität und Kontrazeption aus der
Sicht der Jugendlichen und ihrer Eltern (Kurzzusammenfassung der Endergebnisse) 1996
Eine Wiederholungsbefragung zur obigen Untersuchung liegt inzwischen vor: Jugendsexualität:
Wiederholungsbefragung von 14-17-jährigen und ihren Eltern; Ergebnisse
der Repräsentativbefragung aus 2001 (2001)
Landesinstitut Schleswig-Holstein für Praxis und Theorie der Schule (IPTS):
Sexualpädagogik + Aids-Prävention mit Methoden des lebendigen Lernens (1994); (zu
bestellen bei: Druckerei Joost, Kronshagen, Tel.: 0431/542231, € 23,-)
Uwe Sielert et al.: Sexualpädagogische Materialien für die Jugendarbeit in Freizeit und Schule,
Beltz Verlag, Weinheim und Basel, 1993
Valtl, Karlheinz; Sexualpädagogik in der Schule: Didaktische Analysen und Materialien für die
Praxis. Beltz Verlag, Weinheim und Basel, 1998
41
4.3. Sexualerziehung in der Sekundarstufe II
4.3.1. Entwicklungspsychologische Aspekte
Der bereits in den Jahrgangsstufen 8 und 9 stattfindende Prozess der Ablösung vom Elternhaus
ist in der Sekundarstufe II deutlich vorangeschritten und zeigt sich beispielsweise in der
zunehmend selbstgesteuerten Freizeitgestaltung der 17- bis über 20jährigen Schüler. Private
Tätigkeiten umfassen zwar weiterhin die Pflege sportlicher, gestaltungsmäßiger oder
musikalischer Hobbys, soweit diese (z.B. aus Desinteresse) nicht schon wieder vernachlässigt
werden. Allerdings nehmen unterhaltsame Aktivitäten immer mehr zu (Kino-, Disco- und
Kneipenbesuche), die eine zunächst unreflektierte Konfrontation mit stereotypen
Verhaltensweisen klischeehafter Idole einschließen. Die Peergroups entsprechen in diesem
Alter den Cliquen mit ähnlicher Interessenslage (Milieus) der jeweils zugehörigen
Jugendlichen, mitunter auch mit gleicher Faszination für eine spezielle Kultbewegung, z.B. für
die Hip-Hop-Antikultur. Mädchen und Jungen versuchen gleichermaßen ihr Selbstverständnis
durch ihr Erscheinungsbild kundzutun.
Die Differenz zwischen sexueller Reife und erwachsener Selbstständigkeit ist zu Beginn der
Stufe 11 zwar kleiner geworden und schrumpft innerhalb der Oberstufe weiter. Noch immer
besteht aber eine, nicht zuletzt in der sozialen Situation der Schüler bedingte,
Unselbstständigkeit und eine erhebliche Diskrepanz zwischen körperlicher und sozialer Reife.
Dies gilt vor allem für die Jungen. Sexuelle Erfahrungen aus der Pubertät, wie die Bedeutung
erotischer Gefühle oder das Gelingen bzw. Misslingen freundschaftlicher und
partnerschaftlicher Beziehungen erzeugen Nachdenklichkeit. Es wächst die Entschlossenheit,
sich selbst zu bewähren. Wenn auch eine große Zahl der Mädchen und Jungen erste
Erfahrungen mit Geschlechtsverkehr haben, so haben andererseits viele Schülerinnen und
Schüler kaum bzw. gar keine sexuelle Erfahrung mit dem anderen Geschlecht. Fehlende oder
misslungene Partnerschaften werden von den meisten auf Grund sozialen Drucks als Defizit
empfunden. Für einzelne betroffene Mädchen, die gewollt oder ungewollt eine
Schwangerschaft durchgestanden oder abgebrochen haben, und für Mädchen und Jungen mit
homosexuellen Neigungen kann eine ähnlich belastende Situation entstanden sein. Viele
glauben sich deswegen außerhalb der ‚Norm’ zu bewegen und haben Ängste, darüber zu
sprechen. Trotzdem entwickeln einzelne den Mut zur Offenbarung ihrer Situation, z.B. in Form
eines Coming-outs. In religiös-moralischer Hinsicht schwanken fast alle in ihren
Überzeugungen. Einzelne glauben noch, selbst die Welt verändern zu können. Die meisten
orientieren sich einerseits grundsätzlich an der - mitunter atheistischen - Vorstellung, dass der
Mensch für sein Leben selbst die alleinige Verantwortung trägt, gelangen andererseits aber auch
zu der Überzeugung, dass die Verantwortung und Freiheit des Menschen göttlichen Ursprunges
sind: Prozesse, die auch eine Reifung des religiösen Bewusstseins verdeutlichen.
4.3.2. Ziele und didaktisch-methodische Überlegungen
In der Sekundarstufe II kommt es weiterhin darauf an, im Prozess wachsender Reife neue
Erfahrungen machen zu können und die Gefahr von belastenden sexuellen Erfahrungen zu
verringern. Dabei geht es weniger um Zuwachs an Wissen, als vielmehr um Vertiefung und in
besonderer Weise um Reflexion von Voraussetzungen, Bedingungen, Möglichkeiten und
Grenzen der Entfaltung menschlicher Sexualität. Zentrale Fragestellungen sind:
•
Welche Rolle spiele ich in dem Prozess der Ich- und Wir-Findung?
42
•
•
Wie gestalte ich als Individuum verantwortungsvoll Beziehungen mit anderen
Individuen?
Wie bestimme ich Grenzen und Möglichkeiten persönlichkeitsgebundenen Verhaltens?
Die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit innerhalb des jeweiligen sozialen Verbandes spielt
dabei die entscheidende Rolle. Dies impliziert Behutsamkeit im Umgang mit Fragen der
Sexualität. Sowohl im Unterricht als auch in Projektphasen befinden sich die Jugendlichen in
ihrer Rolle als Schüler, die ein Recht darauf haben, Zeitpunkte und die jeweilige Art und Weise
einer Auseinandersetzung mit Sexualität selbst zu bestimmen. Deshalb sind die Lehrer
herausgefordert zu überlegen, auf welchem Weg die Schüler erreichbar sind, indem Methoden
und Sozialformen in Orientierung am altersgemäßen Leistungsvermögen der Jugendlichen
angeboten werden. So zum Beispiel in Form einer sozialpraktischen Aufgabe. Die
Thematisierung von Identität erfordert Respekt vor dem Schamgefühl eines jeden Einzelnen.
Deshalb muss situativ besonders sorgfältig geprüft werden, inwieweit sexuelle Themen, vor
allem sexueller Missbrauch und sexuelle Gewalt, explizit zur Sprache kommen können oder
sogar müssen. Äußerungen von Zärtlichkeit hingegen können generell thematisiert werden.
Besondere Vorsicht ist vor der Thematisierung individueller Sexualität geboten, der Respekt
vor der Intimsphäre der Jugendlichen hat Vorrang gegenüber anvisierten und von der Sache her
gewünschten Äußerungen der Schülerinnen und Schüler zu Fragen der Sexualität. Der
jeweiligen Situation entsprechend, müssen die Lehrer methodisch flexibel agieren und
reagieren. Sie handeln in Verantwortung für das Wohl und zum Schutz der Betroffenen, denen
sie Möglichkeiten zur Frustrationsbewältigung (z.B. aus Gründen nicht ausgelebter Sexualität)
wie zur Ich-Stärkung vermitteln müssen. Tolerant geführte Reflexionen unterschiedlicher
Lebensweisen, z.B. des entschiedenen Rückzuges in die Einsamkeit, können angstlindernd
wirksam sein. Ggf. sollten Schulpsychologen, Schulpfarrer und andere Fachkräfte
hinzugezogen werden. Bedeutend kann zudem sein, sozial oder religiös begründete ‚alternative’
Wege als Chance aufzuzeigen. Vor dem Hintergrund der Schülersituation soll eine auf der
Grundlage moralischen Bewusstseins entwickelte Orientierungshilfe zur Ich-Findung des
jungen Menschen in interpersonaler Beziehungsmöglichkeit angeboten werden. Dabei sind
folgende Qualifikationen ausschlaggebend:
1. Der Prozess der Identitätsfindung soll weiterentwickelt werden mit der Perspektive,
seine eigene Rolle mit Rücksicht auf Rolleninteressen Anderer einzunehmen und im
Hinblick auf die Aufrechterhaltung einer gemeinschaftlichen Ordnung rechtfertigen zu
können.
2. Als selbstverständlich erachtete Lebensweisen sollen differenziert auf die ihnen
zugrunde liegenden Normen und auf ihre Verantwortbarkeit hin geprüft und ggf.
modifiziert und selbstbewusst weiterverfolgt werden.
3. Im Prozess des religiösen Reifens soll die individuelle Persönlichkeit als Ebenbild
Gottes im Sinne des christlichen Menschenbildes und in Abgrenzung zu fragwürdigen
gesellschaftlichen Leitbildern verstanden werden.
4. Eigene Entscheidungen, Haltungen und Handlungen werden im Prozess der
Gewissensbildung reflektiert. Hierbei geht es um das differenzierte Suchen und
Herausfinden des moralisch Richtigen.
5. Im Umgang miteinander, auch mit dem ungeborenen Leben, soll sich der Respekt vor
der eigenen Würde und der Würde des Nächsten erweisen.
6. Eigenes Verhalten soll vertiefend reflektiert werden zugunsten einer differenzierten
Sicht gelingender oder misslingender Lebensentwürfe vor dem Hintergrund
verbindlicher Grundrechte und christlicher Werte.
7. Die eigene existentielle Identität soll ins Bewusstsein treten und reflektiert werden.
43
Methodische Hinweise
Die generell ausschlaggebende didaktische Frage an den Lehrer nach der Form und nach der
Art und Weise der Thematisierung stellt sich für Fragestellungen im Bereich der Sexualität
wegen der notwendigen diskreten Arbeitsatmosphäre besonders dringlich.
Fachunterricht
Sexualerziehung kann innerhalb von solchen Unterrichtsprozessen begleitend stattfinden, in
denen je nach Situation die in den Unterrichtsinhalten enthaltene Sexualkundethematik
reflektiert werden kann. Hierbei eignen sich konventionelle Unterrichtsmethoden (LehrerSchüler-Gespräch, Textanalysen, Erörterungen) nur noch in beschränktem Maße,
unkonventionelle Vorgehens- und Arbeitsweisen hingegen ermöglichen konstruktive Arbeit.
Hierzu gehört der freiwillige Austausch zwischen persönlich ausgewählten Mitschülerinnen
und Mitschülern, ohne dass ihre Gespräche und Selbsteinschätzungen sowie die Resultate der
hierbei erfolgten Fremd- und Eigenwahrnehmung und der dabei erforschten individuellen
Beziehungsgeflechte in einem Plenum veröffentlicht werden. Außerdem eignen sich
Inszenierungen
spezifischer Kommunikationssituationen
sowie bildnerische und
gestaltorientierte Selbstdarstellungen.
Fächerverbindender Unterricht
Fächerverbindende Arbeitsformen, ebenfalls bei Einsatz unkonventioneller Methoden, eignen
sich besonders wegen der Möglichkeit einer breit gegliederten Auseinandersetzung mit einem
herausfordernden Thema, z.B. „Der Kampf der Geschlechter“ in Stufe 12, das in den Fächern
Biologie, Kunst und Deutsch parallel behandelt werden könnte, um die ganzheitliche
Bedeutung der zugrundeliegenden Problematik erfahrbar zu machen.
Thematisch orientierter Projekttag
Möglichkeiten ganzheitlicher Auseinandersetzung mit Fragen der Sexualität bieten sich
besonders für spezielle themengebundene fächerübergreifende Projekttage an. Gedacht wird
z.B. an differenziert angebotene Workshops, deren jeweilige thematische Aspekte vorher im
Unterricht der beteiligten Fächer entwickelt werden könnten. Die Zusammenarbeit mit
Sexualkundeexperten von autorisierten Beratungsstellen bietet sich an. Überlegungen zur
Struktur eines solchen Projekttages und zum Einsatz einer erlebnisreichen und
sozialpraktischen Methodik könnten mit den Schülerinnen und Schülern, mit den beteiligten
Kollegen innerhalb von Fachkonferenzen und mit den eingeladenen Experten zusammen
erfolgen.
Stufenbezogene Überlegungen
Die stufenbezogen vorgeschlagenen Themen beziehen sich auf Möglichkeiten des regulären
Unterrichts, können aber auch fächerverbindend und in Form eines Projekttages behandelt
werden. Bei Schulformen mit 12-jähriger Schulzeit müsste versucht werden, Gesichtspunkte für
die Stufe 13 vorher in die Überlegungen miteinzubeziehen.
4.3.3. Jahrgangsstufe 11
Nach Auflösung der Klassenverbände und der damit verbundenen Unterrichtsstrukturen sind
die Schüler nun auf Grund des Kurs- und/oder des Kollegsystems herausgefordert, ihren Teil
zum Gelingen des Unterrichts in mehreren neuen Kursen beizusteuern. Durch das
Aufeinandertreffen introvertierter und extrovertierter Charaktere, wegen des vielfältigen
44
Nebeneinanders individueller Persönlichkeiten, wegen des - umfangmäßig mitunter
unausgeglichenen - Verhältnisses von Mädchen und Jungen und wegen unterschiedlich
akzentuierter Lern- und Leistungsfähigkeiten und -interessen jedes Einzelnen erfordert dies eine
erneute Legitimation seines eigenen Verhaltens innerhalb der neuen Gruppenverbände. Eine
selbstkritische Reflexion schließt eine begründete Einschätzung des eigenen Verhaltens ein, die
zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Rollenbild führen kann.
Diese Sensibilität kann auch mit Bezug auf die staatlichen Richtlinien (vgl. Abschnitt 5.2.,
„Geschlechterrollen") eine Basis zur Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischem
Rollenverhalten bilden. Dies ist möglich, wenn sich die Schülerinnen und Schüler sowohl mit
den von außen an sie herangetragenen Rollenerwartungen als auch mit ihren selbst entwickelten
Rollenbildern beschäftigen und sich dementsprechend im Sinne der Qualifikationen 1 und 2 in
einem reflektierten Rollenbewusstsein zugunsten mitmenschlicher Gemeinschaft verhalten.
4.3.4. Jahrgangsstufe 12
Im zeitlichen Verlauf der Stufe 12 werden die meisten Schülerinnen und Schüler volljährig. Sie
sind wahlberechtigt und tragen dementsprechend mehr Verantwortung, die als Parameter für
das eigene situative und zukunftsrelevante Handeln unübersehbar gefordert wird. Berufliche
und private Orientierungen, aber auch die Skepsis gegenüber scheinbar mustergültigen
Konzeptionen für die Gestaltung des Lebens, auch des ungeborenen, verdichten sich.
Wegen des entwicklungspsychologisch bedingten intensiven Interesses junger Erwachsener an
ihrer eigenen innerlichen und erscheinungsmäßigen Identität und wegen des gleichzeitigen
Interesses an Partnerschaft finden sich hier zahlreiche Bezüge zu den staatlichen Richtlinien
(5.4 „Sexuelle Orientierung und Identität“, 5.5 „Körper und Sexualität“, 5.3: „Familie und
andere Formen des Zusammenlebens“, 5.6 „Empfängnisverhütung“). Angesichts des mitunter
verantwortungslosen Umganges mit Schwangerschaften und der allseits präsenten Exzesse
klischeehafter
Erotik
können
situationsbedingt
auch
die
Abschnitte
5.7
(„Schwangerschaftskonflikte und Kinderlosigkeit“) und 5.8 („sexueller Missbrauch und
sexuelle Gewalt“) der Richtlinien von Belang sein, wobei der zuletzt genannte Themenaspekt
sehr vorsichtig behandelt werden muss.
