Biodiversität oekom Position Paper

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oekom Position Paper
Biodiversität
➔
September 2008
■ Fakten
Auf einen Blick
1. Was ist Biodiversität?
Biodiversität beschreibt die Vielfalt der Arten sowie der
Ökosysteme. Derzeit sind weltweit knapp zwei Millionen Arten
bekannt, die Gesamtzahl der Arten wird auf mindestens 13
Millionen geschätzt. Jeden Tag sterben bis zu 130 Arten aus.
Der Klimawandel, die Intensivierung und Ausdehnung der
Landwirtschaft sowie der Ausbau der Infrastruktur werden
dabei als Haupttreiber des Artensterbens angesehen.
Biodiversität bezeichnet die Vielfalt der Arten auf der Erde,
die Vielfalt innerhalb der Arten (genetische Unterschiede zwischen Individuen und Populationen) sowie die Vielfalt von
Ökosystemen. Im Rahmen des 2010 Biodiversity Indicators
Partnership wurden eine Reihe von messbaren direkten und
indirekten Indikatoren für Biodiversität und deren Entwicklung
zusammengestellt. Dazu zählen z. B. die Dichte und Verteilung
von Arten, die Waldfläche und die Fläche geschützter Areale
(Naturschutzgebiete etc.).
Heute gibt es weltweit insgesamt knapp zwei Millionen
beschriebene Arten. Das Millennium Ecosystem Assessment
rechnet auf dieser Basis den Artenbestand der Erde auf 13,6
Millionen hoch. Andere Schätzungen gehen von bis zu 100
Millionen Arten aus.
Die Convention on Biological Diversity (CBD) ist das zentrale
internationale Abkommen zum Artenschutz. Die Unterzeichner
(189 Staaten und die EU) haben sich verpflichtet, das
Artensterben bis zum Jahr 2010 maßgeblich zu reduzieren. Im
Fokus der aktuellen Diskussion zum Artenschutz stehen dabei
folgende Aspekte:
– die Sicherstellung der Finanzierung von Maßnahmen zum
Schutz der Biodiversität;
– die Einrichtung eines weltweiten Netzes von terrestrischen
und marinen Schutzgebieten („Life Web Initiative“);
– die Gewährleistung des Zugangs zu pflanzlichen und tierischen genetischen Ressourcen sowie die Sicherstellung
einer gerechten Beteiligung der Herkunftsländer an den
Gewinnen aus der Nutzung dieser Ressourcen;
– die Auswirkungen des verstärkten Anbaus von Pflanzen zur
Gewinnung von Biokraftstoffen;
– die Berechnung des ökonomischen Wertes von Arten und
Ökosystem-Leistungen.
2. Bedrohung der Artenvielfalt
Laut der Roten Liste bedrohter Arten, die die Weltnaturschutzunion IUCN (International Union for Conservation of
Nature) im Jahr 2006 veröffentlicht hat, sind über 16.100
Pflanzen- und Tierarten weltweit akut vom Aussterben
bedroht. Nach Schätzungen des WWF sterben jeden Tag zwischen drei und 130 Arten in den Meeren und auf Land aus.
Die Gesamtzahl der Arten hat zwischen 1970 und 2000 um 40
Prozent abgenommen.
Dieser Artenrückgang betrifft nicht nur Wildtiere und -pflanzen, sondern ist auch bei landwirtschaftlich genutzten Tieren
und Pflanzen zu beobachten. So bilden heute nur noch rund 15
Pflanzenarten und acht Nutztierrassen die Basis der Ernährung
der gesamten Weltbevölkerung.
Der Weltklimarat IPCC prognostiziert, dass bei einer Erhöhung
der globalen Durchschnittstemperatur um mehr als 2,5 Grad
Celsius 20 bis 30 Prozent der Tier- und Pflanzenarten vom
Aussterben bedroht sind. Bei mehr als 4 Grad, so das IPCC,
könnte es sogar 40 Prozent der Arten treffen.
