IP/98/118 Brüssel, 4. Februar 1998 Erhaltung des Lebens auf der Erde: Die Kommission verabschiedet Mitteilung über die Artenvielfalt Die Europäische Kommission hat heute die Mitteilung über eine Strategie zur Erhaltung der Artenvielfalt in der Europäischen Union (EU) verabschiedet. Diese Strategie soll helfen, die Ursachen für die drastische Abnahme oder den Verlust der biologischen Vielfalt an der Quelle zu erkennen, zu verhüten und anzupacken. Dies wird dazu beitragen, der gegenwärtigen Verringerung bzw. dem Verlust der Artenvielfalt entgegenzuwirken und Arten und Ökosysteme, darunter auch landwirtschaftsgebundene Ökosysteme, sowohl in der Europäischen Union als auch anderswo angemessen zu schützen. Die Mitteilung wurde von Ritt BJERREGAARD, dem für die Umwelt zuständigen Mitglied der Kommission, unterbreitet. Sie beschrieb die Initiative als einen "Modellfall für die Berücksichtigung von Umweltfragen in wichtigen Politikbereichen". In den vergangenen Jahrzehnten hat der Rückgang und der Verlust der Artenvielfalt weltweit dramatische Ausmaße angenommen. Die bisherigen Maßnahmen haben sich als unzureichend herausgestellt, um den derzeitigen Trend umkehren zu können. Am besten sollten die für die jeweiligen Bereiche Zuständigen die Verantwortung für die Auswirkungen ihrer Maßnahmen auf die Artenvielfalt übernehmen. Mit dieser Strategie bestätigt die Europäische Union ihre weltweite Vorreiterrolle bei den Bemühungen um den Artenschutz im Rahmen des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt (Artenschutz-Übereinkommen). Die biologische Vielfalt (Artenvielfalt) ist für die Erhaltung des Lebens auf der Erde von wesentlicher Bedeutung und hat in gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, erzieherischer, kultureller und ästhetischer Hinsicht sowie für die Freizeitgestaltung eine wichtige Funktion. Zusätzlich zu ihrem Wert an sich ist die Artenvielfalt Voraussetzung für unsere Anpassungsfähigkeit an neue Gegebenheiten. Ohne eine ausreichende Artenvielfalt dürften eine Klimaänderung und Seuchen katastrophalere Folgen haben. Sie ist daher eine unerläßliche Voraussetzung für die Zukunft von Landwirtschaft und Fischerei und somit für die Lebensmittelversorgung. Darüber hinaus ist sie die Grundlage für viele industrielle Prozesse und die Herstellung neuer Medikamente. Schließlich bietet die Artenvielfalt häufig Lösungen für die gegenwärtigen Verschmutzungsprobleme und die Krankheitsbekämpfung. Das Artenschutz-Übereinkommen muß in der Europäischen Union in zwei Phasen angewandt werden. Die Verabschiedung dieser Strategie mit allgemeinen Leitlinien für Maßnahmen entspricht der ersten Phase. Die zweite Phase besteht in der Ausarbeitung und Durchführung von Aktionsplänen und sonstigen Maßnahmen der Kommission. In dieser zweiten Phase werden die Ziele des Übereinkommens in konkrete Maßnahmen umgesetzt. In der Strategie zur Erhaltung der Artenvielfalt in der Europäischen Union sind die Ziele des Übereinkommens über die biologische Vielfalt in horizontale Bereiche untergliedert: a) Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Artenvielfalt, b) Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile, c) Forschung, Bestimmung, Überwachung und Informationsaustausch, d) Erziehung, Ausbildung und Aufklärung. Für diese Bereiche sieht die Strategie insgesamt 46 Ziele vor, die zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der Artenvielfalt in Gebieten außerhalb von Schutzgebieten beitragen. Vorgeschlagen wurde beispielsweise die Förderung von Kennzeichnungssystemen aufgrund der Lebenszyklusanalyse bei Produkten, deren Herstellung, Vertrieb, Verwendung oder Entsorgung die Artenvielfalt beeinträchtigen könnte, und Bemühungen um die Sozialverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit der Artenschutzregelungen sowie die Abschaffung von Anreizen, die der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der Artenvielfalt zuwiderlaufen. Die Gemeinschaftsstrategie konzentriert sich auf die Einbeziehung der Artenschutzbelange in die verschiedenen Politikbereiche, insbesondere in folgende Bereiche: 1) Erhaltung der natürlichen Ressourcen, 2) Landwirtschaft, 3) Fischerei, 4) Regional- und Raumordnungspolitik, 5) Forstwirtschaft, 6) Energie und Verkehr, 7) Tourismus und 8) Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die Strategie legt Ziele fest, die bei der Ausarbeitung spezieller sektoraler und sektorübergreifender Aktionspläne für diese Politikbereiche zu beachten sind. Im Bereich der Erhaltung der natürlichen Ressourcen wird die Notwendigkeit einer "Unterstützung der Vernetzung ausgewiesener Gebiete, insbesondere des NATURA-2000-Netzes der EU, sowie die Notwendigkeit einer angemessenen finanziellen sowie technischen Unterstützung ihrer Erhaltung und nachhaltigen Nutzung" sowie der "Entwicklung - in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten von Maßnahmen zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der Artenvielfalt außerhalb von Schutzgebieten" hervorgehoben. Für den Bereich der Landwirtschaft ist in der Strategie zu lesen, daß "die Artenschutzbelange [...] in der durch die Agenda 2000 angekündigten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik GAP[berücksichtigt werden]". Die Strategie betont, daß die "ökologische Funktion ländlicher Gebiete gefördert" werden muß, daß die Artenschutzziele in den relevanten Instrumenten der GAP Berücksichtigung finden und "Anbaumethoden gefördert werden müssen, die die Artenvielfalt begünstigen, indem gegebenenfalls Beihilfen für die Landwirtschaft mit Umweltauflagen verbunden werden". Zur Regional- und Raumordnungspolitik heißt es in der Strategie, daß "das Augenmerk besonders auf die ländlichen Gebiete gerichtet werden [muß], in denen häufig eine Beibehaltung der landwirtschaftlichen Nutzung notwendig ist, um den Verlust der Artenvielfalt und eine Schädigung von Lebensräumen zu verhindern". Ferner wird die "Unterstützung einer nachhaltigen Entwicklung auf der Grundlage einer integrierten Raumplanung" gefordert. 2 In der Artenvielfaltstrategie der EU wird ferner die Auswirkung der Maßnahmen und Instrumente der EU auf die Artenvielfalt in Drittländern behandelt. Gefordert wird die "Einbeziehung der Artenschutzziele in die Entwicklungspolitik und die wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie in den politischen Dialog der Gemeinschaft mit den Entwicklungsländern und den Ländern, die sich im Übergang zur Marktwirtschaft befinden". Die Aktionspläne sollten in den nächsten zwei Jahren fertiggestellt werden. Die Anwendung der Strategie und die Wirksamkeit der Aktionspläne und sonstiger Maßnahmen werden anhand von Artenvielfaltsindikatoren und meßbaren Zielvorgaben beurteilt, um die Maßnahmen bewerten und Anhaltspunkte für weitere Maßnahmen geben zu können. Nach der Verabschiedung erklärte Frau BJERREGAARD: "Diese Strategie ist ein wichtiger Meilenstein in der Umweltpolitik. Sie gibt den Rahmen für die Berücksichtigung von Artenschutzbelangen in den betreffenden Politikbereichen vor. Die für diese Bereiche Verantwortlichen können sich nun bei ihrer Arbeit zugunsten einer besseren Umwelt an klaren Zielen orientieren. Dies ist die Voraussetzung für wirkliche Fortschritte, wenn es darum geht, im Interesse einer nachhaltigen Entwicklung Politikbereiche zu koordinieren." 3 Hintergrund 1. Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (ArtenschutzÜbereinkommen) ist eine der beiden weltweit verbindlichen Vereinbarungen, die auf der Konferenz von Rio im Jahr 1992 verabschiedet wurden. Bei der zweiten Vereinbarung handelt es sich um die Klimaschutzkonvention. 2. Die EU ratifizierte das Übereinkommen über die biologische Vielfalt am 21. Dezember 1993. 3. Rund 170 Länder aus aller Welt sind Vertragsparteien des Übereinkommens. 4. Die Artenschutzstrategie der EU gibt den Rahmen für die Entwicklung von Maßnahmen und Instrumenten der EU zur Anwendung des ArtenschutzÜbereinkommens vor. Diese Strategie ergänzt die Strategien, Programme und Pläne der Mitgliedstaaten zur vollständigen Umsetzung des Übereinkommens. 5. Sämtliche Mitgliedstaaten der Gemeinschaft sind Vertragsparteien des Artenschutz-Übereinkommens. Sie haben daher entweder bereits entsprechende nationale Artenschutzstrategien entwickelt oder arbeiten daran. Die Entwicklung und Anwendung nationaler Strategien in sämtlichen Mitgliedstaaten ist von entscheidender Bedeutung, doch haben auch verschiedene Gemeinschaftsmaßnahmen eine erhebliche Auswirkung auf die Artenvielfalt. Sie sollten daher ergriffen werden, um die Verwirklichung der Ziele des Übereinkommens sicherzustellen. 6. Jede Vertragspartei muß nach Artikel 6 des Übereinkommens im einzelnen . "nationale Strategien, Pläne oder Programme zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt entwickeln oder zu diesem Zweck ihre bestehenden Strategien, Pläne und Programme anpassen, in denen unter anderem die in diesem Übereinkommen vorgesehenen Maßnahmen, die für die jeweilige Vertragspartei von Belang sind, zum Ausdruck kommen; . die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt, soweit möglich und sofern angebracht, in ihre diesbezüglichen sektoralen oder sektorenübergreifenden Pläne, Programme und Politiken einbeziehen." 7. Zur Gemeinschaftsstrategie zur Erhaltung der Artenvielfalt wurden zahlreiche Betroffene im Laufe des Jahres 1997 konsultiert. Sachverständige aus 15 Mitgliedstaaten, Vertreter verschiedener Sektoren und von NRO waren aktiv an der Entwicklung der Strategie beteiligt. 8. So haben beispielsweise mehr als 500 Sachverständige und Forschungseinrichtungen aus der gesamten EU am Kapitel über die Forschung mitgewirkt. 4