398 Übersichtsarbeit Fibromyalgie und seine differenzialdiagnostische Bedeutung bei HWS-Beschwerden Autoren W. Hermann, G. Stapfer, K. Richter Institut Kerckhoff-Klinik, Rheumatologie, Bad Nauheim Schlüsselwörter ▶ Fibromyalgiesyndrom ● ▶Halswirbelsäule ● ▶ entzündlich-rheumatische ● Erkrankung ▶ Polymyalgia rheumatica ● Zusammenfassung Abstract Das Fibromyalgiesyndrom (FMS) stellt in der rheumatologischen Sprechstunde eine wichtige Differen­zialdiagnose bei Patienten mit chronischen Nackenbeschwerden dar. Mehrere entzündlich-rheumatische Krankheiten können sich im Bereich der HWS manifestieren und müssen dabei von einem FMS unterschieden werden. Dazu gehören die Polymyalgia rheumatica, die Rheumatoide Arthritis, axiale Spondarthritiden oder eine Derma­ tomyositis/Polymyositis. Andererseits können chronische Schmerzsyndrome auch begleitend bei entzündlichen und degenerativen Erkrankungen oder posttraumatisch auftreten. In rheumatology practice, the fibromyalgia syndrome (FMS) is a crucial differential diagnosis in patients with chronic nuchal discomfort. A number of inflammatory rheumatic diseases manifested in the area of the cervical spine must be differentiated from FMS. They include rheumatic polymyalgia, rheumatoid arthritis, axial spondyloarthritis and dermatomyositis/polymyositis. On the other hand, chronic pain syndromes may also occur in association with inflammatory or degenerative diseases or as a posttraumatic condition. Key words ▶ fibromyalgia syndrome ● ▶ cervical spine ● ▶ inflammatory rheumatic ● diseases ▶ polymyalgia rheumatic ● Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0035-1564138 Akt Rheumatol 2015; 40: 398–403 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0341-051X Korrespondenzadresse Dr. Walter Hermann Kerckhoff-Klinik Rheumatologie Benekestrasse 2-8 61231 Bad Nauheim Tel.: + 49/6032/996 2101 Fax: + 49/6032/996 2104 [email protected] ▼ Zervikovertebrale Symptome stellen in der allgemeinmedizinischen oder orthopädischen Sprechstunde einen der häufigsten Gründe für einen Arztbesuch dar. Auch Patienten, die sich bei Rheumatologen vorstellen, äußern oft Beschwerden im Bereich der HWS oder des Nackens wie z. B. Nackensteifigkeit, muskuläre Nackenschmerzen oder zeigen klinisch das Bild einer Schiefhaltung. Neben degenerativen Veränderungen und Myogelosen reicht die Liste der möglichen Differenzialdiagnosen von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen über Frakturen, bis hin zu Tumormetastasen oder bakteriellen Infekten [1]. Häufig finden sich zervikale Beschwerden auch in Zusammenhang mit einem Fibromyalgiesyndrom. Fibromyalgiesyndrom (FMS) – Definition und Epidemiologie ▼ Beim Krankheitsbild des FMS ist das Leitsymptom chronischer Schmerz eingebettet in eine Vielzahl weiterer Beschwerden. Dazu gehören Schlafstörungen mit der Folge einer Tagesmüdigkeit, Miktionsbeschwerden, Morgensteifigkeit sowie multiple ▼ weitere vegetative Symptome [2]. Die aktuellen ▶ Abb. 1) tragen ACR-Diagnosekriterien 2010 ( ● diesem Umstand Rechnung. Im klinischen Alltag gebräuchlich ist auch nach Einführung der Diagnosekriterien von 2010 die Beschreibung des Krankheitsbildes über die 1990 erstellten ACR-Kriterien üblich [4]. Neben dem Symptom „widespread pain“ (Schmerzen in der rechten und linken Körperhälfte, ober- und unterhalb der Taille, im Bereich der Wirbelsäule) über mindestens 3 Monate sind hierbei die „Tender Points“ mit lokal feststellbarer abnormer Druckwahrnehmung entscheidend. Die Untersuchung der Tender Points hat mit einem Daumendruck von 4 kg/cm2 zu erfolgen. Um einen Tender Point als positiv zu bezeichnen, muss der Patient die Palpation als schmerzhaft empfinden, eine Empfindlichkeit allein reicht nicht aus [1]. Entsprechend