Nach Aussage des Global Environment Outlook des
Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) aus dem
Jahr 2007 sind mehr als 60 Prozent aller Ökosysteme weltweit geschädigt. Als eine Hauptursache sieht die Studie neben
dem Klimawandel die Intensivierung der Landwirtschaft. So
werden 70 Prozent der verfügbaren Süßwasservorkommen
Erwartungsgemäß wird der Stand der Aktivitäten unterschiedlich bewertet. Gerade Umwelt- und Naturschutzorganisationen
bezweifeln, dass sich die CBD-Ziele für das Jahr 2010 erreichen
lassen. Sie drängen auf weitere Maßnahmen, insbesondere
zum Schutz der Wälder und Ozeane.
In den Unternehmen wächst das Bewusstsein für die Risiken,
die sich aus dem Artensterben und der Beeinträchtigung der
Ökosysteme ergeben können. Aus Unternehmenssicht geht es
dabei um Themen wie die Sicherung des dauerhaften Zugangs
zu pflanzlichen und tierischen Rohstoffen wie Nahrungsmitteln,
den Erhalt der Artenvielfalt als Quelle für Produktinnovationen
oder die zunehmende Berücksichtigung des Artenschutzes als
Kaufkriterium. In den vergangenen Jahren sind verschiedene
Initiativen entstanden, die den Schutz der Biodiversität zum
Gegenstand haben (z.B. FSC-Forest Stewardship Council, MSCMarine Stewardship Council).
oekom Position Paper: Biodiversität
zur Bewässerung von Feldern verbraucht. Dort werden große
Mengen an Düngern und Pestiziden eingesetzt, die das Grundund Trinkwasser verunreinigen.
3. Gesetze und Konventionen
Die Convention on Biological Diversity (CBD) ist der wichtigste internationale Vertrag zum Artenschutz. Insgesamt 189
Staaten und die EU haben sich in der 1993 in Kraft getretenen
Konvention zum Schutz der Arten verpflichtet. Die Konvention
fokussiert auf drei Handlungsfelder:
– den Erhalt der Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten,
Lebensräumen und genetischer Diversität;
– die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen;
– die gerechte Verteilung der sich daraus ergebenden
Gewinne und Vorteile.
Im April 2002 haben sich die Unterzeichner der CBD im Rahmen
des „2010 Biodiversity Target“ verpflichtet, „bis zum Jahr 2010
eine deutliche Reduzierung des Biodiversitätsverlusts auf globaler, regionaler und nationaler Ebene zu erreichen und damit
einen Beitrag zur Armutsbekämpfung zu leisten.“ Ein ähnliches Ziel wurde auch in den UN Millenium Development Goals
formuliert. Die Unterzeichner des CBD treffen sich regelmäßig
zu so genannten Conferences of the Parties (COP), zuletzt zur
COP 9 im Mai 2008 in Bonn.
Weitere zentrale Vereinbarungen zum Artenschutz neben den
CBD sind:
1. Washingtoner Artenschutzübereinkommen (Convention on
International Trade in Endangered Species of Wild Flora and
Fauna (CITES)(1973) über den internationalen Handel von
Arten;
2. Cartagena-Protokoll über die biologische Sicherheit (2003);
das Protokoll regelt den grenzüberschreitenden Transport,
die Handhabung und den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen;
3. Welterbekonvention (World Heritage Convention - WHC)
(1972) zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt;
4. EU Flora Fauna und Habitat (FFH)-Richtlinie (1992) zur
Erhaltung der natürlichen Lebensräume und der wild
lebenden Tiere und Pflanzen sowie Natura 2000 als Netz
von Schutzgebieten zur Erhaltung europäisch bedeutsamer
Lebensräume sowie seltener Tier- und Pflanzenarten.