Auf der Grundlage der o.g. Qualifikationen 3, 4 und 5 müsste deutlich werden, dass
•
•
•
•
•
•
ein Bewusstsein über seine eigene wesensmäßige Identität und über diejenige anderer,
auch über die des ungeborenen Lebens, Voraussetzung für eigenverantwortliche
Lebensgestaltung und für die Bildung eines Sinnhorizontes im Sinne der Grundlegung
einer sozialen Ordnung ist.
die ganzheitliche, einmalige Personalität des Menschen, dessen Sexualität von Gott
gewollt ist, dem Leben einen Sinn verleiht.
Sexualität mit den ihr zugehörigen Chancen und Gefährdungen zur Freiheit des
Menschen gehört.
zärtliche Begegnung die Lebendigkeit der beteiligten Menschen ermöglicht.
Treue Folgendes bedeuten kann: gegenseitige Hochschätzung, uneingeschränktes
Gefühl der Liebe, Kraft, die die Gestaltung der Liebe bewegt, Erweiterung des Lebensund Erlebensraumes, in dem Erwarten und Geben eine untrennbare Verbindung
miteinander eingehen.
die ehelich/familiäre Lebensform im Sinne positiver Lebensgestaltung für Eltern und
ihre Kinder erstrebenswert ist.
45
•
•
zölibatäres Leben ein sinnvoller Lebensentwurf sein kann.
nicht eheliche Formen sozialen Zusammenlebens sinnvoll sein können.
4.3.5. Jahrgangsstufe 13
Das Missverhältnis von bereits erworbenen Qualifikationen und der außerhalb von Schule
präsenten Realität führt zunächst zur Erkenntnis der gravierenden Diskrepanz zwischen
verschiedenen Lebenswelten des Schülers, zur Verunsicherung und zur Gefährdung des eigenen
Lebensentwurfs. Dem postmodernen Pluralismus sexueller Formen, dem Prozess der
Normenverschiebung und -auflösung, der Kommerzialisierung von Sexualität und der durch die
Medien verbreiteten Tyrannei der Intimität und der so bedingten Entwürdigung des Menschen
soll entgegengewirkt werden. Der sexuellen Orientierungslosigkeit kann dadurch begegnet
werden, dass dem Verlangen der Schülerinnen und Schüler nach affektbetonten Äußerungen als
wichtige Lebenserfahrung und als Ausdruck sexueller Empfindungen entsprochen wird: Wer
sich selbst vertraut, kann anderen Vertrauen schenken. Voraussetzung zur Relativierung der
bestehenden Missverhältnisse ist der Respekt vor der persönlichen Intimsphäre.
In Verbindung mit den 11er- und 12er- Qualifikationen soll eine vertiefende Reflexion des
eigenen Verhaltens auf einer Metaebene zugunsten der Qualifikationen 6 und 7 erfolgen. Diese
bewusst zuletzt angeführten Qualifikationen (Reflexion verantwortungsbewussten Verhaltens
und der existentiellen Identität) implizieren das vorhandene menschliche Vermögen, sich selbst
als göttliches Geschöpf zu transzendieren, um seine persönliche gestaltungsmäßige Kreativität
zu entfalten. Diese Befähigung korreliert mit einer „Orientierung an religiöser Autonomie
durch unbedingte Intersubjektivität“ (Oser/Bucher) und kann als Bestätigung eines komplexen
Reifungsprozesses verstanden werden.
46
47
Hinweise zu den
Ausführungsbestimmungen des Kölner Erzbischofs
für die Katholischen Freien Schulen
im Erzbistum Köln zu den
Richtlinien für die Sexualerziehung in
Nordrhein-Westfalen
(Teil II)
48
5. Vorwort
Joachim Kardinal Meisner hat am 1.4.2003 die Ausführungsbestimmungen für die Katholischen
Freien Schulen im Erzbistum Köln (Teil I: Ausführungsbestimmungen des Kölner Erzbischofs
für die Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln zu den Richtlinien für die
Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen) in Kraft gesetzt. Diese Bestimmungen begründen die
schulische Sexualerziehung in christlicher Verantwortung und geben Orientierung bei deren
praktischer Gestaltung.
Die nachfolgenden Hinweise (Teil II: Hinweise zu den Ausführungsbestimmungen des Kölner
Erzbischofs für die Katholischen Freien Schulen im Erzbistum Köln zu den Richtlinien für die
Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen) geben weitere Anregungen und Hilfestellungen. Am
Anfang steht eine thesenartige Zusammenfassung der Ausführungsbestimmungen. Diese Thesen
können insbesondere im Rahmen thematischer Einführungsveranstaltungen in der Lehrerund/oder Elternschaft herangezogen werden. Es folgen Anregungen zur didaktischmethodischen Umsetzung der Sexualerziehung in den verschiedenen Jahrgangsstufen. Sie
können als Bausteine zur konkreten Ausgestaltung der Sexualerziehung verwandt werden.
Zugleich bieten die Hinweise Impulse für die Schulprogrammdiskussion vor Ort. Am Schluss
sind Listen geeigneter Beratungsstellen im Erzbistum Köln aufgeführt.
Köln, 2.4.2003
Prälat Gerd Bachner
Leiter der Hauptabteilung Schule/Hochschule
6. Thesen
6.1. Christliches Menschenbild und Sexualerziehung
Sexualität ist eine Grundgegebenheit des menschlichen Lebens. Ihr ist eine ursprüngliche
Wahrheit eigen, die sich überall dort erschließt, wo Sexualität verantwortlich gelebt und
innerlich frei erlebt werden kann. Sexualerziehung ist daher konstitutiver Bestandteil der
Gesamterziehung, bei der die Schule in subsidiärer Weise den elterlichen Erziehungsauftrag
ergänzt.
49
1. Die Schöpfung ist gottgewollt und gut.
„Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut“ (Gen. 1,31). Sexualität hat ihren
ursprünglichen Ort im Beziehungsgefüge der von Gott gewollten „guten Schöpfung“. Gott
erhält diese Güte der Schöpfung auch über die Sünde des Menschen hinaus. Der Mensch
soll Mitschöpfer sein an der Gutheit von Gottes Schöpfung.
2. Der Mensch besitzt als Gottesebenbild eine unabdingbare Würde.
„Gott schuf also den Menschen als sein Abbild“ (Gen. 1,27). Die Gottesebenbildlichkeit des
Menschen bedeutet eine Verantwortung, die der Mensch in Entsprechung zu Gott und
seinem schöpferischen Wirken ausüben darf. Diese Berufung verleiht dem Menschen eine
besondere Würde. Die Begründung der Menschenwürde im Schöpfungsglauben erschließt
menschliche Sexualität in ihrer spezifischen Intimität und Verletzbarkeit. Christliche
Sexualethik kann deshalb gegenüber dem begrenzten Raum, der dem Staat aufgrund seiner
weltanschaulichen Neutralität geboten ist, eine tiefer gehende Orientierung vermitteln.
3. Als Mann und Frau hat der Mensch Anteil an Gottes Schöpferkraft und erlangt darin
seine besondere Gottesebenbildlichkeit.
„Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,27). Die Sexualität des Menschen als Mann- und
Frausein ist ein grundlegendes Daseinsprinzip: zugleich auch die grundlegende Dimension
der dialogischen Existenz des Menschen. Sexualität vermittelt so Lebenssinn. Das „EinFleisch-Werden“, von dem die Bibel spricht (Gen. 2,24), meint das Ganze einer
Gemeinschaft des Lebens und der Liebe von Mann und Frau und entspricht so der
Gottesebenbildlichkeit im Besonderen. Im Zusammenwachsen und Einander-ÄhnlichWerden „erkennen“ sich Mann und Frau wechselseitig; dies bedeutet zugleich die
Abgrenzung vom bloßen Gebrauchen des Anderen und vom Konsumzwang.
4. Ehe und Familie als Lebensgemeinschaft kommt deshalb eine besondere Würde zu.
Als existentielles Daseinsprinzip wird Sexualität so in die Lebensform von Ehe und Familie
verwiesen, die um ihrer selbst willen Sinn hat. Sie sind ursprüngliche Formen, in
Gemeinschaft zu leben, und in dieser Form unersetzbar.. Die Ehe ist in besonderer Weise
eine unaustauschbare Lebensform. Sie gründet auf einer Freiheit, die beide Partner nur
gemeinsam haben und die keiner für sich alleine besitzt. Ehe ist die dem dialogischen
Vermögen der Liebe adäquate Lebensform. Daher ist auch das Besondere des
Ehesakramentes die gegenseitige Heiligung von Mann und Frau. Sexualität und Lebensform
verbinden, bedeutet: zu lieben lernen. Die eheliche Liebe erfährt so ihren Ursprung, ihre
Kraft und ihr Ziel in der Teilhabe an Gottes unendlicher Güte und Schöpfungskraft.
5. Sexualität ist konstitutiv für diese Gemeinschaft. Sie wird in Liebe und
Verantwortung entfaltet, Haltung und Handlung sollen einander entsprechen.
Liebe und Verantwortung haben denselben Ursprung. Sexualität bedarf der Gestaltung
durch eine Liebe, die sich verantwortlich weiß für den Anderen, die eigene Person und für
das Wohl der sich entwickelnden Gemeinschaft. Als Kategorien dafür dürfen gelten:
das jeweilige Wohl der Partner achten,
das Wohl der Kinder, der schon geborenen oder zu erwartenden achten,
die materiellen Verhältnisse der Zeit und ihres Lebens einbeziehen,
die geistigen und kulturellen Gegebenheiten der Zeit und ihres Lebens erkennen,
50
das Wohl der eigenen Gesamtfamilie, der Gesellschaft und der Kirche
berücksichtigen.
Die existentiell bedeutsamen Einsichten, die für den Sinn menschlicher Sexualität
konstitutiv sind, geben hierbei die Orientierung für die Formulierung notwendiger Grenzen
und Regeln. Sexualität soll authentischer Ausdruck von Liebe sein. Daher müssen
Handlung und innere Haltung einander entsprechen. Die Achtung der Intimität des Anderen
ist hierbei unabdingbar. Zur Gestaltung der Sexualität gilt auch der verantwortete Umgang
mit der Fruchtbarkeit. Dies verlangt ein Gespür für den Zusammenhang von Liebe,
Verantwortung und Weitergabe des Lebens.
-
6. Christliche Sexualpädagogik hat so Maß zu nehmen am Gottes- und Menschenbild
unseres Glaubens.
Der Mensch ist nach dem Bilde Gottes geschaffen. So wie der Dreifaltige Gott in Liebe
gelebte Beziehung und darin „Leben in Fülle“ ist, so verwirklicht sich die
Gottesebenbildlichkeit des Menschen vor allem in der lebenserfüllenden Begegnung und
Gemeinschaft zwischen Mann und Frau. Das gilt für eine Beziehung zu Gott, zu den
Mitmenschen, zur Schöpfung und zu sich selbst. Wenn der Mensch in dieser vierfachen
Beziehung leben lernt, kann er sich zu dem Bild entwickeln, dessen Urbild der Schöpfer
selbst ist.
6.2. Aspekte moralischer Erziehung an Katholischen Freien Schulen
1. Im Unterschied zum öffentlichen Schulwesen können die Katholischen Freien Schulen
auf ein gemeinsames Wertefundament von Elternhaus und Schule zurückgreifen.
Werteerziehung ist trotz ihrer Festschreibung in Gesetzen und Richtlinien eines der
schwierigsten Felder schulischer Erziehung und unterrichtlichen Agierens. Verbindliche
Werte sind im öffentlichen Schulwesen nicht vorgebbar, da ein gesellschaftlicher
Wertekonsens nicht herstellbar ist. An Katholischen Freien Schulen darf dagegen
grundsätzlich von einem Konsens der Kollegien und Elternhäuser in Fragen der
allgemeinen und religiösen Erziehungsgrundsätze ausgegangen werden. Erziehung an
Katholischen Freien Schulen hat als Leitidee den in Kirche und Staat ‚verantwortlich
lebenden und handelnden Christen’ zum Ziel.
2. Moralische Erziehung ist an Katholischen Freien Schulen Bestandteil der
ganzheitlich-religiösen Bildung der Heranwachsenden. Es liegt in der Verantwortung
der Erziehenden, Anregungen und Hilfestellungen zu diesem Selbstbildungsprozess zu
geben.
Moralische Bildung ist Bestandteil des gesamten persönlichen Bildungsprozesses des je
einzelnen Heranwachsenden. Religiöse Bildung vollzieht sich in Achtung vor dem in
Christus zur Freiheit berufenen Menschen, dessen Individualität und Intimität jederzeit zu
achten ist. Erziehung insgesamt, auch religiöse, bedarf deshalb einer dialogischen
Grundstruktur. Zugleich widersteht sie dem Eindruck der Beliebigkeit: Kirche und Schule
schulden den Kindern das Angebot, in ihr Heranwachsen auch die Frohe Botschaft Jesu
Christi hineinnehmen zu können. Die Schülerinnen und Schüler sind zugleich um ihrer
selbst willen gehalten, sich mit dieser Seite ihrer Selbstbildung ernsthaft zu beschäftigen.
51
3. Die Schulzeit ist für die Heranwachsenden eine Zeit anhaltender Entwicklungsschübe,
in der sich das religiöse Bewusstsein und die moralische Urteilskraft schrittweise
entwickeln.
Aneignung und Ausgestaltung von religiösen und ethischen ‚Inhalten’ vollziehen sich in
strukturierten Entwicklungsschritten. Parallel zur kognitiven Entwicklung durchläuft das
Kind bis in das Erwachsenenalter hinein einen stufenweise sich entwickelnden religiösen
Reifeprozess (Stufenschema der religiösen Entwicklung), der in allen Lebensphasen
grundsätzlich variabel bleibt. Eine parallele Systematik hat die Erziehungswissenschaft für
die Entwicklung der moralischen Urteilskompetenz festgestellt, die auch
geschlechtsspezifische Unterschiede aufweist. Unterricht und Erziehung haben dieses
entwicklungspsychologische Bedingungsgefüge zu berücksichtigen, wollen sie den
Heranwachsenden wie den Erziehungszielen im Rahmen der Sexualerziehung gerecht
werden.
4. Elternhaus, Kirche und Schule gehen auch in der Sexualerziehung eine
Erziehungspartnerschaft ein.
Sexualerziehung findet zunächst in der Intimität und Geborgenheit des Elternhauses statt
und hat dort ihren natürlichen Ort. Die Eltern begleiten in angemessener Weise die
Entwicklung ihrer Kinder und nehmen, wenn das Gespräch mit den Heranwachsenden in
der Phase der Ablösung vom Elternhaus durch außerfamiliäre Faktoren beeinflusst wird, die
Unterstützung von Kirche und Schule an. Die Schule soll mit den ihr eigenen Mitteln und
Wegen diese elterliche Sexualerziehung unterstützen, um im Sinne des Evangeliums die
Geschlechtlichkeit des Menschen und die Beziehung der Geschlechter zueinander als gute
und menschenfreundliche Sexualmoral zu erweisen. Der Konsens in den Erziehungszielen,
der Respekt vor der je individuellen Erziehungssituation und die Bewahrung und
Kräftigung des erzieherischen Dialoges sind unabdingbare Elemente einer gemeinsamen
Erziehungsverantwortung.
5. Durch die Wahl der Methoden, der Gesprächs- und Arbeitsformen und durch die
Moderation der Lehrerin/ des Lehrers ist sicherzustellen, dass in den Klassen eine
vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre herrscht. Die Individualität und die
Intimsphäre der Schülerinnen und Schüler sollen in jedem Fall beachtet werden.