der ACR-Kriterien von 1990 ist eine Schmerzhaftigkeit in 11 von 18 möglichen Druckpunkten erforderlich. Tender Points sind nicht spezifisch für ein FMS, sie können bei einer Vielzahl von anderen Erkrankungen positiv sein [5]. Bei 2/3 der Patienten mit erfüllten Kriterien eines FMS sind auch die sogenannten Kontroll- Hermann W et al. Fibromyalgie und seine differenzialdiagnostische … Akt Rheumatol 2015; 40: 398–403 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Fibromyalgia and its Differential Diagnostic Significance in Patients with Cervical Spine Discomfort punkte, die außerhalb der Muskel-Sehnenansätze liegen und klassischerweise nicht druckschmerzhaft sein sollten, positiv [23]. Die klassische Definition des FMS entsprechend der ACR-Kriterien von 1990 ist umstritten, da wesentliche Aspekte des Symptomkomplexes nicht damit abgebildet werden [6]. Die im Jahre 2010 veröffentlichten ACR-Diagnosekriterien berücksichtigen ein neues Verständnis des Krankheitsbildes der Fibromyalgie. Während früher die chronischen Schmerzen alleine betrachtet wurden, wird die Komplexizität der Erkrankung mit der Berücksichtigung der vegetativen Symptome und einer zusätzlichen Einteilung nach Schweregraden besser abgebildet. Allerdings ist eine weitere Validierung der Kriterien von 2010 erforderlich [2]. Das FMS kann als organische Erkrankung mit möglichen psychischen Komorbiditäten, als funktionelles somatisches Syndrom, als rein psychosomatische Störung oder als affektive Störung klassifiziert werden. Zwischen 40–80 % der Patienten mit FMS erfüllen auch die Kriterien einer Angst- bzw. depressiven Störung [7]. Elektronenmikroskopisch oder im MRT lassen sich an der Muskulatur in manchen Fällen Veränderungen finden. Es handelt es dabei jedoch nicht um krankheitsspezifische Veränderungen [5]. Eine Erklärung hierfür kann einfach eine „Dekonditionierung infolge verminderter Aktivität“ bieten. Die „weichen“ Klassifikationskriterien der Erkrankung und das Fehlen eindeutiger diagnostischer Kriterien führt bei vielen Medizinern zu einer geringen Akzeptanz der Erkrankung, die Diagnose FMS ist daher an sich immer wieder umstritten [7]. Letztendlich bleibt weiter ungeklärt, ob „die Mitteilung der Diagnose FMS einen positiven oder negativen Effekt auf die weitere klinische Symptomatik und die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen“ hat. Das dem FMS klinisch ähnliche Krankheitsbild der „Chronic Widespread Pain“ (CWP) ist bei ca. 5–13 % der Bevölkerung zu finden sind (Frauen: Männer 2:1), die Häufigkeit des FMS beträgt etwa 1–2 % der Bevölkerung (Frauen: Männer 4–6:1) [6]. Das FMS kann als als eine extreme Ausprägung des CWP bzw. als möglicher Endpunkt eines Schmerz-Distress-Kontinuums gesehen werden [23]. Das American College of Rheumatology (ACR) empfiehlt zwischenzeitlich, die im klinischen Alltag (und auch in diesem Artikel aus Gründen der Einfachheit) gebräuchliche Unterscheidung zwischen einem primären FMS (d. h. typische Symptomatik ohne nachweisbare zugrundeliegende Erkrankung und einem sekundären FMS bzw. konkomitanten FMS (mit somatischer und/oder psychischer Komorbidität) zu verlassen (S3-Leitlinienen, Evidenzgrad 5, starker Konsens) [23]. Die Beschwerden und Beeinträchtigungen persitieren bei den meisten Betroffenen im Langzeitverlauf. Drei Viertel der Patienten mit einem CWP nehmen wegen der Schmerzen medizinische Leistungen in Anspruch. Durch die Erkrankung entstehen in vielen Fällen hohe direkte und indirekte Krankheitskosten. ▶ Tab. 1– 4) ( ● In einer Allgemeinarztpraxis ist bei 5 %, in einer internistischen Klinik bei 15 % der betreuten Patienten mit einem FMS zu rechnen [7]. Myofasciales Schmerzsyndrom ▼ Abb. 1 Lokalisation der Tender Points (Skulptur „Trois graces“ von Aristide Maillol (1861–1944), Jardin des Tuileries, Paris (Fotograf: W. Hermann) Im klinischen Sprachgebrauch werden die Tender Points immer wieder mit den Trigger Points verwechselt. Hierbei handelt es sich um lokalisierte Myogelosen, die als umschriebene Verhär- Tab. 1 Vorläufige Diagnosekriterien des ACR 2010 [3]. Die Diagnose Fibromyalgie ist dann gegeben, wenn die folgenden 3 Bedingungen gegeben sind: 1.) Widespread Pain Index (WPI) > = 7 und Wert auf der Symptomschwere (SS)Skala > = 5 oder WPI 3–6 und SS-Skala-Wert > = 9 2.) Die Symptome bestehen seit mindestens 3 Monaten in ähnlicher Stärke 3.) Es gibt keine Hinweise auf eine Erkrankung, die die Schmerzen anderweitig erklären könnte WPI: Anzahl der Areale, in denen der Patient in den letzten Wochen Schmerzen hatte. Wert zwischen 0 und 19. Dazu gehören: Schultergürtel, Oberarm, Unterarm, Hüfte, Oberschenkel, Unterschenkel, Kiefer (alle jeweils bds.), Thorax, Abdomen, oberer Rücken, unterer Rücken sowie Nacken SS-Skala: Betrachtet werden Fatigue, unerholtes Aufwachen, kognitive Symptome. Beurteilung mit einem Schweregrad von 0 bis 3 (schwere, tiefgreifende, kontinuierliche, lebenseinschränkende Probleme). Zusätzlich Betrachtung somatischer Symptome, ebenfalls Schweregrad 0–3 (hohes Maß an Symptomen). Zu den somatischen Symptomen gehören: Muskelscherzen, Reizdarmsyndrom, Fatigue, Denk- oder Gedächtnisstörung, Muskelschwäche, Zephalgien, Schmerzen/Krämpfe im Abdomen, Taubheit/Kribbeln, Schwindel, Schlafstörung, Depression, Obstipation, Oberbauchschmerzen, Übelkeit, Nervosität, thorakale Schmerzen, Verschwommensehen, Fieber, Diarrhoe, Mundtrockenheit, Juckreiz, Giemen, Raynaudsyndrom, Uricaria/Angioödem, Tinnitus, Erbrechen, Sodbrennen, orale Ulzerationen, Verlust/Veränderung des Geschmackssinnes, Krampfanfälle, trockene Augen, Kurzatmigkeit, Appetitverlust, Hautausschlag, Sonnenempfindlichkeit, Hörstörungen, Hämatomneigung, Haarverlust, Pollakisurie, Algurie, Blasenkrämpfe. Der SS-Skala-Wert ist die Summe der Schwere der 3 Symptome Fatigue, unerholtes Aufwachen, kognitiver Symptome plus das Ausmaß somatischer Symptome allgemein. Der Endwert liegt zwischen 0 und 12 Hermann W et al. Fibromyalgie und seine differenzialdiagnostische … Akt Rheumatol 2015; 40: 398–403 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Übersichtsarbeit 399 400 Übersichtsarbeit Tab. 2 Lokalisation der Tender Points. – Ansatz der subokzipitalen Muskulatur am Os occiput beidseits – Zwischenräume der Querfortsätze der Halswirbelsäule C5-C7 – Mitte des oberen Randes des M. trapezius – Ursprung des M. supraspinatus am medialen oberen Scapularand – Knorpel-Knochengrenze am 2. sternocostalen Übergang – 2 cm distal des Epicondylus lateralis – Oberer äußerer Quadrant der Glutäalregion – Trochanter maior posterior – Gelenkpolster („fat pad“) proximal des medialen Kniegelenkspalts beidseits Tab. 3 Diagnosekriterien Polymyalgia rheumatica [11]. 1. Beidseitige Schulterschmerzen und/oder beidseitige Steifigkeit (alternativ auch Schmerzen in folgenden Regionen: Nacken, Oberarme, Gesäß, Oberschenkel) 2. Akuter Krankheitsbeginn (innerhalb von 2 Wochen) 3. Iniziale BSG-Beschleunigung > 40 mm in der ersten Stunde 4. Morgendliche Steifigkeit von mehr als einer Stunde 5. Alter über 65 Jahre 6. Depression und Gewichtsverlust 7. Beidseitiger Oberarmdruckschmerz vor allem die Temporalis- und Massetermuskulatur signifikant häufiger betroffen ist. Im Gegensatz dazu sind bei der FMS typische Schmerzregionen die Sternocleidomastoidmuskulatur sowie suboccipitale Muskeln [8]. Differenzialdiagnose FMS ▼ Eine Vielzahl von anderen Erkrankungen, die ähnliche Beschwerden auslösen können, muss bei der Diagnosestellung berücksichtigt werden [1]. Dazu