■ Argumente
In Politik, Gesellschaft und Wirtschaft gibt es großen Konsens
hinsichtlich der Problemanalyse und des Zieles des Erhalts
der Artenvielfalt. Gerade in der Wirtschaft kann man eine
steigende Sensibilität für das Thema erkennen. Deutliche
Unterschiede gibt es dagegen bei der Bewertung der politischen Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt, im Hinblick
auf deren Fortschritt sowie zu den Auswirkungen einzelner
wirtschaftlicher Aktivitäten auf die Artenvielfalt. Die Diskussion
hat zahlreiche Berührungspunkte zu anderen großen gesellschaftlichen Herausforderungen, z. B. dem Klimawandel, der
Abholzung von Wäldern oder dem Einsatz der Gentechnik.
1. Der Wert der Biodiversität
Berechnung des ökonomischen Nutzens von Biodiversität
Im Gegensatz zu Waren und Dienstleistungen haben viele
Ökosystem-Leistungen, gerade im Bereich der regulatorischen Leistungen (vgl. Tabelle 1), keinen Marktpreis und werden daher häufig nicht in die wirtschaftliche Kosten-ErtragRechnung integriert.
Ökosystem-Leistungen
Rohstoffe
u. a. Nahrungsmittel, Biomasse,
Trinkwasser, genetische Ressourcen,
Biochemikalien und pharmazeutische
Rohstoffe
Regulatorische
Leistungen
u. a. Leistungen im Bereich Wasser- und
Luftqualität, Klimaschutz, Bodenerosion
und Hochwasserschutz
Kultureller Wert
u. a. Erholung, ästhetischer Wert der
Natur
Tabelle 1: Ökosystem-Leistungen; Quelle: eigene Darstellung
Vor diesem Hintergrund gibt es derzeit eine intensive Diskussion
um die Frage nach dem ökonomischen Wert von Biodiversität
und Ökosystem-Leistungen. Einen ersten Versuch, den Wert
der Biodiversität zu berechnen, hat Frederic Vester, Mitglied
des Club of Rome, bereits 1983 unternommen: „Wenn man die
Leistungen des Blaukehlchens als Schädlingsbekämpfer, als
Verbreiter von Samen, Freude fürs menschliche Gemüt, als BioIndikator für Umweltbelastungen und Symbiosepartner hinzurechnet, erbringt ein Blaukehlchen jedes Jahr Leistungen im
Wert von 154,09 Euro.”
In der Zwischenzeit gab es zahlreiche Ansätze, die wirtschaftliche Leistung, die durch Pflanzen und Tiere sowie Ökosysteme,
z. B. Moore, erbracht wird, auf verschiedenen Ebenen zu
berechnen. Danach wird der Wert der Arbeit von Milliarden
Bienen, die überall auf der Welt Agrarpflanzen bestäuben, auf
acht Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt, der Marktwert der
weitweit gehandelten Arzneipflanzen auf rund 65 Milliarden
US-Dollar pro Jahr.
In der weltweit größten laufenden Studie zu diesem Thema
„The Economics of Ecosystems and Biodiversity“ (TEEB),
die im Auftrag der deutschen Bundesregierung und der EUKommission durchführt wird, schätzen die Autoren allein den
Wert der weltweit auf geschützten Flächen durch die Natur
erbrachten Leistungen auf fünf Billionen US-Dollar pro Jahr.
Die Studie sieht dabei drei große Gefahren für die Artenvielfalt:
den Ausbau der Infrastruktur, den Klimawandel und die
Landwirtschaft. Der Abschlussbericht soll 2009 vorgelegt werden.
juli 2005
oekom Position Paper: Biodiversität
[oekom research newsletter]
Über die Sinnhaftigkeit einer geldwerten Nutzenbetrachtung 2. Weiterentwicklung der Artenschutzpolitik
gibt es unterschiedliche Ansichten. Befürworter dieses Ansatzes
verweisen auf die Funktion des Preises in der Marktwirtschaft Die laufenden Arbeiten zur monetären Bewertung der
und die Notwendigkeit, Artenvielfalt und Ökosystem-Leistungen Umweltleistungen sind nur ein Baustein der Aktivitäten zum
einzupreisen. Voraussetzung dafür sei die Berechnung des Schutz von Arten und Ökosystemen und damit zur Erreichung der
CBD 2010 Biodiversity Targets. Folgende weitere Aspekte werWertes dieser Leistungen.