Bei jeder Thematik ist zu fragen, welche Form der Vermittlung angemessen und welcher
Teilnahmemodus den Personen und dem zu behandelnden Gegenstand am besten dient. Die
Schulklasse als „Zwangsgemeinschaft“ ist angesichts der Heterogenität der Klasse, der
unterschiedlichen Entwicklungsstadien, der verschiedenen Voraussetzungen im Elternhaus
nicht für jedes Thema der geeignete Ort. Es sollten vielfältige Formen gefunden werden
(Arbeitsgemeinschaften, Sprechstunden, Teilgruppen der Schulklasse...), die für alle zu
jeder Zeit fakultativ offen stehen.
6. Jede Schule soll in ihrem Schulprogramm ein auf die jeweilige pädagogische Situation
der Schule abgestimmtes Konzept der Sexualerziehung darlegen.
Es ist sinnvoll, in Anbetracht der unterschiedlichen Schulformen ein je individuales
schulspezifisches Konzept zu entwickeln. Seitens des Schulträgers werden dabei besondere
Anforderungsprofile für die Vorgaben des Schulprogramms entwickelt (Zeitvorgaben,
Didaktik, Methodik, externe Berater/innen etc.). Besonders berücksichtigt werden sollen
Formen und Inhalte der Informationen an die Eltern und die Festlegung von deren
Mitwirkungsmöglichkeiten.
52
7. Der Schulträger unterstützt die Arbeit der Schulen durch die Veröffentlichung von
methodisch-didaktischen Hinweisen sowie durch Lehrerfortbildungsmaßnahmen.
Der Schulträger sieht sich schließlich in der Verantwortung, den Schulen auch Hinweise für
die Ausgestaltung der Sexualerziehung in den verschiedenen Jahrgangsstufen zu geben.
Dazu liegen die „Hinweise zu den Ausführungsbestimmungen des Kölner Erzbischofs zu
den staatlichen Richtlinien für Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen an den
katholischen Schulen des Erzbistums Köln“ vor, die für die verschiedenen Altersstufen
jeweils eine kurze Darlegung der entwicklungspsychologischen Aspekte, methodischdidaktischen Hinweisen und unterrichtspraktischen Anregungen enthalten. Die
Inkraftsetzung der ‚Ausführungsbestimmungen’ wird von Lehrerfortbildungsmaßnahmen
begleitet werden.
53
7.
Anregungen für die schulische Praxis
7.1. Primarstufe
Die im Folgenden zusammengestellten Themen zur Sexualerziehung im Fach Sachunterricht und die daneben aufgeführten Schwerpunktthemen in
anderen Fächern sind als Vorschläge zu verstehen.
Sexualerziehung ist, wie jede Erziehung, ein das Kind begleitender Prozess, der die ganze Person im Blick hat. Sie darf daher nicht auf die
Wissensvermittlung allein und auf ein einziges Fach beschränkt bleiben. Eine Vernetzung mit anderen Unterrichtsfächern ist unabdingbar, da die
Schülerinnen und Schüler in allem Tun auch immer geschlechtsbestimmt fühlen, denken und handeln. Dem Religionsunterricht fällt eine
besondere Rolle zu, da gerade hier deutlich gemacht wird, dass Sexualität zum Menschsein gehört, also von Gott gewollt ist. Er vermittelt Werte
und Haltungen, die unserem Handeln eine Richtung geben können.
Die Bearbeitung der inhaltlichen Schwerpunkte der einzelnen Jahrgänge sollte ‚spiralförmig’ angelegt sein. Es scheint sinnvoll, einen Katalog mit
Mindestanforderungen innerhalb der jeweiligen Schule verbindlich festzulegen und auch methodische Vorgehensweisen im Hinblick auf den
gesamten Erziehungsprozess zu reflektieren.
54
7.1.1. Klassen 1/2
Themen im Sachunterricht
•
•
•
•
•
•
•
Themen in anderen Fächern
Bezug zum christlichen Menschenbild
Intentionen
Bezug zur moral.-psych. Entwicklung
Bemerkungen
Freundschaft
Gefühle haben –
Gefühle zeigen
(Freude -Wut – Ärger
usw.)
Gemeinsame
Unternehmungen
Gemeinsame Feiern
Religion:
David und Jonathan
Ruth und Naomi
Das besondere Verhältnis Jesu
zu Petrus und Johannes
Wie gehe ich mit Menschen um,
die anders sind?
Männlich- und Weiblich-Sein als primäre
Spezifika der dialogischen Existenz des
Menschen.
Dialog als Geschehen von gegenseitigem
Sich-Erschließen und Sich-ErschließenLassen.
Kinder dieser Alterstufe besitzen in der
Regel die Fähigkeit, sich in andere
hineinzuversetzen,
allerdings
ist
moralisches Urteilen wesentlich an
Strafe und Gehorsam orientiert,
verbunden an der Autorität der
Erwachsenen (Lehrer-Eltern; Stufe 1
nach Oser/Bucher u. Kohlberg).
Junge und Mädchen –
Rollenverhalten – Mit
wem spiele ich?
Jungenspiele –
Mädchenspiele
Jungenkleidung –
Mädchenkleidung
Sprache:
Konfliktgeschichten –
Rollenspiele
Die Einmaligkeit der Person und das
eigene geschlechtsspezifische Verhalten
wahrnehmen und offen werden für die
Andersartigkeit der anderen.
Werbung für Kinderkleidung
.
Überlegen, warum Menschen nicht einsam
und allein bleiben wollen.
Erwartungen an Freundschaft formulieren Die spezifische Klassensituation und
und den eigenen Anteil bedenken.
die einsetzende Gruppenbildung sollten
reflektiert werden: Bereits bestehende
In der Zweier- oder Gruppenfreundschaft Freundschaften (Kindergarten,
Nachbarschaft), neu Hinzugekommene,
die Augen nicht für die anderen
verschließen.
Randgruppen, Integration ausländischer
Kinder.
Nicht altersgemäße Verhaltensweisen
thematisieren.
55
Themen im Sachunterricht
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Themen in anderen Fächern
Bezug zum christlichen Menschenbild
Intentionen
Wir leben in
verschiedenen
Beziehungen:
Familie
alleinerziehende
Mütter und Väter
Zweit- und
„Patchworkfamilien“
Schule
Gemeinde
Religion: Ich habe jemanden,
der für mich sorgt.
Sorge Jesu um das Wohl des
Einzelnen und das friedvolle
Zusammenleben der Menschen.
Ehe und Familie als ursprüngliche und Die Vorstellung, dass unrechtes
grundlegende Formen, in Gemeinschaft zu Verhalten automatisch bestraft und
leben
rechtes Verhalten automatisch belohnt
wird, herrscht vor. (Stufe 1)
Einsicht gewinnen, dass Menschen vom
ersten Augenblick ihres Daseins an auf
andere Menschen angewiesen sind. Wirksamer als verbale Aufforderungen
Erkennen, dass erst die Mitarbeit und ist die Art und Weise des Umgehens
Hilfe aller ein Zusammenleben ermöglicht mit Schuld und Vergebung innerhalb
und dass die Durchsetzung eigener der Klassengemeinschaft. Das Beispiel
Wünsche auf Kosten anderer Ursache für der Lehrerin und des Lehrers ist für die
Zank und Streit werden kann.
Kinder richtungweisend.
Begreifen, dass Vergebungsbereitschaft
Zusammenleben ermöglicht.
Unterschiede der
Geschlechter
primäre und sekundäre
Geschlechtsmerkmale
grundlegende
Kenntnisse über
Mutterschaft
Körperpflege Hygiene
Religion:
Von der Einmaligkeit des
Menschen und der Fürsorge
Gottes
Die „Güte der Schöpfung“ verleiht dem
Menschen seine „kreatürliche Würde“.
Bezug zur moral.-psych. Entwicklung
Bemerkungen
Das Mann- und Frau-Sein ist
grundlegende Dimension des Menschen.
Sprache:
Angemessene Sprache benutzen Erkennen, dass die Menschen durch
Umgang mit Schimpfwörtern
Geschlecht, Familien-, Volks- und
Religionszugehörigkeit mit bestimmten
Vorgaben konfrontiert sind, die teilweise
mindestens bejaht werden müssen.
Würde von Vater- und Mutterschaft
erkennen.
56
Den menschlichen Körper als
gottgeschaffen verantwortungsbewusst
bewahren. „Wisst ihr nicht, dass euer Leib
ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in
euch wohnt und den ihr von Gott habt?
Verherrlicht also Gott in eurem Leib.“ (1
Kor 6,19.20).
Angemessen über geschlechtliche Dinge
sprechen können.
Kunst – Musik – Sport:
ergänzend einbeziehen
Beide Schuljahre und alle Fächer durchziehende
Unterrichtsprinzipen:
•
•
•
•
•
•
•
„Prinzip Menschenwürde“: die spezifische Vom Umgang miteinander in Unterricht
Verletzbarkeit des Menschen als Ebenbild und Pausen wird es abhängen, wie groß
Gottes
einerseits das Vertrauen ist, sich als
unwissend in sexuellen Dingen zeigen
Nein sagen dürfen
Verantwortung
für
die
eigene
Würde
und
zu dürfen, und wie einfühlsam und
Nein sagen lernen
die des anderen sehen und wahrnehmen respektvoll andererseits die
eigene Grenzen setzen lernen
lernen.
„Wissenden“ Informationslücken
Grenzen der anderen respektieren lernen
schließen helfen. In keinem Unterricht
angemessen über sexuelle Themen sprechen
sollte es zu Bloßstellungen von
auf reale Gefahren ( Missbrauch, sexuelle Gewalt) in
Schülerinnen und Schülern durch
angemessener Form aufmerksam machen
Mitschülerinnen und Mitschüler oder
Schutzmaßnahmen vor Infektionen allgemein
durch Lehrerinnen und Lehrer kommen.
thematisieren (Unfall auf dem Schulhof, Behandlung von
Wunden)
57
7.1.2. Klassen 3/4
Themen im Sachunterricht
•
•
•
Bedürfnis nach
Zärtlichkeit und Liebe
Umgang mit
Konflikten - Kann ich
mich behaupten? Muss
ich Rücksicht nehmen?
Achtung vor dem
Schamgefühl anderer
Themen in anderen Fächern
Bezug zum christlichen Menschenbild
Intentionen
Lieben-Lernen ein Leben lang
Religion:
Eigene und fremde Erwartungen „Prinzip
Menschenwürde“:
die
und Hoffnungen kennen lernen spezifische Verletzbarkeit des Menschen
als Ebenbild Gottes
Sprache:
Freundschaftsgeschichten lesen Das Bedürfnis nach Angenommensein und
und schreiben -Freundschaften Liebe als „Folge der göttlichen Liebe“
beschreiben
einschätzen, die Verschiedenheit und
Was macht eine Freundschaft
Angemessenheit der Ausdrucksformen der
aus?
Freundschaft, Zuneigung, Zärtlichkeit und
Liebe in der Beziehung zu Eltern,
Religion: Erfahrungen mit Leid Verwandten, Freunden kennen lernen.
Freundschaft und Liebe machen auch
– Umgang mit Leid
verletzbar. Menschliche Beziehungen
gelingen nicht störungsfrei. Der Freund
darf sich dem Freund nicht bedingungslos
ausliefern.
Sich
bewusst
werden, dass
die
Wirklichkeit mehrdimensional ist und
unterschiedlich gesehen werden kann.
Das Schamgefühl als Bereicherung erkennen.
Bezug zur moral.-psych. Entwicklung
Bemerkungen
Etwa im Alter von 7-8 kann Stufe 2
erreicht werden:
Moral hat wesentlich mit Gegenseitigkeit zu tun. (z.B. das Quälen von Tieren
wird deshalb verworfen, weil man
selbst auch nicht gequält werden will
und nicht ( vgl. Stufe 1), weil die
Erwachsenen es so wollen).
58
•
•
•
•
•
•
•
Jungen und Mädchen Sprache:
Geschlechtsspezifische Geschlechter und Rollen in der
Werbung
Merkmale benennen
Berufe der Eltern
Rollenverhalten früher
und heute
Sexualität als grundlegendes Daseinsprinzip
„Prinzip
Menschenwürde“:
die
spezifische Verletzbarkeit des Menschen
als Ebenbild Gottes
Religion:
Streit und Versöhnung, Schuld
und Vergebung
Zehn Gebote
Gottes unwiderrufliches
Interesse am Menschen –
Versöhnungsangebot Gottes
Gemeinschaftsfreiheit und das Vermögen
zu Bindung und Liebe
Verantwortung für den ganzen Menschen:
Liebe und Verantwortung lassen sich
deshalb nicht voneinander trennen.
Findung von Regeln und Grenzen
Beziehungen können
gelingen oder auch
scheitern
Zusammenleben in
Beziehungen bedarf
bestimmter Regeln
Fragen zu unterschiedlichen sexuellen
Orientierungen nicht
verweigern*
Das Rollenverhalten sollte nicht zu
plakativ beschrieben werden. Auch
scheinbar „Unzeitgemäßes“ hat
Anspruch auf Akzeptanz. Ferner ist auf
die äußerst differenzierte individuelle
Ausprägung zu achten. Sie sollte
Die Instrumentalisierung und Manipu- respektiert und gefördert werden.
lierung der Geschlechter in der Werbung
erkennen.
Sich des unterschiedlichen Verhaltens von
Jungen und Mädchen bewusst werden und
Eigenheiten zulassen, statt Gleichmacherei anzustreben.
Berufe auf ihre Affinität zu den
Geschlechtern prüfen und eine Offenheit
zulassen..
Regeln, Erwartungen und Haltungen benennen, die auch für das Gelingen von
Freundschaft gelten.
Stufe 3 stellt sich meist erst gegen Ende
der Grundschulzeit ein: Eigenverantwortung ja – aber moralische
Standards von Peergruppen bekommen
Gewicht.
Es ist davon auszugehen, dass einige
Kinder bereits schmerzhafte
Erfahrungen mit scheiternden
Beziehungen und Ehen gemacht haben.
Hier ist Einfühlungsvermögen und
großes Taktgefühl der Lehrenden
notwendig.
59
Themen im Sachunterricht
•
•
•
•
•
ZeugungSchwangerschaft –
Geburt
Bedürfnisse eines
Säuglings
Entwicklung zum
Erwachsenenalter –
geschlechtliche
Reifung
Themen in anderen Fächern
Bezug zum christlichen Menschenbild
Intentionen
Religion:
Einmaligkeit als Gabe und
Aufgabe
Gott: Schöpfer der Welt
Einstellung zur Schöpfung:
Staunen, Ehrfurcht, Demut,
Dankbarkeit, Verehrung
Fruchtbarkeit als Mitwirken an
der Schöpfung
Güte der Schöpfung
Fruchtbarkeit als Mitwirken an der
Schöpfung
Fragen zur
Empfängnisverhütung
in angemessener Form
aufgreifen, wenn
erforderlich*
Fragen zum
Themenbereich
Schwangerschaftskonflikt –Kinderlosigkeit, wenn
erforderlich*
Bezug zur moral.-psych. Entwicklung
Bemerkungen
Die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten als Geschenk des Schöpfergottes
verstehen und lernen, damit umzugehen.
Leben ist Geschenk
In Anbetracht der frühen GeschlechtsFruchtbarkeit ist Mitwirken mit dem reife (12 Jahre bei Mädchen) und der
Schöpfer und an seiner Schöpfung
zunehmenden Teenagerschwangerschaften ist zu erwägen, ob nach
Es soll deutlich werden, dass die volle Absprache mit den Eltern schon jetzt
geschlechtliche Gemeinschaft und die Kontakte zu kirchlichen Beratungsdamit verbundene Möglichkeit der stellen geknüpft werden sollten. In
Zeugung neuen Lebens nach kirchlicher jedem Fall ist sehr behutsam eine
Lehre der Ehe vorbehalten ist.