gehören unter anderem: ▶ metabolische Störungen (Hypothyreodismus, Hypophyseninsuffizienz) ▶ degenerative Skelettveränderungen ▶ maligne Erkrankungen (Leukämien, Myleome oder metastatische Knochenerkrankrankungen) ▶ psychogene Syndrome (z. B. somatisierte Depressionen) und Überlastungssyndrome ▶ Knochenstoffwechselerkrankungen (Vitamin D-Mangel, Osteoporose z. B. Mit high-turn-over-Raten) ▶Myopathien ▶ entzündlich-rheumatische Erkrankungen mit Weichteilbeteiligung (z. B. Polymyalgia rheumatica oder Kollagenosen) ▶ Infekte (z. B. Borreliose) ▶ Nebenwirkungen von Medikamenten (Steroidmyopathie, Myopathien durch Lipidsenker). In Zusammenhang mit einer Grunderkrankung kann ebenfalls ein chronisches Schmerzsyndrom auftreten (im klinischen Sprachgebrauch bisher als sekundäres FMS bezeichnet). Ursachen können z. B. entzündlich-rheumatische Erkrankungen, Infekte (Virushepatitis, subakute bakterielle Endokarditis, …), endokrine Erkrankungen (wie z. B. Hypothyreose) oder vorangegangene Traumata und posttraumatische Stresserkrankungen [2] sein. Alle Erkrankungen, die mit chronischen Schmerzen einhergehen, können grundsätzlich über eine veränderte Schmerzwahrnehmung zur Entwicklung einer Fibromyalgie führen. Folgende Laboruntersuchungen werden zum Ausschluss einer zugrundeliegenden weiteren Erkrankung empfohlen (interdisziplinäre S3-Leitlinie AWMF, Evidenzgrad 5, starker Konsens) [6]: ▶ BSG, CRP, kleines Blutbild (z Bsp. entzündlich-rheumatische Erkrankungen) ▶ CK (z. B. Myositiden) ▶ Kalzium (z. B. Hypercalciämie) ▶ TSH (z. B. Hypothyreose) ▶ ohne klinische Hinweise ist die Bestimmung weiterer Autoantikörper nicht sinnvoll Tab. 4 verschiedene entzündlich-rheumatische Erkrankungen als Differenzialdiagnose zum FMS. PMR Typische Bildgebung: Typisches Labor BSG (Sturzsenkung!) DD zum ­primären FMS FMS: Nicht nur Schulter- und Beckengürtel-, sondern Ganzkörperschmerz Entzündungswerte unauffällig RA SPA DM/PM Röntgen Sonografie MRT BSG/CRP RF CCP-AK FMS: Nicht nur Gelenk- und segmentaler, sondern Ganzkörperschmerz Bildgebung unauffällig Entzündungswerte/AK unauffällig Röntgen MRT MRT BSG/CRP HLA B27 CK Aldolase verschiedene Autoantikörper FMS: Keine Hautveränderungen Labor unauffällig FMS: Nicht nur segmentaler und Gelenk-, sondern Ganzkörperschmerz Bildgebung unauffällig Hermann W et al. Fibromyalgie und seine differenzialdiagnostische … Akt Rheumatol 2015; 40: 398–403 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. tung bandförmig über eine Strecke von wenigen Zentimetern in den Muskeln tastbar sind [1]. Trigger Points sind in der Regel ebenfalls druckschmerzhaft, wobei die Schmerzen jedoch anders als bei Tender points typischerweise in eine spezifische Region („reference pain zone“) ausstrahlen. Das myofasciale Schmerzsyndrom mit einer Vielzahl von schmerzhaften Trigger Points stellt eine wichtige Differenzial­ diagnose zum FMS dar. Auslöser ist oft eine Fehlhaltung oder Überlastung. Die Prognose bei entsprechender Therapie ist meist günstiger als beim FMS [1]. Chronische Nackenschmerzen in Kombination mit tastbaren Myogelosen können klassischerweise beim myofasciales Schmerzssyndrom auftreten und sind differenzialdiagnostisch schwer von Nackenschmerzen in Zusammenhang mit einem FMS zu unterscheiden. Alonso-Blanco et al. versuchten in ihrer Studie, klinische Unterschiede zwischen einem myofascialen Schmerzsyndrom und einem FMS herauszuarbeiten. Es wurden 2 Gruppen mit jeweils 20 Patientinnen untersucht: Frauen mit einem myofascialem temporomandibulären Schmerzsyndrom (temporomandibular disorder = TMD) und Frauen mit einem FMS. Es zeigte sich, dass die Lokalisation der Trigger- und der Tender Points zwar grundsätzlich ähnlich ist, jedoch erscheinen bei Patientinnen mit FMS die betroffenen Areale großflächiger. Bei TMD-Patientinnen sind die druckschmerzhaften Punkte eher cranial angeordnet, wobei Übersichtsarbeit 401 ▶ In Abhängigkeit von Anamnese und körperlicher Untersuchung können weitere Laborbestimmungen sinnvoll sein (z. B. Vitamin-D-Spiegel…) Folgende Nebensymptome sollten gemaäß der aktuellen S3-Leitlinien systematisch miterfasst werden (Evidenzgrad 5, S3-Leitlinie) [23]: ▶ Körperliche Müdigkeit bzw. vermehrte Erschöpfbarkeit ▶ Kognitive Störungen (wie z. B. Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen) ▶ Morgensteifigkeit > 15 Min./Schwellungsgefühl der Hände/ Füße und des Gesichtes ▶ Ein- und Durchschlafstörungen bzw. nicht erholsamer Schlaf ▶Ängstlichkeit ▶Depressivität Eine FMS-bedingte Osteoporose wäre eine mögliche zusätzliche Ursache von Rückenschmerzen bei den betroffenen Patienten. In mehreren aktuellen Arbeiten konnte jedoch kein Zusammenhang zwischen einem primären FMS und einer Verringerung der Knochendichte nachgewiesen werden [9, 10]. Die Vielschichtigkeit des Krankheitsbildes sowie die häufig von den Patienten geäußerten multiplen Beschwerden führen in vielen Fällen zu multiplen Arztbesuchen mit einer daraus resultie▶ Abb. 2). Im Augenblick gilt renden umfangreichen Diagnostik ( ● hierbei die Empfehlung, dass „bei typischem Beschwerdekomplex und fehlendem Hinweis auf internistische, orthopädische oder neurologische Erkrankungen“ eine „weitere technische Diagnostik (weiterführendes Labor, Neurophysiologie, Bildgebung)“ nicht durchzuführen ist (interdisziplinäre S3-Leitlinie AWMF, Evidenzgrad 5, starker Konsens) [6]. Entzündlich-rheumatische Erkrankungen mit Beteiligung der HWS-Region und möglichen fibromyalgieformen Beschwerden ▼ Polymyalgia rheumatica Die Polymyalgia rheumatica (PMR) ist eine hochentzündliche weichteilrheumatische Erkrankung, die bei älteren Menschen auftritt und neben dem Schultergürtel auch den Beckengürtel betreffen kann [1]. Zusätzlich ist häufig der Allgemeinzustand reduziert und es können subfebrile Temperaturen und Gewichtsverlust auftreten. Eine PMR kann dann angenommen werden, wenn 3 Kriterien positiv sind oder ein Kriterium zusammen mit einer Temporalarteriitis auftritt. Neben den in den Diagnosekriterien beschriebenen Symptomen können bei einer PMR auch oligoartikuläre Synovialitiden oder bilaterale Bursitiden auftreten [12]. Eine begleitende Temporalarteriitis ist bioptisch in ca. 20 % der Fälle nachweisbar und macht sich klinisch häufig mit dem Leitsymptom Cephalgien bemerkbar. Weitere Symptome können eine plötzliche Visusverschlechterung, Schleiersehen oder Doppelbilder sein. Der Krankheitsbeginn liegt meist jenseits des 50. Lebensjahres, wobei Frauen 2–3x häufiger als Männer betroffen sein können. Differenzialdiagnostisch relevant zum FMS sind vor allem neben den erhöhten Entzündungszeichen (BSG: „Sturzsenkung“) die typischerweise nicht druckdolenten Tender Points. Atlantoaxiale Dislokation und weitere HWS-Beschwerden im Rahmen einer Rheumatoiden Arthritis ▼ Im Zusammenhang mit einer destruierenden Zervikalarthritis im Rahmen einer Rheumatoiden Arthritis (RA) kann es zu einer Kapsel-, Band- und Knochenzerstörung (Dens axis!) im Bereich der HWS kommen [1]. Leitsymptom sind chronische, zum Teil bewegungsabhängige Nackenschmerzen. Bei fortgeschrittener Erkrankung treten auch neurologische Symptome z. B. Schwindel auf. Die Diagnosesicherung erfolgt in der Regel über HWS-Funk­ tionsaufnahmen, ggf. auch durch eine MRT-Untersuchung. Differenzialdiagnostisch zum primären FMS ist das Vorhandensein einer entzündlich-rheumatischen Grunderkrankung in Form einer meist schon fortgeschrittenen und radiologisch nachweisbaren RA. Eine Kiefergelenksbeteiligung im Rahmen einer rheumatoiden Arthritis oder auch einer iuvenilen chronischen Arthritis kann ebenfalls zu Beschwerden führen, die in den Bereich der HWS projeziert werden. Auch andere Funktionsstörungen der Kiefer wie z. B. Zähneknirschen oder Fehlstellungen durch fehlerhafte Hermann W et al. Fibromyalgie und seine differenzialdiagnostische … Akt Rheumatol 2015; 40: 398–403 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Abb. 2 Multiple Vorbefunde bei rheumatischer Erstvorstellung mit der Diagnose Fibromyalgie­ syndrom (Fotograf: W. Hermann). 