Häufig wird auf die Wirkungen verwiesen, die der Stern Report den – zuletzt im Rahmen der 9. CBD-Vertragsstaatenkonferenz
zu den ökonomischen Kosten des Klimawandels im Jahr 2006 im Mai 2008 – intensiv diskutiert:
hatte. Ihm wird attestiert, das Thema Klimawandel in Wirtschaft – die Gewährleistung des Zugangs zu genetischen Ressourcen
bei gleichzeitiger Sicherstellung
und Kapitalmärkte transportiert zu
haben. Von vergleichbaren Studien „Der Schutz der Natur muss Zinsen einer gerechten Beteiligung der
Herkunftsländer an den Gewinnen
zur Biodiversität, insbesondere von bringen.“
aus der Nutzung dieser Ressourcen.
der angesprochenen TEEB-Studie, verHierbei geht es u. a. um die Frage der
Sigmar
Gabriel,
Bundesumweltminister
spricht man sich ähnliche Impulse in
Eigentumsrechte an Pflanzen, Tieren
Richtung der Wirtschaft.
und Gensequenzen („Biopiraterie“);
Kritiker verweisen zum einen darauf, dass Natur einen
die
Einrichtung
eines
weltweiten Netzes von terrestrischen
–
Eigenwert hat, der monetär nicht zu messen ist. Der deutsche
und
marinen
Schutzgebieten
(„Life Web Initiative“). Dabei
Naturschutzbund (NABU) stellt fest: „Neben dem ökonomihat
der
Schutz
der
biologischen
Vielfalt der Wälder sowie
schen Wert der Artenvielfalt steht für den NABU vor allem auch
der
Ozeane
besonders
hohe
Bedeutung;
der Wert der Vielfalt an sich im Vordergrund.“ Befürchtet wird,
dass bei einer Ökonomisierung der Artenvielfalt zukünftig nur – die Auswirkungen des verstärkten Anbaus von Pflanzen zur
Gewinnung von Agrokraftstoffen;
das geschützt wird, was ökonomisch verwertbar ist. Zum andedie Sicherstellung der ausreichenden Finanzierung von
–
ren wird auf ein methodisches Grundproblem hingewiesen.
Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität insbesondere in
Die monetäre Bewertung von Naturgütern setzt voraus, dass
Schwellen- und Entwicklungsländern über den bestehenden
diese durch Kapital substituiert werden können. Dies halten
Globalen Umweltfonds (Global Environment Facility – GEF)
die Kritiker für eine falsche und fatale Ausgangsthese.
hinaus.
Umwelthaftung und Kompensation
Die Kommentare zu den Ergebnissen der 9. VertragsstaatenNeben der Berechnung des Nutzens stellt die Frage der konferenz stehen exemplarisch für die Einschätzungen zum
finanziellen Haftung für Schäden die zweite ökonomische Stand der internationalen Artenschutzpolitik. Während das
Dimension von Biodiversität und Ökosystemen dar. Von zentra- CBD-Sekretariat von einer „neuen Ära der Implementierung
ler Bedeutung ist hier die europäische Richtlinie 2004/35/EG des CBD“ spricht, und vor allem die Etablierung eines
über die Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Finanzierungsmechanismus für Schutzgebiete sowie die
Umweltschäden. Sie umfasst die Haftung von Unternehmen für Einigung auf einen Verhandlungsprozess zur gerechten
Schäden an der Biodiversität, an Gewässern und am Boden. Ein Verteilung der Gewinne aus der Nutzung genetischer Ressourcen
Unternehmen, das durch seine Tätigkeit einen Umweltschaden hervorhebt, äußern sich Umwelt- und Naturschutzverbände
oder die unmittelbare Gefahr eines solchen Schadens verur- differenziert bis kritisch über den Fortgang der politischen
sacht, ist dafür finanziell verantwortlich. Die EU-Richtlinie Verhandlungen.