Güterabwägung erforderlich. Die
Aussagen zu Empfängnisverhütung
und Schwangerschaftskonflikt sollen
nicht außerhalb des Kontextes der
kirchlichen Sexualmoral behandelt
werden.
Kunst – Musik – Sport:
ergänzend einbeziehen
60
Beide Schuljahre und alle Fächer durchziehende
Unterrichtsprinzipen:
•
•
•
•
•
•
•
•
Nein sagen dürfen
Nein sagen lernen
eigene Grenzen setzen lernen
Grenzen der anderen respektieren lernen
über sexuelle Themen angemessen sprechen lernen
sexuellen Missbrauch und sexuelle Gewalt in
angemessener Form thematisieren
Erste-Hilfe-Maßnahmen (anbieten eines Erste-HilfeKurses für Kinder)
Schutzmaßnahmen vor Infektionen
Gottesebenbildlichkeit bedingt die Würde
des Menschen
Sexualität als authentischer Ausdruck von
Liebe, geprägt von Achtung der Intimität
des anderen.
Die Entfaltung von Sexualität und Liebe,
die Integration der Sexualtät in die Mitte
der Person ist, wie alle menschliche
Entwicklung, ein Prozess, der auch
Abstand und Selbstentfaltung braucht. Es
sollte deutlich werden, dass hier, wie in
anderen Bereichen, die körperliche
Reifung und Bereitschaft allein nicht
ausreichen.
*Kein Wissen aufzwingen, das nicht im Fragehorizont der Schülerinnen und Schüler steht!
61
7.2. Sekundarstufe I
7.2.1. Klassen 5/6
Das im Folgenden skizzierte Konzept für eine Unterrichtssequenz (Vorschlag: Tage der Orientrierung) geht von Klassen mit Jungen und Mädchen
aus, betreut durch eine Lehrerin und einen Lehrer als Team. Auch in reinen Jungen- oder Mädchenklassen lassen sich ebenfalls viele der
vorgeschlagenen Arbeitsphasen durchführen. Eine Betreuung durch ein Team, bestehend aus einer Lehrerin und einem Lehrer, entfällt dann, aber die
Kooperation von zwei Lehrerinnen (bei Mädchen) bzw. zwei Lehrern (bei Jungen) ist anzuraten.
Zum Unterricht im Vorfeld:
Das Lehrer-Team sollte überlegen, welche Themenfelder in den einzelnen Fächern vorbereitend für diese Sequenz im Unterricht behandelt werden
können, ohne jedoch vom zentralen Inhalt etwas wegzunehmen.
Je nach Fach sind hier verschiedene Themen denkbar. Im Fach Deutsch könnte dies sein: Gefühle beschreiben, sich in andere Menschen, in andere
Rollen hineinzuversetzen. Im Fach Politik könnte es um das Zusammenleben von Menschen gehen, um das Leben in Gruppen und um
Gruppenrollen. Im Fach Religion bietet sich die Behandlung von Werten und Normen an: Was ist mir wichtig, was ist den anderen wichtig? Im Fach
Biologie könnte der Zugang über das Thema „Geburt eines Kindes“ erreicht werden, ebenso denkbar ist der Zugang aber auch über das Thema „Bau
der inneren Organe und der Geschlechtsorgane“. In jedem Fall werden Absprachen und Zusammenarbeit mit dem Biologieunterricht vorausgesetzt.
Die Fakten, die dieses Fach zu liefern hat, sind nicht durch eine Lehrkraft mit anderer Fakultas in gleicher Kompetenz zu erarbeiten. Im Fach Kunst
könnte die Auseinandersetzung mit dem Bild des Menschen in der Werbung oder das Malen eines Selbstportraits oder eines eigenen Wappens o.ä.
zur Auseinandersetzung mit der Frage führen: Wer bin ich, wer will ich sein?
Zur unmittelbaren Vorbereitung:
Die gemeinsame Vorbereitung im Team der Lehrer der Jahrgangsstufe ist sehr wichtig. Dort werden wichtige Rahmenbedingungen festgelegt und
im Kontakt eventuell mit externen Fachleuten (z.B. Caritas-/esperanza-Beratungsstellen) überlegt, inwieweit eine Einbeziehung von externen
Beratern sinnvoll und möglich ist. Wichtig ist auch die Information und Einbeziehung der Eltern im Rahmen des vorgeschriebenen Elternabends.
Denkbar ist auch, die Schülervertreter der Jahrgangsstufe in die Vorbereitung mit einzubeziehen. Auf ein Vortreffen mit den Lerngruppen / Klassen
von etwa 3 Unterrichtsstunden sollte nicht verzichtet werden. So lassen sich erste Themenwünsche der Schüler erkennen – und die
Themenschwerpunkte besser vorbereiten.
62
Allgemeine Vorbemerkungen zur Durchführung:
Nach einer Phase der Einstimmung auf das neue Thema und auf die etwas anderen Methoden der Arbeit wird es wichtig sein, zunächst in
geschlechtshomogenen Gruppen (Jungen / Mädchen) im Prinzip das folgende Thema zu bearbeiten: Mein Körper verändert sich – was bedeutet dies
für mich und für meinen Umgang mit meinen Klassenkameraden? Dieses Thema lässt sich nur in Kommunikation und damit auch in der Einübung
von Partnerschaft sinnvoll bearbeiten. Deshalb sind die Schüler an Methoden heranzuführen, die einen vertrauensvollen Rahmen für Gespräche
bieten, die im entsprechend geschützten Raum im Laufe der Zeit immer offener werden können, die aber stets die Würde und die Intimsphäre des
anderen respektieren. Auch die Lehrerin/ der Lehrer muss respektieren, dass Schülerinnen oder Schüler sich im Plenum nicht äußern möchten. Hier
ist großes Feingefühl gefordert. Eine entsprechende Arbeitseinheit kann in einer Abfolge von Einzelarbeit – Partnerarbeit – Kleingruppenarbeit
bestehen und/oder in methodisch gestalteten Gesprächsrunden in geschlechtshomogenen Gruppen. Verschiedene Übungen bis hin zum Rollenspiel
können als Erlebnisräume Einstellungen erfahrbar und bewusst machen. Zur kognitiven Auseinandersetzung können Arbeitsblätter, Einzelarbeit,
Partnerarbeit, Kleingruppenarbeit und Diskussionen im Plenum eingesetzt werden.
Während der gesamten Tage sollte ausreichend Raum für Rückmeldungen an die begleitenden Lehrer sein. Am Ende sollte eine Abschlussrunde mit
der Möglichkeit für jeden Beteiligten stehen, ein persönliches Ergebnis zu formulieren.
Eine Nachbereitung kann in Form einer Runde „Klärung von offenen Fragen“ nach drei bis vier Tagen zusammen mit den betreuenden Lehrern
erfolgen (2 Unterrichtsstunden).
63
Exemplarische Umsetzung mit Erläuterungen (z.T. in Stichworten)
Die folgenden Ausführungen sind als Anregungen gedacht – zur Illustration der vorgenannten Überlegungen und der Ausführungsbestimmungen für
die Katholische Freien Schulen (Teil I). Dementsprechend sind Zeitraster und Themenfolge auf die jeweilige Gruppe abzustimmen.
Thema / Methode
Bezug zum christlichen Menschenbild
Intentionen
Bezug zur moral.-psych. Entwicklung
Bemerkungen
Die Mehrzahl der Schüler befindet sich
nach Oser auf der Stufe 2 (O 2) der
1. Abschnitt :
Die Schülerinnen und Schüler sollen
religiösen Entwicklung („Ich gebe, dass du
Das bin ich – so fühle ich mich
Einstieg: Wie beim Beginn eines jeden neuen
erkennen, dass ihre äußere Gestalt
mir gibst), je nach Entwicklungsstand sind
Themas brauchen Kinder die Gelegenheit zur
(Geschlecht, Körpergröße, Größe der Hände wenige auf dem Weg, diese zu überwinden.
Einstimmung. Denkbar sind hier kleine Übungen
und Füße) zu den Vorgegebenheiten gehört, In der Regel haben Schüler der Klasse 6 die
zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Die
die sie annehmen und mit ganzer Person
Stufe 2 (K 2) oder 3 (K 3) nach Kohlberg
Kinder können sich beispielsweise nach verschiebejahen sollen.
erreicht:
denen Kriterien in Kleingruppen zusammenfinden: Zum anderen sollte deutlich werden, wie
K 2: Stufe des Individualismus – des Zwecknach Kleidung, nach Schuhart, nach Körpergröße, zufällige, äußerliche, veränderbare Merkmale Mittel-Denkens und des Austausches
nach Geschlecht... Damit bekommen sie
(Schuhe, Frisur, Kleidung etc.) Menschen
K 3: Die Stufe gegenseitiger
Gelegenheit, sich je nach Eigenart und Kriterium
einordnen und gegen ihren Willen festlegen interpersoneller Erwartungen, Beziehungen
in variierenden Gruppen wiederzufinden. (Diese
können.
und interpersoneller Konformität.
können sich geschlechtsgemischt oder
geschlechtshomogen ergeben).
Die Kinder sollen wahrnehmen, dass
Es ist auf Diskretion und Sensibilität zu
Vertiefung:
Entwicklung und Veränderungen zum
achten. Unzufriedenheit mit dem eigenen
In geschlechtshomogenen Gruppen körperliche und Menschen gehören (vor allem, wenn man
Äußeren und daraus resultierende
seelische Veränderungen benennen.
größere Zeiträume – seit der Geburt –
Verunsicherung und Überempfindlichkeit
Eine Frage könnte sein: Wer ist im letzten Jahr sehr bedenkt). Sie sollen die vorübergehenden
sind in dieser Altersstufe besonders hoch.
deutlich gewachsen? Damit könnte auf körperliche Veränderungen (Pickel, unausgeglichene
Gleichzeitig muss deutlich werden, dass ein
Veränderungen und auf die beginnende Pubertät
Proportionen, Stimmungsschwankungen etc) offenes Gespräch darüber zu einer
hingewiesen werden.
von bleibenden Veränderungen unterscheiEntkrampfung in dieser Frage beitragen
Dann kann die Frage in den Raum gestellt werden: den können und sich der Tatsache bewusst
kann.
Etwas verändert sich bei Jungen und Mädchen –
werden, dass derartige Veränderungen
Der Markenfetischismus bei Kleidung und
was ist das? Welche Fragen stellen sich dabei?
Irritationen und Ängste auslösen können.
sonstigen Konsumgütern könnte hier
angesprochen werden.
64
Gemäß neueren Forschungsergebnissen
setzt die Geschlechtsreife zwar zunehmend
früher ein, dennoch müssen die Lehrenden
nach wie vor – auch in geschlechtshomogenen Gruppen – mit sehr heterogenen
körperlichen und seelischen
Entwicklungsstadien rechnen.
Sammeln von Beobachtungen oder Fragen in
Partnerarbeit auf Karteikarten (Anonymisierung!).
Durch Sortieren können die Kinder die für sie
wichtigen Themenfelder herausfinden – und dies kann
die Grundlage für eine Planung der Unterrichtssequenz
sein.
So sehe ich mich
Einstieg: (z.B. Bildung von Gruppen nach
verschiedenen Zuordnungen) Welches Tier,
welche Farbe, welches Musikinstrument gibt am
besten meine Selbstwahrnehmung, meine
Wunschvorstellung oder meine Stimmungslage
wieder?
Geschlechtshomogene Gruppe:
Einzelarbeit/Partnerarbeit: Brainstorming über
herausragende Eigenschaften von anderen (oder
eigene) – und wie diese in Symbolen z.B. in
Wappen dargestellt werden könnten. –
Aussprache in der Gruppe.
Sexualität als grundlegendes Daseinsprinzip, Gut ist es.....
eigenen und anderen Bedürfnissen zu
dialogische Existenz
dienen (Stufe K 2)
Sexualität: ganzheitlich
Die Kinder sollen durch Reden in Symbolen
über eigene hervorstechende Eigenschaften
oder über eigene Wunschbilder nachdenken
und – wenn sie es wünschen – darüber
sprechen.
65
Thema / Methode
Bezug zum christlichen Menschenbild
Intentionen
So sind meine Gefühle in verschiedenen
Situationen:
Geschlechtshomogene Gruppe: Brainstorming
über Gefühle, die Menschen haben.
Einzel-/Partnerarbeit: jeder sammelt zu einigen
typischen Gefühlen jeweils charakteristische
Situationen, Darstellung von ausgewählten
typischen Situationen z.B. als Standbild –
Erraten der dargestellten Gefühle - Aussprache.
Liebe als Basis von Partnerschaftlichkeit
So erkenne ich Gefühle bei anderen:
Geschlechtshomogene Gruppe: GefühleTombola: In Dreiergruppen spielt jeweils ein
Kind den anderen durch Körperhaltung im
Sitzen, in der Bewegung ... ein Gefühl vor, das er
/ sie zuvor aus einem „Gefühletopf“ blind
gezogen hat. Die anderen raten und tauschen sich
darüber aus, wie gut man an der Körpersprache
die Gefühle eines Menschen abschätzen kann.
Liebe und Verantwortung
Bezug zur moral.-psych. Entwicklung
Bemerkungen
Die Kinder sollen erkennen, dass und wie
seelische Empfindungen körperlich vermittelt
werden. Sie sollen verstehen lernen, dass sie
sich durch Zeigen von Gefühlen anderen
gegenüber verständlich, aber auch verletzlich
machen. Deshalb ist abzuwägen, in welchen
Situationen welche Gefühle zu zeigen oder
zu verbergen sind. Das Zeigen von Gefühlen
kann auch als Mittel oder gar als „Waffe“
eingesetzt werden.
Die Schülerinnen und Schüler sollen
wahrnehmen, dass der Körper Spiegel der
Seele sein kann, dass aber auch Gefühle (auf
Kommando) vorgespielt und vorgetäuscht
werden können.
... sich um andere und deren Empfindungen
kümmern, sich Partner gegenüber loyal und
zuverlässig verhalten.
(Stufe K 3)
66
Thema / Methode
So können wir gut miteinander – auch über Gefühle
- sprechen:
geschlechtshomogene Gruppe: Übungen in den
Dreier-Gruppen (s.o.): Gespräch im Rollenspiel
(2 Kinder) zu Themen (nicht nur, aber auch im
Bereich der Sexualität) nach einer Auswahl von
Themen (z.B.: Du lässt mich nie mitspielen!). Es
werden verschiedene Varianten von den drei
Kindern ausprobiert.
Sammeln von Erfahrungen, die zu positiven
Ergebnissen führen.
In Partnerarbeit: Situationen bedenken, in denen
ich nicht über meine Gefühle sprechen will.
In Einzelarbeit: Mit der Person kann/will ich über
meine Gefühle sprechen, mit der nicht.
Bezug zum christlichen Menschenbild
Intentionen
Bezug zur moral.-psych. Entwicklung
Bemerkungen
Die Kinder sollen erkennen, dass sie durch
das Reden über Gefühle sehr viel
differenzierter seelische Befindlichkeiten
ausdrücken können als durch bloße
Körpersprache. Sie sollen über die Bedeutung
des Redens über Gefühle für Argumentation
und Zielrichtung der Kommunikation
nachdenken. Sie sollen Voraussetzungen für
ein Gespräch über Gefühle nennen und
bedenken, wie Vertrauen und
Gefühlsoffenheit miteinander
korrespondieren (Ich kann und will nicht mit
jedem Gesprächspartner über jedes meiner
Gefühle sprechen.).
Unverzichtbar ist die Akzeptanz von
Schülerinnen und Schülern, die zum Thema
nicht öffentlich reden wollen. Es sollten nur
Wortmeldungen angenommen und nicht
verlangt werden.