402 Übersichtsarbeit Zervikale Spondylitiden im Rahmen von seronegativen Spondylarthropathien (SPA) ▼ Die Diagnosesicherung erfolgt über konventionelles Röntgen bzw. MRT der HWS. In der Bildgebung lassen sich typische Entzündungszeichen nachweisen. Die Krankheitsgruppe der Spondylarthropathien zeichnet sich durch folgende Gemeinsamkeiten aus [14]: ▶ Befall der Iliosacralgelenke und Wirbelsäule ▶ Periphere Arthritiden (meist asymmetrisch/untere Extremitäten) ▶Enthesiopathien ▶ Extraartikuläre Manifestationen wie Augenentzündungen, Schleimhautentzündungen, Hautveränderungen ▶ Familiäre Häufung und Assoziation mit HLA B27 Der Nachweis entzündlicher Veränderungen ermöglicht eine Differenzialdiagnose zum FMS. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass auch im Rahmen von Spondylarthropathien die Entwicklung eines sekundären FMS erfolgen kann (dies wird ca. 20–25 % der Patienten mit ankylosierender Spondylitis beobachtet) [13]. Dermatomyositis (DM)/Polymositis (PM) ▼ Auch entzündliche Muskelerkrankungen verursachen immer wieder fibromyalgieforme Weichteilschmerzen. Eine DM oder PM [15] zeichnet sich durch eine Kombination einer Myositis mit möglichen Hautveränderungen wie einem hellviolettem Exanthem, Gottron̛schen Knötchen an der Streckseite der Fingergelenke oder einem Erythem an den Streckseiten der Ellenbogen- und Kniegelenke aus. Typischerweise finden sich bei den betroffenen Patienten neben erhöhten Entzündungswerten auch erhöhte CK- oder Aldolasewerte. Die Myositis lässt sich in der Bildgebung mittels MRT nachweisen, bioptisch finden sich Infiltrationen der Skelettmuskulatur mit Entzündungszellen sowie degenerative Muskelzellveränderungen, eventuell kombiniert mit Nekrosen. Eine isolierte Beteiligung der Nackenmuskulatur ist selten. Weitere entzündlich-rheumatische Erkrankungen ▼ Die Daten zur Prävalenz des FMS bei Patienten mit einem systemischen Lupus erythematodes sind stark unterschiedlich. Studien in den USA, Israel und Australien geben Zahlen von 22–47 % an, in Großbritannien, Spanien, Mexiko und Indien liegt die Häufigkeit bei 1–10 % [23]. Bei Patienten mit einem primären Sjögren Syndrom werden FMS-Häufigkeiten von 44 % (deutsche Studie) und 22 % (italienische Studie) beschrieben [23]. Prospektive Studien oder Reviews liegen für beide Krankheitsbilder jedoch nicht vor. Degenerative HWS-Veränderungen ▼ Im Rahmen von degenerativen HWS-Veränderungen kann es sowohl zu segmentalen als auch zu radikulären und pseudoradikulären HWS-Schmerzen kommen [1]. Klinisch finden sich typischerweise Myogelosen, eventuell mit positiven Trigger Points. Radiologisch lassen sich meist klassische Zeichen einer Degeneration mit Spondylophyten oder Bandscheibenveränderungen finden. Chronische degenerativ bedingte Schmerzen können zur Ausprägung eines sekundären FMS führen. Andererseits findet man bei vielen Patienten mit einem FMS im Rahmen der daraufhin durchgeführten Diagnostik als „Zufallsbefund“ degenerative Veränderungen. Es besteht dann z. B. die Gefahr, dass ohne Berücksichtigung des FMS als Grunderkrankung unnötige operative Eingriffe durchgeführt werden. Die Arbeitsgruppe von Demir et al. untersuchte, wie häufig ein FMS bei Patienten