wurde durch entsprechende Gesetze in nationales Recht So begrüßt der WWF das beschlossene Verhandlungsmandat
zur Erarbeitung von Regeln für den
umgesetzt, in Deutschland beispielsweise im Mai 2007 durch das „Gesetz „Die Ökonomisierung der Umwelt Zugang und die Nutzung von genetischen Ressourcen, hält aber die biszur Vermeidung und Sanierung von ist kein Königsweg.“
her erzielten Fortschritte im Hinblick
Umweltschäden“.
auf das 2010 Biodiversity Target für
Eng verbunden mit den Regelungen zur Jörg Roos, WWF
unzureichend: „Die Weltgemeinschaft
Umwelthaftung sind die so genannten Biodiversity Offsets. Dabei geht es um die Kompensation wird ihr Ziel, den Verlust der biologischen Vielfalt bis 2010
von Eingriffen in die Natur, die sicherstellen sollen, dass kein deutlich zu bremsen, kaum noch erreichen.“ Die internatioNettoverlust an biologischer Vielfalt verursacht wird. Ähnlich nale Umweltschutzorganisation Friends of the Earth kritisiert
den Emissionszertifikaten im Klimabereich soll hier ein Markt die Teilnehmer der Konferenz und verweist auf zwei zentrale
für Naturschutz-Zertifikate entstehen. Die Kreditanstalt für Handlungsfelder: „Ihre Weigerung, dringend erforderliche
Wiederaufbau (KfW) stellt dazu fest: „Langfristig wird sich Schritte in den Bereichen Biokraftstoffe und Abholzung zu unterein Markt entwickeln, der den heutigen ‚Carbon Markets’ nehmen, kann massive ökologische und soziale Auswirkungen
haben, da sich die Preisspirale bei Nahrungsmitteln immer
ähnelt.“
schneller dreht und die Menschen unter dem Artenverlust leiden.“
oekom Position Paper: Biodiversität
3. Verantwortung der Wirtschaft
Physische Risiken
In der jüngeren Vergangenheit wird der Zusammenhang von
Biodiversität und unternehmerischer Tätigkeit verstärkt diskutiert. In einer aktuellen Studie der Biodiversitätsarbeitsgruppe der Finanzinitiative des Umweltprogramms der Vereinten
Nationen (UNEP FI) wird der Beitrag verschiedener Sektoren
zum Rückgang der Artenvielfalt analysiert. Danach lassen sich
folgende Haupttreiber des Artenschwunds identifizieren:
1. Zerstörung der natürlichen Lebensräume durch Urbanisierung
und Ausbau der landwirtschaftlich genutzten Flächen;
2. Verschmutzung von Wasser und Luft;
3. Klimawandel;
4. Verbreitung von invasiven Arten, z. B. im Ballastwasser von
Schiffen;
5. Übernutzung, z. B. im Fischfang.
Regulatorische Risiken – Auflagen für die Gewinnung tierischer Rohstoffe, z. B. Fangquoten
– Auflagen für die Nutzung von
Umweltmedien, z.B. Verschärfung
der Emissionsgrenzwerte
Die Studie weist beispielsweise dem Öl & Gas-Sektor eine
Verantwortung für die Punkte 1 bis 4 zu, die Landwirtschaft und
die Erzeugung von Agrarkraftstoffen sieht die Studie verantwortlich für die Punkte 1 bis 3.