Darüber haben wir bisher gearbeitet – und das sind
unsere Ergebnisse:
Die Gruppe der Jungen und die der Mädchen
stellen – in Auswahl – einige ihrer Ergebnisse vor
(z.B. Ausstellung der Wappen, falls einige gemalt
wurden, wenige Standbilder), Austausch über die
„Regeln für ein gutes Gespräch“
Rückblickrunde unter Wahrung der Intimität
(Blitzlicht): Das ist mein wichtigster Eindruck,
meine wichtigste Erfahrung vom heutigen Tag.
67
Thema / Methode
Bezug zum christlichen Menschenbild
Intentionen
Dies Die
Diesollen Die Kinder sollen erkennen, dass auf allen
2. Abschnitt:
Gebieten – auch und gerade im Bereich der
So bin ich – so wird mein Körper einmal sein!
Einstieg: (ganze Klasse) einige (4-7) räumliche Sexualität – sehr verschiedene Meinungen
Meinungsbilder (es wird eine Aussage mitgeteilt existieren, die einander auch widersprechen
können, sei es aus Unkenntnis oder bewusst
und die Kinder stellen sich entlang einer
verfälschend, ungenau, pauschalisierend,
gedachten Linie auf. Dabei bedeutet das eine
tendenziös, ungesichert, subjektiv oder der
Ende: Ich stimme der Aussage voll zu. Das
Erwartung eines Einzelnen oder einer Gruppe
andere bedeutet: Ich stimme dieser Aussage in
entgegenkommend.
keiner Weise zu.) Die Kinder können jede
Position zwischen den beiden Extremen wählen.
Es werden bewusst sehr pauschale und auch
falsche oder nur teilweise richtige Aussagen
genannt, um sehr verschiedene persönliche
Aussagen zu ermöglichen(z. B.: Alle Jungen sind
größer als Mädchen, Frauen sind kleiner als
Männer...). Einzelne Kinder – die möchten –
können begründen, weshalb sie diesen
„Standpunkt“ = Aussage gewählt haben.
Aus Jungen werden Männer – aus Mädchen werden
Frauen:
Sexualit
Der Blick auf das eigene Geschlecht:
geschlechtshomogene Kleingruppen (ca. 4
Kinder) (Mädchen / Jungen):
Dabei D.
Veränderungen im Äußeren (biologische Fakten
werden vorausgesetzt oder über ein Arbeitspapier
zur Erinnerung vorgelegt) Dabei können bei
Bezug zur moral.-psych. Entwicklung
Bemerkungen
Bei der Vielfalt der Standpunkte und
Meinungen ist darauf zu achten, dass nicht
der Eindruck völliger Beliebigkeit zurück
bleibt.
Sexualität als grundlegendes Daseinsprinzip, .. eigenen und anderen Bedürfnissen dienen
dialogische Existenz
und im Sinne des konkreten Austauschs fair
miteinander umgehen. (Stufe K 2)
Ganzmenschlichkeit, Selbstliebe als Basis
von Partnerschaftlichkeit
Die Schülerinnen und Schüler sollen
erkennen, dass sich nicht nur im Bereich der
primären und sekundären Geschlechtsmerkmale Veränderungen vollziehen, die im
Schlankheitswahn, Körperkult,
Essstörungen sollten mitbedacht werden.
68
Mädchen Themen wie Menstruation, Hygiene,
...., bei Jungen Themen wie Hygiene, Samenerguss, Selbstbefriedigung etc. angesprochen
werden.
Das Äußere wird wichtig. Der Blick in den
Spiegel irritiert. Jeder erkennt Makel und eigene
Vorzüge. Mädchen kaschieren durch Make-up.
Die Disproportionalität stört.
Unzufriedenheit mit der eigenen Entwicklung:
Ich möchte lieber eine andere Haarfarbe, eine
andere Hautfarbe, eine andere Figur haben.
Kleidung und Akzeptanz durch das eigene und
zunehmen durch das andere Geschlecht werden
wichtiger.
Großen und Ganzen geschlechtsspezifisch
einzuordnen sind und die den einzelnen
Menschen prägen. Sie sollen unterscheiden
lernen zwischen dem, was vorgegeben ist und
dem, was durch eigene Einstellungen die
Individualität der Person ausmacht. Sie sollen
bedenken, dass gerade in dieser Zeit die
Entwicklungsunterschiede besonders stark
sind und dass körperliche Merkmale weder
Grund zur Prahlerei noch zur Scham sind.
Eigenschaften prägen sich aus: was ist „typisch
männlich, typisch weiblich“? Vorsicht vor
pauschalen Urteilen !
Aus Jungen werden Männer – aus Mädchen werden
Frauen:
Der Blick auf das andere Geschlecht:
ie Kinde
Ausstellung der Ergebnisse der Kleingruppenarbeit der vorhergehenden Phase (soweit die
Betroffenen dies zulassen).
Informeller Austausch im Plenum: Was sind
wichtige /typische Eigenschaften von Jungen /
Mädchen?
.. eigenen und anderen Bedürfnissen
dienen und im Sinne des konkreten
Austauschs fair miteinander umgehen.
(Stufe K 2)
Die Kinder sollen die geschlechtsspezifischen Eigenschaften wahrnehmen und nicht
zu nivellieren versuchen, sondern als
Bereicherung für das jeweils andere
Geschlecht erkennen.
69
Thema / Methode
Bezug zum christlichen Menschenbild
Intentionen
Das bin ich jetzt – so will ich einmal sein!
Einstieg Kleingruppen (2-4 Kinder) erstellen
Collagen zum Thema „Männer – Frauen“. Diese
werden nach Fertigstellung ausgestellt und kurz im
Plenum erläutert.
Die Kinder sollen erkennen, dass Medien
verschiedene Identifikationsangebote für die
Heranwachsenden bieten. Sie sollen
überlegen, welche Arten von Menschen in
den Medien verzerrt, selten oder gar nicht
vorkommen.
Jungen sind doof – Mädchen sind zickig
dialogische Existenz
Arbeit in geschlechtshomogenen Gruppen:
Brainstorming der Jungen in Partnerarbeit:
Mädchen sind ... Austausch im Plenum der Jungen;
Brainstorming der Mädchen in Partnerarbeit:
Jungen sind ... Austausch im Plenum der Mädchen
Brainstorming wie oben, aber über das jeweils
eigene Geschlecht – danach Austausch in Jungen/Mädchenplenum.
Mädchen erhalten die Unterlagen der Jungen und
umgekehrt – Diskussion der Ergebnisse im
Vergleich zu den eigenen Aussagen.
Pubertät ist wenn ....
Bezug zur moral.-psych. Entwicklung
Bemerkungen
...fair miteinander umgehen (Stufe K 2)
Die Kinder sollen die Unterschiede in der
eigenen und in der Fremdwahrnehmung
erkennen. Sie sollen prüfen, welche
Beobachtungen zutreffen und welche
überzeichnet sind. Bei den zutreffenden
Beobachtungen sollen sie überlegen, ob sie
diese Eigenschaften mit Überzeugung
pflegen oder sie korrigieren wollen.
Die Kinder sollen erkennen, dass zwischen
der Geschlechtsreife und der Reifung zu einer
geschlechtshomogene Gruppen: Partnerarbeit: Ich verantwortlichen Persönlichkeit eine wichtige
blicke in die Zukunft: Veränderungen im Zeitraum Wegstrecke liegt, die durch Beobachtung,
Alter 10-25 Jahre. Körperliche und seelische Ver- Introspektion und Reflexion ausgefüllt
werden sollte. Sie sollten erkennen, dass
änderungen bieten Möglichkeiten.
Körperliche und seelische Fähigkeiten stimmen
dieser Prozess bei aller Dynamik der
nicht immer überein. Die körperliche Reifung geht Sexualität nicht auf diese reduziert werden
...der Mensch hat für sein Leben eine
eigene Verantwortung (Stufe 3 nach Oser)
.. eigenen und anderen Bedürfnissen
dienen und im Sinne des konkreten
Austauschs fair miteinander umgehen. (
Stufe K2)
..... sich um andere und deren
Empfindungen kümmern , sich Partnern
gegenüber loyal und zuverlässig verhalten
70
darf.
schneller voran. Die Seele muss nachkommen.
Auch in anderen Feldern könnte ich manches
mehr, als man mir zutraut (Ich könnte Mofa fahren,
Schecks unterschreiben...).
Ich entdecke neue Eigenschaften: Ich wirke durch
mein Äußeres und meine Art auf Jungen/Mädchen
– durch Kleidung, durch Frisur, durch Gesten und
Blicke.
Freundschaften mit dem eigenen Geschlecht
bleiben wichtig, aber auch mit dem anderen
Geschlecht suche ich Begegnungen.
Sexualität ist nicht alles, es bleiben die Pflichten
der Zukunftssicherung: Was will ich einmal sein,
wer will ich einmal sein. Was muss ich heute tun?
(Stufe K3)
Nähe kann gut sein – Nähe kann Angst machen
(sexueller Missbrauch)
Prinzip Menschenwürde
Würde des Menschen als Gottes Ebenbild
geschlechtshomogene Gruppen:
Übungen zu Distanz und Nähe
Kennzeichen der Nähe: Jemandem zuhören, für
jemanden Zeit haben, Geheimnisse teilen, zu
jemandem halten, wenn er in Not oder Gefahr ist.
Geschlechtsspezifische Formen des Tröstens
Nein-Sagen, wenn die Handlungen des anderen
nicht den eigenen Empfindungen entsprechen und
dem Stadium der Beziehung angemessen sind.
Die Schülerinnen und Schüler sollen
erkennen, dass Nähe-Suchen und NäheInformationen über Beratungsstellen,
Brauchen sehr unterschiedliche Formen und Kinderschutzbund, Sorgentelefon etc
Motive haben können. Die Ambivalenz
ebenso wie die Fülle der Formen und Motive
sollten reflektiert werden.
... eigene Bedürfnisse ernst nehmen (Stufe K
2)
71
Thema / Methode
Bezug zum christlichen Menschenbild
Intentionen
Bezug zur moral.-psych. Entwicklung
Bemerkungen
Wenn ich einmal groß bin...
Verschiedene Methoden in
Kleingruppen/Partnerarbeit (z.B. fiktiver
Liebesbrief, Gedicht, Zeichung, Collage)
Dialogische Existenz
Für einige Schüler könnte wichtig werden:
... der Mensch hat für sein Leben eine
eigene Verantwortung (Stufe 3, O3 nach
Oser)
...fair miteinander umgehen (Stufe K 2)
Rückblick über diese Unterrichtssequenz :
Rückmeldungen, erarbeitet in Kleingruppen
(4-6-Teilnehmer), z.B. als Ergänzungen zu
folgenden Aussagen (auf Flipcharts): dies hat
mir gut gefallen:; das habe ich vermisst:; das
wünschte ich mir anders: Und was ich sonst
noch sagen wollte.
Diese Flipcharts werden aufgehängt und das
Plenum hat die Möglichkeit, dazu etwas zu
sagen (und die Leitung kann – vorsichtig –
zum besseren Verständnis nachfragen).
Nach Abschluss der Unterrichtseinheit ist ein Rückblick im Leitungsteam sehr wichtig. Dabei sollte auch die weitere fachliche und pädagogische
Behandlung des Themas zur Sprache kommen: Gibt es Auswirkungen auf die soziale Situation der Klassen? Besteht die Notwendigkeit zu weiteren
pädagogischen Maßnahmen? etc..
72
7.2.2. Klassen 8/9
Das im Folgenden skizzierte Konzept für eine Unterrichtssequenz geht von Klassen mit Jungen und Mädchen aus, betreut durch eine Lehrerin und
einen Lehrer als Team. Auch in reinen Jungen- oder Mädchenklassen lassen sich ebenfalls viele der vorgeschlagenen Arbeitsphasen durchführen.
Eine Betreuung durch ein Team, bestehend aus einer Lehrerin und einem Lehrer, entfällt dann, aber die Kooperation von zwei Lehrerinnen (bei
Mädchen) bzw. zwei Lehrern (bei Jungen) ist anzuraten.
Zum Unterricht im Vorfeld:
Das vorbereitende Team der Lehrer/innen sollte überlegen, welche Themenfelder in den einzelnen Fächern vorbereitend für die Projekttage im
Unterricht behandelt werden könnten, ohne vom zentralen Inhalt etwas vorwegzunehmen.
Beispiele: Kunst – „Sehnsüchte“, „eigene Identität finden“, „Werbung“, Maske, digitale Collage, Fotokollage; Musik – „Rap-Texte“, „Songs“
zum Themas Liebe, Partnerschaft,....; Politik –„Bedeutung der Peer-group im Sozialisationsprozess“; Religion – „Ich und die anderen –
sich selbst finden“ „Auseinandersetzung mit Grundlagen und Maßstäben verantwortlichen Handelns aus christlicher Motivation“ (vgl.
Richtlinien Kath. Religionslehre); Biologie: Wirkungsweise von Hormonen allgemein und von Geschlechtshormonen, z.B. in der
Pubertät und im Zyklus der Frau; Deutsch: geglückte – gescheiterte Beziehungen
Zur unmittelbaren Vorbereitung:
Die gemeinsame Vorbereitung im Team der Lehrer der Jahrgangsstufe ist sehr wichtig. Dort werden wichtige Rahmenbedingungen festgelegt und
im Kontakt eventuell mit externen Fachleuten (z.B. Caritas-/esperanza-Beratungsstellen) überlegt, inwieweit eine Einbeziehung von externen
Beratern sinnvoll und möglich ist. Wichtig ist auch die Information und Einbeziehung der Eltern im Rahmen eines Elternabends (z.B.
Klassenpflegschaft). Denkbar ist auch, die Schülervertreter der Jahrgangsstufe in die Vorbereitung mit einzubeziehen. Auf ein Vortreffen mit den
Lerngruppen / Klassen sollte nicht verzichtet werden. Denn so lassen sich erste Themenwünschen der Schüler erkennen und die
Themenschwerpunkte besser vorbereiten.
Zur Durchführung:
Die Lern- und Erfahrungsprozesse sollten vorwiegend personenorientiert sein. Längere Zeiteinheiten der Erarbeitung von Themen in
geschlechtshomogenen Gruppen sollten sich abwechseln mit Phasen des gemeinsamen Austausches zwischen Mädchen und Jungen (z.B. über
anonymisierte Gruppenergebnisse). Erstere können vor allem auch bei den Jungen zur Stärkung der Geschlechtsidentität dienen. Zur Stabilisierung
der einzelnen Jugendlichen bieten sich Einzel-, Partner- und Kleingruppenarbeit an, aber auch Übungen, Symbolarbeit und Rollenspiele. Während
der gesamten Unterrichtssequenz ist ausreichend Raum für Feedbacks zu geben. Am Ende sollte auf jeden Fall eine Abschlussrunde stehen.
Eine Nachbereitung kann in Form einer „Runde für offene Fragen“ zusammen mit den betreuenden Lehrern erfolgen (2 Unterrichtsstunden).
73
Thema / Methode
Bezug zum christlichen Menschenbild
Intentionen
Die Jugendlichen sollen erkennen, dass sie
Vortreffen:
Einstieg
sich in einer Umgebung vorfinden, die die
Wie bei jedem Einstieg in eine neues Thema
Sexualität bereits be- oder abgewertet,
brauchen die Jugendlichen die Gelegenheit, sich
kultiviert oder vermarktet hat. Sie sollen
auf die Thematik einzustimmen. Denkbar sind hier erkennen, dass vor und neben ihrer Suche
kleine Übungen in Form von ersten Statements in nach einer gelingenden Integration der
Partner- oder Kleingruppen und im Plenum.
