politische ökologie 91- 92 Veronika Bennholdt-Thomsen: Biodiversität im Globalisierungsdiskurs Günter Altner: Vielfalt und nachhaltige Entwicklung Markus Wissen: Agrobiodiversität und demokratische Ressourcenkontrolle Dezember 2004 _ 22. Jahrgang _ 18,00 Euro _ 28,80 sFr. _ ISSN 0947-5028 _ ISBN 3-936581-72-X politische ökologie 91- 92 Vielfalt 4 194201 918007 40092 Der Wert des Unterschieds Inhalt Vielfalt Der Wert des Unterschieds Leitwerte 16 Ein Wert an sich Vielfalt und Nachhaltigkeit Von Günter Altner Wertverlust 20 Eine Frage der Macht Biodiversität als Teil 32 Sturmwarnung für die Biosphäre des Globalisierungsdiskurses Biodiversität, Ökosysteme und globale Von Veronika Bennholdt-Thomsen Umweltveränderungen Von Wolfgang Cramer Wertvorstellungen 24 Bunte Welten mit Charakter? Über ein Paradox im Naturschutz 36 Zu wenig und doch mehr 11 Effektives Durcheinander und in der politischen Diskussion Zehn Jahre Übereinkommen Der gesellschaftliche Umgang mit Vielfalt Von Ulrich Eisel über die biologische Vielfalt Von Dirk Baecker Von Carsten Neßhöver 28 Das Reservoir für Alternativen Ökonomie und kulturelle Vielfalt 40 Betreten nicht verboten! Von Peter Finke Naturschutz und Biodiversität Von Horst Korn und Reinhard Piechocki 43 Dominanz der Einheitskuh Genetische Verarmung in der Landwirtschaft Von Franziska Wolff 46 Experiment mit ungewissem Ausgang Gentechnik und Wildpflanzen Von Martha Mertens 4 politische ökologie 91- 92 *Vielfalt Inhalt Wertewandel 70 Vielfalt als Lernprozess Neue politische Handlungskonzepte Von Axel Klaphake 73 Spannender Drahtseilakt Diversität von und in Umweltverbänden Von Angela Franz-Balsen und Christine Katz 76 Vielfalt als Nebeneffekt Agrobiodiversität und demokratische Ressourcenkontrolle Von Markus Wissen 79 Kontrollierter Kontrollverlust Spektrum Nachhaltigkeit Wildnis in der Planung Von Ellen Brouns Wertschätzung Nachhaltigkeit als Medienthema 82 Gefahr des freien Wettbewerbs 50 Gemeinsamer Nenner Europäische Kulturpolitik von Frauenschuh und Damenschuh Von Christa Prets Die ökonomische Bewertung Von Friedrich Küppersbusch 103 Eintritt in das post-fossile Zeitalter? Das Kyoto-Protokoll 2005 biologischer Vielfalt 84 Sehen lernen Von Irmi Seidl Naturschutz und Kunst im Dialog Von Daniel Kufner Von Hermann E. Ott 105 Erpressung im Hühnerstall Zum Streit um das Verbot der Käfighaltung 54 Gegengewicht zur globalen Einheitsware Die Konvention zum Schutz kultureller Vielfalt 86 Vorsprung durch Vielfalt Von Christine M. Merkel Der unternehmerische 58 Seismograph für den Zustand 100 Nur als Ausnahme von der Regel? Von Wolfgang Schindler Umgang mit Unterschieden 109 Konkurrenz belebt das Geschäft Von Marion Keil Car-Sharing in Deutschland Von Georg Wilke von Natur und Landschaft Der Indikator für Artenvielfalt Von Roland Zieschank, Hermann Stickroth Impulse Rubriken und Roland Achtziger 89 Projekte und Konzepte 60 Lukrativ, aber ungerecht 95 Medien 3 Editorial Patente auf Leben 112 Reaktionen Von Corinna Heineke 113 Vorschau/Impressum 63 Ambivalente Vielfalt Naturschutz im Föderalismus Von Oliver Hendrischke 66 Vom Regenwald zum Schwarzwälder Hausgarten Gender in der Biodiversitätsdebatte Von Anja Becker politische ökologie 91- 92 *Vielfalt 5 Wertschätzung Der Indikator für Artenvielfalt Seismograph für den Zustand von Natur und Landschaft Von Roland Zieschank, Hermann Stickroth und Roland Achtziger Der Erhalt der Biodiversität soll künftig ei- Im Fortschrittsbericht 2004 zur bundes- maßgeblich vom Umgang mit ihnen, insdeutschen Nachhaltigkeitsstrategie ist besondere der Nutzungsweise und Nut- nen breiteren Raum in der deutschen Nach- ein Indikator enthalten, der