mit einem zervikalen Bandscheibenprolaps (zervikal disc herniation = CDH) auftritt. Eingeschlossen wurden 52 Patienten mit CDH sowie 51 Patienten mit FMS. 6 Patientinnen ( = 11.5 %) mit CDH erfüllten die ACR-Kriterien (1990) eines Fibromyalgiesyndromes. In derselben Studie wurde untersucht, ob sich die Verteilung der Tender points bei Patienten mit CDH von denen mit einer Fibromyalgie unterscheidet. Tatsächlich zeigen sich hier signifikante Unterschiede: Während bei CDH-Patienten 71,8 % der Tender points in der Schulter-Nacken-Region lokalisiert sind, waren dies bei Fibromyalgiepatienten nur 58,7 % [16]. Psychogener Rheumatismus ▼ Nicht bewältigte Konflikte aller Art können zu chronischen Weichteilschmerzen in Form eines psychogenen Rheumatismus führen [1]. Dieser ist anamnestisch und klinisch oft sehr schwer von einem klassischen FMS zu unterscheiden. In manchen Fällen klagen die Patienten vorrangig über Nackenschmerzen. Die Schmerzlokalisation wird oft als stark wechselnd beschrieben (im Gegensatz zur multilokulären Symptomatik beim FMS), die Schmerzen werden in ihrer Intensität und ihrem Charakter sehr bildreich und manchmal bizarr geschildert. Funktionelle Symptome gehören meist, ähnlich wie beim FMS, ebenfalls zu diesem Krankheitsbild. Die Differenzialdiagnose zum FMS fällt oft schwer, in vielen Fällen ist eine weitere psychosomatische Exploration erforderlich. HWS-Traumata ▼ Der Fragestellung nach einem Zusammenhang zwischen HWS-Verletzungen und der Entwicklung eines Fibromyalgiesyndromes ging die Arbeitsgruppe von Buskila et al. in ihrer Studie nach. Dabei wurden 102 Patienten nach HWS-Verletzung mit einer Kontrollgruppe von Patienten mit Beinfrakturen (n = 59) verglichen. Obwohl niemand der Patienten vorher unter chronischen Schmerzen gelitten hatte, konnte die Diagnose einer Fibromyalgie (entsprechend der ACR Kriterien von 1990) bei 21,6 % der Patienten mit HWS-Verletzung gestellt werden. Bei der Kontrollgruppe war dies nur bei 1,7 % der Patienten möglich. Die Diagnosestellung Fibromyalgie war durchschnittlich 3,2 Monate nach dem Trauma möglich. Ein Zusammenhang mit möglichen Versicherungsansprüchen konnte nicht nachvollzogen werden [17]. Hermann W et al. Fibromyalgie und seine differenzialdiagnostische … Akt Rheumatol 2015; 40: 398–403 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Spangen oder Zahnimplantate sind mögliche Ursachen chronischer HWS-Schmerzen. Andererseits kann ein FMS als Folge einer RA selbstverständlich ebenfalls zu chronischen Nackenschmerzen führen. Die Prävalenz eines FMS bei Patienten mit RA beträgt ca. 20–25 % [13]. Eine eventuell zusätzlich vorhandene atlantoaxiale Dislokation darf bei diesen Patienten nicht übersehen werden. Übersichtsarbeit 403 Schlussfolgerung ▼ HWS-Beschwerden stellen eines der häufigsten Symptome in der rheumatologischen Sprechstunde dar. Ein FMS kann in vielen Fällen die Ursache darstellen oder aber als sekundäres FMS Folge einer Grunderkrankung sein. Differenzialdiagnostisch gibt es eine Reihe von Erkrankungen, die klinisch ähnlich wie ein FMS imponieren können und daher mitberücksichtigt werden müssen. Eine frühzeitig durchgeführte Diagnostik kann helfen, strukturelle und funktionelle Spätschäden zu verhindern und somit auch auf die soziale Prognose einer Erkrankung (depressive Entwicklung, sozialer Abstieg) einen positiven Einfluss haben. Interessenkonflikt: Es besteht kein Interessenkonflikt Literatur 1 Müller W, Zeidler H. Differentialdiagnosen rheumatischer Erkrankungen. 