Sexualität in die Mitte der Person schon
andere Antworten aus unterschiedlichen
Ein erster inhaltlicher Zugang bietet sich u.a. mit
Motiven für sie bereit gehalten werden:
folgenden Übungen an:
Ökonomische Interessen: Sexuelle Motive
Bildergalerie: Austausch zu Freundschaft und
finden sich nicht nur in der Werbung.
Sexualität, Motive für die Bilder, Kriterien für gute Religiöse Bewertung: „Die befreiende und
Bilder
erfüllende Wirkung der in den christlichen
Grabbelsack : Arbeit mit Alltagsgegenständen im Lebensvollzug integrierten Sexualität und
Kontext von Liebe und Sexualität (Musik-CD,
Liebe ist ein Ziel, das nicht ohne (Selbst-)
Parfüm, Lippenstift, Schmuck, Haarspange,
Erziehung erreicht werden kann.
Haargel, Nagellack, Hochzeitsfoto, Bild eines
verliebten Paares...)
Collage zum Thema: Dies fällt mir zum Thema
Liebe, Sexualität Partnerschaft ein!
Märchen umschreiben ......
Vorstellen der Ergebnisse ......
Kartenabfrage: Was sind wichtige Themen, die
deiner Ansicht nach besprochen werden sollten?
Einzeln oder in Partnerarbeit Themen anonym auf
Karteikarten schreiben - Sortieren evtl.
Schwerpunktsetzung durch die Schüler.
Bezug zur moral.-psych. Entwicklung
Bemerkungen
Oser: Im Zuge beginnender Abgrenzung
von Erwachsenen erkennen Schüler
zunehmend den eigenen Verantwortungsbereich im Sinne der Stufe 3(O 3).
Kohlberg: Schüler der Klassen haben im
allgemeinen die Stufen 3 (K 3) (Stufe
gegenseitiger interpersoneller
Erwartungen, Beziehungen und
interpersoneller Konformität) und Stufe 4 (
K 4, Stufe des sozialen Systems und des
Gewissens) erreicht. Einzelne beginnen im
Sinne der Stufe 5 (K 5) Stufe des
Sozialvertrages oder des Nutzens für alle
und der Rechte des Individuums) zu
reflektieren.
Im Vorfeld ist es notwendig, dass sich auch
die Lehrenden Klarheit über ihren
Standpunkt verschaffen. Im Blick auf die
eigene Sexualitätsgeschichte sollten
mögliche eigene Verletzungen,
Verbiegungen und Hemmnisse erkannt
werden, damit nicht Traumata unreflektiert
auf die Lerngruppe übertragen werden.
74
Thema / Methode
Sprechen über Sexualität :
Kleingruppen (geschlechtshomogen):
An einigen ausgewählten Beispielen wird der
Versuch unternommen, eine angemessene,
respektvolle Weise der Beschreibung sexueller
Sachverhalte zu erarbeiten.
Gefühle sortieren
sortieren von Gefühlen im Kontext von Liebe,
Sexualität u. Partnerschaft unter dem Blickwinkel
stark bzw. weniger stark sexuell beeinflußt
(Suche nach Geborgenheit, sexuelle Anziehung, ,
Liebelei, Schwärmerei, Verliebtheit, ......,)
Bezug zum christlichen Menschenbild
Intentionen
Bezug zur moral.-psych. Entwicklung
Bemerkungen
.. sich um andere und deren Empfindungen
zu kümmern; (Stufe K 3)
Dialogische Existenz
.. die soziale Ordnung aufrecht zu erhalten
Würde des Menschen als Gottes Ebenbild
und für die Wohlfahrt der Gesellschaft zu
Die Jugendlichen sollen erkennen, dass ein sorgen. (Stufe K 4)
angemessenes Sprechen über Sexualität der
eigenen und der Würde des anderen Die selbstverständliche freie und zugleich
entspricht. Als Ebenbild Gottes kann der taktvolle Rede der Lehrenden kann zum
Mensch nicht auf „Einzelteile“ oder auf eine Maßstab für die Schülerinnen und Schüler
rein biologische Sichtweise reduziert werden. werden.
Sie sollen verstehen, dass respektvolles
Reden nicht Zeichen von Prüderie oder Hierhin gehört auch der Hinweis, dass es
Verklemmtheit ist, sondern der Achtung des sexuelle Sachverhalte gibt, von denen nicht
Menschen entspricht.
angemessen in der Öffentlichkeit geredet
werden kann, sondern nur in der intimen
Beziehung des liebenden Paares.
Die Jugendlichen sollen erkennen, dass sehr
unterschiedliche Gefühle und Erwartungen
mit der Sexualität verbunden sind und dass es
notwendig ist, diese Gefühle und Erwartungen zu analysieren, um sich selber nicht zu
täuschen und nicht getäuscht zu werden.
Erkennen, dass Entwicklung des Menschen
Freiräume und gestalterische Kraft braucht
und dass Entwicklung immer auch gefährdet
ist. Sich bewusst machen, dass der eigene
Selbstwert nicht von der Anerkennung eines
bestimmten Menschen abhängt.
75
Thema / Methode
Bezug zum christlichen Menschenbild
Intentionen
Bezug zur moral.-psych. Entwicklung
Bemerkungen
Wo sind deine /meine Grenzen?
Übungen zu Nähe und Distanz
Plenum, Feedback-Runde
Sexualität und Verantwortung
Liebe und Verantwortung
.. sich um andere und deren Empfindungen
zu kümmern; (Stufe K 3)
Sie sollen einsehen, dass sehr Vieles an
äußeren und inneren Bedingungen des/der
anderen und auch an eigenen Entwicklungen
und Einschätzungen zusammenkommen
muss, um Beziehungen einzugehen und
gelingen zu lassen (erst später habe ich
erkannt...).
In diesem Zusammenhang müssen auch die
Lehrenden respektieren, dass das Vertrauen
der Schülerinnen und Schüler ein Geschenk
ist, das nicht im Unterrichtsgeschehen
eingeplant oder gar eingefordert werden
kann. Jede Art von Druck – auch der
subtilste – ist hier unakzeptabel.
Wer ist mir sympathisch/unsympathisch –
weshalb? Wessen Nähe kann ich gut aushalten,
wessen nicht?
Zärtlichkeit – Kommunikation oder Manipulation?
Koinzidenz von innerer Haltung und äußerer ..sich um andere und deren Empfindungen
Handlung
zu kümmern; (Stufe K 3)
Aussprache über ein konkretes Fallbeispiel, das
das moralisch Richtige anzustreben und
als Text (oder Filmausschnitt) vorgegeben wird in
Die Jugendlichen sollen aufmerksam werden dabei die Grundrechte, Werte,. zu
der Kleingruppe (s. Thema 8)
Formen der Zärtlichkeit (ein zärtliches Wort, ein
auf die Sehnsucht des Menschen nach Gebor- unterstützen (Stufe K 5)
Blick, ein besonderer Händedruck, ein Anstoßen, genheit und unbedingter Annahme. Sie
Kicken mit dem Fuß, Kuss, Streicheln...)
sollen befähigt werden, vordergründige von
tiefergehenden Beziehungsaspekten zu
Wann dient Zärtlichkeit der Kommunikation?
Wann dient Zärtlichkeit der Manipulation?
unterscheiden.
Stufen der Zärtlichkeit
Bedingungen für eine gelingende Kommunikation
Feedback-Runde im Plenum
76
Thema / Methode
Bezug zum christlichen Menschenbild
Intentionen
Bezug zur moral.-psych. Entwicklung
Bemerkungen
„Flirten/
„Flirten/Anmache“
Koinzidenz von innerer Haltung und äußerer .. sich um andere und deren Empfindungen
Handlung
zu kümmern; (Stufe K 3)
.. sich Partnern gegenüber loyal verhalten,
Film/Comic zum Thema oder Zeichnungen, Bilder,
Die Jugendlichen sollen erkennen, dass es
(Stufe K 3)..
Collagen oder...
unterschiedliche Beziehungen zwischen
Das moralisch Richtige anzustreben und
Freunden und Freundinnen gibt, dass die
dabei die Grundrechte, Werte,. zu
Einzel-/Partnerarbeit:
Intensität einer Beziehung ein seelisches
unterstützen (Stufe K 5)
Warum ist es schön, von einem Jungen/einem
Fundament und eine äußere Form braucht
Mädchen „angemacht“ zu werden?
und dass die Qualität einer Beziehung von
Weshalb ist Flirten so schwer?
der „Koinzidenz von innerer Haltung und
Was ist eine billige „Anmache“ und wie schütze
ich mich davor?,.....
äußerer Handlung“ bestimmt wird.
Meine Rolle als Mädchen/Junge“
Plenum : Würfelspiel – ziehen von Karten mit „
Was wäre wenn... –Fragen“ (kurze, entsprechende
Situationsbeschreibungen.) – Stellungnahme der
gerade aktiven Spieler dazu - wenn gewünscht
kurze Aussprache im Plenum
Dialogische Existenz
..sich um andere und deren Empfindungen
zu kümmern; (Stufe K 3)..
Die Jugendlichen sollen die
.. sich Partnern gegenüber loyal verhalten,
geschlechtsspezifisch unterschiedlichen
(Stufe K 3)..
Argumentationen wahrnehmen und erkennen, Das moralisch Richtige anzustreben und
dass eine Kommunikation zwischen Jungen dabei die "Grundrechte, Werte, zu
und Mädchen auch auf Grund der
unterstützen.." (Stufe K 5
unterschiedlichen Denkmodelle nicht ohne
Weiteres gelingen muss und dass Empathie
Geschlechtsspezifisches Sprachverhalten
und behutsames einander Zuhören notwendig und die unterschiedlichen Reaktionen
sind.
darauf können im Unterrichtsgeschehen
aller Fächer beobachtet werden.
77
Thema / Methode
Bezug zum christlichen Menschenbild
Intentionen
Bezug zur moral.-psych. Entwicklung
Bemerkungen
Beziehung/ Partnerschaft/ Verantwortung“
Haus der Partnerschaft in der Kleingruppe malen,
bauen, darstellen oder:
Fragebogen: „Dies ist mir an einer Partnerschaft
wichtig.“
Heiratsanzeigen heraussuchen, nach Kriterien
sortieren
Grenzen einer Beziehung nennen (Mensch als
Mittel, Objekt des anderen, Egoismus zu zweit...)
Voreheliche Sexualität
Warten können. Das Haus bauen. Keiner zieht ein
Haus von einem Tag auf den anderen hoch, keiner
ohne Mittel und ohne verantwortliche Statik.
Partnersuche nicht zu früh abbrechen
Stufenleiter der Zärtlichkeiten
„Wenn es brennt“...
Keiner baut ein Haus, damit es brennt. Aber er hat
– gerade bei leicht brennbarem Material – für
Feuerbekämpfungsmittel zu sorgen.
Die Sexualität ist eine der stärksten Kräfte im
Menschen. Daher kann es vorkommen, dass sie
einen Menschen zu Handlungen mitreißt, die er
bewusst nicht wollte. Unter diesen Prämissen wird
von Empfängnisverhütung zu sprechen sein.
Die Schülerinnen und Schüler sollen einige
Das moralisch Richtige anzustreben und
der vorherigen Gedanken in ihr Haus der
dabei die Grundrechte, Werte,. zu
Partnerschaft einbauen. Sie sollen prüfen, in- unterstützen (Stufe K 5)
wieweit sich Menschen zu Tauschobjekten
degradieren lassen. Sie sollen etwas davon
ahnen, dass der Mensch dem anderen ein
Geheimnis ist und bleibt, auch wenn die
Partner sich im Vertrauen gegenseitig öffnen.
Die Jugendlichen sollen erkennen, dass die
Kirche die Erfüllung der Sexualität in der
Ehe sieht, die zwei Menschen eingehen, die
füreinander Verantwortung übernehmen
können und wollen.
Empfängnisverhütung ist zwar von einer
anderen moralischen Qualität als Abtreibung;
der Würde von Mann und Frau sowie ihrer
geschlechtlichen Vereinigung entspricht aber
nur die Natürliche Familienplanung (NFP),
die auch von der Deutschen
Bischofskonferenz propagiert wird.
Informationen über Verhütungsmittel, ihre
Wirkweise, Anwendung, medizinische
Bewertung etc. sollten ermöglicht werden.
Dazu empfiehlt sich die Zusammenarbeit
mit kirchlichen Beratungsstellen oder
christlich orientierten Ärztinnen oder
Ärzten.
78
Thema / Methode
Bezug zum christlichen Menschenbild
Intentionen
Bezug zur moral.-psych. Entwicklung
Bemerkungen
Weitere Themen :
In der o.g. Art und Weise könnten je nach
Interessenslage der Schüler und Schülerinnen
noch weitere Themen bearbeitet werden. Dazu
könnte als „Referenten“ u.U. auch Mitarbeiter von
externen Beratungsstellen dazu gebeten werden.
Die Güte der Schöpfung
Würde des Menschen als Ebenbild Gottes
Selbstentfremdung als „Sünde“
Sexualität und Verantwortung
Liebe und Verantwortung
Oser: Im Zuge beginnender Abgrenzung
von Erwachsenen erkennen Schüler
zunehmend den eigenen
Verantwortungsbereich und grenzen ihn ab
- im Sinne der Stufe 3(O 3).
Das moralisch Richtige anzustreben und
dabei die Grundrechte, Werte,. zu
unterstützen (Stufe K 5)
Didaktisch und methodisch könnte dies in Form
von Workshops erfolgen, welche sich die Schüler
und Schülerinnen je nach Neigung und Interesse
aussuchen können.
Rückblick über diese Unterrichtssequenz :
Rückmeldungen, erarbeitet in Kleingruppen (4-6-Teilnehmer), z.B. als Ergänzungen zu folgenden Aussagen (auf Flipcharts): Dies hat mir gut
gefallen; dies habe ich vermisst; das wünschte ich mir anders; und was ich sonst noch sagen wollte
Die Ergebnisse auf Flipcharts werden aufgehängt und das Plenum hat die Möglichkeit, dazu etwas zu sagen (und die Leitung kann etwas nachfragen
zum besseren Verständnis und damit eventuell ein Gespräch in der Gruppe anregen).
Nachbereitung:
Trotz des Gesamtfeedbacks am Ende der Unterrichtsreihe empfiehlt es sich, in kurzem zeitlichen Abstand noch einmal eine Rückschau auf die
Projekttage vorzunehmen. Erfahrungsgemäß werden emotionale Erlebnisse in den folgenden Tagen intensiv weiter verarbeitet und so tauchen neue
Fragen auf, die das Bedürfnis nach Austausch mit sich bringen. Gerade hier liegt die Verantwortung der betreuenden Lehrer, eventuelle „offene
Fragen“ aufzufangen.
Methodisch bietet sich hier z.B. Folgendes an:
ein Blitzlicht „Wenn ich an das Thema der letzten Unterrichtsreihe denke dann.... und "zu den 'offenen Fragen' “,
anonyme Statements auf Karten/Klebezettel zur Evaluation der Unterrichtsequenz (Was war mir inhaltlich wichtig? Was hat gefehlt? Was hat mir
gefallen? Was hat mir nicht gefallen?).
79
Der oben skizzierte exemplarische Verlauf einer Unterrichtssequenz soll zu anregenden Gesprächen und Erfahrungen unter Jugendlichen führen.
Dies gelingt umso besser, je mehr schüleraktivierende Methoden eingesetzt werden und der Lehrer über entsprechende Moderationserfahrung
verfügt. Manche Übungen können eine große Betroffenheit auslösen und sollten deshalb nur nach entsprechenden eigenen Erfahrungen eingesetzt
werden (Fortbildung). Für die Schlussauswertung der Gesamtveranstaltung sollte genügend Zeit eingeplant werden (ca. 2 Stunden). Thematisch
wichtig ist hier der Rückblick auf die Entwicklung der vollzogenen Erfahrungen und Inhalte, die Reflexion der Ergebnisse und die Ziele und
Wünsche für die Zukunft, die u.a. auch das Schulleben betreffen können. Gedacht ist hier an das Aufgreifen von wichtigen Themen im
anschließenden Unterricht.