den Zustand zungsintensität, beeinflusst. Verschlechvon Natur und Landschaft in Deutsch- tern sich die Lebensräume der Indi- haltigkeitsstrategie einnehmen. Aber nur land und dessen Veränderungen abbil- katorarten infolge nicht-nachhaltiger det. Ziel ist es, die Erfolge oder auch Nutzung oder auf Grund von Beein- wer die Lage von Fauna und Flora gut Fehlentwicklungen bei der Erhaltung der trächtigungen im Zuge von Eingriffen biologischen Vielfalt zu dokumentieren. oder durch Schadstoffe, drückt sich dies kennt, kann die richtigen politischen Maß- Dieser „Nachhaltigkeitsindikator für die in abnehmenden Bestandszahlen der in Artenvielfalt“ ist zugleich der einzige den Indikator einfließenden Arten und nahmen ergreifen. Deshalb wird ein neues innerhalb der umweltbezogenen Indika- letztlich in einem rückläufigen Trend des Messinstrument entwickelt. Ein wesentliches Instrument der Operationalisierung von Leitbildern, politischen Zielen wie auch deren Erfolgskontrolle sind Indikatoren. Sie sollen als ausgewählte, plakative Kenngrößen Auskunft über Entwicklungstrends in einem bestimmten Politikfeld geben. Daraus ergibt sich angesichts der Komplexität des Themas Biodiversität ein Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Exaktheit und politischer Nutzbarkeit: Ist der Indikator übermäßig komplex, schwindet die Nutzbarkeit für die Politik, ist die Realität hingegen unzureichend berücksichtigt, verliert er in politischen Auseinandersetzungen zwangsläufig an Argumentationskraft. 58 toren mit einem Schwerpunkt auf der Darstellung des Umweltzustands (hier: Arten, Lebensräume, Landschaften) im Gegensatz zu Belastungsindikatoren wie der Emission von Treibhausgasen oder dem Flächenverbrauch. Die Basis des Indikators bildet die Bestandsentwicklung von 51 Vogelarten. (1) Dabei geht es aber weniger um die Arten als Schutzobjekte, sondern vielmehr darum, dass sie die Qualität ihrer Lebensräume und der vieler weiterer Arten als Grundlage für die Artenvielfalt indizieren. Erfasst werden die wichtigsten Lebensräume wie Wälder, Agrarlandschaften, Gewässer, Siedlungen oder Küsten – in der Summe sollen sie die Entwicklung in Deutschland repräsentieren. Hierbei legt der Indikator einen Schwerpunkt auf die genutzte Landschaft („Normallandschaft“). Deren Qualität ist letztlich der entscheidende Faktor für die Erhaltung der biologischen Vielfalt. (2) Kein Instrument der Ursachenforschung Die ökologischen Funktionen der verschiedenen Lebensräume werden dabei Indikators aus. Nehmen gleich mehrere Arten eines Lebensraumes zu oder ab, sind die Signale des dazugehörigen Teilindikators umso gewichtiger. Um den Informationsbedarf der Bundesbehörden zu stillen, wird ein aussagekräftiger, handlungsrelevanter und anschaulicher Indikator benötigt, der eine gesellschaftliche Signalwirkung hat und aufzeigt, ob auch die ökologischen Aspekte der nachhaltigen Entwicklung in Deutschland ausreichend berücksichtigt werden. Konsequenterweise teilen die ausgewählten Arten vor allem etwas über die genutzte Landschaft mit, die über 90 Prozent der Fläche des Bundesgebietes ausmacht. Der Indikator entspricht so dem Verständnis einer neueren Wertschätzung a b c Vielfalt wird mir zu viel ... a) … wenn die monotonen und ruhigen Seiten des Lebens damit in die Wüste geschickt werden. b) … bei der Beschäftigung mit den Details. Wenn sie sich nicht beschreiben lässt, sich Ordnungskriterien und sich somit vielleicht auch der Naturschutzpolitik, die das Anliegen eines nachhaltigen Umgangs mit Natur und Landschaft flächenübergreifend vertritt. Er ermöglicht eine Kontrolle der Zielerreichung, ist aber kein Instrument der Ursachenforschung, sodass