Auch vor dem Hintergrund dieser Auswirkungen auf die
Biodiversität sind Unternehmen in den vergangenen Jahren
aktiv geworden. Dabei können drei Ebenen des Engagements
unterschieden werden: Zum einen gibt es zahlreiche
Unternehmensstiftungen, die sich in entsprechenden Projekten
engagieren. Zum anderen wird der Artenschutz als Marketingund Kommunikationsthema genutzt, wie z. B in der umstrittenen Regenwald-Kampagne einer deutschen Brauerei.
Immer häufiger werden entsprechende Kriterien aber auch im
Kerngeschäft der Unternehmen berücksichtigt. Dabei sind auf
Initiative bzw. unter Beteiligung der Wirtschaft verschiedene
Initiativen entstanden, die den Schutz der Biodiversität und
eine nachhaltige Nutzung der Ressourcen zum Gegenstand
haben. Dazu gehören beispielsweise:
– Forst Stewardship Council (FSC);
– Initiative „Biodiversity in Good Company“;
– Marine Stewardship Council (MSC);
– Roundtable on Sustainable Palm Oil.
– Verfügbarkeit von pflanzlichen und
tierischen Rohstoffen
– Verfügbarkeit von Betriebsmitteln
wie sauberem Wasser
– Einbußen beim ästhetischen Wert
der Natur
Marktpreisrisiken
– Erhöhung der Preise für pflanzliche
und tierische Rohstoffe
Marktrisiken
– Veränderung des Einkaufsverhaltens
durch eine stärkere Berücksichtigung
von Artenschutzkriterien durch den
Verbraucher
Rechtsrisiken
– Klagen im Hinblick auf die
Beteiligung von Branchen bzw.
Unternehmen am Artensterben
– Umweltschadenshaftung
Reputationsrisiken
– Stigmatisierung von Branchen bzw.
einzelnen Unternehmen aufgrund
negativer Auswirkungen auf die
Artenvielfalt
Tabelle 2: Direkte und indirekte unternehmerische Risiken durch das
Artensterben und eine eingeschränkte Funktionsfähigkeit der Ökosysteme; Quelle: eigene Darstellung
4. Wechselwirkungen mit anderen Themen
Artenvielfalt und Klimawandel
Immer wieder wird auf die Wechselwirkungen zwischen
dem Klimawandel und dem Artensterben hingewiesen. Wie
erwähnt sieht der Weltklimarat IPCC im Klimawandel eine
bedeutende Gefahr für die Artenvielfalt. Da ein Anstieg der
globalen Durchschnittstemperatur um zwei Grad Celsius
in den kommenden 20 bis 30 Jahren selbst bei sofortigen
Gegenmaßnahmen nicht zu vermeiden ist, rechnet er mit der
Beeinträchtigung von natürlichen Lebensräumen und damit
verbunden dem Aussterben weiterer Arten sowie der geografischen Verschiebung der Arten, z. B. der Weinanbaugebiete.
In diesem Zusammenhang wird auch auf die Gefahr einer positiven Rückkopplung zwischen Artensterben und Klimawandel
hingewiesen. Gerade Wälder, Feuchtgebiete und Korallenriffe
sind bedeutende Senken für Treibhausgase und spielen
damit eine wichtige Rolle bei der natürlichen Regulierung
des Klimas. In diesem Zusammenhang stellt das deutsche
Bundesumweltministerium fest: „Der Schutz von Lebensräumen
ist aktiver Klimaschutz.“
Aus unternehmerischer Perspektive gilt es, die Risiken zu identifizieren und aktiv zu managen, die sich aus dem Artensterben
und einer eingeschränkten Funktionsfähigkeit der Öko-Systeme
ergeben können. Der World Business Council for Sustainable
Development (WBCSD) stellt in diesem Zusammenhang
fest, dass „die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der
Ökosysteme für die Wirtschaft in hohem Maße relevant ist,
da Unternehmen diese durch ihre Aktivitäten nicht nur beeinträchtigen, sondern auch von deren Leistungen abhängig
sind. Dadurch können für die Unternehmen eine Reihe von
Risiken für die Unternehmensentwicklung, aber auch neue
Geschäftsmöglichkeiten entstehen.“
Nach Einschätzung von oekom research zählen zu den
Risiken:
juli 2005
oekom Position Paper: Biodiversität
die Artenvielfalt auswirkt.