Eine Nachbereitung im Team der Lehrer, das diese Lernsequenz gestaltet hat, sollte zwei Aspekte umfassen:
1. Reflexion des Ablaufs der Projekttage und deren Akzeptanz bei den Schülern im Verhältnis zu den angestrebten Zielen,
2. eine Vereinbarung darüber, welche Themen im Anschluss an diese Lernsequenz im Unterricht vertieft werden könnten.
80
7.3. Sekundarstufe II
7.3.1. Methodische Hinweise
In der Sexualerziehung der Oberstufe geht es nicht nur um die Erweiterung von Sachkenntnissen, sondern auch um die Vertiefung der in der
Sekundarstufe I erworbenen Einsichten und Verhaltensweisen durch Reflexion und Kompetenzerweiterung. Dieser Prozess wird in der Regel durch
den regulären Fachunterricht begleitet. Die Schüler der Oberstufe realisieren in diesen Jahren, wenngleich individuell zu unterschiedlichen
Zeitpunkten, den Schritt zum Erwachsensein. In der Entwicklung des religiösen Bewusstseins zeigen sich die Schüler in der Lage, die
'Abnabelungsprozesse' aus der Sekundarstufe I zu überwinden und die Integration von persönlicher Freiheit und religiöser Glaubenshaltung zu
leisten. In der Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit können die Schüler gegen Ende der Schulzeit nicht selten postkonventionelles Niveau
erreichen. Die Entwicklung ist indes von den individuellen und pädagogischen Rahmenbedingungen und Ermöglichungen abhängig.
Die im Folgenden vorgestellten Methoden haben den Vorteil des freiwilligen Austausches zwischen den Schülern, ohne dass ihr Gespräch oder die
Resultate der hierbei erfolgten Fremd- oder Selbsteinschätzung veröffentlicht werden. Sie eignen sich im Besonderen, eine gute Atmosphäre in der
Lerngruppe zu schaffen und so einen vertieften Gedankenaustausch einzuleiten.
•
Brainstorming: (assoziative Erschließung von Gedanken)
1. in Form eines Ideensternes: Jeweils vier/sechs Schüler sitzen um einen Tisch mit großem Blatt zwischen sich, in der Mitte ein Wort (wird
eingekreist), dass das Thema gut zusammenfasst. Jeder schreibt nun ausgehend vom Wort in der Mitte Assoziationsketten aus
Einzelwörtern/kurzen Wortfolgen in Richtung Blattrand – Ideenstern, nach 2-3 Minuten – Drehen des Blattes, Leser der Worte,
Weiterschreiben, Austausch in der Kleingruppe, Plenum.
2. als Mind-Map (Gedankenlandkarte) um erste Ideen zu einem Thema zu entwickeln (Verständnis zu einem Sachverhalt gedanklich
gegliedert festzuhalten: Blanko-DIN-A4-Blatt im Querformat mit Thema in der Mitte beschreiben (umkreisen), strahlenförmig
Hauptgedanken mit Schlüsselwörtern in Hauptästen festhalten, weitere Einzelaspekte in Nebenästen hinzufügen.
•
•
Zettellawine: Auf Impuls des Lehrers zu einem Thema schreibt jeder Schüler ein Wort/einen Gedanken/eine Meinung auf einen Zettel,
dieser wird nach zwei Minuten zwei Plätze weiter nach links gegeben, dort kann ergänzt/erweitert werden; Weitergabe zwei nach links mit
entsprechender Ergänzung, evtl. vierter Verfasser und Rückgabe an den ersten. Danach Verlesen der Texte und Austausch.
Kartenabfrage: Schüler schreiben Fragen oder Meinungsäußerungen anonym auf DIN-A6-Karten oder Klebezettel, diese werden dann
gesammelt und thematisch nach Schwerpunkten geordnet, danach Beantwortung oder Aussprache im Plenum.
81
•
•
•
•
Rotierendes Partnergespräch oder auch Kommunikatives Stühlerücken: Schüler bilden Stuhlkreis oder Hufeisen, danach wird abgezählt
nach A-B, A-B etc., die B´s nehmen ihren Stuhl, gehen in den Innenkreis und setzen sich den A´s gegenüber: Partner erörtern bestimmte
Frage zum Thema: B stellt entsprechende Frage an A, welcher antwortet (zwei bis drei Minuten), Schüler im Innenkreis rücken auf ihren
Stühlen zwei Plätze weiter: Jetzt stellt A die gleiche Frage an B, welcher antwortet. Mit einer neuen Frage zum Thema wiederholt sich das
Vorgehen – drei bis fünf Fragen möglich. Vorteil: Viele Schüler kommen untereinander in Kontakt, Austausch im Schonraum der
Gesprächspartner, danach Austausch im Plenum zu den gemachten Erfahrungen, nicht zu Einzelheiten der Meinungen.
Rotierendes Gruppengespräch: (ähnlich wie oben) Gruppen von drei bis fünf Schüler besprechen zusammen eine vom Lehrer vorgegebene
oder vorher gemeinsam formulierte Frage (vier bis fünf Minuten), für die Erörterung der nächsten Frage suchen sich zwei/drei der Schüler
eine Gruppe eine neue Gruppe. Vorgehen zwei- bis dreimal wiederholen.
Fish-Bowl (Kugelglas oder Aquarium): Verfahren zum Austausch von Gruppenergebnissen bzw. zur kontroversen Diskussion: Ein oder
zwei Sprecher aus jeder Gruppe nehmen Platz im inneren Sitzkreis in der Mitte des Raumes, ein Moderator und zusätzlich ein leerer Stuhl
kommen hinzu, die übrigen Schüler sitzen im Außenkreis: Vortrag der Ergebnisse durch die Sprecher mit anschließendem Austausch,
begleitet durch den Moderator. Zuhörer können sich für Fragen oder einzelne Meinungsäußerungen für kurze Zeit auf den leeren Stuhl setzen
und mitreden.
Rollenspiel (Einfühlung in fremde Rollen und Erfahren von Handlungsstrategien und –alternativen):
1. Je zu zweit: Simulation einer Kommunikationssituation. Alle Schüler spielen gleichzeitig eine identische Situation; nach wenigen
Minuten erfolgt ein Rollentausch – die Situation wird erneut gespielt, anschließend Rückmeldungen zu zweit, danach Austausch im Plenum
über Erfahrungen (nicht über Einzelheiten der Spiele).
2. Stegreifspiele in Gruppen von drei bis sechs Schüler/innen zu einem Thema: Teilnehmer einigen sich auf Rollen, die übernommen
werden (nicht die eigene Rolle spielen, sondern neue Namen auswählen), eine Ausgangssituation und richten ihre Bühne ein. Dann folgt
spontanes Spiel, ohne dies vorher 'geübt' zu haben. Alle Gruppen spielen ihre Version vor, danach Rückmeldungen über Erfahrungen der
Rolleninhaber im Spiel und der Zuschauer, Auswertung der Erfahrungen im Plenum.
82
7.3.2. Hinweise zum Fachunterricht in den Jgst. 11 bis 13
7.3.2.1. Stufe 11
Thema / Methode
Bezug zum christlichen
Menschenbild
Intentionen
Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit dem Rollenbild von Mann und
Frau
Im Fach Philosophie können innerhalb der Thematik "Probleme der Bestimmung
des Menschen" verschiedene Möglichkeiten des Selbstverständnisses des
Menschen als soziales, egozentrisches, freies, geistiges, körperliches,
geschlechtsspezifisches, triebgebundenes bzw. -entbundenes Wesen zur
Selbstbestimmung
der
Schüler
behandelt
werden.
Einschätzung und Deutung menschlicher Sexualität korrespondieren mit den
jeweiligen Vorstellungen vom Menschen.
Sexualität als
Grundgegebenheit
menschlichen Lebens;
Gottesebenbildlichkeit
des Menschen
Im Fach Religion ist über die Notwendigkeit der Integration der Sexualität in die
Mitte der Person zu sprechen. Anhand kirchlicher Texte sollte eine Beschäftigung
mit der Argumentation der kirchlichen Sexualmoral erfolgen. Ferner kann in
Auseinandersetzung mit ökonomischen und gesellschaftspolitischen Anfragen,
Herausforderungen, Zumutungen an den Menschen auf der Grundlage des
christlichen Menschenbildes (Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution
über die Kirche in der Welt von heute: Art. 12, 15, 18, 22) gefragt werden, welche
Konsequenzen die jeweiligen Sichtweisen für die Rolle als Mann bzw. Frau haben.
(Geschlechterdifferenz als „unhintergehbares Differenzprinzip“; eine Nivellierung
der Sexualität beraubt die menschliche Sexualität um das Spezifikum ihrer
konkret-erschließenden Erkenntniskraft“). Zu fragen ist auch, wie weit Frau und
Mann unterschiedliche Glaubensformen und –vorstellungen ausgeprägt haben und
ausprägen.
Die besondere Stellung
des Menschen in der
Schöpfung,
Gottesebenbildlichkeit;
dialogische Existenz;
Sexualität als
Bestandteil der ganzen
Persönlichkeit
Bezug zur moral.-psych. Entwicklung
Bemerkungen
Einordnung nach
Oser/Bucher:
vage Abgrenzung des eigenen
Verantwortungsbereiches; Differenz
zwischen körperlicher und sozialer Reife
(Stufe3)
Entwicklung der eigenen innerlichen und
erscheinungsmäßigen Identität (Stufe 3
bis 4)
83
Im Fach Deutsch kann innerhalb des Themas "Beziehungs- und Kommunikationsprobleme in Erzähltexten" die eigene, auch geschlechtsgebundene, Rolle sowohl
mündlich und schriftlich als auch gestaltungsmäßig behandelt werden. Es sollte
aber auch die Bereicherung durch die geschlechtsspezifischen Wahrnehmungen
und Einschätzungen thematisiert werden.
unterschiedliche
Lebensformen als
Ausdruck von Freiheit
des dialogischen
Vermögens der Liebe;
dialogische Existenz
Im Fach Kunst bietet sich die Produktion zeichnerischer, mit persönlicher
Bildsprache konzeptionell entwickelter Visitenkarten an. Naheliegenderweise gegenseitiges Sichkönnen die Visitenkarten zeichnerisch konzipiert und digital im Medienraum in Erschließen und SichPartnerarbeit angefertigt werden, die sich für die simultane Vermittlung sowohl Erschließen lassen
eigener Rollen- und Darstellungsinteressen als auch für die entsprechenden
Interessen der Arbeitspartner eignet. Eine Untersuchung der Darstellung von Frau
und Mann in der Kunst im Laufe der Geschichte kann die unterschiedlichen und
wechselnden Auffassungen der Geschlechterrollen deutlich machen.
Im Fach Sozialwissenschaften kann im Rahmen des Problemfeldes 6: "Identität dialogische Existenz
und Lebensgestaltung im Wandel der modernen Gesellschaft" die Sozialisation aus
jeweils geschlechtsspezifischer Sicht z.B. folgendermaßen thematisiert werden:
Wie weit wird mein Verhalten im Bereich der Partnerschaft durch gesellschaftliche
Vorgaben geprägt? Wie und unter welchen Bedingungen ist angesichts der
geistigen Großwetterlage ethisches Handeln aus christlicher Motivation im Sinne
der kirchlichen Sexualmoral möglich? Welche Folgen haben sich aus der
Emanzipation der Frau für das Partnerverhalten ergeben? Wer zahlt den Preis für
die Doppelbelastung in Beruf und Familie? Darüber hinaus kann die Frage gestellt
werden: "Fremd in Deutschland? – Identitätssuche von jungen Frauen und
Männern im Spannungsfeld unterschiedlicher soziokultureller Milieus".
Anzweifeln bisher anerkannter
Autoritäten; Engagement für die Vervollkommung des eigenen Rollenbildes
(Stufe 3 bis 4)
Entwicklung und Überprüfung eigener
Kompetenzen (Stufe 3)
Vielfalt ich-bezogener und gemeinschaftlich orientierter Persönlichkeiten innerhalb der neuen Kursgruppen (Stufe 3
bis 4)
84
7.3.2.2. Stufe 12
Thema / Methode
Bezug zum christlichen
Menschenbild
Intentionen
Bezug zur moral.-psych. Entwicklung
Bemerkungen
Im Fach Pädagogik bietet das Thema der Entwicklungspsychologie (Kindheit,
Pubertät, Devianzverhalten) Anknüpfungspunkte zur Auseinandersetzung mit dem
Prozess der Indentitätsfindung.
Sexualität als
Grundgegebenheit
menschlichen Lebens
Interesse junger Erwachsener an
selbständigen Entscheidungen (Stufe 3)
Im Fach Kunst können künstlerische Bildnisse, auch nackte unwesenhaft oder
androgyn vermittelte Gestalten, als Zeugnisse einzelner Persönlichkeiten sowohl
besprochen als auch gestaltungsmäßig innerhalb eigenständiger Bildkonzeptionen,
z.B. in Form von Paarbildnissen nackter Gestalten, verarbeitet und mit stereotypen
Menschenbildern aus der Medienindustrie verglichen werden.
Sexualität als
Bestandteil der ganzen
Persönlichkeit
Interesse junger Erwachsener an der
Vervollkommnung ihrer eigenen
innerlichen und erscheinungsmäßigen
Identität (Stufe 4)
Im Deutschunterricht können Formen mitmenschlicher Begegnung in der Literatur
behandelt werden, so z.B. Liebe und Verantwortung, Liebe und Selbsterfüllung,
Liebe und Tod, Liebe und Schuld, Liebe und Gesellschaft. Situativ können
literarische Partien mit zärtlichen Momenten gestaltorientiert rezipiert werden.
gegenseitiges SichErschließen lassen;
Liebesfähigkeit als
Voraussetzung für
Selbstliebe und
Partnerschaftlichkeit;
Liebe und
Verantwortung;
Entsprechung von
Handlung und innerer
Haltung; Keuschheit
zunehmende Verantwortungsbereitschaft
zum Aufbau und zur Gestaltung
menschlicher, partnerschaftlicher
Begegnungen (Stufe 4, evtl. bereits 5)
Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit verschiedenen Lebensformen (z.B.
Ehe, frei gewählte oder unfreiwillige Ehelosigkeit)
85
Im Fach Philosophie können Sexualität als verantwortbare Lebensweise, ethische
Bewertung von Formen und Folgen der Sexualität und das Spannungsfeld von
Gesellschaft und Sexualität (Normen und Normenwandel) problematisiert werden.