die Verursacher negativer Trends oder gar „Schuldige“ auch nicht eindeutig identifiziert werden können. Stagnation oder Rückgänge bei mehreren ausgewählten Tierarten werfen vielmehr weiteren Klärungsbedarf auf. Orientierungshilfe für verschiedene Akteure Zusätzlich signalisieren solche Vorgänge Handlungsbedarf, der über die Umwelt- oder Naturschutzpolitik hinausgeht. Denn für die Qualität von Natur und Landschaft als Grundlage der Artenvielfalt sind weitere Politikfelder – wie Landwirtschaftspolitik, Raumordnungs- und Verkehrspolitik oder auch Wirtschaftsund Energiepolitik – mitverantwortlich. Dies schließt im Endergebnis die gesellschaftlichen Akteure mit ein, da sie durch die Art und Intensität der Nutzung von Landschaften und der Naturressourcen sowie über resultierende ökologische Belastungen die Lebensbedingungen verschiedenster Tierarten bewusst oder unbeabsichtigt determinieren. Der Indikator für die Artenvielfalt versteht sich somit – wie die Nachaltigkeitsstrategie insgesamt – im positiven Sinne als Orientierung für das Handeln aller staatlichen und gesellschaftlichen Akteure. Da der Nachhaltigkeitsindikator in seiner jetzigen Form auf der Bestandsent- politische ökologie 91- 92 *Vielfalt wicklung einzelner Indikatorarten und nicht auf der gezielten Erfassung der Artenvielfalt (z.B. der Anzahl an Arten) beruht, ist noch keine direkte Darstellung der Artenvielfalt in Deutschland und deren Veränderung möglich. Der Indikator macht hierzu jedoch indirekte Aussagen, da er Arten enthält, die stellvertretend für andere Tier- und Pflanzenarten in den jeweiligen Ökosystemen stehen, ohne die sie nicht existieren könnten. Um die Artenvielfalt als wichtige Komponente der biologischen Vielfalt in einem Indikator abbilden zu können, muss dieser sicherlich durch weitere Informationen ergänzt und seine Datengrundlage verbreitert werden. So wird im Rahmen der derzeit laufenden Weiterentwicklung unter anderem geprüft, inwieweit die Bestandsentwicklung von Gefäßpflanzen, zusätzlichen Vogelarten, Fledermäusen, Fischen, Schmetterlingen oder Daten zur Anzahl an Arten in bestimmten Lebensräumen für die Berechnung des Indikators herangezogen werden können. Unterordnung entzieht. Das geht über den Verstand. Heilsam ist, das Ganze zu sehen. So wie die vielen Pinselstriche eines Bildes. c) … in komplizierten Origami-Objekten ab dem 80. Schritt ... . Zu den Auroren a) Roland Zieschank, geb. 1953, ist Verwaltungswissenschaftler und seit 1990 wiss. Mitarbeiter an der FFU. Er befasst sich u.a. mit der Entwicklung und politischen Funktion von Umweltindikatoren im Kontext von Nachhaltigkeitsstrategien. b) Hermann Stickroth, geb. 1962, arbeitet seit Jahren auf den Gebieten Ornithologie, Tierartenmonitoring, Ökologie und Umweltjournalismus. c) Roland Achtziger, geb. 1962, ist seit 1996 wiss. Mitarbeiter am Interdisziplinären Ökologischen Zentrum der TU Bergakademie Freiberg und beschäftigt sich mit den Bereichen Tierökologie, Naturschutzbiologie und Bioindikation. Kontakt Roland Zieschank Forschungsstelle für Umweltpolitik (FFU) Freie Universität Berlin Ihnestraße 22 D-14195 Berlin Fon ++49/(0)30/83 85 -2253 Anmerkungen (1) Insofern besteht eine Ähnlichkeit zum englischen Countryside Survey, bei dem ebenfalls und seit längerem mit Vogelarten gearbeitet wird. (2) Achtziger, R./Stickroth H./Zieschank, R. (2004): Nachhaltigkeitsindikator für die Artenvielfalt – ein Indikator für den Zustand von Natur und Landschaft in Deutschland. In: Angewandte Landschaftsökologie 63: S. 137, Bonn-Bad Godesberg. Die Erarbeitung des Indikators erfolgte im Auftrag des BfN mit Mitteln des BMU. E-Mail [email protected] 59