3. Aufl Berlin, Heidelberg, New York: Springer; 1998 2 Späth M. Fibromyalgie. Z Rheumatol 2011; 70: 573–558 3 Wolfe F. New American College of Rheumatology 1990 Criteria for the Classification of Fibromyalgia: a twenty-year journey. Arthritis Care Res 2010; 62: 583–584 4 Wolfe F, Smythe HA, Yunus MB et al. The American College of Rheumatology 1990 Criteria for the Classification of Fibromyalgia. Report of the Multicenter Committee. Arthritis Rheu 1990; 33: 160–172 5 Jäckel WH, Genth E. Fibromyalgie. Z Rheumatol 2007; 66: 579–590 6 Eich W, Häuser W, Friedel E et al. Definition, Klassifikation und Diagnose des Fibromyalgiesyndroms. Z Rheumatol 2008; 67: 665–676 7 Buskila D, Neumann L, Odes LR et al. The prevalence of muskuloskeletal pain and fiobromyalgia in patients hospitalized on internal medicine wards. 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Bei 78 der Patienten dieser Studie war nach 3 Jahren eine Nachbeobachtung möglich. Insbesondere konnten 20 der ursprünglich 22 Patienten mit neu diagnostiziertem FMS reevaluiert werden. Bei 60 % konnte die Diagnose weiterhin bestätigt werden, wobei ein Unterschied bei den Geschlechtern auffiel: alle 11 Frauen waren weiterhin betroffen, von den 9 Männern erfüllte nur noch 1 Mann die ACR-Kriterien für ein FMS. Neue Fälle waren nicht hinzugekommen, sodass die Untersucher (unter Beachtung der geringen Fallzahlen!) konstatierten, dass 1 Jahr nach einer HWS-Verletzung kein erhöhtes Risiko für eine Neuentwicklung eines FMS besteht [18]. Mit der Fragestellung Zusammenhang zwischen HWS-Verletzung und Entwicklung einer Fibromyalgie beschäftigt sich auch die Arbeit von Tishler et al. Hier wurden 153 Patienten nach Schleudertrauma eingeschlossen, in die Kontrollgruppe kamen Patienten mit Frakturen der Extremitäten, Wirbel- und Rippenfrakturen (n = 53). Während des Beobachtungszeitraumes von durchschnittlich 14,5 Monaten konnte nur bei einem Patienten in der Studiengruppe die Entwicklung eines FMS festgestellt werden [19]. Auch hier konnten bei 126 der 153 ursprünglichen Patienten 3-Jahres-Daten gewonnen werden (Kontrollgruppe: 33 der 53 Patienten). Dabei zeigte sich ein FMS bei 3 Patienten in der Studiengruppe und einem Patienten in der Kontrollgruppe. Letztendlich konnte hier kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Schleudertrauma und neu aufgetretener Fibromyalgie nachgewiesen werden [20]. Ein ähnliches Patientenkollektiv wurde von Robinson et al. beobachtet. Untersucht wurden 326 Patienten, die 3 Monate nach einem Schleudertrauma unter persistierenden Nackenschmerzen litten. Es zeigte sich, dass bei dieser Gruppe vorrangig Tender Points im Schulter-Nacken-Bereich positiv sind. Verglichen mit der Kontrollgruppe von Patienten mit Fibromyalgie sind distal lokalisierte Tender Points seltener positiv. Die ACR-Kriterien für ein FMS wurden von 14 % der Patienten erfüllt. Allerdings zeigte sich, dass bei 63 % dieser Patienten nach intensiver 6-monatiger Behandlung diese Kriterien nicht mehr erfüllt waren und somit auch die Diagnose eines FMS nicht mehr aufrechterhalten werden konnte. Somit muss davor gewarnt werden, bei Patienten mit länger anhaltenden Schmerzen zu rasch die Diagnose eines Schmerzsyndromes zu stellen [21]. Der Behauptung, dass bei Patienten mit chronischen Schmerzen nach einem Schleudertrauma ein vorbestehendes FMS die Ursache der Beschwerden ist, widerspricht eine Studie von Otte et al. [22], bei der mittels SPM und SPECT festgestellt werden konnte, das Unterschiede in der Hirndurchblutung zwischen Schmerzpatienten nach Schleudertraua und FMS-Patienten bestehen. Zusammenfassend kann man feststellen, dass durch die wenigen dazu bisher durchgeführten Studien kein eindeutiger Zusammenhang zwischen einer HWS-Verletzung und einer dadurch ausgelösten Fibromyalgie zu belegen ist. Fibromyalgiforme Beschwerden können infolge einer Verletzung zwar auftreten, jedoch durch entsprechende intensive Therapie auch wieder abklingen.