Im Fach Religion kann auf den biblischen Anspruch an den Menschen, auf das
Treueversprechen und auf die gottgewollte liebende, auf Zärtlichkeit begründete
Begegnung eingegangen werden ("das Hohe Lied der Liebe", "die Bergpredigt",
"Paulus-Briefe"). Kennzeichen der Liebe sind Treue und Verantwortung für sich
und den Partner. „Die Berufung zur Liebe gilt für alle Menschen gleich welchen
Lebensstandes“ . Im Rahmen des Themas "Kirche" bietet die "Sakramentenlehre"
Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit dem Sakrament der Ehe als Zeichen des
Heilshandelns Gottes in dieser Welt „Das Besondere des Ehesakraments ist die
gegenseitige Heiligung von Mann und Frau in der Kraft des Bundes Christi mit
seiner Kirche.“ „Ehe und Familie sind zwei Wirklichkeiten, die zwar einander
gegenseitig bedingen, die aber nicht ineinander aufgehen dürfen.“
“Die Berufung zur Liebe ... kann Menschen dazu herausfordern, in freiwilligem
Verzicht auf Ehe und Familie ihrer dialogischen Existenz Ausdruck zu verleihen.“
Liebe als lebenslanger
Lernprozess bei allen
Menschen
unterschiedliche Einstellungen zum
eigenen Menschsein aufgrund
individueller sexueller Erfahrungen
(Stufe 3 und 4)
Liebe als Gnade aus der unentschiedenes Bewusstsein über die
Fülle ihres Ursprungs in menschliche Freiheit (Stufe 3 bis 4)
Gott; das Ein-FleischWerden als das Ganze
einer Gemeinschaft des
Lebens und der Liebe
von Mann und Frau; als
Zeichen Gottes Bund mit
seinem Volk, als
Realität des Glaubens
und als gegenseitige
Heiligung von Mann
und Frau in der Kraft
des Bundes Christi mit
seiner Kirche;
Vollendung der
Ursprungsschöpfung;
Ehe und Familie als
ursprüngliche und
grundlegende Formen
in Gemeinschaft zu
leben;
Gemeinschaftsfreiheit
86
Im Religionsunterricht führen weitere Themen zu einer Auseinandersetzung mit
dem Problem der "Freiheit". Hier können in Erweiterung der anthropologischen
Aspekte Grundmodelle und Charakteristika theologisch-ethischen Argumentierens
vermittelt werden und auf ihre Bedeutung bzw. Folgen für partnerschaftliches
Miteinander hin konkretisiert werden (Verantwortungsethik in Abgrenzung von
Gesetzes- bzw. Gesinnungs-/Situationsethik; Gewissen; Verhältnis von Normen
und Werten). Kooperierend mit dem Fach Deutsch kann hier auf Formen
mitmenschlicher Begegnung in der Literatur eingegangen werden.
Würde des Menschen;
dialogische Existenz;
Partnerschaftlichkeit;
Liebe u. Verantwortung;
Entsprechung von
äußerer Handlung und
innerer Haltung
Im Fach Sozialwissenschaften kann im Rahmen des Problemfeldes 2: "Wirtschaft
und Arbeit im Übergang zur nachindustriellen Gesellschaft" die Chancengleichheit
bzw. -gerechtigkeit behandelt werden, indem z.B. die sich wandelnde Frauen/Männerrolle im Beruf analysiert wird (Frauen in Führungspositionen? Mobbing
am Arbeitsplatz).Vor allem aber ist der gesellschaftliche Wandel im Blick auf Ehe
und Familie zu untersuchen. Die Motive, die den Versuch bestimmen, Ehe und
Familie „neu zu definieren“, sollten erforscht werden.
existentielle
zunehmend differenzierte Abgrenzung
Grunderfahrungen
des eigenen Verantwortungsbereiches
durch die Zuweisung
(Stufe 3 bis 4)
von sozialen Rollen und
durch die Förderung
der personalen
Entwicklung
zunehmende Verantwortungsbereitschaft
zum Aufbau und zur Gestaltung
menschlicher, partnerschaftlicher
Begegnungen (Stufe 4); unentschiedenes
Bewusstsein über die menschliche
Freiheit
(Stufe 3 bis 4)
87
7.3.2.3. Stufe 13
Thema / Methode
Bezug zum christlichen
Menschenbild
Intentionen
Bezug zur moral.-psych. Entwicklung
Bemerkungen
Im Fach Biologie spielt innerhalb des Themas Genetik (Vererbungslehre) die
Embryonalentwicklung eine wichtige Rolle. Hier bietet sich Gelegenheit zur
Auseinandersetzung mit ethischen Aspekten der Gentechnologie und des
Schwangerschaftsabbruchs.
soziale Bedeutsamkeit
der Sexualität durch
Zeugung und
Erziehung; Würde des
Menschen;
Fruchtbarkeit
Skepsis gegenüber scheinbar
mustergültigen Plänen für die
Lebensgestaltung (Stufe 4, evtl. bereits 5)
Der Philosophieunterricht kann Erkenntnis und Beurteilung von Gefährdungen
und Irritationen menschlicher Sexualität (Sexualität als Konsum, sexuelle
Fehlformen), ethische Rechtfertigungen sexualmedizinischen Forschens und
Handelns sowie Begründungsversuche einer Sexualethik thematisieren.
Selbstentfremdung als
ursprünglicher
Ausdruck für Sünde
;kreatürliche Würde
alles Seienden
Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit dem christlichen Familienbild
Im Fach Pädagogik können Sexualität und Selbstbestimmung sowie der Normenund Wertewandel sozialer Lebens- und Erziehungsformen (Ehe als Wert?, Familie
als Wert?, freie Sexualerziehung ohne Tabu, permissive und antiautoritäre
Erziehung, sexuelle Revolution) in weiterentwickelter Anlehnung an 12-er Themen
des Philosophie-, des Biologie- und des Religionsunterrichts fachübergreifend
behandelt werden.
Der Religionsunterricht kann hier Aspekte der christlichen Ethik im Blick auf die
Familie vertiefen und mit den in den Jgst. 11 und 12 erarbeiteten Aspekten des
Menschenbildes vernetzen. Die Sicht des Menschen als Geschöpf und Ebenbild
Gottes impliziert moralische Ansprüche auf persönlicher wie politischer Ebene.
Wahrnehmung eines göttlichen
Heilsplans aufgrund der Gefahr einer
unreflektierten Übernahme stereotyper
Verhaltensweisen (Stufe 4)
weiterentwickeltes Bewusstsein über die
Prinzip Menschenwürde menschliche Freiheit und Soziabilität
(Stufe 4)
als Pädagogisches
Prinzip; Respekt,
Toleranz
weiterentwickeltes Bewusstsein über die
Mitschöpferischer Anteil menschliche Freiheit und Soziabilität
(Stufe 4 evtl. 5)
des Menschen an der
kreatürlichen Würde;
die grundsätzliche Güte
88
Diese können auf verschiedene Arten ethisch/moraltheologisch reflektiert werden:
Darf ich, was ich kann? Der Mensch als Person in Gesellschaft und Staat; der
wissenschaftlich-technische Fortschritt und seine Bewertung aus christlicher Sicht
(Präimplantationsdiagnostik; Stammzellenforschung); Handeln aus dem Glauben:
die Mitverantwortung des Christen an der Gestaltung einer humanen Welt. Die
Bedeutung der Familie für die Gesellschaft.
Im Fach Kunst kann die Möglichkeit gestalterisch-kreativer Äußerungen personal
gebundener affektiver Prozesse spontan genutzt bzw. durch sensorisch
ungewöhnliche Impulse ausgelöst (z.B. im Bereich ungegenständlicher
Bildproduktion) und anschließend unter dem Gesichtspunkt existentieller
Selbstentgrenzung reflektiert werden.
Der Deutschunterricht problematisiert literarisch vermittelte individuelle
Lebensformen und Formen gelungener oder misslungener Beziehungen
komplizierter Individuen und reflektiert deren anthropologische und soziale
Bedingungen.
Im Fach Sozialwissenschaften kann im Rahmen des Problemfeldes 7: "Soziale
Gerechtigkeit zwischen individueller Freiheit und struktureller Ungleichheit" eine
Gegenüberstellung der Rolle der Frauen in westlichen Industrienationen bzw. in
Entwicklungsländern erfolgen. Fragestellung des Unterrichts könnte hier sein: "Ist
die weltweite Propagierung von westlichen Frauenrechten kulturimperialistisch?"
Fachübergreifend könnten bspw. in den Fächern Biologie, Religion und/oder
Pädagogik, Fragen der Evolution, explizit "Fortpflanzungsstrategien beim
Menschenaffen und beim Menschen", behandelt werden. (Veränderungen im
Bereich der menschlichen Fruchtbarkeit: ungewollte Kinderlosigkeit (zunehmende
Sterilität, hormonbelastete Lebensmittel, Stressfaktoren), Kinderwunsch um jeden
Preis (Anhalten der biologischen Uhr der Frau, Prioritätensetzung, Karriere...).
der geschaffenen Welt
als existentielles
Fundament,
Selbstentfremdung als
ursprünglicher
Ausdruck für Sünde
Verlangen der Schüler nach
mitschöpferischer Anteil affektbetonten Äußerungen und
des Menschen an der
interaktiver Dynamik (Stufe 5)
kreatürlichen Würde
Gewährleistung menschlicher
erkenntnisstiftende Kraft Kommunikation als Strategie gegen die
zur Erschließung der
durch die Medien verbreitete Tyrannei
sozialen,
der Intimität (Stufe 5)
psychologischen und
religiösen Dimension
von Sexualität
Überzeugung, dass keine äußere
die grundsätzliche Güte Sicherheit oder Organisation die eigene
der geschaffenen Welt
Religiosität, Moralität garantieren kann
als existentielles
(Stufe 5)
Fundament
die besondere Stellung
des Menschen in der
Schöpfung, Gottesebenbildlichkeit des
Menschen
Bewusstsein über die "gesetzesmäßige"
Entwicklung des Menschen auf ein
Besseres hin (Stufe 4 bis 5)
89
8. Beratungsstellen im Erzbistum Köln
8.1. Beratungsstellen esperanza
Träger
Anschrift der Beratungsstelle
Caritasverband für den
Rheinisch Bergischen Kreis e.V.
Caritasverband für die
Stadt Bonn e. V.
Caritasverband für das
Kreisdekanat Neuss e. V.
Caritasverband für das
Kreisdekanat Neuss e. V.
(Außenstelle v. Dormagen)
Sozialdienst katholischer
Frauen und Männer e. V.
Sozialdienst katholischer Frauen
Erftkreis e. V.
Sozialdienst katholischer Frauen
Erftkreis e. V.
(Außenstelle von Frechen)
Sozialdienst katholischer Frauen
Erftkreis e. V
(Außenstelle von Frechen).
Sozialdienst katholischer Frauen
Erftkreis e. V.
(Außenstelle von Frechen)
Laurentiusstr. 32
51465 Bergisch Gladbach
Dyroffstr. 7
53113 Bonn
Unter den Hecken 44
41539 Dormagen
Montanusstr. 40
41515 Grevenbroich
Katholische Ehe-, Familien- und
Lebensberatung e. V.
Ulmenstr. 67
40476 Düsseldorf
An St. Severin 11
50226 Frechen
Heerstr. 89
50169 Kerpen
Telefon
Tel.: 02202-1008701
Tel.: 0228-224155
Tel.: 02133-250025
Tel.: 02181-238120
Tel. 0211-4696-0
Tel.: 02234-59622
Tel.02237-7569
Kirchstr. 1 a
50126 Bergheim
Tel.: 02271-492714
Lindenstr. 5
50354 Hürth
Tel. 02233-9427220
Schloßstr. 2
50231 Brühl
Tel. 02232-13196
90
Caritasverband für das
Kreisdekanat Euskirchen e. V.
Caritasverband für den
Oberbergischen Kreis e. V.
Sozialdienst katholischer Frauen e. V.
Sozialdienst katholischer Frauen
Leverkusen e. V.
Vereinsverband Sozialdienst
katholischer Frauen und Männer
für den Kreis Mettmann e. V.
Sozialdienst katholischer Frauen e. V.
Caritasverband Remscheid e. V.
Sozialdienst katholischer Frauen
für den Rhein-Sieg-Kreis e. V.
Sozialdienst katholischer Frauen
für den Rhein-Sieg-Kreis e. V.
(Außenstelle von Siegburg)
Caritasverband für die Stadt
Solingen e. V.
Caritasverband Wuppertal e. V.
Wilhelmstr. 52
53879 Euskirchen
Talstr. 1
51643 Gummersbach
Georgstr. 18
50676 Köln
Düsseldorfer Str. 2
51379 Leverkusen
Jubiläumsplatz 2
40822 Mettmann
Gladbacher Str. 10
41462 Neuss
Blumenstr. 9
42853 Remscheid
Hopfengartenstr. 16
53721 Siegburg
Pfarrer-Kenntemich-Platz 27
53840 Troisdorf
Ahrstr. 5-13
42697 Solingen
Aue 54
42103 Wuppertal
Tel.: 02251-700019
Tel.: 02261-30641
Tel.: 0221-2407394
Tel.: 02171-49030
Tel.: 02104-928842
Tel.: 02131-791840
Tel.: 02191-4911-0
Tel.: 02241-95804-6
Tel.: 02241-73020
Tel.: 0212-2333600
Tel.: 0202-3890352
91
8.2. Beratungsstellen für Eltern, Kinder und Jugendliche
(Erziehungs- und Familienberatung)
PLZ
Ort
Straße
Telefon
Fax
e-mail
eb-bergischgladbach
@erziehungsberatung.net
[email protected]
51465
Bergisch Gladbach
Pfaffrather Str. 7-9
02202-35016
02202-30236
53113
41539
40211
40476
Bonn
Dormagen
Düsseldorf
Düsseldorf
Jugendberatung
Erftstadt-Lechenich
Grevenbroich
Kerpen-Horrem
Köln
Hans-Iwand-Str. 7
Frankenstr. 22
Klosterstr. 86
Ulmenstr. 67
0228-223088
02133-43022 u. 23
0211-16022112
0211-4696200
0228-241272
02133-44508
0211-16022140 [email protected]
0211-4696230 [email protected]
Schloßstr. 1a
Montanusstr. 23a
Mittelstr. 1
Arnold-von-SiegenStr. 5
Mittelstr. 52-54
02235-6092
02181-3260
02273-8206
0221-312910
02235-67151
02181-659555
02273-2433
0221-318870
0221-92584322
0221-92584322 [email protected]
Rathausstr. 8
Spiesergasse 12
02203-55001
0221-160740
02203-592402
0221-1390272
[email protected]
Knauffstr. 14
Kirchstr. 1
Carl-Leverkus-Str. 16
Kapitelstr. 30
Herbstmühle 3
Obergrünewalder Str.
28
0221-9645-231
02175-169790
0214-45553
02131-3692830
02267-3034
0202-371310
0221-9645-232
02175-1697919
0214-402264
02131-23275
02267-5885
0202-3713137
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
50374
41515
50169
50678
50672
51143
50670
51063
42799
51373
41460
51688
42103
Köln
Internationale
Familienberatung
Köln-Porz
Köln
(Asylberatung)
Köln-Mülheim
Leichlingen
Leverkusen
Neuss
Wipperfürth
Wuppertal
[email protected] oder [email protected]
[email protected]
[email protected]
- 92-
8.3. Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen
PLZ
Ort
Strasse
Telefon
Fax
e-mail
51465
Bergisch Gladbach
Hauptstr. 227
02202-34918
02202-30656
40211
Düsseldorf
Klosterstraße 86
0211-1793370
0211-17933729
[email protected]
[email protected]
50667
Köln
Steinweg 12
0221-2051515
0221-2051510
[email protected]
40878
Ratingen
Lintforter Str. 51
02102-27000
02102.21011
[email protected]
53113
Bonn
Am Neutor 2
0228-630455
0228-631862
[email protected]
53879
Euskirchen
Neustraße 43
02251.51070
02251.51079
[email protected]
51143
Köln-Porz
Friedrich-Ebert-Ufer 54
02203-52636
02203-57818
porz@efl-beratung-org.
53721
Siegburg
Wilhelmstraße 74
02241-55101
02241.57942
[email protected]
50321
Brühl
Schlossstrasse 2
02232-13196
02232.48907
[email protected]
51643
Gummersbach
Hömerichstraße 7
02261.27724
02261.405742
[email protected]
41460
Neuss
Kapitelstraße 30
02131-3692810
02131.3692833
[email protected]
42103
Wuppertal
Alte Freiheit 1
0202-456111
0202-456914
[email protected]
93
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