So stellt beispielsweise die Schweizerische Arbeitsgruppe
Gentechnologie (SAG) fest: „Gentechnik wirkt monopolisierend, konzentrierend und nivellierend, nicht vielfaltserzeugend.
Bisherige Erfahrungen deuten darauf hin, dass Agrogentechnik
der Biodiversität schadet.“ In ähnlicher Richtung argumentiert
auch der deutsche Naturschutzbund (NABU): „Wie die bisher
entwickelten transgenen Pflanzen auf die biologische Vielfalt
wirken, lässt sich heute nicht abschließend beantworten.
Artenvielfalt und Gentechnik
Enge Berührungspunkte gibt es zur Diskussion um den
Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen in der
Landwirtschaft. Kritische Stimmen heben hervor, dass die
Auswirkungen des Einsatzes auf die Biodiversität zwar nicht
abschließend bewertet sind, die bisherigen Erfahrungen und
Forschungsergebnisse aber darauf schließen lassen, dass der
Einsatz gentechnisch veränderter Organismen sich negativ auf
■
oekom Standpunkt bei Unternehmensbewertungen
Der Schutz der Artenvielfalt und der Ökosysteme ist ein zentrales Ziel im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung. Bei der
Erreichung dieses Ziels spielen die Unternehmen eine wichtige Rolle – sowohl im Hinblick auf eine nachhaltige Nutzung
der Ökosysteme als auch auf eine gerechte Verteilung der
sich daraus ergebenden Gewinne und Vorteile. Gleichzeitig
sehen sich Unternehmen, die dieser Verantwortung nicht
gerecht werden, massiven Risiken ausgesetzt.
die biologische Landwirtschaft oder die Zertifizierung
nach FSC oder vergleichbaren Standards positiv bewertet
wird.
– Rechte: Aktivitäten im Hinblick auf die Patentierung von
Leben werden negativ bewertet. Gefordert wird ein finanzieller Ausgleich bzw. eine gerechte Verteilung der Gewinne
aus natürlichen Ressourcen und des Wissens darüber.
oekom research beobachtet ständig die Entwicklungen im
Bereich der Artenvielfalt und integriert neue Erkenntisse in
das Rating.
Grundsätze im Rating von oekom research
Die Auswirkungen der einzelnen Branchen und damit die
Verantwortung der jeweiligen Unternehmen für den Schutz
von Biodiversität und Ökosystemen sind sehr unterschiedlich. Deshalb hat oekom research entsprechende Kriterien
branchenspezifisch definiert. Dabei werden folgende
Grundsätze berücksichtigt:
– Verantwortung: Unternehmen sollen sich im Rahmen einer
Policy bzw. eines Statements zu ihrer Verantwortung für
den Schutz der Arten und der Ökosysteme bekennen.
– Transparenz: Unternehmen sollen analysieren, inwiefern ihre Produkte und Leistungen Biodiversität und
Ökosysteme (negativ) beeinflussen. Dazu zählt auch eine
umfassende Risikobewertung von gefährlichen Stoffen
im Hinblick auf ihre Umweltauswirkungen sowie des
Einsatzes von gentechnisch veränderten Sorten.
– Management: Gefordert wird ein verantwortungsvoller Umgang mit den Auswirkungen der unternehmerischen Aktivitäten, z. B.: eine generelle Minimierung
der Belastung von Ökosystemen insbesondere durch
Steigerung der Effizienz im Ressourceneinsatz, die
Minimierung des Flächenverbrauchs und Reduzierung
der Emissionen; die Kompensation durch Schaffung von
Ausgleichsflächen, kontinuierliche Renaturierung und
den Rückbau und die Sanierung von Altstandorten, z.B.
erschöpfter Lagerstätten; die Förderung von nachhaltigen
Anbaumethoden in der Land- und Forstwirtschaft, wobei
Berücksichtigung in einzelnen Branchen
Die genannten Grundsätze werden in verschiedenen
Branchen berücksichtigt, so z. B.
– bei Agro-Unternehmen im Hinblick auf den Einsatz von
gefährlichen Pestiziden und gentechnisch veränderten Sorten sowie anderen Maßnahmen, die die (Agro-)
Biodiversität gefährden.
– in der Papier- und Holzwirtschaft im Hinblick auf die Nutzung
von Rohstoffen aus nachhaltiger Forstwirtschaft.
– bei Unternehmen aus der Öl- und Gasbranche sowie bei
Bergbauunternehmen und Energieversorgung im Hinblick
auf die ökologischen Auswirkungen von Erkundungs- und
Förderaktivitäten.
– bei Energieversorgungs- und Chemieunternehmen, die
sich im Bereich von nachwachsenden Ressourcen (z. B.
Agrokraftstoffe) engagieren.
– in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie bezüglich der
Förderung nachhaltiger Anbau- und Fangmethoden.
– bei Handelsunternehmen, wenn es um den Verkauf von
Produkten geht, bei deren Herstellung gefährdete Arten
beeinträchtigt wurden oder die Bestandteile enthalten,
die von gefährdeten Arten stammen.
– bei Banken und Finanzdienstleistern bei der Einhaltung
von ökologischen Standards bei der Projektfinanzierung
und Kreditvergabe („Equator Principles“).
oekom Position Paper: Biodiversität
■ Quellen
Studien und Positionspapiere
Business and Biodiversity - A Guide for the Private Sector
IPC (2007)
IPCC Fourth Assessment Report: Climate Change 2007
World Resources Institute (WRI), Meridian Institute (MI) and World
Business Council for Sustainable Development (WBCSD) (2008)
The Corporate Ecosystem Services Review - Guidelines for
Identifying Business Risks and Opportunities Arising from
Ecosystem Change - (ESR guide) - Version 1.0
IUCN (o. J.)
Species extinction – The facts
NABU (2005)
AGRO-GENTECHNIK & NATURSCHUTZ: Auswirkungen des Anbaus
von gentechnisch veränderten Pflanzen auf die biologische Vielfalt
Links
Business and Biodiversity Offset Program (BBOP)
www.forest-trends.org/biodiversityoffsetprogram
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Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und
Sanierung von Umweltschäden
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ökom verlag (2008)
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EU Biodiversitätspolitik
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Sachverständigenrat für Umweltfragen (2007)
Klimaschutz durch Biomasse
Friends of the Earth
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Sir Nicholas Stern (2006)
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Biodiversity and Ecosystem Services: Bloom or Bust?
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www.unepfi.org
World Business Council for Sustainable Development (WBCSD)
(1997)
World Wide Fund For Nature (WWF)
www.wwf.de/themen/artenschutz/politische-instrumente
Hinweis
zum Erhalt der Artenvielfalt und der Funktionsfähigkeit der
Ökosysteme leisten. Vertreten sind u. a. Unternehmen aus den
Branchen Handel, Medien und Pharma. Auf Wunsch senden wir
Ihnen gern mehr Informationen zu diesem Portfolio zu.
Für das oekom Responsible Investment Portfolio Biodiversity
& Ecosystem Services hat oekom research Unternehmen ausgewählt, die substanzielle und richtungsweisende Aktivitäten
oekom research – die Rating-Agentur
Die Münchner oekom research AG berät Investoren und Finanzdienstleister bei der Realisierung individueller Strategien für nachhaltige
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aber nur für die typischerweise entstehenden Schäden.
Abbildungsnachweis:
Helga Schmadel/pixelio; joakant/pixelio; bertl100/pixelio; Echino/pixelio
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